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Autor: Friedrich von Bodenstedt
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Titel: Die poetische Ukraine
Untertitel: Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder
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Erscheinungsdatum: 1845
Verlag: J. G. Cotta
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Erscheinungsort: Stuttgart u. Tübingen
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[III]
Die poetische Ukraine.

Eine Sammlung

kleinrussischer Volkslieder.

Ins Deutsche übertragen

von

Friedrich Bodenstedt.


Stuttgart und Tübingen.

J. G. Cotta’scher Verlag.

1845.

[IV] Schon seit geraumer Zeit gesteht man den verschiedenen eigenthümlichen Volksdichtungen einen besondern Werth zu, es sey nun daß dadurch die Nationen im Ganzen ihre Angelegenheiten, auf große Staats- und Familien-Verhältnisse, auf Einigkeit und Streit, auf Bündnisse und Krieg bezüglich, überliefern, oder daß die Einzelnen ihr stilles häusliches und herzliches Interesse vertraulich geltend machen. Bereits ein halbes Jahrhundert hindurch beschäftigt man sich in Deutschland ernstlich und gemüthlich damit; und ich läugne nicht, daß ich unter diejenigen gehöre die ein auf diese Vorliebe gestütztes Studium unablässig selbst fortsetzten, auf alle Weise zu verbreiten und zu befördern suchten; wie ich denn auch gar manche Gedichte, dieser Sinnes- und Gesanges-Art verwandt, von Zeit zu Zeit dem reinfühlenden Componisten entgegenzubringen nicht unterließ.

Goethe.


National songs and popular works of amusement throw no small light on the manners of a people: they are materials which most travellers have within[WS 1] their reach, but which they almost always disdain to collect. …

George Ellis.
[V]
Vorwort.

Ueber den Werth der Volksdichtungen im Allgemeinen haben sich schon zu viele gewichtige Stimmen lobend vernehmen lassen, als daß die Herausgabe vorliegender Sammlung einer weitern Rechtfertigung bedürfte.

Die größten Dichter aller Länder haben nicht verschmäht aus dem unversiegbaren Quell zu schöpfen, der ihnen in den Liedern ihres Volkes entgegenfloß. – Heinrich Heine sagt irgendwo: „Es liegt in den Volksliedern ein sonderbarer Zauber.“ Byron wußte das sehr gut, und einige der schönsten Gedichte des großen Britten haben seinem eifrigen Studium der Volkspoesie der Engländer, Griechen und Spanier ihr Entstehen zu verdanken. Diejenigen Lieder unseres Goethe, welche am meisten Anklang gefunden haben in den Herzen der Deutschen, sind die im Volkstone geschriebenen.

Ich halte es für überflüssig, noch andere von den vielen Beispielen anzuführen, welche geeignet wären, meine Ansicht über den Werth der verschiedenen Volksdichtungen zu unterstützen.

[VI] „Da nun aber“ – sagt Goethe – „solche Gesänge sich meist aus einer spätern Zeit herschreiben, die sich auf eine frühere bezieht, so verlangen wir von ihnen einen angeerbten, wenn auch nach und nach modificirten Charakter, zugleich mit einem einfachen, den ältesten Zeiten gemäßen Vortrag.“ –

Daß diese Eigenschaften der hier mitgetheilten Sammlung nicht fehlen, wird der gebildete Leser auf den ersten Blick wahrnehmen.

Für die Treue meiner Uebersetzungen bürge ich; – ob es mir gelungen ist, die weichen, wohlklingenden Verse, die den Liedern der Ukraine einen so eigenthümlichen Reiz geben, glücklich nachzuahmen, muß ich der Beurtheilung einsichtsvoller Kritiker überlassen.

Indem ich’s jedoch wage, die Kinder fremden Landes an meiner Hand einzuführen in mein deutsches Vaterland, liegt mir die Pflicht ob, zuvor ein Wort über ihre Herkunft und Heimath zu sagen. Ich verweise dieserhalb den geneigten Leser auf die geschichtliche Einleitung welche den Liedern vorausgeht, und bestimmt ist, in leichten Umrissen ein Bild des Volks zu geben, das sie gesungen.

Erst seit wenigen Jahren hat man in Rußland angefangen, sich mit Sammlungen ukrainischer Volkslieder zu beschäftigen, und ohne die eifrigen Bemühungen eines Czarnocki und Maximowitsch wären die herrlichen Lieder wahrscheinlich im Strudel der Zeit untergegangen und der Vergessenheit anheimgefallen.

[VII] In Polen war es Lach-Szyrma – Verfasser eines trefflichen Werks über polnische Literatur – welcher zuerst im Jahre 1818 einige ukrainische Gesänge mit polnischer Uebersetzung in periodischen Blättern erscheinen ließ.

Im Jahre 1833 gab Wenceslas Zaleski eine Sammlung polnischer und gallizischer Lieder mit Musik von dem berühmten Lipinski heraus.

Adam Czarnocki, ein junger polnischer Gelehrter, bekannt unter dem Pseudonamen Zoryan Chodakowski, hat einige Jahre seines Lebens darauf verwandt, die Reste der ukrainischen Volkspoesie zu sammeln. Leider verhinderte ihn sein frühzeitiger Tod, sein Unternehmen zu vollenden, und die Sammlung kam in die Hände eines russischen Gelehrten, M. Maximowitsch, welcher im Jahr 1827 die erste Ausgabe davon erscheinen ließ. Später bereicherte dieser seine Sammlung unter Mitwirkung des Fürsten Tzertelev, Sreznievski und Anderer, durch mehr denn 2000 Lieder und Fragmente, und ließ 1834 in Moskau eine neue Ausgabe davon erscheinen. Meine Uebersetzungen enthalten eine sorgfältige Auswahl dieser Sammlung.

Da sich die ukrainischen Lieder nur im Munde des Volks und besonders durch die Banduristen[1][VIII] welche oft nach eigenem Belieben daran änderten und modelten – bis auf unsere Zeit erhalten haben, so mußten natürlich viele davon ihre ursprüngliche Frische und Farbe verlieren, und ist auch in diesem Umstande der Grund des Vorhandenseyns der vielen Varianten zu suchen. Diese finden sich besonders bei den größeren Gedichten, den Dumen. Es leuchtet ein, daß dadurch die Schwierigkeiten einer passenden Auswahl um ein Bedeutendes vermehrt wurden.

Unter den vielen kleinrussischen Gelehrten, welche mir durch Uebersendung von Materialien u. s. w. bei der Ausarbeitung dieses Werkchens hülfreich zur Hand giengen, fühle ich mich besonders gegen Hrn. Roskowschenko, – bekannt durch seine trefflichen Uebersetzungen Shakspeare’scher Dramen, – und Hrn. Afanassiew, als Schriftsteller in Rußland unter dem Pseudonamen Tschubinsky bekannt, zu herzlichem Danke verpflichtet.

Ein mir befreundeter polnischer Gelehrter, Thaddäus Lada-Zablocki, hat unter meiner Mitwirkung eine französische Uebersetzung vorliegender Sammlung besorgt. Sein Buch soll für die Franzosen seyn, was meines für die Deutschen; nur daß letzteres den Vorzug hat, die Lieder in den Versmaßen des Originals wiederzugeben, was in der französischen Sprache unmöglich war.

In den historischen Skizzen dienten uns besonders [IX] Michel Grabowski[2] und Nikolas Polewoi[3] als Führer.

Sollte sich meine Arbeit einer günstigen Aufnahme bei der deutschen Nation zu erfreuen haben, so werde ich nach meiner Rückkehr in’s Vaterland eine ähnliche Sammlung grusinischer, armenischer, tartarischer und persischer Volkslieder erscheinen lassen. Materialien dazu habe ich auf meinen Reisen unter diesen Völkern schon in Fülle gesammelt.

Um den Ueberblick zu erleichtern, habe ich alle hier mitgetheilten Gedichte historischen Inhalts in chronologischer Ordnung gegeben.

So mögen denn die duftigen Lieder gleich klagenden Winden hinwehen zu den Gauen der Deutschen, und den Deutschen erzählen, wie die Kinder der Ukraine einst geliebt und gekämpft!

Tiflis den 1. October 1844.

Fr. Bodenstedt.



[X]
Hinsichtlich der Aussprache

der kleinrussischen Namen muß ich dem Leser bemerken, daß ich dieselbe nur annäherungsweise mit deutschen Buchstaben bezeichnen konnte, da uns mehrere Laute der ukrainischen Sprache gänzlich fehlen, und überhaupt die richtige Aussprache derselben Ausländern unmöglich ist. Das sanfte sch, das j der Franzosen, habe ich durch sh ausgedrückt, wie z. B. in Saparoshie. Bei den polnischen Namen ist die ursprüngliche Schreibweise beibehalten worden.

Die kleinrussische Sprache – eine Tochter der polnischen und russischen – ist wie mir scheint, der wohlklingendste aller slavischen Dialekte, und von großer musikalischer Wirkung.

Interessant war es mir, beim Lesen kleinrussischer Lieder auf eine Menge mehr oder weniger vermummter, deutscher Wörter zu stoßen, welche wahrscheinlich durch die polnische Sprache in der kleinrussischen Eingang gefunden haben.



[XI]
Inhaltsverzeichniß.
Seite
Vorwort V
Einleitung 1
Erstes Buch.
Die Lieder 19
     1. Steht am Wasser die Platane 23
     2. Rauscht es, rauscht’s im Eichenwalde 25
     3. Die Winde heulen, es wogt das Gras 27
     4. Zum Marsch, zum Abmarsch pfeifen 29
     5. Braus’t es, weht es 31
     6. Eine Hopfenranke im Garten allein 33
     7. Kam aus der Ferne ein Kuckuck geflogen 34
     8. Wo, wo, meine Liebe, jetzt weilest du? 35
     9. Im grünen Wiesenthal silberhell 37
     10. Vor Weh’ mir Herz und Kopf vergeh’n 39
     11. Zum Niemen zieh’ ich 42
     12. Fliegt ein Adler über’s Meer hin 44
     13. Schwamm auf dem Meere, auf blauem Meer 45
     14. Schickt die Mutter ihren Sohn, einen Falken kühn 46
     15. Weint und klagt Gregor’s alte Frau 48
     16. Sag’ Mädchen, wo werden wir schlafen zur Nacht? 49
     17. Hoch zwischen Blumen und Wintergrün 51
     18. Beugen sich die dichten Zweige 53
     19. Mein Mädchen, viel schöne, viel stolze Maid 55
     20. Dunkel ist die Nacht 56
     21. Schwang vom Wald’, vom dunklen Walde 57
     22. Hat die Frau den Mann geschlagen 58
     23. Sprach zum Mond’ die Abendröthe 60
     24. Auf ein Grab setzt der Kosack sich 61
     25. Wie er schön ist, wie er grün ist 63
[XII]
     26. Es zittert der Eichwald im Windesgeheule 64
     27. O, ihr Augen, schwarze Augen 66
     28. Schon fällt auf die Steppe das nächtliche Graus 68
     29. Schmied! warum schmiedest du heute nicht? 69
     30. Es setzt sich die Eule auf ein hohes Grab 70
     31. Zu Kiew auf dem Markte 71
     32. Ist dies die Quelle die mich gelabt und getränkt ? 74
     33. In der Morgenfrühe 76
Zweites Buch.
Die Dumen 79
Erste Abtheilung. Dumen aus dem XVI. Jahrhundert 83
     Die Flucht der drei Brüder aus Asow 85
     Der Tod Fedor Besrodny’s 92
     Der Tod Morosenko’s 95
     Von Bogußlaw 97
     Von Bogdan 99
     Der Tod Iwan Swiergowsky’s 101
Zweite Abtheilung. Dumen aus dem XVII. u. XVIII. Jahrhundert 103
     Der Tod Iwan Konowtschenko’s 105
     Vom Kosacken Baida 115
     Der Sturm auf dem schwarzen Meere 118
     Paley in Sibirien 123
Anhang.
Fragmente 127
     Perebienoß 129
     Gram der Schwester ob ihrem Bruder 131



[1]
Einleitung.

Es würde mich zu weit führen, hier eine ausführliche Geschichte der Kosacken zu geben, da dies Buch nicht besonders für Gelehrte, sondern für das ganze gebildete Publikum Deutschlands bestimmt ist.

Vielleicht daß ich später einmal, unter günstigern Verhältnissen, versuchen werde, nach Kräften die große Lücke auszufüllen, welche die Geschichte Europas in Bezug auf die slavischen Lande darbietet; in diesem Augenblicke machen mir meine Reisen und sonstigen Beschäftigungen ein solches Unternehmen unmöglich.

Was ich hier gebe, soll nichts seyn als eine kurze Berichtigung der irrigen Ansichten, welche allgemein in Deutschland über den Ursprung und die Entwicklung des weitverzweigten Kosackensystemes herrschen; zugleich mögen diese Blätter als Führer dienen durch den duftigen Liedergarten, der sich in bunten, wilden, aber anmuthigen Verschlingungen vor den Augen des Lesers ausbreitet.

So lange die Kosacken noch mit starker Hand eingriffen in das Rad der Geschichte, wußte in Europa [2] Niemand von ihnen; erst jetzt, da der Stern ihres Ruhmes seinem Untergange nahe ist, hat man angefangen, sich mit Untersuchungen über ihren Ursprung u. s. w. zu beschäftigen. Der Grund, warum diese Untersuchungen bisher zu so unbefriedigenden Resultaten geführt haben, ist vorzüglich in dem Umstande zu suchen, daß man sich mehr mit der Ableitung des Namens, als mit der Sache selbst beschäftigt hat. Einige leiten das Wort Kosack oder Kasack, von den Kassogen her; Andere von Kasachia; noch andere lassen die Kosacken selbst von den Tscherkessen abstammen; und so geht’s fort in’s Unendliche, und alle haben Recht, und Keiner hat Recht.

Durch die richtigste und genaueste Ableitung der Benennung Kosacken wird wenig Licht auf die Geschichte dieses Volkes geworfen, welches nicht Einer Quelle entsprossen, sondern ein Meer ist, durch den Zusammenfluß vieler Ströme gebildet.

In den endlosen Steppen, welche sich zwischen dem untern Don und dem Dniepr ausdehnen, hatten seit den ältesten Zeiten Nomadenvölker und Räuberhorden ihre Zelte und ihre Schlupfwinkel. Die Gränzen des alten Rußlands erstrecken sich im Süden nicht weiter als bis zur Mündung der Sula (linkes Dnieprufer), und des Pruth (rechtes Dnieprufer). Von dort an begannen die Zelte der Steppenbewohner, der Chasaren, Petschenägen und Polowzen.

Seit Ruriks Zeiten bis zu Ende des zwölften Jahrhunderts waren diese Völker durch ihre Räubereien und Streifzüge furchtbar. Je nachdem sich ihnen Aussicht auf [3] Beute darbot, machten sie Einfälle in Rußland, oder verbanden sich mit den Russen, um ihnen gegen andere räuberische Nachbarvölker beizustehen; sie plünderten die Reisenden und Karavanen und lebten selbst in beständigem Hader unter einander.

Um das Verhältniß dieser Räubervölker, den russischen Fürstenthümern gegenüber, – den einzigen angebauten Ländern, welche die Ursteppen begränzten, – richtig darzustellen, ist es nöthig, zuvor einen Blick auf den innern Zustand dieser Länder zu werfen.

Sie bestanden aus Groden, das heißt, aus großen, durch Wälle und Mauern befestigten Burgen, welche den Fürsten oder ihren Statthaltern zum Aufenthalte dienten. Zwischen diesen Burgen zogen sich aus zerstreut gelegenen Hütten bestehende Dörfer, Chutoren oder Meiereien, hin, wo das Volk den Winter zubrachte, und von wo es sich, bei Ueberfällen feindlicher Horden, in die Groden flüchtete. Oft auch führten die Fürsten, nach Art der deutschen Raubritter des Mittelalters, selbst Kriege untereinander, und die Sieger hausten schrecklich im Gebiete der Besiegten.

Der Landmann fand bei seiner Rückkehr, statt der verlassenen Hütte, nur Schutt und Trümmer; der Ackerbau und die Gewerbe stockten; das gesellschaftliche Leben konnte sich nicht entwickeln, und das Bedürfniß größerer befestigter Plätze wurde immer fühlbarer. Nur in den Groden,[4] welche sich nach Maßgabe der Bevölkerung [4] erweiterten und zu Städten heranwuchsen, war noch Sicherheit zu finden.

Die bedeutendsten Groden jener Zeit waren, Tschernigow, Kiew, Belgorod, Perejaslawl, Nowogorod, Sewersk, Owrutsch[5] u. s. w.

Am bedrängtesten wurde der Zustand der russischen Fürstenthümer, seit die Tartaren anfingen ihre Einfälle zu machen. Jetzt war nicht mehr an Ackerbau zu denken; die Felder lagen wüste, die Wohnungen des Landmanns wurden der Erde gleich gemacht; Keiner durfte mehr wagen, die befestigten Plätze zu verlassen. Die Pflugschar ward zum Schwerte und der Ackersmann zum Krieger. Ein ganzes Jahrhundert lang schwebte der Säbel der Tartaren drohend und verderbend über den Häuptern der Russen. Was war natürlicher, als daß diese, zur Verzweiflung gebracht, es vorzogen dem Feinde selbst entgegen zu ziehen und in offener Feldschlacht dem Tode zu trotzen, als ihn daheim in träger Furcht von der Hand der Barbaren zu erwarten.

Um jene Zeit, seit dem Einfalle der Tartaren, bildeten sich zwei Stände: der des Bürgers oder Stadtbewohners, und der des Kosacken oder bewaffneten Landbewohners.

[5] In den nördlichen russischen Fürstenthümern, welche sich wie alle übrigen vor dem Schwerte der Tartaren beugen mußten, wo dieses aber die bestehende Ordnung nicht zerstörte, behielt der Stand der Bürger die Oberhand, und die Staatsverfassung blieb in ihren ursprünglichen Formen.

Der Stand der Kosacken nahm seinen Ursprung in den südlichen Provinzen, wo die russischen Fürsten mit ihren Bojaren umgekommen waren, wo die geistliche Macht gesunken war, wo die Horden der Tartaren sich festgesetzt hatten, und die Städte mit ihren zerstörten Mauern unvertheidigt dastanden, inmitten der wüsten Felder.

Die Benennung Kosack als Gegensatz des Bürgers, bezeichnet ursprünglich einen seines Herdes und Hauses beraubten Herumstreifer. Aber wo sollten diese Flüchtlinge Schutz suchen vor dem drückenden Joche der Feinde, welche das ganze Land, von der Wolga bis zum Dniepr, überschwemmten? Der Theil der alten Steppe, wo früher der Polowetz sein Zelt aufschlug, war der Herrschaft der Tartaren unterworfen. Sie unterjochten oder verdrängten alle Nomadenstämme, welche sie auf ihren Raubzügen antrafen. Kanew, eine befestigte Gränzstadt, welche die Russen gegen die Einfälle der Polowzen erbaut hatten, war in der Gewalt der Tartaren.

Um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts fielen alle diese Länder in die Hände anderer Herren. Olgerd, Großherzog von Litthauen, verjagte die Tartaren von den Ufern des Dniepr. Seine Statthalter herrschten über Kiew, Tschernigow und Nowogorod Sewersk.

[6] In Folge dieser Eroberungen blieb den Flüchtlingen kein anderer Zufluchtsort übrig, als das Land am Don, unfern des asow’schen Meeres, und die wüsten, hinter den Wasserfällen des Dnieprs, nach der Seite des schwarzen Meeres zu, gelegenen Gegenden.

Hier war die Wiege der Kosacken. Doch fanden die Flüchtlinge der unterjochten russischen Fürstenthümer in diesen Schutzorten schon ältere Bewohner vor, welche theils aus Nachkömmlingen einheimischer Stämme, theils aus Eingewanderten bestanden.

Seit langer Zeit wachten die Söldnerhorden Asiens, die Türken und die Kara-Kalpaken, über die Sicherheit der Gränzen Rußlands. Sie waren unabhängig, dienten für Geld, und behielten ihre asiatischen Namen bei. Diese Horden wurden von den Russen Brodniks genannt, das heißt bewaffnete Herumstreifer, welche für Geld ihre Dienste verkauften.

Berlade in der Moldau unterschied sich in Nichts von der Sitsch[6] der Kosacken. Es war dies der Sitz einer kriegerischen, schon domicilirten Gesellschaft, welche vom Raub und Plündern lebte.

Außer den Brodniks fanden sich in den oben genannten Schlupfwinkeln Vagabunden von allen Nationen zusammen. Die durch die Tartaren von der Steppe verdrängten Polowzen, Tscherkessen vom Kaukasus, [7] Kalmücken, Russen und Litthauer suchten hier ihre Zuflucht.

Aus all diesen verschiedenartigen Elementen bildete sich ein großes Ganze, welches sich späterhin in zwei Zweige theilte: in den des Don, und den des Dniepr. In dem ersten war das asiatische Element vorherrschend; der zweite war mehr slavischer Natur.

Aus dem Vorhergehenden lassen sich alle so auffallenden Verschiedenheiten in Charakter und Sitten erklären. Und doch nahmen alle diese verschiedenen Stämme die russische Sprache und die Religion der griechisch-katholischen Kirche an! Der Grund dieser merkwürdigen Erscheinung ist leicht zu finden. Von jeher war Kiew allen andern russischen Fürstenthümern an Bildung überlegen; die von dort aus in großer Menge dem Joche der Tartaren entschlüpften Flüchtlinge mußten natürlicherweise einen mächtigen Einfluß auf ihre rohern Waffenbrüder ausüben; zudem ward der christliche Glaube Allen zum Unterpfand gemeinsamen Hasses gegen ihre Unterdrücker. Alle legten sich den Namen Kosack bei; ein Wort, welches noch heutiges Tages einen unabhängigen Krieger bezeichnet.

So ward die Nothwendigkeit der Besiegten, ihr Leben durch die Flucht in entfernte Gegenden vor der Gewalt der Sieger zu wahren, die Ursache der Entstehung des Volks der Kosacken.

Der Trieb sich zu rächen und ihre Unabhängigkeit zu befestigen, war das natürliche Resultat einer so mühevoll errungenen Sicherheit.

[8] Der Reiz der Freiheit, die reiche Beute, die wachsende Macht, und endlich der eigene Herd, ließen die armen Flüchtlinge das neue Leben liebgewinnen und reizten Andere sich ihnen anzuschließen. Und in der That mußte der Stand des Kosacken einen mächtigen Zauber auf Alle die ihm angehörten, ausüben.

Sie, die früher als willenlose Sklaven unter der Peitsche oder dem Schwerte der Tartaren zitterten, verachtet und verächtlich, schwangen jetzt selbst das Schwert gegen ihre früheren Unterdrücker, und flogen einher auf muthigen Rossen, frei wie der Wind der Steppe, gefeiert in den Liedern ihres Volkes.

Das schönste Mädchen, das er im Kampfe gefangen, ward des Kosacken Weib; aus dem reichsten Stoffe, den er dem Feinde genommen, bereitete er seine Kleider; er schmückte sich mit den erbeuteten Waffen seines Gegners.

Seine Kinder wuchsen auf bei Schwerterklang und Kampfgewühl; Hörnerschall und Schlachtlieder waren ihre Wiegengesänge; mit der Muttermilch sogen sie den Haß gegen ihre Unterdrücker ein.

Verwundet in der Schlacht, küßte der Kosack, bevor er starb, noch einmal die Handvoll heimischer Erde, welche er immer auf seiner Brust trug, schickte dem treuen Weibe daheim sein letztes Lebewohl, und gab seinen Kindern und tapfern Waffengefährten seinen Segen.

Wenn er glücklich von den Streifzügen zurückam, so theilte er seine Beute, gab Gastmähler und Schmausereien, und lebte sorglos und in Freuden.

[9] Die Söhne wurden von frühester Jugend an geübt die Waffen zu führen und Rosse zu bändigen. Die Frauen fochten an der Seite ihrer Männer, wenn der Feind einen Ueberfall auf ihren Grod wagte.

So war das Leben des Kosacken zu Hause und im Felde.

Werfen wir jetzt einen historischen Rückblick auf die Entstehung dieses Volkes, so finden wir, daß, als die südlichen Fürstenthümer Rußlands unter der Ueberschwemmung der Tartaren, und später der Litthauer, verschwanden, die russische Nation zwei Jahrhunderte hindurch in einer politischen Erstarrung lag, von welcher sie sich nur langsam wieder erholte.

Damals, gleichzeitig mit dem ersten Einfalle der asiatischen Horden, nahm an den südlichen Gränzen Rußlands, in den unabsehbaren Steppen, in zwischen Meerbusen, Felsen und Strömen verborgenen Schlupfwinkeln, das Volk der Kosacken seinen Ursprung.

Zwei Elemente des alten Rußlands: die Sprache und Religion, verwebten sich mit seinem Organismus, und sind bis jetzt die einzigen Zeichen der Aehnlichkeit zwischen Kosacken und Russen geblieben. Es leuchtet ein, daß bei dem seltsamen Gemisch, aus welchem das Volk entstanden war, sich alles Uebrige, wie seine Lebensweise, seine Physiognomie, seine Sitten, seine Verfassung, seine Geschichte und Poesie, auf eine ganz eigenthümliche und neue Weise entfalten mußte.

Bekannt ist, daß schon lange vor dem Einfalle der [10] Tartaren, bewaffnete Horden, ebenfalls Kosacken genannt, raubend und plündernd die Steppenwüste des östlichen Europas durchzogen. Aber den Anfang der großen Kosackenverbrüderung kann man erst um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts festsetzen; von der Zeit an, bis zur Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts währt die Periode ihrer politischen Organisation.

Sobald die Kosacken ein selbstständiges, gefürchtetes Volk geworden waren, fochten sie oft für gute Belohnung auf der Seite der Russen und selbst ihrer ehemaligen Unterdrücker, der Tartaren und Litthauer, gegen auswärtige Feinde.

Um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts erscheinen die Kosacken von Räsanj. Noch früher wurden die Kosacken von Ordinj bekannt, als Nachbaren der Tartaren.

Die Organisation neuer Zweige dauerte ununterbrochen fort.

Gegen das Ende des sechzehnten Jahrhunderts bildeten sich Truppen von Kosacken in Litthauen. Die bewaffneten Horden, welche unter der Anführung Lissowsky’s Rußland während der Unruhen verheerten, die der Auflösung der Dynastie der Waräger folgten, hießen Lissowtschicks und durchzogen unter diesem Namen Deutschland zur Zeit des dreißigjährigen Krieges.

Zu Ende des fünfzehnten Jahrhunderts erscheinen die Kosacken von Asow, welche in kurzer Zeit zu einer ansehnlichen Macht heranwachsen und sich an den Ufern des Don festsetzen.

[11] Um dieselbe Zeit ungefähr bildet Netschai aus dem Stamme der donischen Kosacken die des Jaik oder des Urals; Jermak organisirt die sibirischen, und sein Waffengefährte Andreas die grebenschen Kosacken.

Auswanderer vom Don legen den Grund zu den Kosacken von der Wolga, von Astrachan, von Mordok, von der kaukasischen Linie an den Ufern des Terek und Kuban.

Noch heutzutage vertheidigen ihre Nachkommen die Gränzen, welche Rußland von Asien scheiden.

Man kann alle Verzweigungen der Kosacken in zwei große Stämme theilen; der Mittelpunkt des Einen sind die untern Ufer des Don, und der des andern der Dniepr. Aus dem ersten bildeten sich verschiedene Verbrüderungen im Osten; der zweite war der Keim des Volks der Kleinrussen oder der Ukrainer.

Nach dieser allgemeinen Skizze des weitverzweigten Kosackensystemes, welches beinahe die ganze südliche Gränze Rußlands umfaßt, werden wir vorzugsweise unsern Blick auf denjenigen Theil davon wenden, dessen wir oben unter dem Namen der Ukrainer Erwähnung gethan haben.

Alle Glieder der großen Kette, aus welcher das Volk der Kosacken besteht, sind eng mit einander verbunden, obwohl nicht geläugnet werden kann, daß die geographische Lage einen großen Einfluß geübt, und alle möglichen Verschiedenheiten in Sitten, Charakter u. s. w. hervorgebracht hat.

Wir haben gesehen, daß die donischen Kosacken nichts [12] Anderes sind als ein Gemisch von Russen, Tartaren, Tscherkessen und Kalmücken; während die der Ukraine sich aus Russen, Polowzen, Türken, Moldauern, Polen und Litthauern bildeten. – Der Unterschied, welcher in Sitten, Sprache und Charakter zwischen ihnen herrscht, ist das Resultat der Verschiedenheit ihrer organischen Elemente.

Die Saparoschzen waren der eigentliche Kern der ukrainischen Kosacken. Ihr Sitsch war anfänglich auf der Insel von Chortitz (berühmt durch die Schifffahrt der Waräger); und wurde später nach einem durch die Mündung des Basulak in den Dniepr gebildeten Schlupfwinkel verlegt. Von dort aus verbreiteten sich ihre Groden die Ufer des Dnieprs entlang.

Der Sitsch der Saparoschzen war von einer Menge Kuränjs[7] umgeben, welche sich nach und nach aus den Chutoren gebildet hatten.

Die ukrainischen Kosacken lebten in Familien, die Saparoschzen hingegen mußten das Gelübde der Keuschheit ablegen. Nie betrat ein Weib ihre Kuränjs. Sie blieben bis zum achtzehnten Jahrhundert der Typus der Kosacken vom Dniepr.

Müller giebt uns folgende Beschreibung von den Saparoschzen.

„Der Sitsch besteht aus einem Haufen von Häusern und Baracken, welche mit einem aus Erde aufgeworfenen Walle umgeben sind. Alles ist hier Gemeingut. Beim [13] Antritt eines neuen Jahres beruft der Hetmann die Kosacken zusammen und spricht zu ihnen:

„Tapfere Kameraden! wir müssen das Loos ziehen, um zu wissen, wo jeder Kuränj dieses Jahr fischen soll. – Außerdem, ist’s euch nicht genehm einen neuen Hetmann zu erwählen?“

„Nein“, erwiedern sie; „du bist gut; regiere uns noch ein Jahr, und laß uns die Loose ziehen!“

Wenn aber die Antwort ungünstig lautete, nahm er die Mütze ab, legte seinen Hetmannsstab darauf, verbeugte sich gegen das Volk und sprach:

„Ich bin jetzt euer Bruder, ein gewöhnlicher Kosack.“

Alsdann versammelte sich alles Volk, lebte in Freuden, wählte einen neuen Hetmann, und überreichte ihm, nachdem es seine Einwilligung erhalten hatte, den Befehlshaberstab; Alle verbeugten sich vor ihm und streuten zum Zeichen ihrer Unterthänigkeit Erde auf ihre Häupter.

Wenn ein Kosack einen andern getödtet hatte, so legten sie ihn in’s Grab unter den Sarg des Todten und beerdigten ihn so lebendig.

Oft kam der reiche Kosack auf den Jahrmarkt der benachbarten Stadt, miethete dort Sänger, zog mit ihnen von Bude zu Bude; gab Allen, denen er auf seinem Wege begegnete, Branntwein zu trinken, warf Geld unter das Volk, um es zum Zank zu reizen, setzte sich mit seinem reichen Gewande auf eine mit Pech oder Theer beschmutzte Tonne, zum Zeichen seiner Verachtung des Reichthums, hing seinen alten Pelz um und kehrte so nach Hause zurück.

[14] Das Gemeindeleben entwickelte sich bei den Kosacken vom Dniepr auf dieselbe Weise wie bei den andern. Erst war der Gedanke des Schutzes und der Vertheidigung, dann der der Rache, des Ruhmes und der Unabhängigkeit vorherrschend.

Auf den schnellen Pferden der Steppe flogen sie zum Kampf gegen die Tartaren, Russen, Litthauer, Polen, Türken, Walachen.

Auf zerbrechlichen, in wenig Tagen erbauten Fahrzeugen fuhren sie den Dniepr entlang in das schwarze Meer, und verheerten die Küsten Asiens.

Jedoch war dieser Zustand nur der Anfang ihrer politischen Entwicklung. Zu Ende des fünfzehnten Jahrhunderts nimmt die kriegerische Republik der Kosacken schon reifere sociale Formen an, und tritt in Verbindung mit den benachbarten Staaten.

Das Volk der Ukraine, welches den Russen und Polen gegenüber seine Unabhängigkeit behaupten und befestigen wollte, hatte einen langen, schweren Kampf zu kämpfen, und fiel zuletzt für immer.

Diese Periode umfaßt drei Jahrhunderte.

Der Raum erlaubt mir leider nicht, hier selbst nur ein leicht skizzirtes Bild der so anziehenden, poetischen Geschichte der Ukraine zu geben. – Welch ein Reichthum von Farben und Gegenständen herrscht hier! Denken wir uns das Ende der Fürstenthümer des alten Rußlands; die wilden Krieger von Dschingis-Chan, die ihre Zelte unter den Mauern der Tempel von Kiew aufschlagen; die [15] Horden der unglücklichen Flüchtlinge, welche auf den Inseln und an den Borden des Dnieprs im Elend umherirrten; die verzweifelte Tapferkeit dieser Horden; ihre tollkühnen Streifzüge zu Meer und zu Lande, auf welchen sie sich nach dem Fluge der Vögel, nach den Sternen und nach dem Wehen der Winde richteten; das plötzliche Erscheinen der Krieger Vitolds und Olgerds, mit ihren Wolfspelzmützen und ihren Bärenpelzmänteln; mit ihren ferntreffenden Pfeilen und furchtbaren Kanonen; ihren verzweifelten Kämpfen mit den Tartaren; die Zustände der Kosacken, den Litthauern und Polen gegenüber; das Fortschreiten ihrer Civilisation; die auf beiden Ufern des Dnieprs gegründeten Colonien; die Tartaren der Krimm, neue Feinde der Kosacken; die Trennung der ritterlichen Saparoschzen und die Organisation der ukrainischen Kosacken; ihre Heerführer von Ostaphi Daszkovicz bis Chmielniki; dann noch Wyhovski, Dorovsenko Tetera; der wilde Bruchowiecki mit seinen Saparoschzen; Maseppa, der weltbekannte Greis, dessen Leben eben so räthselhaft ist, als die Liebe der Tochter Kotschubeïs zu ihm; die Gelehrsamkeit der kiewschen Geistlichkeit, welche ihren wohlthätigen Einfluß auf ganz Rußland ausübte; das Ritterliche im Charakter der Aristokratie Kleinrußlands; das Wilde im Charakter des Volks, dieses bunten Gemisches Asiens und Europas u. s. w.

Diese leicht hingeworfenen Umrisse mögen als Beweis dienen, zu welch einem großartigen, poetischen Gemälde die Geschichte Kleinrußlands Stoff bietet.

[16] Und das große Drama, wovon wir eben einige Züge angedeutet, ist in dem Zeitraum von fünfhundert Jahren gespielt! – Diese fünf Jahrhunderte sind wie ein einziger Augenblick dahingeschwunden; als Resultat ihrer Existenz ist uns ein Volk geblieben, das, obwohl nicht mehr, was es gewesen, doch sein eigenthümliches Gepräge und seine Nationalität bewahrt hat.

Die Sonne seines Ruhms ist untergegangen, aber Erinnerung steigt auf in seinen Liedern, gleich dem bleichen Monde in warmer Sommernacht: ein Nachglanz der Herrlichkeit des Tages, der gewesen.

Die Lieder des Volkes der Ukraine leben fort von Geschlecht zu Geschlecht, und erzählen den Kindern von den Thaten der Väter. Und in keinem Lande hat der Baum der Volkspoesie so herrliche Früchte getragen, nirgends hat sich der Geist des Volks so lebendig und wahr in seinen Liedern ausgeprägt, wie bei den Kleinrussen.

Welch ein ergreifender Geist der Wehmuth, welch tiefe, ächt menschliche Gefühle sprechen sich in den Liedern aus, die der Kosack in der Fremde singt. Welch eine Zartheit, mit männlicher Kraft gepaart, durchweht seine Gesänge der Liebe. Noch ist der Takt und die Züchtigkeit des Gefühles, das in allen vorherrscht, besonders hervorzuheben. Unter allen kleinrussischen Volksliedern – und es giebt ihrer tausende! – ist keines, vor welchem die jungfräulichste Wange zu erröthen brauchte.

Man muß in der That annehmen, daß ein Volk, welches solche Lieder singen und Geschmack daran finden [17] konnte, auf keiner ganz niedrigen Stufe der Bildung gestanden haben kann …

Die Dumen, welche den Beschluß vorliegender Sammlung ausmachen, sind, abgesehen von ihrem poetischen Werthe, noch von besonderer Wichtigkeit für das Studium der kleinrussischen Geschichte. Die jeder Duma folgenden historischen Anmerkungen werden hoffentlich nicht wenig beitragen, die hier gegebene Skizze zu vervollständigen.

[19]
Erstes Buch.


Die Lieder.
[20]

Ruft mir den Sänger herein mit dem weißen Bart,
Daß er ein Lied uns singe aus der alten Zeit,
Daß er’s zur Gußli[WS 2] singe der hellklingenden! …

Altes Heldengedicht.

[21] So eigenthümlich die kleinrussichen Lieder durch ihren Inhalt sind, so wenig unterscheiden sie sich, in Bezug auf ihre Form, von den lyrischen Erzeugnissen der westlichen Länder Europas. Anders ist es mit den Dumen, den größern Gedichten historischen Inhalts, worüber ich gehörigen Orts das Nähere gesagt habe.

In den meisten kleinrussischen Liedern ist eine seltsame, ergreifende Wehmuth vorherrschend. Die Mutter nimmt weinend Abschied von ihrem Sohne, die Braut von ihrem Geliebten, der in’s Feld zieht und von dem sie nicht weiß, ob er wiederkehrt; die verlassene Schwester jammert ob dem gefallenen Bruder, der früher ihr Schutz war, sie ernährte und tröstete, sie, die jetzt verwaist in der Fremde weint; der alte Kosack beklagt den Verlust seiner Jugendjahre, wo er schmuck angethan zur Schlacht zog und mit wilden Tartaren kämpfte und mit holden Mägdlein liebelte … Ueberall jedoch zeigt sich die Herrschaft des Weibes, wie sich überhaupt in der Geschichte der Ukraine gar viele Züge aus der Ritterwelt des Mittelalters wiederfinden.

Der Kleinrusse lebt in inniger Vertrautheit mit der Natur; ihr sind all die schönen Bilder, welche wir in seinen Liedern finden, entlehnt. Ist der Kosack in der Schlacht gefallen, so fliegen die Adler, seine Brüder, herbei und [22] sprechen dem Sterbenden Trost zu; hat er die Augen geschlossen, so singt der Kuckuck im blühenden Hollunderstrauch sein Grabeslied. – Jeder tapfere Krieger ist ein „heller Falk“, er verfolgt den Feind, wie der Vogel der Lüfte seinen Raub. Aus dem Wehen des Windes, aus dem Wellengemurmel, aus dem Wiehern und Hufschlag seines Rosses weiß er die Zukunft zu deuten …

Es wäre interessant zu erfahren, wie den Kleinrussen der Glaube an die wunderthätigen Kräfte der Raute und des Salbei gekommen, welchen wir so oft in ihren Liedern begegnen. Bekannt ist, daß diese beiden Kräuter im Mittelalter eine große Bedeutung hatten. Man hat sogar lateinische Verse darauf gemacht, wie z. B.

Non est metus mortis
Cui est salvia in hortis;

oder:

Salvia cum ruta
Faciunt tibi pocula tuta
u. s. w.

In den vor mir liegenden Sammlungen befinden sich eine Menge Lieder, welche sich auf häusliche, gesellschaftliche oder öffentliche Festlichkeiten beziehen. Ich theile davon nur solche mit, die durch ihren poetischen Gehalt von allgemeinem Interesse sind, wie ich mir überhaupt eine sorgfältige Auswahl zur Pflicht gemacht habe.

[23]

 1.

Steht am Wasser die Platane,
Tief hiernieder hängend;
Sorgen quälen den Kosacken,
Ihm das Herz bedrängend.

Senk’ dich, Bäumchen, nicht herunter,
Bist noch grün und blühend!
Gräm’ dich nicht, Kosack, sey munter,
Bist noch jung und glühend!

Wollt’ sich gern der Baum nicht senken –
Doch die Fluth zernagt ihn;
Wollt’ sich der Kosack nicht kränken –
Doch tief Wehe plagt ihn! –

Ritt mit Lanze und Geschosse,
Und im Kriegsgewande,
Ritt auf schwarz gemähntem Rosse
Fern zum Russenlande.

[24]

Ist im Russenland geblieben
Dort auch zu vergehen –
Die Ukraine, seine Lieben
Sollt er nie mehr sehen.

Sterbend sprach er: Mir ein großes
Grab wird man errichten –
Sträuchlein trägt auf seinem Schooß es,
Voll von süßen Früchten.

Werden Vöglein Beeren pickend
Her zum Grab sich schwingen,
Aus der Heimath mich beglückend
Frohe Kunde bringen.

[25]

 2.

Rauscht es, rauscht’s im Eichenwalde,
Nebel deckt die grüne Halde,
Mütterchen, den Sohn fortjagend,
Spricht: Geh’, sollst mich nicht mehr grämen –
Mögen dich die Türken nehmen!
     Mutter, nein! doch selber Pferde
     Ich den Türken rauben werde!

Rauscht es, rauscht’s im Eichenwalde,
Nebel deckt die grüne Halde,
Mütterchen, den Sohn fortjagend,
Spricht: Geh’, sollst mich nicht mehr grämen –
Mögen dich die Horden[8] nehmen!
     Mutter, nein! mir Schätze schenken
     Werden sie und mein gedenken.

Aelt’ste Schwester führt das Pferd ihm,
Trägt die zweite Lanz’ und Schwert ihm;
Doch die jüngste fragt den Bruder:

[26]

Bruder, wann wirst von den Heeren
Du zur Heimath wiederkehren?

Eine Handvoll Erde säe
Schwesterchen, auf einen Stein hin,
Und mit Tagesanbruch gehe
Bei der Morgenröthe Schein hin,
Feucht’ es an mit deinen Thränen –
Fängt die Erde an zu blühen,
Wird dein Bruder heimwärts ziehen!

Rauscht es, rauscht’s im Eichenwalde,
Nebel deckt die grüne Halde,
Mütterchen, den Sohn rückrufend,
Spricht: Kehr’ Sohn, dort droht Gefahr dir,
Komm’ ich kämm’ dein langes Haar dir!
     Mutter, dichte Dornenbüsche
     Kämmen’s bald und Sturmgezische;
     Feuchten wird’s des Regens Frische! …

[27]

 3.

Die Winde heulen, es wogt das Gras,
Der arme Kosack liegt todt und blaß;
Auf schwankendem Sträuchlein ruht sein Hаupt,
Die Augen von grünen Blättern umlaubt.
Ist zur Erde gefallen sein blank Geschoß,
Steht ihm zu Füßen sein schwarzes Roß;
Doch ihm zu Hаupte, im hohen Gras,
Ein taubenfarbiger Adler saß.
Und er pflegt den Kosacken, bringt Trost ihm dar,
Hüpft um sein Haupt mit dem Lоckenhaar …
Und der Kosack spricht dem Adler zu:
Sеу, grauer Adler, mein Bruder du!
Und wenn du anfängst, о Bruder Aar,
Mir auszuhacken mein Augenpaar:
Fliege, fliege zu meiner Mutter hin.
Bring’ der Mutter, der vor Gram sich verzehrenden,
Kunde vom Sohne, dem nimmer kehrenden;
Aber wisse, Bruder Aar, eh’ du zu ihr fliegst,
Was du, wenn sie dich fragt, ihr zur Antwort sprichst:

[28]

Sag’ der Mutter: Dein Sohn im Dienste stand
Bei dem Chane der Krimm, dem Tartarenland,
Hat durch den Dienst gewonnen eine Königsmaid,
Eine Todtengrube auf kahler Haid’!

[29]

 4.

Zum Marsch, zum Abmarsch pfeifen die
Kosacken um Mitternacht;
Aus hellem Auge weint Marie,
Sie weint und klagt. –

Nicht weine Marie, nicht klage, mein Kind!
Sey nicht so trüb’:
Zu Gott im Himmel bete, mein Kind,
Bet’ für dein Lieb!

War die Sonne verschwunden, am Himmel schon
Scheint hell das Mondenlicht;
Giebt die Mutter Geleit dem scheidenden Sohn
Und weint und spricht:

Leb’ wohl, mein Herzchen, leb’ wohl, mein Kind!
Weil’ nicht zu lange beim Heer –
Und wenn vier Wochen verflossen sind,
Zur Heimath kehr’!

[30]

O Mutter, gern riß ich mich bald wieder los,
Und käme zurück zu dir;
Doch sieh’! es strauchelt mein schwarzes Roß
Im Thorweg’ hier.

O, Gott weiß wann ich heimwärts zieh’
Und euch hier wiederfind’;
Doch Mutter, nimm meine Marie auf wie
Dein eigen Kind!

Nimm zu dir mein Mädchen, so tröst’ ich mich,
Wir stehen in Gottes Hand –
Wer weiß, ob ich kehr’ – vielleicht sterbe ich
Im fremden Land! –

O gern zur Tochter nehm’ ich Marie,
Daß du dich nicht betrübst;
Doch wird sie mich auch lieben, sie,
Wie du mich liebst? –

O weine nicht, Mutter, o klage nicht mehr!
Hell’ auf den trüben Blick.
Sieh’! es bäumt sich mein Roß, es springt daher,
Ich kehre zurück! – –

[31]

 5.

Braus’t es, weht es, und der Bäume
Gipfel tief sich neigen –
Thut mir’s Herz weh und ins Auge
Bitt’re Thränen steigen.

Trüb’ in endlos bitt’rem Kummer
Meine Tage schwinden –
Nur in heißen Thränen kann ich
Noch Erleicht’rung finden.

Thränen trösten, doch sie bringen
Glück nicht, das verschwunden –
Nie vergißt wer Glück genossen,
Währt’s auch nur Sekunden!

Und doch Menschen giebt es, die mein
Schicksal mir beneiden;
Ist der Halm auch glücklich, dorrend
Einsam auf der Haiden?

[32]

Ohne Thau und ohne Sonne
Auf der Haid’ im Sande …
Traurig ohne den Geliebten
Ist’s im fremden Lande! –

Ohne ihn hab’ ich kein Schicksal,
Scheint die Welt Gefängniß –
Ohne ihn nicht Glück noch Ruhe:
Noth nur und Bedrängniß.

Sprich, wo bist mein Lieber mit den
Schwarzen Augenbrauen? …
Komm’, den Kummer, den du selber
Mir gemacht zu schauen! …

O, zu wem soll ich mich wenden?
Wer, der mit mir gern ist?
Der mich liebt und den ich liebe –
Wenn der Eine fern ist?

Hätt’ ich Flügel, zum Geliebten
Schnell geflogen käm’ ich;
Aber hier mein junges Leben
Welk’ ich und vergräm’ ich.

[33]

 6.

Eine Hopfenranke im Garten allein
     Schlängelt zur Erde sich;
Unter den Menschen ein Mägdelein
     Weinete bitterlich.

O grüner, blühender Hopfen, warum
     Rankst nicht nach oben zu?
O liebes, junges Mädchen, warum
     Fluchst deinem Schicksal du?

Kann die Hopfenranke nach oben zieh’n,
     Wenn keine Stütze sie hält?
Kann des Mädchens Auge vor Freude glüh’n,
     Wenn ihr Kosack ihr fehlt?

[34]

 7.

Kam aus der Ferne ein Kuckuck geflogen,
Flog durch Feld und Hain;
War aus seinem Fittig eine Feder gefallen
In die Donau hinein.

O gleich der bunten verlorenen Feder,
Die der Strom fortreißt –
Schwindet mein Leben im fremden Lande
Einsam, verwaist!

Floß mein Leben hin wie auf der Welle
Ein einsam Blatt …
Fort! was wahr’ ich den Goldring, den Er mir
Gegeben hat! –

[35]

 8.

Wo, wo, meine Liebe, jetzt weilest du?
Tönt dir mein Flehen, mein Rufen nicht zu?
Es könnte die starren Gefilde selbst rühren;
Wie mein Aug’ und mein Herz nach dir suchen und spüren!
Doch ich suche vergebens schon lange Zeit,
Und ich finde dich nicht, du bist weit, bist weit!
Und ich welk’ und vergehe vor Herzeleid!
Bist unter Kaufleuten auf blauem Meer,
Und fährst und spähest nach Schätzen umher?
Oder bist du bei schmucken Damen zu Gast,
Und durchjubelst die Nächte im Prachtpalast?
Oder entscheidest in lichten Himmelshöh’n
Das Schicksal der armen Sterblichen?
Oder spielst bei lauschendem Mondenschein
Mit den Locken blühender Mägdelein?
Oder blühest du nicht als Mohnblume wild
Am Meeresufer im Thalgefild?
Oder singst des Kuckucks Prophetenlied?
Unter maienfrischer Hollunderblüth?

[36]

O höre mich! komm meine Liebe, mein Glück,
Setz dich zu mir her!
Nur einen einz’gen Augenblick,
Und ich klage nicht mehr! …

[37]

 9.

Im grünen Wiesenthal silberhell
Aufsprudelt der kalte Wasserquell –
Treibt der Tschumack[9] dort hin seine Ochsen zu tränken:
Aber sie brüllen,
Ihren Durst nicht stillen,
Und Unglück ahnend die Köpfe senken.
Spricht er: O meine grauen Stiere,
Daß ich euch nimmer zur Krimm hinführe!
Habt mich so trübe gemacht,
Mich, der so jung noch, ins Unglück gebracht …
Am nächsten Sonntag, am frühen Tag,
Todt, todt der junge Tschumack lag;
Und man grub ihm mit eisernem Grabesscheit
Eine Todtengrube tief und weit,
Und pflanzt auf den hohen Grabesraum
Einen blühenden jungen Hollunderbaum.
Flog ein Kuckucksweibchen herzu,
Hub an zu rufen: Kucku, Kucku!
Reich mir, mein Sohn, mein junger Aar,

[38]

Reich deine rechte Hand mir dar!
O gerne, meine Mutter, mein Leben,
Wollt’ ich dir beide Hände geben!
Doch auf mir feuchte Erde liegt,
Und die feuchte Erde läßt mich nicht!

[39]

 10.

Vor Weh’ mir Herz und Kopf vergeh’n,
Die Thrän’ ins Auge bricht;
Hab meinen Liebsten nicht geseh’n,
Nicht gestern, heute nicht!

Scheint mir, daß ich nicht traurig bin,
Mein Herz nicht kummerschwer;
Doch geh’ ich aus dem Hause hin,
So schwank’ ich hin und her. –

Scheint mir, daß keine Thräne fließt,
Und weine doch so sehr!
Viel fremder Leute Schwarm mich grüßt:
Von Ihm kommt Niemand her!

Mein Liebster, mein Herzlieb verblich,
Schwand meine Sonne hin –
Und Nichts kann mich jetzt freu’n, wenn ich
Allein am Fenster bin!

[40]

Mein Liebster, meine Sonne blich,
Des schwarzen Auges Pracht –
Mit wem jetzt plaudre, kose ich
In stiller, dunkler Nacht?

O immergrüner, schlanker Strauch,
Senk’ dich herab zu mir!
Herzliebster mit dem schwarzen Aug’,
Komm’, setz’ dich her zu mir!

O immergrüner, schlanker Strauch,
Senk’ tiefer dich zu mir!
Herzliebster mit dem schwarzen Aug’,
Komm’, setz’ dich näher mir!

Er hört nicht meiner Stimme Ton,
Mein Lieb ist nicht mehr hier!
Verhüllt jetzt Gras und Raute schon
Die Spur des Fußes mir.

Das Gras, das hohe, werf’ ich fort,
Die Rauten reiß’ ich aus:
Vielleicht daß dann mein Liebster dort
Zurücke kehrt nach Haus.

[41]

Nein, nicht zu suchen geh’ ich mehr
Den der mich so betrübt!
Nein, nicht den Einen lieb’ ich mehr,
Den ich so sehr geliebt!

Ich streife nicht im Morgenlicht
Beim Schlosse mehr umher;
Ich treffe meinen Liebsten nicht,
Mein Liebster ist nicht mehr!

Ich wandle nicht mehr waldeswärts
Zum Nüssesuchen d’rin –
Der Jugend heit’rer Tand und Scherz
Sind längst für mich dahin!

’S ist traurig mich so jung zu seh’n
Wie Reiz und Herz verdorrt …
Nichts bleibt mir als zum Strom zu geh’n
Hinabzuspringen dort! –



[42]

 11.

 Zum Niemen zieh’ ich;
 Heida! mein gutes Thier
 Spring’, bäum’ dich unter mir!
 Liebchen, leb’ wohl!

Ziehst du zum Niemen fort, läßt du mich hier allein.
Was aber suchst du dort, sag mir Herzliebster mein?
Scheint es dir fern von mir, weit an des Niemens Strand,
Schöner als bei uns hier, bei uns im Vaterland?

 Ich ziehe hin, wo
 Wild es von Rossen stampft –
 Heiß aus der Erde dampft
 Feindesblut roth!

Willst dich berauschen im Blute, dem heißen?
Willst dich dem Arm’ treuer Liebe entreißen?
Hier hast meine Thränen, hier hast du mein Blut!
Nur zieh’ nicht von hinnen und bleibe mir gut!

[43]

 Nicht weine, mein Lieb’!
 Ist unser Fest vollbracht,
 Kehr’ aus der heißen Schlacht
 Kehr’ ich zu dir!

Nein, nein, mein Geliebter! kehrst nimmer nach Hause!
Es wird dich verschlingen das Schlachtfeld, das grause;
Sieh’ es hält den Kopf trauernd zur Erde dein Rapp:
Auf dem blutrothen Schlachtfelde find’st du dein Grab!

 Wenn der Rabe dir zu
 Hoch über’m Fenster schreit,
 Zu dir vom Meere weit
 Eilt dein Kosack!

Senkt der Gipfel der grünen Platanen sich nieder,
Wenn der Eichwald stöhnt, und der Kuckuck ruft wieder;
Wenn unter dir wiehernd hoch bäumt sich der Rapp,
Dann ruh’ ich schon lange im kühlen Grab’! …

[44]

 12.

Fliegt ein Adler über’s Meer hin,
Himmelauf zu fliegen scheint er;
Grämt sich der Kosack, der alte,
Seine Jugendzeit beweint er.

Spricht: O meine jungen Jahre!
Sagt, wo seyd ihr hingezogen?
Seyd in Wiesen, seyd im Felde,
Seyd im grünen Wald verflogen?

Ohne Nutzen, ohne Segen,
Schwindet des Kosacken Beute:
Was er gestern schwer errungen,
Leichten Sinn’s vertrinkt er’s heute.

[45]

 13.

Schwamm auf dem Meere, auf blauem Meer,
Langsam ein weißer Schwan einher;
Schwamm mit seiner Schwänlein weißer Schaar –
Sieh’, da stößt auf ihn nieder ein grauer Aar,
Hub den Schwan zu beißen, zu schlagen an,
Hub der Schwan ihm dies Wort zu sagen an:
O , nicht schlage, nicht beiße mich, grauer Aar,
Und ich erzähle dir Alles treu und wahr:
In der Stadt, die Kistrin den Namen trägt,
Sich die Horde schon drei Tag’ und Nächte schlägt,
Schon drei Tage, drei Nächte im Kampfe weilt,
Und hat sich zuletzt in drei Theile getheilt.
Fließt all blutroth der Strom, plätschert klagend laut,
Hat man über den Strom große Brücken gebaut;
Hat man Brücken gebaut, die nur aus Köpfen besteh’n,
Aus Menschenköpfen, moskowitischen.

[46]

 14.

Schickt die Mutter ihren Sohn, einen Falken kühn,
Als er erwachsen, zum Heere hin.
Die ält’ste Schwester sattelt das Pferd für ihn,
Mit dem Tuche winkt hoch die zweite,
Die jüngste giebt ihm das Geleite.
Doch die Mutter fragt ihn mit trübem Blick:
„Wann, mein Sohn, kehrest nach Hause zurück?“
– Wenn die Federn des Pfau unter’s Wasser sinken,
Wenn die Mühlsteine über die Fluth herblinken,
Dann, meine Mutter, kehr’ ich zurück! –
Schon zu Grunde sanken die Federn des Pfauen,
Schon über der Fluth war der Mühlstein zu schauen;
Sucht die Mutter den Sohn mit forschendem Blick,
Doch er kehrte noch nicht von Gostina zurück!
Geht sie trostlos aufs Gebirge hin,
Sieht heimwärts alle Regimenter zieh’n:
„Das ist meines Sohnes Roß, das ich dort seh’!“
Und sie fragt die Führer der Armee:
„Habt meinen Sohn nicht geseh’n, den dies Rößlein trug?“

[47]

– War das dein Sohn der sieben Regimenter schlug,
Und von dem achten getödtet ward? –
Als man ihn gelegt in sein feuchtes Grab,
Flog zu ihm schreiend ein Kuckuck herab,
Huben die Rosse zu wiehern, die Erde zu scharren an,
Huben die Räder der Wagen zu dröhnen, zu knarren an,
Schweigend folgten die Führer, sahen weinend hinab
Auf sein kühles Grab! –

[48]

 15.

Weint und klagt Gregors alte Frau
Wie eine Wachtel, eine Wachtel auf öder Au.

Hat die junge Schwester Windröschen[10] gepflückt,
Und fragend auf zur Alten blickt:

– Was bedeuten die Blümlein weiß und roth,
Des Kosacken Leben oder seinen Tod? –

„Die Blumen wuchsen, mein Täubchen, im Walde hier,
Das Unglück pflückte sie, das Unglück gab sie dir!“

Kind weine nicht, trockne die Thränen ab:
Du weckst nie unsern Iwan im kalten Grab! –

[49]

 16.

„Sag’, Mädchen, wo werden wir schlafen zur Nacht?“
– „Im Schatten dort unterm Tannenbaum,
Der hoch her hinter der Wiese ragt.“ –
„Doch worauf, mein Mädchen, schlummern wir ein?“
– „Auf des hohen Rasens schwellendem Flaum,
Das wird unser weiches Bette seyn!“ –
„Sag’, Mädchen, womit wir uns bedecken?“
– „Uns hüllt der Nacht schwarze Decke ein!“ –
„Und wer wird am frühen Morgen uns wecken?“
– „Das Gezwitscher der muntern Vögelein!“ –
„Und wachen wir auf beim Tageslicht,
Womit waschen wir Hände uns und Gesicht?“
– „Du wäschst mit dem frischen Morgenthau dich,
Ich mit meinen bittern Thränen mich!“ –
– „Doch was zum Frühstück essen wir,
Mein Mädchen! eh’ wir uns trennen hier?“
– „Du wirst dich von des Waldes Beeren

[50]

Ich mich von meiner Schande nähren!“ –
„Und hernach mein Mädchen, wohin gehen wir?“
– „Geh’ zum Teufel, geiler Verführer du!
Ich fliehe den dunklen Wäldern zu!“ –

[51]

 17.[11]

Hoch zwischen Blumen und Wintergrün,
Die auf dem Gipfel des Berges blüh’n,
Sitzt eine Wachtel und hellen Ton’s singt sie. –
Auf, auf! junge Burschen, wer fängt sie, wer bringt sie?

Und es spricht der Starost:[12] Nein, ich trete zurück,
Mein Roß überklimmt nicht den Felsenrück’,
Und die Sonne wird längst untergeh’n,
Eh’ wir auf dem Gipfel des Berges steh’n! –

Hoch sitzt die Wachtel und hellen Ton’s singt sie. –
Wer von euch Burschen wagt es, wer bringt sie?

Und es spricht der Woït:[13] Nein, ich wag’ es nicht, u. s. w.

Hoch sitzt die Wachtel und hellen Ton’s singt sie.
Wer von euch, Burschen wagt es, wer bringt sie?

Und es spricht der Chorundshi:[14] Nein, ich wag’ es nicht, u. s. w.

Hoch sitzt die Wachtel und hellen Ton’s singt sie.
Wer von euch Burschen wagt es, wer bringt sie?

[52]

Da ruft alles Volk in wildem Hauf:
„Der junge Basil, der steigt hinauf!
Der wird auf des Berges Spitze gelangen,
Noch ehe die Sonne untergegangen!
Sein falber Rapp’ ist schnell wie der Wind,
Er überspringt Felsen und Sträuche geschwind –
Er wird auf den Gipfel des Berges gelangen,
Und Basil die singende Wachtel fangen!“

Die Wachtel dort oben ist die junge Marie. –
Der brave Kosack schaut hin auf sie –
Und er wirft von sich sein blank Geschoß;
Und er spornt sein Roß, sein falbes Roß,
Kommt auf dem Gipfel des Berges an –
Bei der Hand nimmt er Maria dann,
Führt sie zu ihrem Vater hin,
Und bittet um seinen Segen ihn.

[53]

 18.

Beugen sich die dichten Zweige
Vor dem Hauch des Windes –
Feld entlang die schwarzen Augen
Späh’n des lieben Kindes.

Beugten sich die dichten Zweige,
Doch nach oben kehren –
Späh’ten lang die schwarzen Augen,
Füllten sich mit Zähren.

Weiden, die ich selbst gepflanzet,
Steh’n am Bach und rauschen –
Des Kosack, des Liebsten Stimme
Wirst du nimmer lauschen!

Der Kosack ist fortgeritten
Nach der Desna[15] Borden,
Wachs’ noch junges Mädchen, bis es
Wieder Frühling worden!

[54]

Wuchs wohl, wuchs das junge Mädchen;
Wieder Frühling ward es –
Weinte, weinte heiße Thränen:
Des Kosacken harrt es.

O, nicht weint mehr, schwarze Augen:
Er wird nie der Meine!
Denn wir schwuren Liebe bei des
Mondes falschem Scheine.

Schmerzen, schmerzen meine Augen,
Ist mein Herz voll Wehe!
Scheint mir wüst die Erde – nimmer
Ich den Liebsten sehe!

[55]

 19.

Mein Mädchen, viel schöne, viel stolze Maid!
Warum kamst du nicht gestern zur Abendzeit?
     „O, wie kann ich, mein Lieber, zu dir gehen,
     Wenn mich rings die bösen Menschen umspähen?“
Laß sie schwatzen mein Kind, sich tadelnd geberden;
Es wird kommen die Zeit wo sie ruhig werden.
     „Doch bis die Zeit kommt, meine Ehre sie nehmen,
     Und muß ich dann lebelang weinen, mich grämen!“
O mein Mädchen, was schaust du so traurig d’rein,
Wie der dunkle Hollunder am Ufer allein!
Solltest fröhlich seyn, solltest lächeln und kosen,
Wie zur Zeit der Blumen die duftenden Rosen!
O lieb’ Mädchen, werf’ ich mein Aug’ auf dich hin,
Wie schön du mir scheinst, wie ich stolz auf dich bin!
Dem Fischlein, das ohne Wasser darbt, gleich,
Bin ich ohne dich schmachtend und kummerbleich!
     „Und auch ich liebe dich, mein Kosack, meine Freude!
     Strafe Gott die bösen Menschen, die uns trennen, uns Beide!“

[56]

 20.

Dunkel ist die Nacht, ich fliege
Durch die Nebel, die rings zieh’n –
O mein armer Kopf, wo leg’ ich
Dich heut Nacht zur Ruhe hin?
Ist’s im Feld, auf nackter Steppe –
Ist’s im grünen Wiesenrain? –
Oder wird’s am weichen Busen
Meines jungen Mädchens seyn?
Das mich toll gemacht, bezaubert
Durch die schwarzen Aeugelein! –

[57]

 21.

Schwang vom Wald’, vom dunklen Walde,
Kuckuck sein Gefieder –
Setzt sich in der grünen Halde
Eines Gartens nieder.

Fragt Mariechen ihn, die Kleine:
Sollst mir prophezeien!
Leb’ ich lange noch alleine,
Werd’ ich balde freien?

Kuckuck hat das Wort gehöret,
Spricht: Kannst fröhlich seyen!
Wirst, noch eh’ der Abend kehret,
Wirst noch heute freien! –

Daß du sieben Jahr’ lang, Kuckuck,
Kein Gehör mehr findest!
Weil du mir, die noch so jung bin,
Nicht die Wahrheit kündest. –

[58]

 22.

Hat die Frau den Mann geschlagen,
Ist der Mann zu klagen geschritten –
Hört er sich vom Richter sagen:
Er soll selbst um Verzeihung bitten!
Sitzt die Frau mit gekreuzten Beinen
Hoch auf dem Ofen bequemlich –
Steht der Mann, in der Hand den kleinen
Hut, bei der Thüre dämlich:
„Bitte, verzeih’ mir lieb’ Weibchen,
Daß du mich geschlagen, mein Täubchen!
Werd’ auch nach dem Markte laufen,
Dir Meth und Bier zum Geschenke kaufen!“
– Ach vom Meth schmerzt mir der Rücken,
Und das Bier macht’s Blut verdicken,
Kauf’ mir lieber Branntewein,
Das wird mir viel gesunder seyn.
Aber hör’, noch einen Willen
Sollst du, Bauer, mir erfüllen:
Vor mir tanzen, eh’ du gehest,
Sollst du, tanzen wo du stehest! –

[59]

Ruft erfreut der Bauer da:
„Ei, du meine Liebe!
Sieh’, ich tanz’, ich tanze ja,
Sey nicht mehr so trübe!“

Wundert euch, ihr Herren, nicht,
Wie das Spiel gespielt,
Daß der Mann zum Tanze fliegt,
Wenn die Frau befiehlt.
Unsre Zeit ist so verstockt,
Daß – um’s kurz zu sagen –
Wem die Prügel aufgehockt,
Der muß die Schuld auch tragen.

[60]

 23.

Sprach zum Mond’ die Abendröthe:
„Du mein ewiger Gefährte!
Geh’ nicht auf vor mir: vereine
Deinen Glanz mit meinem Glanze,
Erd’ und Himmel zu erleuchten,
Zu erfreu’n das Thier der Steppe,
Und den Wanderer, den müden,
Der zur fernen Hütte kehret
Auszuruh’n am heim’schen Herde.“
Sprach Mariechen zum Geliebten:
„O, mein Iwan, mein Verlobter!
Mach’ nicht vor mir Haus: zusammen
Wollen wir uns niederlassen,
Und mit Freude füll’n zwei Häuser,
Unsrer beiden Väter Häuser.“

[61]

 24.

Auf ein Grab setzt der Kosack sich,
Finsterm Sinnen hingegeben,
Und tief seufzt er, seine Blicke
Fern hin zur Ukraine schweben.

Und kein Lüftchen weht – der Sonne
Letzte Strahlen abwärts schweifen;
Oed’ ist’s ringsum – nur die Donau
Fließt inmitten grüner Streifen.

Spricht also das Grab zum Winde:
„Ruhe Wind, nie mehr zu wehen!
Daß die Blumen nicht verwettern,
Die auf meinem Haupte stehen.“

Der Kosack: „Daß Schilf dich decke!
Mögst du fischlos seyn und trübe!
Strom, der mich zur Fremde führte,
Mich getrennt von meinem Liebe!

[62]

Denke noch des heim’schen Ufers,
Und des Bergs, der’s überragte;
Auf der Brücke scheidend stand ich,
Als mein Vater zu mir sagte:

„Laß mich nicht – ich bin so alt schon –
Hier allein vor Kummer sterben!
Bleibe! Wirst verwaist sonst selber
Einst in fremdem Land verderben!

Fort trägt dich die wilde Donau;
Wenn dir Unglück und Gefahr dräut,
Kann ich dir die Hand nicht reichen –“
O, mein Vater sprach die Wahrheit!“

[63]

 25.

Wie er schön ist, wie er grün ist
Der Hollunder auf der Wiese:
Doch viel schöner noch und zarter
Ist Maria, die geliebte!
Wenn sie steht vor ihrer Pforte,
Glänzt sie wie die Morgenröthe;
Tritt sie ein zum Flur des Hauses,
Scheint sie gleich dem Abendsterne
Hinterm Wolkenflor verschwindend.
Kehrt sie heim in ihre Wohnung,
Die Kosacken alle stehend
Ziehen ab die Mützen fragend:
„Bist du nicht des Zaren Tochter?
Bist du eines Königs Kind?“
– Nein, sagt sie, ich bin Maria
Des Kosacken Iwan Tochter! –

Man singt dieses Lied während des Weihnachtsfestes.

[64]

 26.

Es zittert der Eichwald im Windesgeheule,
Der verirrte Kosack treibt sein Roß an zur Eile …
Doch senkt den Hals klagend der schwarze Rapp’.
     „Was hängst du den Kopf so traurig herab,
     Und führst mich vom rechten Wege ab?
     Bin ich zu schwer für dich, mein Pferd?
     Ist’s mein Geschoß, das dich beschwert?
     Drückt dich die Beute, die du auf dir hast?“
– Dich, Herr, zu tragen ist keine Last,
Deine Beute ist mir nicht zu groß,
Und nicht zu schwer dein Kriegsgeschoß;
Aber Eines ist das mich erbos’t:
Während du mit der jungen Wirthin kos’t,
Die für dich nicht Kuß noch Getränke spart,
Mein Huf die feuchte Erde scharrt;
Du wirst dich in weichem Bette pflegen,
Ich muß mich draußen in den Koth hinlegen!
     „Betrübe dich nicht, mein schwarzer Rapp’!
     Du wirst Heu bekommen so viel du willst,

[65]

     Und Hafer, daß deinen Hunger stillst,
     Und ich führe dich Nachts zum Stall hinab!“
Und noch fühle ich, Herr, daß uns Unglück naht,
Uns verfolgen Feinde auf unserm Pfad’,
Mich dir zu rauben und deine Beute.
Die Einen ergattern uns von der Seite,
Die Zweiten nahen auf Hinterwegen,
Die Dritten reiten uns keck entgegen …
     „Betrübe dich nicht, mein gutes Thier!
     Denen zur Seite entwischen wir,
     Wir flieh’n vor den Zweiten, und muthig streiten
     Mit denen, die uns entgegen reiten!
     Spring’ an, mein schwarzes Roß, eile frisch,
     Trage mich schnell durchs dichte Gebüsch,
     Das uns im Weg’ aufhält,
     Spring mit mir fort über Stein und Feld!“ –

[66]

 27.

O, ihr Augen, schwarze Augen,
Weh’ mir, daß ich euch gesehen!
Die Nachbarn wie wilde Feinde
Uns umringen, uns umspähen –

Machen durch ihr bös Gerede
Mich erzürnen, dich erröthen –
Doch nicht lange werd’ ich’s tragen,
Und der Kummer wird mich tödten.

Aber du, o junge Freundin,
Sollst noch leben, Freude haben –
Doch vergiß mein einsam Grab nicht,
An der Donau Bord gegraben!

Wirst zu meinem Grabe kommen,
Du mein Mädchen, meine Liebe!
Wirst zu meinem Grabe kommen,
O, wie ist mein Herz so trübe!

[67]

Aber daß mein Grab von deiner
Hand nicht mit beworfen werde;
Weißt ja selber, wie es graus ist
Schlafen in der kalten Erde.

Darfst auch nicht nach meinem Tode
Zu viel weinen, zu viel klagen;
Denn sonst werden unsre Feinde
Nachher spottend von uns sagen:

„Liebten sich mit treuer Liebe,
Doch kein Ehebund sie einte –
Und es wurde ihre Liebe
Zum Gespötte ihrer Feinde.“

[68]

 28.

Schon fällt auf die Steppe das nächtliche Graus,
Und noch bleibt mir ein langer Weg bis nach Haus.
An dies einsame Bäumchen bind’ ich mein Thier,
Ich aber werde schlafen auf dem Grabe hier …
Doch woher kommt das junge Mägdlein dort?
Sie rührt die Schulter des Kosacken und sagt ihm dies Wort:
„Steh’ auf, mein Kosack! Genug ist’s der Ruh’,
Auf dein Roß steig’, eile dem Lager zu;
In der Stille der Nacht die Tartaren nah’n
Dich und dein müdes Rößlein zu fah’n.
Mit dem Rößlein, dem müden, hat’s keine Noth:
Der Kosack kauft ein neues, ist das alte todt –
Doch wenn dir ein Tartar den Kopf abhieb’,
Was würde aus mir, deinem jungen Lieb?“

[69]

 29.

Schmied! warum schmiedest du heute nicht?
Schon lange ist’s Tag!
Warum weckst du deine Leute nicht,
Und bist selbst nicht wach? …
O wir wissen was dich plagt!
Deine Tochter ist entbunden
Von einem Knaben zur Nacht,
Ist aus dem Hause verschwunden,
Hat ihn zum Graben gebracht.
Dort im tiefen Wasser hat sie ertränkt das Kind,
Und sie sprach zum fliehenden Morgenwind:
„Höre auf zu wehen, du stiller Wind!
Wo bist du grauser Orkan?
Komm und jage die schwarzen Wolken heran,
Daß die Wege, die zu diesem Graben führen,
Sich im Wasser verlieren!
Daß die Menschen davon keine Spur mehr sehen,
Und nicht mehr Wasser zu schöpfen zum Graben gehen,
Daß sie nicht mein liebes Kind aufwecken,
Daß sie nicht mein trübes Herz erschrecken!“

[70]

 30.

Es setzt sich die Eule auf ein hohes Grab,
Und ruft in klagenden Tönen herab:

„Hat Gott vergessen der Kosacken Heer?
Zeigt sich nimmer ihr Muth, ihr Heldensinn mehr?

Wir warten auf Beute jede Nacht, jeden Tag,
Doch umsonst ist das spähende Auge wach.

Der Muth ist gewichen und mit ihm das Glück:
O, nimmer kehrt die Zeit Chmielnicki’s[16] zurück!“

Und auch wir einst zogen vor Zeiten zum Krieg –
Doch der Stern des Ruhms der Kosacken verblich!

Aber nimmer vergessen wir die Herrlichkeit,
Das Glück und die Kämpfe der alten Zeit!

Mit Roste bedeckt liegt jetzt Schwert und Gewehr:
Nur das Herz des Kosacken trotzt noch dem Türkenheer!

[71]

 31.

Zu Kiew auf dem Markte öffentlich
Schmausen und vergnügen die Polen sich;
Sie bereden die junge Anna mit ihnen zu flieh’n:
„Setz’ dich zu uns, Anne, wollen nach Polen zieh’n!
Dort lebt alle Welt in Herrlichkeit,
Die Frauen gehen immer im Festeskleid,
Geziert mit bunten Bändern und Spitzen,
An den Festtagen essen wir Palanitzen,[17]
Trinken süßen Meth und Branntewein
Zu ganzen Tonnen, nach Herzensergötzen –
Dort wissen die Männer die Frauen zu schätzen,
Und ihnen zu dienen, sie zu erfreu’n.“
Also lockten sie durch süßes Schmeichelwort
Die schmucke Anne mit sich zum Wagen fort,
Und das arme Kind, verlassen und verwais’t
Mit den Polen hinaus in die Fremde reis’t. –
Spät kommt die Mutter nach Hause zurück,
Vergebens ihre Anne sucht der Blick …
Und sie forscht und weint, und die Hände ringt,

[72]

Doch Keiner von der Verlorenen Kunde bringt!
Ihre letzte Hoffnung hat in ihren Söhnen sie,
Und ihnen spricht unter bittern Thränen sie:
„Meine Söhne, besteigt eure Pferde geschwind,
Und verfolgt eure Schwester, mein verlorenes Kind.
Und wenn ihr sie bei Priluk erreicht,
Seht daß ihr nicht zu viel Härte zeigt –
Und findet ihr sie auf Poltawischer Erde,
Seht daß nicht zu viel Geräusch davon werde!
Wie nur ein Frühling im ganzen Jahr,
In meinem Hause nur eine Tochter war!
Und ein guter Name macht des Mädchens Glück –
Eilet, Kinder, bringt meine Tochter zurück!“
Die jungen Söhne kommen in Poltawa an,
Sehen ihre Schwester prächtig angethan;
Ihre Kleider sind von Sammt und Goldstoff fein,
Ihr[WS 3] Gesicht ist wie helles Wasser rein. –
„Was hast du, Schwester, gemacht!
Du hast Unglück ins Haus deiner Mutter gebracht!
Sie verwünscht dich, und stirbt vor Kummer dahin,
Auf, spute dich mit uns zur Heimath zu zieh’n,
Wir wollen dir verzeih’n, verlorenes Kind!
Doch dein falscher Verführer hat den Tod verdient.“
Wie Anne das Wort vernimmt,

[73]

Ihr Auge in Thränen schwimmt,
Bleich sinkt sie zur Erde und spricht:
„O tödtet mir meinen Polen nicht!“
Doch die Brüder hören die Schwester nicht,
Fallen her über den Polen mit Ungestüm,
Tödten ihn, nehmen all seinen Reichthum ihm.

[74]

 32.

Ist dies die Quelle, die mich gelabt und getränkt?
Ist dies das Mädchen, dem ich mein Herz geschenkt?
 O böses Geschick!
 Mein Mädchen, mein Glück
 Einem Andern gehört!

Ist der Quell dies, wo badend die Taube saß?
Ist die Maid dies, die ich zum Weibe erlas?
 O böses Geschick! u. s. w.

Ja, der Quell ist derselbe, doch die treulose Maid
Hat mich vergessen seit langer Zeit!
 O böses Geschick! u. s. w.

Ist der Quell überschüttet mit goldenem Sand,
Reicht das Mädchen einem andern Kosacken die Hand.
 O böses Geschick! u. s. w.

Mit Kraut ist bewachsen zur Quelle der Weg,
Ein andrer Kosack führt mein Mädchen hinweg!
 O böses Geschick! u. s. w.

[75]

Es rauschen die Weiden, die am Bache steh’n,
Mit der Liebsten die Kosacken zur Kirche geh’n.
 O böses Geschick! u. s. w.

Der Eine führt sie beim Arm, der Andre faßt sie bei der Hand,
Mit schwerem Herzen in der Ferne ein Dritter stand.
Stand allein – es war bleich wie die Wand sein Gesicht;
Er liebte so das Mädchen und bekam es nicht! –

[76]

 33.

In der Morgenfrühe
Durch die Wiese geh’ ich,
Den Kosacken seh’ ich –
Sonne, heller glühe!
Wiese, duft’ger blühe!
Gras, erneue dich!
Kosack, freie mich!
Willst Du mich nicht frei’n,
Komm als wollt’st du’s, zu mir,
Denn die Nachbarn mein
Lassen keine Ruh mir;
Sagen: „Er hat dich betrogen,
Und jetzt kömmt er nicht mehr;“
Sagen: „Er hat dich belogen,“
Und das kränkt mich so sehr!
„O mein Kind, mein liebes!
Wohl beim Alten blieb es,
Wäre längst gekommen,
Hätt’ dich mitgenommen,

[77]

Mit an meinem Arm –
Doch der Vater zürnt,
Sagt du seyst zu arm;
Will mir nie verzeih’n
Dich so arm zu frei’n.“
– O du treuloser Mann,
Wär’ ich reicher als du:
So spuckt’ ich dich an,
Deinen Vater dazu!
Will zur Zauberin geh’n,
Von ihr Hülfe erfleh’n …
– Freundin! hör’ mich Betrübte:
Mich verläßt den ich liebte! –
Und die Zauberin spricht:
„Mädchen, gräme dich nicht!
Sey nicht trüb, meine Traute,
Bist noch grün wie die Raute;
Laß dem Herzen nicht bang seyn,
Deine Jugend wird lang seyn,
Ist dir untreu der Eine
Wird ein Andrer der Deine!
Wenn die Rauten, die grünen,
Vor dir im Weg’ blüh’n,
Wird, dich zu minnen,

[78]

Zu dir ein Kosack zieh’n.
Doch der dich verstoßen,
Wird kein Weib je umschließen,
Bis dem Mühlstein, dem bloßen,
Grüne Raden entsprießen.“
Das Mädchen sofort
Verstand den Sinn
Vom dunklen Wort
Der Zauberin,
Der wundersamen,
Nahm Rautensamen,
Auf den Weg ihn zu legen;
Und sieh, es fiel Regen,
Und es sproß das Kraut,
Und Blätter gewann es;
Und das Mädchen ward Braut
Eines schmucken Mannes …
Doch dem Mühlstein, dem bloßen,
Keine Raden entsprossen!
Der Kosack ist jetzt alt schon,
Sein Haupthaar ist grau,
Im Herzen ist’s kalt schon,
Und er hat noch keine Frau! –

[79]
Zweites Buch.


Die Dumen.

[80] Bojan, Brüder, ließ keine Edelfalken steigen, sich niederzuschwingen auf die Heerde der Schwäne, aber er ließ unter seinen tonkundigen Fingern die goldenen Saiten erklingen, ließ sie erklingen zum Ruhme der Fürsten.

Igorslied.

[81] Die Dumen bilden eine Gattung von Gesängen, welche ausschließlich den Banduristen ihren Ursprung verdanken. Sie unterscheiden sich von den Liedern durch ihren mehr epischen Charakter, so wie durch die in ihnen herrschende Freiheit des Versmaßes. Ihr Inhalt ist gewöhnlich der Geschichte entlehnt.

Die Dumen der ukrainischen Banduristen geben ein treues Bild von dem Leben der Kosacken, ihren gesellschaftlichen Verhältnissen und historischen Zuständen.

Gelungene Nachahmungen dieser Gedichtgattung sind in Polen von Joseph Bohdane Zalesky, und in Rußland von dem durch sein unglückliches Schicksal bekannt gewordenen Ryléjef erschienen.

Die Namen der in den Dumen besungenen Helden haben oft eine eigenthümliche Bedeutung; so heißt z. B. Besrodny: der Verwaiste; Skalosub: der Zähnefletscher; Perebienoß: der Nasenabschläger u. s. w. – Ich habe es jedoch für angemessen erachtet, die Namen, unter denen viele geschichtlich sind, unübersetzt beizubehalten.

[82] Da in der kleinrussischen Sprache die meisten Verba in ihren Endungen gleichlautend sind, so entstehen dadurch eine Menge sich unaufhörlich wiederholender Reime, welche ich der großen Sprachverschiedenheit wegen im Deutschen nur andeutungsweise nachahmen konnte.

[83]
Erste Abtheilung.


Dumen aus dem sechzehnten Jahrhundert.

[84] Vom Frühlicht bis zum Abend, vom Abend bis zum Morgen flogen gestählte Pfeile, klirrten Helme unter Säbelhieben, schwankten todbringende Lanzen auf golowzischer Erde. Unter dem Hufschlag der Rosse erzitterte die schwarze Erde, die mit weißen Knochen besäete, mit Blut getränkte … Verderben erwuchs aus der blutigen Saat.

Igorslied.
[85]

 Erste Duma.

 Die Flucht der drei Brüder aus Asow.

Das sind keine Nebel, die dort von Asow der Stadt herziehen,
Es sind drei Brüder, die fort aus schwerer Gefangenschaft fliehen,
Zwei reiten auf schnellen Gäulen,
Muß der dritte zu Fuß nacheilen;
Doch die Steine die spitzen
Und die Wurzeln ritzen,
Schmerzt der Fuß ihm von Wunden und schlimmen Beulen;
Troff das Blut ihm nieder von den Füßen zur Erde.
Er ereilt seine Brüder, fleht mit Wort und Geberde:
     „Wartet mich Brüder, haltet an eure Pferde!
     Laßt mich mit euch reiten,
     Euch zu den Städten der Christen begleiten.“

Hört der Zweite die Klagen,
Thät den Aelt’sten befragen;
Hub der Aelt’ste an dies ihm zur Antwort zu sagen:

[86]

     – Hast du vergessen schon was wir gelitten? …
     Lassen wir uns durch den Bruder erbitten,
     Werden die Feinde uns erreichen, erschießen,
     Oder auf’s Neue in Fesseln schließen! –

Bat der Jüngste auf’s Neue
Also die Zweie:
     „Wollt ihr nicht, daß ich mit euch reite,
     Wendet Brüder eure Pferde zur Seite;
     Steigt ab Beide,
     Grabt mir ein Grab auf der Haide,
     Und legt mich in die tiefe Erde,
     Daß ich nicht den Vögeln zum Fraße werde!“

Hub der Zweite ihn zu unterbrechen an
Und dies Wort zu sprechen an:
     – Das wäre nach unerhörtem Brauche,
     Daß ich mein Schwert in Bruderblut tauche,
     Und mit dem spitzen Speer, den ich trage
     Dir Abschied sage. –

     „Wollt ihr so nicht von mir scheiden,
     Dann bitt’ ich euch beiden
     Dornenbüsche vom Feld zu schneiden
     Und von Zeit zu Zeit auf den Weg zu streuen,
     Daß mir eure Spuren erkenntlich seyen?“

[87]

Und durch die wüste Haide
Jagen weiter Beide –
Fühlt Mitleid der Zweite der Brüder,
Und hin und wieder
Vom Pferd steigt er nieder,
Reißt von den Dornenbüschen die Zweige,
Daß er dem Jüngsten die Pfade zeige,
Doch wie sie die Straße von Murawsk[18] hinfliehen
Keine Dornenbüsche im Feld mehr blühen.
Läßt sich der Zweite erweichen, reißt das Futter von den Kleidern,
Es dem Bruder zum Zeichen auf den Weg hinzuschleudern.

Und dem Jüngsten die Spur verschwindet,
Er keine Zweige mehr findet,
Sieht nur die rothen Taffetfetzen,
Rafft sie auf, thät sie mit Thränen netzen.

     „Was deuten die Fetzen, was hat sich begeben?
     Sind meine Brüder wohl nicht mehr am Leben?
     Während ich im Gebüsche der Ruhe pflegte
     Man sie von Asow verfolgte, erreichte, erlegte! –
 Und sind sie todt,
 O, so helfe mir Gott

[88]

 Zu erreichen
 Die Leichen
 Der Brüder Beide
     Sie zu begraben auf kahler Haide!“

Doch sieh’, ihm auf den Fersen drei Feinde sind:
Der Hunger, der Durst und der kalte Wind,
Der von der Haide weht so grausig und kalt –
Und der arme Kosack unterliegt der Gewalt.
     „Genug hab’ ich gesucht meine reitenden Brüder,
     Nach Ruhe verlangen die müden Glieder.“

Zu einem Savor-Grabe[19] kommt er jetzt
Und hat sich darauf niedergesetzt.
Zu derselbigen Stunde fliegen Adler heran,
Seh’n den Kosacken mit scharfen Augen an.
     Der Kosack den Blick erwiederte,
     Spricht: „Adler graugefiederte!
     Traute Gäste seyd willkommen
     Daß ihr bei mir Platz genommen!
     Noch einmal werf ich den scheidenden Blick
     Auf Gottes schöne Welt zurück,
     Dann fliegt herzu mich zu zerreißen,
     Mir aus der Stirn die Augen zu beißen!

[89]

So sprach er, und gab eine Stunde darauf
Seine Seele zu Gott dem Barmherzigen auf. –
Flogen die Adler herbei, hackten die Augen aus der Stirn,
Kamen Raben geflogen, pickten aus sein Gehirn,
Flogen Raubvögel aller Arten heran,
Fingen seine gelben Knochen zu nagen an;
Kamen in wilden Haufen
Die grauen Wölfe gelaufen,
Haben den Leichnam zerbrochen,
Schleppten hinweg die Knochen,
Und verbargen sie zwischen
Den Dornengebüschen.
Und es erscholl all die Weile
Ein grausig Geheule:
Das sind die Träger, die ihn zu Grabe bringen,
Das sind die Sänger, die ihm sein Grablied singen! …
Doch woher hebt der Kuckuck sein bläulich Gefieder?
Er setzt sich beim Haupt des Kosacken nieder,
Und er klagt und beweint ihn in jammerndem Ton,
Wie eine Schwester den Bruder, eine Mutter den Sohn.

     Schon die Reiter den Städten der Christen zulenkten;
     Plötzlich seltsame Qualen ihr Herz bedrängten.
     Hub der zweite Bruder an so zum ält’sten zu sagen:

[90]

     „Woher kommen die Sorgen, die uns drücken und plagen?
     Ist vielleicht unser jüngster Bruder erschlagen?
     Was werden wir Vater und Mutter sagen,
     Wenn sie nach unserm Bruder fragen?“

Hat der Aelt’ste das Wort gehört
Und sich also zum Zweiten kehrt:
     „Wir sagen bei zwei Herren waren wir Sklaven,
     Und als wir Nachts auf der Flucht uns trafen,
     Konnten wir ihn nicht aus dem Schlafe treiben,
     Ließen ihn so in Gefangenschaft bleiben!“

Und wie der Aelt’ste der Brüder das Wort geendet,
Sich der Zweite wieder zum Aeltesten wendet:
     „Wenn wir Vater und Mutter nicht Wahrheit sagen,
     Wird ihr Gebet uns Unglück tragen!“

Und die Brüder dem samar’schen Lande zulenken,
Und halten beim Strome, die Pferde zu tränken.
Kaum vom Pferde gestiegen waren sie,
Da umringt eine Horde Tartaren sie;
Fallen die Ungläubigen her über die Brüder
Hau’n die Kosacken in Stücken nieder,
Streu’n auf dem Felde umher ihre Glieder,

[91]

Pflanzen die Häupter den Spitzen der Schwerter auf,
Und verspotten sie und hohnlachen darauf.

[92]

 Zweite Duma.

 Der Tod Fedor Besrodny’s.

Bei der Mündung des Dnieprs am grünen Bord
Hält ein junger Kosack seine Mahlzeit dort;
Und er speiste fröhlich, nicht dachte, nicht sah
Daß ihm und seinem jungen Knapp[20] Unglück nah’.
     Das sind nicht die Weiden, die da rauschen im Thale,
     Das ist die gottlose Horde der Uschkale;[21]
     Sie stürzen mit wildem Geschrei heran
     Auf Fedor Besrodny, des Kurenj[22] Attaman;
     Sie verwunden ihn, zerfletschen sein Angesicht,
     Doch seinen jungen flinken Knappen erhaschen sie nicht.

Und wie die Horde der Uschkale verschwunden dem Blick,
Kehrt der Knapp zum Kosack, seinem Herrn zurück,
Und er wäscht ihm seine tiefen Wunden ab.
Der Kosack nimmt das Wort und spricht zum Knapp:
     „Du mein treuer Gefährte, mein Tröster im Leide!
     Geh den Dniepr entlang, horch dem Geschrei auf der Haide;

[93]

     Ist das Gänsegeschnatter, das mein Ohr durchdringt?
     Ist’s Gesang eines Schwans, der sein Todeslied singt?
     Sind’s der Uschkale Horden?
     Oder sind’s die Kosacken von des Dnieprs Borden?
     Wenn es Gänse oder Schwäne sind, verscheuch’ sie gleich,
     Sind’s die Uschkale, verbirg mich im dichten Gesträuch,
     Aber sind es Kosacken, die vom Dniepr nah’n:
     Ruf sie zu Fedor Besrodny ihren Attaman!“

 Schnell läuft der kleine Knapp
 Das Ufer hinab
Und von ferne Kosacken erspäht sein Gesicht,
Und er winkt mit der Mütze und ruft und spricht:
 Kosacken, legt schnell eure Kähne an,
 Kommt an’s Ufer heran,
     Zu Besrodny eurem sterbenden Attaman!“

 Wie die Kosacken das hören
 Sie schnell dem Ufer zukehren,
 Binden die Kähne an
 Und eilen zum Attaman.
     Der ruft seinem Knappen sofort
     Und sagt ihm dies Abschiedswort:
 Du junges, treues Blut!
 Diene auch ferner gut,

[94]

     Halt immerdar deine Seele von Sünden rein,
     Und du wirst geliebt von allen Kosacken seyn!“
Und zu Allen, die ihn umgaben dort,
Sprach er ein freundliches Abschiedswort
     Und gab bald darauf
Seine Seele zu Gott dem Barmherzigen auf.

Da gruben die Kosacken mit den Säbeln ein Grab,
Mit ihren Mützen trugen sie die Erde ab,
Und senkten die Leiche Besrodny’s hinab.
So unter Pfeifen- und Hörnerklang haben
Die Kosacken ihren tapfern Führer begraben!

     O, wohl wußte der Kosack, er würde doppelt leiden,
     Ohne seine treuen Gefährten vom Leben zu scheiden!

[95]

 Dritte Duma.

 Der Tod Morosenko’s.[23]

O Kosack Morosenko! du Stern in der Schlacht!
Sieh ob deinem Tod die ganze Ukraine klagt.

Klagt die ganze Ukraine, die Kosacken all’,
Auf dem Markt schluchzt die Mutter ob des Sohnes Fall.

Laß, Mutter Morosenko’s, keine Thränen mehr sinken:
Komm, mit uns Kosacken Meth und Wein zu trinken!

„Wie kann ich trinken, mich freuen zu dieser Frist,
Wenn Morosenko von den Türken erschlagen ist!“

Sieh hinter’m Berg, hinter’m Berg her den Heereszug nah’n,
Sprengt auf schwarzem Streitroß Morosenko voran;

Hat bis zur flatternden Mähne den Kopf gebeugt,
Spricht: Wehe! Dort sich des Feindes Land zeigt!

Spring an, mein schwarzes Roß, über’n Strom weg, dorten
Den Feinden entgegen den Tartarenhorden!

[96]

Und er setzt über’n Strom weg – heiß war die Schlacht,
Und Morosenko wird zum Gefangenen gemacht …

Und sie setzten ihn auf einen Eichenblock,
Und nahmen ihm seine Stiefel, seinen rothen Rock.

Und aus der blut’gen Brust unter wildem Schmerz
Rissen sie sein Herz, sein so tapferes Herz.

Und man hat ihm ein tiefes Grab geschichtet,
Und über dem Grab einen Hügel errichtet.

„Morosenko! du mit dem stolzen Sinn,
Schau jetzt auf dein Land, die Ukraine hin!“

– Wozu das? Ich liebe mein Land nicht mehr,
Nur mein Roß noch lieb’ ich: das führt mir her!

Führt mein Roß her, sattelt mein schwarzes Roß,
Und bindet darauf des Kosacken Geschoß;

Und laßt es den Weg zur Ukraine finden,
Den Kosacken dort meinen Tod zu verkünden! –

[97]

 Vierte Duma.

 Von Bogußlaw.[24]

Von der Mündung des Dnieprs bis zu seiner Quelle hin
Der Flüsse siebenhundert und viere zieh’n,
Aber jeder der Flüsse in den Dniepr fällt,
In den Dniepr, so groß, so berühmt in der Welt!
Wehet, wehet denn, Winde vom Unterland,[25]
Blast in die Segel weit ausgespannt!
Sitzt am Steuerruder der junge Kosack,
Er drehet und wendet sich hin und her,
Und er schauet hinab auf das schwarze Meer …
Sieh, ein Schifflein schwimmt einsam durch’s Meer dahin,
Ein Türke sitzt und eine Türkin darin;
Doch die Türkin, die junge, nicht müßig blickt,
Und von Seide ein buntes Tüchlein stickt.
Wem mag sie das Tüchlein wohl wirken,
Dem Tartaren oder dem Türken?

[98]

Oder wirkt sie es für den jungen Kosack?
– Ja! das Tüchlein gehöret dem jungen Kosack! –

[99]

 Fünfte Duma.

 Von Bogdān.[26]

     Bogdān, Bogdān du,
     Der Ukraine Hetmann du!
     Sprich, was gehst wie zu tiefem Leide,
     Gehst in schwarzsammtnem Kleide?
     O, bei mir zu Gast der Tartaren
     Räuberische Horden waren!
     Eine Nacht sind sie geblieben,
     Meiner Mutter sie den Kopf abhieben,
     Und mich haben sie beraubt meiner Lieben!
     Geh, Bursch! sattle mein Roß, mein schwarzes Roß!
     Will die Tartaren erreichen,
     Sollen mein Lieb mir weichen!
Lagern auf dem Felde dem weiten sie,
Ihr Abendessen bereiten sie.
Ein Tartar geht auf und ab im Tābor[27] weit,
Und er führt bei der Hand eine junge Maid. –
     „Geh’ Liebchen, geh’ aus dem Wege mir,
     Daß ich diesen Räuber erschlage hier!“

[100]

     – Ob du ihn tödtest oder nicht,
     Ich weiß daß mir das Herz d’rum bricht!
     Mög’st ihn verfehlen oder erreichen,
     Wirst meine Wangen vor Kummer bleichen!
     O, mein Lieber! laß los,
     Sattle dein schwarzes Roß,
     Du bist nicht mehr mein,
     Ich bin nicht mehr dein!
     Kehre um, spute dich:
     Nimmer, nimmer vergeß’ ich dich! …

[101]

 Sechste Duma.

 Der Tod Iwan Swiérgowsky’s.[28]

 Als unser tapfere Pan,
 Der Kosackenhetmann
     Iwan Swiérgowsky, in der Schlacht
     Von den Türken zum Gefangenen gemacht,
     Sie ihm den Kopf vom Rumpfe hieben,
     Spießten ihn auf, ihren Spott damit trieben.

     Und sieh, da zieht Gewitterschwer
     Von fern’ eine große Wolke her;
     Kommen Schwärme schwarzer Raben geflogen,
     Haben wie dichte Nebel die Ukraine überzogen –
     Liegt’s auf dem Volk der Ukraine trüb:
     Es beweint seinen Herrn, der im Felde blieb.

Huben die stürmischen Winde zu sausen an:
– Wo ist unser Hetmann, der tapfere Pan?

Flogen kreischende Schwärme von Geiern herzu:
– Wo truget ihr unsern Hetmann zur Ruh?

[102]

Schrie’n die Adler aus den Lüften herab:
– Wo ist Swiérgorsky’s des Hetmann’s Grab?

Kömmt ein Haufen von Lerchen gezwitschert und fragt:
– Wo habt ihr ihm Lebewohl gesagt?

     Der Kosacken Einer zur Antwort gab:
     „Zuneben seinem tiefen Grab,
     Unfern der Stadt Kilia genannt,
     An der Grenze vom Türkenland!“

[103]
Zweite Abtheilung.


Dumen aus dem siebenzehnten und achtzehnten Jahrhundert.
[104]

Im Wechselgang des Schlachtenglückes
Ist manche blut’ge Saat gestreut!
Doch ward der Kampf des Augenblickes
Zum Denkmal für die Ewigkeit! …

Polnisches Lied.


Als der Staub aufwirbelte von der herannahenden Armee, wurden die Wangen unserer Helden bleich; ich aber erhob meine Streitaxt und eröffnete mit einem Hiebe einen Weg für meine Truppen. Mein Roß wüthete wie ein Elephant in seinem Zorn, und die Ebene war bewegt wie die Wellen des Niles.

Fardosi.
[105]

 Siebente Duma.

 Der Tod Iwan Konowtschenko’s.[29]

 Bei Korßūn[30] der berühmten Stadt
 In der herrlichen Ukraine Land,
     Chwilonenko der Führer des Heeres stand.
 Und er ruft den Kosacken zu:
 „Genug, Brüder, ist’s der Ruh!
     Kommt mit mir zum Thale Tscherkenja[31] von hinnen,
     Dort ritterlichen Ruhm und Beute zu gewinnen!“

Da hört man nicht Musik in den Städten mehr klingen,
Rings von Haus zu Haus die Assaoule[32] gingen,
Und des Führers Befehle zum Aufbruch bringen.
Aber wer warten will um den Abschiedsschmaus
Zu halten in seines Vaters Haus:
     Der muß reiten viele Meilen
Chwilonenko den Herrn von Korßun zu ereilen. –

[106]

Es lebt eine alte Wittwe zu Tscherkaß der Stadt,
Und einen Sohn, genannt Iwan Konowtschenko hat;
Wie die Alte den Aufruf zum Kriege hört,
Ist sie schnell nach Hause zurückgekehrt,
Läßt die Pferde nach entlegenen Plätzen zieh’n,
Legt die Rüstung des Sohnes in den Keller hin,
Und eilt hastigen Schrittes zur Kirche darauf …
Zu derselbigen Stunde wacht Iwan auf –

 Und sieh, an der Wand
 Er sein Schwert nicht mehr fand,
Sein Gewehr nicht mit blankem Lauf. –
 Er läuft schnell zum Stall hinab:
 Wehe! fort ist sein schwarzer Rapp!
 Ueberall sucht er seine Mutter dann,
 Und trifft sie noch bei der Kirche an.

 „Meine Mutter, das hast du schlecht gemacht!
 Hast mich nicht aufgeweckt,
 Hast meine Waffen versteckt,
 Hast meine Pferde davongejagt!
Hättest besser gethan nach Krylow[33] der Stadt zu laufen,
Mir von den Juden ein Pferd zu kaufen,
Mit neuem Geschirr es zu schmücken
Und mich jungen Kosack in’s Feld zu schicken!“

[107]

 – Mein Sohn, du hast vier große Stiere,
 Und zwei Rosse vom Vater, so schmucke Thiere!
 Du kannst in Tscherkaß lustig und in Freuden leben,
 Was willst du dich unnütz in Gefahr begeben? –

 „Was hilft es mir hier in Freuden zu leben,
 Den Kosacken Schmausereien und Feste zu geben?
 Betrunken werden sie sich über mich lustig machen
 Und mich als einen Feigling verspotten, verlachen!
 Und außerdem macht’s mir nicht Ehre noch Vergnügen
 Einem Bauersmann gleich das Feld zu pflügen,
 Meine gelben Stiefel im Koth zu beschmutzen,
 Meine kostbaren Kleider hinter’m Pflug abzunutzen.
 Mich treibt es zu Tahin[34] der Stadt von hinnen,
 Dort ritterlichen Ruhm und Ehre zu gewinnen!“

So sprach er, erbat seiner Mutter Segen,
Nahm Abschied von Haus und ritt verwegen
Zum Thale von Tcherkenje, seinen Brüdern entgegen.

*               *
*


     Das ist kein heller Falk, der fort
 Vom Thal den Fittig schwingt –

[108]

     Das ist kein weißer Schwan, der dort
 Im Thal sein Liedchen singt!
     Das ist Chwilonenko der tapfere Pan!
     Und also hebt er zu sprechen an:

„Ist unter euch Kosacken ein kühner Gesell,
Der da reitet ein Rößlein muthig und schnell,
Der folge mir zum Thale Tscherkenje von hinnen,
Dort ritterlichen Ruhm und Beute zu gewinnen!“

     Da Iwan Konowtschenko, der das Wort gehört,
     Sich der Erste bittend zum Führer kehrt.
„Du bist, Iwan, noch ein Kind“ – spricht zur Antwort der –
Bist im Felde nie gewesen, nie zu Schiff’ auf dem Meer,
     Du hast nie den Tod in der Nähe geseh’n –
Erst mußt du die Sitten der Kosacken versteh’n
Um dich mit uns zu vergnügen, zur Feldschlacht zu geh’n.“

Die alten Vögel fliegen nicht immer am schnellsten,
Die alten Lerchen zwitschern nicht immer am hellsten;
Oft die junge Möve besser Fische fängt
Als die alte, der matt schon der Flügel hängt! –

[109]

     Also sprach Iwan der junge Held,
     Und sprengt mit dem Führer hinab ins Feld …

Vor seinem Schwert fielen zwölf Tartaren in der Schlacht,
Mit dem Arkan[35] hat er sechs zu Gefang’nen gemacht
Und sie dem Pan Chwilonenko zum Geschenk gebracht.

 Der empfängt ihn froh,
 Führt in’s Lager die Tartaren –
     Setzt neben sich Iwan Konowtschenko
Und erzählt seinen Ruhm Allen, die mit ihm waren.

 Hebt Iwan voll Freude an:
 – Gieb deinen Segen mir, Pan!
     Und laß meinen Durst mich mit Weine dämpfen,
     So werd’ ich noch besser die Ungläubigen bekämpfen! –

„Nein, nicht darfst du die Zunge mit Wein benetzen
Um dich auf’s Neu mit der Horde im Kampf zu ergötzen.
Aber willst du trinken, so magst du’s thun,
Um im Zelt’ von des Tages Müh’n auszuruh’n.“

– Fürchte nicht Pan! mein Rausch wird nicht Schaden bringen,
Er wird mich mit neuem Muthe durchdringen! –

[110]

 Das ist nicht des Sturmwind’s Gegelle
 Der vom Thale Tscherkenje fleucht –
 Das ist nicht der Adler, der schnelle,
 Der die fliehenden Geier scheucht:

Das ist Iwan Konowtschenko, der die Zügel verhängt
Hoch auf schwarzem Streitroß in’s Gemetzel sprengt!
Hell glänzt sein Säbel wie des Blitzes Glüh’n,
Drei Janitscharen streckt er zu Boden hin,
Drei Tartaren haut er den Kopf vom Nacken!
Dann senkt er das Schwert, rühmt seinen Muth den Kosacken,
Und er fliegt durch die Ebene kreuz und quer,
Und hohnlacht und verspottet der Ungläubigen Heer. –

An seinem Prahlen merkte der Ungläubigen Schaar,
Daß der junge Kosack betrunken war.
Fliehend lockten sie ihn in einen Hinterhalt,
Und entfernten ihn vom Lager der Kosacken bald;
Und dann gleich Heuschrecken, dem Gotteszorn,[36]
Fielen sie über ihn her von hinten und vorn,
Schoßen, schlugen ihn zu Boden mit Pistolen und Schwert –
Doch es entwischte ihnen des Kosacken Pferd …

[111]

Das treue Thier kehret zum Lager allein,
Läuft wild umher zwischen der Zelte Reih’n,
Wühlt und scharrt die Erde mit schlagendem Huf,
Ruft wiehernd seinen Herrn mit klagendem Ruf.

 Chwilonenko das hört,
 Erkennt Iwan’s Pferd,
Und spricht also zu seinen Gefährten gekehrt:
 „Das habt ihr nicht gut gemacht,
Daß ihr euren trunk’nen Kameraden fortzieh’n ließt zur Schlacht;
Ihr selber habt den Braven in’s Verderben gebracht!

 Horchet wohl auf mein Wort:
 Ladet die Flinten, reitet fort
Und befreit seine Leiche von den Muselmannen!
Nicht umsonst lief das Pferd allein von dannen,
Es bringt Kunde, daß sein Herr um’s Leben gekommen.“

 Die Kosacken haben das Wort vernommen,
Springen auf’s Pferd, eilen zum Thal’ hinab,
Nehmen den Ungläubigen die Leiche des Bruders ab.

[112]

Mit ihren Schwertern gruben sie ein tiefes Grab,
Mit den Mützen trugen sie die Erde ab,
Senkten die Leiche hinein und bestatteten so
Der Wittwe Sohn Iwan Konowtschenko!

Darauf ließen sie aus Pfeifen, sieben Spannen lang,
Und aus Kriegeshörnern mit dumpfem Klang
Eine klagende Trauermusik erschallen,
Zum Ruhme des Kosacken, der im Felde gefallen. –

Bald darauf schlugen die Kosacken ihre Lager nieder,
Und kehrten zu den Städten der Christen wieder.

Die Wittwe, die alte, sieht den Heereszug nah’n,
 Kauft süßen Meth vom Basar
 Damit den Sohn zu empfah’n,
Und sie sucht ihren Iwan in der Krieger Schaar.

Der erste Zug Kosacken vorüberzieht –
Doch die Wittwe-Mutter ihren Sohn nicht sieht –
 Sie sieht den zweiten Zug nah’n,
 Der Chorundschi geht voran;
Zwei Kosacken führen ein Pferd hinterher,
Doch es war der Sattel des Pferdes leer.

[113]

 Die Alte erkennt das Pferd,
 Sich klagend zu den Kosacken kehrt,
Und den Tod und die Thaten ihres Sohnes hört …

     Sie machte ein großes Trauermahl,
     Und lud dazu die Kosacken all’.
Dem Führer schenkt sie des Sohnes Roß,
Und den Aelt’sten des Heeres sein Schwert und Geschoß. –

*               *
*


Der junge Kosack mußte untergeh’n,
Wie die Blume der Steppe in Sturmes Weh’n;
Doch sein Ruhm starb nicht mit ihm – noch in spät’ster Zeit
Singen, preisen die Kosacken seine Tapferkeit! …

[115]

 Achte Duma.

 Vom Kosacken Baida.[37]

In Berestetschek der Stadt, der berühmten Stadt,
Trinkt Baida an Meth und Branntwein sich satt;
Und nicht wenig trinkt Baida: in Einem fort
Zecht er zwei Tage, zwei Nächte dort.
Schickt der Sultan der Türken Gesandte hin,
Läßt einladen Baida, soll zu ihm zieh’n:

„Und grüß’ dich Baida, berühmter Held!
Sey mein treuer Vasall du im Frieden und Feld,
Und sollst die Prinzessin, meine Tochter frei’n,
Sollst Herr der ganzen Ukraine seyn!“

Verflucht, Sultan, ist der Glaube dein,
Und häßlich, Sultan, dein Töchterlein!
Da rief der Sultan die Haiducken zur Stell’:
„Auf! fangt diesen Baida und bringt ihn mir schnell!
Ergreift diesen Baida und bindet ihn,
Und hängt ihn bei der Seite an den Baum dort hin!“

[116]

Und der viel kühne Baida, in Einem fort
Hängt er zwei Tage, zwei Nächte dort.
Und baumelt dort Baida, das ihn verdroß,
Und er sucht mit den Augen sein schwarzes Roß;
Und hängt dort Baida vom Baume herab,
Und er sucht mit dem Blick’ seinen jungen Knapp:

Du mein junger Knappe! auf, eile schnell,
Und bring meinen strammen Bogen zur Stell’,
Meinen Bogen und meinen Köcher hol’,
Meinen Köcher mit spitzen Pfeilen voll!
Mein Auge erspäht drei Tauben von fern,
Davon schöß’ ich eine für den Sultan gern,
Die zweite soll der Sultanin seyn,
Die dritte dem holden Töchterlein!

Und er spannt seinen Bogen – der erste Pfeil fliegt,
Und todt der Sultan im Blute liegt;
Trifft der zweite die Schulter der Sultanin,
Fährt der dritte durch’s Haupt der Tochter hin.

Und Dank dir Sultan, daß ich gehängt!
Hättest wissen sollen wie man Baida fängt.

[117]

Hättest ihm sollen den Kopf absägen,
Seinen Leichnam in tiefe Erde legen,
Mit Geld bestechen seinen treuen Knappen,
Auf die Seite schaffen seinen schwarzen Rappen!

[118]

 Neunte Duma.

 Der Sturm auf dem schwarzen Meere.

Auf dem schwarzen Meere, auf weißem Stein’
Sitzt ein heller Falk, klagend und jammernd laut,
Und auf’s schwarze Meer forschenden Blickes schaut.
Er sieht wie am Himmel die Sterne verglühen,
Wie die Wolken die Hälfte des Mondlichts umziehen,
Und seltsame Ahnung sein Herz durchgraute …
Siehe, da naht es schwarz, heben die Stürme zu sausen an,
Heben die Wellen des Meeres zu rollen, zu brausen an,
Und wie die Meerkinder springen und die Windsbraut heult
Wird die Flotte der Kosacken in drei Theile getheilt.
Der eine bricht fern bei Agara[38] ans Land,
Der andere zerschellt an der Donau Strand;
Doch der dritte – was soll mit dem dritten gescheh’n?
Wird er sinken, im schwarzen Meer untergeh’n?
In dem dritten fährt Gritzko Sborowsky[39] Pan,

[119]

Der Kosacken von Saparosch[40] Attaman.
Er geht auf dem Verdecke in düsterer Ruh’
Und spricht diese Worte den Schiffern zu:

„Unter uns, Kameraden, ist ein Verbrechen gescheh’n,
Daß die Wellen so toben und die Stürme so weh’n –
Fangt Gott dem gnädigen eure Sünden zu beichten an,
Dem schwarzen Meer und mir eurem Attaman;
Naht euch allesammt, sagt eure Sünden her:
Und der Schuldige soll sterben im schwarzen Meer!
Die Flotte der Kosacken soll nicht untergeh’n
Weil von Einem unter euch ein Verbrechen gescheh’n!“

     Und voll Schweigen stand der Kosacken Schaar,
     Denn es wußte Keiner wer schuldig war.

Da Alexis, Sohn des Priesters von Piriatin,
Nimmt das Wort und tritt vor die Krieger hin:
„Nehmt und opfert mich Brüder, zu eurer Ruh’!
Bindet mit rothem Tuche die Augen mir zu,
Hängt an den Hals mir einen weißen Stein,
Und werft mich in’s schwarze Meer hinein!
Laßt mich Brüder allein in den Wellen sterben,
So wird nicht die Flotte der Kosacken verderben!“

[120]

     Die Kosacken hörten ihm staunend zu,
Und sprachen: – Alexis, wir sind schlechter als du!
Du kannst die heiligen Bücher lesen,
Durch dein Beispiel hält’st du uns ab vom Bösen,
Durch deine Lehre lernen wir Gutes thun:
Wie kann auf dir so schwere Sünde ruh’n?

     „Wohl seyd ihr mir nicht an Wissen gleich, –
     Ich lese die Schrift und erkläre sie euch,
     Lehr’ euch Böses meiden und Gutes thun,
     Und doch auf mir schwere Sünden ruh’n!

Ich bin aus Piriatin meiner Heimath geritten,
Ohne Vater und Mutter um ihren Segen zu bitten;
Meinem Bruder hab’ ich scheidend im Zorn gedroht,
Meinen Nachbarn nahm ich ihr letztes Stück Brod;
Stolz ritt ich einher, stieß mit dem Fuß auf der Straße
Die Brust der Weiber, die Stirn der Kinder zum Spaße.
Ich pflegte die Kirchen vorbei zu jagen,
Ohne die Mütze zu zieh’n, ohne das Kreuz zu schlagen;
Für meine Sünden, Brüder, muß ich jetzt untergeh’n!
Seht wie es wogt und braust auf dem schwarzen Meer,
Das kömmt von Mutter und Vaters Gebeten her!
O müßt’ ich im Sturme nicht untergeh’n,

[121]

Wollte Gott meine heißen Gebete erhören:
Wie wollt’ ich hinfort meine Eltern ehren!
Nie würde ich wieder meinen Bruder betrüben,
Meine Schwester wie eine Mutter lieben!“

Als noch Alexis, Sohn des Priesters, seine Beichte sprach,
Ließ der Sturm auf dem schwarzen Meere nach;
Die Flotte ward gerettet durch des Höchsten Hand,
Und kam glücklich bei der Insel von Tentra[41] an’s Land.

Alsdann die Kosacken standen und staunten sehr,
Daß die Flotte nicht versunken im schwarzen Meer,
Und kein Einz’ger ertrunken vom ganzen Heer.

Und Alexis, Sohn des Priesters, aus dem Schiffe ging,
Nahm die heilige Schrift, an zu lesen fing,
Erklärt sie den Kosacken, die ihn aufmerksam hören,
Und spricht zu ihnen, giebt ihnen weise Lehren:
„Treu sollen wir, Brüder, unsern Nächsten lieben,
Nie durch böse That Vater und Mutter betrüben;
Den Menschen, die gerecht vor dem Herren steh’n,
Wird es wohl auf Erden und im Himmel geh’n!
Des Mörders Schwert bringt ihnen nicht den Tod,
Der Eltern Gebet führt sie durch Sturm und Noth,

[122]

Macht von Todsünden ihre Seele rein,
Wird ihr Schutz zu Meer und zu Lande seyn!“

[123]

 Zehnte Duma.

 Paley[42] in Sibirien.

Hoch steigt die Sonne Morgens,
     Tief Abends untergeht –
Lebte früh Herr Paley in Freuden,
     Traf ihn das Unglück spät!

Hell scheint die Sonne Morgens,
     Verdunkelt sich zur Nacht;
Herr Paley, groß und mächtig einst,
     Jetzt in Sibirien klagt.

„Und hör’ mich, braver Bursch’ du,
     Komm mit mir, treuer Knapp’!
Komm mit mir um zu beten
     Zu Gottes Kapelle hinab!

Ich will inbrünstig beten,
     Knie’n vor dem Heil’genbild;
Ich bin wie ein Greis gemagert,
     Und nichts mein Wehe stillt!

[124]

Wie ein Greis bin ich gemagert,
     Ich will zum Höchsten fleh’n
Für meine schuldige Seele;
     Mög’ er mich gnädig anseh’n!“

Und giebt ihm der treue Knappe
     Einen Stock in seine Hand,
Und gürtet um seine Lenden
     Ein grobes Bußgewand.

Nicht ging allda Herr Paley
     Zu frommem Gebete hin –
Er ging sich selbst zu züchtigen,
     That’s mit zerknirschtem Sinn.

Herr Paley kehrt und setzt sich
     Vor seiner Hütte Schwell’,
Schlägt der Pandora Saiten
     Und singt ein Liedlein hell:

„Unglücklich ist das Leben
     In dieser Jammerwelt;
Der stickt sein Kleid mit Golde
     Und vergißt was dem Herrn gefällt.

[125]

Der Andre darbt in Sibirien
     Vergessen und verbannt,
Verwaist wie eine Eiche
     Auf weitem, wüstem Land!“

[127]
Anhang.


Fragmente.

[128] Es beugt sich klagend das Gras, und die Bäume senken jammernd ihre Häupter zur Erde...

Igorslied.
[129]

 Elfte Duma.

 Perebienoß.[43]

 1.

Birke, wie welk, wie kahl du bist!
Was läßt du so dürr deine Zweige ragen,
Was senkst du das Haupt so traurig herab?

– O wie kann ich grün seyn zu dieser Frist?
Ist unter mir Perebienoß erschlagen,
Ist mir zu Füßen des Tapfern Grab! –
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .


 2.

Nebel über’s Feld sich breitet,
Der Kosack durch’s Feld hinreitet.

[130]

Und zu einem Grabe kömmt er
Höher als die andern Gräber.

„Grab du höher als die andern,
Warum brannt’st nicht mit den andern?“

Wurde nicht der Flammen Beute,
Weil ich schwamm im Blute heute. –

„Was für Blut?“ – dem der Polacken,
Und dem Blute der Kosacken! –
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

[131]

 Zwölfte Duma.

     Gram der Schwester ob ihrem Bruder.

Das ist nicht der blaue Kuckuck, der durch’s dunkle Holz sich schwingt,
Nicht das kleine Vöglein ist es das im grünen Garten singt:
Eine Schwester ist’s die ob dem fernen Bruder Klage bringt.

 Ihre Augen fließen über,
 Und sie spricht dem Bruder zu:
 „O mein Bruder, du mein lieber,
 Heller Falk, wann kehrest du?“
     „Komm zu mir aus fremdem Lande gereist,
     Daß in der Stunde der Noth du bei mir sey’st!“

 – Schwester, helles Täubchen, Liebe!
 Klage nicht, sey nicht so trübe;
 Stille deine heißen Zähren:
 Möchte gern, doch kann nicht kehren!

[132]

 Finstre Wälder scheiden,
 Weite, wüste Haiden,
 Strömende Wasser uns Beiden! – …

     „Flieg wie ein heller Falk durch’s dunkle Holz heran,
     Schwimm durch die strömenden Wasser wie ein weißer Schwan,
     Lauf durch die weite Steppe wie eine Wachtel herzu,
     Komm auf den Hof wie ein Täubchen geflogen du!
 Sag mir ein tröstend Wort,
 Bann’ aus meinem Herzen den Kummer fort!

     Kommen Sonntags die Mädchen aus dem Gotteshaus,
     Laut und summend wie Bienen heraus,
 Geben Feste,
 Laden Gäste
 Zu sich her:
     An mich arme Verlass’ne denkt Niemand mehr! …
     Sonst die Erste im Tanzesreih’n hüpfte ich
     Und Alle ehrten und liebten mich:
     Und jetzt, da die Stunde der Noth mich beschlichen,
     Verlassen mich Alle, sind von mir gewichen!“ –


  1. Eine Art Volkssänger, den Rhapsoden der Griechen ähnlich. Man nannte sie Banduristen, weil sie ihren Gesang auf der Bandura – Pan dora – begleiteten.
  2. Der berühmteste Schriftsteller Polens. Siehe sein Werk, betitelt: Krytyka i Literatura. Wilna 1837.
  3. Einer der besten und fruchtbarsten russischen Schriftsteller, berühmt durch seine Geschichte der russischen Nation. Seine Biographie ist bekannt aus Königs „Literarischen Bildern.“
  4. Hiervon kommt das russische Wort Gorod – Stadt.
  5. Ich habe die Benennungen der Städte, Flüsse u. s. w. nach der allgemein angenommenen, russischen Aussprache geschrieben, welche von der ukrainischen in vieler Hinsicht verschieden ist. In der Ukraine spricht man z. B. Tschernihow, Belhorod, Peryaslaw u. s. w. – Die Russen pflegen das h, welches ihrer Sprache fehlt, durch den Buchstaben g zu ersetzen, was vorzüglich bei aus fremden Sprachen entlehnten Wörtern auffällt. So sagen sie z. B. Exercirgaus, Ordonnanzgaus, Gamburg, Gannover u. s. w.
  6. Sitsch – wahrscheinlich von dem deutschen Worte Sitz, hieß bei den Kosacken ein befestigter Platz, wo sich das Hauptlager der Saparoschzen befand.
  7. Kuränj hieß bei den Saparoschzen ein Dorf, welches von 100 bis zu 500 bewaffnete Kosacken enthielt.
  8. Tartarenhorden.
  9. Tschumack heißen in der Ukraine die Leute, welche aus der Krimm auf Ochsen Salz, Tabak, Fische u. dgl. herführen, um damit Handel zu treiben.
  10. Windröschen – im Kleinrussischen ßon trawaAnemone patens; die Völker der Ukraine schreiben dieser Blume prophetische Eigenschaften zu, und eben deßwegen scheint mir obiges Lied der Beachtung werth. Bekanntlich schoßen, nach der Mythologie der Alten, die Anemonen aus den Thränen auf, welche Venus über Adonis weinte.
  11. Ein Hochzeitslied, welches ich nebst einigen andern Liedern, einer von Venceslave Zaleski 1833 in Lemberg herausgegebenen Sammlung von galizischen Volksliedern in russischer und polnischer Sprache entlehnt habe.
  12. Starost – Amtmann oder Aeltester eines Dorfes.
  13. Woït – Prevôt.
  14. Chorundshi – Fahnenträger in einem Kosackenregimente.
  15. Desna – Fluß, welcher sich in den Dniepr ergießt.
  16. Bogdan Chmielnicki wiegelte, gereizt durch die Ungerechtigkeiten der Polen, gegen sie ganz Kleinrußland auf. Es erfolgte der blutigste und hartnäckigste Kampf, welcher den beiden Völkern über 50,000 Menschen kostete. Dieser Krieg endigte mit der Befreiung Kleinrußlands von der polnischen Herrschaft. Chmielnicki starb im Jahre 1657, den 13. August.
  17. Aus Mais gebackene Kuchen.
  18. Die Straße Murawsk erstreckt sich von der Insel Chortiza, der Residenz des Chefs von Sagarosch, nördlich bis zu den Quellen der Worskla und des Donetz. Zwischen Asow und dieser Straße befinden sich große Bairaks, d. h. Hohlwege, Schluchten.
  19. Wahrscheinlich an den Quellen von Samarka.
  20. Das kleinrussische Wort Tschura, welches von dem polnischen Worte ciura herkömmt und etwa dem deutschen Troßbube entspricht, habe ich überall durch Knappe übersetzt.
  21. Uschkal – bedeutet Räuber, Pirat. Hier zum Erstenmal begegne ich diesem Ausdrucke in den Volksliedern Kleinrußlands. Wahrscheinlich ist damit eine den Kosacken ähnliche Horde gemeint, welche in Südrußland unter dem Namen Uschkuinicki bekannt war. Man findet in der Geschichte, daß Vagabunden aus der Republik Nowgorod, auf kleinen Fahrzeugen, genannt Uschkui, häufig die Finnen, Permer, Mordwen, Tscheremissen u. s. w. angriffen; es läßt sich annehmen, daß diese eines Ursprungs mit den Obengenannten sind.
  22. Attaman eines Kurenj heißt Befehlshaber eines Dorfes von 100–500 bewaffneten Kosacken.
  23. Dieser in den Volksliedern Kleinrußlands so gefeierte Kosack, ist ganz unbekannt in der Geschichte. Wie aus verschiedenen Liedern zu ersehen ist, war er Gefährte des Hetmanns Swiergowsky. Er lebte also in der letzten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts.
  24. Iwan Bogußlaw war Kampfgefährte des Skalosub 1589.
  25. Unterland – kleinrussisch Nishe – so nannten die Kosacken die an der Mündung des Dnieprs belegenen Landstriche.
  26. Ich verdanke dieses Lied einer Sammlung von Volksliedern der Ukraine, herausgegeben von Adam Czarnocki, bekannt unter dem Pseudonamen Zoryan Chodakowsky, ein junger polnischer Gelehrter, welcher im Jahre 1827 zu Moskau starb.
    Man kann annehmen, daß obiges Lied sich auf die Ereignisse von 1575 bezieht, wo die Kosacken unter Anführung ihres Hetmann’s Bogdane Rozynsky, den berühmten Zug nach der Krimm machten. Während dieses Zuges verheerten sie ganz Kleinasien und plünderten Konstantinopel.
  27. Tabor – ist ein tartarisches Wort und bedeutet eine Wagenburg, womit die Krieger ihre Feldlager zu umgeben pflegten.
  28. Iwan Swiergowsky, ein berühmter Kosackenchef, wurde im Jahre 1574 auf einem Zuge gegen die Türken getödtet, welchen er auf Wunsch Iwan’s des Armeniers, Hospodar der Wallachei, unternommen hatte.
  29. Diese Duma bezieht sich auf das Jahr 1684, wo die Kosacken der polnischen Ukraine gegen die Tartaren von Bielogrod zu Felde zogen und ihnen bei Tahin eine schwere Niederlage beibrachten. Sie schlugen den Sohn des Chanes der Krimm, welcher ihren Feinden mit einer zahlreichen Armee zu Hülfe gekommen war, und hieben ihrem eigenen Hetmann Kunitzky den Kopf ab, weil er feige vom Schlachtfelde entfliehen wollte.
    Man vermuthet, der Heerführer Chwilonenko sey ein Sohn Filon Tschitschri’s.
  30. Korßun – Stadt im Gouvernement Kiew.
  31. Die Ebene von Tscherkenje – wahrscheinlich kommt diese Benennung von dem Worte tschornaja Dolina, d. h. die schwarze Ebene.
  32. Assaoul – Offizier welcher Hundert Kosacken befehligt.
  33. Krylow – Stadt im Gouvernement Kiew, im tschehrinschen Distrikte. Sie wurde erbaut unter der Regierung Sigismund III., König von Polen, bei der Mündung der Tasmin in den Dniepr. Am rechten Ufer der Tasmin befindet sich noch eine andere Stadt dieses Namens, welche zum Gouvernement Cherson gehört. Die erstere Stadt wird heutiges Tages das polnische Krylow und die zweite das russische Krylow genannt. Man kann hieraus folgern daß die Tasmin früher die Grenze zwischen Rußland und Polen bildete.
  34. Tahin – ist jetzt nur noch ein kleines Dorf Tahinza genannt, im Gouvernement Cherson, zwischen dem Flusse Ingulza und der Stadt Berislaw gelegen. Die Tahinka fällt etwa eine Meile tiefer als die Ingulza in den Dniepr. Alle diese Flüsse befinden sich am rechten Ufer des Dnieprs.
  35. Arkan – eine Art Schlinge, besonders bei den Gebirgsvölkern im Gebrauch, um Feinde damit zu fangen und Gefangene daran fortzuschleppen.
  36. Noch heut zu Tage herrscht unter dem Volke der Ukraine der Glaube, daß auf den Flügeln der Heuschrecke in arabischer Schrift die Worte geschrieben stehen „Zorn Gottes.“
  37. Baida ist ein in der Geschichte Kleinrußlands ganz unbekannter Name. Einige sind der Meinung, dieses Lied beziehe sich auf den polnischen Fürsten Dymitri Waszniowiecki, welcher von Stephan IX. Hospodar der Moldau, nach Konstantinopel geschickt, dort unter Soliman II. eines ähnlichen Todes starb.

    H. Maximowitsch, dessen Sammlung ich dieses Lied zu verdanken habe, ist der Meinung es beziehe sich dasselbe auf die Begebenheiten des Jahres 1674, und mit dem türkischen Sultan sey Muhamed IV. gemeint.
  38. So nennen die Kosacken die asiatische Türkei.
  39. Vielleicht ist hier der berühmte Samuel Sborowsky gemeint. Im Manuscripte dieser hübschen Duma wird er Sborowsky von Kolomya genannt, weil seine Familie aus Kolomya in Gallizien herstammt.
  40. Saparoschie – heißt das hinter den Wasserfällen des Dnieprs gelegene Land.
  41. Tentra – Insel unweit des Dnieprs dem Kap Kimbur gegenüber gelegen.
  42. Paley, Sohn eines einfachen Kosacken, lebte gegen das Ende des XVII. und zu Anfange des XVIII. Jahrhunderts. (Er starb den 18. Januar 1710). Es ist dies ohne Zweifel die poetischste Person in der ganzen Geschichte Kleinrußlands. Sein Leben war ein fortwährender Kampf gegen die Polen, Tartaren, Türken, Schweden u. s. w. Todfeind von Maseppa, gerieth er zweimal auf Veranlassung desselben in Gefangenschaft. Das erste Mal sperrten ihn die Polen in Magdeburg ein, von wo er mit Hülfe seiner treuen Kosacken wieder entwich; das zweite Mal wurde er nach Sibirien verbannt, jedoch nach dreijährigem Exil von Peter dem Großen zurückgerufen. Es geschah dieses kurz nach dem Verrath Maseppa’s.
  43. Perebienoß wird in der Geschichte unter der Zahl der Kampfgenossen Skalosubs genannt. Jedoch der Perebienoß, auf welchen sich dieses Lied bezieht, ist der tapfere Maximilian Kriwonoß, welcher im Jahre 1648 getödtet wurde.
    Er kommt unter demselben Namen noch in andern Liedern vor, welche mir fragmentarisch bekannt sind, von denen ich aber zu meinem Bedauern nichts Ganzes habe auftreiben können.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: wit hin
  2. traditionelles, russisches Saiteninstrument
  3. Vorlage: Ihre