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Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder

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 Die Leichen
 Der Brüder Beide
     Sie zu begraben auf kahler Haide!“

Doch sieh’, ihm auf den Fersen drei Feinde sind:
Der Hunger, der Durst und der kalte Wind,
Der von der Haide weht so grausig und kalt –
Und der arme Kosack unterliegt der Gewalt.
     „Genug hab’ ich gesucht meine reitenden Brüder,
     Nach Ruhe verlangen die müden Glieder.“

Zu einem Savor-Grabe[1] kommt er jetzt
Und hat sich darauf niedergesetzt.
Zu derselbigen Stunde fliegen Adler heran,
Seh’n den Kosacken mit scharfen Augen an.
     Der Kosack den Blick erwiederte,
     Spricht: „Adler graugefiederte!
     Traute Gäste seyd willkommen
     Daß ihr bei mir Platz genommen!
     Noch einmal werf ich den scheidenden Blick
     Auf Gottes schöne Welt zurück,
     Dann fliegt herzu mich zu zerreißen,
     Mir aus der Stirn die Augen zu beißen!


  1. Wahrscheinlich an den Quellen von Samarka.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder. J. G. Cotta, Stuttgart u. Tübingen 1845, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_poetische_Ukraine_(1845).pdf/109&oldid=- (Version vom 27.12.2022)