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Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder

     Die Kosacken hörten ihm staunend zu,
Und sprachen: – Alexis, wir sind schlechter als du!
Du kannst die heiligen Bücher lesen,
Durch dein Beispiel hält’st du uns ab vom Bösen,
Durch deine Lehre lernen wir Gutes thun:
Wie kann auf dir so schwere Sünde ruh’n?

     „Wohl seyd ihr mir nicht an Wissen gleich, –
     Ich lese die Schrift und erkläre sie euch,
     Lehr’ euch Böses meiden und Gutes thun,
     Und doch auf mir schwere Sünden ruh’n!

Ich bin aus Piriatin meiner Heimath geritten,
Ohne Vater und Mutter um ihren Segen zu bitten;
Meinem Bruder hab’ ich scheidend im Zorn gedroht,
Meinen Nachbarn nahm ich ihr letztes Stück Brod;
Stolz ritt ich einher, stieß mit dem Fuß auf der Straße
Die Brust der Weiber, die Stirn der Kinder zum Spaße.
Ich pflegte die Kirchen vorbei zu jagen,
Ohne die Mütze zu zieh’n, ohne das Kreuz zu schlagen;
Für meine Sünden, Brüder, muß ich jetzt untergeh’n!
Seht wie es wogt und braust auf dem schwarzen Meer,
Das kömmt von Mutter und Vaters Gebeten her!
O müßt’ ich im Sturme nicht untergeh’n,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder. J. G. Cotta, Stuttgart u. Tübingen 1845, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_poetische_Ukraine_(1845).pdf/141&oldid=- (Version vom 11.1.2023)