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Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder

 30.

Es setzt sich die Eule auf ein hohes Grab,
Und ruft in klagenden Tönen herab:

„Hat Gott vergessen der Kosacken Heer?
Zeigt sich nimmer ihr Muth, ihr Heldensinn mehr?

Wir warten auf Beute jede Nacht, jeden Tag,
Doch umsonst ist das spähende Auge wach.

Der Muth ist gewichen und mit ihm das Glück:
O, nimmer kehrt die Zeit Chmielnicki’s[1] zurück!“

Und auch wir einst zogen vor Zeiten zum Krieg –
Doch der Stern des Ruhms der Kosacken verblich!

Aber nimmer vergessen wir die Herrlichkeit,
Das Glück und die Kämpfe der alten Zeit!

Mit Roste bedeckt liegt jetzt Schwert und Gewehr:
Nur das Herz des Kosacken trotzt noch dem Türkenheer!


  1. Bogdan Chmielnicki wiegelte, gereizt durch die Ungerechtigkeiten der Polen, gegen sie ganz Kleinrußland auf. Es erfolgte der blutigste und hartnäckigste Kampf, welcher den beiden Völkern über 50,000 Menschen kostete. Dieser Krieg endigte mit der Befreiung Kleinrußlands von der polnischen Herrschaft. Chmielnicki starb im Jahre 1657, den 13. August.
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Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder. J. G. Cotta, Stuttgart u. Tübingen 1845, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_poetische_Ukraine_(1845).pdf/91&oldid=- (Version vom 31.12.2022)