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Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder

 Fünfte Duma.

 Von Bogdān.[1]

     Bogdān, Bogdān du,
     Der Ukraine Hetmann du!
     Sprich, was gehst wie zu tiefem Leide,
     Gehst in schwarzsammtnem Kleide?
     O, bei mir zu Gast der Tartaren
     Räuberische Horden waren!
     Eine Nacht sind sie geblieben,
     Meiner Mutter sie den Kopf abhieben,
     Und mich haben sie beraubt meiner Lieben!
     Geh, Bursch! sattle mein Roß, mein schwarzes Roß!
     Will die Tartaren erreichen,
     Sollen mein Lieb mir weichen!
Lagern auf dem Felde dem weiten sie,
Ihr Abendessen bereiten sie.
Ein Tartar geht auf und ab im Tābor[2] weit,
Und er führt bei der Hand eine junge Maid. –
     „Geh’ Liebchen, geh’ aus dem Wege mir,
     Daß ich diesen Räuber erschlage hier!“


  1. Ich verdanke dieses Lied einer Sammlung von Volksliedern der Ukraine, herausgegeben von Adam Czarnocki, bekannt unter dem Pseudonamen Zoryan Chodakowsky, ein junger polnischer Gelehrter, welcher im Jahre 1827 zu Moskau starb.
    Man kann annehmen, daß obiges Lied sich auf die Ereignisse von 1575 bezieht, wo die Kosacken unter Anführung ihres Hetmann’s Bogdane Rozynsky, den berühmten Zug nach der Krimm machten. Während dieses Zuges verheerten sie ganz Kleinasien und plünderten Konstantinopel.
  2. Tabor – ist ein tartarisches Wort und bedeutet eine Wagenburg, womit die Krieger ihre Feldlager zu umgeben pflegten.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder. J. G. Cotta, Stuttgart u. Tübingen 1845, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_poetische_Ukraine_(1845).pdf/120&oldid=- (Version vom 11.1.2023)