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Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder

Der Kosacken von Saparosch[1] Attaman.
Er geht auf dem Verdecke in düsterer Ruh’
Und spricht diese Worte den Schiffern zu:

„Unter uns, Kameraden, ist ein Verbrechen gescheh’n,
Daß die Wellen so toben und die Stürme so weh’n –
Fangt Gott dem gnädigen eure Sünden zu beichten an,
Dem schwarzen Meer und mir eurem Attaman;
Naht euch allesammt, sagt eure Sünden her:
Und der Schuldige soll sterben im schwarzen Meer!
Die Flotte der Kosacken soll nicht untergeh’n
Weil von Einem unter euch ein Verbrechen gescheh’n!“

     Und voll Schweigen stand der Kosacken Schaar,
     Denn es wußte Keiner wer schuldig war.

Da Alexis, Sohn des Priesters von Piriatin,
Nimmt das Wort und tritt vor die Krieger hin:
„Nehmt und opfert mich Brüder, zu eurer Ruh’!
Bindet mit rothem Tuche die Augen mir zu,
Hängt an den Hals mir einen weißen Stein,
Und werft mich in’s schwarze Meer hinein!
Laßt mich Brüder allein in den Wellen sterben,
So wird nicht die Flotte der Kosacken verderben!“


  1. Saparoschie – heißt das hinter den Wasserfällen des Dnieprs gelegene Land.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder. J. G. Cotta, Stuttgart u. Tübingen 1845, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_poetische_Ukraine_(1845).pdf/140&oldid=- (Version vom 11.1.2023)