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Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder

 9.

Im grünen Wiesenthal silberhell
Aufsprudelt der kalte Wasserquell –
Treibt der Tschumack[1] dort hin seine Ochsen zu tränken:
Aber sie brüllen,
Ihren Durst nicht stillen,
Und Unglück ahnend die Köpfe senken.
Spricht er: O meine grauen Stiere,
Daß ich euch nimmer zur Krimm hinführe!
Habt mich so trübe gemacht,
Mich, der so jung noch, ins Unglück gebracht …
Am nächsten Sonntag, am frühen Tag,
Todt, todt der junge Tschumack lag;
Und man grub ihm mit eisernem Grabesscheit
Eine Todtengrube tief und weit,
Und pflanzt auf den hohen Grabesraum
Einen blühenden jungen Hollunderbaum.
Flog ein Kuckucksweibchen herzu,
Hub an zu rufen: Kucku, Kucku!
Reich mir, mein Sohn, mein junger Aar,


  1. Tschumack heißen in der Ukraine die Leute, welche aus der Krimm auf Ochsen Salz, Tabak, Fische u. dgl. herführen, um damit Handel zu treiben.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder. J. G. Cotta, Stuttgart u. Tübingen 1845, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_poetische_Ukraine_(1845).pdf/58&oldid=- (Version vom 13.9.2022)