Seite:Die poetische Ukraine (1845).pdf/56

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder

 8.

Wo, wo, meine Liebe, jetzt weilest du?
Tönt dir mein Flehen, mein Rufen nicht zu?
Es könnte die starren Gefilde selbst rühren;
Wie mein Aug’ und mein Herz nach dir suchen und spüren!
Doch ich suche vergebens schon lange Zeit,
Und ich finde dich nicht, du bist weit, bist weit!
Und ich welk’ und vergehe vor Herzeleid!
Bist unter Kaufleuten auf blauem Meer,
Und fährst und spähest nach Schätzen umher?
Oder bist du bei schmucken Damen zu Gast,
Und durchjubelst die Nächte im Prachtpalast?
Oder entscheidest in lichten Himmelshöh’n
Das Schicksal der armen Sterblichen?
Oder spielst bei lauschendem Mondenschein
Mit den Locken blühender Mägdelein?
Oder blühest du nicht als Mohnblume wild
Am Meeresufer im Thalgefild?
Oder singst des Kuckucks Prophetenlied?
Unter maienfrischer Hollunderblüth?

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder. J. G. Cotta, Stuttgart u. Tübingen 1845, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_poetische_Ukraine_(1845).pdf/56&oldid=- (Version vom 13.9.2022)