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Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder

     „Woher kommen die Sorgen, die uns drücken und plagen?
     Ist vielleicht unser jüngster Bruder erschlagen?
     Was werden wir Vater und Mutter sagen,
     Wenn sie nach unserm Bruder fragen?“

Hat der Aelt’ste das Wort gehört
Und sich also zum Zweiten kehrt:
     „Wir sagen bei zwei Herren waren wir Sklaven,
     Und als wir Nachts auf der Flucht uns trafen,
     Konnten wir ihn nicht aus dem Schlafe treiben,
     Ließen ihn so in Gefangenschaft bleiben!“

Und wie der Aelt’ste der Brüder das Wort geendet,
Sich der Zweite wieder zum Aeltesten wendet:
     „Wenn wir Vater und Mutter nicht Wahrheit sagen,
     Wird ihr Gebet uns Unglück tragen!“

Und die Brüder dem samar’schen Lande zulenken,
Und halten beim Strome, die Pferde zu tränken.
Kaum vom Pferde gestiegen waren sie,
Da umringt eine Horde Tartaren sie;
Fallen die Ungläubigen her über die Brüder
Hau’n die Kosacken in Stücken nieder,
Streu’n auf dem Felde umher ihre Glieder,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder. J. G. Cotta, Stuttgart u. Tübingen 1845, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_poetische_Ukraine_(1845).pdf/111&oldid=- (Version vom 27.12.2022)