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Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder

 19.

Mein Mädchen, viel schöne, viel stolze Maid!
Warum kamst du nicht gestern zur Abendzeit?
     „O, wie kann ich, mein Lieber, zu dir gehen,
     Wenn mich rings die bösen Menschen umspähen?“
Laß sie schwatzen mein Kind, sich tadelnd geberden;
Es wird kommen die Zeit wo sie ruhig werden.
     „Doch bis die Zeit kommt, meine Ehre sie nehmen,
     Und muß ich dann lebelang weinen, mich grämen!“
O mein Mädchen, was schaust du so traurig d’rein,
Wie der dunkle Hollunder am Ufer allein!
Solltest fröhlich seyn, solltest lächeln und kosen,
Wie zur Zeit der Blumen die duftenden Rosen!
O lieb’ Mädchen, werf’ ich mein Aug’ auf dich hin,
Wie schön du mir scheinst, wie ich stolz auf dich bin!
Dem Fischlein, das ohne Wasser darbt, gleich,
Bin ich ohne dich schmachtend und kummerbleich!
     „Und auch ich liebe dich, mein Kosack, meine Freude!
     Strafe Gott die bösen Menschen, die uns trennen, uns Beide!“

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder. J. G. Cotta, Stuttgart u. Tübingen 1845, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_poetische_Ukraine_(1845).pdf/76&oldid=- (Version vom 28.12.2022)