Seite:Die poetische Ukraine (1845).pdf/67

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder

 14.

Schickt die Mutter ihren Sohn, einen Falken kühn,
Als er erwachsen, zum Heere hin.
Die ält’ste Schwester sattelt das Pferd für ihn,
Mit dem Tuche winkt hoch die zweite,
Die jüngste giebt ihm das Geleite.
Doch die Mutter fragt ihn mit trübem Blick:
„Wann, mein Sohn, kehrest nach Hause zurück?“
– Wenn die Federn des Pfau unter’s Wasser sinken,
Wenn die Mühlsteine über die Fluth herblinken,
Dann, meine Mutter, kehr’ ich zurück! –
Schon zu Grunde sanken die Federn des Pfauen,
Schon über der Fluth war der Mühlstein zu schauen;
Sucht die Mutter den Sohn mit forschendem Blick,
Doch er kehrte noch nicht von Gostina zurück!
Geht sie trostlos aufs Gebirge hin,
Sieht heimwärts alle Regimenter zieh’n:
„Das ist meines Sohnes Roß, das ich dort seh’!“
Und sie fragt die Führer der Armee:
„Habt meinen Sohn nicht geseh’n, den dies Rößlein trug?“

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder. J. G. Cotta, Stuttgart u. Tübingen 1845, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_poetische_Ukraine_(1845).pdf/67&oldid=- (Version vom 28.12.2022)