RE:Megasthenes 2
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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griechischer Ethnograph Indiens im 4./3. Jh. v. Chr. | |||
Band XV,1 (1931) S. 230–326 | |||
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2) Griechischer Ethnograph Indiens, im 4./3. Jhdt. v. Chr.
Inhaltsübersicht.
I. Der Autor.
- § 1 Heimat.
- § 2 Aufenthalt in Indien und Lebenszeit.
- § 3 Verkehr mit Candragupta.
- § 4 Mit Poros.
II. Das Werk.
- § 5 Umfang.
- § 6 Sprache.
- § 7 Beziehungen zur Indienliteratur über: a) Thaumasia; b) Geschichte; c) Details (Silafluß, Kaianos- und Hundeepisode); d) Geographie; e) Astronomie; f) Religion; g) Philosophie.
III. Analyse.
- § 8 Die Exzerpte.
- § 9 Aufbau der Indika.
- § 10 Idee, Tendenz und Einflüsse.
IV. Indien bei M.
- § 11 a) Grenzen; b) Gebirge; c) Flüsse; d) Länder und Völker; e) Städte; f) Inseln.
- § 12 Indisches Sprachgut.
- § 13 Indische Quellen bei M. auf dem Gebiete der: a) Mythologie; b) teratologischen Ethnologie; c) Geschichte; d) Religion; e) Gesellschaft; f) Staatsverwaltung.
V. § 14 Beurteilung des M.
I. Der Autor
§ 1. Heimat
Megasthenes’ Name deutet auf die griechische Abstammung, wiewohl auch das früher bezweifelt wurde (so sah v. Bohlen Das alte Indien, I 68 auf Grund des Fälschers Annius Viterbiensis, vgl. Schw.[1] Praef. 58f. n. 51. FHG II 398 n.*, in ihm einen Perser); daß man es mit einem griechischen Personennamen zu tun hat, beweist nicht nur der mit Hippokles als Gründer von Kyme (Cumae) bezeichnete Chalkider M., der also euböischen Ursprungs gewesen ist (Vell. Paterc. I 4; Strab. V 4, 4, s. auch Bechtel Die historischen Personennamen des Griechischen 300), sondern auch der Phrurarch M., der in einem Papyrus aus den J. 167–134 v. Chr. (Preisigke Sammelb. I 4512, 11) vorkommt. Ein Argument für die griechische Abstammung und engere Heimat des M. glaubte Witkowski (Eos V 1898/99, 22ff.) mit dem Hinweis auf den Vergleich der Wassermengen der Flüsse Hermos, Kaustros, Kaikos, Maiandros u. a. sowie ihrer Ebenen mit [231] denen der indischen Flüsse Ganges und Indos (Arrian. anab. V 6, 3ff.) geiunden zu haben; dieser Vergleich verrate eine genaue Kenntnis Kleinasiens, auch das Fragment bei Abydenos (Schw. 49 = FHG II 417 = Euseb. praep. ev. IX p. 456 D), in dem ionische Formen auftreten, suchte Witkowski in diesem Sinne zu verwenden. Gegen letztere, schon vor Schw. vorgebrachte Meinung wandte sich dieser in seiner Ausgabe (praef. 25) mit noch heute geltender Widerlegung. Trotzdem glaubte Reuß (Rhein. Mus. N. F. LXI 1906, 304f.) beide Argumente unterstützen zu können; wenn zwar auch die von Witkowski angeführte Stelle Zweifel an der Autorschaft des M. aufkommen lasse, so bezeugten Arrians Worte in der Ind. IV 3ff., bes. 6, daß M. den Maiandros gekannt habe. Demgegenüber ist auf Nearchos (frg. 3 = FGrHist 133 F 17 bei Strab. XV 1, 16) zu verweisen (Stein Meg. u. Kauṭ. 7), wo sich bereits der Vergleich mit den Ebenen derselben wie bei Arrian. anab. V 6, 7 genannten Flüsse findet.
§ 2. Aufenthalt in Indien und Lebenszeit
Nur innerhalb von Jahrzehnten läßt sich die Zeit von M.s Aufenthalt in Indien, seine genauere Lebenszeit nur annähernd bestimmen. Von den antiken Autoren ist die Angabe überliefert, daß er bei dem Satrapen von Arachosien (und Gedrosien), Sibyrtios, geweilt habe (die betreffenden Stellen sind ausgeschrieben bei Clinton Fasti Hellenici III 482. Müller FHG II 398): Arrian. anab. V 6, 2; daß er öfters mit dem Könige Sandrakottos am Hofe zusammengetroffen sei, bezw. zu ihm als Gesandter geschickt wurde (Arrian. a. a. O. Ind. V 3. Strab. II 1, 9. XV 1, 36). Aus Plin. n. h. VI 58 ist deutlich zu entnehmen, daß Dionysios von Ptolemaios Philadelphos gesandt wurde, M. aber ein Zeitgenosse des Seleukos Nikator war, was durch Clemens Alex. strom. I XV 72, 5 ausdrücklich festgestellt wird. Es wäre wichtig zu wissen, wie lange M. am Hofe Candraguptas, des ersten Mauryaherrschers, geweilt hat; der äußerste Terminus ad quem wäre das Todesjahr des Seleukos, 280 v. Chr.; aber Seleukos delegierte noch an Candraguptas Nachfolger, Bindusāra, als Gesandten den Daimachos (Strab. II 1, 9); der freundschaftliche Verkehr, der zwischen Candragupta und Seleukos bestanden hatte (Phylarchos FGrHist 81 F 35 b; vgl. auch Apollon. in Rerum naturalium script. ed. Keller I S. 48 XVIII) fand auch unter beider Nachfolger, Bindusāra Amitraghāta, bezw. Antiochos (Hegesandros FHG IV 421) seine Fortsetzung. Es ist anzunehmen, daß M. beim Ableben oder nach der keineswegs einwandfreien einheimischen Tradition bei der Abdankung (s. Smith The Early History of India, 4th ed. 154; vgl. Fleet Indian Antiquary XXI 1892, 156ff.) Candraguptas noch einige Zeit in Indien verblieb, bis er durch Daimachos abgelöst wurde; damit erhält man als näheren Terminus ad quem den Zeitpunkt des Regierungsantrittes des Bindusāra. Dieser Zeitpunkt ist aber nur annähernd zu bestimmen durch Annahme der indischen Tradition, Candragupta habe 24 Jahre regiert; die Thronbesteigung dieses Herrschers wird man heruntersetzen müssen, etwa gegen 316 (entgegen der allgemeinen Ansicht, daß die Thronbesteigung Candraguptas 321 anzusetzen sei, so: The Cambridge History of India [232] I 471, 698. Smith The Early History of India4, Oxford 1924, 45 hält das J. 322 für wahrscheinlich. Hultzsch Corpus Inscr. Ind. I, Oxford 1925, XXXVIII nimmt das J. 320 als Arbeitshypothese an; man wird aber zwischen dem Datum der Erringung der Herrschaft und der tatsächlichen Thronbesteigung, ähnlich wie bei seinem Enkel Ašoka, unterscheiden und die bis 317 v. Chr. im Westen andauernde makedonisch-griechische Provinzialherrschaft berücksichtigen müssen, s. Stein Archiv Orientální I, Prague 1929, 354ff.), so daß M. gegen 292 Indien verlassen haben dürfte. Seine Ankunft in Indien mußte nach Abschluß des Friedensvertrages zwischen Seleukos und Candragupta erfolgt sein; dieser Vertrag fällt in das J. 304 oder 303 (Beloch Griech. Gesch.2 IV 1, 142 A. 2; u. Bd. II A S. 1216). Somit erhält man für M.s Aufenthalt in Indien, der frühestens 303 begonnen haben wird, den Zeitraum 303–292. Wohin sich M. nachher wandte, ist nicht zu entscheiden; man darf vielleicht auch vermuten, daß die Ablösung durch Daimachos nicht nur durch den Regierungswechsel, sondern auch durch die für den Europäer erschöpfenden klimatischen Verhältnisse hervorgerufen wurde. Auch über das spätere Schicksal des Sibyrtios ist nichts bekannt; wenn man mit den antiken Autoren und den modernen Historikern (Beloch III 2, 287. Smith 158ff. Krom Herm. XLIV 154ff; s. u. Bd. II A S. 1216, 53ff.) annehmen darf, daß sich unter den von Seleukos an Candragupta abgetretenen Landesteilen westlich vom Indos auch ein Teil Arachosiens befand, so ist damit die Verkleinerung dieser Provinz erfolgt und die Entsendung des sich beim Satrapen derselben aufhaltenden M. erst recht verständlich. Niese Gesch. d. griech. u. maked. Staaten I 391 A. 2 behauptet auf Grund von Appian. Syr. 62, daß Sibyrtios unter Seleukos Satrap von Arachosien blieb; Beloch gibt III 2, 287, wiewohl er 295 vom ,früheren Umfange‘ von Arachosien und Gedrosien unter Seleukos spricht, die teilweise Abtretung von Arachosien zu. Es geht aber nicht an, mit Beloch VI, 141 A. 1 aus Arrian. anab. V 6, 2 auf Beziehungen des Sibyrtios zu Candragupta zu schließen; war doch Sibyrtios’ Satrapie eine Art Grenzmark, an der sich die Anzeichen des später ausbrechenden Konfliktes bemerkbar gemacht haben werden; abgesehen davon beziehen sich jene Worte Arrians sicherlich schon auf das wiederholte Erscheinen des M. am Hofe des Candragupta. (Vgl. über diese Dinge auch Jouguet L’impérialisme Macédonien et l’Hellénisation de l’Orient, Paris 1926, 409f.) Sibyrtios kann nicht vor 324 die Satrapien Arachosien und Gedrosien betreten haben (über ihn u. Bd. II A S. 2183f.; vgl. ebd. S. 146 § 118 a–e; zuletzt Berve Das Alexanderreich II 353 nr. 703), die er nach Eumenes’ Tod (Plutarch. Eum. XIX 2. Polyain. IV 6, 15. Diod. XIX 48, 3) unter Antigones weiter behielt, ebenso unter Seleukos. M. muß aber, als er im J. 303 als Gesandter nach Indien ging, die Erfahrungen eines Mannes besessen haben; bedenkt man ferner, daß er bei Sibyrtios geweilt und dort seine diplomatischen Kenntnisse sich erworben haben, also ein reiferer Mann gewesen sein muß, um von Seleukos auf einen immerhin so verantwortungsvollen Posten gestellt werden [233] zu können, so muß er mindestens gegen 330 v. Chr. geboren sein, wahrscheinlicher wird man als seine Lebenszeit die Mitte des 4. Jhdts. bis in die Neunzigerjahre des 3. Jhdts. ansetzen dürfen, also 350–290, so daß er mit Recht als ein Zeitgenosse des Seleukos (358–280) bezeichnet werden konnte (Clem. Alex. a. O.).
§ 3. Verkehr mit Candragupta
Über seine Tätigkeit bei Sibyrtios ist nichts bekannt; vermuten darf man, daß M. irgendwelche Spezialkenntnisse, denen er seine Stellung verdankte, besaß (wie Hieronymos von Kardia bei Eumenes, Patrokles, Daimachos und Dionysios); vielleicht nennt ihn Clem. Alex. (und sein Ausschreiber Eusebios praep. ev. IX 6) mit Vorbedacht einen συγγραφεύς. Viel gestritten hat man über die Deutung der Worte Arrian. anab. V 6, 2, ob damit eine mehrmalige Entsendung des M. nach Indien oder ein wiederholtes Erscheinen am Hofe des indischen Königs gemeint sei (zuletzt spricht sich gegen Schw. 23 und Lassen II 219 A. 1, die sich für die Erklärung im zweiten Sinne entschieden, Thomas The Cambridge History of India I 472 n. 2 aus, s. u. Bd. II A S. 1217, 23ff.); in Wirklichkeit läßt sich aus dieser Stelle nur ihr wörtlicher Inhalt herauslesen. Zusammengehalten mit anderen Stellen darf man sagen, daß M. einmal als Gesandter nach Pāṭaliputra zu Candragupta geschickt wurde (Strab. II 1, 9: ἐπέμφθησαν μὲν γὰρ εἰς τὰ Παλίμβοθρα, ὁ μὲν Μεγασθένης πρὸς Σανδρόκοττον ... κατὰ πρεσβείαν) wie nachher Daimachos; parallel damit heißt es bei Strab. XV 1, 36: τὸν Σανδρόκοττον, πρὸς ὃν ἧκεν ὁ Μεγασθένης πεμφθείς; nach Arrian. Ind. V 3 sagt M., er sei mit Sandrokottos zusammengetroffen, was den Stolz des Griechen, mit dem größten Herrscher Indiens persönlich verkehrt zu haben, durchblicken läßt; deutlicher wird aus frg. 27 (Strab. XV 1, 53), daß M., dessen Aufenthalt in Pāṭaliputra so oft erwähnt ist, welche Stadt er recht genau geschildert hat, auch ins Heerlager des Candragupta gekommen ist. Daraus folgt, daß der griechische Gesandte sich dauernd in Pāṭaliputra aufgehalten, seine freie Zeit zu Beobachtungen, Erkundigungen und kleineren Reisen verwendet haben wird, wie seine Nachrichten erkennen lassen. Wenn ihn diese Reisen auch nicht weit über die heutige Provinz Bengalen hinausgeführt haben werden, östlich vom Ganges schon gar nicht, während er die westlich gelegenen Gebiete bei der Durchreise wenigstens oberflächlich kennengelernt hatte, so muß er doch an diesem großen Strom und über ihn genauere Erkundigungen eingezogen haben (bei Strab. XV 1, 35 und Arrian. Ind. IV 7 werden übereinstimmend 100 Stadien als Breitenmaß angegeben, über Diod. II 37, 2 s. später); Arrian bemerkt auch schon (Ind. V 3. VII 1), daß M. trotz seiner scheinbar so genauen Angaben über Flüsse und Völker Indiens vom Lande nicht viel außerhalb des Gebietes zwischen Indos und Ganges gesehen habe. Die Beobachtung des M. bei Plin. n. h. VI 69, daß der große Bär auch an anderen Orten Indiens nur während 15 Tagen gesehen werde, muß nicht notwendigerweise auf eigene Kenntnis zurückgehen (vgl. Onesikritos frg. 24 a = FGrHist 134 F 10; M. und Daimachos bei Strab. II 1, 19; u. S. 251); Ind. XV 7 verübelt Arrian dem M. die Ameisengeschichte, weil er nur vom Hörensagen berichte. [234]
§ 4. Verkehr mit Poros
Ganz dunkel ist, welcher Herrscher mit dem Poros bei Arrian. Ind. V 3 gemeint ist und in welchen Beziehungen M. zu ihm stand. Die Lesung: σὐγγενέσθαι γὰρ Σανδρακόττῳ λέγει, τῷ μεγίστῳ βασιλέι τῶν Ἰνδῶν, καὶ Πώρῳ, ἔτι τούτου μέζονι hat Eberhard in Herchers Arrian (p. 6, 10) ohne kritische Bemerkung beibehalten; doch gilt noch heute Schw.s logischer Einwand, wie denn Sandrakottos als mächtigster König der Inder bezeichnet werden kann, wenn, sieben Worte weiter, Poros ihm noch überlegen gewesen sein soll. Daher ändert Schw. (praef. 22) unter dem Beifall Müllers (FHG II 398f.; so lesen auch die neuesten Ausgaben der Indike Arrians von P. Chantraine, Paris 1927, und A. G. Roos, Leipzig 1928): καὶ Πώρου ἔτι τούτῳ μέζονι (bezw. μείζονι). So sehr diese Konjektur die Sache heilen würde, so gezwungen klingt der Zusatz, dazu als solcher von einem, der die Alexandergeschichte nicht vergessen konnte. Bei Strab. XV 1, 30 wird der Neffe des Gegners Alexanders d. Gr. König der Gandaris genannt, Strab. XV 1, 73 wird ein Brief eines Poros an Augustus angeführt; dieser Poros herrscht über 600 Könige. Ohne mit Sicherheit eine Quelle für die erstgenannte Stelle bei Arrian nachweisen zu können, wird man aus diesen Angaben über einen Poros und seine Beziehungen zu den Gandariden schließen dürfen, daß Arrians Abschreiber die Größe des Reiches des Sandrakottos herausstreichen wollten, da ihnen noch der Poros der Alexanderzeit im Kopfe lag; dem Arrian selbst wird man einen solchen Unsinn nicht zuschreiben dürfen, das ganze ist wohl eine Glosse, die am beeten zu tilgen wäre. Eine andere, aber mit dem handschriftlichen Material nicht zu entscheidende Möglichkeit wäre, daß sich hinter dem Poros der Nachfolger des Candragupta verbirgt; ein oberflächlicher Leser von Plin. n. h. VI 58, wie Solin. LII 3 beweist, konnte annehmen, daß M. bei mehreren indischen Königen geweilt habe; auch bei Strabon hat Poros, das nur einen Geschlechts- und keinen Individualnamen darstellt, eine blasse Bedeutung wie das hebräische Pharao (s. Yahuda Die Sprache des Pentateuch I 1929, 44ff.), so Strab. XV 1, 4, wo man statt κατ' ἄλλους Πώρου (Meineke) καί (oder ἢ) ἄλλου Πώρου (Groskurd’s Strabon-Übersetzung 3, 109 A. 3) liest.
II. Das Werk
§ 5. Umfang
Das Werk des M. gehört einem Zeitalter an, in dem durch die epochemachenden Feldzüge Alexanders d. Gr. Massen von Leuten der ungebildeten Stände in jene Länder gelangten, die bisher selbst den Gebildeten nur literarisch und unzureichend bekannt waren. Die Literatur der Zeit unmittelbar nach Alexander fand eine aufnahmsfähige Leserschichte; wie noch heute bei jedem hervorragenden Ereignis Bücher über dieses hervorschießen, besonders die direkt daran Beteiligten sich gern in den Vordergrund zu stellen suchen, so muß damals die griechische Welt das Erscheinen eines Werkes über Indien als eine Offenbarung betrachtet haben; um so leichter konnte es geschehen, daß gewissenlose Literaten alles sich vorzusetzen erlauben konnten, als die Überprüfung ihrer Angaben nur den Teilnehmern an diesen Feldzügen möglich war, ein wegen der Bildungsstufe dieser Männer nicht wohl tragisch zu [235] nehmender Umstand. Man kann sich nun leicht vorstellen, welches Aufsehen ein Werk hervorrufen mußte, das Indien nicht nur an seinen westlichen Grenzen beschrieb, dessen Autor vielmehr bis an den ,östlichen Ozean‘ vorgedrungen, mit einem König, der weit mächtiger war als alle dem Alexander nur allzuleicht erliegenden indischen Duodezfürsten, öfters zusammentraf und unter Indern lange Zeit in friedlicher und ständiger Berührung lebte. Dieses sensationelle Werk waren die Ἰνδικά.
Τὰ Ἰνδικά, so hieß das Werk des M., wie Antigones von Karystos frg. 132 nach Kallimachos frg. 100f., 6 ( Schneider II 333) angibt (= M. frg. 19 = 17); den gleichen Titel legen ihm Flavius Josephus, arch. X 227 (= M. frg. 48 B = 22); contra Apionem I 144 (= M. frg. 48 = 22 n.); Athen. IV 153 d (= M. frg. 28) und die armenische Übersetzung der Eusebios-Chronik (hrsg. von J. Karst 1911) 23, 21 bei; keiner der hauptsächlichsten Benützer, weder Arrian, noch Strabon, Plinius oder Diodor, beziehen sich auf das Werk, sondern zitieren, wie es ihrem gelegentlichen Zwecke entspricht, nur den Namen ihres Gewährsmannes. Die Indika waren, soweit die Anführungen bei den Autoren auf das ursprüngliche Werk einen Rückschluß erlauben, in vier Bücher eingeteilt. (Das 2. Buch erwähnt bei Athen. a. O.; 3. Buch bei Clemens Alex. strom. I XV 72, 5 [= M. frg. 42 = 41]; danach Euseb. praep. ev. IX 6 [= M. frg. 42 B = 41 n.]; das bei Kyrillos, contra Iulian. IV p. 134 mit unwesentlicher Abweichung übernommene Zitat [= frg. 42 C], das Müller 437 irrtümlich dem Onesikritos zuschreibt, wird als von dem Peripatetiker Aristobul stammend angeführt, dem aber erst der folgende Passus angehört; 4. Buch: Flavius Josephus [= frg. 48 und 48 B]; danach Georg. Synk.) Müller hat (FHG II 399) die Existenz eines vierten Buches geleugnet, da Arrian und Diodor die in dem angeblichen 4. Buch behandelte Geschichte Indiens in Anlehnung an M. vor der Einteilung des Volkes exzerpiert haben; doch hat schon Susemihl Gesch. der Alex. Lit. I 548f. A. 131, mit Recht dagegen Einspruch erhoben, wenn Müller auf Grund dieser Ansicht das ausdrücklich zweimal belegte τετάρτῃ (an den beiden Stellen bei Flavius Josephus) zu δευτέρᾳ ändern will, nach dem Vorbild der Stelle bei Georg. Synk. (I 419 Dind.) 221 D (= M. frg. 48 D = 22 n.), wo δ' als δευτέρᾳ zu lesen wäre. Nicht nur aus allgemeinen Gründen kann δ' nicht gut für ,zwei‘ geschrieben werden, sondern einige Seiten weiter finden sich bei Georg. Synk. Beweise, daß δ' für τετάρτῃ steht; so p. 222 C (I 420, 18 Dind.): ἐν τῇ δ’ τῶν βασιλειῶν, wobei das Vorstehende dem 4. Buche der Könige, 24, 11ff., entnommen ist, wie das 2. Buch der Könige unter Einrechnung der beiden Bücher Samuelis genannt wird, zum Überfluß ist p. 224 A (I 423, 14 Dind.) Τὰ τῆς τέταρτης τῶν βασιλειῶν ausgeschrieben (= Buch der Könige II 25, 1–16), abgeschlossen mit: ἐν τῇ δ' τῶν βασιλειῶν (I 425, 14), während I 419, 15 ἐν τῷ δευτέρῳ τῶν Παραλειπομένων auf Chronika II 36, 6 geht. Abgesehen von diesen Argumenten läßt sich aus Arrians und Diodors Anordnung nicht ohne weiteres auf den Aufbau der Indika des M. zurückschließen. [236]
§ 6. Sprache
Die oben angeführten Versuche, aus den geographischen Vergleichen die Heimat des M. zu erweisen, hatten zur Folge, daß man dem angeblich aus Kleinasien stammenden Autor auch die Abfassung seines Werkes in ionischer Sprache zuschrieb (die älteren Forscher bei Schw. praef. 25 n. 17; zuletzt Reuß a. O.; vgl. Bursians Jahresber. CXLII 63f.); doch ist schon von Schw. 25f. und Müller S. 399 sowie zu frg. 22 bemerkt worden, daß Abydenos selbst die bei Eusebios wiedergegebene Stelle ionisch geschrieben habe. Natürlich ist es unmöglich, den Wortlaut des Berichtes des M. zu rekonstruieren; trotzdem läßt es sich wahrscheinlich machen, daß M. über Herakles und Nebukadnezar in anderem Zusammenhang gesprochen hat, als es die angeblichen Zitate bei Flavius Josephus, Eusebios und Georg. Synkellos vermuten lassen. Denn bei Diod. II 39, 2 heißt es, ziemlich anklingend an die Worte bei Flavius Josephus: (τῇ) ἀνδρείᾳ καὶ (τῷ) μεγέθει (τῶν) πράξεων διενηνοχέναι, bezw. ὑπερβεβηκότα, zwar: τῇ δὲ τοῦ σώματος ῥώμῃ καὶ ἀλκῇ πολλῷ τῶν ἄλλων ἀνθρώπων διενεγκεῖν; aber abgesehen davon, daß M. hier die Macht des Herakles hervorhebt, kam es ihm hauptsächlich auf den Nachweis an, daß nur Dionysos, Herakles und Alexander nach Indien vorgedrungen seien, und nicht einmal der Assyrerkönig; und dies berichtete er, wie aus Strab. XV 1, 6 hervorgeht, im Zusammenhang mit der ἀρχαιολογία, der alten Geschichte Indiens, vgl. frg. 47, 2ff. = 21 bei Arrian Ind. V 5ff. Auf Abydenos ist also kein Verlaß und eine daraus fließende Deduktion der ionischen Schreibweise des M. illusorisch. Hingegen sind die bei Clem. Alex. a. O. (= frg. 42 = 41) stehenden Worte deutlich als Zitat aus M. gekennzeichnet, wofür auch der Hinweis auf die bei den Syrern als Philosophen geltenden Ἰουδαῖοι spricht, was M. bei seiner Stellung unter dem syrischen König recht gut wissen konnte, ein positives Argument für den Gebrauch des Attischen in seinem Werke; über die Stelle bei Kyrillos s. o. S. 235.
§ 7. Beziehungen zur Indienliteratur
Das hervorgehobene Interesse, das man dem Buche des M. entgegengebracht haben wird, wird sich zunächst jenen Punkten seines Berichtes zugewendet haben, wo er über die aus den früheren Berichten bekannten wunderbaren Eigenheiten des Landes gehandelt hatte. Über die geographischen und ethnographischen Verhältnisse, so weit sie sich auf Gebiete Indiens beziehen, die vor ihm kein Grieche betreten hatte, hat er gewiß auf Grund eigener Kenntnis geschrieben; auf der anderen Seite konnte er es sich nicht versagen, auch jene Themen vorzubringen, die vor ihm das Interesse der Leser und den Widerspruch der Gelehrten hervorgerufen hatten. In dieser Beziehung war M. weniger originell, und hier lassen sich auch am leichtesten etwaige literarische Anknüpfungspunkte aufzeigen.
a) Thaumasia
Von Strabon wird (II 1, 9) gegen M. der Vorwurf eines lügenhaften Berichterstatters erhoben (ψευδολόγος), der den zweiten Platz nach Daimachos einnehme, da beide über die ἐνωτοκοῖται, ἄστομοι, ἄρρινες, μονόφθαλμοι, μακροσκελεῖς, ὀπισθοδάκτυλοι, Schnellfüßler, über den homerischen Kampf der drei Spannen großen Pygmäen mit den Kranichen, die goldgrabenden Ameisen, über keilköpfige Pane, Rinder und Hirsche samt [237] ihren Hörnern verschlingende Schlangen Nachrichten gebracht haben. Strabon wirft hier M. mit Onesikritos, Nearchos und anderen, unter denen vielleicht auch Ktesias gemeint ist, in einen Topf, ohne zu unterscheiden, was von M. stammt und wie er es vorgebracht hat, obgleich Strabon selbst später den Bericht des M. (XV 1, 57) zitiert. Deutlich zeigt die Schilderung des M. (frg. 39, vgl. 40, 40 B = 39 bei Strab. XV 1, 44) die Beziehungen dieses Autors zu seinen literarischen Vorgängern; zwar ist der Wortlaut nicht ganz sicher, aber aus Stab. a. O. und Arrian Ind. XV 5f. läßt sich das Gerüst des Berichtes erkennen. Und da ist es von großer Bedeutung, auf einige Übereinstimmungen zwischen M. und Herodot hinzuweisen, während Ktesias nichts über die Ameisen gebracht hatte.
Herodot. III 102: | M. bei Strab. XV 1. 44: | |
κατὰ γὰρ τοῦτό ἐστι ἐρημίη διὰ τὴν ψάμμον | ὀροπέδιον εἴη τρισχιλίων πως τὸν κύκλον σταδίων | |
μύρμηκες μεγάθεα ἔχοντες κυνῶν μὲν ἐλάσσονα, ἀλωπέκων δὲ μέζονα | θηρία ἀλωπέκων οὐκ ἐλάττω; Arrian. Ind. XV 6: εἶναι γὰρ ἀλωπέκων μέζονας | |
(104: ὑπὸ γὰρ τοῦ καύματος οἱ μύρμηκες ἀφανέες γίνονται ὑπὸ γῆν.) | (ὀρύττει δὲ [sc. θηρία) χειμώνι τὴν γῆν.) | |
105: εἶναι δὲ ταχυτῆτα οὐδενὶ ἑτέρῳ ὅμοιον, | τάχος ὐπερφυὲς ἔχοντα, | |
οὕτω ὥστε, εἰ μὴ προλαμβάνειν τοὺς Ἰνδοὺς τῆς ὁδοῦ ἐν ᾧ τοὺς μύρμηκας συλλέγεσθαι, οὐδένα ἄν σφεων ἀποσώζεσθαι | καταλαβόντες δὲ διαχρῶνται καὶ αὐτοὺς καὶ τὰ ὑποζύγια | |
αὐτίκα γὰρ οἱ μύρμηκες ὀδμῇ ... μαθόντες διώκουσι. | φανερῶς γὰρ διαμάχονται καὶ διώκουσι φεύγοντας. |
Beide Berichte ergänzen einander; der Geruch, an dem auf Grund der persischen Angaben bei Herodot. III 105 die Ameisen ihre Feinde erkennen, entspricht bei M. den ausgelegten Fleischstücken, durch welche die Ameisen irregeführt werden sollen. Nur bezüglich der geographischen Lage gehen die beiden Autoren scheinbar auseinander: Herodot verlegt die Ameisen in das nordwestliche, an Baktrien angrenzende Indien, M. lokalisiert sie bei den Derden, einem großen Volke τῶν προσεῴων καὶ ὀρεινῶν Ἰνδῶν, vgl. Plin. n. h. VI 67: fertilissimi sunt auri Dardae; III 91 nennt Herodot die Δαδίκαι; Nearchos gesteht bei Strab. XV 1, 44 und Arrian. Ind. XV 4 (frg. 12 = FGrHist 133 F 8 a, b), die Ameisen selbst nicht, aber ihre Felle im makedonischen Lager gesehen zu haben (die anderen Autorenstellen s. bei Schw. praef. 72 n. 67, wo Arrian. anab. V 4, 3 zu lesen ist wie bei Mc Crindle, Ancient India as described in Classical Literature, Westminster 1901, 51 n. 1). Sicher ist, daß sowohl Herodot als M. dasselbe Volk und dieselbe Gegend im Sinne haben, nur hat M., wiewohl er sogar den Volksnamen anführt, die Landschaft nicht ganz richtig bestimmt, daher hat auch Arrian. gerade mit Rücksicht auf Nearchos’ wahrheitsliebende Feststellung, nicht ganz unrecht, wenn er das M.-Zitat mit den Worten abschließt: ἀλλὰ Μεγασθένης τε ἀκοὴν ἀπηγέεται. Schon Aly Volksmärchen, Sage und Novelle bei Herodot, Tübingen 1921, 108 hat gesehen, daß M. den Herodot als bekannt voraussetzt, daneben eine zweite Quelle benützt, daß aber Herodot das die Ablenkung der Ameisen betreffende Detail vergessen hat; richtig ist das nach dem Obigen nicht; wichtiger jedoch ist, daß beide Autoren auf eine einheimische Überlieferung, die dem einen mittelbar, dem [238] anderen unmittelbar zugänglich wurde, zurückgehen, was die Unabhängigkeit des M. von Nearchos beweist. (Über das Sachliche ist hier nicht zu handeln; die älteren Ansichten s. bei Reese Die griech. Nachrichten über Indien 69f. A. 4; aber jetzt ist zu verweisen auf Laufer T’oung-Pao, Ser. II, vol. 9, 1908, 429ff.; danach Berl. Philol. Wochenschr. 33, 1913, 285f. Francke Asia. Maior I, 1924, 67ff. Conrady Die chinesischen Handschriften- und sonstigen Kleinfunde Sven Hedins in Lou-Lan, Stockholm 1920, 153ff., dazu Herrmann Oriental. Literaturz. XXVIII, 1925, 184. Zu den Darden, mit denen, doch nicht mit Sicherheit, von vielen die Dadikai des Herodot identifiziert werden, s. Linguistic Survey of India VIII, Part 2, 1919.) Damit ist die Berührung, die zwischen M. und Herodot zu bestehen scheint, nicht erschöpft; denn bei Strab. XV 1, 56 spricht M. von der öffentlichen Begattung der Bewohner des Kaukasos und von dem Aufessen ihrer Verwandten, wobei es nicht klar ist, ob es sich um Nekrophagie handelt oder um ein Schlachten und Verzehren der alten Individuen. Von den Kalatiern hatte nämlich schon Herodot. III 38 berichtet, sie essen ihre Eltern; ausführlicher beschäftigt er sich mit den Padaiern III 99, bei denen die Männer und Frauen je ihre kranken Geschlechtsgenossen töten und verzehren. Öffentliches Geschlechtsleben und Nekrophagie wird bei Strab. IV 5, 4 auch den Bewohnern der Insel Ierne (Irland) zugeschrieben; ebenso führen die Massageten ein freies Geschlechtsleben, essen bloß die alten, gesund verstorbenen Leute, während die an einer Krankheit Gestorbenen den Tieren vorgeworfen werden, was auch Herodot. I 216 wußte. Die Verbindung Herodot-M.-Strabon wird noch deutlicher durch Herodots Bericht über die Sitte der Trausen V 4, das neugeborene Kind als unglücklich zu bejammern, weil es alle möglichen Leiden erwarten, den Toten glücklich zu preisen, der nun von allem Übel erlöst ganz in Seligkeit lebe; damit stimmt Strab. XI 11, 8 über diesen Brauch bei barbarischen Völkern um den Kaukasos und das andere Gebirgsland überein, der dazu die vielzitierte Stelle Euripides, Kresphontes (452 ed. Nauck vol. III) anführt (vgl. dazu auch die angebliche Ansicht der indischen Philosophen, u. S. 260f.), gleich darauf aber den Brauch der Derbiker erzählt, die 70 Jahre alten Männer zu schlachten und aufzuessen, die Frauen aufzuhängen und zu begraben; letzteres geschieht auch mit den unter 70 Jahren, d. h. also an einer Krankheit Gestorbenen, wie bei den Massageten. Interessant ist nun, bei Herodot. I 203 von der [239] öffentlichen Begattung der Völker am Kaukasos zu lesen; natürlich ist der Kaukasos bei Herodot und Strabon nicht mit dem Kaukasos bei M. identisch oder muß es wenigstens nicht sein, aber trotzdem läßt sich die Annahme nicht von der Hand weisen, daß M. wie Herodot, ausführlicher als beide, Strabon, eine verbreitete Sittenschilderung der barbarischen Völker gekannt haben müssen (vgl. A. Schroeder De ethnographiae antiquae locis quibusdam communibus observationes, Dissertation Halle 1921, 25ff.). Zweimal, II 1, 9 und XV 1, 57, wird von Strabon dem M. die Aussage über die ἐνωτοκοῖται zugeschrieben; der Verdacht, daß es sich hier um eine Herübemahme aus der griechischen Indienliteratur vor M. handelt, ist naheliegend, aber doch nicht gerechtfertigt. Denn Skylax hat von einem Volke der ὠτόλικνοι gesprochen, was eine wörtliche Übersetzung der Šūrpakarṇa ist (Stein Ἐπιτύμβιον, Swoboda dargebracht, Reichenberg 1927, 314ff.); während bei Ktesias (Reese S. 14, XVII Ende) der Name nicht überliefert ist, bringt M. zum ersten Male den Ausdruck ἐνωτοκοῖται, vgl. Tzetz. VII 638; Duris bei Plin. VII 30. FHG II 19 a = FGrHist 76 F 48. Der Schluß kann wiederum nur sein, da die genau entsprechende indische Bezeichnung Karṇapravāraṇa nachweisbar ist, daß sich M. auf indische Erzählungen stützt und sie selbständig reproduziert; damit gewinnt Strabons Bemerkung XV 1, 57, die sich mit der Arrians am Ende der Ameisengeschichte gut vereinigen läßt, an Bedeutung: περὶ δὲ τῶν ἄλλων διηγεῖσθαι τοὺς φιλοσόφους, sie bestätigt die Vermutung von M.s indischen Informationen, über die noch des näheren zu handeln sein wird. Echtes Gut des M. sind die ἄστομοι, die sich bei keinem Autor vor ihm finden und über die er, nach dem Exzerpt des Strabon XV 1, 57; Plin. VII 25, ausführlich geschrieben haben muß, die literarische Nachwirkung reicht weit; M. hat, nach einer überaus wahrscheinlichen Konjektur Adlers (Diss. phil. Vindob. X 113f.; Wien. Stud. XLII 163f.) auch die hungerstillende, ἄλιμον genannte indische Pflanze erwähnt und im Widerspruch mit sich selbst mit der Aussage kombiniert, daß sich die Mundlosen nur von Gerüchen nähren. Hier hat sich M. vielleicht verleiten lassen, ein ihm bekanntes Motiv, das er der griechischen Literatur entlehnte (s. Rohde Der griech. Roman3 189f. A. 1. 206 A. 4. 275 A.) einzuführen, da schon Hesiod die Pflanze kannte, andererseits bezeichnet sie M. als Ἰνδικὴ ῥίζα, also wohl ein Auftakt zu seiner noch öfters festzustellenden idealisierenden Darstellung. Daß sich in Indien keine Parallele zu den Mundlosen, die nur von Gerüchen leben, nachweisen läßt (Lassen Ind. Alt.2 II 698 A. 2) ist, da schon Rohde auf die Geschichte zu Beginn der Baitāl Pachīsī (übers. von Oesterley 16) hingewiesen hat, nicht richtig, s. später; wichtiger ist die genaue Lokalisierung bei M. und seine Behauptung, daß die Leute ins Lager gebracht wurden, wo es ihnen infolge der üblen Gerüche schlecht ging. Es ist allerdings möglich, daß M. auch dies nur von den gleich darauf als Quelle zitierten Philosophen gehört hatte; aber da er (frg. 29, 4 = 30) sagt, daß die Wilden nicht zu Sandrokottos gebracht wurden, und da die indirekte Darstellung [240] bei Strab. XV 1, 57 für ein Exzerpt spricht, beziehen sich die Worte über die Mundlosen auf M.s Autopsie, zumal er es ausdrücklich feststellt: ἀστόμους δέ τινας ἀχθῆναι. Auch die ἄρρινες sind II 1, 9; XV 1, 57 ἀμύκτηρας, ἀναπνοὰς ἔχοντας μόνον δύο ὑπὲρ τοῦ στόματος genannt; wobei diese Leute zu den Dreispannenlangen gehören; später, auf Grund der Berichte der Philosophen, heißt es: τοὺς δὲ ἀμύκτηρας εἶναι παμφάγους ὠμοφάγοῦς ὀλιγοχρονίους πρὸ γήρως θνήσκοντας. Geht schon daraus sowie aus den nachher zu liefernden indischen Nachweisen hervor, daß M. indische Informationen wiedergegeben hat, so muß, unter Berücksichtigung der sprachlichen Schwierigkeiten und der der freien Phantasie seiner Gewährsleute überlassenen Abweichung von den erhaltenen Völkerschilderungen im Epos und in der ps.-geographischen Literatur Indiens auf der einen, des mehr oder weniger guten Willens zur Wahrheit seiner Benutzer auf der anderen Seite, die Treue des M. geradezu bewundert werden. Das läßt sich noch weiter erhärten: die Nasenlosen sollen alles essen, Rohes essen und nur ein kurzes Leben haben; Rāmāyaṇa IV 40, 28 sind die rohe Fische essenden Kirāta erwähnt, die an die Ichthyophagen erinnern, hier aber ausdrücklich unter diesem Volksnamen figurieren. (Rohes Fleisch fressende Dāmonen kennt das Zauberlied Atharvaveda VIII 6, 23.) Hervorzuheben ist, daß in Plinius’ Beschreibung des westlichen Äthiopien VI 195 die Bewohner von Nigroe eingeteilt werden in: Agriophagi, Pamphagi, Anthropophagi u. a.: pars quaedam Aethiopum locustis tantum vivit fumo et sale duratis in annua alimenta; hi quadragesimum vitae annum non excedunt, was Strabon, nur mit anderen Worten, von den ἀμύκτηρες sagt. Auch andere Parallelen ließen sich aufzeigen, wie die Σιμοί, Plattnasen, bei Agatharchides (GGM I 147 bei Phot. ed. Bekk. p. 453; danach Strab. XVI 4, 11. Diodor. III 28; vgl. auch Plin. VI 187f.: gentes esse sine naribus, aequali totius oris planitie ... pars etiam ore concreto et naribus carens uno tantum foramine spirat); keinesfalls kommt aber für M. die Entlehnung aus diesen Beschreibungen Äthiopiens in Betracht, wiewohl umgekehrt Agatharchides und Artemidoros manche Züge mit M. gemein haben, die sich, abgesehen von den etwa für sie geltenden anthropologischen Tatsachen, auf die bewußte oder unbewußte Verwechslung Äthiopiens und Indiens, die einander benachbart sind (so Strab. II 1, 14; vgl. auch Ἐπιτύμβιον 313 A. 4), zurückführen lassen, teils aber auch der Ansicht von dem unglücklichen Leben kulturloser Völker zuzuschreiben sein werden (vgl. Herodot. III 22, dazu Trüdinger Stud. z. Gesch. d. griech.-röm. Ethnographie, Diss. Basel 1918, 136f.). Auch bei den Einaugen, so alt dieses Motiv der Völkerschilderung sein mag (vgl. Ἐπιτύμβιον 316f.) bringt M. neue Züge: das Hundsohr, emporstehendes Haar und zottige Brust. Zwar sind hier Eigenschaften angeführt, die dem Inventar der Völkerschilderung angehören; während die Äthiopen krauses Haar haben (Strab. II 2, 3. XV 1, 13. Arrian. Ind. VI 8f.; die Polemik gegen Onesikritos frg. 17 = FGrHist 134 F 22 bei Strab. XV 1, 24, dazu Trüdinger 72), wird den Indern aufrechtes Haar zugeschrieben; [241] im Indischen lassen sich die Einäugigen, auch die ūrdhvakeŝa (Harivaṃša 9540), d. i. Leute mit aufrechtem Haar, wenn auch nur als Dämonen, belegen, was gegen M. nicht als Einwand verwendet werden kann. Die Langbeinigen mögen nur eine neue Variante der abweichenden somatischen Eigenschaften der Völker Asiens und Indiens und deren anderen Erzeugnissen sein; abgesehen von entsprechenden Vorstellungen in der indischen Literatur ist zu betonen, daß dieser Menschenschlag im ausführlicheren Bericht des Strab. XV 1, 57 fehlt und daher wohl dem Daimachos angehört. Anders steht es mit den ὀπισθοδάκτυλοι; M. berichtete, wie Plin. VII 22 (= frg. 30 = 31, vgl. 30 B = 32) angibt, daß auf dem Imausgebirge (so ist für Nulo, das auch Solin. LII 26 hat, zu lesen, wie Marquart Die Benin-Sammlung des Reichsmuseums für Völkerkunde in Leiden, Leiden 1913, CCX A. 3 berichtigt) Leute mit je acht Zehen an den nach hinten gekehrten Fußsohlen lebten; von acht Fingern und Zehen spricht Ktesias (bei Reese 14, XVII 2) bei einem Volke, das dem König der Inder 5000 Bogenschützen und Speerwerfer stellt. Von Baiton liegt (bei Plin. VII 11) das frg. 3 = FGrHist 119 F 5 vor, wo Leute mit aversis ... plantis genau, wenn auch verderbt, lokalisiert werden; Baiton hat also nicht den Ktesias erweitert, wie Marquart glaubt, da letzterer von den rückwärts gewendeten Füßen kein Wort sagt; hingegen ist es wahrscheinlich, daß M. den Ktesias und Baiton kontaminiert hat: aus Ktesias entlehnt er die acht Zehen, wenn dem Plinius zu trauen ist, aus Baiton die ausführlichere Schilderung der anatomischen Verhältnisse und vor allem, im Gegensatz zu Ktesias, die auf Sandrakottos umgedeutete Bemerkung, daß diese Leute nicht zu benachbarten Königen gebracht werden könnten (vgl. Berve Das Alexanderreich II 100). Aber aus dieser literarischen Abhängigkeit in diesem eigentlich vereinzelten Fall dürfen noch keine weitgehenden Folgerungen gezogen werden; denn M. kann das ihm Bekannte um so lieber mit dem nun in Indien selbst Gehörten verbunden haben. Nicht nur die epische Stelle (Schw. praef. 68 n. 58. Lassen II 698 A. 2) Mahābhārata X 8, 136, deren pašcādaṅgulayaḥ das Vorbild der ὀπισθοδάκτυλοι sind, ist anzuführen, sondern die der Beschreibung des M. ebenso nahestehende, aber durch ihr Alter weit gewichtigere vedische Stelle Atharvaveda VIII 6, 15, in der wiederum Dämonen mit rückwärts gerichteten Vorderfüßen, nach vorn gewendeten Fersen usw. genannt sind. (Vgl. Penzer The Ocean of Story IX 160 zu VI 118 und VI Foreword S. XV.) Die Schnellfüßler, ὠκύποδες, sind nicht mit den bei Plin. VII 23 von Ktesias gemeldeten einfüßigen Schattenfüßlern zusammenzustellen, die auch Einaugen genannt werden (vgl. Gell. Noct. Att. IX 4); der indischen Literatur sind Einfüßler bekannt: Mahābhārata II 31, 69. 51, 18; Varāhamihira, Bṛhatsaṃhitā XIV 7; näher kommen die eilendgehenden Einfüßigen Rāmāyaṇa IV 40, 26; das sind Menschen, während es auch Dämoninnen mit einer Hand und einem Fuß (Rām. V 17, 11) gibt; daß M. mit ὠκύποδες ,paronomatia‘ ekapada, den indischen Ausdruck wiedergeben wollte, wie Schw. praef. 67 glaubt, [242] sei dabei dahingestellt. Außer Betracht bleibt hier M.s Bericht über die tausendjährigen Hyperboreer, da schon Strabon, ohne übrigens Näheres anzugeben, ihn auf eine Stufe mit Simonides, Pindar und anderen Mythologoi stellt; auch dabei werden indische Vorstellungen, wie die der Uttarakuru, beteiligt sein; über den Kampf der Dreispannenleute mit den Kranichen hat Lassen II 661ff. gehandelt (vgl. dazu auch die Schrift des Syrers Andronikos, die G. Furlani Ztschr. f. Semitistik V 238ff. veröffentlicht hat, besonders S. 245f.). Es bleiben noch einige Berichte zu besprechen, die bei Strab. II 1, 9 und XV 1, 56 stehen: die keilköpfigen Pane und die Schlangen, dann wunderbare Völker, über die M. geschrieben hat. Die ersteren, vielleicht dem Daimachos angehörend, sind wohl mißverstandene mythische Gestalten; daß Schlangen Rinder und Hirsche verschlingen können, ist keineswegs ,wunderbar‘; diese Nachricht stellt wahrscheinlich nur eine von Daimachos ausgeschmückte Variante der nüchternen, von M. gemeldeten Tatsache dar, wie sie bei Plin. n. h. VIII 36 (= frg. 16 = 14; vgl. Solin. LII 33) steht. Interessant ist, daß Eratosthenes, die ihm jedenfalls vorliegenden Berichte der beiden Gesandten verglich; auf ihn wird auch des Strabon Klassifikation, nach der Daimachos den ersten Rang unter den Lügnern erhielt, zurückgehen, eine Andeutung, aus der man entnehmen kann, daß nicht alles, was bei Strab. II 1, 9 steht, dem M. zugeschoben werden darf. In XV 1, 56 ist von Affen die Rede, die auf ihre Verfolger Steine von steilen Orten herabwälzen, von Pferden mit einem Horn oder mit dem Kopfe eines Hirschen, von Rohrarten, deren aufrechtstehende Halme 30, die liegenden 50 Orgyien lang, die im Durchmesser drei bis sechs Ellen dick sind. An diesen Berichten ist weniger wunderbar, als es aussieht; die sonderbaren Pferde werden sich naturwissenschaftlich erklären lassen und über die Rohnnaße hatte schon Ktesias (bei Reese 7 III 2 e, dazu Reese 17) Angaben gemacht; Affenberichte finden sich in der ganzen Alexanderliteratur; aber M. bleibt in diesen Dingen gleichfalls selbständig, nur die Herodotreminiszenz ist bemerkenswert. Verdächtig sieht die Nachricht des M. über die Bevölkerung im Lande der Pandaia, der Tochter des Herakles, aus; der umfassendste Bericht liegt bei Arrian. Ind. IX 1–8 vor; Herakles, der sich aus Mangel an geeigneten Nachfolgern im Inzest mit seiner siebenjährigen Tochter vereinigte, hinterließ ein Geschlecht, bei dem die Frauen im Alter von 7 Jahren gebären, die Männer mit 40 Jahren das Lebensende erreichen; bei Phlegon. Mirab. 33 sind aus den 7jährigen Müttern 6jährige geworden. Bei Plin. VII 28f. stehen die Berichte des Ktesias, Kleitarch und M.; ersterer weiß von einem Pandae genannten Volke in den Talniederungen, das 200 Jahre alt werde, in der Jugend weißes, im Alter schwarzes Haar habe; ein Nachbarvolk erreiche nur 40 Lebensjahre, seine Frauen gebären nur einmal; Kleitarch nennt sie Mandi, M. hat 300 ihrer Dörfer aufgezählt, Agatharchides folgte dem Ktesias, dessen Angaben auch Photios bietet: danach leben in den Bergen Inder, gegen 30 000, deren Frauen nur einmal gebären, mit dem 60. Lebensjahr werden die Haare dieses Menschenschlages, [243] die bis dahin weiß gewesen waren, schwarz. Der Schein, als hätte M. den Ktesias ausgeschrieben, trügt, wie Marquart Die Benin-Samml. CCIXff. dargelegt hat; M. hat von den Nachkommen der Pandaia, die Pandae genannt werden, berichtet, von frühreifen Mädchen und frühalten Männern; von einmal gebärenden Frauen weiß M. nichts, diese gehen bei Ktesias auf Skylax zurück, nur die zusammenschweißende Art des Photios und die schlechte Überlieferung der Eigennamen bei Plinius haben die Schuld, wenn man dem M. eine Abhängigkeit von Ktesias aufbürden wollte. Daher sind die Mandi bei Plin. VII 29 identisch mit den Pandae in VI 76, wo ja der ausführlichere Bericht des M. vorliegt; daher steht an beiden Stellen die Zahl der Städte bzw. der Dörfer auf 300 angegeben; bei Polyain. strat. I 3, 4 sind es 365, ebenso differieren die Heereszahlen; bei Plin. VI 76 150 000 Mann zu Fuß, bei Arrian. Ind. VIII 7 130 000 und 4000 Reiter, die Elefanten, 500, stimmen in beiden Quellen, Arrian scheint somit den M. genauer benützt zu haben. Daß man es mit dem Volke der Pāṇḍya zu tun hat, geht nicht nur aus der Siedlungsangabe (Polyain.: μοῖραν τῆς Ἰνδικῆς πρὸς μεσημβρίαν καθήκουσαν εἰς θάλασσαν), die weit von den Surattae (so für Suarattaratae zu schreiben) wohnen, sondern auch aus dem Vorkommen der Perlen hervor. Die mit Hundsköpfen versehenen Leute, die Plin. VII 23 erwähnt, gehören, trotz der ausdrücklichen Versicherung des Solin. LII 27, dem Ktesias zu, mit dessen Bericht bei Plinius der Auszug des Photios (bei Reese 11 XIV 2) übereinstimmt (vgl. Marquart CCIIIff.).
Schon diese Übersicht zeigt, daß M. in den θαυμάσια-Berichten beträchtlich von seinen Vorgängern abweicht; von jenen ausführlichen Schilderungen der Kynokephalen, von Brustäuglern u. dgl. findet sich bei ihm nichts. Während Ktesias nie in Indien gewesen ist und seine Angaben über Persien vermittelt erhielt, wobei sich schon Mißverständnisse und Übertreibungen ergeben mußten, konnte sich M., wenn auch nicht durchwegs auf Autopsie, so doch auf die Auskünfte der Brahmanen berufen. Daß sich in seinen Bericht über die wunderbaren Völker Züge eingeschlichen haben, die im Indischen nicht nachweisbar sind, ist kein Beweis gegen seine Ehrlichkeit; manches hat er mißverstanden, manches auch entstellt gehört; literarisch ist er jedenfalls von Ktesias so gut wie gar nicht abhängig, nur bei den ὀπισθοδάκτυλοι scheint er auf Ktesias und Baiton zurückzugreifen, wiewohl auch da die Überlieferung nicht unschuldig ist, während der Bericht über die goldgrabenden Ameisen mit Herodot auf eine allgemein verbreitete Version zurückgeht.
b) Geschichte
Entschieden nimmt M. frg. 46, 1 = 20 bei Strab. XV 1, 6 Stellung gegen die Erzählungen über Feldzüge außergriechischer Herrscher nach Indien vor Alexander. Das kann sich nicht gegen Ktesias richten, da bei Diod. I 55, 1–4 von dem sogar bis zum Ganges reichenden Zug des Sesoosis, was an und für sich nicht auf Ktesias zurückgehen kann, die Rede ist; hier handelt es sich nach E. Meyer Gesch. d. Alt.4 I § 281 A um die hellenistische Überarbeitung von Herodot. II 102ff. In II 2 bespricht Diodor den Zug des Ninos, II 16–20, 2 den der Semiramis; M.s Polemik [244] gegen die Kriegszüge nach Indien, in der er die großen Herrscher anführt, welche Länder sie erobert hätten, ohne daß einer bis nach Indien gelangt sei, liegt kürzer auch bei Arrian. Ind. V 4ff. vor. Hier, wie bei Strab. XV 1, 6, heißt es, daß Semiramis vor der indischen Unternehmung gestorben sei, während bei Diodor ihr Feldzug ausführlich dargestellt ist; ferner fehlen die Namen Tearkon, Nabokodrosoros und Idanthyrsos bei Diodor; endlich sagt M., diese Herrscher seien nicht bis Indien gekommen, keinem sei es gelungen, außer Dionysos, Herakles und den Makedonen, hingegen schildert Diodor die Feldzüge des Sesoosis, Ninos und der Semiramis. Ebensowenig kann sich M. gegen Nearchos wenden, in dessen frg. 23 = FGrHist 133 F 3, dazu noch Strab. XV 2, 5, von der unglücklichen Rückkehr der Semiramis und des Kyros die Rede ist. M. knüpft hier an die ἀρχαῖαι περὶ Ἰνδῶν ἱστορίαι an, ein Ausdruck, den Strab. (XV 1, 6) wohl in den Ἰνδικά vorgefunden und übernommen hat; vielleicht darf man daraus den weiteren Schluß ziehen, daß M. in dem historischen Überblick die griechischen Geschichtssagen ausführlicher behandelte, wie ja die erhaltenen Stellen über Dionysos und Herakles nahelegen. In der Literatur sind allerdings die von ihm genannten Heroen nur spärlich erwähnt; Sesostris bei Herodot. II 102ff.; Tearkos bei Strab. I 3, 21, wo eine Sammlung von Völkerwanderungsgeschichten erscheint, aus der auch M. geschöpft haben kann; darauf weist auch die bei Photios ed. Bekk. 17 b 5ff. erhaltene Stelle aus den Parthika des Arrian (ed. Müller S. 248, 3; jetzt ed. Roos frg. 1, 3) hin, wo Sesostris neben Ἰανδύσου τοῦ Σκνθῶν erwähnt wird (vgl. Herodot. IV 76 über letzteren; Iustin. II 5, 8). M. muß bei seinen Vorgängern auch die Geschichten über Dionysos und Herakles vorgefunden haben, da er sie bei Strab. XV 1, 7 für wahr hält.
c) Details (Silafluß, Kaianos- und Hundeepisode)
Die Beziehungen des M. zur Indienliteratur vor seiner Zeit lassen sich ferner aus den geographisch-ethnographischen Partien seiner Ausschreiber erkennen; infolge des Umstandes, daß die Alexanderhistoriker teils selbst in Indien gewesen sind, teils auf Grund authentischen Materiales schrieben, ist der Unterschied zwischen M. und ihnen, wenn man von der Erweiterung und Vertiefung des Indienbildes absieht, kein wesentlicher, ja, manche geographisch-ethnographische Bemerkung eines Alexanderhistorikers ist wichtiger als die des M., weil diese Leute den Westen intimer kennen lernten. Für die Quellenfrage bei M. erscheinen jedoch die Detailbeziehungen, die zwischen ihm und Ktesias u. a. bestehen, belangreicher.
Bei Ktesias (Reese 29, bei Plin. XXXI 18) ist von einem Teiche Side die Rede, der bei Antigones Kar., Hist. mir. 146 als Quelle Σίλα erscheint; das Leichteste gehe unter, nichts schwimme auf der Oberfläche des Wassers; auch Demokritos und Aristoteles (bei Reese 30. 34) kennen dieses Wasser, zeitlich ist aber Hellanikos (Reese 30. 85f.) der früheste Autor, jedoch auch kaum der Urheber der Nachricht. Von M. liegen folgende Versionen über den Sil(l)a genannten Fluß vor: Diodor. II 37, 7 = frg. 1, 21. Arrian. Ind. VI 2f. = frg. 21 = 19. Strab. XV 1, 38 = 23 = 19 n.; [245] vgl. Boissonade Anecd. Gr. I 419 = frg. 22 = 19 n.; gemeinsam ist allen Wiedergaben: ein Fluß, aus einer gleichnamigen Quelle fließend (bei Arrian kommt noch das Volk der Sileer hinzu), auf dem nichts schwimmt, alles auf den Boden sinkt. Den ausführlichsten Bericht hat Arrian, den kürzesten Strabon; von einer Quelle, auf deren Wasser nichts schwimmen könne, sondern alles untersinke, berichtet aber schon Herodot bei den Ichthyophagen Äthiopiens (III 23) und er verbindet damit zwei Angaben: 1. durch das Wasser der Quelle erhielten die badenden Ichthyophagen einen neuen Glanz wie von Öl, es rieche wie Veilchen; 2. das Wasser bewirke das lange Leben seiner Benützer; anschließend daran heißt es, die Späher des Kambyses seien von der Quelle zur Besichtigung des Gefängnisses geführt worden. Bei Diod. II 14 wird von einem See der Äthiopen berichtet, dessen Wasser angenehm wie alter Wein rieche; der es Trinkende verfalle in eine Art Raserei, μανία, und bekenne alle seine Vergehen; Ktesias bei Phot. ed. Bekk. 47 a 3ff., bei Reese 10 XI 4, verlegt eine Quelle nach Indien, deren Wasser zu Käse wird, der, im Wasser zerrieben und getrunken, Raserei hervorruft (παραφρονεῖ γὰρ καὶ μαίνεται ταύτην τὴν ἡμέραν); dieses Mittels bediene sich der König, um bei Angeklagten die Wahrheit zu ergründen. Es ist kaum zweifelhaft, daß der Bericht von einer wunderbaren Quelle Äthiopiens, auf der alles untergehe, zuerst bei Herodot stand; da aber Hellanikos die Quelle Sille bereits in Indien kennt, falls auf das Exzerpt des Anonym. Vatic. Rohd. etwas zu geben ist, muß wohl schon Hekataios von ihr gewußt haben, wenn nicht gar Skylax. Ktesias hat die äthiopische Quelle des Herodot etwas geändert, sie noch einmal nach Indien verlegt, mit neuen Hinzufügungen, die vielleicht aus Indien stammen, aber auch Hellanikos, Hekataios, Skylax benützt. Aus diesen zwei Quellen machte Ktesias drei: eine in Äthiopien (bei Diod. II 14), zwei in Indien (bei Photios bei Reese XI 4 und XVI 5, dazu ebd. 22, 28). M. hat sich nicht an Ktesias gehalten, wie seine bei Arrian erscheinende erweiterte Fassung erkennen läßt, näher steht er Herodots Worten. Die indische Vorstellung von einem Flusse, auf dem alles zu Stein wird und untersinkt, läßt sich aus der epischen Literatur belegen, jedoch kennen nicht alle Rezensionen des Rāmāyaṇa den Šailodā genannten Fluß mit seinen Eigenschaften, s. u. Ein anderes Detail, das bereits der Literatur vor M. angehört, ist die Kalanosepisode. Bei Strab. XV 1, 68 = frg. 44 = 42 bestreitet M., daß die Philosophen auf Grund eines Dogmas Selbstmord begehen; vielmehr würden diejenigen, welche es täten, für mutwillig gehalten. Leute feurigen Wesens stürzen sich ins Feuer, zu diesen gehörte auch Kalanos, ein ungezügelter Mensch, der den Tischfreuden ergeben war, während Mandanis ein strenger Asket blieb; bei Arrian. anab. VII 2, 4 tadelt ihn M. gleichfalls als einen Menschen ohne Selbstbeherrschung, wie ihn auch die indischen Sophisten verurteilten. Diese Bemerkungen richten sich wohl in erster Reihe gegen Onesikritos, dessen ausführlicher, aber durch Aristobul frg. 34 = FGrHist 139 F 41 bei Strab. XV 1, 61 auf das richtige Maß zurückgeführter Bericht vielfache [246] Entstellungen enthielt (vgl. jetzt Wilcken S.-Ber. Akad. Berl. 1923 XXIII 160ff. und Crönert Anz. der Akad. Wien, phil.-hist. Kl. 61, 1924, 30f. Jacoby FGrHist Komm. zu 134 F 17 und 139 F 41). So ist der enthaltsame Asket, dessen Namen Aristobul ebensowenig nennt wie jenen des weltzugetanen, der jüngere von beiden, also Dandamis, wie sein Name bei Arrian. anab. VII 2, 2 lautet (über sein vermutliches Weiterleben in der arabischen Literatur s. Hauber ZDMG LXIII 1909, 457ff.), während ihn Onesikritos, Strab. XV 1, 64; auch Arrian ,den ältesten und weisesten‘ nennt, der den Kalanos wegen seiner Überheblichkeit dem von Alexander selbst gesandten Onesikritos gegenüber tadelte. Daß den Brahmanen keine Lehre befehle, sich das Leben zu nehmen, geht offenbar gegen Onesikritos (bei Strab. XV 1, 65 am Ende); M.s Berichte über die Ansichten der Philosophen vom Tode s. bei Strab. XV 1, 59 p. 713 Anfang. Besonders stark ist der Gegensatz zwischen den Ansichten des Dandamis bei M. (Strab. XV 1, 68; analog bei Arrian. anab. VII 2, 3; denn schon dieser Paragraph gehört dem M. an, wie die Ausdrücke bei Strabon a. O. zeigen; noch weiter geht Wilcken [wie schon A. Vogel De fontibus quibus Strabo in libro XV conscribendo usus sit, Göttingen 1874, 29] 177 A. 3, der auch § 2 dem M. zuweisen will, wobei in § 2 Onesikritos mit eingemischt ist) und bei Onesikritos frg. 10 = FGrHist 134 F 17.
Wie sehr sich M. geradezu scheute, in den Wegen der Alexanderhistoriker zu wandeln, dafür liefert seine Erzählung über die indischen Hunde (bei Strab. XV 1, 37 = frg. 12 = 10) einen Beleg; hier heißt es, daß die Hunde das einmal Gepackte nicht früher loslassen, bis ihnen Wasser in die Nasenlöcher gegossen werde, daß sie in ihrer Wut die Augen verdrehten, die ihnen manchmal sogar ausfielen; das folgende sieht aus, als hätte es M. selbst erlebt: ein Löwe und ein Stier seien von einem Hunde festgehalten worden, der Stier sei verendet, ehe er von dem an seinem Maule hängenden Hunde hätte befreit werden können. Den Mut der indischen Hunde im Kampfe mit Löwen hatte schon Ktesias (bei Photios ed. Bekk. 45 b 13f., bei Reese 7 III 2, vgl. 16f.) hervorgehoben, besonders aber hatten die Alexanderhistoriker die Episode des Kampfes der Hunde mit einem Löwen im Reiche des Sopeithes dargestellt (Strab. XV 1, 31. Diodor. XVII 92. Curtius IX 1, 31ff.; die anderen Autoren bei Marquart Die Benin-Samml. CCVIf.); hingegen behauptete Aristobul (bei Plutarch. pro nobil. 19 = frg. 34 b = FGrHist 139 F 40; vgl. Plutarch. de soll. anim. 15), daß die Hunde wilden Stieren und Maultieren gegenüber sich ruhig verhielten, aber Löwen sofort anfielen. In diesem Detail bestätigt sich die Beobachtung, daß M. bemüht war, den Berichten der Alexanderhistoriker gegenüber Neues zu bringen, Wiederholungen geflissentlich aus dem Wege zu gehen und womöglich selbst Erlebtes zu berichten.
d) Geographie
Hat das bisher vorgelegte Material ergeben, wieweit sich die Monographie des M. von seinen Vorgängern, einschließlich der Alexanderhistoriker, unterscheidet, so gilt dies um so mehr für die geographischen Teile seines Werkes. Während es einem Herodot, nach dem Vorgang des Skylax und [247] Hekataios, genügen mußte, Indien unter die ἐσχατιαί κως τῆς οἰκεομένης einzureihen (III 106; vgl. Strab. I 1, 13. II 5, 32. XV 1, 3), hatte Ktesias nicht nur den indischen Kontinent als nicht kleiner als das übrige Asien bezeichnet (Strab. XV 1, 12. Arrian. Ind. III 6; vgl. Philostr., Apoll. VI 1), sondern auch Maße des Indos (frg. 58 = Arrian. anab. V 4, 2 bei Reese 14 zu 7 I) gegeben. Aber selbst die Begleiter Alexanders sind zu keinen genaueren Größenverhältnissen gelangt, wie Strab. XV 1, 12. Arrian. Ind. III 6 schreiben; denn Onesikritos habe Indien auf ein Drittel der Oikumene veranschlagt, Nearchos berechnete das Ausmaß des indischen Landes auf einen Weg von vier Monaten durch seine Ebenen, wohl in der Richtung von Westen nach Osten. Diese beiden vollkommen übereinstimmenden Parallelstellen, Strab. XV 1, 12 und Arrian. Ind. III 6, hat, falls Arrian den Strabon nicht ausgeschrieben haben sollte, was wenig wahrscheinlich ist, Eratosthenes dem M. entnommen, der mit diesen Worten seine eigenen Angaben über Indiens Größe eingeleitet haben wird, zugleich rückte M. selbst dadurch das Neue und die anscheinende Genauigkeit seiner Ergebnisse deutlich ins Licht. Freilich muß man sich wundern, daß M. so etwas schreiben konnte, und noch mehr, daß ihm der sonst so widerspruchsbereite Strabon nicht entgegentrat. Denn Plin. n. h. VI 59 bringt neben der Bemerkung, daß die Begleiter Alexanders Indien als den dritten Teil des Erdkreises bezeichneten, schon Zahlenangaben über Städte und Völker des von dem Makedonen unterworfenen Gebietes; VI 61f. bietet er jedoch die Ergebnisse der Bematisten Diognetos und Baiton, die den Weg bis zum Hypasis vermessen hatten (vgl. Strab. II 1, 6. XV 1, 2; zusammenfassend Berve I 51 mit den entsprechenden Verweisen auf Band II). Es ist somit gar nicht so schlimm gewesen mit der Unkenntnis, wie Strabon glauben machen will; nur haben entweder die Ergebnisse der Ἀσιατικοὶ σταθμοί noch nicht vorgelegen, oder sie sind, weil auch nicht zugänglich, von den Alexanderhistorikern nicht benützt worden, die, wie Onesikritos, zudem andere Zwecke mit ihren Schriften verfolgten; ebensowenig von M., bei dem von einer selbständigen Messung oder Berechnung keine Rede sein kann; er stützt sich auf die angeblich indische ὁδὸς βασιλική, die bis Palibothra vermessen war, das übrige wird durch Schätzung erschlossen, die auf Angaben Einheimischer beruht. Ein gelehrter Geograph war M. nicht, nur getraute er sich, im Vertrauen auf seine Reise, die ihn in bisher unbekannte Gebiete führte, zum erstenmal Zahlenangaben zu machen.
Die Kontroverse, über die sich Strab. II 1, 4ff. und XV 1, 11f. verbreitet, zwischen M., Daimachos auf der einen, Patrokles auf der andern Seite, zwischen Eratosthenes und Hipparchos, ist wohl für die Geschichte des Wissens der Griechen von Indien wichtig, spielt aber hier keine Rolle, wo es sich um die Stellung des M. zu seinen Vorgängern handelt. Nach der gangbaren Ansicht liegt M. bei Diod. II 35ff. vor; daß dies nicht vollständig zutrifft, wird gleich durch die II 35, 2 erscheinenden Maßangaben erwiesen; danach ist Indien von Osten–Westen 28 000 Stadien groß, [248] von Norden–Süden 32 000. Diese Berechnung kann nicht von M. stammen, da er Indien an mehrfachen Stellen bei Strabon und Arrian anders veranschlagte. M. sah die Richtung Westen–Osten als Breite an, während die übrigen (s. gleich) sie als Länge bezeichneten, die er auf 16 000 Stadien in der kürzesten Entfernung angab; die von Norden–Süden sich erstreckende Länge beträgt nach ihm in ihrer kürzesten Entfernung 22 300 Stadien (Arrian. Ind. III 7f. = frg. 8 = 6). Das sind jedoch nicht die einzigen Maßzahlen; nach frg. 4 = 3 bei Strab. XV 1, 11, das dem Eratosthenes angehört (bei Berger III B 6) und in das M. hineingearbeitet ist, wird die Länge Indiens, die von Westen–Osten verläuft, was Strabon hier (μῆκος δὲ τὸ ἀπὸ τῆς ἑσπέρας ἐπὶ τὴν ἕω) in Übereinstimmung mit der theoretischen Partie II 4, 7 hervorhebt, analysiert: die ὁδὸς βασιλική, die mit σχοινίοις vermessen sei, betrage 10 000 Stadien, dazu kommen 6000 Stadien στοχασμῷ, d. i. auf Grund von Vermutungen der vom Meere den Ganges bis Palibothra Hinauffahrenden; ferner 3000, im ganzen also 19 000 Stadien. Aber Eratosthenes stützt sich dabei nicht nur auf M., sondern es heißt ausdrücklich: ὡς ἔκ τε τῆς ἀναγραφῆς τῶν σταθμῶν τῆς πεπιστευμένης μάλιστα λαβεῖν Ἐρατοσθένης φησί, καὶ ὁ Μεγασθένης οὕτω συναποφαίνεται. Eine ungezwungene Interpretation ergibt für diese Stelle: 1. Eratosthenes hat sowohl die Angaben des M. als insbesonders die der Ἀσιατικοὶ σταθμοί herangezogen (vgl. Strab. II 1, 4ff. XV 2, 8. Plin. VI 62); 2. M. hat die letzteren nicht benützt, er ist aber auch nicht über Palibothra hinausgekommen, weil er 3. nur von Schiffern die Entfernung des Gangeslaufes von Palibothra bis zur Meeresmündung kennt und 4. den Lauf dieses Stromes als östlich bezeichnet (so auch Strab. XV 1, 13. Artemidoros ebd. XV 1, 72). Die Parallelstelle bei Arrian. Ind. III 1–8 stellt das Verhältnis zwischen M. und dem auf anderen Quellen beruhenden Eratosthenes klar dar; nach III 8 gilt dem M. die Richtung von Norden–Süden als Länge, und zwar im Ausmaß von 22 300 Stadien, während Strab. II 1, 4. XV 1, 12 nur 20 000 dem M., 30 000 dem Daimachos zuschreibt, vgl. II 1, 17; Eratosthenes hatte die als Breite gedeutete Richtung von Norden–Süden im Westen auf 13 000, im Osten auf 16 000 berechnet. Ebenso differieren M. und Eratosthenes bezüglich der Richtung Westen–Osten; M. bezeichnet diese als Breite und gibt sie auf 16 000 Stadien an, aber Eratosthenes hat nach Strab. XV 1, 11 noch 3000 auf Grund seiner Quellen hinzugefügt, bei Arrian. Ind. III 5 sind es rund 20 000 Stadien. Schw. hat versucht, die Zahlen bei Diodor mit diesen Maßen in Einklang zu bringen (praef. 28 n. 24); er glaubt aus den Ausdrücken bei Strab. XV 1, 11f. und Arrian. III 7f. Minimalzahlen des M. herauslesen zu können, wiewohl gerade Arrian genaue Exzerpte aus M. geliefert hat; zudem stimmte mit dessen Zahl von 22 300 Stadien die Angabe bei Plin. VI 57 überein, wo die Entfernung von Norden–Süden auf [XXVIII] Γ, nach den complures, unter die M. gehört, geschätzt wird, eine Zahl, die etwa 22 800 Stadien ergibt, das Stadion zu 185 m gerechnet. Hingegen wäre M. unter den complures nicht inbegriffen, wenn man die Rechnung 1 Stadion = 178 m [249] zugrunde legt, da diese Nord-Süd-Entfernung in diesem Falle 23 696 Stadien betrüge (vgl. The Cambridge History of India I 400f.).
Der Ausdruck, daß Indien τετράπλευρος ist, stammt zumindest von Eratosthenes, steht bei Strab. II 1, 31 (frg. III B 7 des Eratosthenes) und entspricht dem System und der Vorstellung dieses Geographen von vier Begrenzungsseiten Indiens, von denen je eine im Osten und Süden um 3000 Stadien größer ist als die gegenüberliegende (Strab. XV 1, 11; über die Seitenberechnung II 1, 22, wo die Rhombus-Gestalt direkt dem Eratosthenes zugesprochen wird). Von wem somit die Zahlen bei Diod. II 35, 2 stammen, ist nicht zu entscheiden, von M. sicher nicht. Berger Die geogr. Fragmente des Eratosthenes 230 bemerkt, ,daß schon die ersten Aristoteliker die wesentlichen Stücke derjenigen Begrenzung Indiens besaßen, die wir später bei Megasthenes und Erathosthenes finden‘; und wiewohl auch er Diod. auf M. zurückführt, gesteht er gleich darauf zu: ,Die Vergleichung mit einem Rhombus aber wird ... dem M. ohne Grund zugeschrieben‘ (Reuß Rh. Mus. LVII 589 hält für die mögliche Quelle Diodors in II 35, 2 den Agatharchides).
Gerade in jüngster Zeit ist die Frage behandelt worden, ob M. wirklich der erste Grieche war, der über den Ganges geschrieben hat; läßt sich diese Frage dahin beantworten, daß die Griechen schon zur Zeit Alexanders Nachrichten über Indiens Osten besaßen, dann ist es nicht ausgeschlossen, daß Diodors Angaben von diesen herrühren und nicht von M., mit dem sie nicht vereinbar sind. Tarn hat (Journ. hell. stud. XLIII 1923, 93ff.) den Nachweis versucht, daß Alexander vom Ganges noch keine Nachrichten besaß, daß das wahrscheinlich auf Hieronymos von Kardia zurückgehende, aus dem J. 324/3 stammende Satrapienverzeichnis (bei Diod. XVIII 6, 2) einen größten Fluß von 30 Stadien Breite kenne; Kleitarch, der bei Diod. XVII 93, 2 vorliege, habe schon auf Grund von M., bei dem er vom Ganges hörte, diesen mit jenem unbekannten großen Fluß identifiziert und somit den Sutlej, wie Tarn meint, als Ganges bezeichnet. Entgegen dieser Ansicht glaubt E. Meyer (Klio XXI 1927, 183ff.) an Alexanders Kenntnis vom Ganges festhalten zu müssen. Hält man sich an die Tatsachen, die in den einzelnen Überlieferungsschichten auftauchen, so ergibt sich: Diod. II 37, 2 kennt den Ganges, der 30 Stadien breit ist und von Norden–Süden fließt; XVII 93, 2 hat der Ganges 32 Stadien; XVIII 6, 2 wird als größter ein Fluß von 30 Stadien genannt; alle drei Flüsse gehören dem Gebiete im Osten an, dem Lande der Gandariden, Tabraisier und Gandariden, an letzter Stelle wieder Gandariden. Da M. dem Ganges die Richtung von Westen–Osten zuschreibt (Strab. XV 1, 13), worin ihm Eratosthenes und Artemidoros, welch letzterer allerdings zuerst eine südliche Richtung kannte, folgten (Strab. a. O.; XV 1, 72), ferner eine mittlere Breite von 100 Stadien angibt (Strab. XV 1, 35. Arrian. Ind. IV 7 als Minimalbreite), so muß Diodor seine Nachrichten aus einer anderen Quelle bezogen haben; das kann nur Kleitarch gewesen sein, vielleicht auch Krateros’ angeblicher Brief (Strab. XV 1, 35). Für Kleitarch [250] spricht, daß von einer Verehrung des Ganges die Rede ist (Strab. XV 1, 69); bald darauf wird Kleitarch erwähnt, während vorher nur die συγγραφεῖς angeführt sind. Da Meyer 188 wie Tarn 96 eine Konfusion von Sutlej und Ganges zugeben, bleibt nur die Frage, ob vor M. der Ganges selbst bekannt war. Die Lösung wird darin liegen, daß die offizielle Berichterstattung von dem Reich der Gandariden hörte, wie man die Prasier bezeichnete, den Namen des Stromes kannte man nicht; daß man Nachrichten besaß, dafür spricht Plut. Alex. 62, 4, nach welchem Alexander mit Candragupta, als dieser wahrscheinlich geflüchtet war, zusammengetroffen sei. In die Zwischenzeit, bis auf M., fällt die bessere Kenntnis, bis durch M. eine Aufklärung erfolgt. Dafür lassen sich einige Gründe anführen. Strab. XV 1, 37 sagt, daß das ganze Land jenseits des Hypanis, d. i. Hyphasis = Beas, nicht zuverlässig bekannt sei, die Berichte seien wegen der Unkenntnis und Entlegenheit verzerrt; ähnlich Arrian. anab. V 25, 1. Nach Plin. VI 63 waren es vom Hypasis bis zum Sydrus 169 römische Meilen, also an 250 km oder annähernd 1351 Stadien; bei einer durchschnittlichen Marschleistung von 100, aber auch bis zu 300 Stadien und darüber für den Tag (vgl. Droysen Untersuch. über Alexanders Heerwesen 65ff. u. 67 A. 32; Riepl Das Nachrichtenwesen des Altertums 133f.) ist das keine Strecke, die eine solche Unkenntnis rechtfertigen könnte, abgesehen davon, daß Alexander sicherlich schon einige Erkundigungen über seine nächsten Märsche (vgl. Curtius IX 2, 3 usw.) eingezogen haben wird, bevor ihn seine ermüdete Armee zur Umkehr zwang. Onesikritos bringt bei Plin. II 183 = frg. 24 = FGrHist 134 F 9 eine astronomische Angabe, die sich auf die Gegend jenseits des Hypasis bezieht. So stammt der Bericht über eine oligarchische Verfassung (Strab. XV 1, 37. Arrian. anab. V 25, 1) von den Alexanderhistorikern, nicht von M. (Stein Meg. u. Kauṭ. 227); auch die Erwähnung des Xandrames und seiner Heeresmacht (Diod. XVII 93, 2. Curtius IX 2, 3: Aggrammes. Anspach De Alexandri Magni expeditione Indica II 40 n. 251. Berve II nr. 574) deutet schon an und für sich auf die Zeit vor M., der ja nur dessen Nachfolger Candragupta kennen lernte. Mit M. und Daimachos wurde das Gangesgebiet erschlossen (Strab. XV 1, 27. Plin. VI 63); Richtung des Gangeslaufes sowie seine Breite erfuhren durch M. ihre Berichtigung. Aus dieser Diodorstelle II 37, 2 ergibt sich die wichtige Folgerung, da sie nicht von M. herrührt, daß für die Anlage der Indika aus Diodor nichts geschlossen werden darf. (Über Kleitarchs Zeit ist die Forschung noch immer unschlüssig; Schnabel Berossos 54f. 65 setzt ihn nicht vor 267, ebenso Tarn 95 und n. 11. Jacoby o. Bd. XI S. 626 und Meyer 188ff. erschließen die Zeit um die Wende des 4./3. Jhdts., bezw. ,etwa das J. 290, wahrscheinlich aber eine frühere Zeit‘. Wie dem auch sei, eine Benützung des Kleitarch durch M. kommt nicht in Betracht.)
Auf geographischem Gebiete ist M. somit, wenigstens was den Osten Indiens anlangt, selbständig; es ist jedoch nötig, um dieses Urteil weiter zu stützen, dem Süden Indiens einige Bemerkungen [251] zu widmen. Schon die Alexanderhistoriker besaßen Nachrichten über Taprobane und am besten scheint Onesikritos unterrichtet gewesen zu sein (frg. 13 und 22 = FGrHist 134 F 12 u. 13); auf ihn geht Eratosthenes bei Strab. XV 1, 14 zurück, der ihn verbessert und ergänzt (bei Plin. VI 81 = frg. III B 12 u. 18 bei Berger. Ailian. n. a. XVI 17 beruht auf ihm u. a., nicht aber auf M., als dessen frg. inc. LIX 30, 32f. Schw. die Stellen über die Insel ansah). M. hat, nach Plin. VI 81 zu urteilen, nur erfahren, daß die Insel durch einen Fluß in zwei Teile zerlegt werde, daß die Einwohner Palaeogoni hießen und Taprobane überaus reich an Gold und Perlen sei (zu Palaeogoni vgl. Schw. praef. 38 n. 35, dessen Erklärung wie die Lassens II 696 entsprechen der damaligen Etymologiespielerei; gemeint sind offenkundig die Vādda). M. hat sich also auch bezüglich Taprobanes nicht auf seinen Vorläufer, Onesikritos, gestützt, so wenig, daß ihn Strabon zu übergehen für gut befand; zugleich geht daraus hervor, daß M. über den Süden einige Auskünfte von Eingeborenen bezogen haben muß.
e) Astronomie
M. hat auch astronomische Daten über Indien gebracht; bei Diod. II 35, 2 sagt er angeblich, daß Indien am meisten unter allen Ländern der Erde am Wendekreis der Sommersonnenwende teilhabe, auf höher gelegenen Orten würfen die Sonnenuhrzeiger keine Schatten, des Nachts sei das Sternbild der Bären unsichtbar; in den äußersten Gegenden komme der Arkturos überhaupt nicht zum Vorschein, dort fielen auch die Schatten gegen Süden (frg. 1, 3); in frg. 9 = 7 (bei Strab. II 1, 19, vgl. 20) hat Daimachos dem M. widersprochen, der behauptet habe, in den südlichen Teilen Indiens gingen die Bärensternbilder unter und die Schatten fielen verkehrt; Daimachos muß also den Text des M. vor sich gehabt haben. Auf dem astronomischen Gebiet hat nun M. Vorgänger gehabt; Nearch frg. 2 = FGrHist 133 F 16 (bei Strab. II 1, 20) hat schon den Untergang der beiden Bären in Indien angegeben (vgl. Arrian. Ind. XXV 4ff.); Onesikritos frg. 24, 24 a = FGrHist 134 F 9, 10 (bei Plin. II 183–185) weiß vom Hypasis zu berichten, daß am Tage des Sonnenstillstandes die Gegenstände keine Schatten werfen, ein Beweis, daß die Sonne dort, wie in Syene (vgl. Arrian. Ind. XXV 7), im Scheitel stehe, daß an bestimmten Orten überhaupt kein Schatten gesehen werde und auch der große Bär nicht erscheine (vgl. Strab. II 5, 36); ferner gab er an, daß am Maleus im Gebiete der Oreten die Schatten im Sommer nach Süden, im Winter nach Norden fielen, der große Bär nur 15 Tage hindurch erblickt werde. Auch Baiton (frg. 4 = FGrHist 119 F 4 bei Plin. VI 69) berichtete diese Erscheinung; und M. fügt hinzu, daß dies an mehreren Orten Indiens der Fall sei. Mag auch Plinius die Schuld haben an den verschiedenen dem Onesikritos zugeschriebenen Aussagen, so auch an der falschen Ansetzung des Maleus: jedenfalls stimmt weder Diodors Exzerpt noch Onesikritos zu der Kontroverse zwischen M. und Daimachos, mit Onesikritos hat zwar M. zwei Punkte gemein, aber diese hat auch Baiton berichtet und, nach Plinius zu urteilen, bestätigt, bezw. erweitert M. nur dessen Angabe (vgl. Berger 178ff., bes. 180 A. 1. Berve II 100 nr. 198). [252]
f) Religion
Die Alexanderhistoriker, soweit sie überhaupt selbst am Zuge teilnahmen, lernten Indiens Land und Leute nur begrenzt kennen; zeitlich doppelt begrenzt, da sie ja in den 21/2 Jahren des Feldzuges nur geringe Muße zu Beobachtungen gefunden haben, die mit der strategisch-wissenschaftlichen Aufklärung nicht irgendwie zusammenhingen; räumlich begrenzt sind ihre Beobachtungen zu nennen wegen des Ausschnittes von Indien, den sie auf dem Feldzuge oder der Flottenfahrt berührten. Das kaum geahnte Neue, das Augenfällige, das auf die literarisch befähigten und wissenschaftlich interessierten Intellektuellen der königlichen Umgebung geradezu zustürzte, die Hast, mit der es aufgenommen werden mußte, der erschwerende Umstand der Sprachenunkenntnis, das alles der gänzlich verschiedenen Lage des M. gegenüber gewertet, läßt es nur natürlich erscheinen, wenn man ein Gebiet bei den Alexanderhistorikern fast gar nicht behandelt findet oder höchstens nur in seinen auffälligsten Äußerungen: die religiösen und philosophischen Verhältnisse; die Kriegsläufte und die Duodezfürstentümer, die man erobern mußte, ließen gar nicht daran denken, eine Kenntnis der indischen Staatsverfassung oder der gesellschaftlichen Schichtung zu erwerben. Schon daraus ergibt sich, daß M. auch auf diesen Gebieten seinen Vorgängern nichts zu danken hatte, weil eben bei ihnen nichts oder nur weniges, wie über Dionysos und Herakles, darin stand. Dennoch müssen diese seine religiös-philosophischen Nachrichten einer Kritik unterzogen werden, nicht etwa vom indologischen Standpunkt allein (darüber u. S. 302ff. 309ff.), vielmehr aus dem Grunde, weil sich in ihnen nicht so sehr auf Indien bezügliche Einflüsse verraten, als allgemein hellenische, mit anderen Worten: es ist zu untersuchen, ob M. seine eigene Weltanschauung in die indische projizierte und so ein hellenisch gefärbtes Bild entwarf.
Es ist ein Gemeinplatz der indologischen Forschung geworden, wenn man von indischer Religion spricht, damit zugleich die philosophischen Ideen zu verbinden; tatsächlich bieten die indischen Schriften theologisch-ritualistischen Charakters die Anfänge der Philosophie und umgekehrt. Auch im Berichte des M. über die ,Philosophen‘ ist der religiöse Hintergrund nicht zu verkennen; hier handelt es sich, da vom Standpunkt des Griechen aus zu urteilen ist, um die für ihn der Religion angehörenden Beobachtungen, d. h. um die Mythologie. Diese konzentriert sich um zwei Gestalten, deren Spuren M. in Indien feststellte, um Dionysos und Herakles.
Dionysos. Bei Diod. II 38, 3–6 wird der Bericht über Dionysos mit der Bemerkung eingeleitet, daß die λογιώτατοι bei den Indern folgendes über den Gott erzählen, was Diodor kurz (συντόμως) wiedergibt. Danach sei Dionysos in altersgrauer Zeit, als die Menschen noch in Dörfern siedelten, aus dem Westen mit beträchtlicher Heeresmacht gekommen, habe das ganze Land durchzogen, da es keine Stadt gab, die Widerstand hätte leisten können. Wegen der durch die große Hitze verursachten Pest verlegte er sein Lager aus der Ebene ins Gebirge, so daß die Krankheit schwand; jener Ort des Gebirges hieß Μηρός; ,danach hätten also die Griechen betreffs [253] des Gottes den Nachkommen die Sage überliefert, Dionysos sei im Schenkel herangewachsen‘ (τεθράφθαι ... ἐν μηρῷ). Dionysos brachte den Indern die Zubereitung der Früchte, die Erfindung des Weinbaues und anderer Lebensbedürfnisse, gründete Städte, indem er die Dörfer auf höheren Plätzen anlegte, lehrte sie das Göttliche verehren, führte Gesetze und Gerichte ein. ,Da er überhaupt viele gute Einrichtungen begründete, wurde er für einen Gott gehalten und habe die Ehren der Unsterblichen erlangt.‘ Auch Frauen habe er in seinem Lager gehabt, bei den kriegerischen Auszügen bediente er sich der Pauken und Kymbeln, da es noch keine Trompeten gab; er starb nach 52jähriger Regierung, die sich von Sohn zu Sohn vererbte, bis sich nach vielen Generationen die Herrschaft auflöste und die Städte Volksregierungen erhielten (δημοκρατηθῆναi).
Dieser in indirekter Darstellung gegebene (hier frei gekürzte) Bericht Diodors erweckt den Eindruck, als sei er dem Werke des M. entnommen; glücklicherweise ist eine Überprüfung durch Arrian. Ind. VII 2–VIII 3 = frg. 50 = 23 möglich. Im ersten Satz des VII. Kapitels wird M. zitiert, der Indiens Völker auf 118 angab; Arrian drückt seine Skepsis aus und fährt in indirekter Rede fort, über die vordionysische Periode sowie die Ankunft, Taten und Nachfolger des Dionysos zu berichten; da VIII 6, 11. IX 8 M. in der Heraklespartie zitiert ist, muß ihm auch der vorstehende Bericht unbedenklich zugeschrieben werden; ein weiteres Argument für die Autorschaft des M. sind die gerade hier auftretenden indischen Ausdrücke für eine Baumart VII 3 und die Namen der indischen Könige VIII 1, eine Kenntnis, die nur M. zu erwerben möglich war. Dieser Bericht lautet (gekürzt): In alter Zeit waren die Inder Nomaden, wie die nicht Ackerbau treibenden Skythen (vgl. Herodot. IV 17: ὑπὲρ δὲ Ἀλιζώνων οἰκέουσι Σκύθαι ἀροτῆρες; IV 18: Σκύθαι γεωργοί gegenüber IV 19: νομάδες ἤδη Σκύθαι νέμονται; von den Wagen der Skythen ist im IV. Buche oft die Rede, auf ihnen lebten die Frauen und Kinder: IV 121), ohne Städte und Götterverehrung. Diese nomadisierenden Inder kleideten sich mit den Fellen der erlegten Tiere, nährten sich von den Früchten der Bäume und dem rohen Fleisch der Jagdtiere. Dionysos kam, schuf Städte, gab ihnen Gesetze, lehrte sie Wein- und Ackerbau, den Gebrauch des Rindes, so daß aus den Nomaden Ackerbauer wurden, die sich auch mit den Kriegswaffen zu rüsten verstanden. Dionysos unterwies die Inder in der Götterverehrung, in seinem eigenen Kult durch Kymbeln und Pauken; den bei den Griechen κόρδαξ genannten satyrischen Tanz, lange Haartracht dem Gotte zu Ehren, das Tragen der Mitra und den Gebrauch von wohlriechenden Salben hätten sie durch den Gott kennen gelernt. Als er aus Indien abzog, bestimmte Dionysos als König den Spatembas, den begeistertsten seiner Genossen; nach Spatembas, der 52 Jahre regiert hatte, übernahm dessen Sohn Budyas die Herrschaft auf 20 Jahre, ihm folgte sein Sohn Kradeuas, von dem an die Königswürde sich vom Vater auf den Sohn weiter vererbte; starb ein Geschlecht aus, so wählten die Inder ihre Könige ἀριστίνδην.
Beide Berichte ergänzen einander in gewissen [254] Punkten, die bald bei Diodor, bald bei Arrian stärker betont sind. So verbreitet sich Diodors Auszug über den Feldzug (II 38, 3f.), während Arrian (Ind. V 8f.) wie Strab. (XV 1, 7f.) den Dionysoszug der historischen Darstellung des M. selbst entnehmen, die Arrian erst im VII. Kapitel wieder aufnimmt. Die Bemerkung Arrian. Ind. VII 6 gehört nicht dem M. an, da Arrian schon V 13 gegen die Heraklessage polemisiert, wie anab. IV 28, 2 und V 1, 1f. Die bei Diod. II 38, 2 stehenden Ausführungen sind jedenfalls aus dem Bestand des M. auszuscheiden, wie schon richtig Trüdinger 50 gesehen hat, der sie als an die Einleitung I 8, 8f. anklingend erklärt (s. u. S. 269), da sie auch bei Arrian keine Entsprechung haben; ebenso stammt der Bericht Diodors über die sanitären Maßregeln des Dionysos nicht aus M. Denn die sicher diesem Autor zugehörende, bei Diod. II 39, 1 wiederkehrende Einteilung der Philosophen bei Strab. XV 1, 58 führt unter den τεκμήρια die Versetzung des Lagers aus der Ebene ins Gebirge nicht an; auch ist bei Arrian. Ind. VII nicht vom Meros die Rede, die Stellen Ind. I 6. V 9. Strab. XV 1, 8 wie besonders Arrian. anab. V 1, 5f. deuten auf Quellen der Alexanderzeit. (Anders Meunier Musée Belge XXVI 1922, 14f., der die Abweichungen zwischen Diodor und Arrian mit deren verschiedenen Interessen bei ihren Auszügen rechtfertigen will.) Gemeinsam ist beiden Versionen, daß die Inder in alter Zeit (ἐν τοῖς ἀρχαιοτάτοις χρόνοις, bezw. πάλαι) in Dörfern lebten und keine Städte besaßen, ferner die Einführung der Städtesiedlung, des Gottesdienstes; die landwirtschaftlichen Neuerungen sind bei Arrian breiter ausgeführt, unter ihnen betont er auch den Weinbau; wichtiger ist, daß beide Versionen darin übereinstimmen, Dionysos habe seinen Kult in Indien eingeführt. Die Arbeitsweise Arrians, verglichen mit der Diodors, zeigt sich am deutlichsten in den Angaben über Dionysos’ Nachfolger; aber schon darin gehen beide Versionen auseinander, indem Diod. II 38, 6 vom Tode des Gottes spricht, während bei Arrian. Ind. VIII 1 Dionysos Indien wieder verläßt; ganz offenkundig folgt Arrian seinem Gewährsmann M. treuer, wenn er die Namen der drei ersten Nachfolger anführt, Diodor sich mit einer allgemeinen Floskel über die Erbfolge begnügt. Seine Bemerkung über die Einführung der Demokratie steht im Widerspruch mit Arrians Wahlmonarchie; aber noch ausschlaggebendere Versehen sind dem Diodor nachzuweisen: so ist Spatembas kein Sohn des Dionysos und dieser, nicht Dionysos, wie Diodor will, hat 52 Jahre regiert. Diodor hat zwar den M. benützt, aber in seinen Bericht sind Gedanken aus anderen Quellen (s. Trüdinger 50), teilweise wohl auch aus den Alexanderhistorikern, eingemischt. Hinzuweisen ist insbesondere auf die (nach Jacoby zu FGrHist 32 F 8 c. 73 I 514) der Alexanderhistorie als Vorbild folgenden Dionysosgeschichte des Dionysios Skytobrachion; und da ist der Umstand nicht ohne Bedeutung, daß diese gerade bei Diodor erhalten ist, der allerdings auch nach einem ,mythographischen Compendium‘ gearbeitet hat (so Schwartz o. Bd. V S. 930, 16f.) und schon III 63, 2f. drei Dionysoi kennt, deren ältester der indische gewesen sein soll. Man vergleiche nur seine Nachrichten [255] über Dionysos’ Wirken in Ägypten (III 73, 5ff. = FGrHist a. O.). Daß im Berichte des M. von einer Rückkehr des Gottes aus Indien und nicht von seinem Tode dortselbst die Rede war, geht nicht nur aus der oben zitierten Stelle des Arrian hervor, sondern war allgemeines Gut; denn Diodor selbst bringt IV 3, 1 die Angabe, daß Dionysos drei Jahre in Indien zugebracht habe. Tatsachen sind ihm nebensächlich, außerdem lassen sich Flüchtigkeiten nachweisen; zu den schon hervorgehobenen Bedenken gegen eine voraussetzungslose Wiedergabe des M. bei ihm treten nun auch offenkundige Fehler, die den Wert des Diodorischen Exzerpts beträchtlich herabsetzen, soweit es nicht durch die anderen Versionen gestützt ist.
Herakles. Diodors Bericht über Herakles II 39, 1–4 lautet: die Inder legen ihm wie die Griechen Keule und Löwenfell bei, Kraft und Stärke; er habe Wasser und Land von wilden Tieren freigemacht, viele Frauen geheiratet, an deren Söhne und an die einzige Tochter er das Reich in gleichen Teilen verteilte. Er sei Gründer vieler Städte, darunter der bedeutendsten, Palibothra, geworden, die er auch befestigte; auch er habe göttliche Ehren erfahren; die meisten Staaten hätten Volksherrschaften erhalten, einige Königsherrschaften hätten bis auf Alexander bestanden. Wie schleuderhaft Diodor den M. benützt hat, geht schon aus der Nebeneinanderstellung des Arrianischen Auszuges Ind. VIII 4–8 (11–13 ist Exkurs, aber auch aus M.). IX 1–3 hervor. Herakles wird hauptsächlich bei dem Volke der Surasenoi, wo sich zwei große Städte, Methora und Kleisobora, befinden, verehrt: der Fluß Iobares durchströmt dieses Gebiet. Der indische Herakles trägt dieselbe Ausrüstung wie der thebanische; er hatte viele Söhne, aber nur eine Tochter, Pandaia; ebenso hieß ihr Geburtsland sowie ihre Herrschaft, für die sie vom Vater 500 Elefanten, 4000 Reiter, 130 000 Soldaten erhielt. Herakles hat, wie μετεξέτεροι Ἰνδῶν erzählen, Land und Wasser von allem Bösen gereinigt und im Meere einen Schmuck für Frauen gefunden, die Perle. (Folgt eine Bemerkung Arrians über den griechisch-römischen Perlenhandel sowie der aus M. stammende Exkurs über die Perlenfischerei.) Im Lande der Pandaia heiraten die Mädchen mit 7 Jahren, die Männer werden 40 Jahre alt; ein λόγος der Inder: als Herakles sein Ende nah fühlte und keinen ebenbürtigen Gatten für seine spätgeborene Tochter fand, habe er ihr selbst beigewohnt; aus dieser Verbindung stammen die Könige Indiens. (Folgt Arrians Kritik.) Daß auch hier Diodor einen ganz kurzen Auszug aus M. bietet, ja selbst Arrian nicht alles, was er in seiner Vorlage fand, ausgeschrieben hat, ergibt sich aus der Vergleichung beider Exzerpte untereinander und mit anderen Fragmenten. Die Verehrer des Herakles gehören der Ebene an; zwar sagt es Diodor nicht ausdrücklich, aber es geht aus der Bemerkung über den Dionysoskult der Bergbewohner hervor; bestätigt wird es durch Strab. XV 1, 58. Gemeinsam ist beiden Versionen: Herakles als Zivilisator, der Land und Wasser von wilden Tieren befreit; er hat viele Söhne von vielen Frauen, aber nur eine Tochter; von Pandaia berichtet Diodor nichts, dafür hat er, [256] anknüpfend an Herakles’ Städtegründung, aus M. einige Worte über Palibothra eingefügt, wobei die Befestigung mit Wassergräben an Strab. XV 1, 36. Arrian. Ind. X 7 erinnert. Sicherlich hat M. über Palibothra in diesem Zusammenhang nicht gesprochen, da er es bei der Aufzählung der indischen Völker, ihrer Hauptstädte und Machtverhältnisse tat, wie aus Arrian. Ind. VII 1, dessen Fortsetzung erst X 2ff. erfolgt, und insbesondere aus Plin. VI 64ff. hervorgeht, ein Beweis, wie kursorisch Diodor gearbeitet hat; vielleicht darf man noch vermuten, daß ihm Palibothra nicht nur aus dem Bericht des M. bekannt war, sondern ihm noch aus dem Reiseroman des Iambulos (II 60, 2) im Gedächtnis lag. Auch Arrian hat, wie bemerkt, den M. nicht vollständig ausgeschrieben; der euhemeristische Zug, der wie bei Dionysos, II 38, 6, so auch bei Herakles in Diodors Auszug wiederkehrt (II 39, 4: καὶ τὸν μὲν Ἡρακλέα τὴν ἐξ ἀνθρώπων ποιησάμενον ἀθανάτου τυχεῖν τιμῆς), ist bei Arrian geschwunden (er stirbt: IX 2), da er V 13 vor allem den griechischen Charakter des Herakles in Abrede stellt, eher den tyrischen oder ägyptischen, am liebsten aber einen mächtigen König eines Indien benachbarten, nördlichen Reiches in ihm sehen möchte; für die Stellung Arrians zu den ,Barbaren‘ scheint das alte, griechisch-nationale Motiv, das schon in der Anwendung der ionischen Sprache zum Ausdruck kommt, maßgebend gewesen zu sein (vgl. o. S. 254; Norden Die german. Urgeschichte 27 A. 2). Die Parallelstelle zu Arrians Heeresangaben im Reiche der Pandaia stehen bei Plin. VI 76; nach diesem hatte das Reich 300 Städte, 150 000 Fußsoldaten, 500 Elefanten; die Stelle beweist, das M. über Pandaia in der Völkertafel berichtet hatte. Die 300 Städte erscheinen als vici bei Plin. VII 29 wieder, während Polyain. I 3, 4 von 365 Dörfern spricht, deren jedes einen Tag eine Abgabe an die Königin zu leisten hatte. Mehrfach kehrt in diesen Berichten die Berufung auf λόγοι der Inder wieder, so bei Diod. II 38, 2f. 39, 1. Arrian. Ind. VIII 4. 8. IX 2; über die indischen Grundlagen dieser angeblichen Logoi wird in Verbindung mit den indischen Quellen bei M. zu handeln sein, hier gilt es, die griechischen Voraussetzungen der Legenden aufzuzeigen.
Auszugehen ist dabei von den Alexanderhistorikern. Apoll. Rhod. II 904 Schol. zitiert drei Autoren, den Dionysios (Skytobrachion? vgl. Schwartz o. Bd. V S. 929 Nr. 109. FGrHist 32 F 13), Aristodemos und Kleitarch (frg. 10 = FGrHist 137 F 17), nach denen Dionysos Indien bekriegt habe; der letzte Autor füge hinzu, daß dort ein Berg (ὄρος!!) Nysa sei und es ein dem Efeu ähnliches Gewächs σκινδαψός (vgl. Hesych. s. κινδαψοί) gebe; wenn Kleitarch auch in VIII 10 bei Curtius vorliegt, wie an anderen Stellen (vgl. Schnabel Berossos 35f.), so läßt sich dessen Dionysos- und Heraklesmythe noch weiter verfolgen; vgl. Iustin. XII 7, 6. Aber auch Aristobul hat den Glauben gehabt und genährt, der Makedonenkönig folge den Spuren des griechischen Gottes und Heros. Wenn Arrian. anab. V 2, 1 die angebliche Rede des Akuphis, in der sich dieser auf Dionysos’ Gründung der Stadt Nysa und auf den nahen Berg Meros beruft, mit der Bemerkung abschließt: Καὶ ταῦτα πάντα Ἄλεξάνδρῳ [257] πρὸς θυμοῦ ἐγίγνετο ἀκούειν καὶ ἤθελε πιστὰ εἶναι τὰ ὑπὲρ τοῦ Διονύσου τῆς πλάνης μυθευόμενα, so sind damit die psychologischen Wurzeln der Legenden klargelegt; ihren sachlichen Hintergrund, wieweit es eine Stadt dieses Namens gab, die in der lexikographischen Literatur (s. Hesych. und Steph. Byz. s. v.) eine Rolle spielt, wird man weniger leicht erkennen. Ebenso verhält es sich mit der Herakleslegende, gegen die sich Eratosthenes nur mit teilweiser Zustimmung Arrians anab. V 3, 1–4 gewandt hatte. Wenger (Die Alexandergesch. des A. 61ff.) hat gezeigt, wie Aristobul von der Verherrlichung Alexanders durch die Vulgata, die im Lager ihren Anfang genommen hat, wußte; freilich, von Übertreibungen, wie dem dionysisch organisierten Zug der Makedonen durch Karmanien, hat sich Aristobul wie Ptolemaios, nach dem ausdrücklichen Zeugnis Arrian. anab. VI 28, 2, ferngehalten. Es muß genügen, auf diese Zeugen aus der Alexanderzeit zu verweisen (vgl. noch Berve I 93f.), um eine Komponente in dem Berichte des M. über die beiden mythischen Gestalten aufzuzeigen; es ist aber wahrscheinlich, daß die griechische Sagenbildung mit Vorliebe neu erschlossene Länder mit ihr in Verbindung brachte (vgl. Diod. I 19, 7, was nicht dem M. angehört, wie Berve II 17 nr. 36 meint; bei Herodot. II 146. III 97 liegt Nysa bei den langlebenden Aithiopen, denen die Καλαντίαι Ἰνδοί ähnlich sind, III 101; ferner Diod. III 64, 5. 65, 7. 66, 3). Es ist somit sicher, daß M. an die allgemein-griechische (s. Trüdinger 75f.), insbesondere an die Alexandermythe angeschlossen hat; es kommen jedoch bei ihm einige Züge hinzu, die teils seinen Beobachtungen, teils entsprechend geänderten religiösen Tatsachen Indiens entstammen.
Unter den τεκμήρια für Dionysos führt M. bei Strab. XV 1, 58 an: den Weinstock, Efeu, Lorbeer, Myrte, Buchsbaum und andere immergrünende Gewächse, das Tragen von Baumwollgewändern, der Mitra, Benützung von Salben, Schminken, den Gebrauch von Glocken und Pauken bei Auszügen des Königs (Strabon, anknüpfend an Onesikritos, setzt XV 1, 22 Indien bezüglich Wein und Musikinstrumente in Parallele mit Skythien nach Anacharsis [bei Diog. Laert. I 104]). Was die pflanzlichen ,Zeugnisse‘ anlangt, so hat schon Strabon dagegen Einspruch erhoben (XV 1, 58; vgl. 7ff.); gegenüber der Einfachheit wird die Vorliebe der Inder für buntgefärbte Kleidung hervorgehoben: XV 1, 8. 53f.; aber auch hier gehen, wie wieder Strab. XV 1, 71 bemerkt, die Berichte auseinander, da die einen von den weißen, baumwollenen oder leinenen, andere von den farbigen Kleidern der Inder erzählen. In Wirklichkeit besteht kein Widerspruch, da ja in Indien bis auf den heutigen Tag weiße Kleidung aus Baumwolle und Musselin verbreitet ist neben farbigen Tüchern, besonders bei Frauen (Sārīs) und die Vorliebe für bunte Farben sich bis zum Bindfaden erstreckt (vgl. auch die Rolle, die der Khaddar im Freiheitskampfe Gandhis spielt, z. B. in dem Buche Jung Indien, Erlenbach-Zürich 1924, 64ff.); diese anderen Berichte stammen auch schon aus der Alexanderzeit: Onesikritos frg. 18 = FGrHist 134 F 21; frg. 22 = 23; auf Kleitarch gehen wohl Diod. XVII 91, 5ff.; [258] Curtius IX 1, 29f. zurück; auch Nearch. frg. 9 = FGrHist 133 F 11 hat sich mit diesem der Ethnographie angehörigen τόπος (s. Trüdinger 175 unter Kleidung) eingehend beschäftigt. Hier hat sich M. (bei Strab. XV 1, 58) an die Alexanderhistoriker gehalten, um seine Überzeugung von der Geschichtlichkeit des Dionysoszuges zu stützen (s. Strab. XV 1, 6. 8). Unter den geographischen τεκμήρια spielen bei den Alexanderhistorikern Nysa, Meros und Aornos die Hauptrolle; dazu kommen Völkernamen und bei M. Königs- und Städtenamen, die mit dem Kult zusammenhängen. Daß sich M. bezüglich der ersteren, Nysa, Meros, Aornos, seinen Vorgängern angeschlossen hat, würde gar nicht überraschen; aber mit Sicherheit läßt sich gar nicht behaupten, daß M. die alten Geschichten über diese drei Örtlichkeiten wiederholt hat. Denn bei Strab. XV 1, 8 liegt ein Bericht der Alexanderzeit vor, die Parallelstelle bei Arrian. Ind. V 8ff. ist gleichfalls der Alexanderzeit zuzuweisen (vgl. Diod. XVII 96 u. a.), wie schon die Kritik Arrians: Μακεδονικὸν δοκέει μοὶ κόμπασμα andeutet, die sich auf Eratosthenes stützt (vgl. insbesonders anab. V 1, 1–3. 4; Meunier Mus. Belge XXVI 22; rationalistisch verhält sich auch Strab. III 5, 6. XI 5, 5. XV 1, 9. 58). Für diese Ansicht, daß M. die drei hauptsächlichen geographischen Beweisstücke, die der Alexanderzeit angehören, nicht benutzt hat, ist ihr Fehlen in dem mit Sicherheit dem M. angehörenden Auszug bei Arrian. Ind. VII–IX ausschlaggebend; dagegen könnte Polyainos angeführt werden, dessen erste drei auf Indien bezügliche Kapitel im 1. Buch Melber (Neue Jahrb. Suppl. XIV 423), über Wölfflin (in seiner Ausgabe 1860 praef. XIII) hinausgehend, dem M. zuweisen wollte. Aber einen Beweis dafür zu erbringen, wird um so schwerer fallen, als die Quellen Polyainos’ verschiedene sein können, wie sein Heraklesstrategem I 3, 1f. mit Diod. IV 12, 3 bezw. IV 12, 1 auf eine gemeinsame Quelle deutet (nach Bethe Genethliacon Gottingense 1888, 175f. ein dem Apollodor nahestehendes mythologisches Handbuch). Auch die Völkernamen der Oxydraken und Siben, die Anhänger und Nachkommen des Dionysos bezw. des Herakles sein sollen (Strab. XV 1, 7f. 33. Arrian. anab. VI 14, 1f. Ind. V 12. Curtius IX 4, 1f. Iustin. XII 9, 2) entstammen der Vulgata. Hingegen hat M. neu eingeführt die Surasenoi (Arrian. Ind. VIII 5), die er in Verbindung brachte mit dem Herakleskult in Methora und Kleisobora. Und hier liegt die indische Komponente klar zutage: es ist der Kṛṣṇakult von Mathurā und einer anderen, nicht bestimmbaren Stadt; von M. stammen auch die Königsnamen, die er jedenfalls indischer Information verdankt und auf die später zurückzukommen sein wird. Abschließend läßt sich über den Dionysos- und Heraklesbericht des M. sagen: anknüpfend an die Alexanderhistoriker hat M. die Züge des Dionysos und Herakles für historisch gehalten, beeinflußt von allgemein-griechischen Vorstellungen über deren Tätigkeit als Kulturbringer, bestärkt durch die vor ihm liegende Tradition der Alexanderzeit, überzeugt durch analoge Erscheinungen auf indischem religiösen Gebiete. Aber es muß wiederum betont werden, daß er sich von allen phantastischen Ausschmückungen, [259] soweit er sich nicht selbst von der Existenz jener Andenken überzeugen konnte, fernhielt, wie das besonders beim Herakleskult zu ersehen ist.
Einige weitere Details, die sich auf die Religion der Inder beziehen, wie Opfer, Grabdenkmäler und die ausführliche Schilderung des Lebens der ,Philosophen‘ sind unbedenklich als eigenes Beobachtungs- und Informationsgut des M. anzusehen; daß er bezüglich gewisser τόποι Vorbildern in der ethnographischen Literatur gefolgt ist, ändert nichts an dem Neuen, das er für die Indienliteratur brachte. Während Arrian. Ind. X 1 die Existenz von Grabdenkmälern bei den Indern auf Grund von M. leugnet, da die Vorzüge der Verstorbenen und die ihnen gewidmeten Gesänge genügend ihr Andenken wachhielten, sagt Strab. XV 1, 54, gleichfalls auf M. beruhend, die Inder hätten einfache Begräbnisse und kleine Grabhügel. Aus den vielfach abweichenden Berichten der Alexanderhistoriker über Kalanos (so schon Strab. XV 1, 68; vgl. Kroll o. Bd. X S. 1544. Berve II nr. 396) geht zur Genüge der Verbrennungstod hervor; bei Arrian. anab. VII 3, 3 werden die ὕμνοι θεῶν ... καὶ αὐτῶν ἔπαινοι, die der Brahmane in indischer Sprache sang, hervorgehoben. Mag es sich auch hier wie bei dem von Strab. XV 1, 73 geschilderten Feuertod des Zarmanochegas um Büßer handeln, es genügt auf die heimischen Sitten (Plut. Alex. 69, 4 wie Strab. XV 1, 64: τῷ πατρίῳ νόμῳ; 73: ,κατὰ τὰ πάτρια Ἰνδῶν ἔθη ...‘ Diod. XVII 107, 5: ἀκολουθήσας τοῖς ἰδίοις δόγμασι) zu verweisen und auf die bis heute allein übliche Feuerbestattung, um die Nachricht des Arrian als die den Verhältnissen nach richtige (wie über die Gesänge) erscheinen zu lassen; bei Strabon sind die einfachen Begräbnisse schon Ausfluß der λιτότης der Inder (so auch Trüdinger 80, 142), d. h. der idealisierenden Berichterstattung des M. Bevor diese zur Sprache kommt, müssen noch die griechischen Züge der ,indischen Philosophie‘ betrachtet werden, die bei Strab. XV 1, 59 (frg. 41, 3–8 = 40) allein ausführlicher behandelt ist.
g) Philosophie
Von vornherein muß vor einer Überschätzung dieser Sätze gewarnt werden; abgesehen davon, daß sie, ihren indischen Ursprung vorausgesetzt, durch nicht einwandfreie Medien hindurchgegangen sind, da doch weder M. noch Strabon tiefer in das indische Geistesleben eingedrungen oder selbst nur von ihren griechischen Ideen frei sind, ist dieses Resumé zu kurz, zu verwaschen, um endgültig urteilen zu lassen, daß es sich um nur indische oder nur griechische Gedanken handelt. Darum erscheint auch das Urteil von E. Schwartz (Rh. Mus. XL 239 A. 3) einer Korrektur bedürftig. Zweckmäßig ist der Auszug in seine einzelnen Sätze zu zerlegen und von griechischer wie indischer Seite zu beleuchten.
- Viele Gespräche über den Tod; das diesseitige Leben ist gleichsam eine Höchstentfaltung der Embryonen (ἀκμὴν κυομένων ,Vollendung der Empfängnis‘ [Groskurd]; recens conceptorum hominum statum [Müller]; κυομένους gebraucht M. bei Strab. XV 1, 59), der Tod für die Philosophierenden die Geburt zu einem wahrhaften und glücklichen Leben; durch Übung (Askese?) mache man sich todesbereit.
- Von dem [260] den Menschen Zustoßenden (Lebenslagen) sei nichts (absolut) gut oder (absolut) schlecht, Beweis: verschiedene Aufnahme derselben Ereignisse.
- In Werken sind die Philosophen stärker als in Worten.
- Die Welt ist erschaffen, vergänglich und kugelförmig.
- Der sie verwaltende und schaffende Gott durchdringt die ganze Welt.
- Die Urstoffe des Weltalls sind verschieden (diversae, das ist der für das Verständnis schwierigste Satz), der der Weltschöpfung war das Wasser.
- Außer den vier Elementen gibt es eine fünfte Materie (φύσις), aus der Himmel und Sterne bestehen.
- In der Mitte von allem liegt die Erde.
- Die Seele ist unvergänglich.
- In der Unterwelt gibt es Gerichte.
1. Kein indisches System hätte den Tod als eine Geburt bezeichnen können, die in ein wahrhaftes und glückliches Leben führe; die buddhistische Nirvāṇa-Lehre scheidet nicht nur sachlich aus, da der Buddhismus keine Seele kennt, sondern schon darum, weil M. ausdrücklich brahmanische Lehren wiederzugeben erklärt. Zudem läuft der ganze Gedanke, nach dem Tode beginne ein wünschenswerteres Leben als es das irdische gewesen, der indischen Denkungsweise zuwider. Die altindischen Texte bieten kein einheitliches Bild über die Vorstellungen vom Jenseits; schon im Ṛgveda besteht neben einem primitiv paradiesisch ausgemalten Himmel mit einem freudvollen Leben, reich an sinnliehen Genüssen, ein dunkles Totenreich (Oldenberg Rel. de Veda2 523ff. Keith Harvard Oriental Series 32, 403ff. Arbman Arch. f. Religionsw. XXV, 1927, 339ff.; XXVI 1928, 187ff. Hänsler Jahrb. d. österr. Leo-Gesellschaft 1927, 55ff.; vgl. u. S. 266). Auch ist die hier fehlende Trennung eines materiellen Körpers von dem immateriellen Ich auffallend. (Einen Überblick über das indische Material bringt Keith Encyclop. of Religion and Ethics XI 843ff., s. auch u. S. 266). Wie die oben S. 238 angeführte Euripidesstelle zeigt, deren Parallele das frg. 832 aus Phrixos bringt, ist mit der den indischen Philosophen zugeschriebenen Anschauung vom Leben und Tod der echt griechische Gedanke pessimistischer Diesseitsauffassung zum Ausdruck gebracht (s. Diels Der antike Pessimismus, Berlin 1921. Nestle N. Jahrb. XLVII [1921] 86, 95f.); die Geburt scheint die Präexistenz der Seele zur Voraussetzung zu haben, Gedanken, die der ältesten griechischen Philosophie nicht fremd sind (vgl. Nestle Euripides 143f. 241ff. 504 A. 54. Rohde Psyche 5. u. 6. Aufl. II 253, auch II 150ff. A. 2. Verwiesen sei noch auf H. v. Eicken Gesch. und System der mittelalterlichen Weltanschauung 316: ,Das Leben der Seele begann also eigentlich in dem Augenblicke, in welchem das Leben des Körpers ein Ende nahm. Der Tod des irdischen Leibes war die Befreiung der Seele.‘ Daselbst wird der Satz aus der Schrift des Papstes Innocenz III. ,Über die Verachtung der Welt‘ zitiert: ,Wir sterben, indem wir leben, und dann erst hören wir auf zu sterben, wenn wir aufhören zu leben‘). Daß M.s Ausdrucksweise vorliegt, beweisen Strabons Worte XV 1, 68 im Gespräche des Mandanis: ἀποθανὼν δὲ ἀπαλλάξαιτο τῆς τετρυχωμένης ὑπὸ γήρως σαρκός, μεταστὰς εἰς βελτίω καὶ καθαρώτερον βίον, ein Fingerzeig, woher dieser Satz [261] stammt, nämlich aus der Kaianosepisode mit kynisch-stoischem Einschlag. Bei der ἄσκησις ist wohl an die spätere Bedeutung des Wortes, an Enthaltsamkeit, Askese, zu denken; diese findet sich allerdings in Indien seit jeher verbreitet, sie ,wird in Indien allgemein nicht nur als ein Mittel zur Erreichung der wunderbaren Kräfte angesehen, sondern auch als das wirksamste Hilfsmittel zur Gewinnung der erlösenden Erkenntnis‘ (Garbe Die Sâṃkhya-Philosophie2, Leipzig 1917, 248). Auf kynisch-stoische Einflüsse in diesem Satz (s. Zeller III l4, 207f.) deutet ferner der Zusatz ,für die Philosophierenden‘; damit wird an und für sich ein Unterschied unter den Indern, vielleicht sogar unter den Brahmanen selbst geschaffen, der sich auf die stoische Teilung von Weisen und Toren, von Freien und Sklaven beziehen kann (vgl. M. Mühl Die antike Menschheitsidee, Erbe der Alten, II. R., H. 14, 50).
2. Nach den Kynikern ist die Tugend ein Gut, die Schlechtigkeit ein Übel, das Dazwischenliegende ἀδιάφορον (Zeller Philos. d. Griechen II l4, 303); da auch die Stoiker das Gute anzustreben haben, kann dieser Lehrsatz dieser Schule nicht entstammen. Aber die Tendenz des Satzes geht auf ein anderes Ziel; sowohl im Indischen wird dem Weisen die Gleichgültigkeit gegen alles, ob Freude oder Leid, zur Pflicht gemacht, wie dem Stoiker die ἀπάθεια (Zeller III l4, 216ff. 238f.) vertraut ist; zur ἀταραξία vgl. Dahlmann Mahâbhârata-Studien II 276f.
3. Was M. und Strabon bezw. die Inder mit diesem Satz gemeint haben, ist nicht klar; die beigefügte Bemerkung, daß die Inder das meiste durch Geschichten zu beweisen suchen, spricht für die Auffassung, daß ihre Philosophie sich besser in ihren Handlungen als aus ihren Worten erkennen lasse. Ist das richtig, dann bedeutet der Satz nur eine Charakteristik der indischen Philosophen, ihre schwache Dialektik, nicht aber einen Lehrsatz ihrer Philosophie; das geht auch daraus hervor, daß mit diesen Worten die einfache, primitive Entwicklung ihrer Naturkenntnisse und Weltanschauung (τὰ δὲ περὶ φύσιν τὰ μὲν εὐήθειαν ἐμφαίνειν φησίν) begründet wird. Nur im Zusammenhang mit Satz 2 sei auf die stoische Lehre verwiesen, daß für das vernünftige Wesen Gut und Übel nicht in dem liegt, was ihm widerfährt, ,sondern einzig und allein in seinem Tun‘ (Zeller 216f.).
4. Bezüglich der Weltschöpfung stehen im Indischen eine Reihe von Mythen der vedisch-brahmanischen Periode einander gegenüber; in dieser Literaturperiode findet sich noch nicht jene Lehre, die das Sāṅkhyasystem ausgebildet hat, von dem aus sie zum Gemeingut der indischen Philosopheme bezüglich der Welt wurde: die Lehre von Evolution und Reabsorption der Welt; Weltentstehung und Weltzerstörung spielen sich in einem endlosen Kreislauf innerhalb der Weltperioden ab (vgl. Garbe 285f.); aber nirgends in der indischen Literatur bleibt die Weltschöpfung auf einen einmaligen Akt beschränkt, erst recht nicht ihre Entsprechung, die Weltvernichtung. Weltentstehung und Weltzerstörung ist aber auch eine stoische Anschauung (Zeller III l4, 155ff.; s. SVF II 179, 9. 181, 9, 46ff. Zenon [?] frg. 106, 106 a in SVF I 29ff.). Ebenso wie der Peripatos lehrte [262] die Stoa die Welt als ,eine aus vielen ineinander gefügten Sphären bestehende Kugel‘ (Zeller 190. SVF II 173, 2. 200, 12f. 299, 17. 250, 23f.); nicht wesentlich verschieden ist die Ansicht der jüngeren brahmanischen Kosmologie (vgl. Kirfel Die Kosmographie der Inder, Bonn 1920, 3*f.; dazu Schubring ZDMG LXXV 262. Winternitz Orientalist. Literaturzeitung XXVI 29).
5. Bei der Weltdurchdringung durch die Gottheit denkt man sogleich an die brahman-ātman-Theorie der brahmanischen Philosophie; aber wenn die Stoiker lehren, daß Gott der Geist im Stoffe sei, der vernünftige Hauch, der alles durchdringe, so mahnt gerade dieser Satz zur Vorsicht bei der Bestimmung seiner Heimat. Mag dieser stoische Schöpfer auch als feuriger Hauch vorgestellt werden, der alles in sich trägt (Zeller 141f.), so schwindet jeder Zweifel, daß man stoische Vorstellungen vor sich hat, durch die Terminologie; nicht nur bei Zenon findet sich die Idee des Durchdrungenseins der Welt durch die Gottheit (SVF I 41, 22ff. 42, 11ff. 18ff.), auch der Ausdruck διαφοιτᾶν läßt sich gerade bei den Stoikern nachweisen (so II 308, 10: τὸν διαπεφοιτηκότα τῆς ὕλης καὶ ὄντα ἐν αὐτῇ θεόν, vgl. II 155, 32) und seine Synonyma διήκειν (an den vorhergehenden Stellen) und διέρχεσθαι (II 116, 12: ... τὸν Δία, ἀλλ' ὅλον δὶ’ ὅλης τῆς ὕλης διεληλυθότα).
6. Wie bemerkt, ist dieser Satz nicht eindeutig; wenn unter den ἀρχαί die materielle Ursache des Weltalls verstanden sein soll, wären für die einzelnen Teile des Weltganzen verschiedene Urstoffe anzunehmen; nach Zenon ist unter den ἀρχαί zu verstehen: τὸ ποιοῦν = θεός und τὸ πάσχον = ὕλη, d. i. (Aëtius I 3, 25) στοιχεῖα δὲ τέσσαρα; es wäre dann gesagt, daß die Ursachen der Welt von der Gottheit verschieden sind, der Urstoff der Welterschaffung sei das Wasser. In indischen Schöpfungslegenden spielt das Urwasser eine große Rolle (vgl. Oldenberg Die Weltanschauung der Brāhmaṇatexte, Götting. 1919, 175f.), hingegen ist von der materiellen Natur der übrigen Naturkörper nichts ausgesagt; bei den Griechen ist der Substanzbegriff seit den Hylozoisten als weltbildend nachzuweisen und bei den Stoikern tritt das Wasser nur in den Übergangsprozessen der Elemente auf (vgl. SVF II 143, 37f. 177, 21f.).
7. Schon die scharfe Scheidung der vier στοιχεῖα von der φύσις, bei Aristoteles σῶμα, οὐσία, deutet darauf, daß hier die aristotelische Ätherlehre vorliegt (Zeller II 2, 439 u. A. 1). Aus dieser Unterscheidung ergibt sich zweierlei: erstens, daß keine indische Lehre vorliegen kann, da immer die fünf Elemente als gleichwertig angesehen werden (zur pythagoräischen ὁλκάς, vgl. Garbe 123 A. 1; sonst Zeller-Nestle I 17, 443 A. 3. 515); zweitens, daß hier die Stoiker nicht in Betracht kommen, wie Schwartz meinte, da sie nur vier Elemente kennen (Zeller III 14, 185ff.); nach Zenon frg. 116 (SVF I 33, 31f.) ist der Himmel feuriger Natur.
8. Auch nach indischer Anschauung ruht die Erde (Kirfel 9*ff.), aber sie ist eine Scheibe, die sich vom Himmel, mit dem sie zuerst vereinigt war, losgelöst hat; ganz dem Bericht des M. entsprechend gilt einem Aristoteles die Erde als in der Mitte des Ganzen liegend, allerdings als Vollkugel, [263] während M. von ihrer Gestalt nichts sagt (Zeller II 24, 448); ebenso sehen die Stoiker die Erde als ruhende Mitte des Weltganzen an (Zeller III 14, 189); vgl. Zenon frg. 99 und 105 = SVF I 27 und I 29, 24; ferner II 169, 10. 180, 13, 26ff.; hingegen Archedemos frg. 15f. = SVF III 264, 1–6.
9. und 10. Die Unvergänglichkeit der Seele kann weder vom indischen noch vom griechischen Standpunkt aus als Spezifikon einer bestimmten Schule betrachtet werden. Um so auffallender ist das Stillschweigen über eine Weltseele, da die Parallele zur indischen ātman-Vorstellung in der platonischen und stoischen Philosophie so nahe lag. (Vgl. SVF II 225, 22f.: ἔνιοι δὲ τὴν μὲν τοῦ ὅλου [ψυχὴν] ἀΐδιον, τὰς δὲ λοιπὰς συμμίγνυσθαι ἐπὶ τελευτῇ εἰς ἐκείνην.) Bringt man jedoch diese Aussage über die Seele mit der ersten in Verbindung, so kann man kaum daran zweifeln, vor einem platonisch-stoisch beeinflußten Denker zu stehen. Denn beiden griechischen Philosophemen, dem des Plato und dem der Stoa, wie sich wenigstens aus Seneca am klarsten ersehen läßt, ist die Rückkehr der Einzelseele in die Weltseele zugleich ein Reinigungsprozeß, ein dies iste ... aeterni natalis, an dem sie in ein besseres Leben einkehrt. Die Stoiker erklären die Einzelseele, wie schon Zenon zeigt (SVF I 40, 12) als sterblich (vgl. II 223, 18), gemeint ist aber nur ihr Eingehen in die Weltseele (II 217, 17: τὴν [ψυχὴν] δὲ τῶν ὅλων ἄφθαρτον, ἧς μέρη εἶναι τὰς ἐν τοῖς ζῴοις). Die Verknüpfung der Unsterblichkeit der Seele mit einem Schiedsgericht ist unzweifelhaft griechisch. (Zu Platons eschatologischen Vorstellungen und dem Totengericht s. Dieterich Nekyia2 113ff., bei den Stoikern 138ff.; Rohde Psyche I5 309ff. II 208. Überweg-Praechter Gesch. der Philosophie12 I 336 die Verweise unter ,Psychologische Eschatologie‘.) Zenon frg. 147 = SVF I 40, 15ff. bei Lactantius, Inst. div. VII 7, 20: esse inferos Zenon Stoicus docuit et sedes piorum ab impiis esse discretas: et illos quidem quietas et delectabiles incolere regiones, hos vero luere poenas in tenebrosis locis atque in caeni voraginibus horrentis. Nur entfernt klingt etwa die karman-Lehre durch, nach der die Qualität der im Leben begangenen Taten entscheidet, ob und wie lange das zur Wiedergeburt bestimmte Wesen die Freuden eines besseren Lebens in der Brahmawelt genießen soll, um dann wieder als Lebewesen in irgendeiner Form auf die Erde zurückzukehren; auch soll nicht die Existenz eines Richters der Toten, des Todesgottes Yama selbst, geleugnet werden, ebenso die einer ausgebreiteten eschatologischen Vorstellungswelt und Literatur (vgl. über alle diese Dinge Oldenberg Religion des Veda2 536ff.; über das Totengericht in vedischen Texten 541 m. A. 2; im allgemeinen v. Glasenapp Der Hinduismus 239ff. Scherman Materialien z. Gesch. der indischen Visionslitteratur, Leipzig 1892), die sich in spätbuddhistischer Zeit zu den abstrusesten Formen entwickelt. Trotzdem wird man sich nur schwer entschließen wollen, den griechisch orientierten Gedankengang zu verkennen und ihn dem indischen zuliebe abzuweisen; dagegen spricht nicht nur der ganze Charakter des Auszuges, dagegen sprechen nicht nur die doch gerade im Griechischen [264] bestehenden Anhaltspunkte, dagegen spricht auch die Verwendung eines so markanten Ausdruckes wie σπέρμα, ein der griechischen Philosophie vertrauter Terminus (s. Diels-Kranz Vorsokratiker2 II 2 im Index s. v. 557f.), der auch von den Stoikern vielfach verwendet wird (s. Adlers Index SVF IV 133f.; so schon Zenon frg. 128 = SVF I 36, 1ff.: τὸ δὲ σπέρμα φησὶν ὁ Ζήνων εἶναι ... ψυχῆς μέρος).
Von diesen 10 Punkten ist kaum einer mit Sicherheit als indisches Gut zu erklären; das soll nicht heißen, daß sich hinter den Worten des Strabon nicht auch indische Gedanken verbergen könnten, aber man darf sie nicht hineininterpretieren; da kein anderer Benützer des M. sich für diese Dinge interessiert hat, ist eine Überprüfung und Entscheidung um so schwieriger. Eine andere, aber nicht zu beantwortende Frage ist es, wie weit nämlich Strabon nur Vermittler des Berichtes des M. und wie weit er an der Fassung des Auszuges als Autor beteiligt ist; denn Strabon stand ja selbst der stoischen Philosophie so nahe, daß eine Einwirkung derselben auf seine wissenschaftlichen Arbeiten nicht zu leugnen ist, vgl. außer Butzer Progr. der Wöhlerschule Frankfurt a. M. 1887, 33f. Fritz De Strabone Stoicorum doctrinae addicto, Diss. Münster 1906, der allerdings manchmal (so 13) nicht fremdes Gut von dem des Strabon scheidet. Und ob die Poseidonios-Frage auch auf diese philosophischen Sätze bei Strabon ihre Schlaglichter werfen wird, muß noch dahingestellt bleiben (vgl. Munz Poseidonios und Strabon I Göttingen 1929, 50ff. A.). Eine feine Beobachtung des M. hat Strabon jedenfalls bewahrt, die zugleich eine Entschuldigung für die Farblosigkeit des Mitgeteilten sein soll, daß die Brahmanen das meiste durch Geschichtenerzählen zu beweisen suchen. Wie wahr das ist, zeigt die um 1300 Jahre jüngere Bemerkung des arabischen Gelehrten Albīrūnī, wenn auch auf ein anderes Gebiet sich beziehend (transl. Sachau II 10f.): ,Unfortunately the Hindus do not pay much attention to the historical order of things, they are very careless in relating the chronological succession of their kings, and when they are pressed for information and are at a less, not knowing what to say, they invariably take to tale-telling.‘ Nur die (S. 260) hervorgehobene identische Ausdrucksweise vom Tode als Beginn zu einem besseren Leben läßt mit einiger Sicherheit die Annahme zu, daß hier der Wortlaut des M. vorliegt. Daß man jedoch nicht fehlgreift mit dem Verdacht, indische Gedanken in griechischem Gewande vor sich zu haben, daß M. (oder sei es Strabon) bestrebt war, die indischen Lehren als mit griechischen identisch oder ihnen nahestehend zu erklären, wodurch sich pia fraude eine Annäherung ergeben mußte, darauf deuten schon die Hinweise auf ähnliche griechische Lehren, die M. in Indien wiederzufinden glaubte: περὶ πολλῶν δὲ τοὶς Ἕλλησιν ὁμοδοξεῖν und gleich darauf: ὥσπερ καὶ Πλάτων ..., wie M. ja nach der schon öfters angeführten Stelle bei Clemens Alex. strom. I XV 72, 5 (= frg. 42 = 41) sagte, daß die Ansichten über die Natur sich bei alten Völkern, wie bei den Griechen, so auch bei den Philosophen der Inder, bei den Brahmanen, wiederfänden. Aber man [265] darf bei M. selbst allgemeine griechische Vorstellungen voraussetzen, ohne an ein bestimmtes Philosophem zu denken, Vorstellungen, die sich ungezwungen einstellten oder sogar aus dem Charakter seiner Monographie als einer ethnographischen Darstellung mit gewisser Tendenz erklären lassen. In dieser Hinsicht verdient wenigstens ein Punkt hervorgehoben zu werden. Wenn es nach den eben zitierten Worten Strabons (XV 1, 59) über die Übereinstimmung der indischen Philosophie mit der griechischen heißt: ὅτι γὰρ γενητὸς ὁ κόσμος καὶ φθαρτὸς λέγειν κἀκείνους, καὶ ὅτι σφαιροειδής, so vergleiche man damit Hekataios von Abdera (Diels Vorsokr.4 60 B 6. 151, 30): τὸν κόσμον γενητὸν καὶ φθαρτὸν καὶ σφαιροειδῆ.
Zu diesen allgemeinen Zügen treten ferner kynische in frg. 44, 2 = 42 bei Strab. XV 1, 68; frg. 45, 3f. = Arrian. anab. VII 2, 3f. (s. o. S. 246). Den Hinweis bietet ja schon Arrian. VII 2, 1 selbst, der dieses Kapitel mit der Diogenesepisode einleitet. Die kynischen Elemente sind unschwer herauszuheben: bei Arrian (vgl. Schwartz Fünf Vorträge 84ff. Wilcken S.-Ber. Akad. Berl. 1923, 176) ist Dandamis ein Zeussohn wie Alexander selbst (Wilcken 177f. A. 3); das erklärt sich aus der Gleichheit aller Menschen, die sich nur durch den Besitz des Wissens unterscheiden (Zeller II 14, 315ff.); die Feldzüge würden zu keinem guten Zweck unternommen: da nur die Weisheit erstrebenswert ist, nicht aber Herrschaft oder materielle Güter überhaupt (Zeller 302ff.); die Genügsamkeit, ein wohlbekannter kynischer Zug, kommt in VII 2, 3 Ende, 4 Anfang, zum Ausdruck, ebenso sind die Worte: ἀποθανόντα δὲ ἀπαλλαγήσεσθαι οὐκ ἐπιεικοῦς ξυνοίκου τοῦ σώματος auf die Verachtung des Todes zu deuten, der bei den Kynikern kein Übel ist (Zeller 305f.), ebenso bei Strab. XV 1, 68 Ende. Die Fortführung dieses Gedankens berechtigt den Kyniker und besonders den Stoiker zum Selbstmord (Zeller II 14, 320f. III 14, 315f.); nach Christ-Schmid6 II 1, 227 A. 7 ist aus frg. 40 Müller, d. i. 41 Schw., zu schließen, daß M. zu den pythagorisierenden Peripatetikern, aus frg. 42, d. i. 44 Schw., daß er nicht zu den Stoikern gehörte. Stützpunkte für dieses Urteil sind nicht angegeben; wie unrichtig aber die erstere Aufstellung ist, erhellt aus Aristoteles (und Theophrast), nach dem die Welt ewig, ungeworden, daher auch unvergänglich ist, s. Zeller II 24, 431ff. 836; über die zweite Aufstellung vgl. die gemachten und folgenden Bemerkungen. Das geht auch aus anderen Notizen hervor, die auf Onesikritos, Chares und M. zurückzuführen sind, so bei Lukian. Peregr. 25 = Ones. frg. 33 = FGrHist 134 F 18 (vgl. Luedecke Leipz. Stud. XI 30 A. 1): bei Strab. XV 1, 65 (frg. 10 = 17 a) berichtet Onesikritos, daß den Sophisten körperliche Krankheit als das Schimpflichste erscheine, derentwegen sie den Feuertod suchen. Gegenüber diesen klaren Verbindungen mit der kynisch-stoischen Lehre (s. Schroeder 27 u. A. 2) konnte M., bezw. sein Ausschreiber Strabon, mit Recht behaupten, daß der Selbstmord kein Dogma der Philosophen sei (frg. 44 = 42), aber als Tatsache ist er nicht zu leugnen. Die Motive des religiösen Selbstmordes waren nicht [266] immer die gleichen; wenn M. erzählt, daß den Philosophen der Tod als eine Geburt in ein wahrhaftes und besseres Leben erschien, so läßt sich an die indische Verheißung des Einganges in den brahmaloka erinnern, vgl. Hillebrandt; was M. eben nur in ein griechisches Gewand gekleidet haben kann. Jedoch haftet der vedischen Vorstellung von dem als eine bessere Fortsetzung des irdischen Daseins angesehenen Leben im Himmel nichts von jener Wiedergeburtsidee an; diese tritt zwar bei der dīkṣā, der Weihe des Opferers vor dem Somaopfer, aber nur in rituellem Sinne, auf (Oldenberg Rel. d. Veda2 405f., dagegen Hillebrandt S.-Ber. Akad. Münch. 1917, Abh. 8). Jedenfalls hat die nachvedische Zeit nicht nach der Wiedergeburt, sondern nach deren Aufhebung gestrebt (vgl. außer o. S. 260 noch Czerny Die Seelenwanderung im Mahābhārata, Diss. Erlangen 1927. E. de Henseler L’âme et le dogme de la transmigration, Thèse Fribourg 1928). Weitere kynische Züge lassen sich noch aufzeigen, doch ist es nicht sicher, ob sie nur Ausfluß dieser Gedankenrichtung sind. So ist die von M. frg. 27, 10 = 27, 4 bei Strab. XV 1, 54 als Grund der Vielweiberei hervorgehobene εὐπείθεια neben der ἡδονή und πολυτεκνία sicherlich nicht kynisch, aber anders steht es mit demselben Wort in frg. 41, II = 40 bei Strab. XV 1, 59: γαμεῖν δ' ὅτι πλείστας εἰς πολυτεκνίαν, wenn man bei Antisthenes (nach Diog. Laert. VI 11) lesen kann: γαμήσειν τε [τὸν σοφὸν] τεκνοποιΐας χάριν; allerdings ist der Zweck für die indischen Weisen ein anderer, aber auch dieser Zweck scheint kynischer Natur zu sein, da er den indischen Tatsachen ins Gesicht schlägt: nämlich die vielen Kinder arbeiten statt der Sklaven (so schon Onesikr. frg. 20 = FGrHist 134 F 24) die es – nach M. – in Indien nicht gibt (vgl. Stein Meg. u. Kauṭ. 67f. 109ff.), wie an vier Stellen zu lesen ist (frg. 1 = Diod. II 39, 5; frg. 26, 5 = 26, 8 bei Arrian. Ind. X 8; 27, 13 = 27, 5 bei Strab. XV 1, 54; 41, 11 = 40 bei Strab. XV 1, 59f.). Schon früher (Stein 113. Trüdinger 139 A. 1. 142; dagegen Breloer Kauṭalīya-Studien II 12ff.) wurde darin eine idealistische Tendenz des M. gesehen, die nun im Zusammenhang mit anderen Momenten als kynische Tendenz deutlicher hervortritt; denn für den Kyniker besteht nicht der Unterschied zwischen Freien und Sklaven im bürgerlichen Sinne (Zeller II 14, 323). Dazu kommt, daß hier ausdrücklich von der ἰσότης die Rede ist (s. später) und die φύσις mit dem νόμος in Einklang gebracht, also der höchste Idealzustand geschaffen wird (vgl. Schwartz Rhein. Mus. XL 1885, 239. 252. 261 A. 4; zur stoischen Gemeinschaftsidee auch Mühl 46ff., nach 126 A. 14 hätte erst Poseidonios die letzten Konsequenzen aus der Anschauung über die Sklaverei gezogen, vgl. 68. Anders stehen Platon und Aristoteles der Frage Hellenen-Barbaren, Freie-Sklaven gegenüber, s. ebd. 10. 29ff.). Unentschieden bleibt, ob die Einteilung der Inder, die den Selbstmord üben, in die vier Temperamente der σκληροὶ, ἄπονοι, πολύπονοι und πυρώδεις auf griechische Vorbilder zurückgeht, jedenfalls könnte in den ἄπονοι und πολύπονοι kynisches Gut stecken. Endlich ist der Tadel des M., daß die [267] Inder nicht gemeinsam ihre Mahlzeiten abhielten (frg. 27, 7 = 27, 3 bei Strab. XV 1, 53), hervorzuheben, während vom Gegenteil, wie es im Reich des Musikanos Brauch ist, gilt (Strab. XV 1, 34, d. i. Onesikritos frg. 20 = FGrHist 134 F 24; vgl. Trüdinger 139 A. 1): πρὸς γὰρ τὸν κοινωνικὸν καὶ τὸν πολιτικὸν βίον ἐκείνως κρεῖττον (s. Zeller III 14, 292ff. über die stoische Gemeinschaft; Fritz 29).
Hier, in diesem Punkte, zeigt sich aber die Wahrheitsliebe des M., daß er seiner eigenen Überzeugung nur Ausdruck verlieh, sie aber nicht dazu mißbrauchte, Umstände und Verhältnisse, die nicht bestanden, ihr zuliebe anders zu färben, daß er trotz der idealisierenden Tendenz wahrheitsgetreu berichtete, so wie er der Einfachheit die Schwäche der Inder für Schmuck entgegenstellte (frg. 27, 9 = 27, 4 bei Strab. XV 1, 54; in den religiösen Hintergrund des gesonderten Speisens ist M. freilich nicht eingedrungen, so wenig wie sein jüngerer arabischer Nachfolger Albīrūnī I 180). Es gilt nun, seine Darstellung daraufhin zu prüfen, wie weit sie, trotz des realistischen Zuges, von der ethnographischen Literatur in ihrem Aufbau beeinflußt und durch eingestreute idealistische Züge gekennzeichnet ist.
III. Analyse
§ 8. Die Exzerpte
Schw. praef. 24f. und Müller FHG II 399 a, ihnen folgend Susemihl Gesch. d. alex. Lit. II 548 A. 131 und so ziemlich alle späteren Forscher (o. Bd. IV S. 672, 46f.) haben angenommen, daß Diodors Epitome sich an die Darstellung des M. gehalten hat, daß sich somit umgekehrt aus Diod. II 35ff. der Aufbau der Indika rekonstruieren und ihre Teile sich leicht erkennen lassen. In Wirklichkeit ist dem nicht so; denn Diodor benützt II 35ff. verschiedene Autoren, darunter auch M., der erst II 40 allein zu Worte kommt, abgesehen davon, daß Diodor diese Quelle auch vorher nur oberflächlich verwertet hat (s. o. S. 254ff.; als Quelle für die Indienschilderung Diodors hat Μarquart Philologus, 6. Suppl. [1891–1893] 508f., wo auch Parallelen innerhalb Diodors angeführt werden, Agatharchides erschließen wollen, was Krumbholz Rh. Mus. L 1895, für II 34ff. [268] nicht entschieden leugnet). Zur Quellenfrage s. G. J. Schneider De Diodori fontibus (Libr. I–IV), Diss. Berlin 1880, 44ff.
Schon die Angabe bei Diod. II 35, 1, daß der Indos fast der größte unter allen Flüssen nach dem Nil sei, weist auf eine andere Quelle; bei Strab. XV 1, 13 ist der Ganges der größte der indischen Flüsse; Krateros’ Brief (ebd. 35) hält die Reihenfolge Ganges, Indos, Istros und Neilos ein, und Strabon scheint ihr, wenigstens was den ersten Strom betrifft, beizustimmen. Diese Reihenfolge kehrt, nur bezüglich der zwei letzten Glieder vertauscht, bei Arrian. Ind. III 9 wieder; IV 13 aber stellt er, dem M. folgend, den Istros vor den Neilos; Arrian hat jedoch über dieses Thema auch schon anab. V 4, 1f. gehandelt; dort nennt er den Indos den größten Fluß Asiens und Europas, außer dem Ganges; Wenger 113 hält Aristobul für die Quelle dieser Angabe; wenn V 20, 10 auch auf Aristobul zurückzuführen ist, wie Wenger 114 glaubt, wo die Breite des Indos auf 40 Stadien angegeben ist, dann ist es um so begreiflicher, wie Diodor, der XVII 93, 2 für den Ganges nur 32 ansetzt, bei seiner liederlichen Arbeitsweise zu der Ansicht von der überragenden Größe des Indos gelangen konnte; er hatte wahrscheinlich den Aristobul ganz oberflächlich gelesen. Positiv läßt sich endlich der Beweis führen, daß M. niemals berichtet hatte, der Indos sei größer als der Ganges, weil er bei Arrian. Ind. IV 2 ausdrücklich das umgekehrte Verhältnis bezeugt; zudem steht der Nil weder Ind. III 9 noch IV 13 vor dem Indos. Diodor scheut II 11, 1 auch vor dem Widerspruch nicht zurück, den Euphrat und Tigris als die größten Flüsse nach Nil und Ganges zu bezeichnen, genauer ist Strab. XVI 1, 9; da Diod. II 16, 7 (vgl. aber gegen Jacoby Rh. Mus. XXX 1875, 605: XVIII 6, 2) den Indos als den größten Fluß der dortigen Gegenden, in XVII 85, 3 als größten aller indischen Flüsse nennt, stammt seine Angabe in II 35, 1 sicher nicht aus M., vielleicht aus Aristobul. Zu 35, 2 s. o. S. 247ff. Bezüglich 35, 3f. vgl. man II 16, 3, besonders:
II 35, 3: | II 16, 3: | |
ἡ δ' οὗν Ἰνδικὴ ... ἔχει ... πολλὰ δὲ πεδία ... τῷ μὲν κάλλει διάφορα, ποταμῶν δὲ πλήθεσι διαρρεόμενα. τὰ πολλὰ δὲ τῆς χώρας ἀρδεύεται, καὶ διὰ τοῦτο διττοὺς ἔχει τοὺς κατ’ ἔτος καρπούς. | ἡ γὰρ Ἰνδικὴ χώρα διάφορος οὗσα τῷ κάλλει καὶ πολλοῖς διειλημμένη ποταμοῖς ἀρδεύεται ... καὶ διττούς καθ' ἕκαστον ἐνιαυτὸν ἐκφέρει καρπούς. |
Ebenso ist es kaum fraglich, daß 36 nicht aus M. stammt; zwar könnten die τόποι, die sich hier aufzeigen lassen, ganz gut im Bericht des M. gestanden haben, aber schon die Tatsache, daß sich in keinem anderen Fragmente etwas Ähnliches findet, macht stutzig. Das Hervorheben der Größe der Menschen und ihres Gewichtes entspricht jener Theorie vom Zusammenhang der Beschaffenheit von Land und Leuten, die sich in der Ethnographie der Griechen verfolgen läßt (s. Trüdinger 37ff.); bei Diodor kommen hiefür die Alexanderhistoriker in Betracht: Onesikritos (Trüdinger 70ff.) führte die Fruchtbarkeit Indiens auf das Wasser zurück; bei Diodor wird auch die Kunstfertigkeit der Inder als Ausfluß der reinen Luft und des feineren Wassers, die sie zur Verfügung haben, hingestellt. Die 36, 3ff. geschilderte Fruchtbarkeit, die der Bewässerung zu verdanken ist, findet sich bei Aristobul und Onesikritos (Strab. XV 1, 18), besonders aber hat Eratosthenes frg. III B 12 bei Strab. XV 1, 13 (vgl. Jacoby zu FGrHist 134 F 15) auf den Pflanzenreichtum hingewiesen (κέγχρος, ὄσπριον, ὄρυζα, βόσμορον sind gemeinsam). Es muß genügen, bezüglich II 36, 4f. auf Eratosthenes zu verweisen, der schon deshalb vorliegt, weil die zuvor aufgezählten Pflanzen noch einmal nach den beiden Regenperioden gegliedert werden wie bei Strab. XV 1, 13; über die großen Halme s. auch Eratosthenes bei Strab. 20. Zwar hat auch M. über die Doppelernten berichtet (Strab. XV 1, 20; vgl. Diod. II 16, 3), aber von den zwei Regenperioden Eratosthenes (vgl. Plin. n. h. 58. Arrian. anab. V 9, 4); II 36, 6f. geht zwar auf M. zurück, ist aber nur eine breitspurig erweiterte Vorwegnahme von II 40, 4. Daß der Anfang von II 37 [269] eine flüchtige Wiederholung der aus Kleitarch stammenden Stellen des XVII. und XVIII. Buches ist, hat schon Schwartz o. Bd. IV S. 672 bemerkt, vgl. o. S. 249f. Auf die Wiederholung von I 8, 9 in II 38, 2 wies bereits Schneider hin, s. Krumbholz Rh. Mus. XLIV 288 und o. S. 254; er möchte auch bei Diodors Bericht über den Zug der Semiramis nach Indien an Ktesias festhalten, in den der kleinere Auszug [genötigt zuzugestehen. Aber auch 37, 3f. stammt soll,][2] eingefügt ist; daß II 37, 3 nicht auf M. zurückgeht, sieht sich Krumbholz 294 selbst genötigt zuzugestehen. Aber auch 37, 3 stammt nicht aus M.; einmal, weil schon die ganze Darstellung einem Alexanderschriftsteller angehören muß, der Ausdruck Gandariden bei M. undenkbar ist, die Zahlenangabe der Elefanten mit der in XVII 93, 2 übereinstimmt, von wo diese ganze Stelle flüchtig entlehnt, mit anderen Worten, aus Kleitarchs Alexandergeschichte vorweggenommen ist; daß M. über die Prasier andere Angaben gemacht hatte, ist aus Plin. n. h. VI 68 zu ersehen. Von wo 37, 5f. entlehnt ist, läßt sich mit Sicherheit nicht angeben; sicher ist nur, daß die Gewährsmänner dafür nicht die φιλόσοφοι καὶ φυσικοί sein werden, da den Indern solche Spekulationen ziemlich fern liegen, auch die Länder der Skythen, Baktrier und Arianer ihnen kaum unter diesen Namen bekannt gewesen sein dürften; nur vermuten läßt sich, daß Diodor hier die hydrographischen Theorien der Alexanderhistoriker (Strab. XV 1, 16ff.), besonders des Aristobul (vgl. Wenger 27ff.) in einem Satz wiedergegeben hat. 37, 7 kann auf M. zurückgehen, bildet aber eines der gangbarsten Indienthaumasia, das schon der Literatur vor M. angehört (s. o. S. 244f.). Über Diod. II 38 s. o. S. 252ff.; über 39, 1–4 o. S. 255f.; erst mit dem Schluß des 39. Kapitels hat sich Diodor enger an M. angeschlossen, und dieser Auszug bildet die dritte Version des auch von Strabon und Arrian gebotenen gesellschaftlichen Schemas Indiens; er reicht bis Ende 41. In 42, 1f. liegt teilweise eine Wiederholung von II 16, 4 vor, schließt sich aber im 2. Paragraph an M. an, und zwar enger nach Strab. XV 1, 43, wie aus der Nährzeit von 6 Jahren hervorgeht, als nach Arrian. Ind. XIV 7, der 7 Jahre angibt; in 42, 3f. liegt ein kurzes Résumé der Agenden der Astynomen (vgl. Strab. XV 1, 51. Stein Meg. und Kaut. 252) vor, sowie über die Rechtsprechung, aber ganz farblos.
Aus dieser Analyse von Diodors Exzerpt ergibt sich, daß daraus für den Aufbau der Indika des M. nichts zu gewinnen ist; aber auch Arrians Indike kann in diesem Belang keinen Anhaltspunkt liefern, weil er den M. nicht ausschließlich benützt hat; vgl. die Analyse von Meunier Musée Belge XXVI 5ff. Einen – bis auf eine deutlich erkennbare Einschaltung – zusammenhängenden Auszug aus M. bietet Strab. XV 1, 39–60, der sich für eine Betrachtung nicht nur wegen seiner Ausdehnung, sondern auch darum empfiehlt, weil, wenigstens in seinem wichtigen Kernteile, der seltene Fall einer Kontrolle durch zwei Parallelversionen ermöglicht ist. (Über Strabons Quellen im XV. Buch s. Vogel.)
Strabon beginnt XV 1, 39 mit der Bemerkung, daß die Volksmasse der Inder in 7 Teile [270] eingeteilt werde; die indirekte Rede beweist, daß hier Worte des M. vorliegen; bestätigt wird diese Annahme durch die fast identische, nur direkt wiedergegebene Einleitungsformel bei Diod. II 40. Arrian. Ind. XI 1 hat sich von dem ihm vorliegenden Wortlaut freigemacht. M. berichtete über diese 7 μέρη (so Strabon und Diodor; Arrian: γένεα) fortlaufend; wenn Strab. XV 1, 42 den Exkurs über die Elefantenjagd, der bis 45 reicht, einlegt, so hat M. dies nicht getan, vielmehr ist diese Einschaltung bei Strabon, der noch andere Quellen (Nearchos: 43, 46; Onesikritos: 43, 45; Aristobul: 45) neben M. in der Hauptsache benützt hat, durch die Assoziation des Elefanten als βασιλικὸν κτῆμα hervorgerufen worden. Nicht nur Diodor und Arrian berichten über die 7 Teile in continuo, auch Strabon sagt ausdrücklich 45 Ende: ἐπανίοντες δ' ἐπὶ τὸν Μεγασθένη λέγωμεν τὰ ἑξῆς ὧν ἀπελίπομεν und führt bis zum Schluß von 49 diese Aufzählung durch. Unbedingt dem M. angehörig sind die an die ,Kasteneinteilung‘ anschließenden sozialen Gesetze, wie sie – fast gleichlautend – Diod. II 41, 5. Arrian. Ind. XII 8f. bieten. Auffallend ist allerdings, daß diese beiden Autoren, Diod. II 42, 1ff. Arrian. Ind. XIIIf., ersterer kürzer, vgl. auch schon II 16, 4, anschließend über die Elefanten sprechen; daß dies M. nicht getan hat, darf man wohl aus Strabon schließen, wo die folgende Darstellung der Beamtungen gut zu dem Vorhergehenden stimmt; ein Beweis, daß es sich so verhält, ist Diod. II 42, 3f., ein ganz oberflächlicher, nur das für ihn oder seine Leser Interessante heraushebender Auszug aus den ἀστυνόμοι. Strabon fährt, jedenfalls dem Texte des M. folgend, in der Schilderung der militärischen Beamten fort (in 52) und geht dann zur Schilderung der Lebensweise, den ,Privataltertümern‘, über. Daß diese Partie, von 53–55 reichend, einheitlich aus M. entlehnt ist, ergibt sich aus ihrem Zusammenhang; die Unterbrechung in 54 (mit Unrecht sieht Breloer II 27f. diese Stelle des Onesikritos [frg. 20 = FGrHist 134 F 25] als eine Kritik des M. und nicht als Bemerkung Strabons an), wo Onesikritos’ Zeugnis über das Fehlen der Sklaverei im Reiche des Musikanos steht, ist eine Wiederholung aus XV 1, 34, durch Assoziation hervorgerufen, und beweist, daß noch immer M. vorliegt, was auch aus dem φησί in 56, dem λέγει in 57, aus dem Bericht über die zu Sandrokottos nicht gebrachten, bezw. im Lager sich nur kurze Zeit aufhaltenden Völkertypen, endlich aus der namentlichen Anführung des M. zum Schluß von 57 hervorgeht. Trotzdem also dieser Teil bei Strabon in seiner Gesamtheit aus M. stammt, bleibt die Frage offen, ob hier ein zusammenhängendes Exzerpt aus M. vorliegt, etwa wie die Ktesiasepitome bei Photios. Da ist es nun möglich, auf eine Einzelheit zu verweisen: auf den Elefanten-Exkurs. Er steht bei Strab. XV 1, 42–43; ihm schließt sich der Exkurs über die goldgrabenden Ameisen in 44 an und in 45 ist ganz deutlich die Arbeitsweise Strabons zu erkennen, die er selbst verrät: Ἐπεὶ δ’ ἐν τῷ περὶ τῶν θηρευτῶν λόγῳ καὶ τῶν θηρίων ἐμνήσθημεν ὧν τε Μεγασθένης εἶπε καὶ ἄλλοι, προσθετέον καὶ ταῦτα.
Hervorgerufen wurde der Elefanten-Exkurs durch die Besprechung des dritten Teiles, der [271] ποιμένες und θηρευταί in 41, seine Einschaltung gibt Strabon am Ende von 45 selbst zu. In Arrians Indike findet sich der Exkurs XIIIf., nach den Ehe- und Berufsgesetzen, also nach den 7 Berufsschichten der Inder, ebenso bei Diod. II 42, 1f. Trotz dieser Übereinstimmung dieser beiden Autoren ist nicht dies die ursprüngliche Stelle des Exkurses im Berichte des M. gewesen; denn gerade diese beiden ununterbrochenen Darstellungen der ,7 Kasten‘ sowie die doppelten Andeutungen eines Einschubes (o. S. 269f.), die Zitate anderer Autoren beweisen dies. Von der Jagd ist 55 die Rede, die Elefanten werden nicht nur zu dieser, auch zu Kriegszwecken verwendet; hier war wohl der geeignete Punkt, über die Jagd und Naturgeschichte des Elefanten einiges zu bringen. Klar ist auch, daß XV 1, 44, den Bericht über die goldgrabenden Ameisen enthaltend, nicht innerhalb der ,Kasten‘ seinen Platz gehabt haben kann; inhaltlich hat diese Geschichte mit dem Elefanten gar nichts zu tun, vielmehr verrät sie durch ihren Inhalt selbst, daß sie zu den wunderbaren Dingen Indiens gehört. Sie wird somit an XV 1, 57 anzuschließen sein, um so mehr, als dort am Ende vom Flußgold die Rede ist; ähnlich werden die goldgrabenden Ameisen in XV 1, 37 im Zusammenhang mit sonderbaren Tieren und Menschen erwähnt.
§ 9. Aufbau der Indika
Im 2. Buche seiner Indika hatte M. jedenfalls von den Sitten der Inder gehandelt, wie aus Athen. IV 153 d hervorgeht; dementsprechend hat schon Schw. praef. 24 die Partie bei Strab. XV 1, 53–55 dem 2. Buche zugewiesen. Trüdinger (76 und A. 3) glaubt, daß die Schilderung der mores sich an die Militärbeamtungen angeschlossen habe, vermittelt durch den Gedanken der Einfachheit, besonders auf Feldzügen; damit würde auch die ,Kasten-‘ und Beamtendarstellung ins 2. Buch gehören. Nach dem Zeugnis des Clemens Alexandr. bildete die Philosophie der Inder den Gegenstand des 3. Buches; darum ist das Exzerpt des Strab. XV 1, 58–60 dem 3. Buche zuzuweisen, ferner ein Anhang in 68 (von p. 718 bis Schluß von 68; wem 69 angehört, ist nicht sicher zu entscheiden). Der Beginn von 58: Περὶ δὲ τῶν φιλοσόφων greift wohl auf die als erstes der 7 μέρη angeführten Philosophen zurück; somit wäre für das 3. Buch die ,Kasten-‘darstellung anzunehmen, d. h. Strab. XV 1, 39–41. 46–49. 58–60, 68 (teilweise). Der Sittenschilderung des 2. Buches ist als Ergänzung die Darstellung der Beamtungen anzugliedern; also Strab. XV 1, 50–52; an 55 wird sich, da am Schluß dieses Paragraphen vielfach vom Elefanten die Rede ist, die Schilderung der Elefantenjagd angeschlossen haben, zumal der dritte Grund zur Ausfahrt des Königs die Jagd ist. Sicher ist, daß M. im 1. Buche über die Geographie Indiens, seine Grenzen, Größe, Gebirge, Flüsse gehandelt hat; die Aufzählung der letzteren wurde eingeleitet durch die bei Strab. XV 1, 37 und Arrian. Ind. IV 1 sich findende Formel, daß das Land jenseits des Hypanis (Hyphasis) weniger gut bekannt sei. Auch der Silas-Fluß wurde wohl in diesem Zusammenhang behandelt, dann kamen die astronomischen und klimatischen Verhältnisse zur Sprache. Als Gegenstand des 1. Buches wird man auch die Völkeraufzählung bezeichnen dürfen, die Arrian. [272] Ind. VII 1 nur andeutet; vgl. seine Worte: καὶ πολλὰ μὲν εἶναι ἔθνεα Ἰνδικὰ καὶ αὐτὸς συμφέρομαι Μεγασθένει mit Plin. ἡ. h. VI 64: gentes quas memorare non pigeat, der in den folgenden Paragraphen die Reste der Ethnographie, wie sie M. nach dem Zeugnis des Arrian geliefert hatte, aufbewahrt hat. Mit Recht hatte Schw. diesen Völkerkatalog unter die Fragmente des M. eingereiht, allerdings unter die fragmenta incerta, da sich Plin. nach n. h. VI 60 auf Seneca stützt; zu seinen praef. 51ff. angeführten Argumenten für die Zuweisung dieser Partie an M. ist noch VI 66 hinzuzufügen, ein flüchtiger, aber sicher auf M. zurückgehender Auszug der ,Kasten'. Es bietet sich kein Anhaltspunkt für eine Entscheidung, ob auch die Aufzählung der Städte in das 1. Buch einzureihen ist. Nach dem Völkerkatalog bei Plinius, wo die Hauptstädte der einzelnen Völker und ihre Heeresmacht angegeben sind, müßte man das annehmen; aus Arrian. Ind. X 2 scheint sich aber zu ergeben, daß M. die Städte gesondert, vielleicht in Gruppen nach ihrer Lage, behandelt hat; vorhergeht bei Arrian. X 1 eine Bemerkung über das Fehlen der Grabdenkmäler bei den Indern; daraus den Schluß zu ziehen, daß die Städte der Sittenschilderung vorangestellt waren, ist untunlich. Aber soviel kann man behaupten, daß sich die Sittenschilderung im wesentlichen auf das Mauryareich, die Prasier, bezog, das zum Mittelpunkt der Darstellung des 2. Buches, somit zu einer Monographie über den Osten geworden ist. An die Ethnographie des 1. Buches wird sich die Fauna und Flora Indiens angeschlossen haben oder ihr vorangegangen sein; die Worte bei Strab. XV 1, 57 zu Beginn und Schluß: Ὑπερεκπίπτων δ' ἐπὶ μυθῶδες bezw. ἐγγυτέρω δὲ πίστεως sprechen dafür, daß M. die wunderbaren Völker, damit auch die θαυμάσια der Pflanzen- und Tierwelt noch im 1. Buch dargestellt hat.
Archäologie, Mythen, Geschichte bildeten die Gegenstände des 4. Buches; dorthin gehören die Dionysos- und Heraklesgeschichten, der Abriß der indischen Geschichte bis auf Candragupta; eingeleitet wurde das 4. Buch offenbar durch einen Überblick über die Kulturentwicklung Indiens. Soweit sich demnach der Aufbau der Indika des M. erschließen läßt, ergibt sich dieses Schema:
- Buch: Geographie, Fauna und Flora, Ethnographie.
- Buch: Sitten, Städte, Prasiermonographie, Beamtungen.
- Buch: Gesellschaft, Philosophie.
- Buch: Archäologie, Mythen und Geschichte.
Schon oben wurde auf die schönfärbende Tendenz der Monographie des M. hingewiesen; sie spricht sich aus in gewissen Details, die der ethnographischen Literatur gemeinsam sind (vgl. J. Jüthner Hellenen und Barbaren 55ff. M. Schussen Mitteilungen d. Vereins klass. Philol. Wien I 1924, 32ff. Dieterich Nekyia2, Berlin 1913, 19ff. Norden D. german. Urgeschichte in Tacitus’ Germania 10ff. Wissowa N. Jahrb. XLVII 1921, 21ff. E. Mayer Ztschr. f. deutsch. Altertum 62 N. F. 50, 1925, 226ff.), in der Philosophie der Inder, soweit hier nicht Strabon seinen Anteil hat, besonders stark ist aber der idealisierende Zug in der Sittenschilderung zum Ausdruck gekommen. Trotzdem muß davor gewarnt [273] werden, deshalb M. als Lügner oder unglaubwürdigen Berichterstatter anzusehen, und das deshalb, weil wirklich einige der Eigenschaften, die er den Indern zuschreibt, zwar nicht schwarz auf weiß bewiesen werden können, aber dem Volkscharakter eignen und bis auf den heutigen Tag sich in einzelnen Männern zu imponierender Größe entwickelt haben. Der Materie nach verteilen sich diese idealisierenden Züge 1. auf das Land und seine Produkte; 2. auf die Menschen in körperlicher und ethischer Beziehung; 3. auf Sitten und Gesetze.
§ 10. Idee, Tendenz und Einflüsse
ἐν ταύτῃ [Ἰνδικῇ] τοῦτο μὲν τὰ ἔμψυχα, τετράποδά τε καὶ τὰ πετεινὰ, πολλῷ μέζω ἢ ἐν τοῖσι ἄλλοισι χωρίοισί ἐστι (vgl. Scriptores physiogn. gr. et lat. II 242 nr. 13f.; J. Partsch S.-B. Sächs. Ges. phil.-hist. Kl. 68, 2 S. 3f.). Das ist das Grundmotiv der Landschaftsschilderung und des Interesses, das, von Herodot. III 106 angefangen, die gesamte griechische Indienliteratur durchzieht, das ja nicht zum geringen Teil auf Wahrheit beruht und auch bei M. wiederkehrt. Die Fruchtbarkeit an Tieren und Pflanzen haben die Alexanderhistoriker hinreichend geschildert, sie ist ein τόπος der Ethnographie überhaupt; dazu kommt, daß man sich nicht mit der Feststellung der Tatsache oder der Aufzählung der einzelnen Produkte begnügte, sondern, wohl als Ausfluß der indirekt auf Aristoteles’ wissenschaftliche und direkt auf Alexanders strategisch-politische Interessen zurückgehenden Forschung (Plin. n. h. VIII 44) an die theoretische Begründung des Reichtums herantrat (vgl. Wenger 20ff. Berve I 65ff. 330). Aristobul, Onesikritos, Nearch (Trüdinger 68) haben, ohne ihre sensationslüsterne Tendenz ganz zu verleugnen, hier vorgearbeitet, aber auch schon klimatische Theorien aufgestellt, die in der Schrift des Autors περὶ ἀέρων, wie Trüdinger 37ff. gezeigt hat, ihren klarsten Ausdruck gefunden haben. Dabei konnte man nicht von Vergleichen mit Äthiopien und Ägypten absehen (Strab. XV 1, 13f. auf Grund von Onesikritos und Eratosthenes), den beiden Ländern, die bis vor kurzem die bevorzugten Objekte des geographisch-ethnographischen Interesses gewesen waren, Vergleiche, die bis zu den Haaren der Menschen reichen (vgl. Poseidonios bei Strab. II 2, 3. XV 1, 13, 24. Herodot hatte III 97. 101 vom schwarzen Samen der Inder und Äthiopen gesprochen, dazu Reese 65f.). Es ist daher nicht zu verwundern, daß Diodor sich II 36 vielfach auf Onesikritos stützt; seine Angabe über die Luft Indiens findet ihr allerdings wissenschaftlicher formuliertes Vorbild gleichfalls bei Onesikritos (Strab. XV 1, 23), wo eine Linie vom Wasser über die Luft zum organischen Leben führt, das in Indien besser und größer sich entwickle als anderswo (vgl. auch Trüdinger 72. Schroeder 43ff.). Unter dem Namen des M. ist zwar nur ein Fragment über die Fruchtbarkeit Indiens frg. II = 9 bei Strab. XV 1, 20 überliefert; da jedoch die Alexanderhistoriker dieses Moment so ausführlich berührt hatten, konnte sich Strabon ein diesbezügliches Exzerpieren des M. schenken. Ein τόπος, dem M. folgt, sei es, weil er hier mit Recht biologische Tatsachen feststellt, sei es, weil er damit die Glückseligkeit der Bevölkerung in bezug auf ein müheloses Genießen der Früchte andeuten will, sind die von selbst [274] (αὐτομάτως) wachsenden Pflanzen (vgl. Diod. II 36, 3, 5. 38, 2. III 63, 3). Arrian. Ind. VII 3f. wird die Ernährung von Baumfrüchten in der Nomadenzeit der Einführung der Samen gegenüberstellt in VII 6. Auch bei den Peripatetikern spielen die von selbst sich darbietenden Produkte als Hauptmerkmal des goldenen Zeitalters eine Rolle, s. J. Mayr Die Lehre der mittleren Stoa, Diss. Würzb. 1920, 14. Das Vorbild reicht bis auf Herodot. III 100, 106 zurück, wo schon von den Wolle tragenden Bäumen die Rede ist, die sich bei den Alexanderhistorikern (Strab. XV 1, 20f. Arrian. Ind. XI 7f.) wie bei M. (bei Arrian. VII 3) finden.
Die Lebensweise, äußere und Charaktereigenschaften, gesetzliche und gesellschaftliche Einrichtungen bieten hinreichend Stoff, um ein Volk wie das der Inder im besten Lichte erscheinen zu lassen. Εὐτελεῖς δὲ καπὰ τὴν δίαιταν Ἰνδοὶ πάντες heißt es bei Strab. XV 1, 53, wo die Lebensweise und Sitten der Inder geschildert werden; kennzeichnend ist hierbei, wie oft in dem im Zusammenhang aus M. genommenen Stück (53–55) Ausdrücke wiederkehren, wie: ἀλήθεια, ἁπλότης, ἀρετή, εὐτέλεια, λιτότης. Der Weingenuß wird den Indern abgesprochen oder wenigstens auf die Verwendung bei Opfern eingeschränkt; damit wendet sich der Grieche deutlich gegen die Trunksucht, die er besonders beim König verurteilt, dessen Tötung durch ein Weib für dieses als ehrenvolle Tat gilt; hier spielt die kynisch-stoisch-platonische Vorstellung vom Königtum herein (vgl. Trüdinger 72 A. 1; s. aber auch schon Ktesias bei Reese 29, unter IV. Lassen III 345f.). Vielleicht zielt auch die – tatsächlich belegbare – Massage auf die dem Philosophen übertrieben erscheinende gymnastische Ausbildung der Griechen hin. Um die leuchtenden Farben nicht zu stark aufzutragen, dabei doch auch das Tatsächliche zu seinem Recht kommen zu lassen, wird auch ein Tadel eingefügt: die im abgesonderten Speisen liegende Gefahr für die Idee des Gemeinwesens. (Unter den absonderlichen Sitten führt auch der arabische Gelehrte Albīrūnī, transl. Sachau I 180 das Speisen jedes Inders für sich an; im Gegensatz zum übrigen Indien bestehen nach Onesikritos im Reiche des Musikanos eine Art lakonischer Syssitia. Müller hatte diese Stelle bei Strab. XV 1, 34 nicht unter das 20. Fragment aufgenommen, was jetzt erst Jacoby FGrHist 134 F 24 getan hat.) Den Grund hat M. nicht erkannt, daß nämlich die in orthodoxen Kreisen bis heute beobachtete Trennung der Geschlechter und Kasten ein gemeinsames Essen ausschließt; wie sehr dem Griechen das allgemeine Wohl, die stoische οἰκείωσις am Herzen lag, ersieht man aus der Begründung seines Tadels: πρὸς γὰρ τὸν κοινωνικὸν καὶ τὸν πολιτικὸν βίον ἐκείνως κρεῖττον. Gegenüber der ἁπλότης in der Kleidung wird die Vorliebe für Schmuck hervorgehoben; über die Grabdenkmäler handelt M. frg. 26, 1. 27, 8 (= Arrian. Ind. X 1. Strab. XV 1, 54; vgl. Trüdinger im Index unter dem τόπος ,Begräbnisform‘). Schönheit und Weisheit gehören zu den Eigenschaften, durch die sich Jugend bezw. Alter auszeichnen müssen (frg. 27, 9). Onesikritos frg. 18 = FGrHist 134 F 21 bei [275] Strab. XV 1, 30, vgl. Nearch FGrHist 133 F 11 bei Arrian. Ind. XVII 1ff. Kleitarch bei Diod. XVII 91, 4f. Curtius IX 1, 24ff. hatten bezüglich der Schönheitsschätzung genauere Berichte gebracht. Nearch frg. 15 = FGrHist 133 F 10 b bei Strab. XV 1, 45, wobei vielleicht auch M. mitbeteiligt ist, vgl. das hier und 60 vorkommende ἐπῳδούς, hatte die Gesundheit der Inder betont, die er der λιτότης τῆς διαίτης und der ἀοινία zuschreibt; Ktesias wußte (bei Reese 10 XII) zu berichten, daß kein Inder an Kopf-, Augen- oder Zahnschmerzen zu leiden, noch Mundgeschwüre oder Eiterbeulen habe. M. hebt das hohe Ansehen der Ärzte hervor, was sich nach indischen Quellen nicht behaupten läßt (s. Stein Meg. u. Kauṭ. 142 u. A. 5. Jolly Medicin 21. J. J. Meyer Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben 813f.), nicht ohne sie als περὶ τὸν ἄνθρωπον φιλοσόφους zu bezeichnen und ihre λιτότης und καρτερία zu berühren. Es gibt kaum einen der gewöhnlich zum Bestand der ethnographischen Literatur gehörenden τόποι (s. Schroeders Zusammenstellung), der nicht in den mit einiger Sicherheit, wenigstens inhaltlich, dem M. zuzuweisenden Teilen seiner Ausschreiber vertreten wäre; wenn sich M. somit auch an eine überkommene Disposition für ethnographische Darstellungen gehalten zu haben scheint, hat er dennoch Punkte, die im Widerspruch mit der Wirklichkeit oder – auch das ist nicht zu vergessen – mit seinen eigenen ethischen Anschauungen standen, nicht um jeden Preis in seine βίος-Schilderung der Inder hineingepreßt. Er behauptet z. B. nicht eine Promiskuität der Weiber (s. Schroeder 21f.), die allerdings auch sonst in der Indienliteratur bis auf den primitiven Bericht bei Herodot. III 101 nicht berührt ist; hier bleibt M. von diesem späten Auswuchs kynischer Lebensforderung, die sogar ein Platon vertrat, frei. Kein τόπος aber ist so geeignet, ein Idealbild entstehen zu lassen, wie der von den Charaktereigenschaften der Inder. Es wurde schon auf die Häufung der Abstrakta für Einfachheit usw. hingewiesen; auch konkrete Beispiele für die Ehrlichkeit werden angeführt, wie: daß trotz der Ansammlung von 400 000 Menschen im Heerlager des Sandrokottos der Wert der während eines Tages als gestohlen gemeldeten Gegenstände kaum 200 Drachmen betrug (frg. 27, 2 = 27, 1 bei Stab. XV 1, 53); oder ebd. frg. 27, 6. daß die Häuser ohne Wächter seien. Neben der Ehrlichkeit ist die Wahrheitsliebe ausgebildet (27, 2); daher entfielen bei den Indern Zeugen und Siegel bei Depositis. Auf der anderen Seite – wieder der realistische Zug der Darstellung des M. – wird die Strafe für falsche Zeugenaussage (27, 12) angegeben. (Die gegen diese Auffassung vorgebrachten Einwände Breloers II 8f. 72ff. 141f. sind nicht stichhaltig.) Sowohl mit der psychischen Kategorie als sachlich eng verbunden mit der ἀλήθεια wird die δικαιότης geschildert; die Einfachheit (ἁπλότης) zeige sich in den Gesetzen und Verträgen, die Leute seien nicht händelsüchtig (μὴ πολυδίκους εἶναι, s. gleich unten); hier scheint eine Spitze gegen die Landsleute des Griechen vorzuliegen; Ailianos v. h. IV 1 (= frg. 27 B) hat vielleicht eine selbständig erweiterte Fassung, daß die Inder das Leihen gegen Zinsen nicht kennen [276] und hinzugefügt: οὐδὲ θέμις ἄνδρα Ἰνδὸν οὔτε ἀδικῆσαι οὔτε ἀδικηθῆναι. M. hatte in den zwei Punkten, die sich gegen die extremen Leidenschaften der Griechen zu wenden scheinen, gegen übertriebene Leibesübungen und Streitsucht, einen Vorgänger in dem Kyniker Onesikritos (frg. 20 = FGrHist 134 F 24) bei Stab. XV 1, 34: ἐπί τινων γὰρ κακουργίαν εἶναι τὴν ἐπὶ πλέον ἄσκησιν, οἵον ἐπὶ τῆς πολεμικῆς καὶ τῶν ὁμοίων · δίκην δὲ μὴ εἶναι πλὴν φόνου καὶ ὕβρεως · οὐκ ἐπ’ αὐτῷ γὰρ τὸ μὴ παθεῖν ταῦτα, τὰ δ' ἐν τοῖς σνμβολαίοις ἐπ’ αὐτῷ ἑκάστῳ, ὥστε ἀνέχεσθαι δεῖ ἐάν τις παραβῇ τὴν πίστιν, ἀλλὰ καὶ προσέχειν ὅτῳ πιστευτέον, καὶ μὴ δικῶν πληροῦν τὴν πόλιν (vgl. Schroeder 31ff.). Die δικαιότης beschränkt sich nicht auf das gegenseitige Verhältnis der Individuen; zum Idealbild des Königs gehört seine Funktion als oberster Richter und dieser Verpflichtung kommt er sogar während seiner Toilette und Körperpflege nach (frg. 27, 6; dazu Curtius VIII 9, 27). Mit Unrecht sieht Smith Asoka, The Buddhist Emperor of India3, Oxford 1920, 142 in dem bei Strab. XV 1, 69; vgl. Herodot. IX 110. Indian Antiquary XXXIV 202 berichteten Haarwaschen des Königs, eine aus Persien auf Indien übertragene Sitte, eine Nachricht des M.; dieser Paragraph bei Strabon geht sicher nicht auf M. zurück, es heißt ausdrücklich: Λέγεται δὲ καὶ ταῦτα παρὰ τῶν συγγραφέων ... Aber die Gerechtigkeit wirkt sich völkerrechtlich aus: οὐ μὲν δὴ οὐδὲ Ἰνδῶν τινὰ ἔξω τῆς οἰκηίης σταλῆναὶ ἐπὶ πολέμῳ διὰ δικαιότητα (frg. 50, 27 = 23 bei Arrian. Ind. IX 12). Daß sich hier der Vorwurf gegen Alexander richtet, beweisen die vorhergehenden Worte, ein Nachhall jedenfalls des Dandamisgespräches bei Arrian. anab. VII 2, 3 (ἐπ’ ἀγαθῷ oὐδενί o. S. 265), im Gegensatz zu Onesikritos’ Darstellung, wo Alexander gelobt wird (μόνον γὰρ ἴδοι αὐτὸν ἐν ὅπλοις φιλοσοφοῦντα, Strab. XV 1, 64). Den Kynikern gilt Zeus, Dionysos, Herakles und nun, wohl unter dem Einfluß der Mythologie und des sich anbahnenden Gotteskönigtums, Alexander selbst als Kulturbringer, wie Mühl 52ff. ausführt; aber daß die Stoa an diesem Gedanken teilhat, ist mit dem aus M. zu gewinnenden Standpunkt nicht vereinbar; vgl. hingegen M. bei Strab. 68. Wilcken S.-Ber. Akad. Berl. 1923, 175f. Bei Suidas, s. v. Ἰνδοί 2 heißt es dann: οὐ γὰρ ὅσιον αὐτοῖς πολεμεῖν πρὸς ἄνδρας ἀδικουμένους; Ktesias sagte schon, daß die Inder gerecht seien (bei Reese 8 IV. 9 VIII 4. XI 1. 11 XIVf.), und hat über ihre Gerechtigkeit und die wohlwollende Gesinnung des Königs gesprochen (bei Reese ebd. XI 2). Über die alte Vorstellung von der Gerechtigkeit der Völker am Rande der Oikumene s. Dieterich Nekyia2 35f. Schroeder 36. Auch ein Feldzug, sogar die Entsendung von Kolonisten erscheint den Indern als Unrecht (frg. 50, 27; vgl. Diod. II 38, 1. 39, 4; dazu Trüdinger 5 A. 4); dabei ist an Eroberungsfeldzüge zu denken, da ja schon die Existenz der Krieger und der Militärbeamten ein Fehlen der militärischen Ausbildung ausschließen; hingegen sind die kriegsrechtlichen Bestimmungen über den Schutz der Ackerbauer idealisierende Konstruktion (s. Stein Meg. u. Kauṭ. 126f.). Entsprechend dem älteren Zeugnis (Nearch. frg. 7 = FGrHist 133 F 23 bei Strab. XV 1, 66) und [277] teilweise ihm widersprechend (ebd. 67 bei Strabon), leugnet M. nicht nur die Existenz geschriebener Gesetze (zum ἄγραφος νόμος Mühl 9 und A. 27), sondern die Kenntnis der Schrift überhaupt; dies ist der erste Punkt, wo er entgegen besserem Wissen seiner schönfärbenden Darstellung zu liebe die Wahrheit verfälscht hat. Ebenso ist es unrichtig, falls man aus heutigen Verhältnissen zurückschließen darf, wenn M. die Inder als nicht prozeßsüchtig darstellt, da die Prozeßsucht in moderner Zeit mit zu einem der schwierigen Probleme im nationalen Erneuerungskampfe zählt (vgl. Gandhi Jung-Indien 140ff.; bes. 174: ,Stünden wir nicht im Banne der Rechtsanwälte und gäbe es keine Bauernfänger, die uns in den Sumpf der Gerichtshändel zu ziehen versuchen, indem sie sich an unsere niedrigsten Leidenschaften wenden, könnten wir ein viel glücklicheres Leben führen‘). Nach Diod. II 36, 6 erstrecken sich die Gesetze auch auf das volkswirtschaftliche Gebiet, um das Eintreten einer Hungersnot zu verhindern; es sind das jene Bestimmungen über den Schutz der Landleute und ihrer Felder in Kriegszeiten (s. o. 268f.). Breloer Kauṭalīya-Studien I 11. 117. 118 A. 1 will mit einem Vergleich aus dem Kommentar zu Vasubandhus Abhidharmakoša die Richtigkeit der Nachricht des Diodor erweisen; das Zitat, nebenbei irrig, kann gegenüber den Tatsachen der Geschichte und den Angaben des Arthašāstra den Einwand gegen die idealistische Einstellung des M. und die selbständige Erweiterung seiner Nachricht durch Diodor nicht begründen.) Ein aus der philosophischen Einstellung des Berichterstatters, sei es des M. selbst, sei es aus der seiner Vermittler, fließender Gedanke ist die ἰσότης der Volksglieder. In Diod. II 39, 5, wo dieser Ausdruck vorkommt, liegt ein wichtiger Beweis, daß diese idealisierende Zeichnung nicht dem Strabon allein zuzuschreiben ist; hier hat M. offensichtlich die kynisch-stoische Lehre von der Gleichheit aller Menschen übernommen, soweit sie sich durch den Besitz des Wissens ausdrückt (τοὺς γὰρ μαθόντας μήθ' ὑπερέχειν μήθ' ὑποπίπτειν ἄλλοις κράτιστον ἕξειν βίον πρὸς ἁπάσας τὰς περιστάσεις, Diod. II 39, 5, was durch die weitere Charakterisierung nicht gerechtfertigt wird). Es braucht ja nur daran erinnert zu werden, daß in keiner antiken Gesellschaft die Zerklüftung und unübersteigbare Einpfählung der Schichten, durch Geburt und ein damit verbundenes magisches Charisma, wie Weber (Ges. Aufsätze z. Religionssoziologie II 51f.) das genannt hat, das die Berufsgliederung zur Folge hatte, so weit ausgebildet und durch geistliche und weltliche Gesetze festgelegt war, wie in Indien. Es ist eine, man möchte sagen, sympathische Inkonsequenz des M., wenn er (bei Diod. II 40, 1. Strab. XV 1, 39. Arrian. Ind. XI 1) diese ἰσότης doch aufhebt, indem er die Philosophen an Ansehen als die ersten bezeichnet, ein deutlicher Hinweis auf die stoische Wertung des Wissens, zumal diese Gesellschaftsschichte die geringste an Zahl ist; ebenso hebt er die Gleichheit auf, wenn die Philosophen von körperlicher Arbeit befreit, die Landleute nicht kriegsdienstpflichtig, die siebente Klasse, die königlichen Ratgeber, durch vornehme Geburt (Diod. II 41, 4) [278] ausgezeichnet sind. Erklären sich die ersteren Angaben wohl aus der Staats- und Gesellschaftsauffassung des Philosophen, so sind die letzteren Geistes- und moralische Eigenschaften, wie jene der ἄριστοι καὶ πιστότατοι der 6. Klasse der Aufseher (Strab. XV 1, 48; vgl. zur 7. Klasse: σοφίῃ δὲ καὶ δικαιότητι ἐκ πάντων προκεκριμένον bei Arrian. Ind. XII 7); diese Einschränkungen vermögen der als status civilis zu verstehenden, vor dem Staatsgesetz bestehenden ἰσότης (Diod. II 39, 5: εὔηθες γὰρ εἶναι νόμους μὲν ἐπ’ ἴσης τιθέναι πᾶσι) keinen Abbruch zu tun und nur wieder die philososphisch-idealistische Einstellung des Berichterstatters zu erweisen. (Das hat, von anderen Erwägungen ausgehend, auch Kaerst Geschichte des hellenistischen Zeitalters II 1, 172ff. erkannt; er behauptet nicht, wie ihm Breloer Kauṭalīya-Studien I 50f. zuschreibt, eine Übertragung griechischer Utopien auf Indien, sondern nur, und dies mit Recht, die dem Griechen vertraute Vorzugsstellung der Philosophen.) Daher – und hier begeht M. dieser seiner Einstellung zuliebe die zweite gröbere Verfälschung der Tatsachen – leugnet er die Existenz von Sklaven (Diod. II 39, 5. Strab. XV 1, 54, vgl. 59. Arrian. Ind. X 8). Strabons Polemik im Anschluß an Onesikritos (s. dessen frg. 20 = FGrHist 134 F 24, 25), daß nur im Reiche des Musikanos keine Sklaven verwendet würden, beachtet nicht, daß dieses Volk sich der Jünglinge statt der Sklaven bediene, was auch die Philosophen tun, Strab. 59.
Hat sich M. offenkundig den tatsächlichen Verhältnissen Indiens gegenüber Verfälschungen zu Schulden kommen lassen, um seinen Lesern ein Volk von hohem sittlichem Stand zu schildern, so ist es nicht so leicht festzustellen, wie weit er hierin in der Darstellung des altindischen Staates und seiner Verwaltung gegangen ist. Der Grund liegt zunächst in einem äußeren Umstand: der Erhaltung der betreffenden Partien, die nur in einer Version, bei Strab. XV 1, 50–52, vorliegen; hingegen ist bei der Gesellschaftsgliederung die sonst nicht wiederkehrende Möglichkeit gegeben, durch drei Versionen, bei Diod. II 40–41, 4. Strab. XV 1, 39–41. 46–49. Arrian. Ind. XI–XII 7, wozu ergänzend Plin. n. h. VI 66 und daraus Solin. LII 9, wenn auch oberflächlich, treten, die Nachrichten des M. zu rekonstruieren. Hier kann es sich nicht um eine ins einzelne gehende Interpretation handeln (s. Stein Meg. u. Kauṭ. 119ff.), sondern nur um ein Herausheben jener Elemente, die der schönfärbenden Tendenz zufolge aufgenommen und vielleicht aus anderen Werken der griechischen Staatsutopie entlehnt sind. (Vgl. Salin Platon u. d. griech. Utopie 215ff. über die sechs συντάγματα bei den Ägypten nach Hekataios von Abdera, Diod. I 73f.).
Daß M. an die Spitze der indischen Gesellschaft die Philosophen gestellt hat, unter denen jedenfalls die Priesterkaste der Brahmanen, aber, wie aus Strab. XV 1, 58ff. hervorgeht, auch die Asketen anderer Religionsgemeinschaften Indiens inbegriffen sind, entspricht durchaus der sozialen Wertung seitens der Inder selbst. Es wird aber nicht ganz in Abrede gestellt werden können, daß M. diese gegebenen Verhältnisse gelegen kamen, da sie seiner persönlichen Einstellung entsprachen: darum hebt er nur zu gern die verhältnismäßig [279] geringste Kopfzahl dieser Schichte und ihr größtes Ansehen, ihre Befreiung von jeglicher körperlicher Arbeit, ihre Unabhängigkeit hervor. Bei den an zweiter Stelle stehenden Landleuten fallen einige Züge auf, die einen idealisierenden Beigeschmack haben, zumal sie sich aus der indischen Literatur nicht nachweisen lassen. Dazu gehört die Befreiung vom Kriegsdienst; schon diese Bemerkung legt die Annahme nahe, daß M. an eine Teilung der Bevölkerung mit strenger Berufsgliederung geglaubt hat, wie er ja als 5. Stand die Krieger nennt, ohne die Kaste der Kṣatriya erkannt zu haben oder daß es natürlich auch aus den der Vaišyakaste zuzurechnenden Landleuten Soldaten gegeben haben muß, die den Großteil der Truppen gebildet haben, ebenso wie andere Kasten im Heere vertreten waren, selbst Brahmanen. Diese ἀστρατεία der Landwirte erinnert an Platons strenge Arbeitsteilung im ,Staate‘ (II 369 d–370 a. III 397 e. IV 434 a b. VIII 551–552 a), wo gerade öfters die Notwendigkeit, die Ackerbauer nur ihrer eigentlichen Aufgabe zu erhalten, betont ist. Ebenso hat die Notiz des M., daß die Landleute sich des Besuches der Stadt enthalten, einen theoretischen Zug, der mehr einem platonischen νόμος seines Idealstaates als tatsächlichen Verhältnissen entsprechen dürfte. Mit Sicherheit darf man, nicht nur auf Grund der Natur kriegerischer Ereignisse und der sie herbei- und durchführenden Individuen, sondern auch gestützt auf die entgegenlautenden Zeugnisse der indischen Literatur behaupten, daß jene Angabe des M., bei Kampfhandlungen werde das Ackerland verschont, Ausfluß seiner Denkweise ist; dazu tritt, daß Platon (Staat V 470f.), wo er zwischen στάσις gegenüber den Hellenen und πόλεμος gegenüber Barbaren unterscheidet (vgl. Mühl 17 u. 25), bei ersteren, also unter den Stammesbrüdern, die Verwüstung des Landes und Niederbrennung der Städte verwirft, hingegen die Wegnahme der Ernte zuläßt. (Da die Inder nie gegen Fremde Krieg führten, kommt Platons Krieg gar nicht in Betracht.) Es hieße die Unvoreingenommenheit dem Berichte des M. gegenüber aufgeben und ihm Gewalt antun, noch weiter nach gedanklich ähnlichen Stellen bei Platon zu suchen; aber erwähnt sei wenigstens, daß er II 370f. von der Entstehung des Hirtenstandes (370 d: βουκόλους τε καὶ ποιμένας τοὺς τε ἄλλους νομέας; vgl. Diod. II 40, 6: τρίτον δ' ἐστὶ φῦλον τὸ τῶν βουκόλων καὶ ποιμένων καὶ καθόλου πάντων τῶν νομέων; Arrian. Ind. XI 11: τρίτοι δὲ εἰσιν Ἰνδοῖσιν οἱ νομέες, οἱ ποιμένες τε καὶ οἱ βουκόλοι), des Handwerkerstandes (370 d), des Krämer- und Kaufmannstandes (371 c d) spricht, die bei M. dem 4. Stande zugezählt werden; bei Platon heißt es auch, daß die Landleute zu viel Zeit verlören, wenn sie selbst ihre Waren auf dem Markte in der Stadt verkaufen sollten, daher ist es notwendig, daß andere Leute diese Vermittlung übernehmen, eben die κάπηλοι. Der 5. Stand der Inder ist der der Krieger; ausführlich beschäftigt sich Sokrates bei Platon (373 e) mit den Wächtern. Damit ist freilich eine Parallele zwischen M. und Platons Staat erschöpft; abgesehen davon, daß Sokrates überhaupt nur drei Stände zugesteht, den der Landleute, Beihelfer und Wächter, M. von sieben Berufsschichten [280] spricht, entnimmt Sokrates für seinen demokratischen Staat den Wächtern die herrschende Oberschichte, während in der indischen Monarchie die siebente Klasse der Besten und Vornehmsten für sich gezählt und ihre Angehörigen dem Könige als beratende Organe zur Seite stehen. Alle diese Unterschiede, zu denen noch die zahlreichen Aussagen über die einzelnen Aufgaben, die Stellung innerhalb des Staates sowie die Abgaben an diesen treten, lassen es nicht zu, an eine durchgehende Beeinflussung des Gesellschaftsbildes bei M. durch Platon zu glauben; aber daß dem philosophisch interessierten und gebildeten Gesandten bei seiner Arbeit jenes Idealgebilde des platonischen Staates vor Augen geschwebt habe, ist zwar nicht erweisbar, jedoch auch nicht ganz von der Hand zu weisen. (Einen Einfluß des platonischen Idealstaates auf Ephoros nahm schon Riese Die Idealisierung der Naturvölker des Nordens, Heidelb. 1875, 20f., an.)
Wie bemerkt, bietet nur Strabon einen zusammenhängenden Auszug über die Beamtungen; um so gefährlicher, an ihm die idealisierende Beimischung zu belegen, da es nicht einmal gelingt, das Tatsächliche im Berichte des M. durch indische Quellen zu stützen, wenigstens was das Gerippe des ganzen, die Organisation, anlangt, von den einzelnen Beamtungen ganz zu schweigen (Stein Meg. u. Kauṭ. 232ff.). Jedenfalls macht der bei Strabon erhaltene Bericht den Eindruck, als hätte M. die Beamtungen nach griechischem Muster gegliedert; auch die Befugnisse und Aufgaben scheint er unter dem Einfluß seiner griechischen Erziehung geschildert zu haben. So, um nur ein Beispiel zu geben, wird den Astynomen als Kollegium die Aufsicht über die Stadtmauern, den Markt, Hafen und Heiligtümer zugeordnet; Aristoteles nennt für größere Gemeinwesen die τειχοποιοί, λιμένων φύλακες (Lipsius Das Attische Recht I 92. Aristoteles polit. VI 5, 3. 1321 b 23ff.). Daß in Indien eine städtische Behörde über Heiligtümer gewacht hätte, ist bei dem von griechischen Verhältnissen gänzlich verschiedenen Charakter der Stellung von Kirche und Staat in Indien so gut wie unmöglich; bei Platon, leges VI 759, sind für die Tempel die Priester selbst zuständig; im Arthašāstra des Kauṭilya kommt ein devatādhyakṣa vor, d. i. ,Aufseher über die Gottheiten‘. Näheres über seine Aufgaben und Pflichten ist nicht bekannt; nach dem Kommentar des indischen Herausgebers Gaṇapati Šāstri hätte er sich um die Tempel und die bei festlichen Aufzügen verwendeten Zugtiere zu kümmern. Als erste Körperschaft nennt M. die ἀγορανόμοι; wie schon früher gezeigt (Stein 233f.; unabhängig davon, aber ohne Beweise Bevan Cambridge History of India I 417; s. auch 508 A. 2; weit früher sprach diese Vermutung Lumbroso Recherches sur l’économie politique 245 A. 2 aus), ist dafür ἀγρονόμοι zu lesen. Von ihren Agenden: Landvermessung, Sicherstellung des Wasserbedarfes, Aufsicht über die Jäger, Steuereinhebung, Aufsicht über die Arbeiter und Landstraßen sind einige mit griechischen Analogien in Verbindung zu bringen, und zwar, was nicht unwichtig ist, mit dem Idealstaate Platons. Leges VI 761 a–c schreiben den ἀγρονόμοι gleichfalls die Fürsorge für die [281] Wasserverteilung zu, 761 a für die Wege; 761 e gesteht ihnen auch strafrechtliche Befugnisse wie bei M. zu (καὶ τιμῆς καὶ κολάσεώς εἰσι κύριοι τοῖς ἐπαξίοις). Unter den ἀστυνόμοι faßt M. Beamte zusammen, deren Pflichten in Griechenland auf drei Kollegien verteilt waren; auf die ἀστυνόμοι, die eigentlichen Stadtbeamten, die ἀγορανόμοι, die Marktpolizei, und auf die μετρονόμοι, die Aichbehörde. Aristoteles, Ἀθ. πολ. 50f., kennt noch für Athen die ἱερῶν ἐπισκευασταί, σιτοφύλακες und ἐμπορίου ἐπιμεληταί. Auffallend am Bericht des M. ist auch die gleiche Gliederung der Stadt- und Militärbeamten in sechs Pentaden; nicht nur, daß eine solche Organisation in Indien nicht belegbar ist, macht sie schon an und für sich den Eindruck einer künstlichen Schematisierung. Während nun die griechischen Astynomen eine Straßen- und Baupolizei, von den ἱερῶν ἐπισκευασταί und ὁδοποιοί unterstützt sind, verteilen sich bei M. andere Agenden auf die so genannte kollegiale Behörde. Hervorzuheben jedoch ist ein Umstand, der wieder darauf zu führen scheint, daß dem M. irgendwie griechische Verhältnisse bei seiner Schilderung vorgeschwebt haben, nämlich die Fünfzahl. Man findet diese Zusammensetzung nicht nur bei Platon, leges VI 760 b bei den ἀγρονόμοι und φρούραρχοι; bei den ἀγορανόμοι 763 e; in Athen waren, nach Aristoteles, Ἀθ. πολ. 50, 2, die ἀστυνόμοι in je eine Pentade für die Stadt und den Peiraieus geteilt, ebenso die ἀγορανόμοι (51, 1), die μετρονόμοι (51, 2), die σιτοφύλακες (51, 3), die ὁδοποιοί (seit dem 4. Jhdt.; 54, 1), wobei allerdings die Vertretung der zehn Phylen maßgebend war. Die sich bei den zivilen Beamtungen immerhin bietenden Analogien schwinden völlig bei den Militärbeamten und machen daher eine Beeinflussung durch Platon weniger wahrscheinlich. Endlich wäre noch die Frage zu erwägen, ob nicht allgemein hellenistische Einrichtungen auf Indien übertragen sein könnten; nur ist es nicht leicht, aus den doch zu ungenügenden Angaben Strabons einen Vergleich mit dem komplizierten Regierungs- und Wirtschaftsapparat, besonders Ägyptens, zu ziehen. Über die Organisation des Seleukidenreiches bestehen keine so zahlreichen aufklärenden Quellen wie über jenes der Ptolemäer, an das man sich wird halten müssen, wiewohl hellenistische Einflüsse, wenn sich deren Spuren bei M. nachweisen lassen sollten, eher aus seiner Stellung beim Satrapen des zum Seleukidenreiche gehörenden Arachosien abzuleiten wären.
Was die Vermutung wachruft, daß hellenistische Vorbilder bei der Schilderung des indischen Beamtenwesens mitgewirkt haben, sind die Beamtentitel bei Arrian. Ind. XII 7: νόμαρχοι, ὕπαρχοι, θησαυροφύλακες, στρατοφύλακες, ναύαρχοι, ταμίαι, τῶν κατὰ γεωργίην ἔργων ἐπιστάται. Arrian sagt aber nichts über die Aufgaben dieser Beamten, deren Funktionen nur aus ihrem Titel zu erschließen sind. Zunächst ist der νόμαρχος zu einem νομάρχης zu machen (so richtig Chantraine und Roos), da Arrian. anab. III 5, 2, 4. V 8, 3. 18, 2. VI 16, 1 durchwegs diese Form gebraucht; die Kompetenzen dieses Beamten lassen sich aus den Stellen ableiten, wo es sich um indische Nomarchen handelt, wie V 18, 2. VI 16, 1. An ersterer Stelle ist Spitakes ὁ νομάρχης [282] τῶν ταύτῃ Ἰνδῶν, d. h. der Inder am Hydaspes, an der zweiten wird Oxikanos (Berve II nr. 589 schreibt: Ὀξυκανός) als Verwaltungsbeamter eines Landesteiles mit militärischer und ziviler Machtbefugnis gekennzeichnet; in Ägypten ist der Nomarch ein mit der Aufsicht über die Landwirtschaft, besonders der königlichen Domäne, betrauter Hilfsbeamter des Strategen (Bouché-Leclercq Les Lagides III 137). Der Hyparch erscheint als kleiner Fürst, so heißt Taxiles ὁ ὕπαρχος τῆς πόλεως (Arrian. anab. V 8, 2; vgl. gleich darauf, in 8, 3, den Nomarchen Doxare[u]s); V 2, 2 macht Alexander den Akuphis zum Hyparchen der Nysaier; man wird also, da Arrian neben νομάρχαι die ὕπαρχοι nennt (so anab. VI 27, 4), doch einen Unterschied machen müssen (anders Berve I 268 A. 5; im Seleukidenreich ist der Hyparch, wie Satrap, Strateg, Eparch im Verhältnis zum Herrscher ein Untergeordneter, es sind dies Beamten; aber keine Amtstitel, so Bouché-Leclercq Les Seleucides II 528). Über eine ausnahmsweise Benennung eines Finanzbeamten als ὕπαρχος s. Berve I 315 A. 1. θησαυρο- und στρατοφύλακες sind wohl nur zur Bezeichnung ihrer Tätigkeit gewählte Ausdrücke; dennoch lassen sich die ersteren als Vorsteher lokaler Schatzhäuser nachweisen (Berve I 317), auch im Seleukidenreich (Polyain. IV 9, 4). Die Agenden des στρατοφύλαξ umschreibt Strab. XV 1, 46 durch die Auslieferung der Waffen aus dem ὁπλοφυλάκισν (XV 1, 52) an die Soldaten. Der Befehlshaber einer Flotte heißt schon unter Alexander ναύαρχος (Berve I 160ff.); nach Strab. XV 1, 52 ist dem indischen Nauarchen eine Pentas von Marinebeamten untergeordnet, nach 46 vermietet er gegen Gebühren an Seefahrer und Großkaufleute Schiffe. Bei den τῶν κατὰ γεωργίην ἔργων ἐπιστάται sind Agenden der ägyptischen Nomarchen mit den des ἀρχιτέκτων verbunden. Irrig wäre die Annahme, daß nur dem Arrian diese, etwas farblosen, Beamtentitel zuzuschreiben sind (Stein 192f.); denn auch Strabon gebraucht den selten vorkommenden Ausdruck στρατοφύλαξ, ferner ναύαρχος, und das macht ihre Verwendung durch M. wahrscheinlich. Nur aus den Einrichtungen selbst ließe sich die Frage entscheiden, ob die Berührungen mit hellenistischen Vorbildern tiefer gehen als bis zu den Beamtentiteln; trotz der Unsicherheit auf diesem Gebiete seien einige Punkte hervorgehoben. So wurden Geburts- und Sterbefälle im ptolemäischen Ägypten zwar nicht registriert (Wilcken Grundzüge I 1, 173f.; vgl. auch Levison Bonn. Jahrb. 102, 1898, 68ff., 75ff.), aber die Bevölkerung nach der Kopfzahl und dem Besitz der einzelnen Familien aufgenommen (die sog. ἀπογραφή), erst unter Marcus Aurelius fand ein offizielles Geburts- und Todesfälleregister Eingang (Bouché-Leclercq Les Lagides III 290ff. IV 107 A. 2). Ausdrücke wie: χώρα βασιλικὴ, βασιλικόν für den Königs- und Staatsschatz, die Leiturgien, Pachtverhältnisse und Steuern, das alles deutet auf Einrichtungen wie in den hellenistischen Staaten, die sich jedoch ungezwungen aus der ähnlichen Staats- und Wirtschaftsform ergeben – das würde durch eine eingehende Untersuchung auf Grund der indischen Quellen noch deutlicher werden –, ohne daß an [283] eine gewollte Herübernahme aus dem Westen gedacht werden müßte. (Vgl. jetzt auch Breloer Kauṭalīya-Studien I 64ff. 81ff.) Auf zwei Momente mit Bezug auf eine Übertragung seleukidischer Einrichtungen sei hier nur hingewiesen: der in Ägypten seltener als im Seleukidenreich zu belegende Titel μεριδάρχης findet sich interessanterweise in zwei indischen Weihinschriften, die etwa aus dem 3./2. Jhdt. v. Chr. stammen, s. Thomas Festschrift E. Windisch, Leipzig 1914, 362ff.; ders., Journal of the Royal Asiatic Society 1916, 279ff., jetzt Konow Corp. Inscr. Ind. II 1, 2ff. Dann wäre vielleicht noch Strabons διοίκησις τῶν ὅλων (XV 1, 49) zu berücksichtigen; dieser Ausdruck, so allgemein er ist, erinnert an den zeitweise als Vertreter des Herrschers eingesetzten ἐπιμελητὴς τῶν ὅλων, der auch in der Mehrzahl und unter ähnlichen Titeln vorkommt (Bouché-Leclercq Les Seleucides II 529f.). M. hat, so kann man abschließend sagen, hellenistische Termini gebraucht, da er als Staatsbeamter einer seleukidischen Provinz durch sie die Einrichtungen des teilweise, weil monarchisch, ähnlich organisierten indischen Staates am besten zu begreifen und seinen Lesern verständlich zu machen vermochte. Darum ist die Frage, ob in seiner Schilderung der Verwaltung hellenistische Einflüsse vorliegen, nicht völlig abzuweisen, wenn sich diese auch nur in der Terminologie verraten; ob aber in der Schematisierung der Beamtungen [284] nicht eine gewollte Anlehnung an literarische Staatsgebilde zu erkennen ist, bleibt bei dem dürftigen Material unentschieden.
IV. Indien bei Megasthenes
§ 11. Das Land
Für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des M. und des Wertes seines Berichtes ist es wichtig zu wissen, was der Autor von Indien gesehen hat; dazu gehört aber eine Untersuchung seiner Quellen, d. h. festzustellen, welcher Art seine Informationen waren. Es wird daraus schon verständlich, wie wertvoll eine solche Überprüfung seiner Angaben für die Indologie werden kann, da durch sie ein ausländischer Zeuge für das Indien des 4./3. Jhdts. v. Chr. gewonnen ist.
a) Grenzen
Die Grenzen Indiens nach M. und Eratosthenes (Berger Erat. 227) scheinen bei Arrian. anab. V 6, 2 vorzuliegen; danach wird Indien gegen Osten bis zum Süden begrenzt vom großen Meere, im Norden vom Kaukasos bis zu seiner Vereinigung mit dem Tauros, im Westen bildet der Indos bis zum großen Meere die Grenze. Ausführlicher behandelt Arrian die Grenzen in der Ind. II 2–7: gegen Norden der Tauros (beginnt bei Pamphylien, Lykien und Kilikien, erstreckt sich bis zum Ostmeere, wird anderswo Parapamisos, Emodos oder Imaos u. a. genannt, die Makedonen unter Alexander gebrauchten den Ausdruck Kaukasos); gegen Westen ist der Indos die Grenze bis zum großen Meere; gegen Süden und Osten das große Meer. Diese breitere Angabe ist aber auch nur ein Auszug aus Strab. XI 8, 1 :
Strab. XI 8, 1: | Arrian. Ind. II 2: | |
τὰ ὄρη ..., ἅπερ οἵ Ἕλληνες ὀνομάζουσι Ταῦρον, ἀρξάμενα ἀπὸ τῆς Παμφυλίας καὶ τῆς Κιλικίας καὶ μέχρι ... | ἀλλὰ ἄρχεται μὲν ἀπὸ θαλάσσης ὁ Ταύρος τῆς κατὰ Παμφύλους τε καὶ Λυκίην καὶ Κίλικας, παρατείνει δὲ ἔστε ... | |
τὰ δ’ ὄρη Μακεδόνες μὲν ἅπαντα τὰ ἐφεξῆς ἀπὸ Ἀρίων Καύκασον ἐκάλεσαν, παρὰ δὲ τοῖς βαρβάροις * τὰ τε [τὰ τῆς Ἀριανῆς καὶ τῆς Ἰνδικῆς ὄρή: Ergänzung Groskurds II 396 A. 1] τὰ προσβότεα [κατὰ μένος ὠνομάζετο ὁ] Παροπάμισος καὶ τὰ Ἠμωδὰ καὶ τὸ Ἴμαον καὶ ἄλλα τοιαῦτα ὀνόματα ἑκάστοις μέρεσιν ἐπέκειτο. | II 3f.: ἄλλο δὲ ἄλλῃ καλέεται τὸ οὖρος, τῇ μὲν Παραπάμισος τῇ δὲ Ἠμωδός· ἄλλῃ δὲ Ἴμαον κληίζεται, καὶ τυχὸν ἄλλα καὶ ἄλλα ἔχει οὐνόματα. Μακεδόνες δὲ οἱ σὺν Ἀλεξάνδρῳ στρατεύσαντες Καύκασον αὐτὸ ἐκάλεον |
Plin. n. h. V 98 (die anderen Parallelstellen bei Berger Erat. 172f. A. 2) führt die barbarischen Namen des Taurus vom Osten gegen Westen zu an; Strabon hat XV 1, 11 die eben ausgehobene Stelle kurz wiederholt, indem er sie mit den Worten einleitet: ἔστι δὲ τοιαῦτα ἃ λέγει ὁ Ἐρατοσθένης. Somit kann Arrian. Ind. II 2–7 nicht aus M. stammen, sondern muß aus Eratosthenes (wie Reuß Rh. Mus. LVII 580 erkannt hatte, vgl. Lüdecke Leipz. Stud. XI 37f. 53. Wenger 110) und den Alexanderhistorikern abgeleitet werden; da Aristobul (bei Arrian. anab. III 28, 5; so richtig Reuß 585f. und Wenger 23 und A. 1) und vielleicht auch Nearch (bei Arrian. V 5, 2; nach Wenger 113 liegt in V 5 Eratosthenes vor, in VI 5 Aristobul, wenigstens in 1–4, ebd. 116) über den Tauros gehandelt haben, hat Arrian Eratosthenes und diese allgemein bei den Alexanderhistorikern gebräuchliche Begrenzung Indiens übernommen und in anab. V 6, 2 nochmals gegeben, anab. V 6, 3–8 weist Trüdinger 66 A. 2 dem Nearch zu; für diesen Autor in der obigen Begrenzungsangabe spricht außer dem Zusammenhang an der Stelle V 5, 2, daß er, anab. III 6, 6. Iust. XIII 4, 15 Lykien und Pamphylien als Satrapie erhielt: ἐπὶ Ταῦρον τὸ ὄρος, also daher seine genauere Kenntnis des Gebirgszuges schöpfte. Es werden demzufolge die frg. 2–4 bei Schw., bezw. frg. 2–3 bei Müller zu kürzen und teilweise ganz aus dem Bestande des M. auszuscheiden sein; übrigens hatte ja schon Schw. frg. 2 und 4 teilweise, frg. 3 ganz durch Einklammerung als unsicher gekennzeichnet. M. hat somit, wenn er überhaupt über die Grenzen Indiens gesprochen hat, dies nur unter Wiederholung des von den Alexanderhistorikern Gebrachten getan, er hat sich nur über die Größe Indiens in neuer, eigener Form äußern können, da er das Land tiefer im Osten kennenlernte. Im übrigen war M. auch kein zünftiger Geograph, wie ein Aristobul, Nearch, Patrokles usw.; er wollte nur Neues und eine ins einzelne gehende Monographie bringen. Und da bot sich ihm zunächst auf landeskundlichem Gebiet Stoff genug, er konnte als erster Grieche Indiens Osten mit eigenen Augen sehen, seine Flüsse, die größer waren als die bisher bekannten, er konnte über ihm nicht selbst zugängliche Gebiete Erkundigungen einziehen, er sah und hörte von Gebirgen, und was ihm weit mehr am Herzen lag, von den [285] Völkern, ihren Städten, Sitten, Sprachen, Religionen und geschichtlichen Überlieferungen. Darum brauchte er sich nicht mit Fragen der Geographie aufzuhalten, die andere vor ihm behandelt hatten (vgl. o. S. 244); daß er z. B. der Größe Indiens Aufmerksamkeit widmete, ist kein Widerspruch, denn er durfte, ja er mußte sich damit beschäftigen, da er Indien erst in seiner Größe entdeckte.
Die folgende Übersicht über das geographische und ethnographische Bild Indiens bei M. hat mit zwei Schwierigkeiten zu kämpfen: einmal mit der textkritischen, d. h. was wirklich von M. stammt, und zweitens mit der exegetischen, d. h. mit der Identifikation der einzelnen Angaben. Da an eine abschließende Interpretation in diesem Zusammenhang nicht zu denken ist – das muß einer kommentierten Ausgabe auf Grund der in den FGrHist bevorstehenden neuen Fragmentsammlung vorbehalten bleiben –, sollen wenigstens die wichtigsten Bemerkungen angefügt werden. (Die Anordnung innerhalb der Gebiete, bis auf die Flüsse, ist aus praktischen Gründen die alphabetische; außer Betracht bleibt auch die Fauna und Flora, ebenso das Mineralreich, über diese s. o. Bd. IX S. 1301ff. Die mit * bezeichneten Gebirge gehören kaum dem M. an.)
b) Gebirge
- *Aornos. Über diesen in der Herakles- und Alexandergeschichte vielerwähnten Felsen (frg. 46, 8. 47, 8, d. i. Strab. XV 1, 8, bezw. Arrian. Ind. V 10) hat M. sich nicht verbreitet, da er die Heraklesgeschichte vom rein archäologischen Gesichtspunkt darstellte. Zur Identifikation s. o. Bd. I S. 2659, 2; über die Lage berichtete M. A. Stein Report of Archaeol. Survey Work in the North West Frontier Province, Peshawar 1905, 19–31, eine Besprechung s. Geographical Journal XXVII 1, 1906, 292f. Smith Early History of India4 60 A. 1. Jetzt ist alles überholt durch den vorläufigen Bericht, den Stein ,Zum Feldzug Alexanders d. Gr. an der Nordwestgrenze Indiens‘ in der wissenschaftlichen Festschrift zur 700-Jahrfeier der Kreuzschule zu Dresden, 1926, 61ff. und eingehend in Geographical Journal LXX 2, 1927, 417ff., 515ff. sowie in seinem Buche On Alexander’s Track to the Indus, London 1929, gegeben hat. Danach ist der Ἄορνος das nahezu 3 km lange Plateau von Pīr-sar (,Höhe des Heiligen’), dessen Nordende gegenüber eine 180 m tiefe Schlucht liegt und dessen kulminierenider Punkt die Höhe von Ūṇa (2658 m) ist, – Problematisch sind daher auch die bisher gegebenen sprachlichen Erklärungen, wie Varaṇā bei Pāṇini IV 2, 82; Marquart Festschrift F. Hirth, Leipzig 1920, 292 A. 3.
- *Calingon. Plinius nennt n. h. VI 27 ein Vorgebirge Calingon, das mit der an der Ostküste siedelnden Völkerschaft der Kaliṅga in Zusammenhang gebracht werden muß. Ob die Stelle auf M. zurückgeht, ist zweifelhaft, da VI 71 die Zuflüsse des Indus auf 19 angegeben werden, während bei Arrian anab. V 6, 8. Strab. XV 1, 32 nur 15 stehen (s. aber später). Nach Ptolem. VII 1, 11 befindet sich das Καλλίγικον (wohl Καλίγγικον zu lesen: so liest jetzt auch Renou La géographie de Ptolemée: L’Inde, Paris 1925) genannte Gebirge im Reiche des Pandion.
- *Capitalia. VI 74 wird bei Plinius als [286] mons altissimus Indicorum Capitalia angeführt (s. o. Bd. III S. 1513).
- Emodos, Imaos. Die unter diesen Namen gehenden Gebirgsstöcke faßten die Griechen des makedonischen Zeitalters unter dem Gesamtnamen Kaukasos zusammen; Plinius nennt die Gebirgszüge Imavus, Hemodus, Paropanisus, Caucasus ein Gebirgssystem, VI 64 bezeichnet er den Imaus als promonturium der montes Hemodi und fügt die Übersetzung des letzteren Namens bei: incolarum lingua nivosum sic (Glosse?) significante. Natürlich ist an beiden Stellen Imavus zu lesen, das einem Sanskrit Himavat entspricht (vgl. die v. l. zu Plin. VI 60: himauos, himauus), während Hemodus (s. o. Bd. V S. 2502ff.), besonders Haemodes bei Mela III 68 einer Prākritform von Haimavata, d. i. *Hemota am nächsten kommt. Vielleicht hat M. beide Ausdrücke kennengelernt, aber Baiton (frg. 3 = FGrHist 119 F 5 bei Plin. n. h. VII 11) nennt eine Imavi montis regio ... Abarimon, das einem *Upa(ri?)himavat gleichgesetzt werden könnte. Im übrigen ist die Bezeichnung Emodos u. dgl. merkwürdig, da haimavata ein Adjektivum ist in der Bedeutung ,das auf den Himālaya sich beziehende‘, oder ,das vom H. stammende‘; die Griechen müßten also das zu ergänzende Substantiv parvata ,Berg‘ unterdrückt haben; vielleicht ist es kein Zufall, wenn Plin. VI 64 von montibus Hemodis, VI 88 von montes Hemodos spricht; s. jedoch R. O. Franke, Pāli und Sanskrit 69 A. 8. (Zum Geographischen auch: Lullies Wissensch. Beilage z. XII. Jahresber. 1886/7 d. Kgl. Wilhelms-Gymnasiums zu Königsberg i. Pr.)
- *Kaukasos. Dieser Ausdruck ist von M. kaum verwendet worden; vgl. o. Bd. XI S. 60f.; nur bei Strab. XV 1, 56 käme er ihm zu.
- *Kondasbe, *Korasibie. Da diese beiden Berggipfel in der nicht auf M. zurückgehenden Dionysosgeschichte des Polyainos I 1, 2 vorkommen, sei nur auf Lassen Ind. Alt. III 124f. Smith a. O. 57 A. verwiesen.
- Maleus. Schon Onesikritos scheint diesen Berg im Gebiete der Oreten gekannt zu haben (frg. 24 a = FGrHist 134 F 10 bei Plin. II 184); bei Plin. VI 69 gilt der Maleus (bei Solin. LII 13: Malleus) als ein Berg im Gebiete der Monaedes et Suari; dem Zusammenhang nach gehört diese Nachricht dem Baiton an, wenn auch M. sie bezüglich der astronomischen Daten nur bestätigt zu haben scheint (Baiton frg. 4 = FGrHist 119 F 4). Lassen II 672 A. 2 will darin den Malaya sehen, 694 und A. 2 die Mandaei und den Mallus bei Plin. VI 64 mit den Monaedes bezw. mit dem Maleus gleichsetzen, wobei er aber die Malli übersieht; o. Bd. XIV S. 898, aber auch S. 828 Art. Malana.
- Mallus. Im Gebiete der Maller, die in die Gangesnähe versetzt werden bei Plin. VI 64; ein Volk dieses Namens ist aus dem Alexanderfeldzug wohlbekannt, keiner der Alexanderhistoriker berichtet von einem Berg, der also vielleicht erst von M. genannt wird (o. Bd. XIV S. 917, 2). Die hier herrschende Verwirrung bedarf einer eingehenden Untersuchung.
- *Meros. Da der Ursprung der Dionysos-Geschichte bei den Alexanderhistorikern liegt, hat M. den Meros nicht als erster genannt. [287]
- *Nulus. Frg. 30 = 31 bei Plin. VII 22. Solin. LII 26; nach Marquarts Konjektur (s. o. S. 241) ist der von Baiton Imaus genannte Gebirgszug gemeint.
- *Paropamisos. Aus keiner der unter dem Bestande der M.-Fragmente angeführten Stellen (s. im Index II. Geographicus bei Schw. 184) läßt sich die Verwendung dieses Ausdruckes durch M. erschließen, vielmehr ist es so gut wie sicher, daß er ihn nicht gebraucht hat; die einzige in Betracht kommende Stelle bei Plin. VI 78 deutet erst recht auf makedonische Quellen hin.
- *Perimula. Für M. wäre dieses Gebirge nur bei Plin. VI 72 belegt; doch ist es zweifelhaft, ob diese Nachricht wirklich auf M. zurückführbar ist, da Plinius dasselbe Vorgebirge IX 106 in einem von M. sicherlich nicht berichteten Zusammenhang erwähnt; auch die bei Ptolem. VII 2, 5. Ailian. n. a. XV 8 sich findenden Angaben machen die Annahme mindestens einer zweiten Quelle neben M. wahrscheinlich, wie schon Lassen III 168f., bes. A 1 u. 2 vermutete hatte, aber auch die Ansetzung zweier Perimula, eines Gebirges und einer Stadt, notwendig. Vgl. Mc. Crindle Indian Antiquary XIII 1884, 373; ders. Megasthenes transl. 1926, 145 A. §; ders. Ancient India as described by Ptolemy, Calcutta 1927, 201f.
Somit ist das Neue, das M. auf dem Gebiete der Orographie bringt, fast gleich Null, nur der Mallus gehört ihm vielleicht an.
c) Flüsse
So unsicher die nicht auch schon bei den Schriftstellern des Alexanderzeitalters vorkommenden Gebirgsnamen auf M. zurückgeführt werden können, so gewiß läßt sich der Umfang seiner hydrographischen Kenntnisse feststellen. Der kritische Arrian bemerkt Ind. V 1–3, daß die Berichte über die Zahl und Größe der indischen Flüsse nur auf Hörensagen beruhen; und wenn auch M. die Namen vieler Flüsse angegeben, ihre Gesamtzahl auf 58 bestimmt habe, so bringt ihm Arrian dennoch keinen Glauben entgegen, weil M. nicht viel von Indien gesehen habe. Diese Kritik ist schon insofern unberechtigt, als M. doch Indien von Westen–Osten wenigstens durchreist hat; sie ist insoweit berechtigt, als M. über manchen Fluß im nördlichen Indien und über das gesamte Flußsystem des Südens nur durch Eingeborene informiert worden sein kann; aber das Neue und insbesondere das Spezielle seines Berichtes macht die Skepsis Arrians zu einer Hyperkritik, die man nicht teilen kann. Bei Plin. n. h. VI 60 wird aus der verlorengegangenen Monographie Senecas die Zahl der Flüsse auf 60 angegeben, sie beruhte also im wesentlichen auf M., wie die Zahl der Völker unter Vergleich von Arrian. Ind. VII 1 ergibt. Für den Indos hätte M. 15 Nebenflüsse genannt: Arrian. anab. V 6, 8. Strab. XV 1, 32; diese Zahl selbst kann jedoch aus der Zeit der Erkundungsfahrten der Makedonen stammen. Darauf deutet Arrian (s. o. S. 283) und Strabons Darstellung weist gleichfalls darauf hin, wahrscheinlich ist Nearchos die Autorität, nicht nur wegen der ihm schon zugewiesenen Stelle bei Arrian, sondern auch wegen seiner Stellung und Kenntnisse. Trotzdem kommt dem M. das Verdienst zu, die Namen der Nebenflüsse überliefert zu haben, da den Makedonen kaum mehr [288] als die von ihnen selbst berührten Flußläufe bekannt waren, wie Arrian. anab. VI 14, 4f. zeigt; wenn auch die Worte Arrian. anab. V 6, 8 den Eindruck erwecken, als hätte er aus den Alexanderhistorikern über das Flußsystem des Indos noch mehr sagen können, so beweist Ind. IV 12: καὶ τούτων τοὺς πολλοὺς Μεγασθένης λέγει ὅτι πλωτοί εἰσιν, daß M. diese Flußnamen angeführt haben muß. Daß Arrians Aufzählung der Nebenflüsse des Indos nicht vollständig ist, läßt sich schon aus seinem Verweis in anab. V 6, 8 entnehmen; von Bedeutung ist auch, daß Plin. n. h. VI 71 die Zahl der Nebenflüsse des Indos auf 19 berechnet, eine Zahl, die allerdings beim Stromsystem des Ganges VI 65 wiederkehrt und gerade deswegen ihre Verwertung als Korrektiv des Arrian erschwert; beachtenswert bleibt jedoch die Abweichung des Arriantextes, der in der Zahlenangabe dem makedonischen Zeitalter folgt, von Plinius, der sich durch Seneca auf die Nachrichten des M. zu stützen scheint. Gar kein Zweifel kann über das zuerst von M. geschilderte Flußsystem des Ganges herrschen; nicht nur, weil M. der einzige Grieche war, dem eine solche intime Kenntnis des Ostens ermöglicht wurde, sondern auch wegen der ihm von Arrian selbst (Ind. IV 2, 6) zugeschriebenen Angaben.
Die Indos-Nebenflüsse (vgl. auch o. Bd. IX S. 1369ff.):
- Hydraotes, s. o. Bd. IX S. 23f. Art. Hyarotis, ind. Irāvatī, jetzt Rāvi.
- Hyphasis, s. o. Bd. IX S. 230ff. Art. Hypasis ind. Vipāšā, jetzt Beas.
- Saranges, s. u. Bd. I A S. 2392; im Gebiete der Κηκέων, d. i. Kekaya oder Kaikeya; s. Lassen I 58 A. Der bei Polyain. I 1. 3. Orph. Arg. 1052 genannte Fluß ist von diesem zu trennen.
- Neudros, s. Lassen I 58 A.
- Hydaspes, s. o. Bd. IX S. 3ff. s. v., ind. Vitastā, bei mohammedanischen Schriftstellern Bihat, Wihat oder Bihatah, in Kašmīr Veth; vgl. jetzt Charpentier Journal of the Royal Asiatic Society 1927, 115ff.
- Sinaros, nach o. Bd. IX S. 35, 56ff. zu Sindros zu verbessern, d. i. Sindhu, Nebenfluß der Vitastā in Kašmīr.
- Akesines, s. o. Bd. I S. 1164, ind. Asiknī, später Candrabhāgā, nach ihren beiden Quellflüssen Candra und Bhāga; da Plin. VI 71 die Cantaba neben dem Akesines anführt, hat wohl auch M. den Namen Candrabhāgā gehört, vgl. auch o. Bd. IX S. 1372, 2ff. Für das chronologische Verhältnis dieses Namens zu dem vedischen ist dieser Punkt nicht unwichtig; jetzt Chenab; vgl. noch Lassen I 56 A. 1.
- Tutapos, angeblich der jetzige Tavi oder Tohi, so Lassen I 55. II 675.
- Kophen, s. o. Bd. XI S. 1361f, s. v., ind. Kubhā, jetzt Kābul.
- Malantos, nach Lassen II 140 A. 3 vielleicht der Awčiri, vgl. II 674; die v. l. lautet Μαλάμαντον, so lesen auch Chantraine und Roos, das einem ind. Mālāvatī? näher käme; o. Bd. XIV S. 828 Art. Malamantos.
- Soastos, ind. Suvāstu, jetzt Swāt; angeblich [289] entspricht ihm der Sodamus bei Plin. VI 94; vgl. Ptolem. Σουάστος: VII 1, 26f., 42, 44.
- Garroia, s. o. Bd. VII S. 1944f. Art. Guraios, ind. Gaurī (Bṛhatsaṃhitā XIV 23: Guruhā), jetzt Panjkōra. (Dazu jetzt M. A. Stein Geographical Journal LXX 2, 1927, 423. 432.) In Wirklichkeit ist 11. Hauptfluß, 12. sein Nebenfluß.
- Parenos, s. Lassen II 674; ihm entspricht vielleicht bei Plin. VI 94 Parospus.
- Saparnos, s. u. Bd. I A S. 2309, s. Lassen II 674; ihm entspricht vielleicht bei Plin. VI 94 Saddaros.
- Soanos, s. o. Bd. IX S. 1372, 36ff.; u. Bd. III A S. 769 s. v.; nach Lassen I 121 A. 3. II 674 Swan, jetzt Sohan, das auf ind. Suvana? zurückginge.
Schon Lassen II 674 bemängelt das Fehlen des Sutlej (Sydrus bei Plin. VI 63; Ζάδαδρος bei Ptolem. VII 1, 27, 42) bei M. und vermutet, daß dieser Fluß Arrian. Ind. IV 8 nach ἐν Καμβισθόλοισι ausgefallen ist (vgl. I 57f. A. 1; aber auch o. Bd. IX S. 235f.). Ferner fehlt der Choaspes, ein Nebenfluß des Kophen, Strab. XV 1, 26. Curt. VIII 10, 22; von ihm ist der Arrian. anab. IV 23, 2 genannte Choes zu trennen, so Mc Crindle Ind. Ant. XIII 339 zu Ptolem. VII 1, 26: Koas. Die Frage ist jedoch zu kompliziert, um hier entschieden zu werden, da Anspach De Alexandri exped. Ind. I 23 n. 67 im Choaspes den Guraios sieht, was jetzt M. A. Stein Geogr. Journal 432; On Alexander’s Track 42f. bestätigt. M. hat sich scheinbar streng an das engere Flußnetz des Indos gehalten, vielleicht auch nur die gangbare Aufzählung geboten, da er selbst Forschungen auf diesem Gebiete nicht angestellt hat. Zu berücksichtigen ist auch, daß Arrians Auszug in Ind. IV 8ff. nicht einwandfrei sein muß, wie schon die Lücke in IV 8 nahelegt.
Neuland ist das Flußsystem des Ganges, dessen Beschreibung M. bei Arrian. Ind. IV 3–5 hinterlassen hat:
- Kainas, s. o. Bd. X S. 1504 s. v. 2.); nach Pape Eigennamen lautet eine Variante Καλινᾶς, jedoch führt weder Chantraines noch Rοos’ Ausgabe eine derartige Lesart an; bei Plin. VI 64 steht Cainnas, von Lassen I 109 A. 1. II 676 mit dem jetzigen Ken identifiziert, aber das ist unsicher.
- Erannoboas, s. o. Bd. XI S. 327 s. v.; vgl. noch GGM I 310. Plin. VI 65 Rhamnumbovam, ind. Hiraṇyabāhu oder Hiraṇyavāhā. Nach Arrian. Ind. X 5 liegt Palimbothra am Zusammenfluß dieses drittgrößten indischen Stromes mit dem Ganges, vgl. Strab. XV 1, 36. Die allgemein angenommene Identifikation mit dem jetzigen Son, der 25° 40' n. B., 84° 59' ö. L. in den Ganges mündet, kann aus einem gleich zu erwähnenden Grunde nicht als endgültig betrachtet werden.
- Kossoanos, s. o. Bd. XI S. 1503 s. v.; dazu GGM I 311. Casuagus bei Plin. VI 65, von Schw. praef. 36 n. als ind. Košavāhā konstruiert, soll ein Beiname des Son sein.
- Sonos, s. u. Bd. III A S. 995 s. v.; vgl. auch ebd. 770 s. Soas; s. auch Indian Antiquary LIII, 1924, Append. 188 s. Soṇa; bei Plin. VI 65 Sonus, ind. Šoṇa, jetzt Son. [290]
- Sittokatis, s. u. Bd. III A S. 411 s. v.; mit keinerlei Sicherheit zu identifizieren; über Versuche s. Mc Crindle Megasthenes, 1926, 193.
- Solomatis, s. u. Bd. III A S. 941 s. v.; nach Lassen II 676 ind. Šarāvatī, die jetzige Raptī; unsicher.
- Kondochates, s. o. Bd. XI S. 1310; bei Plin. VI 65: Crenaccas, von Lassen II 676 mit der Gaṇḍakī gleichgesetzt, jetzt Gandak, der unter 25° 41' n. B., 85° 12' ö. L. gegenüber Patna in den Ganges mündet.
- Sambos, s. u. Bd. I A S. 2122f., zu dem gleichlautenden Eigennamen s. Berve II nr. 693. 694.
- Magon, nach Mc Crindle 194 der jetzige Mahonafluß, der unweit Patnas in den Ganges mündet; o. Bd. XIV S. 518.
- Agoranis, s. o. Bd. I S. 883 s. v., ind. Sarayū, Sarjū (s. u. Bd. I A S. 2387), ,vielleicht der heutige Gogrā‘, Ghāgra.
- Omalis, nach Schw. ind. Vimalā (Harivaṃša 9517), nach u. Bd. I A S. 2122, 62ff. der Iomanes, was nicht annehmbar ist.
- Komminases, s. o. Bd. XI S. 1194 Art. Kommenases, ind. Karmaṇāšā, jetzt Karamnāsā.
- Kakuthis, nach Lassen II 80 A. 4 der aus der buddhistischen Literatur bekannte Fluß Kakutthā, die die heutige Bhagavatī (Lassen I 76) sein soll; über andere Identifikationsversuche s. Cunningham Ancient Geography of India2 1924, 714. Ind. Ant. LI, 1922, Append. 33 s. Kakauthā.
- Andomatis, s. o. Bd. I S. 2129f; nach Lassen I 148 A. 5. II 676, ind. Andhamatī oder Tāmasā, jetzt der südliche Tonsfluß; Andhamatī ist jedoch Konstruktion.
- Amystis, s. o. Bd. I S. 2013.
- Oxymagis, Lassen und Schw. lesen Oxymatis, ersterer erklärt den Fluß I 747 A. 2 als ind. Ikṣumatī.
- Errenysis, s. o. Bd. VI S. 549; nach Lassen II 676 die Vārāṇasī, zwei kleine Flüsse, Varaṇā (Barna) und Asi, an den Grenzen des modernen Benares, die vereinigt den Namen Vārāṇasī führen.
Eine nähere Erklärung dieser Flußnamen ist auch von der Lokalisierung der Völker abhängig, deren Gebiete sie durchströmen. Für die Kritik des Arriantextes ist die Angabe des Plin. VI 65, daß der Ganges 19 Nebenflüsse habe, nicht ohne Bedeutung; Plinius selbst führt mit Namen nur 6 bezw. 7 Flüsse an; so den VI 63 und 73 vorkommenden Iomanes, die Yamunā, heute Jumna, die bei Allahābād, 25° 26' n. B., 81° 50' ö. L., sich mit dem Ganges vereinigt. Daß das Fehlen dieses Flusses nicht dem M. zur Last fällt, ergibt die Parallelstelle zu Plin. VI 69, amnis Iomanes in Gangem per Palibothros decurrit bei Arrian. Ind. VIII 5: καὶ ποταμὸς Ἰωβάρης πλωτὸς διαρρέει τὴν χώρην αὐτῶν [Σουρασηνῶν], Plinius ist zwar auf Seneca zurückzuführen, dennoch muß ihm oder seiner Quelle eine mit Arrian gemeinsame Version vorgelegen haben, wie diese Stelle und VI 65 verglichen mit Arrian. Ind. IV 3 zeigt, wo die Flußnamen fast in der gleichen Reihenfolge erscheinen. Bei Plin. VI 64 wird noch ein Fluß Prinas genannt, [291] v. l. Pumas, der mit der Parṇāšā des Mahābhārata und der Purāṇa identifiziert wurde. Damit aber wäre die von Plinius angegebene Zahl der 19 Gangesnebenflüsse vollständig; freilich sind nicht alle identifiziert; Erannoboas und Sonos müßten als getrennte Mündungsarme desselben Flusses aufgefaßt werden. So mangelhaft auch die Einsicht in dieses Flußnetz bei M. und die neuzeitliche Interpretation sein mag, immerhin beweist das Tatsachenmaterial, was M. an neuen Kenntnissen für den Osten Indiens bedeutet. (Die restlichen 22 Flüsse Indiens hat M. vielleicht auch mit Namen angeführt, während der Silas wahrscheinlich nur anhangsweise erwähnt worden war, wie aus Analogie zu den Völkern anzunehmen ist.)
d) Länder und Völker
Von Landesteilen hat M. nur den Namen Πραξιακὴ χώρα überliefert (so frg. 13 = 11 bei Ailian. n. a. XVII 39; daß diese Form der indischen: Prācya am nächsten kommt, bemerkte schon Schw. praef. 12 n. 6; es überwiegen aber die Formen mit σ, vgl. R. O. Franke Pāli u. Sanskrit 70f. 73). Ein nicht nur dem M. zuzuschreibender Landesname ist die Πευκελαῖτις bei Arrian. Ind. I 8. IV 11, da er den Alexanderhistorikern bekannt war, Arrian. anab. IV 22, 7. Strab. XV 1, 27. Plin. VI 62; letzterer fußt auf Baiton frg. 2 = FGrHist 119 F 2. Wie Plinius in Übereinstimmung mit Arrian. Ind. VII 1 in VI 60, auf Seneca beruhend, berichtet, hatte M. die Zahl der Völker Indiens auf 118 angegeben und ihre Namen aufgezählt. Arrian operiert auch hier wieder mit dem Argument, daß M. den größeren Teil Indiens nicht gesehen habe und nicht alle Völker miteinander in Verkehr stünden; damit will Arrian – ein gewissenhafter Historiker – die Unvollständigkeit und Unsicherheit der quellenmäßigen Unterlagen des M. kennzeichnen. Trotz dieser Mängel bietet der Völkerkatalog, dessen Bestand sich zum überwiegenden Teil aus Plinius gewinnen läßt, ein kaum anderswo zu erwartendes Material für die Völkerkunde des alten Indien. Freilich wird der Wert stark durch die bloße Namenüberlieferung, die unsichere Lokalisierung und Schwierigkeit der Namenidentifikation im Indischen herabgesetzt. (In alphabetischer Reihenfolge ohne weitere Belegstellen sei das Völkerbild nach M. im folgenden aufgeführt; die veralteten und schon wegen der Unsicherheit der Lesungen bedenklichen Identifikationen bleiben unterdrückt, s. auch o. Bd. IX S. 1274ff.):
- Abali Plin. VI 67, s. o. Bd. I S. 12.
- Abisari VI 77 = Abissareis Arrian. Ind. IV 12; s. o. Bd. I S. 101, vgl. M. A. Stein Rājataraṅgiṇī, Translation I 32f.
- Abortae VI 77 o. Bd. I S. 107f.
- Andarae VI 67, o. Bd. I S. 2120.
- Andiseni VI 78, o. Bd. I S. 2124.
- Arbes VI 77.
- Ardabae VI 77, o. Bd. II S. 606.
- Arispai Arrian. Ind. IV 9, o. Bd. II S. 848.
- Arsagalitae Plin. VI 78, o. Bd. II S. 1267f.
- Asini VI 77, o. Bd. II S. 1582f.
- Asmagi VI 73, o. Bd. II S. 1702; ind. Ašmaka
- Assoi VI 78, o. Bd. II S. 1747.
- Astrybai Arrian. Ind. IV 8, o. Bd. II S. 1862. [292]
- Attakenoi Arr. IV 8, vgl. I 1: Ἀστακηνοὶ καὶ Ἀσαακηνοί, die Hauptstadt der letzteren ist Massaka (I 8). Nach Aur. Stein On Alexander’s Track 42f. umfaßte ihr bis an den Indus reichendes Gebiet das heutige Swāt, Bunēr und die nördlich von letzterem gelegenen Täler; Massaka konnte nicht identifiziert werden.
- Bisambritae Plin. VI 78, o. Bd. III S. 500.
- Bolingae VI 77, o. Bd. III S. 674f.
- Bragmanae IV 64; vgl. Steph. Byz. s. v.
- Brangosi VI 76, o. Bd. III S. 814.
- Brasuertae VI 77.
- Butae VI 76, o. Bd. III S. 1079.
- Caesi VI 73, o. Bd. III S. 1311.
- Caetriboni VI 73, o. Bd. III S. 1322.
- Calingae VI 64f. VII 30. Ailian n. a. XVI 18, o. Bd. X S. 1604f.
- Calissae VI 67.
- Ceae VI 77, o. Bd. III S. 1820.
- Charmae VI 75, o. Bd. III S. 2173.
- Chirotosagi VI 64, o. Bd. III S. 2309.
- Chrysei VI 73, o. Bd. III S. 2491.
- Cocondae VI 76, o. Bd. IV S. 158.
- Colebae VI 67.
- Cosiri VI 64, o. Bd. IV S. 1671.
- Dardae VI 67 = Derdai Strab. XV 1, 44, o. Bd. IV S. 2153f.
- Dari VI 73, o. Bd. IV S. 2215.
- Derangae VI 76, o. Bd. V S. 236.
- Dimuri VI 77, o. Bd. V S. 649f.
- Gallitalutae VI 77, o. Bd. VII S. 670f.
- Gogaraei VI 76, o. Bd. VII S. 1553.
- Isari VI 64, o. Bd. IX S. 2054.
- Izi VI 64, o. Bd. X S. 1392 Art. Izgi.
- Kambistholoi Arrian. Ind. IV 8.
- Kekeis Arrian. IV 8, o. Bd. XI S. 117; ind. Kekaya, Kaikeya.
- Mactocalingae Plin. VI 64, vgl. nr. 54; s. o. Bd. XIV S. 199f.
- Madyandinoi Arrian. Ind. IV; o. Bd. XIV S. 203.
- Malli VI 64 = ?Μαλλοί Arrian. Ind. IV 10. XIX 8; letztere sind aus der Alexanderzeit wohlbekannt; o. Bd. XIV S. 913.
- Malthaecorae VI 74, o. Bd. XIV S. 921.
- Mandaei VI 64; vgl. nr. 58; o. Bd. XIV S. 1014.
- Maroae Plin. VI 74.
- Marogamatrae VI 77.
- Mathai Arrian. Ind. IV 5; die Erklärung als maṭha ,Brahmanenschule‘, Garbe ZDMG XXXVII, 1883, 456f. ist unwahrscheinlich; die Konjektur Renous bei Chantraine, vgl. auch Roos p. 323 ad p. 6, 19, Κάθαις oder Καθαίοις zu lesen, ist abzulehnen, weil die Kathaioi (s. o. Bd. X S. 2512f.) in den Nordwesten Indiens gehören.
- Mathoae Plin. VI 77.
- Megallae VI 73.
- Megari VI 77.
- Mesae VI 77.
- Modogalingae VI 67; vgl. nr. 42.
- Modressae VI 67.
- Modubae VI 67.
- Molindae VI 67.
- Monaedes VI 69; vgl. nr. 46.
- Moruni VI 74. [293]
- Nareae VI 74.
- Nereae VI 76.
- Nesei VI 76.
- Nobundae VI 76.
- Odonbaeorae VI 75; ind. Audumbara.
- Oratae VI 75.
- Organagae VI 77.
- Orostrae VI 76.
- Orsi VI 78.
- Oruncolae VI 76.
- Oxydrakai Arrian. Ind. IV 9; vgl. Strab. XV 1, 8: Sydrakai; unter dem ersteren Namen ist das Volk aus der Alexanderzeit bekannt.
- Palatitae Plin. VI 76.
- Pandae VI 76; vgl. Arrian. Ind. VIII 7. Phlegon. Mirab. 33. Polyain. I 3, 4. Steph. Byz. s. Πάνδαι.
- Parasangae VI 73.
- Passalae VI 76 = Πάζαλαι Arrian. Ind. IV 5.
- Peucolitae VI 78; über das Land s. oben S. 291.
- Posingae VI 76.
- Praeti VI 67.
- Prasi VI 68; vgl. Arrian. Ind. X 5. Strab. XV 1, 37f. Ailian n. a. XIII 8. XVI 9f. 20f. Franke a. a. O. 71. 73; ders. Indogerm. Forsch. XXIX, 1912, 384 A. 1.
- Rarungae VI 74, u. Bd. I A S. 252.
- Salobriasae VI 78, u. Bd. I A S. 1993.
- Samarabiae VI 78, u. Bd. I A S. 2101.
- Sambraceni VI 78, u. Bd. I A S. 2124.
- Sarabastrae VI 75, o. Bd. II S. 383 Art. Arabastrae. Lassen II 182 A. 1. Ind. Stud. V 425f. A. 4.
- Sasuri VI 67, u. Bd. II A S. 58.
- Seretae IV 78.
- Setae VI 67, u. Bd. II A S. 1894.
- Silae VI 77.
- Singae VI 74, u. Bd. III A S. 232.
- Sondrae VI 78, u. Bd. III A S. 994.
- Sorofages VI 77.
- Sosaeadae VI 78.
- Suarattaratae VI 75; dafür ist Surat(t)ae zu lesen, ind. Surāṣṭra, eig. Saurāṣṭra.
- Suari VI 69; der Lage nach zu trennen von den Suari in VI 94.
- Surae VI 73.
- Thalutae VI 67. Tomaschek vermutete o. Bd. I S. 2120 ind. Kulūta, müßte also Verschreibung sein.
- Uberae VI 67.
- Umbrae VI 76.
- Umbritae VI 77.
Es wäre die Aufgabe der M.-Forschung, diese Völker genauer zu bestimmen, sowie die fehlenden 20 Völker aus anderen Schriftstellern zu ergänzen (so: Sibai aus Arrian. Ind. V 12. Strab. XV 1, 8. Surasenoi aus Arrian. Ind. VIII 5); aber man darf nicht vergessen, daß eine solche Rekonstruktion nur mit einem gewissen Wahrscheinlichkeitsgrad den Bestand des von M. Berichteten wird erfassen können. Nicht nur die verderbten Lesarten der Namen erschweren die wissenschaftliche Ausbeute dieses ethnographischen Materiales; wenn der Schein nicht trügt, liegen auch Anklänge, vielleicht gewollte, an griechisch-römische Namen vor (so die nr.: 9. 10. 15. 20. 21. 22. 25. 28. 36. [294] 52. 69. 73. 82. 83. 97. 98). Ferner ist zu bemerken, daß nicht alle Namen wirkliche Völkernamen sind, was wieder für die Kritik des M. bezw. seiner Quellen von Bedeutung ist. So hat Weber Ind. Studien I 152; ausführlicher Garbe ZDMG XXXVII, 1883, 357 auf die bei Arrian. Ind. IV 4 und 8 genannten Μαδυανδινοί und Καμβίσθολοι hingewiesen, die als vedische Schulnamen bekannt sind; auf gleicher Stufe mit ihnen stehen die multarumque gentium cognomen Bragmanae des Plin. VI 64. Daß M. Ἰνδοί als Gesamtnamen der Bewohner der indischen Halbinsel ansieht, geht aus der Bezeichnung des Landes ἡ χώρα Ἰνδῶν, wie Diod. II 42, 1 sagt, hervor; Arrian verwendet fast durchgehends ἡ Ἰνδῶν γῆ (in anab. V 6, 2 und 3 gleich daneben τὴν Ἰνδῶν χώραν, letzteres auch Ind. V 3. VII 4. VIII 9), wahrend bei Strabon Ἰνδική gewöhnlich gebraucht ist (vgl. Wilcken Ägypt. Ztschr. LX 1925, 88 A. 4), auch bei Diod. II 40, 5ff. wie früher in 35ff.; der Volksname Ἰνδοί, vom Flusse Ἰνδός abgeleitet (Arrian. anab. V 6, 4. Steph. Byz. s. Ἰνδοί), wird von allen Benützern des M. stellvertretend für das Land angewendet (kraß bei Arrian. Ind. X 5). Schon Herodot wußte von Völkern Indiens und gebrauchte den Gesamtnamen (Reese Die griech. Nachr. 64; o. Bd. IX S. 1268, 31ff.), wie er von verschiedene Sprachen redenden Stämmen berichtete (Ἐπιτύμβιον 319 A. 25). M. setzt nur die durch den Alexanderfeldzug gewonnene Erkenntnis fort, wenn er von Völkern, Stämmen oder Ländern der Inder spricht (z. B. vgl. Strab. XV 1, 44. Ailian. n. a. XVII 39 mit 40; derselbe gebraucht XVI 20, d. i. frg. 15 B = 13 des M.: Ἰνδία; vor Lukian. Alex. 44 schon bei Flav. Jos. Ant. I 6, 4, s. Anwander Theolog. Quartalschr. 108. 318f. A. 2); zum Adjektivum s. Wilcken. Bei M. kommt zu diesem keineswegs gegen seine Vorgänger veränderten Stand ein neues Moment hinzu, wie sich aus Diod. II 40, 1. Arrian. Ind. XI 1. Strab. XV 1, 39 entnehmen läßt: bezeichneten die Ἰνδοί bisher die anthropo-geographische Gesamtheit der Inder, so versteht M. jetzt den sozialen Körper darunter. Dieser Umstand ist nicht unwichtig, weil er einen Mangel an Einsicht des Griechen in die komplizierten soziologischen Verhältnisse Indiens verrät; so bezieht sich seine ,Kastenordnung‘ doch nur auf die arische, brahmanische Gesellschaftsordnung, während z. B. die Bergstämme, die von den Alexanderhistorikern αὐτόνομοι genannten Volksstämme, außerhalb dieser Organisation stehen, ganz zu schweigen von den ,non-Aryan‘ des Dekkhan. M. übersieht dabei einen Unterschied, der dem Griechen aus eigener Erfahrung geläufig ist: den Barbarenbegriff; ob darin nicht Absicht liegt, da die stoische Lehre den Gedanken des Kosmopolitismus festigte (Jüthner Hellenen und Barbaren 49; jetzt besonders Mühl Die antike Menschheitsidee 44ff.), bleibe dahingestellt. (Aus dem ἄλλος bei Arrian. Ind. X 9 den Barbareinbegriff abzuleiten, wie Breloer II 13 m. A. 3 will, geht nicht an.)
e) Städte
M. hat selbst, wie der Wortlaut bei Arrian. Ind. X 2 anzunehmen gestattet, gesagt, es sei unmöglich, die genaue Zahl der indischen Städte infolge ihrer Menge anzugeben; von den im folgenden verzeichneten Städten sind auch nur [295] einige mit Sicherheit dem Berichte des M. zuzuweisen, ihre Identifikation ist in noch geringerem Maße möglich.
- Automula Plin. VI 75, o. Bd. II S. 2606.
- Bucephala VI 77, o. Bd. III S. 994f., 1); aus der Alexanderzeit stammend.
- Callinipaza VI 63, o. Bd. III S. 1360f.; geht nicht auf M. zurück.
- Dandaguda VI 72, o. Bd. IV S. 2099.
- Katadupe Arrian. Ind. IV 5; Katadupa ist der erste Nilkatarakt; sollte eine unwillkürliche Angleichung vorliegen?
- Kleisobora Arrian. Ind. VIII 5. Plin. VI 67: Chrysobora, o. Bd. IX S. 1277. XI S. 618. Gegen die allgemein vertretene Gleichung Kṛṣṇapura läßt sich einwenden, warum M. nicht den Namen des Gottes, den die Stadt trug, genannt habe (Weber Ind. Stud. II 410 A. ** hält diese Erklärung auch für ungerechtfertigt; vgl. Cunningham Ancient Geography2 429, 707. Kruse Indiens alte Geschichte 6 erklärt den Namen falsch als Kosambipura; Kṛṣṇanagara, richtig Kishangarh, ein kleiner Staat in Rājputāna mit gleichnamiger Hauptstadt, vgl. Lassen I 143, hat nichts damit zu tun).
- Methora ebd., ind. Mathurā, jetzt Muttra.
- Nysa Arrian. Ind. I 5. Plin. VI 79; diese Stadt geht nicht auf M. zurück, da schon die Alexanderhistoriker über sie berichteten; über die Frage, ob Arrian sich auf Aristobul stützt, s. Meunier Musée Belge 26, 12ff., besonders Wenger 61f.
- Pali(m)bothra Diod. II 39, 3. Arrian. Ind. II 9. III 4. X 5. Streb. II 1, 9. XV 1, 11. 13. 27. 36. Plin. VI 63, 68f., ind. Pāṭaliputra, jetzt Patna.
- Pertalis Plin. VI 65.
- Taxila; auf M. ist vielleicht die Notiz bei Ailian. n. a. XIII 8. Plin. VI 78 zurückzuführen, sonst ist die Stadt aus dem Feldzug Alexanders wohlbekannt, ind. Takṣāšilā; über die neuen Ausgrabungen s. Marshall A Guide to Taxila2 1921, und Excavations at Taxila 1921, vgl. DLZ 1924, 1861ff.
- Tropina Plin. VI 72.
- Ubera Plin. VI 67.
Mit den Städten Indiens hatten sich schon die Alexanderhistoriker beschäftigt; Strabon erklärt es mit Recht als Übertreibung, XV 1, 3. 33, daß die neun Völkerschaften zwischen Hypanis und Hydaspes an 5000 Städte besessen haben sollen, von denen keine kleiner war als Kos (XIV 2, 19). Mit Sicherheit können nur nr. 6, 7 und 9 als von M. in die Indienliteratur eingeführt bezeichnet werden; aus diesem Grunde erfährt die Möglichkeit, seine geographischen Kenntnisse zu umreißen, eine große Einschränkung.
f) Inseln
- Argyre Plin. VI 80, o. Bd. II S. 801.
- Bibaga Plin. VI 80.
- Chryse Plin. VI 80, o. Bd. III S. 2495.
- Coralliba Plin. VI 80, o. Bd. IV S. 1217.
- Crocalla Plin. VI 80.
Wie aus Arrian Ind. XXI 7, 9, 11 hervorgeht, stammen die Angaben über nr. 2, 5 aus Nearchos (s. FGrHist 133 F 1), zu Bibakta vgl. Βίβλος bei [296] Philostr. vit. Apoll. III 53; über Argyre und Chryse Solin. LII 17 und Mela III 70; bei Ptolem. VII 2, 3 und 17 ist von der Ἀργυρῆ χώρα die Rede, die wie die Χρυσῆ χερσόνησος in Hinterindien zu suchen ist (vgl. Lassen III 237f. 242f. Gerini Researches on Ptolemy’s Geography of Eastern Asia 1919; bei Steph. Byz. s. Ἀργυρῆ wird diese zur Metropolis von Taprobane, statt von Ἰαβαδίσυ νῆσος, so Ptolem. VIII 2, 29). Nach dem Peripl. m. Er. 63 liegt die Insel Chryse der Gangesmündung gegenüber, nach Mela liegt Chryse am Tamus, Argyre vor der Gangesmündung. Curt. X 1, 11 weiß von Nearchus’ und Onesicritus’ Berichten: nuntiabant autem quaedam audita, alia conperta: insulam ostio amnis obiectam auro abundare, der Strom (Euphrat?) ist gar nicht genannt. Aus diesen Angaben ist die Unsicherheit in der Ansetzung der Insel nr. 1 und 3 zu ersehen, erst Ptolemaios hat hier Klarheit gebracht. Ebenso hatten die Alexanderhistoriker Nearch (frg. 6 = FGrHist 133 F 21), Aristobul (frg. 31 = FGrHist 139 F 48) und Onesikritos (frg. 19 = FGrHist 134 F 26) über Pattalene berichtet (s. Strab. XV 1, 33 und Steph. Byz. s. Πάταλα; die Angabe, daß es sich um ein Delta handelt, stammt von Onesikritos. Nach Arrian. anab. V 4, 1; Ind. II 6 wird das Indosdelta in indischer Sprache Πάταλα genannt, das Plin. VI 71, 80. XII 41 als Insel Patale, VI 76 Patala, mit der Stadt Patala VI 72 kennt; als Stadt, Land, Festung und Insel war τὰ Πάταλα auch dem Arrian bekannt: anab. VI 17, 2, 5. 18, 2, 3. 20, 1. 21, 3. Zur topographischen Frage s. Anspach III 39f. n. 391, ebenso über die Insel Prasiane, Plin. VI 71; gegen Cunninghams Identifikation mit Hyderābād, Ancient Geogr.2 320ff., s. Smith Early History of India4 107f., der Patala bei dem heutigen Bahmanābād 25° 52' nördlicher Breite, 68° 52' östlicher Länge, 6 englische Meilen westlich von Mansūriya, sucht). Onesikritos ist der erste Grieche, der über Taprobane, d. i. Ceylon, Nachricht brachte (frg. 13 und 22 = FGrHist 134 F 12 und 13), es ist daher wahrscheinlich, daß Plin. VI 80, vgl. auch VI 96, teils auf Onesikritos, teils auf Nearchos zurückgeht. Onesikritos berichtete über die Größe der Insel, über die Amphibien in ihren Gewässern; Plinius betont VI 81 den Fortschritt der voralexandrischen Kenntnis vom Kontinentcharakter gegenüber: ut insulam liqueret esse Alexandri Magni aetas resque praestitere, vgl. Solin. LIII 1f. Der Flottenführer Onesicritus, heißt es dann weiter, schrieb, daß die Elefanten hier größer seien als die des Festlandes; darauf geht Ailian. n. a. XVI 18 zurück, der in XVI 17, wie Plin. VI 81 zeigt, den Eratosthenes benützt hat; vgl. auch Strab. XV 1, 14f. Das frg. inc. 59 des M. bei Schw. ist somit, wenigstens was diese Teile anlangt, auszuscheiden. M. bereicherte die Kenntnis über Ceylon durch die Angaben, daß die Insel durch einen Fluß geteilt werde, die Einwohner Palaeogoni genannt würden, die an Gold und großen Perlen reicher seien als die Inder (frg. 18 = 16 bei Plin. VI 81). Die vielfachen Bemühungen, den indischen Namen zu erfassen, sind ergebnislos geblieben (von älterer Literatur ist Lassen De Taprobane Insula, Bonn 1842. Burnouf Journal Asiatique 5. s., t. IX, 1857, 1ff. Lassen Ind. Alt. II 696. III 212ff. gegen [297] Schw. praef. 38 n. 35 zu nennen, vgl. auch Schoff Periplus of the Erythraean Sea 249ff.); wahrscheinlich liegt bei Plinius ein Mißverständnis vor, der eigentliche Name der Bewohner, mit denen die Vādda gemeint sein könnten, ist scheinbar ausgefallen. So hat M. nur über Ceylon eine kleine Notiz gebracht, die anderen indischen Inseln nicht erwähnt.
Überblickt man die geographischen Mitteilungen, soweit sie mit Sicherheit dem M. zugeschrieben werden können, so läßt sich eine Kenntnis Indiens vom Norden bis Ceylon feststellen. Aber eine solche Feststellung bedarf bedeutender Einschränkungen. Gewiß durfte man bei dem Gesandten, der nicht rein wissenschaftliche Zwecke verfolgte, kein lückenloses Bild Indiens im Sinne eines Ptolemaios erwarten; dazu war weder Gelegenheit noch waren die wissenschaftlichen Grundlagen vorhanden. Jene mehrfachen skeptischen Äußerungen Arrians über die Landeskenntnis des M. sind, wie bemerkt, nicht ganz unberechtigt. Es genügt darauf zu verweisen, daß der ganze Süden, der Dekkhan, bei M. überhaupt nicht berührt wird. (Wenn die Vermutung von Gawroński Rocznik Orjentalist. II, 1919–1924, 21ff., vorher aber schon Jayaswal Journal of the Bihar and Orissa Research Society II, 1916, 79ff., richtig ist, daß die Eroberung des Südens erst unter Candraguptas Nachfolger Bindusāra erfolgt ist, erklärte sich dadurch zum Teil die geringe Kenntnis des Dekkhan bei M.; vgl. auch Journal of the Royal Asiatic Society 1919, 597f.) Auffallend ist gegenüber der mageren Ausbeute auf oro- und hydrographischem Gebiete das ungeheuere ethnographische Material; wenn die 118 Völker Indiens wirklich bei M. aufgezählt waren, so kann er sie nur von Einheimischen übernommen haben, da er doch selbst keine Gelegenheit hatte, sie kennenzulernen. Das führt auf eine Vermutung; die sog. Purāņa, die genealogisch-mythographische Literatur Indiens, pflegten auch die Geographie; mögen die Purāņa in ihrer heutigen Gestalt auch der nachchristlichen Zeit angehören, ihre sachlichen Unterlagen gehen sicherlich in ältere Zeiten zurück. In diesen Purāņa spielen Völkeraufzählungen eine große Rolle (vgl. Kirfel Die Kosmographie der Inder 70ff.), neben Listen der Gebirge und Flüsse Indiens. Gewiß hat M. diese Purāņa nicht studiert, aber vermuten darf man, daß seine Informatoren ihm über Völker mehr erzählt haben als über Gebirge; von Flüssen berichtet er zum Teil nach Autopsie. Auffallend ist ferner die Erwähnung weniger wichtiger Flüsse im Stromgebiet des Ganges, z. B. des Erennysis, während er die an ihm liegende Stadt Varāṇasī, Benares, übergeht. Aber nicht nur das: noch auffälliger ist das Fehlen all jener Städte und Stätten, die in der dokumentarisch beglaubigten Lebensgeschichte des Begründers des Buddhismus eine Rolle gespielt haben, Gemeingut des Volkes gewesen sein müssen; und dies, wo sich M. im Geburtsland des Buddha, im Entstehungsgebiet des Buddhismus aufhielt. Nur die mangelhafte Überlieferung dafür verantwortlich zu machen, ist ein doch etwas zu bequemes Auskunftsmittel; nein, hier handelt es sich wohl um die Art der Informationen und den Charakter der Informatoren des Griechen, [298] die einseitig, mit einem Wort – brahmanisch gewesen sein müssen. Zu diesem aus den geographischen Daten abgeleiteten Argument treten noch zwei Erwägungen, die diese Annahme zu stützen vermögen: die, wenn auch dem Griechen so nahegehende Schilderung des Dionysos- und Herakleskultes und die genaue Beschreibung des brahmanischen Einsiedlerlebens; ihre Untermischung mit auch nicht-brahmanischen Details stellt nur der Beobachtungsgabe des M. ein gutes Zeugnis aus.
§ 12. Indisches Sprachgut
Eine in dieser Hinsicht wichtige Untersuchung wäre das Sprachgut des M., auf die hier nicht eingegangen werden kann, inwiefern nämlich die indischen Eigennamen bei ihm dem Sanskrit oder den Volkssprachen angehören. Dabei ist – im Zusammenhang mit dem eben Bemerkten – zu betonen, daß sich bei M., der sich in Magadha, der Hochburg des Buddhismus, aufhielt, ein Überwiegen der Pāli- und Prākritformen finden müßte, also jener Volkssprachen, die gerade zu Magadha in besonders enger Beziehung stehen. Aus der Sprache der mit M. verkehrenden Personen erklärt sich vielleicht auch jene von Franke Pāli und Sanskrit 695. hervorgehobene Erscheinung, daß in dem bei M. überlieferten indischen Wortschatz in griechischer Sprache die Sanskritformen vorherrschen, während die offizielle Sprache der Inschriften und Münzlegenden, dem Volksbedürfnis entsprechend, Pāli und Prākrit ist. Ja, eine weitere Folgerung aus diesen Indizien müßte zur Annahme führen, daß der Hof Candraguptas, an dem M. seine Auskünfte einholte, brahmanisch orientiert war; und das widerspricht nicht der indischen Forschung. Das würde sich aus dem Arthašāstra des Kauṭilya, wenn dieses ein verläßliches kulturelles Abbild der Mauryaherrschaft unter Candragupta böte, zur Evidenz ergeben. Dieser Ansicht steht allerdings die jinistische Tradition entgegen, nach der Candragupta mit Bhadrabāhu, dessen Schüler er wurde, nach dem Süden auswanderte und durch religiösen Selbstmord nach dem Tode seines Lehrers endete. Die inschriftlichen Zeugnisse sprechen aber nirgends von einem König Candragupta, sondern nur von einem Candragupti; die literarischen Belege sind jung und stehen bereits unter dem Einfluß der Tradition. Daher wird man gut tun, der Skepsis eines Fleet (besonders Indian Antiquary XXI, 1892, 156ff.) zu folgen, wiewohl Smith in seiner Early History4 154 im Gegensatz zur 2. Auflage seines Werkes die Tradition annimmt, s. auch dessen Oxford History of India2, Oxf. 1923, 75f.; die ganze Frage ist ausführlich, aber doch mit zu geringer Kritik behandelt von Narasimhachar Epigraphia Carnatica II, Bangalore 1923, Introduction 36ff. mit Literaturangaben zur Sache.
Nichts vermag dem Bericht des M. eine höhere und – aus mehreren Gründen – erwünschte Beglaubigung zu verleihen als die Überlieferung indischer Wörter und ihre richtige griechische Wiedergabe. Zwar haben schon die griechischen Schriftsteller über Indien vor M. das Bestreben gezeigt, mit indischen Ausdrücken ihre Erzählungen zu schmücken, besonders ist Ktesias zu nennen oder an das erwähnte Πάταλα zu erinnern; aber unverfälschtes Indisch hört man doch erst bei M. Die Ausbeute ist – abgesehen von den Eigennamen – [299] gering. Bei Plin. VI 71 heißt es vom Indus: incolis Sindus appellatus, was auf Sindhu zurückgeht; und VI 64 sagt er: Imaus ... incolarum lingua nivosum sic? (s. o. S. 286) significante, also eine richtige Sanskritübersetzung von Himavat, d. i. ,schneereich(er Berg)‘. Wichtiger sind die Wörter τάλα bei Arrian. Ind. VII 3 (dazu Stein Meg. u. Kauṭ. 71) und die Stelle bei Plin. VI 69: austrinum polum Indi Diamasa vocant; das entspricht genau einem Sanskrit yāmyāšā, ,die dem (Todesgott) Yama (als Welthüter, lokapāla des Südens) zugehörende Weltrichtung‘ (die älteren Deutungen: v. Bohlen Das alte Indien II 211 A. 925. Lassen III 169 A. 2 sind lautlich nicht annehmbar). Trotz der Versicherung Arrians Ind. VIII 9, daß die Perle im Indischen μαργαρίτης heiße, stößt die von Schw. praef. 35 n. 36. Lassen I 288f. A. 2. Weber Ind. Stud. XVI 80 vertretene Konstruktion eines marjarī statt des belegbaren mañjarī auf Schwierigkeiten; die Annahme eines nichtarischen Ursprungs (Lassen) ist bisher nicht bestätigt; mañjarī ist nur schwach bei Lexikographen bezeugt, in der Fachliteratur (Finot Les lapidaires Indiens, Bibl. des Hautes Études 111, 1912) ist es unbekannt, belegt ist mañjalī, ein Gewicht zum Wägen von Perlen, aus dem vielleicht die Lexikographen ein mañjarī ,Perle‘ abgeleitet haben. An dem fremden Charakter von griech. μαργαρίτης hält auch Boisacq Dict. étym. fest; eher kommt dem griech. Wort das arab. marjān nahe, vgl. Scheftelowitz Ztschr. f. Buddhismus VII, 1926, 279, das, wie türk. merjān auch ,Koralle‘ bedeutet, s. Lokotsch Etym. Wörterbuch der europäischen Wörter oriental. Ursprungs 113, Art. 1416. So weit lassen sich indische Ausdrücke mit Sicherheit bei M. nachweisen; es ist höchst wahrscheinlich, daß damit der indische Wortschatz der Indika keineswegs erschöpft sein kann, bei einem Mann, der jahrelang in Indien geweilt hat und sich einige Kenntnisse der Sprache angeeignet haben muß, wenn er sie nicht schon besaß, um derentwillen er gerade für diesen Posten ausersehen worden war. Die geringe Ergiebigkeit seiner Fragmente darf nicht als Maßstab für sein Werk selbst gelten; mit einiger Wahrscheinlichkeit lassen sich indische Ausdrücke bei griechischen Lexikographen dem M. zuschreiben, wenn sie auch nicht unter seinem Namen überliefert sind. So ist es so gut wie sicher, daß ihm die Dynastie, bei deren erstem hervorragendsten Vertreter er als Gesandter akkreditiert war, bekannt gewesen sein muß, trotz der – übrigens unsinnigen – Bemerkung Strabons XV 1, 36, nach dem der König der Stadt eponym sein müsse, außerdem führe er seinen Individualnamen (τὸν δὲ βασιλεύοντα ἐπώνυμον δεῖν τῆς πόλεως εἶναι, Παλίβοθρον καλούμενον πρὸς τῷ ἰδίῳ τῷ ἐκ γενετῆς ὀνόματι). Stammt doch die griechische Wiedergabe des Namens Candraguptas gleichfalls von M., über die verschiedenen Formen s. Stein Meg. u. Kauṭ. 116 A. 4; diese zuerst von Sir William Jones 1793 aufgestellte Identifikation (s. Windisch Geschichte der Sanskritphilologie [Grundriß der indo-arischen Philologie I 1 B] I 25f. Hultzsch Corpus Inscript. Ind. I, Intr. XXXII n. 9) bedeutete eine Epoche in der indologischen Forschung. Wie aus dem Beispiel [300] der Parthyaioi hervorgeht, meint Strabon den Geschlechtsnamen der Arsakiden, hat also den M. mißverstanden oder ungenau wiedergegeben; an einen Ausfall dachte auch schon Lassen II 702 A. 1, da M. eine so widersinnige Nachricht, zumal sie den Tatsachen widerpricht, nicht gebracht haben kann. Mophis, Diod. XVII 86, 4, oder Omphis, Curtius VIII 12, 5 soll von Alexander den Namen Taxiles wie sein Vater, Diod. XVII 86, 4, erhalten, bezw. nach Volkssitte, Curtius VIII 12, 14, angenommen haben; Taxilen appellavere populares sequente nomine imperium, in quemcumque transiret. Lévi hat, Journal Asiatique 8. s., t. XV, 1890, 234ff. den Eigennamen als ind. Āmbhi zu erweisen gesucht und auf die Übereinstimmung der Regel bei Pāṇini IV 1, 168 mit dem bei Curtius erwähnten Brauch verwiesen. Pāṇini spricht aber nicht von Eigennamen, sondern von Geschlechtsnamen, die zur Bezeichnung des Herrschers dienen, wenn er aus dem gleichen Lande stammt, über das er regiert. Im übrigen sagt Steph. Byz. s. Παλίμβοθρα, daß der Bürger Παλιμβοθρηνός heiße, und das meinen wohl auch nur die Griechen. (Zu geographische Bestandteile enthaltenden Eigennamen vgl. Hilka Die altind. Personennamen, Ind. Forschung. III 123f.) Wie trümmerhaft die Überlieferung des M. ist, erhellt aus dem Zitat des Steph. Byz. s. Μωριεῖς, ἔθνος Ἰνδικόν, ἐν ξυλίναις οἰκοῦντες οἴκοις, ὡς Εὐφορίων. Wer immer dieser Euphorion sein mag, es ist kaum zu zweifeln, daß er hier eine aus M. stammende und den Namen der Mauryadynastie sachlich entstellende Glosse wiedergegeben hat; denn lautlich entspricht Μωριεῖς einem ind. Maurya; der Inhalt der Notiz setzt sich wohl zusammen aus Strabons (richtigen) Worten XV 1, 36: τὸ δ’ ἔθνος ἐν ᾧ ἡ πόλις αὗτὴ [Παλίβοθρα] καλεῖσθαι Πρασίους ... τὸν δὲ βασιλεύοντα ... (s. o. S. 299) und Arrian. Ind. X 2 über die hölzernen Flußstädte (vgl. Strab. XV 1, 36 über den ξύλινος περίβολος); denn die richtige Glosse steht bei Hesych.: Μωριεῖς· οἱ τῶν Ἰνδῶν βασιλεῖς, wozu vielleicht, wegen der unsicheren Lesung, noch tritt: μορσική· ἡ ἰνδική, so daß Indien, wie es ja im wesentlichen den politischen Verhältnissen zur Zeit Candraguptas entsprach, durch die Mauryadynastie repräsentiert wurde. Derselbe Lexikograph überliefert eine Anzahl indischer Ausdrücke in allerdings stark gräzisierter und dadurch weniger durchscheinender Form, deren Autor, wie allgemein angenommen wird, M. sein soll. Von Interesse sind jene Wörter, die man deswegen dem M. zuschreiben darf, weil sie ihm in seiner politischen Tätigkeit vorgekommen sein müssen. So spricht er bei Strab. XV 1, 53 vom Lager des Sandrokottos; s. βαισήνης sagt Hesych: παρ' Ἰνδοῖς τὸ στρατόπεδον. Die Erklärungen (s. American Journal of Philology XXII, 1904, 196f.) befriedigen nicht, weil weder abhiṣeṇā noch pratisenā ,Lager‘ bedeuten; ferner ist auf die zweite Glosse: βαισηνός· ὁ στρατός Rücksicht zu nehmen; am ehesten entspricht das unkomponierte sainya, das ,Heer‘ und ,Lager‘ bedeuten kann. Klar ist μαι· μέγα· Ἰνδοί, dem besonders das Adverbium mahi, ,groß‘ nahekommt; ebenso ist die Erklärung von: μαμάτραι· οἷ στρατηγοὶ παρ' Ἰνδοῖς, das von Speyer ebd. 441 und Lüders Ztschr. f. vgl. Sprachf. XXXVIII, 1905, [301] 433f. als mahāmātra identifiziert wurde (s. Stein Meg. u. Kauṭ. 191f.). Schon diese Beispiele zeigen, welch wertvolles Material im indischen Sprachgut bei M. gestanden hat; die übrigen Hesychglossen, die von Gray und Schuyler (AJPh XXII 195ff.) behandelt worden sind, lassen sich nicht so gewiß auf M. zurückführen, wiewohl aus allgemeinen Gründen, da doch kaum ein anderer Grieche solche Gelegenheit zur Aufnahme von Ausdrücken aus dem indischen Wortschatz hatte, M. in erster Reihe in Betracht kommt. Zwei Wörter sind noch zu nennen, die von großer religionsgeschichtlicher Bedeutung und allem Anschein nach gleichfalls dem Berichte des M. entnommen sind. Hesychios überliefert s.: Δορσάνης· ὁ Ἡρακλῆς παρ’ Ἰνδοῖς. Die Erklärungen von Gray und Schuyler 197f. und Charpentier Ztschr. f. vergl. Sprachf. XLV, 1913, 90ff. sind sachlich unannehmbar; richtiger sehen Lévi JA 9. s., t. IX, 1897, 37 A, 1 und Lüders darin ein verderbtes Κορσάνης = Kṛṣṇa; dagegen läßt sich nur einwenden, daß M. zwar von Herakles spricht, in den erhaltenen Fragmenten aber der indische Name nicht vorkommt, was immerhin der Überlieferung zugeschrieben werden kann, ferner das zweifelhafte (s. o. S. 295) Κλεισόβορα, das im ersten Teil dasselbe Wort Kṛṣṇa enthalten müßte. (Die von Lassen III 348 A. 2 angeführte Glosse s. Δουσάρην τὸν Διόνυσον Ναβαταῖοι ὥς φησιν Ἰσίδωρος hat mit der obigen nichts zu tun, s. o. Bd. V S. 1865ff. unter Dusares.) Nicht weniger interessant ist die Hesychglosse s. Γεννοί· οἱ Γυμνοσοφισταί, unter denen die Jaina zu verstehen sind. Über einige andere Ausdrücke, die sich auf den Buddhismus beziehen, wird später zu handeln sein.
§ 13. Indische Quellen bei Megasthenes
Bei dem Charakter der Überlieferung der Indika des M. und bei dem der Darstellung selbst wird es nicht wundernehmen, wenn man über die Gewährsleute und Informationen des M. so gut wie nichts erfährt. Zum überwiegenden Teil bietet M. Selbstbeobachtungen; über die Lehren der Brahmanen muß er Gespräche mit Angehörigen dieser Kaste geführt haben. Frg. 41 = 40 bei Strab. XV 1, 59 werden die λόγοι der Philosophen über den Tod genannt, über Herakles’ Tochter wird ein λόγος bei den Indern angeführt (frg. 50 = 23 bei Arrian. Ind. IX 2); auf direkte Gespräche weist auch die Angabe über die Könige (ebd. bei Arrian. IX 9) sowie das Zitat von der ablehnenden Stellungnahme der Sophisten gegenüber der Tat des Kalanos (frg. 45 = 43 bei Arrian. anab. VII 2, 4). Wenig Gewicht kann auf die Ausdrücke bei Diodor gelegt werden, in die scheinbare Aussagen der Inder gekleidet sind; II 37. 5f. geben die einheimischen Philosophen und Physiker die Begründung für den Wasserreichtum des Landes; in 38, 2 sind, wie aus 38, 3 hervorgeht, die λογιώτατοι als Quelle für die vordionysische Zeit und den Zug des Dionysos angeführt; vgl. 38, 6; diese scheinbaren Informatoren entpuppen sich in II 39, 1 als ein Mißverständnis des flüchtig arbeitenden Diodors; denn nicht die τὴν ὀρεινὴν τῆς Ἰνδικῆς κατοικοῦντες erzählten die Geschichten über Dionysos und Herakles, sondern, wie Strab. XV 1, 58 richtig sagt, die Bergbewohner sind Verehrer dieses Gottes. Wie schon die [302] Namen nahelegen, die noch zu erwähnenden Indizien zeigen werden, muß M. Gespräche mit Brahmanen geführt haben; dies beweisen auch die Worte bei Strab. XV 1, 57, mit denen sich M. gegen den Vorwurf der Lügenhaftigkeit zu schützen versucht haben wird: περὶ δὲ τῶν ἄλλων διηγεῖσθαι τοὺς φιλοσόφους ... ἱστοροῦντας ... Auf Hörensagen beruht, wie Arrian. Ind. XV 7 sagt, der Bericht des M. über den goldhaltigen Boden Indiens.
Angesichts dieser geringen Zeugnisse für selbst genannte Quellen bleibt die Aufgabe, aus dem Berichteten die indischen Grundlagen herauszuschälen; d. h. festzustellen, welche indische Quellen dem Berichteten zugrunde liegen, ob sie mündliche Informationen waren oder auf literarische Studien zurückgehen, bezw. sich durch Werke der indischen Literatur stützen lassen; damit wird gleichzeitig die Frage beantwortet, ob es sich um indische, und nicht etwa um griechische Verhältnisse, kulturelle und staatsrechtliche sowie gesellschaftliche Tatsachen handelt. Der Hauptsache nach sollen hier zwei Gebiete in Betracht kommen: die Mythologie und die mit ihr zusammenhängende Archäologie oder ,Geschichte‘ und die ,Religion‘, die durch die Lebensweise der Philosophen vertreten ist. Über ein drittes Gebiet, Staat und Gesellschaft, kann nur summarisch berichtet werden.
a) Mythologie
In dem mythologischen Teil der Indika steht das Problem des Dionysos- und Herakleskultes im Vordergrund; über die griechischen Elemente ist oben gehandelt worden (s. o. S. 252ff.). Das einzige indische Element, das sich im Berichte über Dionysos findet, ist der Μηρός, der dem Götter- und Weltberg Meru entspricht; eine genauere Kenntnis über die Bedeutung dieses Berges besaßen die Griechen nicht, die Quelle von Polyain. I 1, 2 ist mit Sicherheit nicht zu bestimmen, die zwei Gipfel Κορασιβίη und Κονδάσβη neben dem dritten Μηρός erinnern zwar an Trikūța, Trišikhara, Namen verschiedener Berge mit drei Gipfeln, aber der indische Meru ist durch solche nicht ausgezeichnet (s. Kirfel Kosmographie d. Inder 15*ff. und Taf. 12). Ausschlaggebend für die europäischen Erklärer, den Dionysos mit Šiva gleichzusetzen, war die ziemlich durchsichtige Kṛṣṇagestalt hinter der Schilderung des indischen Herakles, zu deren Gegenstück Šiva, in Dionysos verkörpert, geeignet war; auch gewisse orgiastische Übungen im Šivakult, die Berührungen mit dem dionysischen Bakchantentum zeigen, schienen eine Identifikation beider Gottheiten zu empfehlen. Ein anderer Anhaltspunkt, daß die Συδράκαι (Strab. XV 1, 8, 33; var. l. Ὀξυδράκαι, vgl. Arrian. Ind. IV 9 und an zahlreichen Stellen seiner anab.) Nachkommen des Dionysos seien, was, ins Indische übersetzt, bedeutete, daß bei dem Volke der Kṣudraka der Šivakult heimisch sei, versagt. Gegenüber dieser älteren, auf Schw. praef. 43ff., und Lassen I 925. II 703, zurückgehenden Identifikation Dionysos’ mit Šiva hat Kerbaker (Atti d. Accad. di Archeol., Napoli, XXIII, 1905, 137ff.) auf Grund indogermanischer mythologischer Gemeinschaftsvorstellungen in Dionysos die Gestalt des indischen Soma sehen wollen: im Dionysos bei M. sei Skanda, die volkstümliche Form des Soma, zu erkennen. Diese ganz auf [303] literarischen Texten aufgebaute, aus Epitheta abgeleitete und durch nicht immer ungezwungene Gedankengänge gekennzeichnete Hypothese ist gerade wegen ihres rein konstruierten Charakters abzulehnen; neuerdings hat ein indischer Forscher, Kshetreśachandara Chaṭṭopādhyāya (Proceed. and Transact. of the Third Oriental Confer. Madras 1925, 261ff.) abermals die Frage, welche indische Gottheit hinter Dionysos stecke, zu beantworten gesucht. Ausgehend von der Einführung des Weinbaues in Indien glaubt er den Soma als Dionysos ansprechen zu können; da dieser im Ṛgveda mit dem Mond identifiziert werde, sieht der Forscher eine weitere Stütze in Diod. III 63, 3, nach dem der älteste Dionysos Ἰνδός heiße, was zum Namen des Mondes, Indu, stimme; die Eroberung Indiens durch Dionysos erklärt er durch das Vordringen der Soma-pressenden Arier, die von Dionysos abstammenden Könige seien die sog. Monddynastie (auf einer Verwechslung von Indu-Soma und Candra, beides ,Mond‘ bedeutend, beruhend). Zur Zeit des M. kann weder der Opfertrank noch die Personifikation desselben, die auch im Mond verkörpert gedachte Gottheit Soma, eine solche Rolle gespielt haben, um zu volkstümlichen Geschichten Stoff zu bieten, von denen übrigens nichts bekannt ist. Die Gleichung Ἰνδός = Indu ist schon deshalb hinfällig, weil Ἰνδός kein Eigenname ist; was ein Vordringen der Arier nach dem Osten anlangt, so wäre, wenn M. wirklich von diesem nur mit Mühe aus der Literatur erschlossenen Ereignis aus dem Munde der indischen Gelehrten gehört hätte, daran zu erinnern, daß es sich bei Dionysos um einen stammfremden Kulturbringer handelt. Auch die genealogischen Ableitungen stimmen nicht; M. hat nichts anderes getan als die Alexanderhistoriker, die im Feldzuge des Makedonenkönigs eine Wiederholung des mythologischen Dionysoszuges sahen, nur hat er vielleicht gewisse Kultübungen der Inder mit dem dionysischen Kult verglichen. (Über einen genealogischen Erklärungsversuch s. später.)
Besser steht es mit der Gleichsetzung von Herakles und Kṛṣṇa; denn dafür sprechen als ausschlaggebende Argumente die Kultstädte Μέθορα und Κλεισόβορα, der Kult bei den Σουρασηνοί; Mathurā galt als die Hauptstadt der Šūrasena (im Rāmāyaṇa VII 70, 6 heißt die Stadt geradezu Šūrasenā), der Großvater des Kṛṣṇa war Šūra, daher Kṛṣṇas Beiname Šauri und einer seiner tausend Namen Šūrasena (Mahābhārata XIII 149, 88). Auch daß die Sibai mit Herakles in Verbindung gebracht werden, findet im Kṛṣṇakult eine gewisse Begründung: eines der Rosse Kṛṣṇa-Viṣṇus heißt Šaibya, d. h. von den Šibi stammend (Mahābh. II 2, 15. VII 79, 38. Harivaṃša 7667. 9720), wobei zu beachten ist, daß der Herakles-Kṛṣṇakult bei den Šibi gar nicht auf M., sondern auf die Alexanderhistoriker zurückgeht (Strab. XV 1, 33; vgl. Lassen I 792 A. 2 über die übrigen Autoren); aber die der Ausrüstung des thebanischen Herakles entsprechende des indischen Heros bezeugt nach Arrian. Ind. VIII 6 M. auf Grund angeblicher Erzählung seitens der Inder. Für die Identifikation des Herakles mit Kṛṣṇa, wenn sie auch vor M. stattgefunden hat, ist die Heranziehung dieses Materials wichtig. So tragen [304] die Sibai bei Strab. XV 1, 8 Felle als Kleidung und eine Keule, die sie auch den Rindern und Maultieren als Eigentumsmarke einbrennen; die Zeichnung von Rindern ist aus indischen Schriften zu belegen (s. Mahābh. III 240, 5. Stein Meg. u. Kauṭ. 131f.), wenn auch nicht gerade Keulen als solche Kennzeichen nachzuweisen sind (u. a. z. B. Sicheln). Die Keule ist eine der hauptsächlichsten Waffen des Gottes Kṛṣṇa-Viṣṇu, so sehr, daß einer seiner Beinamen Gadādhara, der Keulenträger, ist (seine Keule, Kaumodakī, tritt personifiziert im sog. Bhāsadrama Dūtavākya auf). Diese Indizien machen es höchst wahrscheinlich, daß in dem zu Κορσάνης zu verbessernden Δορσάνης des Hesychios nicht ein Kṛšānu zu suchen ist, wie Charpentier glaubte, was schon wegen der Individualität dieses himmlischen Schützen und der geringen Rolle, die er überhaupt spielt (s. Oldenberg Religion des Veda2 174. Hillebrandt Vedische Mythologie2, Breslau 1927, I 387f.), unwahrscheinlich ist, sondern wirklich der Name Kṛṣṇa (über andere, aber nicht stichhaltige Argumente für die Identifikation von Herakles mit Kṛṣṇa s. Lassen Ztschr. f. d. Kunde d. Morgenl. V 1844, 252 A. 2; ausführlicher hat sich dazu Weber Ind. Stud. II 409f. geäußert, der mit Herakles, wenn nicht den Videgha Mādhava, so doch den Bruder Kṛṣṇas, Bālarāma, gleichsetzen wollte, was eine zu einseitig indische Ansicht ist). Nicht nachzuweisen ist auf indischem Gebiete eine der Pandaia des Herakles entsprechende Gestalt des Kṛṣṇa. Webers Versuch, die Geschichte der Bhadrakañcanā (Lassen II 111f.) heranzuziehen, kann als unzureichend bezeichnet werden (Ind. Stud. II 403 A.*; vgl. noch Gruppe o. 3. Suppl. 985f. und 1103 über Dorsanes). Abzulehnen sind die Identifikationen des Herakles mit Šiva, wie sie, entgegen der obigen, auch von A. Barth Oeuvres I 148 vertretenen Deutung, Goblet d’Alviella, Ce que l’Inde doit à la Grèce, Paris 1926, 39 n. 3. H. G. Rawlinson Intercourse between India and the Western World, Sec. ed., Cambridge 1926, 61 aufstellen. Sie finden weder in den Skulpturen noch durch die Münzbilder (s. Smith A History of Fine Art in India and Ceylon 134. The Cambridge History of India I 443ff. 588f., wo auch die Gleichsetzung des Herakles mit Kṛṣṇa oder Šiva wechselt, so 408 gegenüber 597) eine Stütze, da diese einer nach M. liegenden Zeit angehören und keine Verschmelzung der griechischen und indischen Gottheiten, sondern, wenn auch technisch beeinflußt, erstere in Reinkultur darstellen, während die Legenden bereits bei den Alexanderhistorikern auftreten.
b) Teratologische Ethnologie
Bevor die mythologisch-historischen Nachrichten des M. zu untersuchen sind, wieweit sie indischen Quellen entsprechen, seien noch die auf die wunderbaren Völker bezüglichen Angaben kurz besprochen, da auch sie der Mythologie anzugehören scheinen.
Schon oben (S. 239ff.) wurde bemerkt, daß die Nachrichten über die durch anatomische Besonderheiten ausgezeichneten Volksstämme nicht erfunden sein können, sondern teils auf Beobachtungen, teils auf die von M. bei Strab. XV 1, 57 betonten Gespräche mit Brahmanen, die aus anderen Indizien erschließbar sind (s. o. S. 239 und später [305] unten), zurückgehen müssen. Solche Quellen lassen sich in der Tat aufzeigen. Oktober 1824 wurden englische Offiziere zur militärisch-topographischen Aufnahme Burmas und Assams ausgesandt, unter ihnen auch Lieutenant Wilcox, aus dessen Bericht Berghaus Historisch-geographische Beschreibung von Assam, Gotha 1834, 126 einen Auszug nach den Wilcox gemachten einheimischen Angaben brachte; darin werden die Barkana genannt, d. i. ,Langohren‘, dazu bemerkt Wilcox (bei Berghaus 126 A. 187): ,Die unter ihnen (den Bewohnern Assams), welche weniger leichtgläubig sind, sagen bloß, daß das Ohr bis auf den Leib herabhange, während andere als bestimmt berichten, daß Nachts das linke Ohr als ein großes Bett zum Schlafen diene und der Körper ganz darin eingehüllt werden könne.‘ Auf Mōñ-Khmēr und andere Volksstämme möchte auch Gerini Researches 256f. A. 1 die Berichte der Chinesen über die Tan-erh deuten. Gegenüber diesen der Wirklichkeit nicht mehr so fernen Nachrichten nimmt die Aussage der indischen Literatur und damit der Bericht des M. eine andere Gestalt an. Das Mahābh. führt die Karṇapravāraṇa nicht nur unter den wilden Völkern an (II 31, 67), sie erscheinen II 52, 19 unter den übrigen indischen Stämmen VI 51, 13 sogar unter den Heereskontingenten; im Rāmāyaṇa IV 40, 26 findet sich der Übergang zur fach-geographischen Literatur, wie sie in Varāhamihiras Bṛhatsaṃhitā XIV 18 ihren Ausdruck erreicht, und von da dringen die ,in ihre Ohren sich Hüllenden‘ in die Purāņa (s. Kirfel Kosmographie 76, 86) ein; so unsicher ihre Lokalisierung auch sein mag, die Quellen deuten doch auf das Grenzgebiet Indiens, bald im Osten, bald im Südwesten (vgl. Pargiter Mārkaṇḍeya-Purāņa, transl. 346 A. †). Zu den o. S. 239ff. aus der indischen Literatur beigebrachten Entsprechungen für die wunderbaren Völker ist hier noch auf die Literatur über die Nasenlosen und nur vom Geruche lebenden Menschen hinzuweisen. Zimmer Altindisches Leben 115, 430. Kaegi Fleckeisens Jahrb. 121, 1880, 443f. haben zu den Nasenlosen die anāso dasyūn in Ŗgveda V 29, 10 herangezogen; nun ist dieses Wort in an+ās (ās = os, Mund, Gesicht; von dem Vedakommentator des 14. Jhdts., Sāyana, daher als ,des Mundes, der Worte beraubt‘ erklärt) zu zerlegen oder in a+nās, ,ohne Nase‘. Die Indologen entscheiden sich teils für diese, teils für jene Deutung (Macdonell-Keith Vedic Index I 34f.; zuletzt Neisser Abh. f. d. Kunde d. Morgenl. XVI 4, 1924, 36 und Hillebrandt Vedische Mythol.2 II. Breslau 1929, 248); Schw. wollte (praef. 65) die Nasenlosen mit den Kirāta in Verbindung bringen, die bei Ailian n. a. XVI 22 als affenartige Plattnasen erscheinen und von denen Plin. n. h. VII 25 sagt: Megasthenes gentem inter Nomadas Indos narium loco foramina tantum habentem, angium modo loripedem, vocari Sciratas (vgl. schon Ktesias bei Reese 9, 19f., der die Pygmäen als schwarz und den Indern ὁμόγλωσσοι bezeichnet); die Κιρρᾶδαι des Peripl. m. Er. 62 mit den eingedrückten Nasen stehen den cipiṭanāsika bei Varāhamihira, Bṛhatsaṃhitā XIV 26 um so näher, als sie unmittelbar nach den ,Haartragenden‘ (kešadhara) genannt sind, wie schon Ktesias ihre langen Haare, in die sie sich [306] hüllten, hervorhob. Auch bezüglich dieser Nasenlosen oder Plattnasen kann sich M. somit auf literarische und tatsächliche (mongoloide) Stämme Indiens berufen. (Sten Konow Royal Frederik University, Publications of the Indian Institute Ι 1, Kristiania 1921, 23 denkt an dravidische und kolarische Rassen, Cambridge History of India I 85, 267 n. 1 erklärt sich für Draviḍa; vgl. Hillebrandt Ztschr. f. Indol. u. Iran. III 1, 1924, 17, aber auch Vedische Mythol.2 I. 509ff.) Wie steht es aber mit den Mundlosen, die sich nur von Gerüchen nähren? M. will sie selbst im Lager gesehen haben (s. o. S. 239f.), es muß diesem Berichte daher etwas zugrunde liegen, wenn M. nicht als Lügner erwiesen werden soll. Diese Annahme verliert dadurch an Wahrscheinlichkeit, weil M. diese Leute sogar an den Quellen des Ganges lokalisiert (Strab. XV 1, 57), obwohl er selbst dorthin nicht vorgedrungen ist; daher weiß er nur durch Erzählungen von ihren Wohnsitzen. Es muß sich demnach um einen Volksstamm des Nordens handeln, der durch anatomische Gesichtsbildung den Eindruck der Mundlosigkeit hervorrief. Aber wie in den vorher behandelten Fällen scheint neben diesem realen Moment wieder eine literarische Komponente zu liegen, auf die die teratologische Schilderung sich stützen kann. Vom Rauche leben, den Rauch trinken ist eine dem Inder – und auch dem alten Griechen – nicht unbekannte Vorstellung (v. Fritze D. Rauchopfer bei d. Griechen, Berl. 1894. 1, 3, 13); nicht nur die Götter erfreuen sich und leben vom Rauch der Opfer, bei Strab. VII 3, 3f. werden nach Poseidonios die gottesfürchtigen Myser auch als καπνοβάται bezeichnet, das man als Rauchtrinker zu deuten gesucht hat. (Dazu Rohde Psyche II5 133 A. 1. Reinhardt Poseidonios 77; z. Lamer Sokrates N. F. VI, 1918, Jahresber. 51ff. s. Richter Ztschr. f. vgl. Sprachf. LV, 1928, 138 A. 2.). Agni, der indische Feuergott, gilt als Opferverzehrer, als Bote und Mittler zwischen Götter- und Menschenwelt. Unter den göttlichen Gestalten des Epos gibt es solche, die vom Rauche leben (dhūmapa: Mahābh. XII 284, 8; dhūmaprāša: XIII 14, 56. 18, 75), auch die Seher und Weisen, die Ṛṣi, nähren sich vom Rauche: V 108, 14. XIII 18, 75 werden göttliche, vom Geruche lebende Wesen, gandhapa, genannt. Da der Inder durch Enthaltsamkeit jeglicher Art übernatürliche Macht zu erlangen glaubt, die ihn den Göttern sogar überlegen macht, sucht er sie mit eigenen Waffen zu schlagen, wenn er sich, gleich ihnen, der menschlichen Nahrung enthält und wie sie vom Rauche lebt. Kathāsaritsāgara VII 53 gewinnt ein aus der Kaste gestoßener Brahmanensohn die Gnade des Šiva, indem er in ausdauernder Askese sich zunächst von Blättern, dann sogar nur vom Rauche ernährt. Die Erklärung der Vorstellung des Rauchtrinkers, dhūmapa, bietet Kālidāsas Raghuvaṃša XV 49f. Rāma erblickt einen von einem Baume mit dem Kopfe abwärts hängenden Sūdra, der Askese übt surapadārtham, d. h. um die Rangstelle eines Gottes zu erlangen. Ein Rauchtrinker bedeutet somit soviel wie einen Asketen, daher sind seine Augen vom Rauche auch dunkelrot (abhitāmra); die Askese, sich der Hitze der vier, den Weltgegenden entsprechenden Feuer auszusetzen, ist in Indien verbreitet; dazu kommt [307] als fünftes Feuer die Sonnenglut (z. B. Manu VI 28). Schmidt Fakire und Fakirtum, Berlin 1908, 7, berichtet nach Mill British India I 353 einen Fall aus neuer Zeit. So wie in dem erwähnten Beispiel der Myser Frömmigkeit und Rauchtrinken verbunden ist, erscheint auch in Indien das vom Rauche, das vom Geruche des Feuers Sichnähren als ein Höhepunkt der Askese. Schon in Reiseberichten buddhistischer Pilger aus China seit dem 6. Jhdt. (Beal Buddhist Records, Introd. XC: ,it seems just as though one was poisoned in mid-air‘) bis in die Neuzeit wird über giftige Ausströmungen des nicht von Schnee bedeckten Bodens der Hochgebirge an Indiens Grenzen geklagt, oder man führt die Atembeschwerden auf Gräser zurück. In Wirklichkeit handelt es sich um die Bergkrankheit (pers. damgīrī; vgl. Yule-Burnell Hobson-Jobson, new ed. 1903, 96 s. ,Bish‘), gegen die von den Bergbewohnern Knoblauch, Zwiebeln oder getrocknete Aprikosen verwendet werden, indem man diese Mittel entweder verzehrt oder zu ihnen riecht. Auf diesen Brauch führt H. Hosten Journal and Proceed. of the Asiatic Society of Bengal N. S. VIII, 1912, 291ff. die Nachrichten über die ἄστομοι zurück. M. hat somit nicht erfunden, sondern nur aus den beiden Komponenten, unklaren, ethnischen Berichten und sonderbaren Gebräuchen auf der einen Seite, Erzählungen auf Grund literarischer Überlieferung auf der anderen, Dinge berichtet, die ihm den Ruf eines Lügners eingetragen haben.
Die o. S. 244f. behandelte Schilderung eines Flusses Sila hat schon das Alter dieser Vorstellung ergeben; die Vorstellung einer solchen Quelle oder eines Flusses ist aber auch weit verbreitet und läßt sich ebenso in Indien nachweisen. Die indische Literatur lokalisiert den Šailodā genannten Fluß zwischen dem Götterberg Meru und Mandara (Mahābh. II 52, 2; in Vers 4 ist das von Ameisen gegrabene Gold erwähnt), an dessen von Bambusrohr bewachsenen Ufern die Khasa siedeln. In den Norden verlegt das Rāmāyaṇa II 71, 3 den Fluß Šilā, dessen Name ,Stein‘ daher rührt, daß alle in ihn fallenden Gegenstände zu Stein werden, wie der Kommentar erklärt; und ebendorthin weist eine andere Stelle des Rām. IV 43, 37, auch da ist von den Bambusbeständen an seinen Ufern die Rede. Die Purāņa verlegen einen See Šailoda und den aus ihm entspringenden Fluß Šailodā an den Fuß des westlich vom Kailāsa gelegenen Berges Aruṇa (Kirfel 59), der zwischen Cakṣus und Šitā in den Ozean mündet. Rām. IV 43, 38, ausführlicher in der bengalischen Rezension (ed. Gorresio) IV 44, 76–79 heißt es, daß die am Ufer des schwer oder gar nicht überschreitbaren Flusses wachsenden Kīcaka-Bambusrohre die vollendet Weisen über den Fluß zu bringen vermögen; die buddhistische Literatur kennt gleichfalls den Fluß Sīdā im Norden als tief und schwer überschreitbar (541. Nimi-Jātaka, übers. bei Dutoit Jātakam VI 140); der Kommentar bemerkt dazu, das Wasser sei so leicht, daß selbst eine hineinfallende Pfauenfeder untersinke, was nur eine andere Ausdrucksweise für die Verwandlung der Gegenstände zu Stein ist (so auch schon Conrady, s. gleich; der Pāli-Name ist ein Etymologieversuch des Sanskrit Šilā, oder Šītā, von der [308] Wurzel sad, sīdati, ,niedersinken‘). Die Vorstellung von einem solchen Fluß findet sich ferner in China; wie schon die indischen Zeugnisse auf den Nordwesten weisen, verlegt auch die chinesische Literatur den Si-to dorthin (vgl. Conrady, in Pflugk-Harttungs Weltgeschichte III 481; ders., Die chinesischen Handschriften- und sonstigen Kleinfunde Sven Hedins in Lou-Lan, Stockholm 1920, 160f.; ders., S.-Ber. d. Sächs. Ges. 77, 1925, 6; der Vermutung, daß im indischen Namen Šilā eine volksetymologische Deutung des Chinesennamens *ser, *sir vorliege, wird man schwerlich folgen können). Noch weiter in der geographischen Bestimmung und damit der Wirklichkeit näher führt der Reisebericht des Hiuen-Tsiang, in dessen von Chang-Yueh geschriebener Einleitung (übers. von Beal I 12) vom Šītā-Fluß westlich vom Anavatapta-See die Rede ist, der nicht zutreffend mit dem Sar-i-kul identifiziert wurde, der vielmehr ein nur von Menschen mit übernatürlichen Kräften überschreitbarer See ist, somit zu jener Vorstellung vom Fluß stimmt (Watters I 35), wie ja auch in Indien neben dem Fluß ein See Šailodā, Šītoda (Mārkaṇḍeyapurāņa 55, 3) genannt wird; beachtenswert ist jedoch die Heranrückung des Si-to an den Oxus. Die Frage wird durch das Vorkommen eines Šītā-Flusses in indischen Quellen verwickelter; aber eine besondere Bedeutung kommt ihm kaum zu (Mahābh. III 145, 50. 188, 102. VI 6, 48. 11, 32. Harivaṃša 9510. 12 829; sein Name kann auch eine neuerliche Sanskritbildung aus einem mißverstandenen Sīdā sein); nur Rām., ed. Gorresio IV 44, 80 verdient Beachtung, da durch ein Bad in ihm die lauteren Menschen, die gute Taten vollbracht haben, erkannt werden, was an die in den griechischen Berichten geschilderte Eigenschaft des Wassers, die Badenden zu einem Bekenntnis ihrer Vergehen zu bringen, erinnert; die Identität von Šilā und Šītā, wenigstens was die Vorstellung von der Eigenschaft des Wassers anlangt, ergibt sich aus Mahābh. XII 82, 44, wo das Untersinken jedes Bootes in diesem Fluß vermerkt wird. Hiuen-Tsiang erwähnt den Fluß Šītā noch öfters; an der Südgrenze von U-sha, d. i. Yangihissar (Beal II 304. Watters II 290); südöstlich von Kashgār gelangt der Pilger nach Überschreitung der Šītā nach Yarkiang oder Yarkand (Beal II 307. Watters II 294). Noch bestimmter werden die Angaben bei Beal II 298; dort heißt es, ein Fluß, östlich des in der Mitte des Pamir gelegenen Drachensees (s. Watters II 285: Sar-i-kul), vereinige sich mit der Šītā an der Westgrenze von Kashgār; II 299 umfließt die Šītā die Hauptstadt von K'ie-p'an-to, d. i. Sol-gol oder Sariq-gol mit der Hauptstadt Tash-kurghan (Watters II 287. M. A. Stein Geogr. Journal XX, 1902, 582). Die bei Beal I 13; Life 199 sich findende Notiz, daß der Šītāfluß im Osten in einen See eintritt, durch diesen Salzsee, d. i. der Lop-nor, fließe, dann verschwinde und im Tshi-shi-Gebirge als der ,Gelbe Fluß‘, d. i. der Huangho, erscheine, stimmt zu der chinesischen Auffassung, daß er aus dem ,Schwachen Wasser‘, dem Joh-shui, komme, das nicht einmal eine Gänsefeder trage (Beal I 12 und 34. Conrady Die chines. Hss.- und s. Kleinfunde 160) und das dem ὕδωρ ἀσθενές bei Herodot. III 23 entspricht. [309] M. hat somit hier eine Erzählung wiedergegeben, die in Indien verbreitet war, sich in China und Griechenland nachweisen läßt und die sich auf einen tatsächlich existierenden Fluß bezieht; alles deutet darauf hin, daß es der Yarkand war (Beal I 12. M. A. Stein a. O.); s. auch S. Lévi Études Asiatiques II (Publications de l’École Franç. d’Éxtréme-Orient XX) 1925, 40ff.
c) Geschichte
Haben die bisherigen Ausführungen gezeigt, daß M. sich mit gutem Recht auf indische Zeugnisse, mündlicher oder literarischer Art, berufen konnte, so muß seinen historischen Angaben, statt ihnen von vornherein jede Glaubwürdigkeit abzusprechen, ein gewisses Vertrauen entgegengebracht werden. Die Genealogie des Dionysosgeschlechtes kann nicht erfunden sein, sie muß sich auf Informationen stützen; bei der Schwierigkeit der Wiedergabe indischer Laute durch griechische, bei der traurigen Erhaltung der Nachrichten und nicht zuletzt unter Berücksichtigung der vielfachen Wandlungen, die sein Bericht durch die Mittelquellen und die handschriftliche Überlieferung erfahren hat, ist mit Veränderungen zu rechnen. Arrians immer noch vertrauenswürdigster Auszug bietet kein zusammenhängendes Exzerpt über die Archäologie oder Geschichte; Ind. VIII 1–3 findet erst IX 9 ihre Fortsetzung, gerade hier befindet sich auch eine Lücke im Text. Für die Erkenntnis, was M. erfahren hat und welches Material im Auszug des Arrian versteckt ist, sind zwei Wege gegeben: einmal die Namen, ihre Identifikation und die Beziehungen ihrer Träger zueinander, zweitens die Regierungs- und Jahresangaben. Bei dem Charakter der indischen chronologischen Tradition, der pseudo-historischen Literatur überhaupt, die durch die Purāņa repräsentiert wird, deren Textgestalt ohnehin ein nahezu unentwirrbares Knäuel ist, bleibt nur der erstere gangbar. Diesen Weg hat auch Lassen eingeschlagen (Ztschr. f. d. Kunde d. Morgenl. V 251ff. Ind. Alt. I 609f. II 701f.; vgl. Duncker Gesch. d. Alt.4 III 56f.; die Ausführungen Brunnhofers Vom Aral bis zur Gangâ, Leipzig 1892, 194ff. sind wie die über andere, hier behandelte, Themen: 14f. 26. 42. 56 abzulehnen), der von dem zweiten Namen Βουδύας (s. o. S. 253f.) ausging und ihn unzweifelhaft richtig mit Budha, dem Planeten Merkur, der als Schwiegersohn des Manu Vaivasvata, des ersten Königs, gilt, identifizierte; da dessen Sohn Purūravas ist, glaubte Lassen Κραδεύας zu Πραρεύας ändern und mit ihm gleichsetzen zu können; in Spatembas sah er dann, infolge einer angeblichen Verwechslung des Vaters des Budha, Manu Vaivasvata, mit dem als Brahmas Sohn geltenden Manu, diesen, der den Beinamen Svāyaṃbhuva führt, für den Spatembas eine griechische Entsprechung sein soll. Gegen diese Aufstellungen lassen sich vornehmlich zwei Einwände erheben: die abweichenden Formen und die den Indern schon zuzuschreibende Verwechslung der beiden Manu; Budha ist aber auch nicht Sohn eines Manu, wie Lassen meinte, sondern der des Soma bezw. des Bṛhaspati mit des ersteren Gattin Tārā. Geht man mit Lassen von Budha aus, so kommt nur Manu Vaivasvata in Betracht, da auf diesen alle Königsgeschlechter zurückgeführt werden; er hatte eine Tochter, Iḷā, deren Gatte Budha war. Nun gibt es eine Reihe von [310] Versionen, nach denen diese Tochter des Manu vor oder nach ihrer Vereinigung mit Budha ein Mann war, namens Sudyumna (s. Hertel WZKM XXV 1530. Pargiter Ancient Indian Historical Tradition, London 1922, 253f.); in diesem Namen finden sich einige Elemente, aus denen ein griechisches Σπατέμβας abgeleitet werden könnte (su = spa, aus Suvāstu wird aber Σόαστος; dyumna = τεμβας; ind. Yamunā weist in Ἰωβάρης bei Arrian. Ind. VIII 5 gleichfalls ein b auf; mb tritt in Καμβίσθολοι und Παλίμβσθρα ein). Ist diese Vermutung annehmbar, so fällt auf Dionysos und den Bericht des M. ein anderes Licht. Da Sudyumna als Sohn oder Tochter des Manu gilt, müßte dieser dem Dionysos entsprechen; Manu ist bei den Indern nicht nur der erste König, er ist auch ein Kulturbringer, der das Recht gegenüber dem vorher bestehenden matsyanyāya, nach dem der größere Fisch den kleineren verzehrt, einführt, er ist der mythische Verfasser des bekanntesten Rechtsbuches. M. könnte also, da die indische Tradition selbst nicht einheitlich ist, die Verwandtschaftsverhältnisse durcheinander geworfen haben; auch hat er nur eine geringe Anzahl von Herrschern genannt, vielleicht auch nur sie nennen hören. Mit Kradeuas ist nicht viel anzufangen, wenn man sich nicht Spielereien hingeben will; in der Endung scheint ein indisches -eyu oder -āyu zu stecken; eine Anzahl von Königen, die zehn Söhne des Raudrāšva, führen Namen mit der Endung -eyu (so: Ṛteyu oder Kṛteyu; Gṛteyu, v. l. Kṛteyu); auch auf die Enkel des Budha, deren Namen auf -āyu auslauten, ließe sich verweisen (Ṛtāyu; es handelte sich dann um ein analoges Verwandtschaftsverhältnis wie bei Budha). Eine verläßliche Abfolgeliste liegt auf keinen Fall bei M. vor; aber ebensowenig kann man gegen ihn den Vorwurf der Erfindung erheben. Die Frage, welche literarische Grundlagen er benützt haben könnte, wird dahin zu beantworten sein, daß er selbst kaum einen Einblick in die indische Literatur genommen hat, daß er vielmehr mündlichen Informationen, die auf die purāṇa-artige Tradition sich stützen, sein Wissen verdankt. Durch die Gleichsetzung des Dionysos mit Manu Vaivasvata fällt auch auf die Heraklessage bezw. dessen rätselhafte Tochter Pandaia ein anderes Licht. Denn Kṛṣṇa hatte keine Tochter, wohl aber Manu, dem neun Söhne und eine Tochter, Iḷā, zugeschrieben werden (vgl. Diod. II 39, 2. Arrian. Ind. VIII 6). Schon in der indischen Flutsage (Šatapatha Brāhmaṇa I 8. 1, 10) erzeugt Manu mit seiner Tochter das Menschengeschlecht, was an die Inzestehe bei Arrian. Ind. IX 2 erinnert. Die Verteilung des Besitzes des Manu an seine Söhne und die daraus sich ergebende Frage des Erbrechtes der Tochter spielt in alten Texten und in der Rechtsliteratur eine Rolle (Bühler Sacred Books of the East XXV, Introd. LXI); an das Geschlecht der Aiḷa, den Nachkommen der Iḷā, knüpft die indische Tradition auch die Begründung der Pāṇḍyadynastie (Pargiter 108. Kirfel Das Purāņa Pañcalakṣana, Bonn 1927, 522, 5f.). So erweist sich die Pandaiasage bei M. als Ausfluß einer zwar nicht einheitlichen, aber immerhin vorhandenen Überlieferung, die teilweise bis in die ältesten Schichten des indischen Schrifttums zurückreicht [311] (Hertel 182ff.). M. hat gegenüber dem selbst in der einheimischen genealogischen Tradition verwickelten Sachverhalt nur allzu leicht verständliche Fehler begangen, indem er dem Herakles, statt dem Dionysos, eine Tochter zuschrieb, aber er hat eine erkennbare Spur dieser Genealogie in seinem Bericht hinterlassen.
Im engsten Zusammenhang mit dieser genealogisch-mythologischen Nachricht steht die Angabe bei Arrian. Ind. IX 9; nach dessen Version haben von Dionysos bis auf Sandrakottos 153 Könige innerhalb von 6042 Jahren geherrscht; während dieses Zeitraumes erhielt Indien dreimal die Freiheit, die zweite Freiheitsperiode dauerte 300 Jahre, die dritte 120. Bei Plin. n. h. VI 59 werden von Liber Pater bis Alexander 153 Könige in 6451 Jahren und 3 Monaten gezählt; bei Solin. LII 5 stehen dieselben Angaben. Viel Scharfsinn wurde aufgewendet, um diese Zahlen mit den Königslisten der Purāņa in Einklang zu bringen (am ausführlichsten: Benfey Ztschr. f. d. Kunde d. Morgenl. V 218ff.; anschließend Lassens ablehnende Kritik ebd. 232ff.; vgl. auch Ind. Alt. II 700). Schon die divergierenden Angaben, von denen die bei Plinius wegen ihrer scheinbaren, auch auf die Monate sich erstreckenden Genauigkeit den Eindruck größerer Echtheit machen, lassen es so gut wie unmöglich erscheinen, einen sinnvollen Kanon herzustellen. Die Listen der Purāņa sind mit diesen Zahlangaben unvereinbar; aber das beweist nur, daß die heutige Gestalt dieser Literaturgattung mit M. nicht zusammenstimmt und keineswegs, daß die Informationen sich nicht auf eine andere Tradition bezogen haben können.
Lassen hat (Ztschr. f. d. K. d. M. V 255ff. Ind. Alt. II 610f.) aus der weiteren Angabe bei Arrian eine Folgerung zu ziehen versucht: daß dem M. die Weltzeitalterlehre der Inder bekannt gewesen sei. Jene Perioden der Freiheit deutet Lassen als die nach Ablauf eines der Yuga eintretende Vernichtung der Königsgeschlechter und der Menschheit überhaupt; zur Zeit des M. – wie bis zur Jetztzeit – waren das Kṛta-, Tretā- und Dvāpara-Yuga abgelaufen, die Welt befindet sich im schlechten, Kali genannten, Zeitalter. Die indische Zeitalterlehre ist nicht so einfach, wie M. sie darzustellen scheint; denn den 4000, 3000, 2000 und 1000 Jahre dauernden Yuga geht immer eine Dämmerungszeit voraus bezw. folgt ihnen, die ein Zehntel der Tausende währt; also 400, 300, 200 und 100 vor und nach den betreffenden Yuga, und mit diesen sandhyā bezw. sandhyāṃša glaubt Lassen die Freiheitsperioden identifizieren zu können, zumal die erste bei Arrian ausgefallen und länger als die zweite, die 300 Jahre währte, gedauert haben dürfte. Trotz mancher Bedenken, wieso die Periode der Weltvernichtung und Welterneuerung als Freiheitsperiode zu bezeichnen wäre, muß diese geistvolle Vermutung von Lassen als eine wahrscheinliche Erklärung angesehen werden. (Am kürzesten orientiert über die Yugalehre H. v. Glasenapp Der Hinduismus 230ff. Hastings Encyclopaedia of Religion and Ethics I 200ff.; der Deutung von Lassen stimmte auch Weber Ind. Stud. I 284 A.* zu). In diesem Zusammenhang ist auf die Angabe der Welterschaffung und -vernichtung als Lehre [312] der Philosophen zu verweisen (o. S. 261f.) und auf eine angeblich indische Geschichte, die Ailian. n. a. XVI 5 überliefert; ob sie dem M. entlehnt ist, ist eine andere Frage. Er erzählt vom indischen Wiedehopf, der ein Spielzeug für den indischen König sei, daß er als Lohn für seine frühere Existenz als Königssohn, in der er seine Eltern im eigenen Kopfe bestattete, vom Sonnengott die Krone am Haupte erhalten habe. Diese Geschichte sei auch zu den Griechen gekommen, auf einen anderen Vogel übertragen worden, nämlich die Haubenlerche; Zeugnis dessen zitiert er Aristoph. Av. 471ff.; die Geschichte der ἐπιτυμβίδιοι κορυδαλλίδες ist wohl bekannt, wie das Scholion zu Theokrit. Idyll. VII 23 zeigt: φέρεται δὲ ἐπὶ τούτων καὶ ἱστορία τοιαύτη · ὅτι πρὸ τοῦ γενέσθαι τὴν γῆν γεγόνασιν αὗται [κορυδαλλίδες] · συνέβη γοῦν ποτε αὐτῶν τὸν πρόγονον ἀποθανεῖν, καὶ γῆς μὴ οὔσης ἐτάφη ὑπὲρ τῆς κορυφῆς τοῦ ἰδίου γόνου · διὸ καὶ ἐπιτυμβίδιοι ἐπεκλήθησαν. Merkwürdig an dieser Erzählung Ailians sind einige Umstände: zunächst, warum er überhaupt den indischen Ursprung der Vogelsage betont; die Aussage, daß der indische König den Wiedehopf als Spielzeug benützt; die Anführung der Brahmanen als Quelle des Mythos; endlich der Satz: Ὠγύγιον γάρ τι μῆκος χρόνου λέγουσι Βραχμᾶνες. Zwar bedeutet das von Ogyges abgeleitete Adjektiv ὠγύγιος ,uralt‘, aber Ailians Ausdrucksweise läßt auch die Auffassung eines terminus technicus der Brahmanen zu, und da wäre an eine Angleichung des indischen Yuga an ὠγύγιον zu denken. In XVI 10 ist von den Affen der Praisioi die Rede, was wohl auf M. zurückgeht; ließe sich auch XVI 5 auf ihn zurückführen, dann stammte die Geschichte und vielleicht auch das Wort für Yuga von M., was für die von Lassen erschlossene Zeitalternotiz von Bedeutung wäre. (Zum Wiedehopf s. Dähnhardt Natursagen IV 2, 273; in der jüdischen Literatur Grünbaum ZDMG XXXI, 1877, 207f.; ders., Neue Beiträge zur semitischen Sagenkunde, Leiden 1893, 211ff.; u. Bd. I A S. 101, 49ff.). Eine auf Homonymie von λόφος beruhende Erklärung der Sage gibt Zielinski Rh. Mus. XLIV, 1889, 157.
d) Religion
Die Hauptstellen über das Leben der Priester und Geistlichen der Inder finden sich in frg. 41 = 40 bei Strab. XV 1, 58–60. 42 = 41 bei Clem. Alex. strοm. I XV 72, 4f. 42 B = 41 bei Euseb. praep. ev. IX 6 B. 693. 42 C bei Kyrill., c. Iulian. IV 705 C; 43 = 41 bei Clem. Alex. 71, 5f.
M. teilt die Philosophen zunächst in Anhänger des Dionysos, die in Berggegenden leben, und solche des Herakles, die in den Ebenen sich finden, ein; diese Scheidung beruht auf der Dionysosidee von dem berggeborenen und bergliebenden Gotte (vgl. R. Beer Heilige Höhen der Griechen und Römer 40ff.). ,Er (M.) nimmt aber noch eine andere Einteilung bezüglich der Philosophen vor, indem er von zwei Arten spricht, von denen er die einen Brahmanen, die anderen Sarmanen nennt.‘ Die frühere Ansicht (s. Stein Meg. u. Kauṭ. 279f.) ging dahin, daß in den Sarmanen, wie statt Garmanen zu lesen ist, die buddhistischen šramaṇa zu sehen seien (Schwanbeck) oder daß nur der Ausdruck Σαμαναῖοι auf letztere zu beziehen sei (Lassen). Für die Beurteilung [313] des Berichtes des M. kommen drei Kriterien in Betracht: die Überlieferung, die Anknüpfung an die Alexanderhistoriker, die indischen Unterlagen (Quellen). Nur bei Strabon wird im Zusammenhang über die Philosophen gehandelt, allerdings, wie festzustellen ist, im engen Anschluß an M., wofür die indirekte Darstellung spricht (vgl. die Wiederholung des φησίν in XV 1, 60; die in XV 1, 61–66 deutlich geschiedene, wenn auch stofflich anknüpfende Berichterstattung nach Aristobul, Onesikritos und Nearchos); darin liegt ein den Wert der Wiedergabe beeinträchtigender Umstand, aber trotz dieser einzigen Version ist kein Grund zu Mißtrauen gegeben. Was die Anknüpfung an die Alexanderzeit anlangt, so stellt M. einen bedeutenden Fortschritt dar; nicht nur, daß ihn sein langjähriger Aufenthalt, noch dazu im Zentrum des Großreiches und des kulturell überhaupt höher stehenden Ostens zu einem tieferen Eindringen befähigte, er ist es auch, der nicht bloß auf die äußeren, ins Auge fallenden Übungen der Geistlichen, deren Gruppierung er versucht, sein Augenmerk richtet, sondern das Leben der ,Philosophen‘ von der Geburt an beschreibt; trotzdem finden sich Berührungspunkte mit den Berichten der makedonischen Periode, die sich nur aus einer unbewußten oder bewußten Einwirkung dieser Vorgänger, aus der Rücksicht auf die von jenen berührten Episoden erklären lassen. Andererseits bietet die auf das physische Leben gerichtete Schilderung und die stadienmäßige Gliederung bei M. die Gewähr, daß neben persönlichem Einblick mündliche Informationen zugrunde liegen müssen, da sonst seine Kenntnisse nicht zu erklären sind und eine Heranziehung indischer Quellenschriften durch ihn selbst nicht anzunehmen ist. Zunächst soll eine Durchmusterung seines Berichtes vom indologischen Standpunkt erfolgen, bevor die Frage, welche ,Philosophen‘ gemeint sind, beantwortet werden kann.
Die höhere Achtung, der sich die Brahmanen gegenüber den Sarmanen erfreuen, wird mit der größeren Einheitlichkeit ihrer Grundsätze begründet. Das ist eine feine Beobachtung; denn kein Religionssystem Indiens ist derartig ausgebaut und keine Gesellschaftsordnung im Denken auch der anders gerichteten Volksteile, der unarischen, niedrigsten Kasten so verankert gewesen wie die älteste, durch eine große Literatur und dauernde Tradition gefestigte Lehre der Brahmanen. Dazu tritt der von M. zwar nicht hier, aber bei Strab. XV 1, 39 erwähnte Umstand: καὶ πρώτους μὲν τοὺς φιλοσόφους εἶναι κατὰ τιμήν (s. o. S. 277f.); wiewohl sich das auf die Philosophen allgemein bezieht, so gilt es um so mehr für die zu ihnen gehörenden Brahmanen, die erste Kaste. Von der Empfängnis an erhalten die Brahmanen, heißt es weiter, wissenschaftlich gebildete Männer, die mit Gesang zu ihren Worten die für Mutter und Kind glückliche Geburt zu beeinflussen scheinen, in Wirklichkeit aber irgend welche weise Ermahnungen und Ratschläge erteilen. Diese Stelle, so merkwürdig sie klingt (Lassen hat sie, wiewohl er II 705ff. einen ausführlichen Kommentar dieser Darstellung widmet, übergangen) beweist, daß M. ein eindringlicher Beobachter war, daß er im Hause von Brahmanen verkehrt [314] haben muß, da er auf Grund einer Information den Sachverhalt anders dargestellt hätte. Er meint mit seiner Angabe jene Reihe von Zeremonien, die an der Schwangeren, etwa vom zweiten Monat beginnend, vollzogen werden: puṃsavana, die zur Erzielung eines Sohnes vorgenommene Handlung, das garbharakṣaṇa, die Behütung der Leibesfrucht, vielleicht auch das sīmantonnayana, die Scheitelschlichtung an der Schwangeren; der zauberhafte Charakter dieser Zeremonien ist gar nicht zu leugnen, eher ist ihre Deutung als Unterweisungen und Ratschläge Ausfluß der pädagogisch-ethischen Einstellung des Griechen; besonders bei der Scheitelschlichtung wird sogar von Lautenspielern gesungen, abgesehen von den in Singweise rezitierten Sprüchen bei all diesen Zeremonien, aber Ratschläge kommen auch vor, sie werden von alten Brahmanenfrauen erteilt. (Für diese Einzelheiten s. die Darstellung bei Hillebrandt, Ritual-Litteratur, Grundriß der indo-arischen Philologie III 2 § 9–11.) Mit fortschreitendem Alter würden den jungen Brahmanen immer entsprechend bessere Lehrer zugeteilt; das ist eine insofern unrichtige Angabe, als die Knaben der drei oberen Kasten für das Vedastudium einem Lehrer übergeben werden, bei dem sie auch, wenn kein Hindernis durch dessen Erkrankung oder Tod eintritt, ihr Studium beenden. M. hat aber vielleicht nicht nur Söhne von Brahmanen im Auge gehabt, und dann meinte er die fachliche Ausbildung neben dem Vedastudium; neben dem ācārya, der den Veda lehrte, gab es den ,Unterlehrer‘, upādhyāya, der Teile des Veda und die zu ihm gehörenden Fachwissenschaften tradierte (s. Bühler Sacred Books of the East XXV 56 zu Manu II 140f.; zu Viṣṇu XXX 43, Jollys Übersetzung ebd. VII 127, wird vom Kommentar unter den weltlichen Lehrgegenständen Poetik u. dgl. verstanden). Die weiteren Angaben über das Leben der Philosophen: Aufenthalt in einem abgeschlossenen Haine vor der Stadt, das Liegen auf einer Blätterstreu und Fellen, Enthalten von Fleischgenuß und Geschlechtsverkehr entstammen der Beobachtung seitens des Griechen, die zugleich dem kynisch-stoischen Ideal entsprechen. Gemeint hat M. das āšrama (oder āšramapada), den Asketenhain; für die in ihm sich aufhaltenden Büßer war die auf jede Bequemlichkeit des bürgerlichen Lebens verzichtende Lebensweise bis ins einzelne vorgeschrieben, wie es der Buddhismus und Jinismus für die Mönche und Nonnen systematisch weitergebildet hat (vgl. Manu VI 26); das Schlafen auf dem Boden ist für alle Asketen Vorschrift, dabei wurde eine Streu von Gras verwendet, Felle weniger, weil sie mit der Tötung von Tieren verbunden waren. Belegbar ist das Verbot oder wenigstens die Einschränkung des Fleischgenusses für die Angehörigen der drei oberen Kasten soweit, als es sich um bestimmte Tiere handelt, zum Zwecke eines Opfers ist aber Tötung und Genuß des Tieres gestattet; für den Asketen ist vegetarische Nahrung Gebot, ganz selbstverständlich ist für den Brahmanenschüler die geschlechtliche Reinheit (z. B. Manu II 177; über ein vegetarisch lebendes indisches ,Volk‘ bei Herodot s. Reese 66f.; zur philosophischen Grundlage der Schonung des Tieres bei Pythagoräern und Empedokles s. Mühl 6; [315] zum τόπος überhaupt Schroeder 38). Lassen irrte, wenn er diese Vorschriften nur für den Brahmanenschüler verbindlich erklärte, hingegen beziehen sich die folgenden Verbote deutlich auf den Zuhörer, also den Schüler. Dieser durfte weder sprechen noch husten oder ausspucken, da er sonst für einen Tag aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wurde. Man kann diesen Bestimmungen gegenüber – wie auf dem Gebiete der philosophischen Anschauungen, s. o. – immer einwenden, daß es sich um griechische Lehren handle, die auf Indien übertragen sind, und auch da an das kynisch-stoische Vorbild erinnern; das nimmt natürlich den trotzdem anzuführenden indischen Belegen etwas von ihrer Beweiskraft, besonders wenn diese nicht haargenau dem Berichte des M. entsprechen. Aber ebenso darf man sagen, daß man bei dem griechischen Autor bezw. seinen Benützern nicht ein allzu tiefes Eindringen in die komplizierten religiösen Verhältnisse Indiens, in die haarspalterisch genauen Regelungen des Büßerlebens voraussetzen kann, wobei auch zu berücksichtigen bleibt, daß M. das Leben, wie es ihm entgegentrat, schildert, die indische Literatur nur ein theoretisches Abbild desselben hinterlassen hat. Unter diesen Kautelen, die eigentlich für den ganzen Bericht des M. gelten, ist zu bemerken, daß der indische Unterricht in Form eines Vor- und Nachsprechens durch Lehrer und Schüler sich abspielte, daß dem Schüler das Ansprechen des Lehrers nicht gestattet war (s. Glaser ZDMG LXVI, 1912, 18f., 26. Hillebrandts Skizze ,Unterricht und Erziehung‘ in seinem Buche ,Alt-Indien', Breslau 1899, 100ff.; vgl. auch Weber Ind. Stud. XIII 403ff.). Aus den allgemeinen Regeln für ein züchtiges Benehmen in Gegenwart des Lehrers läßt sich das Verbot jeder körperlichen Ausscheidung ableiten (Manu V 145; vgl. Ind. Stud. XV 95, wo das Sichkratzen verboten ist; Meyer Über d. Wesen d. altindischen Rechtsschriften, Leipzig 1927, im Sachregister unter ,Ausscheidungen des Körpers', wo mit Recht auch die magische und Anstandskomponente der Verbote betont ist); Albīrūnī aber berichtet (transl. Sachau I 182) von den sonderbaren Sitten der Inder u. a.: ,They spit out and blow their noses without any respect for the older ones present, and they crack their lice before them. They consider the crepitus ventris as a good omen, sneezing as a bad omen.‘ Diese Diskrepanz zwischen dem griechischen und arabischen Schriftsteller erklärt sich nicht etwa aus dem Zeitunterschied, sondern aus der Gesellschaftsschichte, in denen die beiden verkehrten bezw. auf die sich ihre Beobachtungen beziehen, ein interessanter Hinweis, in welchen Kreisen sich also M. bewegt haben muß. Auch der Ausschluß aus der Asketengemeinschaft wird als eine (mit Fasten) verbundene Buße zu erklären sein (vgl. Glaser 29ff.: ,begeht er einen Fehler, so muß er drei Tage und Nächte oder 24 Stunden fasten ... und nach einer eintägigen Pause geht das Studium weiter‘; s. Hillebrandt Ritual-Litteratur § 28).
Ein schlagender Beweis, daß M. Gespräche mit Brahmanen und über ihre Lebensweise geführt hat, ist die Angabe, derjenige, welcher 37 Jahre ein solches (Asketen-) Leben gelebt habe, [316] kehre zu seinem Besitz zurück, lebe nach Belieben und freier, trage Baumwollkleider, mäßigen Goldschmuck in den Ohren und an den Händen, genieße Fleisch, nur nicht das von Nutztieren, enthalte sich aber gewürzter und scharfer Speisen. Aristobul hatte berichtet (frg. 34 = FGrHist 139 F 41 bei Strab. XV 1, 61), daß einer der Brahmanen auf Vorwürfe entgegnete, er habe 40 Jahre in Askese gelebt; bei M. wird keine runde Zahl genannt, er muß also genau unterrichtet gewesen sein, da er selbst nicht so lange das Waldleben eines Brahmanen zu beobachten Gelegenheit hatte; nach den indischen Quellen dauert das Vedastudium, das ist das von M. gemeinte Stadium des brahmacārin, des Brahmanenschülers, 36 Jahre, wenn man drei, oder 48 Jahre, wenn man vier Veden studierte (Glaser 16. Hillebrandt § 34; die Differenz von einem Jahr erklärt sich wohl aus der verschiedenen Einrechnung des Endjahres). Mit der Rückkehr als snātaka, der das Abschlußbad genommen hat, erwirbt der Brahmane das Recht, aber erwächst ihm auch die Pflicht, einen eigenen Hausstand zu gründen, er wird ein gṛhastha, für den immer noch zahlreiche Vorschriften zur Regelung seines religiösen und täglichen Lebens bestehen (Jolly Recht und Sitte, Grundriß d. indo-ar. Phil. II 8, 149f.). Nachweisbar ist das Tragen der Ohrringe von Gold (Manu IV 36); Baumwolle ist das gewöhnliche Kleidermaterial; der Fleischgenuß ist beschränkt, die Vorschriften schwanken, empfehlen aber die vegetarische Lebensweise: Manu V 11 verbietet die im Dorfe lebenden Tiere und V 18 die Haustiere, deren Zähne in einer Reihe stehen (vgl. Weber 458. Lüders ZDMG LXI, 1907, 641ff.); gewürzte Speisen waren untersagt (Manu III 257; schon das Dvandvakompositum lavaṇākṣara deutet auf die gewöhnliche Vorstellung des Verbundenseins dieser beiden Begriffe; vgl. Sacred Books of the East XLV 294). Der Wunsch, viele Kinder zu haben, weswegen die Brahmanen auch mehrere Frauen heiraten, um sich der Kinder an Stelle der nicht existierenden Sklaven bedienen zu können, ist von M. verkannt oder absichtlich so gedeutet worden; es handelt sich vielmehr um die Sicherung der männlichen Nachkommenschaft aus religiös-magischen Gründen (Stein Meg. u. Kauṭ. 67ff.). Richtig ist, daß das Vedastudium den Frauen verboten war (z. B. Manu IX 18), da sie als unrein gelten (vgl. Winternitz Die Frau in den ind. Relig., Leipzig 1920, 8ff. 13ff.), und wie Nearchos frg. 7 = FGrHist 133 F 23 bei Strab. XV 1, 66 von philosophierenden Frauen spricht, so ist auch aus indischen Schriften die Teilnahme, wenn auch nur vereinzelter Frauen am geistigen Leben zu belegen; der Veda jedoch als solcher blieb ihnen verschlossen, und das hatte M. im Auge, wenn er angibt, daß die Frauen sonst an Unreine die Lehren weitergeben könnten (ἵνα μή τι τῶν οὐ θεμιτῶν ἐκφέροιεν εἰς τοὺς βεβήλους), womit die Šūdra bezeichnet, sein dürften.
Der Bericht des M. findet bei Strab. XV 1, 60 seine Fortsetzung, beschäftigt sich hier aber ausschließlich mit den Sarmanen, deren geehrteste die ὑλόβιοι seien, die vānaprastha, wie Lassen II 711 richtig erkannte, ohne daß man an eine gewollte Übersetzung denken müßte, wohl nur der Ausdruck einer Tatsache. Ihre Lebensweise: [317] im Walde sich von Blättern (der o. S. 306 erwähnte Asket ist ein solcher parṇāšana, ,dessen Nahrung Blätter sind‘) und wildwachsenden Früchten nähren, als Kleidung sich des Baumbasts bedienen, des Geschlechtsverkehres und des Weingenusses sich enthalten, das sind genau die für den Waldeinsiedler geltenden Vorschriften (Jolly Recht u. Sitte 150f.); bei Clem. Alex. strom. I XV 71, 5 ist weiter ausgeführt, daß sie auch keine Hütten haben, nicht heiraten und keine Kinder besitzen; ersteres wird durch Manu VI 25 bestätigt, die anderen Angaben sind nicht ganz entsprechend, da der vānaprastha schon verheiratet ist, sich mit oder ohne Gattin in die Waldeinsamkeit begibt; der Geschlechtsverkehr widerspräche natürlich der Askese. In der Literatur der Inder ist von einer Befragung dieser Waldeinsiedler durch den König über die letzten Dinge und ihre Heranziehung zum Gottesdienst nichts bekannt, dazu besaß der König seine eigenen Zeichendeuter und Astrologen, Wahrsager und Hauspriester; das wird also eine eigene Zutat des M. (oder Strabon?) sein.
Schwieriger ist es, die zweite, auch an Ansehen den Hylobioi nachstehende Art der Sarmanen zu erkennen, da M. hier aus eigener Erfahrung berichtet, während die Literatur nur ein unvollkommenes Abbild der Wirklichkeit in deren Mannigfaltigkeit bieten kann. M. bezeichnet auch die Ärzte als Philosophen, die sich mit dem Menschen beschäftigen; sie leben einfach, wenn auch nicht in Wäldern, von Reis und Gerstenmehl sich nährend, welche Nahrungsmittel sie, freundlich aufgenommen, überall erhalten; sie verstehen sich auf Förderung der Fruchtbarkeit und beeinflussen durch Arzneimittel die Geburt männlicher oder weiblicher Nachkommen, doch verwenden sie überwiegend Speisen statt Medikamente, von letzteren bevorzugen sie Salben und Pflaster, da die übrigen viel Schädliches enthalten; auch die Ärzte wie die Hylobioi beweisen Festigkeit im Ertragen von mühevollen asketischen Übungen (πόνοις) und Ausdauer, so daß sie in einer bestimmten Haltung einen ganzen Tag unbeweglich verharren. Hier hat man es nicht mit ausgebildeten Ärzten zu tun, sondern mit einer Art Büßern, die sich auf Heilung von Krankheiten verstanden; darum hat auch Lassen II 713f. in ihnen Yogin zu sehen geglaubt und die Angaben des M. mit jenen der Alexanderhistoriker in Verbindung gebracht; Nearchos sagt nämlich (frg. 14 = FGrHist 133 F 10 a bei Arrian. Ind. XV 11f.), daß Alexander Schlangenbisse durch die in seinem Zelte sich aufhaltenden Ärzte heilen ließ, diese Ärzte verstanden sich auch auf die Heilung anderer Krankheiten und Leiden. Nearchos nennt sie Sophisten, die nicht ohne göttlichen Beistand zu heilen schienen. In Übereinstimmung mit dieser Stelle bei Arrian berichtet Strab. XV 1, 45 nach Nearchos (frg. 15 = FGrHist 133 F 10 b), daß herumziehende Zauberer Schlangenbisse zu heilen wüßten; auch Aristohul spricht bei Strab. XV 1, 45 (frg. 32 = FGrHist 139 F 38) von den zur Heilung der Schlangenbisse verwendeten Wurzeln und Arzneien. Es ist kein Zweifel, daß M. unter der zweiten Art von Sarmanen diese herumziehenden Heilkünstler verstanden hat, die als Schlangenbeschwörer und Kurpfuscher, wenn auch [318] mit einigen Kenntnissen der Heilkräuter und Volksmedizin, unter der so vielfältigen Masse von Asketen, deren Gehaben sie imitierten, den Eindruck heiliger Männer hervorzurufen imstande waren; so werden viṣavaidya, ,Giftärzte‘, die sich der Heilung von Schlangenbissen widmeten, mit einem eigenen Ausdruck vātika genannt (s. Ztschr. f. Indol. u. Iran. III 309f. A. 5). Nur diese Weiterfassung des Begriffes der Sarmanen ermöglichte es dem M., die Wahrsager und Zauberer hinzuzurechnen; es ist ihm nicht entgangen, daß es sich um Leute handelt, die von dem Nimbus des Asketen profitierten, denen es jedoch an Bildung fehlte, da er noch von anderen spricht, die gebildeter und feiner seien als jene. Wenn M. schließlich das Mitphilosophieren der Frauen bei einigen Sarmanen erwähnt, was Nearchos bei Strab. XV 1, 66 (frg. 7 = FGrHist 133 F 23) mit demselben Ausdruck für die Frauen der Brahmanen meldet, so ergibt sich, daß bei M. nicht eine strenge Teilung von Brahmanen und anderen Asketen vorliegen kann; noch weniger aber kann man unter den so reichhaltigen Gruppen der Sarmanen Buddhisten verstehen. Zwar findet sich in buddhistischen Schriften (s. Fick Die soziale Gliederung im nordöstlichen Indien 40f. 124f.; ebd. über die verschiedenen Wissenschaften 131f. u. A. 1; über brahmanische Ärzte, Schlangenbeschwörer u. dgl. 153f.; die Zweiteilung in Brahmanen und Samana kommt auch in den Inschriften des Ašoka vor: Corpus Inscr. Ind. I, ed. Hultzsch, 5, 15, 19 usw.) als stereotype Teilung der Ausdruck brahmaṇā und samaṇā nebeneinander, und es ist wahrscheinlich, daß M. gerade diese Teilung gehört und wiedergegeben hat. Eine Scheidung, wie sie Lassen versucht hat, daß der brahmacārin, der Schüler, und der gṛhastha, der Familienvater, von M. als Brahmane, der vānaprastha, der Waldeinsiedler, und sannyāsin, der Asket, als Sarmane (nicht Philosoph, wie Lassen irrtümlich II 706 sagt) bezeichnet wurde, ist richtig, aber zu eng: M. hat unter den Σαρμᾶναι, die unzweifelhaft einem ind. šramaṇa, Pāli samaṇa, entsprechen, alle jene einem nichtbürgerlichen Leben ergebenen Büßer u. dgl. zusammengefaßt, die über das Schülerstadium hinaus waren und in irgendeiner Form dem Asketenstand zuzurechnen sind. (Über die vielgestaltigen Formen indischen Asketenlebens bis auf den heutigen Tag handelt Oman The Mystics, Ascetics and Saints of India, London 1905). Es ist andererseits nicht zu verkennen, daß er darunter auch Buddhisten mitverstanden hat, aber keineswegs sind die Sarmanen als Buddhisten zu bezeichnen, schon wegen der als die geehrtesten unter ihnen geltenden ὑλόβιοι. M. sah einen Unterschied zwischen den beiden Gruppen der Philosophen in der Lebensweise: wer nur vorübergehend dem heiligen Studium oblag und wieder in ein bürgerliches Leben zurückkehrte, der war ein Brahmane, wer aber für immer letzterem entsagte, war ein Sarmane. Der griechische Autor hat, von seinem Standpunkt aus richtig, den nur dem brahmanischen Lebenskodex gemäß zeitweiligen Asketen geschieden vom ständigen, oder anders ausgedrückt: er hat zwischen dem Brahmanen der Kaste und dem Asketen, ohne Rücksicht auf Kaste und Bekenntnis, einen Strich gemacht (vgl. zur [319] Geschichte dieser Frage Lévi Revue de l’histoire des rel. XXIII, 1891, 36f.). Dieselbe Teilung liegt nicht nur in den buddhistischen Quellen vor, sie kehrt bei Strab. XV 1, 70 noch einmal wieder; zwar geht dieser Bericht nicht auf M., wahrscheinlich auf eine spätere Zeit zurück (s. u. S. 321), aber auch hier werden deutlich die Philosophen in Βραχμᾶνες und Πράμναι, wofür Σράμναι zu lesen ist (so auch Geden in Encycl. of Religion and Ethics II 88), eingeteilt. Unter diesen Sramnai gibt es neben den bergbewohnenden, städtischen und ländlichen auch nackte; es ist nicht nötig, unter den Sramnai nur die Digambarasekte der Jinisten zu verstehen, was schon aus dem unrichtigen Verweis Strabons auf ihr 37jähriges Studium hervorgeht, womit er nur ihre gleich große Enthaltsamkeit hervorheben wollte; diese Σράμναι werden als ἐριστικοί und ἐλεγκτικοί bezeichnet, was doch auf einen Gegensatz zur brahmanischen Lehre deutet.
Der Bericht des M., wie er sich bisher dargeboten hat, erstreckt sich scheinbar auf Brahmanen und Asketen; es wäre nun ganz merkwürdig, wenn ihm unter letzteren jene nicht doch besonders aufgefallen wären, deren Lehre und Lebensverhältnisse sich von den brahmanischen immerhin unterschieden, die Buddhisten. Clemens Alex., der strom. I XV 72, 5 den M. zitiert, zeigt in 71, 5 seine Abhängigkeit von M.:
Strab. XV 1, 59f. | Clem. Alex. a. a. O. | |
1. περὶ τῶν φιλοσόφων, δύο γένη φάσκων | 1. διττὸν δὲ τούτων [φιλοσόφων] τὸ γένος | |
2. ὧν τοὺς μὲν Βραχμᾶνας καλεῖ, | 2. οἱ δὲ Βραχμᾶναι καλούμενοι | |
3. τοὺς δὲ Σαρμᾶνας ... | 3. οἱ μὲν Σαρμᾶναι αὐτῶν, | |
4. Τούς δὲ Σαρμάνας τοὺς μὲν ἐντιμότατους | 4. καὶ τῶν Σαρμανῶν | |
5. ὑλοβίους φησὶν ὀνομάζεσθαι | 5. οἱ ὑλόβιοι προσαγορευόμενοι | |
6. ζώντας ἐν ταῖς ὕλαις | 6. οὔτε πόλεις οἰκοῦσι οὔτε στέγας ἔχουσιν, | |
7. ἀπὸ φύλλων καὶ καρπῶν ἀγρίων [Lücke] | 8. δένδρων δὲ ἀμφιέννυνται | |
8. ἐσθῆτος φλοιῶν δενδρείων | 7. καὶ ἀκρόδρυα σιτοῦνται | |
9. ἀφροδισίων χωρὶς καὶ οἴνου | 9. καὶ ὕδωρ ταῖς χερσὶν πίνουσιν, οὐ γάμον, οὐ παιδοποιΐαν ἴσασιν. |
Es folgt 71, 6 ein wichtiger Satz: εἰσὶ δὲ τῶν Ἰνδῶν οἱ τοῖς Βούττα πειθόμενοι παραγγέλμασιν, ὃν δι' ὐπερβολὴν σεμνότητος ὡς θεὸν τετιμήκασι. Hier liegt ein untrügliches Zeugnis für den Buddhismus vor; kann dieses Zeugnis auf M. zurückgehen? Es ist oben gezeigt worden, daß M. nach Strabons Auszug zu urteilen, unterschiedslos Asketen jeglicher Art unter dem Ausdruck Sarmanen zusammengefaßt hat; daher fallen auch die Buddhisten, die in ihren eigenen Schriften als samaṇā Sakyaputtiyā bezeichnet werden, mit hinein. Auf der anderen Seite wäre es auffallend, wenn M. nicht des Buddha Erwähnung getan haben sollte, dessen Religion nach M. zur Staatsreligion wurde, als unter Candraguptas Enkel Ašoka Missionare zu den hellenistischen Fürsten entsandt wurden, und da M. auch höchstwahrscheinlich die verwandte Religionsgemeinde der Jinisten gekannt hat. Entscheidend für die Frage sind aber folgende auf dem Text beruhende Erwägungen. Clemens Alex. benützt unmittelbar vor der Buddhastelle den M., ohne ihn zu zitieren, was erst später geschieht; er kann daher auch die Nachricht über Buddha dem M. verdanken. In strom. III VI 60, 2ff. führt er als seine Quelle über die Brahmanen Alexander Polyhistor an (frg. 95 in FHG III 236); hier spricht er [320] von der Wiedergeburtslehre, die Σεμνοί genannten Inder verbringen das ganze Leben nackt, pflegen die Wahrheit, machen Vorhersagungen für die Zukunft und verehren eine Art Pyramide, ὑφ' ἣν ὀστέα τινὸς θεοῦ νομίζουσιν κεῖσθαι. Alexander Polyhistor hat somit von der buddhistischen Wiedergeburtslehre, aber auch von den Reliquien des Buddha enthaltenden Kultbauten, den stūpa, gehört; den Namen des Buddha hat er jedoch nicht gekannt, sonst hätte er nicht den Ausdruck τινὸς θεοῦ verwendet; ferner spricht er von der Verehrung des Herakles und Pan, von den Semnoi, die Clemens vorher nicht genannt hatte. Es erscheint daher nur folgerichtig, die frühere Nachricht auf eine andere Quelle als Alexander Polyhistor zurückzuführen, und das kann den Umständen nach nur M. sein; das ist nicht so überraschend, da er bei Strab. XV 1, 60 unter den Sarmanen auch solche anführt, bei denen die Frauen mitphilosophieren und des Geschlechtsgenusses sich enthalten, wozu die Stelle XV 1, 70 stimmt. Hier bleibt die Frage, ob Σαμαναῖοι die Buddhisten bezeichnet und auf welche Quelle dieser Ausdruck zurückgeht, außer Betracht; vgl. Marquart Gött. Ges. Abh. N. F. III, 1903, 90 A. 1. Nur einen Einwand könnte man erheben: daß nämlich der Stifter der buddhistischen Religion zur Zeit des M. bereits göttliche Verehrung genossen haben soll. Wenn auch die Kunstdenkmäler der Gandhāraschule erst nach der Zeit des M. fallen, so würde dieses Zeugnis, falls es nicht nur der Feder des Clemens – als Ausfluß seiner eigenen Stellungnahme und im Zusammenhang mit der späteren Stelle über die den Gebeinen eines Gottes geweihte Pyramide – stammt, dafür sprechen, daß schon um die Wende des 4. zum 3. Jhdt. v. Chr. sich der Vergottungsprozeß Buddhas im Volke vorzubereiten begann, der nachher durch griechische und indische Künstler seinen plastischen Ausdruck und im Mahāyāna seine philosophische Systematik gefunden hat.
Beruht die Schilderung der Brahmanen auf persönlicher Beobachtung und mündlichen Informationen, stammen vielleicht sogar Ausdrücke aus dem indischen Sprachgebrauch (so entspräche außer den ὑλόβιοι für vānaprastha das ἀναχωρεῖν εἰς τὴν ἑαυτοῦ κτῆσιν dem ind. Ausdruck samāvartana), ist ferner das Leben der Asketen nach Autopsie geschildert, der Name des Buddha erwähnt und vielleicht auch von den Nonnen die Rede, so ist dem Griechen auch der Name einer anderen Religionsgemeinschaft nicht unbekannt geblieben. Nicht nur die schon (o. S. 301) zitierte Hesychglosse spricht für die Jinisten, die asketischen Übungen, das Mitphilosophieren [321] der Frauen, unter denen natürlich auch jinistische Nonnen gemeint sein können, sprechen dafür; allerdings hat M. nicht von den Asketen berichtet, die nackt einhergehen, Strab. XV 1, 63, 70. Die Unsicherheit der Quelle von Strab. XV 1, 70 erschwert die Verwertung der dort stehenden Nachrichten; wenn dort von nackt lebenden Asketen, auch sog. γυμνῆται, die Rede ist, bei denen auch Frauen seien, ohne sich mit ihnen in Geschlechtsverkehr einzulassen, so kann an die Digambarasekte der Jinisten gedacht werden; so sehr man wieder die schlechte Überlieferung des M. wird verantwortlich machen wollen, ist bei dem vieles enthaltenden Auszug des Strabon das Fehlen dieser Art von nackten Büßern auffällig. Hatte sie M. wirklich nicht erwähnt, oder hat Strabon sie, die er sonst aus anderen Quellen anführt, bei M. übergangen? Oder hat sie M. nicht gesehen? Diese Frage ist nicht ganz nebensächlich. Die Tradition berichtet nämlich, daß gerade während der Regierung Candraguptas unter den Folgen einer Hungersnot in Magadha ein Schisma bei den Jinisten eintrat, das zur Abwanderung eines Teiles der Mönche führte (s. o. S. 298); die Zurückgebliebenen veranstalteten ein Konzil, auf dem sie auch die strengeren Ordensregeln dahin milderten, daß sie weiße Kleider zu tragen begannen, statt der früher geltenden Vorschrift, nackt zu gehen. M. sagt, daß bei den Indern keine Hungersnot auftrete, er weiß scheinbar auch nichts von nackten Asketen; ist darin ein Hinweis auf die Zeit nach diesem Konzil zu sehen, als die Hungersnot vorbei war und die Švetāmbarasekte bereits existierte? Für die indische Religionsgeschichte wäre eine solche Bestätigung von nicht geringer Bedeutung. (Über das Geschichtliche der Sektenteilung s. Charpentier in The Cambridge History of India I 164f. Narasimhachar Epigraphia Carnatica II, 1923, Introd. 36ff. v. Glasenapp Der Jainismus, Berlin 1925, 38f.). Auffallend ist nur, daß nach der Tradition die Hungersnot 12 Jahre gedauert haben soll; wenn wirklich die Spaltung der Gemeinde in die zwei Sekten erst in das 1. Jhdt. n. Chr. fiele, wie deren Texte angeben, so ließe sich ganz gut damit vereinbaren, daß M. die nackten Asketen noch nicht in der Menge sah, um aus ihnen eine eigene Gruppe der Sarmanen zu machen, daß aber andererseits die Nachricht bei Strabon aus einer späteren Quelle stammen müßte, als die Digambara bereits an Anhängerzahl gewonnen hatten. Beiden Schwierigkeiten geht die Annahme aus dem Wege, daß sowohl die Hungersnot als die in ihrer Folge auftretende Auswanderung eines Teiles der Jinisten nach M. fiele; dann wird es auch klarer, wieso M. die Unmöglichkeit einer Hungersnot betonen konnte. Noch ein Umstand ist endlich zu erwähnen, der dem nur indirekten Zeugnis des M. über Buddhismus und Jinismus weiteren Abbruch tut: daß er, der das Leben der Büßer im Haine vor der Stadt erwähnt, mit keinem Worte der Klöster gedenkt, was auch spätere griechische Berichte, wie der bei Clemens Alex., tun; das hängt vielleicht mit dem Institut des Wandermönchtums zusammen, während dem Fremden der Zutritt zu Klöstern nicht leicht möglich war.
Vervollständigt wird das Bild des religiösen [322] Indien, wie es M. gesehen hat, erst durch den Bericht über die ,Kaste‘ der Philosophen, der in drei Versionen (frg. 1, 40ff. bei Diod. II 40, 1–4; frg. 32 = 35 bei Arrian. Ind. XI 1–6; frg. 33 = 36 bei Strab. XV 1, 39) vorliegt. Schon die später erfolgende (und eben besprochene) Einteilung dieser Philosophen oder Sophisten in Brahmanen und Sarmanen schließt die Annahme einer Kaste von Brahmanen bei M. aus. Die von Arrian XI 7 angefügte Notiz des Nearchos (frg. 11 = FGrHist 133 F 6; vgl. auch Onesikritos frg. 10 = FGrHist 134 F 17 bei Strab. XV 1, 64f.) spricht für einen erweiterten Begriff von heiligen Männern, Asketen und Mendikanten in allen Abstufungen; dies um so mehr, als in keiner der drei Versionen der Ausdruck Βραχμᾶνες vorkommt. Daß dem so ist, geht aus der zwar in allen drei Versionen verschieden überlieferten, bei Arrian aber wohl richtig wiedergegebenen Interpretation des ,Kastengesetzes‘ hervor, daß jeder in den Stand der Philosophen eintreten kann (s. Stein Meg. u. Kauṭ. 224). Auf Autopsie beruht die Angabe von der alljährlichen Versammlung der Philosophen zu Neujahr vor dem Palast des Königs; M. kann eine solche Nachricht nicht erfunden haben, weil ihre Tendenz gar nicht einleuchtend wäre. Nachweisbar ist aber eine solche Synode nicht; nur aus dem 7. Jhdt. n. Chr. berichtet der chinesische Pilger und Gelehrte Hiuen-Tsiang (übers. von Beal Buddhist Records of the Western World I 214; von Watters On Yuan Chwang’s Travels in India I 344; derselbe Autor gebraucht gleichfalls [bei Beal I 218] die Einteilung von Sramaṇa und Brāhmaṇa, sowie er von der Weissagungsgabe der Jinisten spricht, s. Life of Hiuen-Tsiang, übers. von Beal 166), daß der König Harṣavardhana die buddhistischen Mönche jedes Jahr einmal zu versammeln pflegte; dabei wurden Disputationen veranstaltet, gelehrte Mönche belohnt, schlechte bestraft. Unter den Strafen für jene Philosophen, deren Wahrsagungen nicht in Erfüllung gingen, wird bei M. das Schweigen bis ans Lebensende genannt; dieses Motiv des Schweigens kehrt im Berichte des M. beim Unterricht wieder, dem der Schüler schweigend zu folgen hat (Strab. XV 1, 59); insofern der Schüler den Vortrag des Lehrers zu wiederholen hat, kann es sich nicht um ein absolutes Schweigen handeln. Dem Schüler, der in Geheimlehren eingeführt werden soll, wird ein Schweigegelübde von drei Tagen auferlegt (s. Hillebrandt Ritual-Litteratur 57), ein Brauch, der dem mystischen Charakter der Lehre entsprach, zugleich vor ihrer Profanierung schützen sollte und ebenso griechisch ist wie er in Indien auch als Abwehrmaßregel gegen den Einfluß schädlicher Mächte (Geister, Dämonen) gedeutet wurde (vgl. Jones Encycl. of Religion and Ethics XI 512ff. Casel De philosophorum Graecorum silentio RVV. XVI 2, 1919. Mensching Das Heilige Schweigen, ebd. XX 2, 1926, 132f. 104f.). Unter den reichhaltigen Formen des religiösen Schweigens kommt auch das Schweigegelübde vor, das bis heute für christliche Mönchsorden Geltung besitzt; bei den falsche Voraussagen machenden Philosophen handelt es sich offenbar auch um ein als Strafe auferlegtes Gelübde, das sich nur deswegen aus indischen Schriften nicht belegen läßt, weil die [323] Versammlung und ihre begleitenden Umstände selbst nicht nachweisbar sind. Eine gute Beobachtung des M. betrifft die Heranziehung der Brahmanen, an die hier wieder allein zu denken ist, zu Opfern, bei denen es sich um die großen, die sog. Šrautaopfer, handeln muß; eine ganze Reihe von Priestern hatten hierbei verschiedene Funktionen zu erfüllen, während die Hausopfer in der Regel vom Hausvater selbst dargebracht wurden (Hillebrandt 97). Die Begründung bei M. für die Verwendung der Priester (bei Diod. II 40, 2: ὡς θεοῖς γεγονότες προσφιλέστατοι; bei Arrian. Ind. XI 3: ὡς οὐκ ἂν ἄλλως κεχαρισμένα τοῖσι θεοῖσι θύσαντι) erfaßt zwar nicht den eigentlichen Grund, der in der verwickelten Opfertechnik, den bedeutenden Anforderungen an vedischem Wissen und Können und in der Gefahr, durch einen technischen Fehler nicht nur das Gelingen des Opfers aufs Spiel zu setzen, sondern auch bösen Einflüssen ausgesetzt zu werden, besteht, trifft aber doch vom griechischen Standpunkt aus das Richtige; ähnlich lautet die Rechtfertigung der Gallier, warum sie kein Opfer ohne einen ihrer Weisen verrichten: ἔθος δ’ αὐτοῖς ἐστι μηδένα θυσίαν ποιεῖν ἄνευ φιλοσόφου· διὰ γὰρ τῶν ἐμπείρων τῆς θείας φύσεως ὡσπερεί τινων ὁμοφώνων τὰ χαριστήρια τοῖς θεοῖς φασι δεῖν προσφέρειν, καὶ διὰ τούτων οἴονται δεῖν τἀγαθά αἰτεῖσθαι (Diod. V 31, 4).
e) Gesellschaft
Kurz zu streifen ist das Bild der indischen Gesellschafts- und Staatsordnung, da hier auf Vorarbeiten verwiesen werden kann (Stein Meg. u. Kauṭ. 119ff.; The Cambridge History of India I 474ff. Smith Early History of India4, Oxford 1924, 126ff. Monahan Early History of Bengal, Oxford 1925, 140ff.); M. hat sich nicht auf das dogmatische Vierkastensystem festgelegt, sondern Selbstbeobachtungen wiedergegeben; wie immer man seinen Bericht über die sieben Berufsklassen auf die vier Kasten wird aufteilen wollen (die älteren Versuche bei Schw. praef. 41f. Lassen II 715ff.), hervorzuheben ist, daß er von ihrer literarischen Existenz, trotz der auf religiösem Gebiete nachweisbaren Unterredung mit Brahmanen, keine Notiz genommen hat, eigentlich ein Zeichen für die geringe Wirklichkeitsgeltung des Kastenschemas. Wohl hat er die überragende soziale Vormacht des Priestertums (im weitesten Sinne) erkannt, auch den Brahmanen die erste Stellung unter allen Schichten und unter den Philosophen eingeräumt, von einer Wertung der übrigen Stände nach dem brahmanischen Gesellschaftskodex kann bei ihm keine Rede sein. So setzt er die Landleute an zweiter Stelle an, die Krieger, die dorthin gehören, erst an fünfter. Damit hängt ferner zusammen, daß ihm der Unterschied zwischen den ,zweimal Geborenen‘ und den verachteten Kasten entgangen ist, so wie er – vielleicht nur aus eigenem Erleben heraus – die Schranken zwischen Ārya und Mleccha, den Barbaren, übersehen hat; beigetragen zu dieser nivellisierenden Auffassung hat, wie zu vermuten nicht fern liegt, seine philosophische Einstellung, seine kosmopolitische Gesinnung, da er z. B. das Institut der Sklaverei leugnet und die ἰσότης (bei Diod. II 39, 5) aller Inder behauptet.
f) Staatsverwaltung
Ebenso ist die Organisation der Staatsverwaltung, [324] insbesondere der Beamtungen, nicht in Einklang zu bringen mit dem, was die indischen Quellen erkennen lassen. Allerdings bieten diese weder eine historisch noch systematisch zusammenhängende Darstellung, wie etwa die Ἀθηναίων πολιτεία eines Aristoteles; erst aus den unter Ašoka beginnenden inschriftlichen Zeugnissen lassen sich beschränkte Rückschlüsse ziehen und gelegentliche Anhaltspunkte gewinnen. Eine neue Epoche schien mit der Auffindung des Arthašāstra des Kauṭilya, des Ministers des Candragupta, an dessen Hofe M. weilte, anzubrechen; bot doch dieses bis jetzt einzig dastehende Werk der indischen Literatur gerade eine systematische Darstellung des Staatswesens der Mauryazeit, zugleich die Möglichkeit, den Bericht des M. von indischer Seite zu kontrollieren (eine vollständige deutsche Übersetzung lieferte Meyer Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben. Das Arthaçāstra des Kauṭilya, Leipzig 1925/26, mit ausführlichem Kommentar). Die Erwartungen, die sich an diese Quelle knüpften, wurden nicht erfüllt; dazu trug der verschiedene Charakter der Nachrichten des M. sowie des Arthašāstra bei, die verschiedene und schwierige Interpretation beider Quellen, in erster Reihe aber die noch immer ungelöste Frage, ob das Arthašāstra wirklich ein Produkt jenes Mannes und jener Zeit ist, als welches es aufgenommen werden will. Eine ganze Literatur hat sich an dieses Problem geknüpft, ja, eine neue Epoche der indologischen Forschung ist dadurch eingeleitet worden. Haben die Abweichungen zwischen M. und Kauṭilya, um diesen Namen beizubehalten, die Gleichzeitigkeit beider Autoren in Frage gestellt, so bleibt damit die Frage offen, welcher literarischen Periode dann denn M. am nächsten kommt. Hier kann nicht der Ort sein, das im einzelnen zu beantworten; einige Momente deuten darauf hin, daß die in den Rechtsbüchern der Inder erkennbare Organisation des Staatswesens dem Berichte des M. näher zu stehen scheint als die vielverzweigte Organisation nach dem einen jüngeren Eindruck machenden Arthašāstra. (Eine neue Untersuchung der ,Privat- und Staatsaltertümer‘ nach M. stellt Breloer im 3. Heft seiner ,Kauṭalīya-Studien‘ in Aussicht, deren 1. Heft, Bonn 1927, ,Das Grundeigentum in Indien‘, das 2., Bonn 1928, ,Altindisches Privatrecht bei M. u. Kauṭalya‘ behandelt.) Wiewohl der Bericht des M. über die Beamten nur in einer Version bei Strab. XV 1, 50–52 erhalten ist, kann man daraus und aus dem fragmentarischen Charakter überhaupt keinen jede Argumentation ausschließenden Einwand erheben, wie es vielfach geschehen ist, da das Erhaltene, in sich geschlossen, zu der indischen Quelle sich nicht oder nur sehr eingeschränkt und bedingt in Beziehung setzen läßt. Unter Berücksichtigung des Ausgeführten, daß M. unbeeinflußt vom brahmanisch-dogmatischen Standpunkt die Gesellschaft Indiens geschildert hat, ist nicht einzusehen, warum er die Beamtungen nicht den Tatsachen folgend dargestellt haben soll; aber die Form, in die er diesen Bericht gekleidet hat (s. o. S. 280ff.), erschwert auf der anderen Seite eine kritiklose Verwertung dieses Berichtes.
§ 14. Beurteilung des Megasthenes
Die Beurteilung eines antiken Schriftstellers historischer Richtung pflegt man mit der [325] Frage nach seiner Glaubwürdigkeit abzuschließen. (Vgl. Schw. praef. 59ff.) Kennzeichnend für den Schriftsteller M. ist die Stellungnahme der antiken Benützer seiner Indika, die verschiedene Aufnahme seiner Nachrichten. Dort, wo er ihnen Tatsächliches zu berichten schien, erkannten sie seinen Wert an, in mythologischen Dingen bringt man ihm Mißtrauen entgegen wie in moderner Zeit. Die geographische Kontroverse im 2. Buche des Strabon (II 1, 4ff.) verwertet die Angaben des M. über Indiens Ausdehnung, wähnt aber seine Glaubwürdigkeit durch den Hinweis auf die fabelhaften Geschichten abschwächen zu müssen (II 1, 9): Ἅπαντες μὴν τοίνυν οἱ περὶ τῆς Ἰνδικῆς γράψαντες ὡς ἐπὶ τὸ πολὺ ψευδολόγοι γεγόνασι, καθ' ὑπερβολὴν δὲ Δηίμαχος, τὰ δὲ δεύτερα ἔχει Μεγασθένης; dazu vgl. XV 1, 57: Ὑπερεκπίπτων δ' ἐπὶ τὸ μυθῶδες ... λέγει und am Ende dieses Paragraphen: ἐγγυτέρω δὲ πίστεώς φησιν ὁ Μεγασθένης. Arrian Ind. XV 5 nimmt einen identischen Standpunkt ein: Μεγασθένης δὲ ἀτρεκέα εἶναι ὑπὲρ τῶν μυρμήκων τὸν λόγον ἱστορέει und ist bezüglich der Zahlenangaben über Flüsse, V 3, und über die Völker Indiens, VII 1, mißtrauisch, weil M. nicht viel von Indien gesehen haben soll; er entschuldigt ihn aber selbst, da M. die Ameisengeschichte auf Grund einheimischer Informationen erzählt haben dürfte (XV 7): ἀλλὰ Μεγασθένης τε ἀκοὴν ἀπηγέεται. Als Maßstab galt sowohl für Strabon als Arrian, den stärksten Benützern des M., das Verhältnis des M. zu den Alexanderhistorikern, soweit deren Berichte sich mit dem des M. auf die gleiche Materie bezogen. Strabon konfrontiert daher M. XV 1, 54 mit Onesikritos (frg. 20 = FGrHist 134 F 25) über das Institut der Sklaverei, von der ersterer die Nichtexistenz in ganz Indien behauptet, letzterer nur auf das Reich des Musikanos beschränkt; XV 1, 53 leugnet M. die Schrift in Indien, Nearchos stimmt zwar mit ihm darin überein, daß die Gesetze ungeschrieben seien (frg. 7 = FGrHist 133 F 28 bei Strab. XV 1, 66), aber durch die auf geglättetem Baumwollzeuge geschriebenen Briefe erfährt M. eine Korrektur (XV 1, 67); auch über die Kleidung der Inder stellt Strabon (XV 1, 71) einen Widerspruch zur Nachricht des M. (XV 1, 54) fest. Historischen Erzählungen über Feldzüge nach Indien vor Alexander brachte M. selbst Mißtrauen entgegen und warnte vor ihrer Annahme (XV 1, 6); hingegen hielt er an den Dionysos- und Heraklesmythen fest, die Eratosthenes u. a. als unglaubwürdige Fabeleien verurteilten (XV 1, 7). Dort, wo Strabon keine andere Zeugen zur Kontrolle zur Verfügung standen, wie über das Land jenseits des Hypanis, über Staat und Gesellschaft, dort hat er M. unbedenklich ausgeschrieben. In dieser Hinsicht war, wie eben gezeigt, Arrian kritischer, der auch das Geographische nur mit Reserve aufnahm; aber Ind. IV 13 meint auch er, man dürfe dem Berichte über Indos und Ganges kein Mißtrauen entgegenbringen; anab. V 5, 1 und Ind. XVII 6 nennt er M. einmal mit Eratosthenes, das andere Mal mit Nearchos in Verbindung einen bewährten Zeugen. Man kann also nicht schlechthin behaupten, der Ruf des M., dessen Werk nicht mit Unrecht als die Grundlage des griechischen Wissens um Indien bezeichnet wird, sei im Altertum allzu übel gewesen. Die Einstellung [326] seiner ausgiebigsten Benützer im Altertum zu ihm unterscheidet sich nicht wesentlich von der seiner modernen Interpreten: wo man sich Tatsachen gegenübersieht oder zu sehen glaubt, akzeptiert man seinen Bericht; wo man aber der nüchternen Betrachtung paradox erscheinende, der Wirklichkeit und der Wahrscheinlichkeit widersprechende Angaben vor sich zu haben vermeint, wird er als Lügner, Erfinder oder leichtgläubiger Nachsprecher ihm aufgebundener Märchen angesehen. Dem ist nicht so: nicht, daß er ohne Fehler, ohne tendenziöse Einmischung seine Indika geschrieben hätte; aber eine fortschreitende Erforschung der ethnologischen Tatsachen und die Erkenntnis ihrer etwas märchenhaften Einkleidung, sei es durch Übertreibung anatomischer Bildungen, sei es durch andere Momente (vgl. Ἐπιτύμβιον 319), muß zu einer gerechteren Auffassung, wenn nicht Rechtfertigung dieses Schriftstellers führen. Ausschlaggebend in dieser Beziehung ist die Aufhellung der Thaumasia, die nicht von vornherein in das Gebiet der Fabel verwiesen werden dürfen; auf der anderen Seite bietet M. soviel des Richtigen, daß er eine glaubwürdige Quelle des alten Indien bleibt, deren unvollständige Erhaltung mit zu dem Mißgeschick der Indologie gehört. Wird erst die in den FGrHist zu erwartende Neusammlung seiner Fragmente vorliegen, dann ist die Zeit für eine Erklärung jeder Einzelheit gekommen, einer Erklärung, die, unvoreingenommen, sich auf eine ebenso gediegene Kenntnis des griechischen literarischen Genres der Ethnographie in ihren Zusammenhängen mit den naturwissenschaftlichen, philosophischen und staatsutopistischen Anschauungen wie der indischen Materie wird stützen müssen.
Literatur. Ausgaben: Schwanbeck Megasthenis Indica, Bonnae 1846. C. Müller Fragmenta Historicorum Graecorum II 397ff. Übersetzung: J. W. Mc Crindle in: Indian Antiquary VI 1877, 113ff. 236ff. 333ff.; als Buch erschienen unter dem Titel: Ancient India as described by Megasthenes and Arrian. Calcutta 1877; Neuausgabe: Calcutta 1926. Zur literargeschichtlichen Stellung des M.: Susemihl Gesch. d. griech. Lit. in der Alexandrinerzeit I 547ff. Christ-Schmid Gesch. d. griech. Lit.6 II 1, 227. Zur Darstellung und Exegese: Stein S.-Ber. d. Akad. Wien, Phil.-hist. Klasse, 191, 5, 1922; The Cambridge History of India I, Cambridge 1922, 403ff. Smith The Early History of India4, Oxford 1924, 126ff. Monahan The Early History of Bengal, Oxford 1925, 141ff. (Unzugänglich blieb: Megasthenes and Arrian. A birds eye view of their accounts of Ancient India, Calcutta s. a.) Zu Einzelfragen s. die oben jeweils angeführten Arbeiten. Die indische moderne Literatur zum M.-Kauṭilya-Problem ist überaus zahlreich, aber nicht wesentlich fördernd; eine Übersicht bei Jolly Ztschr. f. vgl. Rechtswiss. XLI 1925, 305ff.