Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Volk des nördl. Indien in Hochebene, wo Ameisen Gold aufwühlen (Tibet)
Band IV,2 (1901) S. 21532154
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Dardai, Volk im nördlichen Indien (Plin. XI 111. VI 67. Nonn. Dion. XXVI 61. Dionys. Bassar. b. Steph. Byz.); Derdai, Bewohner einer grossen Hochebene, wo die Ameisen Gold aufwühlten, Megasthenes bei Strab. XV 706. Arrian. Ind. 15 (vgl. Dio Chrysost. or. 35. Clem. Alex. strom. II 207); Δαράδραι am oberen Indos, in der Nachbarschaft der Baktroi und Sakai, sowie der Byltai und Chauranaioi (s. d.), Ptol. VII 1, 42, Δαρδανέες Dion. per. 1138; sie sind jene Inder, welche auf Kamelen in die ,östliche Sandwüste‘ ausziehen, um in Säcken den Goldstaub zu sammeln, welche die an Grösse zwischen Hund und Fuchs stehenden Ameisen aus der Erde heraus wühlen, Herodot. III 108; Ktesias bei Ael. h. a. IV 27 setzt an Stelle der Ameisen Greife und bemerkt, dass die Goldstaub holenden Karawanen drei Jahre ausbleiben; Ael. h. a. III 4 zieht in diesen Sagenkreis auch das (tibetische) Volk der Issedones und den indischen Grenzfluss Kampylinos; nach dem Zeugnis des Nearchos wurden Felle jener Ameisen ins makedonische Lager gebracht. In den Ameisen haben Moorcroft (Asiat. Researches XII 439), Hodgson und Wilson das tibetische Murmeltier (tib. phyi.ba) erkannt, das sich Höhlen gräbt und Vorratskammern für den Winter anlegt; in der aufgewühlten Erde findet sich mitunter Goldstaub; die indische Sage nannte das Tier pipîlika ,Ameise‘; im Mahâbhârata II 2860 bringen Himavatbewohner des Nordens, Khaça Kulinda und Tangana, den indischen Fürsten als Tribut das von den ,Ameisen‘ hervorgescharrte Gold, pipîlikam gâtarupam uddṛtam pipîlikâis. Noch jetzt ist der tibetische Grenzort Gar.tok ein Centrum des Goldstaubhandels, während das indische Land selbst, wie schon Herodot wusste, kein Gold hervorbringt. Die Goldfelder der tibetischen Provinz Gna.rikhor.sum (s. Chauranaioi) oder des nordischen Landes skr. Hâtaka-dêça der polyandrischen Tribus Suvarṇa-gôtra sind in unserer Zeit genauer bekannt geworden; sie liegen im Quellengebiet des [2154] Dzang.bo, und die Goldgräber nennen sich Dul.ba, vgl. tib. rdul ,Goldstaub‚‘. Die indischen D. waren also nicht, wie Megasthenes angiebt, Besitzer dieser Goldfelder; sie wohnten vielmehr weiter gegen Westen an der grossen Beuge des Indos und waren blos, wie Herodot sagt, στελλόμενοι ἐπὶ τὸν χρυσόν. Die noch heutzutage zwischen Citrâl, Gilgit, Kašmîr und Bunêr sesshaften Dardustämme werden in den indischen Schriftwerken, zumal den Epen und Purâṇas, in der Form Darada neben anderen Bergvölkern des Himavatgürtels häufig erwähnt; in Kalhanas Râğa-tarañginî ist von Kämpfen des Kaçmîravolkes mit den Darada-Montagnards die Rede, und eine ihrer Festen heisst (III 100f. ed. Troyer) Darad-puri; der Name erklärt sich kaum aus skr. dardu ,Krätze‘, auch nicht als zerdehnte Form von dṟdhá ,fest, stark, tapfer‘, sondern aus darad, einem Worte, das sich in dard. dâr, kafir. ,Hügel, Bergabhang‘ erhalten hat. Lebensweise, Bräuche, Clanverfassung und Kastenwesen, sowie die Sprache der Stämme Dardistâns haben uns zuerst kurz Vigne, Cunningham und Hayward, in neuerer Zeit sehr ausführlich Leitner (Results of a tour in Dardistan, Lahore 1870; The languages and races of Dardistan, 1873, und in einem zusammenfassenden Hauptwerk 1893), Biddulph (Tribes of the Hindookoosh, Calcutta 1880) und Drew (Jamoo und Kashmirterritories, London 1875) dargelegt; R. Shaw hat dazu für die buddhistischen ,Almenbewohner‘ (tib. Brok.pa) in Baltistân, welche einen Dârddialekt reden, Nachträge geliefert (A stray Arians in Tibet, J. of Asiat. soc. of Bengal 1878 Bd. XLVII). Die Dârdsprache ist ein echter, dem Panğâbî, Kašmîrî und Kâfirî verwandter arischer Dialekt, wenn auch durchsetzt von Worten aus der Sprache der alteinheimischen Burišk (vgl. zu Saetae) von Hunza-Nager, Gilgit und Yasin; die D. sind also von Süden her, das Sindhuthal aufwärts, vorgedrungen und von Haus aus Arier, wenngleich ihr leiblicher Typus auf starke Mischung mit den Autochthonen sowie mit Arabern hinweist. Nach Ujfalvy (Aus dem westlichen Himâlaya, Leipzig 1881, 228; Les Aryans de l’Hindoukouch, Paris 1896) haben die Dardu gleich den Balti (s. Byltai) ,Raubvogelgesichter‘ und hyperdolichokephale Schädel, braunes und manchmal gelocktes Haupthaar und eine schlanke, dabei kräftige Statur; individuell tritt ,semitischer‘ Typus hervor. Vgl. Lassen Ind. Alt. I 849f. Markham Dardistán (Geogr. Magazin, London 1875, 252f.).