Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Comes sacrarum largitionum Verwalter der Geldgeschenke an Soldaten
Band IV,1 (1900) S. 671675
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84) Comes sacrarum largitionum, auch comes sacrarum (Cod. Theod. XII 1, 120. Cassiod. var. V 40. VII 22. VIII 16. CIL V 6253), comes largitionum (Cod. Theod. XI 16, 7. Ephem. epigr. IV 72. Ammian. XXII 3, 7. XXIII 1, 5), sacrarum remunerationum comes (Dessau 809. Cod. Theod VII 12, 2. XI 30, 41), comes sacri aerarii (Cod. Theod. I 5, 13. VI 9, 2. XI 18. 30, 39. XII 6, 32), griechisch κόμης τῶν θείων θησαυρῶν (Kaibel Epigrammata Graeca 919, 5. Cod. Iust. I 34, 3. Reinach Traité d’épigraphie grecque, Paris 1885, 525), κώμης τῶν κομητατησίων λαργιτιόνων (Theodor. h. e. IV 22, 10), τῶν θησαυρῶν ταμίας (Sozom. VI 19), ὁ ἐπὶ τῶν βασιλικῶν θησαυρῶν (Socrat. IV 21) genannt. Sein Amt ist wohl zugleich mit des comes rerum privatarum um 318 entstanden und hat sich diesem parallel entwickelt. So gehört auch er zu den comites consistoriani (Cod. Theod. VI 30, 1. 4) und scheint anfangs officiell nur den Titel comes ordinis primi intra consistorium oder intra palatium geführt zu haben. In Gesetzen kommt er mit dem uns geläufigen Titel zuerst 345 vor (Cod. Theod. XI 7, 5), in dem noch strengeren Stil der Inschriften erst 418 (Dessau 1291. 1304. 809. CIL VI 1674). Auch er ist anfangs Ritter und heisst demgemäss vir perfectissimus (Cod. Theod. XI 7, 5), wird aber später Senator und erhält den Titel vir inlustris (Dessau 1291. CIL VI 1674. Cod. Theod. I 5, 13. Not. dign. or. XIII 1. 4. 21; occ. XI 1. 3. 87 und sonst), und seine Stellung ist zwar nicht höher an Rang, aber wohl an Einfluss, als die des comes rerum privatarum, und wird daher oft nach dieser bekleidet (s. Comes rerum privatarum, Nr. 79).

Die sacrae largitiones führen ihren Namen wahrscheinlich von den Geldgeschenken, welche die Soldaten neben ihrer regelmässigen Naturalverpflegung [672] bei festlichen Gelegenheiten, namentlich bei den Quinquennalfeiern, empfingen (Procop. hist. arc. 24 p. 71 A). Sie stehen daher im Gegensatze zur arca der Praefecti praetorio, aus der die Ernährung der Truppen zu bestreiten war (Cod. Theod. VIII 1, 12. 8, 5. XI 28, 9. 16. XII 6, 30. Cod. Iust. X 23, 3 § 3). Dieser kommen die annonarii tituli, d. h. die Naturalsteuern, zu (Cod. Iust. X 19, 6; vgl. Cod. Theod. XI 28, 9. 17), während die largitionales tituli (Cod. Theod. I 10, 2. VIII 1, 12. XI 28, 14. Cod. Iust. IV 61, 12. X 23, 3. 4. Edict. Iust. 13, 11, 2) vorzugsweise in Gold (Cod. Theod. I 10, 7. XII 6, 13. 30) oder Silber (Cod. Theod. XIII 2) zu zahlen waren. Daher bewahren auch die Praefecten die Normalmasse für Korn, Wein u. dgl., der Comes sacrarum largitionum die Normalgewichte für Gold, Silber und andere Metalle (Nov. Iust. 128, 15). Ein solches Solidusgewicht mit der Aufschrift: exag(ium) sol(idi) sub vi(ro) inl(ustri) Iohanni com(ite) s(acrarum) l(argitionum) hat sich noch erhalten (Cohen Médailles impériales VIII² 191). Doch ist jene Scheidung nicht ganz streng durchgeführt; z. B. fliesst von den Domanialgütern, die in Erbpacht gegeben sind, die Grundsteuer (annona) in die sacrae largitiones (Cod. Theod. V 14, 5) und zeitweilig auch die Pachtsumme selbst (Cod. Theod. V 13, 19. 20. Cod. Iust. XI 62, 3), obgleich beide wahrscheinlich in Naturalien entrichtet wurden. Was zu solchen Ausnahmen Anlass gab und wie lange sie in Geltung waren, ist unbekannt (vgl. Comes rerum privatarum, Nr. 79).

Ausser den Einkünften aus dieser Art von Domänen, über die mehrfach Gesetze an den Comes sacrarum largitionum gerichtet werden (Cod. Theod. XI 28, 14. Cod. Iust. XI 62, 11. 63, 2), wurde seine Casse hauptsächlich aus folgenden Quellen gespeist:

a) Die Senatorensteuer, die anfangs in Weisskupfergeld, später in Gold entrichtet werden musste (Cod. Theod. VI 2, 17; vgl. Collatio glebalis).

b) Die Handelssteuer, die in Gold und Silber bezahlt wurde (Cod. Theod. XI 12, 3. XIII 1, 6. Nov. Val. 23; vgl. Collatio lustralis).

c) Die Zölle, mögen es nun Einfuhr-, Ausfuhr- oder Durchgangszölle sein (Cod. Theod. IV 12, 8. 9). Im Anschluss hieran und an die eben erwähnte Steuer hat der Comes sacrarum largitionum den Handel im ganzen Reiche, namentlich den Grenzverkehr, zu beaufsichtigen (Cassiod. var. VI 7, 7. Cod. Theod. I 10, 4. Nov. Iust. 136. Nov. Val. 23. Cod. Iust. IV 40, 1. 63, 2. 6), und die comites commerciorum sind seine Untergebenen (s. Comes commerciorum, Nr. 18).

d) Das aurum oblaticium, das der Senat den Kaisern bei ihren fünfjährigen Regierungsjubiläen darzubringen pflegte (Symmach. rel. 13, 3. 30, 1). Dasselbe gilt wohl auch von den anderen scheinbar freiwilligen Geldgeschenken an die Herrscher, wie den strenae der Beamten (Symm. rel. 15) und dem aurum coronarium. Allerdings ist es bei diesem auffällig, dass von den Gesetzen darüber keines an den Comes sacrarum largitionum, sondern alle an Praefecten gerichtet sind (Cod. Theod. XII 12, 15. 13, 1–5). Doch mag sich dies daraus erklären, dass die Statthalter, die jenen untergeben waren, die Eintreibung zu besorgen [673] hatten. Ebenso ist auch eine Verordnung über das argentum, quod quis thesauris fuerat inlaturus, das also jedenfalls in die sacrae largitiones floss, an einen Praefecten erlassen (Cod. Theod. XIII 2).

e) Die Steuer, welche die Juden früher unter dem Namen des aurum coronarium ihren Patriarchen gezahlt hatten, wurde seit 429 von dem Comes sacrarum largitionum für seine Casse eingezogen (Cod. Theod. XVI 8, 29 = Cod. Iust. I 9, 17), nachdem schon vorher gelegentliche Confiscationen dieser Gelder vorgekommen waren (Cod. Theod. XVI 8, 14).

f) Der Ertrag der staatlichen Bergwerke, weshalb auch der comes metallorum per Illyricum Untergebener des Comes sacrarum largitionum ist (Not. dign. or. XIII 11). Diesem steht auch die Aufsicht über den erblichen Stand der Bergleute (metallarii) zu, und er hat dafür zu sorgen, dass sich kein Verpflichteter demselben entzieht (Cod. Theod. X 19, 15). Die Goldwäscherei kann auch von Privaten auf eigene Rechnung betrieben werden, doch haben diese aurileguli den sacrae largitiones eine bestimmte Abgabe in Goldstaub, den metallicus canon, zu entrichten und für den Rest des Gewinnes besitzt die kaiserliche Casse ein Vorkaufsrecht (Cod. Theod. X 19, 3. 4. 12). Endlich muss auch von den Erträgen der Bergwerke, die sich im Privatbesitze befinden, der Zehnte an den Comes sacrarum largitionum bezahlt werden (Cod. Theod. X 19, 10. 11).

g) Der Ertrag des Salzmonopols, das erst unter der Ostgothenherrschaft in Italien nachweisbar ist, aber von Cassiodor schon der Vorzeit zugeschrieben wird (Cassiod. var. VI 7, 8).

h) Die Fabricate der kaiserlichen Webereien und Purpurfärbereien, die alle unter dem Comes sacrarum largitionum standen (Not. dign. or. XIII 14–17. 20; occ. XI 5. 45–77. Cod. Iust. IV 40, 1. XI 8, 14. Cod. Theod. I 32, 3 § 2. X 20, 13. 18. 21, 1–3. Cassiod. var. I 2, 1. VI 7, 6) und deren Erzeugnisse in den thesauri niedergelegt wurden (Hist. Aug. Alex. 40, 3). Hieran schloss sich seine Aufsicht über die erblichen Corpora der kaiserlichen Leinweber (linteones oder lintearii Cod. Theod. X 20, 6. 8. 16), der Wollweber (gynaecearii Cod. Theod. X 20, 2. 3. 7. 9. 16) und der Purpurfärber (murileguli oder conchylioleguli Cod. Theod. X 20, 5. 12. 14–17).

i) Auch die Fabriken der Barbaricarii, d. h. derjenigen, welche Gewänder und Waffen mit Gold- und Silberschmuck versahen, waren ihm anfangs im ganzen Reiche untergeben (Not. dign. occ. XI 74–77. Cod. Theod. X 22, 1). Doch nach dem J. 374 wurden sie im Orient dem Magister officiorum, dem die Waffenfabriken unterstanden, übertragen (Not. dign. or. XI 45–49; vgl. Bd. II S. 2856f.).

k) Die Kopfsteuer der ländlichen Bevölkerung wird im Ostgothenreiche gleichfalls den sacrae largitiones zugeführt (Cassiod. var. VII 12–22).

l) Auch gewisse Strafgelder werden für sie und durch ihre Beamten eingetrieben (Cod. Theod. IX 21, 7. 8. XI 16, 7. Cassiod. var. VIII 24, 5).

m) Endlich haben die Städte von den Einkünften ihres Grundbesitzes einen bestimmten Teil an die sacrae largitiones zu zahlen (Cod. Theod. V 13, 35. XV 1, 32). [674]

Diese Bestände werden in den Thesauri angesammelt, die sich teils am Hofe selbst befinden, teils über die Provinzen zerstreut sind, damit auch dort nach Anweisung des Comes sacrarum largitionum Zahlungen aus ihnen geleistet werden können (Ammian. XXII 3, 7). Ihre unmittelbare Verwaltung kommt den praepositi thesaurorum zu, über die wieder die comites largitionum per omnes dioeceses als Vertreter der Zentralstelle gesetzt sind (s. Comes largitionum, Nr. 50). Von diesen Beamten, wie von ihren Subalternen, den Schatzwächtern und Rechnungsführern, hat der Comes sacrarum largitionum Bürgen zu fordern, und ihm müssen sie bei Niederlegung des Amtes Rechenschaft geben (Cod. Theod. I 32, 3. 4. VIII 7, 14. XII 1, 97. Cod. Iust. XI 8, 14).

Aus dem Metall, das bei ihm einläuft, hat der Comes sacrarum largitionum die Münzprägung besorgen zu lassen (Cassiod. var. VI 7, 3. Not. dign. I or. XIII 18; occ. XI 38–44; vgl. Cod. Theod. IX 21, 7–9. I 32, 3 § 2), weshalb auch das erbliche Corpus der monetarii seiner Aufsicht untersteht (Cod. Theod. X 20, 1. 10. 16). Nach einer Verordnung vom J. 367 haben diejenigen, welche das Gold in Empfang nehmen, es nicht in der Form von Münzen einzusenden, sondern eingeschmolzen, weil dadurch die Prüfung seiner Echtheit leichter ist (Cod. Theod. XII 6, 13), so dass eine fortwährende Umprägung desselben stattfindet. Diese scheint im Occident der comes auri besorgt zu haben, dessen Zeichen daher auch auf den Goldmünzen erscheint (s. Comes auri, Nr. 11).

Für den Transport der fiscalischen Güter stehen dem Comes sacrarum largitionum die Bastagae zur Verfügung (Not. dign. or. XIII 19. 33; occ. XI 78–85. 99), woran sich die Aufsicht über den erblichen Verband der Bastagarii anschliesst (Cod. Theod. X 20, 11).

Aus den Beständen seiner Cassen zahlt er den Soldaten ihre Bezüge, soweit sie nicht in Naturalverpflegung, sondern in barem Gelde bestehen (Cod. Theod. VII 6, 4. XI 17, 3). Den Beamten liefert er ihre Amtstracht aus den kaiserlichen Kleidermagazinen (Cod. Theod. VI 26, 18. 30, 11. Hist. Aug. Alex. 40, 3) und spendet ihnen die Geldgeschenke, die der Kaiser ihnen am Neujahrstage und bei sonstigen festlichen Gelegenheiten verehren lässt (Cassiod. var. VI 7, 2. Cod. Theod. VI 30, 11), während ihre regelmässige Löhnung (annona) aus Naturalien besteht und daher von den Praefecten empfangen wird. Zeitweilig eröffnet er ihnen gegen Sicherheiten auch Credite aus den Goldschätzen der Thesauri, doch wurde dies 381 verboten (Cod. Theod. X 24, 2).

Die Gerichtsbarkeit des Comes sacrarum largitionum hat ganz ähnliche Veränderungen durchgemacht, wie bei dem comes rerum privatarum. Anfangs scheint auch in den Processen der sacrae largitiones der gewöhnliche Richter entschieden zu haben und bei Appellationen der regelmässige Instanzenweg eingeschlagen zu sein. Im J. 381 urteilt in den Provinzen der comes largitionum der einzelnen Dioecese, von dem die Appellation an den Comes sacrarum largitionum geht (Cod. Theod. XI 30, 39). Doch 383 wird der alte Zustand hergestellt; wenn von dem Appellationsrichter an den Kaiser weiter appelliert wird, behält sich dieser die Entscheidung zwar vor, doch [675] instruiert der Comes sacrarum largitionum den Process (Cod. Theod. XI 30, 40. 41). Im J. 385 wird dieser dann zum höchsten Richter in Fiscalsachen gemacht, soweit sie seine Casse betreffen (Cod. Theod. I 10, 3. 4. XI 30, 46. 36, 30). Die Processe seiner Officialen werden ihm erst um das J. 425 zugewiesen, aber nur, wenn sie in der Residenz sind; in der Provinz haben sie vor den Statthaltern Recht zu nehmen (Cod. Iust. XII 23, 12. Cod. Theod. XII 6, 32).

Die Vertreter des Comes sacrarum largitionum in der Provinz sind neben den comites largitionum per singulas dioeceses die rationales summarum (s. Comes largitionum [oben Nr. 50] und Rationalis). Seine Officialen, die am Hofe unter seinem unmittelbaren Befehl stehen und von ihm in die Provinzen geschickt werden, um die Statthalter zur Eintreibung der tituli largitionales anzuhalten (Cod. Iust. I 40, 10. Cod. Theod. I 10, 2. 7. XII 6, 30) heissen palatini sacrarum largitionum und sind mit mannigfachen Privilegien ausgestattet (s. Palatini). Ihre Zahl wurde im J. 399 im Occident auf 546, im Orient auf 224 und 610 Supernumerarii fixiert (Cod. Theod. VI 30, 15. 17). Sie zerfallen in folgende Abteilungen:

a) Scrinium canonum (Not. dign. or. XIII 23; occ. XI 89. Cod. Theod. X 20, 13. 18), das die Eintreibung der Pachten, des canon metallicus und ähnlicher fester Einnahmen zu besorgen hat.

b) Scrinium tabulariorum (Not. dign. or. XIII 24; occ. XI 90. Cod. Theod. X 20, 18. Nov. Val. 7, 3 § 2), dem wohl die Rechnungsführung für den ganzen Umfang der sacrae largitiones oblag.

c) Scrinium numerorum (Not. dign. a. O.), das die Ausgaben für die Soldaten zu buchen hatte.

d) Scrinium aureae massae und

e) Scrinium auri ad responsum, jenes wohl für die Verwaltung der Goldbarren, dieses für das gemünzte Gold bestimmt.

f) Scrinium vestiarii sacri für die Buchung der Kleiderbestände, die sich in den Thesauri befanden.

g) Scrinium argenti und

h) Scrinium a miliarensibus, jenes wieder für das ungemünzte, dieses für das gemünzte Silber, entsprechend der Einteilung, die auch für das Gold getroffen war.

i) Scrinium a pecuniis für das Kupfergeld.

Im Ostgothenreiche ist mit der Comitiva sacrarum largitionum auch der Primiceriatus Notariorum vereinigt, d. h. dem Comes rerum privatarum ist die Ausstellung der Bestallungsdecrete (codicilli) für alle höheren Ämter übertragen (Cassiod. var. VI 7, 4. 9).

Ein Verzeichnis der bekannten Comites sacrarum largitionum, das freilich nicht ganz vollständig ist, findet man bei Grossi-Gondi in Ruggieros Dizionario epigrafico II 495.

[Seeck. ]