Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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das Gedächtnis unterstützende Aufzeichnung
Band IV,1 (1900) S. 726759
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Commentarii. Neben der bei Schriftstellern und in Inschriften (vgl. bes. a commentariis u. S. 759ff.) gewöhnlichen Pluralform c. (selten commentaria) kommt mitunter der Singular vor, entweder als Masculinum commentarius oder als Neutrum commentarium (z. B. Varro de l. l. VI 90. Cic. Brut. 164; ad Att. II 1, 1. Inschriften: CIL XI 3614. Ephem. epigr. VIII p. 229, 62. 278, 1; vgl. u. S. 731); s. Georges Lexikon der lat. Wortformen 152. Ruggiero Diz. epigr. II 537. Wie die Ableitung des Wortes (vgl. comminiscor u. s. w.; Wortspiel bei Cic. Phil. V 12 commentariis commenticiis) und die Wiedergabe durch das griechische ὑπομνήματα (ὑπομνηματισμοί) nahelegt, bedeutet C. jede das Gedächtnis unterstützende Aufzeichnung; aus dieser Grundbedeutung ergiebt sich auch der Unterschied zwischen c. und acta. (u. S. 748f.).

Im Abschnitt I. dieses Artikels kommen die c. als geschäftliche Aufzeichnungen A. des Privatlebens, B. der öffentlichen Verwaltung zur Darstellung; Abschnitt II. behandelt die daraus entwickelte Litteraturgattung.

I. Commentarii als geschäftliche Aufzeichnungen.

A. Im Bereiche des Privatlebens begegnet der Ausdrück c. in mannigfacher, aber stets auf die Grundbedeutung zurückführender Anwendung. Das Hausbuch, gewöhnlich tabulae (codex) accepti et expensi (später auch ephemeris) genannt, heisst in weniger strenger Rede commentarius (Cic. ad Att. VII 3. 7; Phil. V 12 über die von Antonius verfälschten geschäftlichen Aufzeichnungen Caesars: commentariis commenticiis chirographisque venaliciis innumerabilis pecunia congesta in illam domum est; vgl. J. E. Kuntze Cursus des r. Rechts² 465. Thédenat Dict. des ant. I 1404. M. Voigt Abh. der sächs. Ges. der Wiss. XXIII [phil.-hist. Cl. X] 530, 3). Nach Mommsen Strafrecht 513, 3 enthielt es ,neben den Einnahme- und Ausgabeposten auch die das Vermögen betreffenden Urkunden, allem Anschein nach selbst solche, die den Hausbuchführer nicht persönlich angiengen (Cic. pro Q. Roscio 1). Die Datierung war wesentlich und die Reihenfolge (ordo) dadurch bestimmt (Cic. pro Q. Roscio 3 und sonst)‘. Nicht völlig gleichartig ist die von Thédenat und Voigt verglichene Übersicht der Begebenheiten auf den Gütern Trimalchios VII Kalendas Sextiles bei Petron. 53, welche der Actuarius des Trimalchio tamquam urbis acta vorliest (vgl. Friedländer zu Petron. Cen. Trim. p. 259. H. Peter Geschichtl. Litt. der Kaiserzeit I 213); hier liegt vielmehr ein eigenartiges, aus verschiedenen Geschäftsbüchern (c.) redigiertes Summarium vor, wie man es wohl auch sonst in grossen Wirtschaften alltäglich in ein besonderes Buch einzutragen pflegte (mit der ephemeris identisch, vgl. Voigt a. a. O. 531, 9).

[727] Daneben wird c. zur Bezeichnung der verschiedensten Notizen gebraucht; so 1) Tagebücher über persönliche Erlebnisse (vgl. unter II). 2) Aufzeichnungen und Entwürfe als Vorbereitung und Gedächtnisbehelf für zu haltende Reden (z. B. Cic. Verr. II 21. 54; Brut. 105. 164. 301. Quintil. inst. X 7, 30–32. IV 1, 69; bei Tac. dial. 12. 23 libri genannt), die mitunter zu förmlichen Summarien der Reden wurden (für Cicero gesammelt und herausgegeben von Tiro, Teuffel-Schwabe⁵ § 180, 3; vgl. auch Thédenat 1404 n. I. Ruggiero 538. Birt Buchwesen 57. 58. Grasberger Erziehung und Unterricht III 383. 457. H. Peter Gesch. Litt. I 201). 3) Aufschreibungen der Grammatiker und Juristen – wir würden sagen Collegienhefte – als Grundlage für den Unterricht, häufig im Anschlusse an litterarische und juristische Texte (vgl. Suet. de gramm. 4 veteres grammatici et rhetoricam docebant, ac multorum de utraque arte commentarii feruntur). 4) Notizen und Excerpte der Schüler über gehörte Vorlesungen und Declamationen (vgl. Quintil. inst. II 11, 7 puerorum commentariis, in quos ea, quae aliis declamantibus laudata sunt, regerunt; dazu Peter I 236, 1); insbesondere die vollständigen, häufig ins Reine geschriebenen Nachschriften der Vorlesungen (bei den Griechen ὑπομνήματα, σχολικὰ ὑπομνήματα, dazu Birt a. a. O. 346, 3); vgl. Quintil. inst, III 6, 59 sunt enim velut regestae in hos commentarios, quos adulescens deduxerat, scholae (Grasberger a. a. O. II 306. III 383, vgl. 434). Wiederholt wurden aus den unter 3) und 4) erwähnten c. – mitunter wider Willen des Autors – von Schülern und Freunden Editionen veranstaltet (vgl. Birt a. a. O. 346f.; u. S. 757). Dies gilt z. B. von Quintilians Declamationen (vgl. Inst. I prooem. 7). Als ältestes juristisches Collegienheft, das uns erhalten ist, sucht H. Dernburg (Die Institutionen des Gaius, ein Collegienheft aus dem J. 161 n. Chr., Halle 1869) die c. institutionum des Gaius nachzuweisen (vgl. Grasberger III 456f. P. Krüger Geschichte der Quellen und Litt. des r. R. 184, 15. Teuffel-Schwabe⁵ § 361, 4: anders Kuntze Excurse über r. R. 348). Nach Dernburg 34 enthält dieses Werk die ,Vorlesungen des Autors, wie sie derselbe jedesmal unmittelbar vor der Abhaltung niedergeschrieben hatte, vielleicht teilweise ergänzt durch eine vor der Veröffentlichung benutzte correcte und wörtliche Niederschrift eines Zuhörers‘ (über Spuren des Nachschreibens vgl. ebd. 45f. 50. 58. 62. 65; weitere Beispiele von juristischen c. a. a. O. 601. Galens Lehrvorträge (ὑπομνήματα), die ihr Verfasser keiner ἔκδοσις für wert hielt, wurden hinter seinem Rücken nach Privatnachschriften veröffentlicht (Birt 346, 3). Auch die uns erhaltenen antiken Commentare zu Schriftstellertexten gehen gewiss vielfach auf die mündlichen Interpretationen der Grammatiker in den Schulen zurück. 5) Excerptsammlungen aus Litteraturwerken; vgl. z. B. die 160 unedierten c. electorum, die der ältere Plinius seinem Neffen (Plin. epist. III 5, 17) hinterliess (Teuffel-Schwabe⁵ § 312, 2. Birt 349, 2). 6) Entwürfe und Brouillons litterarischer Arbeiten; so sagt Cic. de or. I 5 von seiner Schrift de inventione: pueris aut adulescentulis nobis ex commentariolis nostris incohata ac rudia [728] exciderunt, vix hac aetate digna et hoc usu (dazu Birt 345). 7) Skizzenhafte Berichte, z. B. über den Kriegsschauplatz und die Kriegsereignisse als Grundlage für die stilistisch ausgeführte historische Darstellung, wie sie Kaiser Verus und in dessen Auftrage die Unterfeldherren als Vorarbeit für Frontos Geschichte des Partherkrieges liefern sollten (Fronto ep. p. 131 Nab.; dazu Peter I 378f.).

B. Commentarii der öffentlichen Verwaltung.

a) Commentarii regum. Seit dem Ausgange der Republik weiss unsere Überlieferung aus c. regum teils sacrale, teils rechtliche Bestimmungen anzuführen. Im Perduellionsprocesse des C. Rabirius (Mommsen St.-R. II³ 615; Strafr. 155, 1) beruft sich der Ankläger auf sie (Cic. p. Rab. 15 ex annalium monumentis atque ex regum commentariis; vgl. Liv. I 26, 5f. über die Bestellung der duoviri perduellionis iudicandae unter Tullus Hostilius). Im einzelnen werden erwähnt c. des Numa, nach deren Angaben Tullus Hostilius das Opfer für Iuppiter Elicius vollzieht (Liv. I 31, 8; vgl. L. Piso bei Plin. n. h. XXVIII 14 libri Numae), und deren sacrale Anordnungen Ancus Marcius in album elata proponere in publico iubet (Liv. I 32, 2, vgl. Dionys. III 36). Aus den ὑπομνήματα Numas wird ferner bei Plut. Marcell. 8 eine sacrale Satzung betreffs der spolia opima angeführt, als deren Quelle anderwärts die leges Numae (Serv. Aen. VI 860) oder eine Pompili regis lex in pontificum libris (Varro bei Fest. p. 189) genannt werden (vgl. Bruns Fontes I⁶ 8f. n. 4). Nach Livius I 60, 4 wurden ex commentariis Servii Tullii die ersten Consuln gewählt; daneben führt Fest. p. 246 (nach Varro) technische Ausdrücke der sog. servianischen Centurienordnung als von Servius Tullius in discriptione centuriarum gebraucht an, dann p. 249 aus der discriptio classium, quam fecit Ser. Tullius, die Worte procum patricium, während Cic. orat. 156 die Genetivformen fabrum und procum aus den censoriae tabulae belegt (vgl. Mommsen St.-R. II³ 361. 2. III 245, 1). Nach Mommsen (St.-R. I³ 5. II³ 12, 3. 42, 3. III 245; ähnlich Karlowa Rechtsgesch. I 107f.) existierten diese c. regum wirklich; er sieht in ihnen uralte, daher den Königen beigelegte Schemata und Instructionen für die Handhabung sacraler und magistratischer Geschäfte, die noch von den Gelehrten der augustischen Zeit benutzt worden seien, und sucht a. a. O. II³ 43f., 3 ihr Verhältnis zu den sog. leges regiae näher zu bestimmen. Gegen die Auffassung der C. als Amtsinstructionen wird unten (S. 747f.) das Nötige bemerkt werden; aber auch in der modifizierten Fassung, dass gegen Ende der Republik thatsächlich amtliche Aufzeichnungen aus sehr alter Zeit vorhanden waren, die, wenn auch irrtümlich, als c. regum galten, scheint Mommsens Annahme zu verwerfen. Ohne hier den schwierigen Fragen über die Überlieferung der sog. leges regiae näher treten zu wollen, sei nur bemerkt, dass die c. regum lediglich auf Hypothesen der späteren römischen Antiquare beruhen. Bekanntlich liebte es die jüngere Annalistik, wie Dionysios und das I. Buch des Livius zeigen können, den mageren Stoff der Königszeit durch [729] allerlei alte Satzungen und Formeln, wie sie in den älteren noch erreichbaren, zum Teil aber auch in den gleichzeitigen priesterlichen und magistratischen Aufzeichnungen tralaticisch waren, zu erweitern und auszuschmücken; und ebenso haben die Antiquare, wie Varro, manche uralten Rechtssätze und Gebräuche, die ihnen unterkamen, vermutungsweise auf einen oder den andern König, z. B. Numa oder Servius Tullius, zurückzuführen versucht. Daher die Übereinstimmung des angeblich aus der Königszeit Herrührenden mit den pontificum libri oder den censoriae tabulae. Als man sehr bald auf das blos Hypothetische dieser Zuteilungen vergessen hatte, construierte man für dasjenige, was als echtes Gut der Königszeit galt, eine primäre Quelle, auf welcher die späteren amtlichen Aufzeichnungen und die Darstellungen der Annalen im letzten Grunde beruhen sollten, die fictiven c. regum, deren Originale man jedesfalls auch durch den gallischen Brand vernichtet sein liess. Das allmähliche Weiterspinnen der Hypothese lässt sich an den oben angeführten Beispielen im einzelnen noch deutlich verfolgen.

Litteratur: Schwegler Röm. Gesch. I 27. 545. Mommsen St.-R. I³ 5. II³ 12, 3. 42f., 3. III 245. Teuffel-Schwabe L.-G.⁵ § 72. M. Voigt Abh. der sächs. Ges. der Wiss. XVII (phil.-hist. Cl. VII 1879) 647–664. Karlowa Rechtsgesch. I 107f. Thédenat Dict. des ant. I 1406 n. XIII. Bruns Fontes I⁶ 1ff.

b) Commentarii der Priestercollegien.

1) C. pontificum werden bezeugt bei Cic. pro domo 136 (für Ereignisse der J. 600 = 154, 631 = 123. Brut. 55. Liv. IV 3, 9. VI 1, 2. Quintil. VIII 2, 12. Plin. n. h. XVIII 14. Fest. p. 286 b, 17 (hier als c. sacrorum pontificalium; vgl. Fest. p. 165 a, 3. 360 b, 17 c. sacrorum). Der Ausdruck acta pontificum (Marquardt St.-V. III² 299) kommt nicht vor; dagegen werden in der Überlieferung libri pontificum (pontificii, pontificales) erwähnt (Stellensammlung bei Schwegler R. G. I 31f. P. Preibisch De libris pontif., Breslau 1874. Voigt 648; vgl. Marquardt-Wissowa St.-V. III² 299, 4). Die erhaltenen Fragmente stellt Preibisch Fragmenta librorum pontificiorum (Progr. Tilsit 1878) zusammen. Frühere Forscher, deren Ansichten bei Preibisch und Voigt 649f. zusammengestellt sind (vgl. auch E. Hübner Jahrb. f. Philol. LXXIX 407ff. H. Peter Hist. Rom. rell. I p. IIIIff. Teuffel-Schwabe⁵ § 73), machen einen Unterschied zwischen c. und libri pontificum; noch Marquardt a. a. O. 299f. definiert die libri als Instructionen für die Ausübung sacraler Handlungen, die c. als Aufzeichnung der decreta und responsa des Collegiums. Die Unhaltbarkeit dieser Unterscheidung, welche nach Reifferscheids Vorgange von P. Preibisch a. a. O. 4 und eindringlicher noch von P. Regell De aug. publ. libris 30ff. dargelegt wurde (vgl. A. Reifferscheid Jahresber. XXIII 274ff. Wissowa bei Marquardt a. a. O. 300, 4. 401, 5), ergiebt sich schon daraus, dass mehrfach Dinge, die nach obiger Annahme als uralte Instructionen den libri entnommen sein müssten, aus den c. citiert werden (z. B. Plin. n. h. XVIII 14 über das augurium canarium). Genau dasselbe gilt für die c. und libri augurum, [730] welche Marquardt 400f. in analoger Weise auseinanderhält; auch hier werden sacrale Instructionen, z. B. die Regel Iove tonante fulgurante comitia populi habere nefas (Cic. de divin. II 42) oder die Lehre von den aves augurales (Serv. Aen. I 398. Fest. p. 317 b, 31) aus den c. angeführt (Regell a. a. O. 30–41. Wissowa a. a. O. 401, 5). Bei Val. Max. I 1, 3 werden die nämlichen Auguralbücher, die Plut. Marcell. 5 als ὑπομνήματα citiert, libri genannt. Die unter anderen von Mommsen vertretene Annahme, dass die priesterlichen libri und c., ebenso wie die magistratischen, Amtsinstructionen waren, wird u. S. 747f. als unhaltbar nachgewiesen. Eine Vorstellung von der Anlage geben uns das commentarium ludorum saecularium der XVviri s. f. und die Arvalacten. Danach waren die c. der Priestercollegien, wie die der Magistrate, Protocolle oder Register über die von ihnen vorgenommenen Amtshandlungen, unter welchen die Verrichtung der sacra (daher c. sacrorum) und die Verhandlungen und Beschlussfassungen (decreta und responsa;. vgl. Macrob. III 3, 1. Cic. pro domo 136) in sacralen Fragen bei den Pontifices und Augurn von besonderer Wichtigkeit waren. Wie ausführlich und detailliert die Aufzeichnungen über die sacra waren, zeigen sowohl die Saecular- als auch die Arvalacten; aber auch in den Beratungsprotocollen scheinen die abgegebenen Meinungen aufs genaueste verzeichnet worden zu sein; vgl. Cic. Brut. 55: possumus … suspicari disertum … Ti. Coruncanium. (cos. 474 = 280; Pontifex maximus), quod ex pontificum commentariis longe plurimum ingenio valuisse videatur (dazu Jordan Herm. VI 199f. Voigt 649, 213). Die aus den c. und libri pontificum angeführten Formulare für gottesdienstliche Handlungen (Serv. Aen. II 351, vgl. IV 577. IX 641. Schol. Bern, in Verg. Georg. IV 230, vgl. Serv. Aen. VIII 173; dazu Voigt 655) werden, wie die erhaltenen c. zeigen, den Protocollen über verrichtete sacra entnommen sein, soweit sie nicht etwa unter den decreta des Collegiums standen. Von den bis auf Mucius Scaevola (zwischen 624 = 130 und 640 = 114) geführten annales pontificum unterschieden sich die C. wohl dadurch, dass sie die Beratungen und Decrete über die Vornahme jener sacra enthielten, deren öffentliche Bekanntmachung dann mit kurzer Angabe des Anlasses durch die öffentlich proponierte Pontificaltafel erfolgte. In der Kaiserzeit wurden die c. pontificum jedesfalls im Namen und Auftrag des Princeps als Pontifex maximus geführt. Während das Schreibgeschäft der Protocollierung bei den Pontifices in republicanischer Zeit (bei den XVriri s. f. und den Arvalen noch unter den Kaisern) wahrscheinlich von servi publici besorgt wurde, waren in der Kaiserzeit kaiserliche Beamte damit betraut; vgl. CIL XI 8878 = Dessau 1685 (kaiserlicher Freigelassener; unter Marcus) prox(imus) a libris sacerdotal(ibus). Dagegen sind CIL VI 963.* 964*, die einen Freigelassenen der Livia als scriba a lib(ris) pontificalibus erwähnen, ligorianische Fälschungen (vgl. Hirschfeld Verw.-Gesch. I 202, 2 und bei Friedlaender S.-G. I⁶ 182. W. Henzen Commentationes Mommsen. 633). Neben den c. hat es besondere acta pontificum, wie sie z. B. Marquardt a. a. O. 299, 5. [731] Ruggiero Dizion. II 546 annehmen, nicht gegeben.

2) Commentarii augurum werden erwähnt bei Cic. de divin. II 42. Serv. Aen. I 398. Fest. p. 317 b, 31; gleichbedeutend sind die libri augurum oder augurales (Stellensammlung bei Voigt 648. Regell a. a. O.; vgl. Ruggiero II 546). Auch sie enthielten, wie die c. pontificum, Protocolle der sacralen Handlungen und der im Collegium abgehaltenen Beratungen mit den Entscheidungen (responsa, decreta); s. unter 1). Vgl. H. Galetschky Fragmenta auguralia, Progr. Gymn. Ratibor 1875. P. Regell De augurum publ. libris, Diss. Breslau 1878. Reifferscheid a. a. O. 275f. Mommsen St.-R. I³ 4, 2. Marquardt-Wissowa St.-V. III² 400f. Teuffel-Schwabe § 77, 1. Bouché-Leclercq Dict. des ant. I 554. Wissowa o. Bd. II S. 2323f.

3) Commentarii XVvirum sacris faciundis werden von Censorin. de die nat. 17, 9. 10. 11 zur Feststellung der Jahre, in welchen Saecularfeiern stattfanden, herangezogen (Teuffel-Schwabe § 77, 3). In dem Fragment CIL VI 2312 erscheint ein Staatssclave (publicus) in der Stellung a commentaris XVvir(um) s(acris) f(aciundis). Ausschnitte aus diesen fortlaufenden Protocollen sind die inschriftlich auf uns gekommenen officiellen Berichte über die Saecularfeiern unter Augustus im J. 737 = 17 (bezeichnet als commentari[um ludorum eorum], Ephem. epigr. VIII p. 229 Z. 59–63 = CIL VI 877) und unter Septimius Severus (überschrieben [comme]ntarium [ludorum saecu]lar[iu]m [se]ptim[orum qui facti sunt u. s. w. Ephem. epigr. VIII p. 278 Z. 1ff.); vgl. Ruggiero Diz. II 537. 546. Diese zwei Urkunden geben uns gleich den sog. Arvalacten eine sehr deutliche Vorstellung von Inhalt und Anlage priesterlicher Commentarien; in chronologischer Aneinanderreihung enthalten sie eine eingehende Schilderung des Rituals der Opfer und Spiele, den Wortlaut der verrichteten Gebete, ferner das Senatusconsult, welches die Feier anordnete, die verschiedenen Edicte der Quindecimviri u. s. w. Die zum Teil wörtliche Übereinstimmung beider Berichte in der Protocollierung und in den Formularien zeigt, dass man bei der severischen Feier auf die c. der früheren Saecularspiele als Formelbücher zurückgriff (u. S. 748). Vgl. aber Marquardt-Wissowa St.-V. III² 388, 6.

4) Auch die seit Marini als acta fratrum Arvalium bezeichneten, inschriftlich erhaltenen Aufzeichnungen (vgl. Wissowa o. Bd. II S. 1464ff.) haben vielleicht, wie Ruggiero Diz. II 537f. 546 bemerkt, im Altertume den Titel c. geführt. In CIL VI 2067 II 5 wird ein comm(entariensis) als anwesend bei der elatio ferri im J. 221 erwähnt, ebenso in CIL VI 2103 a Z. 4. 11. 2104 b, 30 (vgl. 2105, 18) ein public(us) a commen(taris) f(ratrum Arvalium) (dazu Henzen Acta fr. Arv. 134). Auf Grund der Niederschrift in den c. erfolgte alljährlich im April oder Mai die Einmeisselung der Protocolle in Marmor. Über Anlage und Inhalt der Arvalcommentarien vgl. unter 3)

c) Commentarii magistratuum. Die Amtsbücher der Magistrate heissen in älterer Zeit technisch tabulae publicae (z. B. Cic. in Vat. 34; pro Balb. 11) mit Hinzusetzung des Namens des [732] Beamten, in dessen Auftrag sie geführt werden; daneben erscheint, da mehrere tabulae zu einem codex (s. d.) zusammengefasst wurden, der Ausdruck Codices (Cic. Verr. I 119. Plin. n. h. XXXV 7 u. S. 755; vgl. Senec. de brev. vitae 13, 4 publicae tabulae codices dicuntur. CIL X 7852 u. S. 733. Mommsen Strafr. 514, 2). Über den Ausdruck monumenta vgl. u. S. 755; Mommsen Strafr. 519, 2. In der Zeit Ciceros und Varros wurde, vielleicht weil damals neben den Wachstafeln Papyrus als Schreibmaterial für die Amtsbücher in Aufnahme kam (u. S. 750), neben tabulae die allgemeinere Bezeichnung c. (commentarium) üblich, welche, ebenso wie das griechische ὑπομνηματισμοί (ὑπομνήματα), vgl. ὑπομνηματίζειν, ὑπομνηματογράφος), in der Kaiserzeit fast ausschliesslich gebraucht wurde (Mommsen a. a. O. 514, 3). Mit der stetig fortschreitenden Specialisierung der amtlichen Aufzeichnungen schwindet dann, schon seit dem 3. Jhdt., die Benennung c. aus dem officiellen Sprachgebrauch, der indessen die Ableitung commentariensis bis in die späteste Zeit beibehalten hat. Die verschiedenen Kategorien der Amtsbücher heissen seitdem acta (s. d.), gesta (Belege Mommsen Strafr. 514, 5. 6), cottidiana und regesta (so z. B. die Protocolle der bei den richterlichen Behörden einlaufenden, für die Entscheidung massgebenden kaiserlichen Rescripte; vgl. P. Krüger Gesch. der Quellen des r. R. 276, 105. Mommsen Ztschr. der Savigny-Stiftung X Rom. Abt. 350); daneben kam vielleicht auch in neuer Anwendung die Bezeichnung codex für Rescriptsammlungen in Blattform auf (Mommsen a. a. O. 349f.).

1) Commentarii consulares (vgl. Voigt 649ff.). Unter der Überschrift in commentariis consularibus scriptum sic inveni führt Varro de l. l. VI 88 eine Darstellung der Berufung der Centuriatcomitien durch den Consul an, die nach Mommsen St.-R. I³ 5f., 4 eine schematisch gefasste Instruction für diese Amtshandlung vorstellen soll, in Wirklichkeit aber wohl einer Aufzeichnung concreter Vorgänge entnommen ist (u. S. 747f.). Auf derselben nicht mehr haltbaren Auffassung der magistratischen commentarii als Instructionsbücher beruht die Vermutung A. Reifferscheids (Rh. Mus. XV 627). wonach das Citat bei Velius Longus G. L. VII 74 (Saturnier?) oriéns consúl magístrum povpulí dicát den c. consulares entnommen wäre (ebenso Mommsen a. a. O. Teuffel-Schwabe⁵ § 78, 1). Nach den inschriftlich erhaltenen Acten des Processes der Oropier gegen die römischen Steuerpächter (Mommsen Herm. XX 268ff. Bruns Fontes I⁶ 172ff. n. 40. Dittenberger IGS I 413; Syll. I² 334; vgl. Viereck Sermo gr. 35 n. XVIII) wurden die von den Consuln unter Beiziehung des Consiliums gefällten Entscheidungen in ὑπομνήματα eingetragen (Mommsen St.-R. II³ 109, 1); vgl. Z. 31 (γνώμην) εἰς τὴν τῶν ὑπομνημάτων δέλτον κατεχωρίσαμεν. Z. 57ff. ἐν τῷ συμβουλίῳ παρήσαν οἱ αὐτοὶ οἱ ἐμ πραγμάτων συμβεβουλευμένων δέλτῳ πρώτῃ, κηρώματι τεσσαρεσκαιδεκάτῳ, dazu S. 749. Nach Wilamowitz Herm. XXI 103, 1. Viereck a. a. O. Dittenberger Syll. I² p. 542, 48 (dagegen Mommsen bei Bruns I⁶ 176, 6) bezieht sich die Verweisung Z. 57ff. auf die amtlichen Aufzeichnungen des L. Cornelius Sulla (cos. 674 = 80 v. Chr.); die res de consilii sententia actae [733] wurden demnach, wie Dittenberger a. a. O. hervorhebt, getrennt von jenen Entscheidungen, bei welchen ein Consilium nicht beigezogen wurde, in einem besonderen Journal aufgezeichnet, in welchem auch ein einschlägiges Senatsconsult (Z. 51ff.) protocolliert wurde. Dagegen nimmt die Erwähnung in Z. 31 Bezug auf die c. der gerade im Amte befindlichen Consuln des J. 681 = 73 v. Chr. (Dittenberger a. a. O. p. 540, 35).

2) Commentarii censorii bezeugt Dionys. I 74, 5: δηλοῦται δὲ ἐξ ἄλλων τε πολλῶν καὶ τῶν καλουμένων τιμητικῶν ὑπομνημάτων, ἃ διαδέχεται παῖς παρὰ παιδὸς καὶ περὶ πολλοῦ ποιείται τοῖς μεθ’ ἑαυτὸν ἐσομένοις ὥσπερ πατρῷα παραδιδόναι· πολλοὶ δ’ εἰσὶν ἀπὸ τῶν τιμητικῶν οἴκων ἄνδρες ἐπιφανεῖς οἱ διαφυλάττοντες αὐτά; er führt daraus den Census von 361/2 = 393/2 v. Chr. an. Ohne Zweifel sind damit identisch die tabulae censoriae, aus welchen Varro de l. l. VI 86f. eine Anordnung über die Berufung der Volksversammlung wiedergiebt (u. S. 747), und die censorii libri (Mommsen St.-R, II³ 361. Teuffel-Schwabe § 78, 2. 3).

3) Aus einem commentarium … vetus anquisitionis M. Sergii Mani filii quaestoris, qui capitis accusacit Trogum, führt Varro de l. l. VI 90ff. einiges an (vgl. Herzog Staatsverf. I 816, 1). Von den hier gegebenen Anweisungen (§ 91. 92; im Imperativ der 2. Pers. Sing.), um derentwillen Mommsen St.-R. I³ 5f., 4 auch dieses commentarium zu der Classe schematischer Dienstinstructionen für die Magistrate rechnet (vgl. u. S. 747f.), wird die eine (92) ausdrücklich als caput edicti bezeichnet. Es liegt also hier (und wohl auch in § 91) der Wortlaut eines für den concreten Fall erlassenen Edictes vor, das – wahrscheinlich von einem der Consuln, deren Gehülfen in der Strafrechtspflege die Quaestoren waren – als schriftliche Instruction für die gegen einen gewissen T. Quintius Trogus (90. 92) zu führende Voruntersuchung (anquisitio, vgl. Mommsen Strafr. 164f. mit A. 3) an den Quaestor M. Sergius gerichtet und von diesem in die fortlaufende Aufzeichnung der Amtshandlung mit aufgenommen worden war. Vgl. Teuffel-Schwabe § 78, 1.

4) Aus den C. der spielgebenden Magistrate, besonders der Aedilen, stammen wohl zum Teile die erhaltenen Didaskalien zu den Stücken des Terenz. Auf antiqui commentarii beruft sich Cic. Brut. 72 für die Aufführung eines Stückes des Livius Andronicus im J. 514 = 240 (Teuffel-Schwabe § 94, 2). Zu den veteres commentarii bei Cic. Brut. 60 vgl. ebd. § 95, 4.

5) Commentarii der Provinzstatthalter. Auch für diese ist in älterer Zeit die technische Bezeichnung tabulae publicae mit Hinzusetzung des Beamtennamens im Genetiv (Mommsen Strafr. 514. 2), daneben codex (Cic. Verr. I 119. Mommsen a. a. O. 514f., 7). So ist noch der Auszug aus dem Amtsbuche des Proconsuls von Sardinien vom J. 68 n. Chr., CIL X 7852 (Mommsen Herm. II 102ff. III 167ff. Bruns Fontes I⁶ 231f. nr. 67), der die Entscheidung in dem Grenzstreite zweier sardinischer Gemeinden enthält, überschrieben descriptum et recognitum ex codice ansato L. Helvi Agrippae proconsulis … tabula V O (= cera κήρωμα? u. S. 749f.) VIII et VIIII et X. Synonym mit tabulae (Verr. III 26) braucht schon [734] Cic. Verr. V 54 den Ausdruck commentarius von dem Amtsbuch des Verres, aus welchem er ein decretum de consilii sententia citiert (Mommsen Strafr. 418, 6. 514, 3). Für den späteren technischen Sprachgebrauch genügt es, auf die militärischen Subalternen a commentariis und commentarienses (u. S. 762f.) hinzuweisen (Mommsen a. a. O. 418, 6. 514, 3). Während die militärischen Aufzeichnungen (acta im engeren Sinne) und Dienststücke von dem actarius ausgefertigt wurden, bezogen sich die Protocolle der commentarienses, die c., anscheinend blos auf die Civilverwaltung; vgl. Veget. II 19, wonach neben den militärischen Acten res annonaria vel civilis polyptychis (dazu u. S. 749) adnotatur. Dass innerhalb dieses Bereiches wieder ein gesondertes Protocoll über die acta civilia im engeren Sinne – im Gegensatz zur Criminalrechtspflege – geführt werden konnte, scheint der comm(entariensis) ab actis civilib(us) CIL II 4179 anzudeuten (vgl. u. S. 763).

Aus den C. der Statthalter, wie anderer richterlicher Beamten, stammt vielleicht zum grösseren Teile, was die Märtyreracten an echtem Gute enthalten; vgl. Le Blant Nouv. rev. hist. III 463f. Mitteis Reichsrecht und Volksrecht 175f. Mommsen Strafr. 404, 4. 520, 2.

Ausführliche Auszüge aus den griechisch geschriebenen ὑπομνηματισμοὶ der praefecti Aegypti, mit deren bei Lukian apol. 12 (u. S. 764) geschilderter Herstellung der προσοδοποιὸς genannte Canzleidirector (über diesen u. S. 764) betraut war, überliefern die Papyrus. Vgl. z. B. UBM I 114 col. I 1–13 (Auszug aus dem Tagebuch des Praef. Aeg. Lupus vom J. 117 n. Chr.; dazu U. Wilcken Phil. LIII 107 nr. 4. 109); ebd. II 388 (Protocoll über die Vorverhandlung in einem Criminalprocesse vor einem Praef. Postumus, Ende des 2. Jhdts.; neu ediert von Mommsen Ztschr. der Savigny-Stiftung XVI Rom. Abt. 181ff.; vgl. Erman-Krebs Aus den Papyrus der kgl. Museen 127ff.; u. S. 764). Grenfell und Hunt The Oxyrhynchus Papyri I p. 84 nr. 40 (Copie aus dem Amtsbuche des Praef. Val. Eudaemon). II nr. 237 col. VII 19ff. (Protocoll über eine Gerichtsverhandlung vor dem Praef. Flavius Titianus im 12. Jahre Hadrians). Eine Abschrift ἐκ τόμου [ὑπο]μνηματισμῶν [Β]λαισίου Μα[ρ]ιανοῦ ἐπάρχου σπείρης [π]ρώ[τ]ης Φλαουίας Κιλί[κ]ων [ἱ]ππικῆς, enthaltend das Protocoll über einen Erbschaftsprocess aus dem J. 124, in welchem der genannte Cohortenpraefect ἐξ ἀναπομπῆς (ex delegatione) des Praef. Aeg. Richter war, giebt ein Wiener Papyrus (Corp. papyr. Rain. I 51ff. nr. 18. Mommsen Ztschr. d. Savignv-Stiftg. XII Rom. Abt. 284ff. Bruns Fontes I⁶ 364ff. nr. 160 a); ein anderes ἀντίγραφον aus einem solchen Protocoll ist UBM I 19 vom J. 135 (Mommsen Ztschr. a. a. O. XIV 1ff. Bruns I⁶ 367f. nr. 160 b. Th. Reinach Nouv. rev. hist. du droit franc. et étr. XVII 5ff. Wilcken a. a. O. 107 nr. 5). Auf ähnliche Protocolle über delegierte Rechtsprechung weist wohl auch der comm(entariensis) trib(uni sexmestris) CIL VIII 2586 (u. S. 762). Commentarii custodiarum des Provinzstatthalters u. S. 760. Zu den C. gehören wohl auch Berichte der Statthalter über ihre Kriegführung (u. S. 757f.). Dass auch über die Durchführung amtlicher Aufträge von kürzerer Dauer Vormerkungen und Berichte in Form von c. gemacht wurden, zeigt z. B. das [735] Edict des Claudius vom J. 46 CIL V 5050 (= Dessau 206. Bruns I⁶ 240f. nr. 74) Z. 20.

Den Übergang zu den c. principales mögen bilden die

6) Commentarii des Dictators Caesar (commentarii C. Caesaris z. B. bei Cic. Phil. II 95. V 11; actorum eiusdem commentarii Vell. II 60; βιβλία τοῦ Καίσαρος, ἐν οἷς ὑπομνήματα τῶν κεκριμένων καὶ δεδογμένων ἦν ἀναγεγραμμένα Plut. Ant. 15; τὰ ὑπομνήματα τῶν βεβουλευμένων Appian. bell. civ. III 5; γράμματα τοῦ Καίσαρος Dio XLIV 53, 2; in dem Briefe des Antonius an die Aphrodisier CIG II 2737 = Bruns Fontes I⁶ 177ff. nr. 41, um das J. 712 = 42, Z. 27f. als δημοσίσαι δέλτοι, Z. 51 als γράμματα Καίσαρος bezeichnet). Diese Commentarien, welche infolge der Bestätigung der acta des ermordeten Caesar (17. März 710 = 44) grosse Bedeutung gewannen und von Antonius im weitesten Umfange durch Einschübe und Zusätze (Vell. a. a. O. insertis falsis vitiatisque corrupti; Plut. a. a. O. παρεγγράφων) verfälscht wurden, enthielten u. a. Volks- (Dio) und Senatsbeschlüsse (Inschrift von Aphrodisias), Staatsverträge, Decrete (Cic.) und Urteile (Plut. App.), Verleihungen der Immunität, Civität, der Stellung einer civitas libera, Abtretungen von Ländereien (Cic. Phil. V 11. 92; vgl. Dio a. a. O.), Adlectionen in den Senat (Plut.). Viele dieser Verordnungen wurden auf Veranlassung des Antonius auf Erztafeln (tabulae aeneae) öffentlich proponiert (Cic. Phil. II 37. V 11. 92). Vgl. Drumann Gesch. Roms I 108ff. Gardthausen Augustus 134. 42f. II 13, 38–45. H. Bresslau Ztschr. der Savigny-Stiftung VI Rom. Abt, 265.

d) Commentarii principis. Die Fülle der Geschäfte, die vom Princeps oder in seinem Namen erledigt wurden, führte von selbst zu einer weitgehenden Specialisierung der amtlichen Aufzeichnungen, so dass z. B. die kaiserliche Rechtsprechung (S. 743f.), die Erlässe nach ihren verschiedenen Formen (S. 737ff.), die Gnadenacte (S. 741ff.) die sacrale Thätigkeit des Kaisers als Pontifex maximus (S. 745) in besonderen Commentarienrollen gebucht wurden. Neben diesen chronologisch angeordneten Protocollen und Verordnungsjournalen, welche II. Bresslau Ztschr. d. Savigny-Stiftung VI Rom. Abt. 242ff. zutreffend mit den mittelalterlichen Registerbüchern vergleicht, bestanden als notwendige Ergänzung seit jeher

1) Kaiserliche c. in Tagebuchform. Das Vorbild derselben sind wohl nach einer Vermutung von Casaubonus (zu Suet. Aug. 64), die von Friedländer S.-G I⁶ 199. 204. Wilcken Phil. LIII 116f. und Peter Geschichtl. Litt. I 276 angenommen wird, die Ephemeriden der hellenistischen Fürsten, welche πάντα τὰ λεγόμενα καὶ πρασσόμενα verzeichneten (Wilcken 111f.). Eine ,Mischung von Hof- und Geschäftsjournal‘ (Wilcken 117), boten die Tagebücher des Princeps die unentbehrliche Übersicht über seine gesamte amtliche und ausseramtliche Thätigkeit und die täglichen häuslichen Vorgänge am Hofe, wobei die Erledigung jener Agenden, für welche besondere c. bestanden, natürlich nur ganz knapp vermerkt wurde. Im kleinen geben uns ein Bild davon die von Wilcken behandelten ὑπομνηματισμοὶ eines ägyptischen Strategen vom J. 232 (S. 746). Die stetig zunehmende Einführung besonderer Registerbücher für alle [736] Zweige der amtlichen Thätigkeit des Kaisers brachte es dann mit sich, dass das eigentliche Tagebuch immer mehr auf die ausseramtlichen Vorgänge beschränkt wurde und darin hauptsächlich, wie u. a. die aus den ephemerides schöpfenden Kaiserbiographien (S. 737) zeigen, Gegenstände der höfischen Lebensführung und Repräsentation, wie die Einladungen, das Menu u. dgl. Platz finden mochten (Mommsen St.-R. II³ 907, 1; anders Wilcken 116).

So sicher es ein eigenes Hofjournal gegeben hat, so zweifelhaft ist seine technische Benennung in der ersten Kaiserzeit. Vielleicht gehört hieher Suet. Aug. 64, wonach Augustus den Damen seines Hauses verbot, irgend etwas zu reden nisi propalam et quod in diurnos commentarios referretur (Peter a. a. O. 1371); Wilcken 116 bezieht diese Nachricht allerdings auf die diurna actorum scriptura (Tac. ann. III 3), d. h. die acta diurna populi Romani. Übrigens wurden auch die letzteren wenigstens in späterer Zeit von einem kaiserlichen Beamten redigiert (Peter I 212f, dazu noch der militärische optio ab actis urbi CIL VIII 4874) und schöpften sicherlich den grössten Teil ihrer Nachrichten aus den commentarii principis. Auch bei Sueton Domit. 20 (praeter commentarios et acta Tiberii Caesaris nihil lectitabat) wird man unter commentarii vielleicht das Tagebuch (daneben aber auch die kurzen persönlichen Aufzeichnungen des Kaisers; vgl. Suet. Tib. 61; u. S. 758), unter acta die officielle Aufzeichnung der Regierungshandlungen verstehen dürfen (vgl. Mommsen St.-R. II³ 869, 1. Peter 190. 205, 3. Thédenat Dict. des ant. I 1405 n. 4). Tagebücher Caracallas sind vielleicht in der lückenhaften Stelle Dio LXXVIII 2, 2 gemeint: τῷ βιβλίῳ τῷ περὶ αὐτοῦ γραφέντι (Peter I 371 mit A. 4). Mit diesen C. der älteren Zeit ist jedenfalls identisch und nur in der Benennung von den zahlreichen anderen kaiserlichen C. differenziert die kaiserliche ephemeris des 3. Jhdts., zuerst erwähnt unter Alexander Severus CIL III 536 (= Dessau 1575), wo ein Freigelassener des Kaisers als proc(urator) ab ephemeride genannt wird (dazu Mommsen St.-R. II³ 907. 1. Friedländer I⁶ 199. Hirschfeld Verw.-Gesch. I 206. 1. Peter I 350f. Ruggiero Diz. II 543. Wilcken 116). Die Vermutung Hirschfelds bei Friedländer, dass diese sonst nicht bezeugte Procuratur von Alexander Severus in Nachäffung Alexanders des Grossen, dessen Ephemeriden Eumenes von Kardia führte, geschaffen wurde, ist wohl entbehrlich: man kann den proc(urator) Aug(usti) ab actis urbis (CIL VIII 11813. Peter I 213. 351) vergleichen. Daneben erfahren wir von libri lintei, welche die ephemerides Aurelians enthielten, und worin ipse cotidiana sua scribi praeceperat (Hist. Aug. Aurel. 1, 6f. H. Peter Die Scriptores hist. Aug. 165; Gesch. Litt. I 371. 3. 376, 1). Das litterarische Hausamt eines proc. ab ephemeride bekleideten vielleicht auch Palfurius Sura, qui ephemeridas eius (des Gallienus) vitae composuit (Hist. Aug. Gall. 18. 6). und Turdulus Gallicanus, der Verfasser einer von Vopiscus (Hist. Aug. Prob. 2, 2. vgl. 3. 4. 5. 1) benützten ephemeris (wohl des Probus); vgl. Friedländer I⁶ 199. Peter I 371. 4. Den Inhalt dieser ephemerides, in welchen die eigentlichen Regierungshandlungen, [737] für die es besondere Protocolle gab, nur ganz kurz vermerkt waren, zeigen am besten die aus ihnen geschöpften anekdotischen Nachrichten des Scriptores historiae Augustae.

Litteratur: Mommsen St.-R. II³ 907, 1. III 1018. Thédenat Dict. des ant. I 1405. Friedlaender S.-G. I⁶ 199. 204. U. Wilcken Phil. LIII 116f. Ruggiero Diz. epigr. II 542f. H. Peter Geschichtl. Litt. der röm. Kaiserzeit I 231. 370f.

2) Commentarii über die von den Kaisern geführten Kriege. Auf solche Feldherrnjournale, nicht etwa, wie zumeist angenommen wird, auf eigentliche Geschichtswerke, beziehen sich höchst wahrscheinlich die Anführungen der ὑπομνήματα der Kaiser Vespasian und Titus über den jüdischen Krieg bei Josephus (Peter Hist. Rom. fragm. 306f.; Gesch. Litt. I 374. Teuffel-Schwabe § 311, 1) und der Dacica Traians (Peter Hist. frg. 323f.; Gesch. Litt. I 374. Teuffel-Schwabe § 330, 2). Hieher gehören wohl auch die von den ephemerides verschiedenen Aufzeichnungen über Kriege Aurelians (Hist. Aug. Aurelian. 1, 6 bella charactere historico digesta).

3) Commentarii über die Verhandlungen des Princeps mit Gesandtschaften wurden, wie es scheint, unter Leitung des Bureauchefs ab epistulis, der zugleich mit der cura legationum betraut war, geführt. Der Bericht über eine zwischen dem Kaiser (Traian?) und einer alexandrinisch-jüdischen Abordnung gepflogene Unterredung (U. Wilcken Herm. XXVII 464ff., vgl. XXX 461f. Reinach Revue des études juives XXVII 69ff.) ist zwar jedenfalls aus den ὑπομνηματισμοὶ der Gesandten selbst geschöpft, geht aber, wie Wilcken a. a. O. XXX 496ff. wahrscheinlich macht, mittelbar auf ein lateinisches Original – vermutlich die kaiserlichen Gesandtschaftsprotocolle – zurück. Dagegen scheint UBM II 511 (dazu S. 744) aus den Protokollen über die kaiserliche Cognition herzurühren.

Auch über das, was bei den sonstigen Empfängen und Audienzen (admissiones: s. d.) des Kaisers sich ereignete und verhandelt wurde, wurden Protocolle geführt. In der sicher aus den kaiserlichen C. geflossenen merkwürdigen Excerptsammlung des Dositheus über divi Hadriani sententiae et epistulae (ed. Böcking Corpus iur. anteiust. I 201ff.) sind mündliche Verhandlungen Hadrians mit Bittstellern in grosser Zahl (vgl. § 2. 4. 5. 7. 8. 10–14) neben einzelnen Rescripten auszugsweise überliefert. Protocolle der gleichen Art setzt auch das wohl erschwindelte Citat Hist. Aug. Aurelian. 12. 4ff. voraus, wo ex libris Acholi, qui magister admissionum Valeriani principis fuit, libro actorum eius nono ein ausführlicher Bericht über den Empfang Aurelians durch Kaiser Valerian im J. 258 aufgenommen ist (vgl. Peter I 254. 187ff. Kubitschek o. Bd. I S. 294f.)

4) Commentarii der kaiserlichen Constitutionen. In einer oft behandelten Inschrift von Smyrna (CIG 3175 = CIL III 411 = Dessau 338; dazu Huschke Ztschr. f. gesch. Rechtsw. XII 191. Mommsen Ber. der sächs. Ges. d. W. 1851, 374. Bruns Commentationes Mommsen. 501. 504. E. Cuq Mémoires présentés par divers savants à l’acad. des inscr. I. série, IX 1884, 2 [738] p. 419f. Bresslau Ztschr. a. a. O. 256. O. Karlowa Rechtsgesch. I 651; Neue Heidelb. Jahrb. II 142. 144. 146, 2. VI 213. Max Memelsdorff De archivis imperatorum Rom., Diss. Halle 1890, 51f. 54, 4 u. s. w.) bittet der Petent den Kaiser Antoninus im J. 139 um Gewährung der Abschrift einer Verfügung Hadrians zu Gunsten der Smyrnaeer aus den c.: κελεῦσαι δοθῆναί μοι τὰ ἀντίγραφα τῶν ὑπομνημάτων, ὡς καὶ ὁ θεὸς πατὴρ συνεχώρησεν. Unterhalb dieses libellus steht die kaiserliche Bewilligung als Rescript (sententiam divi patris mei, si quid pro sententia dixit, describere tibi permitto) mit dem Vermerk rescripsi recog(novi) und der Actenzahl (?) undevicensimus. Es folgte darauf die beglaubigte Abschrift der Verordnung aus den c., eingeleitet durch die erhaltene Anführung der siegelnden Zeugen, welche die Conformität bestätigen, und durch den (gleichfalls erhaltenen) Editionsauftrag an zwei Archivbeamte: Stasime, Dapeni, edite ex forma sententiam vel constitutionem (dazu u. S. 755). Von späteren Kaisern werden gleichfalls Sammlungen von Constitutionen angeführt; s. Dig. XXVII 1, 6 § 8 ἐν ταῖς τοῦ βασιλέως Κομμόδου διατάξεσιν; Brunet de Presle und Egger Notices et extraits XVIII 2 n. 69 (unter Alexander Severus) θεῖαι διατάξεις; Nov. 25, 6 (unter Iustinian) τὸ τῶν θείων ἡμῶν διατάξεων βιβλίον, 26, 5 τὸ τῶν νόμων βιβλίον u. a. (Bresslau a. a. O. 258, 1. Cuq a. a. O. 421f.). Diese offiziellen Commentarien der kaiserlichen Archive sind, wie Bresslau Ztschr. d. Savigny-Stift. VI Rom. Abt, 247–254 ausführt, eine Hauptquelle für die erhaltenen amtlichen und privaten Gesetzsammlungen (Codex Gregorianus, Theodosianus, Iustinianus u. s. w.) gewesen; nach Bresslau lassen viele Stücke namentlich des Codex Theodosianus und der Novellensammlungen in den beigefügten Kanzleivermerken diese Provenienz deutlich erkennen. Dieser Annahme widerspricht allerdings, was die Zeit seit Diocletian betrifft, O. Seeck Ztschr. d. Savigny-Stift. X Rom. Abt. 8ff.; nach ihm hörte, seit Diocletian an die Stelle der Hofburg (palatium) das beständig wandernde Hoflager (comitatus) gesetzt hatte, die Möglichkeit einer geordneten Archivverwaltung und damit auch der Eintragung sämtlicher kaiserlicher Gesetze und Rescripte in die bisher geführten c. auf. Daraus erklärt sich nach Seeck, dass für den Codex Theodosianus nicht ein kaiserliches Centralarchiv, sondern die Provincialarchive bis in den fernsten Westen hin ausgebeutet wurden; der Gebrauch der c. principum sei auch später, als die Kaiser wieder ständige Wohnsitze nahmen, nicht erneuert worden. Indessen haben die Ausführungen Seecks insbesondere bei Mommsen Ztschr. d. Savigny-Stift. X Rom. Abt. 351 zum Teil berechtigten Widerspruch gefunden (vgl. auch Memelsdorff a. a. O. 42, 21. Jedenfalls steht der Annahme von am Hofe selbst geführten Sammelrollen der kaiserlichen Constitutionen auch in der Zeit seit Diocletian kein ernstliches Bedenken im Wege.

Der Ressortteilung der kaiserlichen Secretariate (ab epistulis, a libellis, a memoria) entsprechend wurden die Constitutionen wenigstens in den drei ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit nach ihrer äusseren Form als edicta, epistulae, rescripta, beneficia auseinandergehalten und demgemäss [739] auch in besonderen Rollen vereinigt. Die kaiserlichen Constitutionen wurden wahrscheinlich zunächst vom Referenten im Brouillon (periculum, vgl. Mommsen Strafr. 268, 2. 516, 1. 517, 2) aufgesetzt (Hist. Aug. Marc. 11, 10 habuit secum praefectos, quorum et auctoritate et periculo semper iura dictavit) und dem Kaiser zur Correctur und Genehmigung vorgelegt (Hist. Aug. Alex. Sev. 31, 1). Aus dem periculum wurde dann die Ausfertigung für die c., die sog. forma (vgl. CIL III 411; anders Memelsdorff 52, 1) hergestellt, die vom Kaiser durch eigenhändige Subscription (z. B. rescripsi recognovi) beglaubigt wurde und die Grundlage für die Parteienbescheide (u. S. 754f.) bildete.

α) Commentarii als Sammlungen kaiserlicher Edicte werden bezeugt durch Plin. ad Trai. 65, 3. 66, 1 (s. u.).

β) Commentarii epistularum. Ein scriniarius ab epistulis, der wahrscheinlich die an den Kaiser gerichteten Briefe und die Concepte der vom Kaiser abgesandten Correspondenzen verwahrte, wird erwähnt unter Claudius CIL X 527 (= Dessau 1671); vgl. Cuq Mémoires a. a. O. 370, 1. Peter I 232. Sammlungen der kaiserlichen Correspondenz in Form von c. sind schon für die Flavier bezeugt; vgl. Plin. ad Trai. 65, 3 recitabatur autem apud me edictum quod dicebatur divi Augusti … recitatae et epistulae divi Vespasiani ad Lacedaemonios et divi Titi ad eosdem et ad Achaeos et Domitiani ad Avidium Nigrinum et Armenium Brocchum proconsules, item ad Lacedaemonios: quae ideo tibi non misi, quia et parum emendata et quaedam non certae fidei videbantur et quia vera et emendata in scriniis tuis esse credebam; darauf Traians Erwiderung 66, 1: nec quicquam invenitur in commentariis eorum principum qui ante me fuerunt, quod ad omnes provincias sit constitutum. Epistulae sane sunt Domitiani ad Avidium Nigrinum et Armenium Brocchum u. s. w. (dazu Bresslau Ztschr. a. a. O. 255f. Mommsen St.-R. II³ 905, 3. Peter Gesch. Litt. I 227. 232). Der Grammatiker Dositheus citiert aus divi Hadriani sententiae et epistulae (o. S. 737). Wie der Ausdruck c. beweist, wurden die epistulae in Rollen (volumina) zusammengefasst und zwar, wie das vera et emendata des Plinius darthut, nicht etwa in Abschriften, sondern in Originalausfertigungen, also wahrscheinlich in den vom Kaiser genehmigten Concepten (formae), die einfach zu den umfänglichen Rollen aneinandergeklebt wurden, wie sie die Notitia dignitatum (or. 19 p. 43 Seeck; occ. 17 p. 161) als Insignien des magister scrinii epistularum (neben codices) im Bilde zeigt. Reste von derart hergestellten (privaten) Briefsammlungen sind noch erhalten (u. S. 752).

γ) Sammlungen der libelli rescripti. Schon unter den Claudiern wurden die Originale der dem Kaiser überreichten und von ihm erledigten Bittschriften in einem besonderen scrinium gesammelt; vgl. den scriniarius a libellis CIL VI 8617 (= Dessau 1675; dazu Peter I 232. Cuq 370,1) und den custos a libellis CIL VI 8616. Die Excerptensammlung des Dositheos (s. o. S. 737) enthält Bruchstücke von Rescripten Hadrians (mit Auszügen aus den libelli), welche ohne [740] Zweifel auf die kaiserlichen c. zurückgehen. Von den Juristen werden mehrfach Rescripte des divus Marcus aus sog. semenstria angeführt (Belege und Litteratur bei Karlowa Rom. Rechtsgesch. I 654, 1); diese definiert die Turiner Institutionenglosse (zu Inst. I 25, 1): semenstria sunt codex, in quo legislationes per sex menses prolatae in unum redigebantur (dazu Cuq Mémoires a. a. O. 421. Karlowa Neue Heidelb. Jahrb. II 143). Die inschriftlich erhaltene Supplik kleinasiatischer Colonen an die beiden Philippi vom J. 244/7 (A. Schulten Röm. Mitt. XIII 232f.) beruft sich in Z. 24f. nach Schultens gewiss zutreffender Ergänzung auf eine θεί[α ἀντιγραφὴ ἡ τοῖς ὑπομνήμασιν] ἐντεταγμένη. Noch in späterer Zeit wurden die eingereichten und beantworteten libelli zu volumina zusammengefasst; Bündel solcher Rollen bildet die Notitia dignitatum unter den Insignien des mit der Erledigung der preces betrauten quaestor (or. 12 p. 34 Seeck; occ. 10 p. 147) und des magister libellorum (or. 19 p. 43; occ. 17 p. 161) ab (vgl. Wattenbach Schriftwesen³ 162). Besondere Rollen waren für die zur öffentlichen Proposition bestimmten libelli rescripti angelegt. Die Inschrift von Skaptoparene (Athen. Mitt. XVI 267ff. mit Mommsens Bemerkungen 279ff. Mommsen Ztschr. d. Savigny-Stift. XII Rom. Abt. 244ff. Bruns Fontes I⁶ 248f. n. 82. Dittenberger Syll. I² 418; dazu O. Karlowa Neue Heidelb. Jahrb. II 141ff. VI 217f.) enthält einen beglaubigten Auszug ex libro libellorum rescriptorum a domino n. imp. Caes. M. Antonio Gordiano Pio Felice Aug. et propositorum Romae in porticu thermarum Traianarum vom J. 238. Auf diese Überschrift folgt der Vermerk über die Präsentierung (dat(um) per Aur(elium) Purrum u. s. w.), dann der Wortlaut der griechisch abgefassten δέησις der Skaptoparener und die lateinische Antwort Gordians (am Schlusse rescripsi recognovi) und die signa der die Richtigkeit der Abschrift aus dem liber libellorum bestätigenden Zeugen.

Nach dem Gesagten wurden auch die libelli rescripti gleich den übrigen Constitutionen – chronologisch in Form von c. aneinandergereiht (vgl. Cuq Mémoires a. a. O. 421f. Memelsdorff 24). Sowohl die Inschrift von Skaptoparene wie auch die anderen über kaiserliche Rescripte ausgefertigten Parteienbescheide (vgl. die Inschrift von Ephesus CIL III 411 = Dessau 338, o. S. 737f.; das decretum Commodi de saltu Burunitano CIL VIII 10570 = Suppl. 14464 = Bruns I⁶ 244f. n. 80. dazu Mommsen Hermes XV 386ff; die Inschrift der kleinasiatischen Colonen o. S. 740; Dig. XIV 2, 9. XLVIII 6, 6; ein ägyptisches Majestätsgesuch vom J. 391/2, herausg. von C. Wessely 14. Jahresber. des Staatsgymn. in Hernals 1888 39ff.) enthalten nicht blos das kaiserliche rescriptum (lateinisch), sondern anfänglich vor, später hinter demselben ein exemplum libelli oder precis (lateinisch oder griechisch); anders Memelsdorff 46. Demgemäss müssen auch die in der kaiserlichen Kanzlei zurückbehaltenen Ausfertigungen, als deren Abschriften sich diese Bescheide durch den Beisatz recognovi darstellen, sowohl den (in unseren Rechtssammlungen zumeist nicht aufgenommenen) libellus als auch das rescriptum enthalten haben. Höchst wahrscheinlich sind diese ersten Ausfertigungen identisch mit den Originalen der [741] Gesuche, auf welche von dem Beamten a libellis eine Abschrift des Brouillons (periculum) der kaiserlichen Erledigung, darunter als Subscription das eigenhändige kaiserliche rescripsi (oder scripsi) gesetzt wurde. Diese libelli rescripti wurden dann nicht etwa abschriftlich, sondern im Original durch einfaches Aneinanderkleben (u. S. 752) in der Registratur zu Rollen nach Art der allgemein gangbaren c. zusammengefasst, welche, wie die semenstria (s. o.) zeigen, in chronologischer Folge die Stücke bestimmter Zeiträume vereinigten. Zur Insinuation an die Partei wurden in der Regel von den ersten Ausfertigungen Reinschriften hergestellt, welche der Kaiser nochmals durch eigenhändiges rescripsi beglaubigte und durch den weiteren Beisatz recognovi als dem originalen libellus rescriptus conform bestätigte. Dasselbe geschah, wie die Inschrift von Skaptoparene (mit dem Beisatze rescripsi; recognovi) beweist, bei jenen Reinschriften, welche für die öffentliche Proposition bestimmt waren und ihrerseits wieder (durch mechanisches Aneinanderleimen) zu Commentarienrollen, den libri libellorum rescriptorum et propositorum, zusammengefasst wurden. Zu der sehr umstrittenen Formel rescripsi; recognovi, welcher in ihrem zweiten Teil das ἀνέγνων in den öffentlich proponierten Reinschriften der ägyptischen ὑπομνηματισμοί entspricht (Wilcken Phil. LIII 101; u. S. 750) vgl. bes. die zur Inschrift von Skaptoparene angef. Litteratur, ausserdem Memelsdorff 51, 4. Mommsen Ztschr. d. Savigny-Stift. XVI Rom. Abt. 196f. O. Gradenwitz ebd. 136. Ch. Diehl Bull. hell. XVII 501ff., bes. 505f. (über ein Rescript vom J. 527). O. Karlowa Festgabe zur Feier des 50. Jahrestages der Doktor-Promotion E. I. Bekkers (1899) 64.

δ) Commentarii beneficiorum. Eine besondere Kategorie unter den C. über die kaiserlichen Constitutionen bilden die Aufzeichnungen der Gnadenacte (beneficia). Schon der Dictator Caesar hatte die von ihm verliehenen Privilegien in seinen c. buchen lassen (vgl. bes. Cic. Philipp. II 92; o. S. 735). Die Hist. Aug. Alex. Sev. 46, 3 berichtet von diesem: cogitabat secum et descriptum habebat cui quid praestitisset (Memelsdorff 27, 4). Dieser Eintragung kam constitutive Bedeutung zu (vgl. u. S. 755). Antonius berief sich für die Gewährung von Privilegien auf die (von ihm verfälschten) c. Caesars (o. S. 735). Kaiser Traian (ad Plin. 95. 105) bedient sich der Formel referri in commentarios meos iussi, um Plinius der in aller Form vollzogenen Verleihung des Bürgerrechtes (vgl. Mommsen St.-R. II³ 415, 3) und des ius trium liberorum zu versichern (Bresslau Ztschr. a. a. O. 257. Peter I 227. 220 n. 3. 4). Auch die Ernennungen und die Gehaltsansprüche der vom Kaiser bestellten Beamten wurden durch Eintragung in die c. principis perfect. Nach Dig. IV 6, 32 trifft der Begriff des abesse reip. causa zu für tribunos militum et praefectos et comites legatorum qui ad aerarium delati aut in commentarios principis relati (hs. delati sunt) (vgl. Mommsen St.-R. I³ 299, 2. II³ 1002. 2: Strafr. 141. Hirschfeld Verw.-Gesch. I 206, 1. Peter I 230. 224 mit A. 3). Auf die Bitte des Sueton, den ihm zugedachten Tribunat einem Verwandten zukommen zu lassen, antwortet Plinius ep. III 8, 4: neque [742] enim adhuc nomen in numeros relatum est, ideoque liberum est nobis Silvanum in locum tuum subdere. Die Eintragungen waren zum Teil vielleicht in der knappen Form von Listen (laterculi, später breves) angelegt, in welchen die jeweilig hinzukommenden Namen hinzugefügt wurden (Memelsdorff 27. 45). Aus ihnen mögen dann zum guten Teil die Schematismen, wie die Notitiae dignitatum, geflossen sein. Ausser der Eintragung in die C. fand naturgemäss Verständigung der Interessenten durch epistula, diploma oder codicilli statt (Hirschfeld a. a. O. 204f., 4). Bei der Schenkung der Civität durch den Kaiser war Herkunft, Alter und Vermögen (census) des neuen Bürgers gewissen kaiserlichen Freigelassenen anzugeben (Plin. ad Trai. 6, 2 annos eius et censum libertis tuis quibus iusseras misi), vermutlich zur Aufnahme in das kaiserliche Journal (c.), und wurde die Heimatgemeinde von dieser Erteilung in Kenntnis gesetzt (Plin. a. a. O. 6. 105, vgl. 5. 7. Mommsen St.-R. II³ 415, 3). Da die erwähnten kaiserlichen Constitutionen unter den Begriff des beneficium fallen (vgl. o. Bd. III S. 273; dazu Hirschfeld a. a. O. I 206. Ruggiero Diz. epigr. I 996), wird man wohl die in Inschriften der Zeit Traians und Hadrians bezeugten c. beneficiorum (S. 760), unter welchen Mommsen Beiträge zur alten Gesch. (Festschrift für H. Kiepert) 104, 2 blos den gromatischen liber beneficiorum (s. u.) versteht, ganz im allgemeinen als Aufzeichnungen über die kaiserlichen Gnadenacte betrachten dürfen (vgl. auch Hirschfeld a. a. O. I 206, 1. E. Cuq a. a. O. [o. S. 737] 420f H. Bresslau Urkundenlehre I 91).

Eine besondere Stellung nehmen jene eben erwähnten libri beneficiorum ein, in welchen die Verleihungen nutzbarer Rechte an den kaiserlichen Domänen und die Verzeichnisse der den Gemeinden überlassenen subseciva und extraclusa eingetragen wurden; vgl. Hyg. Grom. I 202, 17 et si qua beneficio concessa aut adsignata coloniae fuerint … in libro beneficiorum adscribemus. Nipsus ebd. 295, 12 (dazu Rudorff II 406. Mommsen St.-R. II³ 1126. Memelsdorff 12 n. 4. 27, 5. 45. Peter I 230 n. 6). Nach Nipsus a. a. O. (si in libro beneficiorum regionis illius beneficium alicui Augustus dederit) war für jede italische Region ein eigenes Beneficienbuch angelegt (Mommsen Beiträge a. a. O. 104, 2). Über das in den Provinzen bestehende scrinium beneficiorum vgl. R. His Die Domänen der röm. Kaiserzeit 52.

ε) Eine weitere Gruppe der Beneficienbücher bilden die c. aquarum (vgl. den Beamten a commentariis aquarum, u. S. 765). Ihren Inhalt deutet Frontin. de aqu. 98 an: M. Agrippa … discripsit, quid aquarum publicis operibus, quid lacibus, quid privatis daretur; nach c. 99 wurden bei der Übernahme der Wasserleitungen in kaiserliche Verwaltung [in sua – d. h. des Augustus – beneficia translata) die von Agrippa eingeräumten Wasserbezugsrechte jener, qui ex commentariis Agrippae aquas haberent, durch ein Edict des Augustus geregelt (Teuffel-Schwabe R. L.-G.⁵ § 220, 11 sieht in diesen Commentarien litterarische Erzeugnisse!). Eintragungen dieser Art wurden dann wohl in dem kaiserlichen Bureau [743] ab epistulis, später a memoria fortgeführt; über den Act erhielt der zum Wasserbezug Berechtigte eine kaiserliche epistula, mit welcher er sich beim curator aquarum auszuweisen hatte (Hirschfeld Verw.-Gesch. I 165, 1. 205, 1).

5) Commentarii über die kaiserliche Cognition (Cuq Mémoires a. a. O. 415–423). Die vor dem Kaiser stattfindenden Gerichtsverhandlungen wurden anscheinend im Wortlaut von Stenographen (notarii, exceptores, vgl. Philostr. v. Apoll. VII 29 γραμματεύς τις τῶν βασιλικῶν δικῶν) aufgenommen (u. S. 749). Aus dieser Niederschrift wurde ein knapper Auszug hergestellt (Hist. Aug. Alex. Sev. 28 notarium qui falsum causae brevem in consilio imperatorio rettulisset), das eigentliche offizielle Protocoll, das u. a. die Klage, dann in Form der Rede und Gegenrede zwischen dem Princeps, seinen Beisitzern, den Parteien oder ihren Vertretern das wichtigste Vorgebrachte und das Urteil des Princeps enthält. Die Form war die der c.;. zur Veranschaulichung können die erhaltenen Auszüge aus ὑπομνηματισμοὶ der ägyptischen richterlichen Beamten herangezogen werden (o. S. 734; u. S. 746). Die Überwachung der Protocollierung gehörte zu den Agenden des Beamten a cognitionibus (s. o. S. 221).

α) Protocolle über die Cognition in Civilsachen. Die Aufnahme der sententiae in die ὑπομνηματα bezeugt ausdrücklich CIL III 411 (o. S. 738). Ein Auszug aus diesen c., überschrieben sententia imperatoris Antonini Augusti, Pudente et Pollione consulibus (J. 166), steht in den Dig. XXVIII 4, 3; vgl. die sententia divi Severi data in persona Marci Prisci idibus Ian. Pompeiano et Avito coss. (J. 209) im Cod. Iust. VII 62, 1. Die Datierung dieser sententiae weist auf die gewöhnliche chronologische Anordnung der c. hin. Unmittelbar auf diese dürften Arbeiten wie die imperialium sententiarum in cognitionibus prolatarum libri VI des Juristen Paulus zurückgehen (E. Cuq Bibl. des écoles franç. XXI 83, 1; a. a. O. 443. Karlowa Röm. Rechtsgesch. I 654. Peter I 254, 3).

β) Grosse Ähnlichkeit mit der Protocollierung des Civilprocesses hatte jene des Strafverfahrens, welche Mommsen Strafr. 512ff. behandelt. Gewöhnlicher Gegenstand derselben sind nach Mommsen 517 die Annahme der Anklage mit der Inscription und der Subscription, die Geschworenenliste und deren Modificationen, die Vorträge der Parteien und ihrer Vertreter, die Aussagen der Zeugen, die Abstimmung und die Urteilsfällung. Anderweitige Beispiele dafür sind das quaestorische commentarium bei Varro de l. l. VI 90f. (o. S. 733), die Gerichtsprotokolle der Provinzstatthalter (S. 734) u. a.

Protocolle dieser Art wurden auch über die kaiserliche Cognition in Strafsachen geführt. Nach Tac. hist. IV 40 wurde im J. 70 signo ultionis in accusatores dato im Senate beantragt, den Kaiser zu ersuchen, ut commentariorum principalium potestatem senatui faceret, per quos nosceret, quem quisque accusandum poposcisset. Im J. 58 erklärte Nero nach Tac. ann. XIII 43 compertum sibi … ex commentariis patris sui nullam cuiusquam accusationem ab eo coactam. Auch die commentarii ad matris fratrisque suorum causas pertinentes, die Gaius verbrennen liess, [744] ne cui postmodum delatori aut testi maneret ullus metus (Suet. Cal. 15), werden hieher gehören (Bresslau Ztschr. 257f. Mommsen St.-R. II³ 907, 2. Memelsdorff 27, 2. Peter I 227. 236f. 4), ebenso die von Tac. ann. XV 73 erwähnten conlata in libros iudicia confessionesque damnatorum (Memelsdorff 45, 4). Einen Einblick in die Beschaffenheit dieser c. gewähren uns zwei Papyrus, von welchen der eine (UBM II 511. U. Wilcken Herm. XXX 486ff. Th. Reinach Revue des études juives XXXI 163f.; dazu Mommsen Strafr. 265f. 4. 267, 1) eine Gerichtssitzung des Kaisers Claudius in einer von alexandrinischen Gesandten gegen einen jüdischen König Agrippa und einen gewissen Isidoros vorgebrachten Anklage schildert, der andere (Grenfell und Hunt The Oxyrhynchus Papyri I n. 33) über einen vor Commodus (?) geführten Capitalprocess gegen einen vornehmen Alexandriner Appianos berichtet (dazu Mommsen Strafr. 265, 1. 4. O. Schulthess Wochenschr. f. kl. Philol. XVI 1899, 1055f., der die Ähnlichkeit mit den Märtyreracten hervorhebt). Auszüge aus den kaiserlichen Commentarien waren die Urteilsammlungen, wie die libri decretorum des Paulus (vgl. Dig. XLVIII 19, 40; dazu Cuq 416).

6) Commentarii der Mensoren. Vor dem Abgange des Tiberius nach dem Osten (20 v. Chr.) sandte Augustus den Geographen Isidoros aus Charax ad commentanda omnia dorthin voraus (Plin. n. h. VI 141); von seinem Werke sind die σταθμοὶ Παρθικοί, ein Itinerarium des parthischen Reiches, erhalten (Peter Gesch. Litt. I 417 mit A. 2). Ähnliches wird im Liber coloniarum (Grom. I 239, 15ff.) von einem Balbus mensor berichtet, qui temporibus Augusti omnium provinciarum et formas civitatium et mensuras compertas in commentariis contulit (dazu Mommsen Feldm. II 176f.). Auf Vorarbeiten dieser Art, welche den Aufzeichnungen der βηματισταί Alexanders d. Gr. vergleichbar sind, mochten die berühmten geographischen c. des Agrippa, nach welchen Augustus die Weltkarte in der Porticus Vipsania herstellen liess, beruhen (Plin.n. h. III 17). Agrimensorischen Inhalts, wahrscheinlich auf Deductionen und Landanweisungen bezüglich, waren die von den Feldmessern häufig citierten libri des Augustus, des Nero u. a.; eine lex agraria ex commentario Claudi Caesaris, wofür Mommsen (Feldm. II 160) vielleicht ohne Nötigung C. Iuli Caesaris schreibt, führt der Liber colon. a. a. O. I 211, 23 an (vgl. Teuffel-Schwabe § 286, 2 a. E.). Die von den Vermessungscommissionen aufgenommenen Protocolle, welche die Flurkarten der Stadtgebiete und Privatgrundstücke ergänzten und erläuterten, heissen gleichfalls c.; dieselben wurden samt einem Exemplar der Karte auf Leinwand (mappa) im kaiserlichen tabularium niedergelegt (Siculus Flaccus Grom. I 154, 19. Liber colon. ebd. I 223, 6, dazu Rudorff II 405. Peter I 223. 230 n. 6. E. Schulze Neue Jahrb. f. d. class. Alt. I 1898, 268). Nach Siculus Flaccus a. a. O. 155, 1 sollten für den Fall, dass über die Richtigkeit der in den Colonien ausgestellten formae Zweifel entstünde, die im sanctuarium principis niedergelegten formae und c. ausschlaggebend sein. Über den von den Gromatikern angeführten liber beneficiorum, [745] der in gewissem Sinne hieher gehört, vgl. o. S. 742.

6) Zu den kaiserlichen libri sacerdotales, die für den Kaiser als Pontifex maximus und Vorstand der übrigen vornehmsten Priestertümer (XVviri s. f.; fratres Arvales u. s. w.) geführt wurden, vgl. o. S. 730. Über den Beamtenapparat s. u. S. 760.

Litteratur: Mommsen St.-R. II³ 905, 3. 906, 3. 907f. mit A. 1; vgl. 415, 3. P. Krüger Gesch. der Quellen u. Litt. d. röm. Rechts 108. E. Cuq Mémoire sur le consilium principis d’Auguste à Dioclétien (Mémoires présentés par divers savants à l’academie des inscriptions et belles-lettres I. série IX 1884, 2) 415–425. H. Bresslau Die Commentarii der römischen Kaiser und die Registerbücher der Päpste (Ztschr. der Savigny-Stift. VI 1885 Rom. Abt. 242–260; dazu Mommsen St.-R. II³ 908, 2); Handbuch d. Urkundenlehre I 91f. O. Seeck Ztschr. d. Savigny-Stift. X Rom. 20 Abt. 8ff. Max Memelsdorff De archivis imperatorum Rom., Diss. Halle 1890. E. Herzog Gesch. und System II 717. Ruggiero Diz. epigr. II 542f. E. Groag Jahrb. f. Phil. Suppl. XXIII (1897) 732f. H. Peter Geschichtliche Litteratur über die röm. Kaiserzeit I 225–232.

e. Commentarii der municipalen Magistrate. Eine Inschrift aus Caere, CIL XI 3614 (vgl. Mommsen Herm. II 115f.; St.-R. II³ 1013, 2; Strafr. 514, 1. 4. 515, 7. Cuq Mémoires a. a. O. 418. Bresslau Ztschr. a. a. O. 257, 3. Wilcken Phil. LIII 110. Ruggiero Dizion. epigr. II 545f.) hat uns einen (als Parteienbescheid ausgefertigten) Auszug aus den amtlichen Aufzeichnungen der dortigen eponymen Magistrate erhalten. Das volumen, dem diese Stücke entnommen wurden, trug an der Spitze das Anfangsdatum nach den Consuln (J. 113 n. Chr.), dem Kalendertag und den Eponymen der Stadt, und den Titel commentarium cottidianum municipi Caeritum. Zunächst wird daraus inde (d. h. nach der Titelseite) pagina XXVII capite VI ein Decurionenbeschluss vom 13. April 113 angeführt; die solenneren Formeln und die Urkundszeugen der perscribierten Beschlüsse fehlen hier (Mommsen St.-R. III 1015, 2. Kubitschek o. Bd. I S. 298). Es folgt inde pagina altera capite primo ein Brief der Magistrate an den Curator vom 13. August; darauf inde pagina octava capite primo die Antwort des Curators vom 12. September. Die Art der Bezifferung der paginae macht Schwierigkeiten, da nach Seite 27 Seite 2 und 8 citiert werden; vielleicht wurde kurz vor dem 13. August, etwa mit Beginn des zweiten Halbjahres eine neue Rolle begonnen (anders Birt Buchwesen 158, 3. Kubitschek o. Bd. I S. 299). Die beiden Briefe waren wahrscheinlich im commentarium selbst nicht abschriftlich, sondern im Original, bezw. Concept eingefügt (u. S. 752). Ein über Rückforderung der Mitgift nach der Scheidung von der Municipalbehörde aufgenommenes Protocoll ist Vat. frg. 112ff. überliefert: Anicius Vitalis (der Vertreter der Frau) dixit, dann Flavius Vetus iunior (der Ehemann) dixit, dann duumvirum dixit, alles in directer Rede (Mommsen Strafr. 517, 8). Ein Protocoll über eine Testamentseröffnung im J. 474 vor den ravennatischen Duovirn steht bei Marini Papiri diplomatici [746] (1805) p. 110 (Bruns Fontes I⁶ 280ff. nr. 103; dazu Mommsen Strafr. 515, 3). Über die actus eines africanischen Duovirs unter Constantinus vgl. Mommsen Strafr. 516, 4. In später Zeit scheint, wie das Protocoll vom J. 474 zeigt, das Amtsbuch für beide Duovirn gemeinschaftlich geführt worden zu sein. Die Führung und Verwahrung des Amtsbuches obliegt nach CIL XI 3614 dem scriba. Über den comm(entariensis) rei p(ublicae) Benevent(anae) CIL IX 1663, vgl. u. S. 766.

Für eine ganze Reihe von c. kaiserlicher Verwaltungsbehörden in Rom und in den Provinzen (darunter auch der Praefecti praetorio, urbis, Aegypti und vigilum), die uns zumeist nur durch die Inschriften der Beamten a commentariis bezeugt sind, vgl. unter a commentariis u. S. 759ff.

Von den zahlreichen aus den Papyrus bekannt gewordenen ὑπομνηματισμοὶ ägyptischer Behörden, welche U. Wilcken Phil. LIII 80–126 (bes. 104–109) und F. Krebs ebd. 577–587 zusammenstellten, wurden in die vorstehende Aufzählung nur die des Praefectus Aegypti und der von ihm delegierten Richter (S. 734) einbezogen. Nicht aufgenommen wurden die ὑπομνηματισμοὶ der untergeordneten localen Behörden, deren amtliche Buchführung gewiss nicht erst auf römischer Institution beruht (u. S. 747). Wohl aber werden die letzteren, unter welchen die in einem Pariser Papyrus erhaltenen Reste des für den Strategen des ombitischen und elephantinischen Nomos im J. 232 geführten Tagebuches, von Wilcken a. a. O. 80–102 mit vorzüglichem Commentar herausgegeben (dazu jetzt auch A. v. Domaszewski Neue Heidelb. Jahrb. IX 159f. 162), von besonderer Bedeutung sind, geeigneten Ortes zur Erläuterung der römischen c. herangezogen werden.

Ursprung und Verbreitung der amtlichen Commentarii. Die Commentarien der Magistrate und Priester lehnen sich, wie Mommsen Strafr. 513 (mit Anm. 3) darlegt, wahrscheinlich an die alte Hausbuchführung an; ,dies zeigt die Gleichartigkeit der Benennung, des Inhalts und der Behandlung‘. Ursprünglich mögen die Amtstagebücher den staatsrechtlich ganz irrelevanten Charakter einer privaten Aufzeichnung getragen haben, lediglich dazu bestimmt, das Gedächtnis des Beamten zu entlasten und ihm einen Überblick über die vollzogenen Geschäfte zu gewähren. Darauf weist noch in späterer Zeit so manches hin. Bei collegial besetzten Behörden führt in älterer Zeit jeder Magistrat das Amtsbuch für sich allein (Cic. pro Arch. 9; Verr. I 119; dazu Mommsen Strafr. 515, 2); erst in spätester Zeit begegnet ein gemeinschaftliches Amtsbuch (Mommsen a. a. O. Anm. 3; o. S. 745f.). Ferner scheint mit der Buchführung noch in späterer Zeit häufig das Privatgesinde (bei den Priestercollegien servi publici) betraut gewesen zu sein (u. S. 759; Mommsen Strafr. 515f. 516, 1). Nach Umständen konnte allerdings dies Geschäft auch zuverlässigen Freunden übertragen werden; so verwendete Cicero (pro Sull. 14) als Consul bei der Vernehmung der Catilinarier für die Aufzeichnung junge Senatoren (Mommsen a. a. O. 516, 2). Endlich blieb das Amtsbuch bis in die letzte Zeit der Republik persönliches Eigentum [747] des Magistrates und befand sich auch nach seinem Abgang vom Amte in seiner und seiner Erben Verwahrung (vgl. u. S. 755).

Da die c. regum (S. 728f.) eine Fiction sind, dürften wohl die Aufzeichnungen der Priestercollegien (S. 729ff.) als die älteste Gattung der c. zu betrachten sein. Nach ihnen, wir wissen nicht wann und wie, aber ziemlich früh (Mommsen St.-R. III 1015), entstanden die C. der Magistrate (τιμητικὰ ὑπομνήματα über den Census von 361/2 = 393/2 bei Dionys. I 74, 5, o. S. 733). Der complicierte und weitverzweigte Verwaltungsapparat der Kaiserzeit brachte ausser den c. principis, welche die Geschäfte der höchsten Regierungsgewalt betrafen, die Amtsbücher der zahlreichen untergeordneten officia, hervor (vgl. o. S. 746 und u. S. 759ff.). In der Kaiserzeit verbreitete sich der Gebrauch der Amtstagebücber nach allen Teilen des Reiches, soweit er nicht hereits bestand. U. Wilcken Philol. LIII 110ff. sucht die von ihm für das römische Ägypten nachgewiesenen amtlichen ὑπομνηματισμοὶ auf die ἐφημερίδες Alexanders d. Gr. und der Diadochen zurückzuführen; nach Mommsen Strafr. 513, 3 hingegen lässt ,die Vergleichung der römischen Angaben darüber keinen Zweifel, dass die Sitte aus Rom nach Ägypten gelangt ist.‘ Wilckens Annahme hat, wenn sich auch ein eigentlicher Nachweis dafür noch nicht erbringen lässt, die grössere Wahrscheinlichkeit für sich, zumal die Römer den ausgebildeten Verwaltungsapparat Ägyptens einfach übernommen haben. Natürlich wurde die Technik der amtlichen Buchführung in allen Provinzen des Reiches, also auch dort, wo sie an ältere analoge Einrichtungen anknüpfen konnte, durch den Einfluss der Centralgewalt thunlichst ausgeglichen.

Gegenstand und Zweck der Aufzeichnung. Nach einer sehr verbreiteten Annahme (Mommsen St.-R. I³ 4f. II³ 12, 3. 42, 3. III 245. Voigt a. a. O. [o. S. 729] 649f. Karlowa Rechtsgesch. I 107f.) sind zunächst ,einzelne magistratische Acte deshalb aufgezeichnet oder aufbewahrt worden, weil sie für die späteren Träger desselben Amtes als Präcedentien dienen konnten; aber auch die älteste theoretische Thätigkeit hat sich noch in der Form bewegt, dass die für die Magistrate erforderlichen Schemata auf den Namen beliebig gewählter Vorgänger gestellt wurden‘ (St.-R. I³ 5). Zu diesen Schemata würden nach Mommsen St.-R. II³ 5f., 4 insbesondere die von Varro de l. l. VI 86–92 aus den Commentarien der Magistrate mitgeteilten Formulare für die Berufung der Gemeinde durch die Consuln (S. 732) und die Censoren (S. 733) und auch das commentarium vetus des Quaestors M. Sergius (S. 733) gehören, ,da sie nicht Geschehenes berichten, sondern auffordernd und vorschreibend auftreten‘. Dasselbe würde im wesentlichen auch für die priesterlichen Commentarien gelten, aus welchen vielfach sacraie Satzungen und Formeln citiert werden (S. 729ff.). Diese Auffassung wird durch die aus Inschriften und Papyrus bekannt gewordenen ausführlicheren Auszüge aus Amtsbüchern widerlegt, die – allerdings erst der Zeit seit Augustus angehörend – in der Hauptsache als chronologisch fortlaufende Aufzeichnungen über die Amtshandlungen sich darstellen, in denen aber auch imperativisch gehaltene Anweisungen, [748] ähnlich den von Varro citierten, recht wohl vorkommen können. Namentlich das commentarium XV virum s. f. über die Saecularfeier unter Augustus (S. 731) zeigt deutlich, wie in die fortschreitende Berichterstattung über die sacrale Handlung Senatsbeschlüsse, magistratische Edicte, Decrete des Collegiums, kurzum zahlreiche Anordnungen und Befehle aufgenommen werden konnten, deren Beziehung auf den concreten Fall hier ausser Frage steht. So ist auch in den älteren von Varro angeführten Commentarien, wie z. B. VI 87. 88. 95 (hoc ipsum ,inlegium inlexit‘ scriptum inveni in M. Iunii commentariis) zeigen, der Grundcharakter ein berichtender; die etwas abweichende Fassung in VI 87 (qui lustrum conditurus est). 88 (qui exercitum imperaturus erit – statt der Namen der Magistrate) dürfte von Varro selbst herrühren, der aus einer Mehrzahl von Aufzeichnungen die stets wiederkehrende Grundformel heraushebt. Die als Befehle oder Instructionen gefassten Ausführungen VI 86. 91. 92 sind für den einzelnen Fall erlassene Weisungen, die vom Adressaten in sein Amtsprotocoll eingefügt wurden (o. S. 733).

Der eigentliche Zweck der Protocollierung war vielmehr – was schon die Grundbedeutung von c. (o. S. 726) erkennen lässt – das Festhalten zu dauernder Erinnerung, wodurch einerseits das Gedächtnis des Functionärs unterstützt und entlastet, anderseits die Amtshandlung als solche gegen formelle Anfechtung und materielle Zweifel geschützt werden sollte. Der im römischen Wesen so stark ausgeprägte Formalismus brachte es mit sich, dass die Aufzeichnung, was die varronischen Citate ebenso wie die Commentare der Saecularfeiern und die Arvalacten zeigen können, auf das geringfügigste Detail einging. Damit wurden denn – anfänglich sicher ungewollt – Praecedentien und Schemata für künftige Amtshandlungen geschaffen, von denen namentlich auf sacralem Gebiete ausgiebiger Gebrauch gemacht wurde, wie die immer wiederkehrenden tralaticischen Wendungen der erhaltenen priesterlichen C. lehren können. Daneben gab es frühzeitig theoretische Lehrschriften für die priesterliche und magistratische Amtsführung (Mommsen St.-R. II³ 4, 2ff. Voigt 654. 227), die jedoch Privatarbeiten sind; dass eine derselben, die von Varro für Pompeius Übernahme des Consulates im J. 684 = 70 v. Chr. verfasste Einleitungsschrift, von ihm selbst commentarium isagogicum betitelt wurde (Gell. XIV 7, 2. Mommsen St.-R. II³ 5f. 4), beweist natürlich nichts für den Inhalt und Zweck der amtlichen c.

Über das Verhältnis der c. zu den acta, welche sowohl die Amtshandlungen selbst, als auch die Aufzeichnungen derselben bedeuten, handeln H. Thédenat Dict. des ant. I 1406. Ruggiero Diz. epigr. II 539, 3 (vgl. I 57ff.). Kubitschek o. Bd. I S. 286–299. H. Peter Geschichtl. Litt. I 205; dazu Mommsen Strafr. 514 mit A. 5. In dem Begriffe der acta tritt mehr die Absicht hervor, das Verhandelte rechtlich zu fixieren und gegen Zweifel zu schützen, bei c. das Bestreben, durch die Niederschrift das Gedächtnis zu unterstützen und dadurch Material für die Zukunft zu gewinnen. Während die acta strenge genommen nur die Amtshandlungen der buchführenden Behörde [749] enthalten können, nehmen die c. – den Hausbüchern vergleichbar – alles in sich auf, was für die Geschäftsführung der Behörde von Interesse sein kann, nicht blos ihre eigenen acta, d. h. concreten Amtshandlungen (vgl. z. B. den commentariensis ab actis civilibus S. 734. 763), sondern auch die Bescheide und Correspondenzen anderer Behörden (u. S. 751). In formeller Hinsicht wird sowohl für die acta wie für die c. chronologische Anordnung anzunehmen sein; dagegen erscheinen in den letzteren die Solennitätsformeln der acta in der Regel vernachlässigt (vgl. den Decurionenbeschluss in CIL XI 3614 gegenüber den acta senatus, o. S. 745). Zu Sueton Domitian. 20 (commentarios et acta Ti. Caesaris) vgl. o. S. 736. Wie aber vielfach die beiden Zwecke der Beurkundung und der Aufzeichnung zum dauernden Gedächtnis ineinander übergehen (über die C. als Urkunden vgl. u. S. 753), so auch die Wörter acta und c. im praktischen Gebrauche; die Griechen pflegten beides mit ὑπομνήματα oder ὑπομνηματισμοὶ wiederzugeben. Selbst in den beiden Fällen, wo der Ausdruck acta technisch geworden ist, wird daneben mitunter commentarii gesetzt; so erscheint neben acta urbis die Bezeichnung c. urbis (Kubitschek o. Bd. I S. 291f.), neben acta senatus bei Tacitus, der allerdings die technischen Termini zu umschreiben liebt, ann. XV 74 c. senatus (Kubitschek o. Bd. I S. 286. Thédenat 1405 n. IX. Ruggiero 539, 2. H. Peter I 205, 4).

Vorbereitung der Aufzeichnung in den Commentarii. Der Eintragung in die C. gingen in der Regel vorläufige Aufschreibungen der Amtshandlungen voran. So wurden unter anderem die Verhandlungen vor dem Kaisergerichte (o. S. 743) und vor den Statthaltern durch notarii oder exceptores tachygraphisch im Wortlaute festgehalten, um dann zumeist auszugsweise in den Commentarien Aufnahme zu finden (Mommsen Strafr. 516, 1. Cuq Mémoires 415). Die actus eines africanischen Duumvirs wurden zunächst von seinem scriba auf Wachstafeln (in cera) schriftlich fixiert, aus welchen dann die eigentliche Reinschrift (auf Papyrus) hergestellt wurde (Mommsen a. a. O. 516, 4). Über die Vorbereitung der kaiserlichen Constitutionen o. S. 739.

Schreibstoff und Anlage. Während der Republik und noch in der Folgezeit wurden die geschäftlichen Aufzeichnungen des privaten und öffentlichen Lebens gewöhnlich auf Wachstafeln niedergeschrieben; daher die alte Bezeichnung als tabulae (tabulae publicae; o. S. 731f.), ὑπομνημάτων δέλτος in der Inschrift von Oropos o. S. 732. Wenn ebd. Z. 58f. die 14. Wachsfläche κήρωμα) der 1. Tafel (δέλτος) angeführt wird, so ist dies wohl – trotz der von Mommsen Herm. XX 280. Dittenberger Syll. I² p. 542f., H. Peter Gesch. Litt. I 234 erhobenen Bedenken (vgl. o. S. 732) – auf Polyptychen zu beziehen, die noch bei Veget. II 19 (S. 734) ausdrücklich als Schreibstoff der c. genannt werden. Dieselbe Citierweise scheint in CIL X 7852 vom J. 68 (o. S. 733) vorzuliegen, wo aus dem codex ansatus des Proconsuls von Sardinien tabula V, O VIII et VIIII et X angeführt wird; das Zeichen O wird mit Mommsen Herm. a. a. O. (der diese Deutung allerdings bei Bruns Fontes I⁶ 231f., 4 zurücknimmt), Dittenberger [750] und Peter a. a. O. gleichfalls als cera = κήρωμα zu verstehen sein. Die fortlaufend bezifferten tabulae (polyptycha), innerhalb deren die einzelnen cerae (κηρώματα) gleichfalls ihre Nummern hatten, wurden für einen bestimmten Zeitraum, z. B. für ein Verwaltungsjahr, gleich den Senatsbeschlüssen, zu einem codex vereinigt.

Neben der Benennung tabulae oder codex kommt seit dem Ausgange der Republik die auf den Inhalt gehende Bezeichnung c. (ὑπομνηματισμοί) auf, verdrängt die erstere nach und nach und wird bis ins 3. Jhdt. der Kaiserzeit hinein fast ausschliesslich gebraucht (o. S. 732). Für diesen Wandel der Terminologie dürfte ein Hauptgrund darin liegen, dass neben der Holztafel nunmehr auch das Papyrusblatt, für welches der Ausdruck tabulae nicht passte, ausgiebige Verwendung fand. Eine Übertragung der Terminologie tabula und cera auf die Papyrusrolle (und ihre σελίδες, wie sie Mommsen Herm. II 114ff.; Ztschr. d. Savigny-Stift. X Rom. Abt. 349 als möglich hinstellt (vgl. auch Memelsdorff 43f.), halte ich für ausgeschlossen. Die Manipulation beim Gebrauche von Papyrus wurde erst durch die Untersuchungen von U. Wilcken Philol. LIII 97–102 verständlich gemacht (vgl. Peter a. a. O. I 233f. 235). In dem Bureau des Strategen in dem ägyptischen Omboi wurden, wie der von Wilcken meisterhaft behandelte Papyrus vom J. 232 darthut, zum Zwecke der Niederlegung in dem Archiv des Gaues die täglichen Aufzeichnungen des Geschäftsjournals (ὑπομνηματισμοί), die Tag für Tag von dem Strategen mit der eigenhändigen Subscription ἀνέγνων versehen wurden, in Reinschrift auf Papyrusstreifen übertragen, deren jeder – einen Monat umfassend – an der Spitze die Überschrift ὑπομνηματισμοί Αὐρηλίου Λεοντᾶ στρατηγοῦ Ὀμβίτου Ἐλεφαντίνης mit nachfolgendem Jahr und Datum, unter jedem Tage das eigenhändige ἀνέγνων des Strategen (vgl. Mommsen Strafr. 517 mit A. 2) enthielt. Diese Papyrusstreifen wurden der δημοσία βιβλιοθήκη, d. h. dem Archiv des Gaues, übergeben, wo bald der eine, bald der andere Beamte am unteren Ende des Streifens den Eingang mit Nennung seines Namens und den Worten vermerkte: ὑπ(ὲρ) προθ(έσεως) εἰς δημόσια κατεχώρισα. (zur Erklärung Wilcken 99f. Mommsen Strafr. 520. 1. Peter I 235 mit A. 1). Dieses καταχωρίζειν – der technische Ausdruck für das Einregistrieren (vgl. die Inschrift von Oropus Z. 31, o. S. 732. Wilcken 99. 130; daneben ἐντάσσειν in dem Gesuch der kleinasiatischen Colonen, o. S. 740; lat. referre in commentarios o. S. 741f.)– bestand in diesem Falle darin, dass die Papyrusstreifen so lange aneinander geleimt wurden, bis die Rolle die übliche Länge erhalten hatte. Daraus erklären sich Citate, wie ὁ στρατηγὸς κολλήμ(ατος) οζ' τόμου β', d. h. auf dem 77. Papyrusblatt der zweiten Rolle des Strategenjournals (Wilcken 102. Mommsen Strafr. 515. 7. Peter I 233).

Wilcken hat a. a. O. 104–109 diese Einrichtung der ὑπομνηματισμοί für eine ganze Reihe höherer und niederer Verwaltungsbeamten in Ägypten nachweisen können. Dieselbe Anlage ist aber auch in hohem Grade wahrscheinlich für das commentarium cottidianum municipi Caeritum CIL [751] XI 3614 (o. S. 745), welches nach dem Jahresbande, der pagina und dem Absatze (caput) angeführt wird (Wilcken 110. Mommsen a. a. O. 514f., 7. Peter I 235). Nach Lydus de mag. III 11 liessen die Assessoren nach Verlesung des Urteils das Concept desselben, τὸ παρ’ Ἰταλο[ς καλούμενον ῥέκινον (vielleicht verdorben aus periculum) τῷ καλουμένῳ σχηδαρίῳ – vermutlich den c. – einreihen und durch die betreffenden Subalternen (subscribendarii) dem Beamten zur Unterschrift vorlegen (Mommsen Strafr. 517, 2); für die Parteien wurde darnach eine Reinschrift (καθαρόν) ausgefertigt. Die in den Papyrus erhaltenen Parteienbescheide, die sich als ἀντίγραφον aus den υπομνηματισμοὶ geben, bestätigen diese Nachricht (u. S. 754).

Nicht alle c. enthielten, wie die von Wilcken herausgegebenen υπομνηματισμοὶ, blos eine fortschreitende Berichterstattung über die amtliche Thätigkeit des Magistrates oder der Priesterschaft. Bei vielen waren im Rahmen dieser Berichterstattung auf die betreffende Amtshandlung bezügliche Verordnungen (Senatusconsulte, magistratische Edicte, Instructionen) und Correspondenzen anderer Behörden eingefügt. Manche C. bestanden überhaupt nur aus einer chronologischen Aneinanderreihung von Briefen, Verordnungen (z. B. kaiserlichen Rescripten) u. ä. Es entstellt nun die Frage, ob diese Schriftstücke in der amtlich vorliegenden Ausfertigung, die wir kurz als Original bezeichnen wollen, oder aber nur in Abschrift (so Bresslau, der die C. mit den mittelalterlichen Copial- oder Registerbüchern vergleicht. Wilcken 103, 21. Mommsen Strafr. 518) in die C. aufgenommen wurden. Wir glauben, uns für erstere Annahme entscheiden zu sollen. Die gebräuchlichen Ausdrücke referre in commentarios, griechisch καταχωρίζειν (auch im Sinne der Beilage zu einem Actenstück gebraucht; Belege bei Wilcken 103 mit A. 22), besonders aber ἐντάσσειν (S. 740; vgl. die Inschrift von Aphrodisias oben S. 735, Z. 48ff. ἐν τοις δημοσίοις τοῖς παρ’ ὑμεῖν γράμμασιν ἐντάξαι), ἀναλαμβάνειν εἰς ὑπομνήματα, neben welchen niemals ἀντιγράφειν steht, widersprechen wenigstens dieser Annahme nicht, welche durch den besonderen Charakter der C. als Urkundensammlungen empfohlen wird. Wenn z. B. Antonius in seinem Briefe an die Aphrodisier dieselben auffordert, die γράμματα Καίσαρος in ihre δημόσια γράμματα aufzunehmen (ἐντάξαι), kann er kaum etwas anderes als die seinem Briefe folgende Ausfertigung im Original darunter meinen. Ebenso werden die Abschriften von amtlichen Correspondenzen in der Inschrift von Caere CIL XI 3614 (o. S. 745) aus dem commentarium cottidianum, nicht aus daneben etwa noch vorhandenen Originalen entnommen sein. Für die kaiserlichen Constitutionen (epistulae, rescripta u. s. w.) gelten die c. als forma, d. h. Originalausfertigung (u. S. 755), müssen also die Originalconcepte enthalten haben. Die Verwahrung der Originalien in den c. erklärt auch die Benennung authentica, die für eine amtliche Briefsammlung Hist. Aug. XXX tyr. 10, 9 gebraucht zu sein scheint: extat epistola divi Claudii tunc privati, qua Regiliano, Illyrici duci, gratias agit ob redditum Illyricum … quam ego repertam in authenticis (hs. athenicis) inserendam putavi, [752] fuit enim publica (dazu Memelsdorff 11. 23).

In der älteren Zeit wurden wohl die betreffenden Wachstafeln einfach in die Polyptychen der codices eingefügt. Bei der späteren Verwendung von Papyrus dürften die Ergehnisse Wilckens (o. S. 750) sinngemässe Anwendung finden. So mögen z. B. die libri litterarum missarum und jene litterarum adlatarum der Publicanengesellschaften (Cic. Verr. III 167) und das volumen epistularum des Atticus (Cic. ad Att. IX 10, 4. Birt Buchwesen 21) einfach durch Aneinanderkleben der Briefconcepte, bezw. der zugestellten Briefe gebildet worden sein, wie denn so hergestellte Briefsammlungen noch erhalten sind (C. Wessely Schrifttafeln zur ält. lat. Palaeogr. 5). In gleicher Weise erklären sich die c. principum, die kaiserliche Briefe als vera et emendata enthalten (S. 739), und der liber libellorum rescriptorum Gordians, von welchem der Bescheid an die Skaptoparener Abschrift ist (S. 740), durch mechanisches Aneinanderfügen der Briefconcepte, bezw. der Copien der mit der kaiserlichen Erledigung versehenen Bittschriften (o. S. 741). Aber auch Schriftstücke disparaten stilistischen Charakters konnten in der nämlichen Weise in einer und derselben Commentarienrolle aneinandergereiht werden. So wurde in dem commentarium von Caere (S. 745), welches auch die Decurionenbeschlüsse enthielt, der Brief der Magistrate von Caere an den Curator wahrscheinlich im Originalconcept, die Antwort des Curators in der zugestellten Ausfertigung eingeklebt. Dies gilt überhaupt von den Correspondenzen, Instructionen, Erlassen und Bescheiden anderer Behörden (z. B. kaiserliche Constitutionen in den c. der Provinzstatthalter), die in die Amtsbücher aufgenommen wurden. Namentlich in den richterlichen c. wrurden, wie die in den Papyrus auf uns gekommenen Abschriften vermuten lassen, Schriftstücke der verschiedensten Art, Parteieneingaben, Verhandlungsprotocolle, Beweisstücke, Briefschaften (vgl. z. B. UBM 1 19 [o. S. 734] I Z. 10, dazu I Z. 11ff. II 12ff.), Rechtsbelehrungen der höheren Richter, Urteile u. s. w., gewiss auch nicht im Wege zeitraubender Abschriftnahme, sondern durch medianisches Aneinanderfügen zu Rollen vereinigt – allerdings nicht etwa, wie die heutigen Actenfascikel, nach einzelnen Processfällen geordnet, sondern ohne Rücksicht auf sachliche Zugehörigkeit nach der zeitlichen Reihenfolge des Einlaufs oder der Expedition, so dass man sich z. B. das Material über einen bestimmten Process an verschiedenen Stellen, zuweilen in verschiedenen Rollen zusammensuchen musste.

Das geschilderte Verfahren, auf dem das antike Acten- und Registraturwesen zum grössten Teil beruht haben muss, welches trotz seiner Einfachheit an Accuratesse hinter dem modernen wenig zurücksteht (Wilcken 101) und Fälschungen und Einschübe sehr erschwerte, ermöglichte es also, Amtspapiere aller Art in Originalen, d. h. in den Concepten oder beglaubigten Ausfertigungen, nicht in Abschriften, in den als c. bezeichneten Rollen (libri, τόμοι) übersichtlich zusammenzufassen.

Litteratur: Mommsen Herm. II 114ff. XX 280: Ztschr. d. Savignv-Stift. X Rom. Abt. 349; Strafr. 515ff. U. Wilcken Philol. LIII 97–102. [753] P. Krüger Ztschr. d. Savigny-Stift. VIII Rom. Abt. 81. H. Peter Geschichtl. Litt. I 233.

Form der Protocollierung. In jenen Commentarien, welche den Charakter der Berichterstattung tragen (z. B. priesterliche Commentarien o. S. 729ff., Ephemeriden der Kaiser u. a.) berichtet der Schreiber in dritter Person und in erzählender Fassung (daher meist im Perfectum, vgl. aber O. Gradenwitz Ztschr. d. Savigny-Stift. XVI Rom. Abt. 134f.), was von Tag zu Tag der Beamte oder Priester gethan oder gesagt hat, oder was vor ihm verhandelt worden ist, wobei Gerichtsverhandlungen und Verordnungen aller Art einen besonders breiten Raum einnehmen können. Im ganzen beschränkte sich die Aufzeichnung auf die Amtshandlungen; indessen werden in den kaiserlichen Ephemeriden sicher höfische Ereignisse sehr ausführlich behandelt worden sein (o. S. 735f.); auch die ägyptischen ὑπομνηματισμοὶ vom J. 232 verzeichnen amtliche Besuche und Festlichkeiten. Die Aufzeichnung konnte je nach der Anordnung der Behörde nur eine knappe auszugsweise Wiedergabe der Reden (vgl. Lukian. apol. 12 τὰς τῶν δικαολογούντων ῥητορείας ῥυθμίζειν) oder aber eine vollständige Niederschrift auf Grund tachygraphischer Notizen der exceptores oder notarii enthalten (o. S. 749). Schriftstücke, die zur Verhandlung gehörten, Erlässe und Correspondenzen anderer Behörden, Eingaben der Parteien, die von dem Beamten selbst entworfenen und vom Blatt verlesenen Urteilssprüche wurden wahrscheinlich im Original an gehöriger Stelle eingefügt (o. S. 751f.; vgl. Mommsen Strafr. 518).– Auf blosse chronologische Aneinanderreihung beschränkte sich jene Gruppe von C., in welchen Correspondenzen, Verordnungen (z. B. die kaiserlichen epistulae und libelli rescripti) ohne nebenherlaufende Berichterstattung vereinigt wurden.

Auf Bestätigung der Aufzeichnungen durch den Beamten führt in der älteren Epoche keine Spur. In der Kaiserzeit dürfte sie jedoch die Regel gewesen sein, wie das rescripsi recognovi in dem kaiserlichen liber libellorum rescriptorum (o. S. 740f.) und das ἀνέγνων in den ägyptischen ὑπομνηματισμοὶ (Wilcken 98. Mommsen Strafr. 517) annehmen lässt.

Rechtlicher Charakter der Commentarii. Die Amtshandlungen der Magistrate und Priester bedurften selbstverständlich zu ihrer Gültigkeit nicht der schriftlichen Aufzeichnung; wohl aber machte umgekehrt die auf Geheiss des Beamten oder Priesters erfolgte Eintragung in die c. vollen Beweis für die Vornahme des betreffenden Actes. Schon in hellenistischen Urkunden steht, wie Wilcken Phil. LIII 103f. (vgl. 108 n. 8) darlegt, ὑπομνηματισμός in der prägnanten Bedeutung ,Entscheidung-, ,Decret‘. In Rom war diese Auffassung bereits im letzten Jhdt. der Republik durchgedrungen. In dem Schreiben an die Oropier vom J. 681 = 73 Z. 30f. (o. S. 732) bemerken die Consuln ausdrücklich: (τὴν γνώμην) εἰς τὴν τῶν ὑπομνημάτων δέλτον κατεχωρίσαμεν. Ebenso berief sich Antonius für eine Reihe von fingierten Gesetzen, Erlässen und Privilegien auf die von ihm verfälschten Commentarien des Dictators Caesar (o. S. 735). Unter Traian sucht der jüngere Plinius ein Edict des Augustus und epistulae der flavischen Kaiser in [754] authentischer Überlieferung (vera et emendata) in den c. principum (S. 739). Traian versichert den Plinius der in aller Form vollzogenen Verleihung angesuchter Beneficien mit den Worten: in commentarios meos referri iussi (S. 741). In einem Gesuche vom J. 244/7 (S. 740) Z. 24f. berufen sich die Bittsteller auf eine θεί[α ἀντιγραφὴ ἡ τοῖς ὑπομνήμασιν] ἐντεταγμένη. Nach den Gromatikern endlich sollen bei Zweifeln in Fragen der Landvermessung die commissionellen c. eingesehen werden (o. S. 744). Dieselbe publica fides kam bekanntlich auch den schriftlich aufgezeichneten acta senatus zu (Kubitschek o. Bd. I S. 287ff). Der urkundlichen Wichtigkeit der C. entspricht denn auch die Sorgfalt bei ihrer Herstellung und Verwahrung (vgl. u. a. Lukian apol. 12, u. S. 764).

In dieser Anschauung über die publica fides der C. wurzelt die spätestens seit der Kaiserzeit nachweisbare Kanzleiregel, wonach die schriftliche Fassung der acta in den c. als die Originalausfertigung anzusehen ist. Schon das Schreiben der Consuln an die Oropier vom J. 681 = 73 (o. S. 732), welches bis auf die Grussformel nichts anderes ist, als ein Auszug aus den ausdrücklich angeführten ὑπομνήματα, lässt diese Auffassung zu. Demgemäss wird den Interessenten nicht nur auf gelegentliches späteres Ansuchen Abschrift aus den C. gewährt (so in dem Briefe des M. Antonius an die Aphrodisier Z. 21ff., S. 735; in der Inschrift von Smyrna, S. 737f.), sondern auch die den Parteien im Zuge der Amtshandlung selbst in welcher Form immer ausgefolgten Bescheide stellen sich sehr häufig unmittelbar als beglaubigte Abschriften aus den C. dar. Solche Parteienbescheide sind ihrer Natur nach die meisten inschriftlich erhaltenen Entscheidungen in der Form von Auszügen aus amtlichen C. (z. B. CIL X 7852, o. S. 733; CIL XI 3614 aus Caere, o. S. 745; die Inschrift von Skaptoparene S. 740), desgleichen jene zahlreichen Papyrusurkunden, die sich als Copien der ὑπομνηματισμοὶ verschiedener richterlicher Beamten bezeichnen (vgl. dazu auch die Angaben bei Lyd. de mag. III 11, o. S. 751). Die Beglaubigung der Abschrift, die hier auf private Initiative hergestellt wird, ist entweder eine private durch Unterschrift und Siegelung von sieben Zeugen (so in CIL X 7852, den Inschriften von Smyrna und Skaptoparene; vgl. auch das Senatusconsult CIL VIII 270 = Suppl. 11451, Bruns Ι⁶ 196 n. 58), oder aber eine amtliche (auf ägyptischen Urkunden durch den βιβλιοφύλαξ, z. B. in dem Wiener Papyrus vom J. 124, Z. 41: Κλαύδιος ..... ν βιβλιοφύλαξ· ὑπάρχει; vgl. auch Paul. Dig. XLIX 14, 45 § 7 eaque manu commentariensis adnotanda sunt und Lyd. de mag. III 11). Einen etwas anderen Charakter haben jene Parteienbescheide, die in Form von epistulae und rescripta von amtswegen ausgegeben und durch die Subscription des Beamten (bei den Rescripten rescripsi; recognovi, o. S. 740) in ähnlicher Weise authentisiert werden, wie die analoge Niederschrift in den c. Hier liegen gewissermassen zwei nahezu gleichwertige authentische Ausfertigungen vor (Karlowa Neue Heidelb. Jahrb. VI 211ff.), aber auch da dürfte im Zweifelsfalle, wie die angeführten Worte des Plinius (vera et emendata S. 739) darthun, [755] die Niederschrift in den C. wegen der geringeren Gefahr der Verfälschung (o. S. 752) als die ausschlaggebende angesehen worden sein, die daher in CIL III 411 (o. S. 737f.) als die forma, d. h. Originalconcept, bezeichnet wird (o. S. 751). Dasselbe gilt namentlich auch von den Eintragungen in den c. beneficiorum und aquarum im Verhältnisse zu den darüber ausgegebenen epistulae und codicilli (o. S. 742f.).

Auch gegenüber den zur öffentlichen Proposition bestimmten Ausfertigungen gilt die Aufzeichnung in den c. als die ursprüngliche und authentische. Dies zeigen z.B. die Nachrichten über die zahlreichen Verordnungen und Privilegienverleihungen auf Grund der (von Antonius verfälschten) c. des Dictators Caesar, die in tabulae aeneae auf dem Capitol proponiert wurden (o. S. 735). Auch die tabulae aeneae über Schenkungen des Bürgerrechtes in der Kaiserzeit werden auf die kaiserlichen Beneficienbücher zurückgehen (o. S. 741f.). Natürlich besitzen auch diese Ausfertigungen publica fides (die Rescripte in dem öffentlich proponierten liber libellorum rescriptorum Gordians tragen die Beglaubigungsformel rescripsi; recognovi; o. S. 740), und es können von ihnen, wie die sog. Militärdiplome und die Inschrift von Skaptoparene zeigen, von Zeugen beglaubigte Abschriften genommen werden.

Aufbewahrung der Commentarii. Wie die Herstellung, so war auch die Verwahrung der Amtsbücher ursprünglich eine private; vgl. Cic. pro Sulla 42 cum scirem ita esse indicium relatum in tabulas publicas, ut illae tabulae privata tamen custodia more maiorum continerentur. Das Amtsbuch verbleibt Eigentum des gewesenen Magistrates und in seinem und später seiner Erben Gewahrsam (Mommsen St.-R. I³ 5, 2. III 1016; Strafr. 519). Selbst bei den τιμητικὰ ὑπομνήματα wird uns dies von Dionys. I 74, 5 (o. S. 733) wenigstens für die älteste Zeit – er citiert aus dem Census von 361/2 = 393/2 – ausdrücklich bezeugt. Mommsens Annahme (St.-R. II³ 361, 3), dass die Ablieferung der Listen an das Aerarium nie fehlen konnte und nur Abschriften und vorbereitende Aufzeichnungen in den Händen der gewesenen Censoren geblieben sein mochten, setzt einen für diese älteste Zeit kaum wahrscheinlichen archivalischen Apparat voraus.

Die privata monumenta (Liv. VI 1, 2 si quae in commentariis pontificum aliisqut publicis privatisque erant monumentis, incensa urbe pleraeque interiere), in welchen man herkömmlich ,Haus- und Familienchroniken‘ zu sehen pflegt (Schwegler R. G. I 12. H. Peter Hist. Rom. rell. I p. XXVIII f. XXXXII. E. Lübbert De gentium Romanarum commentariis domesticis. Giessen 1873. Birt Buchwesen 63f. Teuffel-Schwabe⁵ § 80. Thédenat Dict. des ant. I 1404 n. II. sind, soweit es sich nicht um laudationes (Cic. Brut. 62) und um späte antiquarische Erzeugnisse handelt, kaum etwas anderes als die Amtsbücher der ehemaligen Magistrate, die in den tablina ihrer Familien als Erinnerungszeichen und praktische Vorlagen für die Nachkommen verwahrt wurden; vgl. Plin. n. h. XXXV 7 tabulina codicibus implebantur et monumentis rerum in magistratu gestarum. Fest. p. 356 tablinum proxime atrium locus dicitur, quod [756] antiqui magistratus in suo imperio tabulis [eum implebant]. Die Sitte der privaten Aufbewahrung durch den gewesenen Magistrat erhielt sich sogar hie und da bis in die späte Kaiserzeit hinein, wie ein interessantes Beispiel bei Mommsen Strafr. 516, 4 (vgl. 519; actus eines gewesenen afrikanischen Duovirs) darthut (o. S. 746). Eine Ausnahmestellung scheinen seit uralter Zeit die c. der Priestertümer eingenommen zu haben, die nicht für einzelne, sondern für das Collegium geführt wurden, und für deren Aufbewahrung die Regia und die übrigen schon frühzeitig als Archive benützten Cultstätten seit jeher als feste Sitze sich darboten.

Erst seit dem Ende der Republik und dem Beginne des Principats wurden die magistratischen c. in Rom und ausserhalb der Hauptstadt in den öffentlichen Archiven aufbewahrt (vgl. dazu Max Memelsdorff De archivis imperatorum Romanorum, qualia fuerint usque ad Diocletiani aetatem, Diss. Halle 1890. H. Peter Gesch. Litt. I 223ff.). Die Amtsbücher der Consuln und der übrigen hauptstädtischen Magistrate waren im Aerarium niedergelegt (Mommsen St.-R. II³ 547. Memelsdorff a. a. O. 4f. Peter I 224f.). Die Continuität der kaiserlichen Amtsführung äussert sich auch darin, dass jeder Princeps den schriftlichen Nachlass seiner Vorgänger übernimmt (vgl. Plin. ad Trai. 65, 3. 66, 1, o. S. 739, 30 Peter I 227f.). Die Actenstücke der kaiserlichen Kanzleien wurden anfänglich, wie es scheint, in den scrinia der verschiedenen Bureaux (vgl. die scriniarii ab epistulis und a libellis aus claudisch-neronischer Zeit, o. S. 739; so wohl noch unter Traian, vgl. Plin. ad Trai. 65, 3 in scriniis tuis, o. S. 739; ein custos a commentaris beneficiorum unter Traian u. S. 760). Als diese Räume zu enge wurden, brachte man wenigstens den älteren Vorrat an c. und ähnlichen Acten in einem besonderen Archive im Kaiserpalaste, dem tabularium principis (Hirschfeld V.-G. I 206f., 3) unter, dessen jedenfalls sehr reiche Bestände an Urkunden jeder Art Memelsdorff a. a. O. 20ff. und Peter I 225ff., bes. 229ff. erörtern. Ausdrücklich bezeugt ist uns die Hinterlegung der gromatischen c. im tabularium oder sanctuarium Caesaris (o. S. 744).

Auch in den Provinzen entstanden allmählich Archive, in welchen die Amtsbücher der Statthalter hinterlegt wurden (Mommsen Strafr. 519, 2. 3. Peter I 240). Nach O. Sceck Ztschr. d. Savigny-Stiftung X Rom. Abt. 6ff. bildeten die Provinzialarchive eine Hauptquelle für die Gesetzsammlungen, namentlich den Codex Theodosianus (dagegen Mommsen ebd. 351; vgl. o. S. 738). Besonders entwickelt und bis ins Detail ausgebildet war der Archivdienst in Ägypten, über den die Papyrusurkunden zahlreiche noch nicht erschöpfend verwertete Aufschlüsse enthalten (vgl. U. Wilcken Observ. ad historiam Aegypti 30. Mommsen Ztschr. der Savigny-Stiftung XII Rom. Abt. 296); der von Mommsen a. a. O. 284ff. veröffentlichte Wiener Papyrus, ein Auszug aus richterlichen ὑπομνηματισμοὶ vom J. 124 (o. S. 734), schliesst mit dem Collationsvermerk eines βιβλιοφύλαξ; (Z. 40f.); die ὑπομνηματισμοὶ des Strategen von Omboi vom J. 232 (o. S. 746) tragen gleichfalls den Registraturvermerk verschiedener [757] Archivbeamten. Endlich gab es auch in Italien wie in den Provinzen städtische Archive (Memelsdorff 34-41. Peter I 240).

Benützung der Commentarii. Der ursprünglich private Charakter der amtlichen Buchführung äussert sich auch darin, dass ihre Benützung durch andere von rechtswegen nur mit Bewilligung des Magistrates erfolgen kann. Der von Paulus Dig. XLIX 14, 45 § 7 ausgesprochene Satz quotiens apud fiscum agitur, actorum potestas postulanda est, ut merito iis uti liceat, eaque manu commentariensis adnotanda sunt (Bresslau Ztschr. der Savigny-Stift. VI Rom. Abt. 257. Memelsdorff 50, 5. Peter I 236, 4) lässt sich auch auf die c. principis ausdehnen; die potestas inspiciendi describendique (Belege bei Memelsdorff 50, 5) wird vom Kaiser nur auf besonderes Ansuchen nach freiem Ermessen gewährt oder verweigert; vgl. Tac. hist. IV 40 zum J. 70: petit a Caesare (Domitiano) Iunius Mauricus, ut commentariorum principalium potestatem senatui faceret, per quos nosceret u. s. w. (o. S. 743). Ein Bittgesuch (libellus) um Bewilligung der Abschriftnahme aus den ὑπομνήματα Hadrians liegt in der Inschrift von Smyrna CIL III 411 (o. S. 737f.) vom J. 139 vor; die Genehmigung des Kaisers wird in Form eines Rescriptes erteilt, und ausserdem ergeht der ausdrückliche Befehl zur Edition an zwei Archivbeamte. Über die Beglaubigung der aus den Commentarien erteilten Abschriften vgl. o. S. 754 (Peter I 236f., 4). Über die Benützung der c. principis durch den Kaiser selbst o. S. 739, für Gesandtschaftsberichte o. S. 737, für historische Zwecke o. S. 736f.. Vgl. Memelsdorff 50f. Peter I 236f. Mommsen Strafr. 520.

II. Commentarii in der Litteratur.

Seit dem letzten Jahrhundert der Republik tritt die Bezeichnung commentarii auch als Benennung für Werke der wissenschaftlichen (besonders historischen) und technischen Litteratur auf. Dabei muss, ähnlich wie in der Epistolographie, unterschieden werden zwischen solchen c., die ursprünglich bestimmten praktischen Zwecken (z. B. als Tagebücher, als Behelfe für die Rednerbühne oder die Schule) dienten und nur zufällig durch eine zunächst nicht beabsichtigte Edition zu Litteraturwerken wurden, und jenen c., die in vorhinein mit der Absicht der Veröffentlichung niedergeschrieben wurden. Nur letztere können füglich als eine besondere litterarische Gattung betrachtet werden.

Zu der ersten Kategorie gehören z. B. die Entwürfe und Concepte von Reden (c. causarum), welche aus Ciceros Nachlass dessen Freigelassener Tiro veröffentlichte (Teuffel-Schwabe Gesch. d. r. L. § 180, 4, vgl. § 174, 3), vielleicht auch die von Sueton de gramm. 4 (o. S. 727) erwähnten Vorlesungen über Grammatik und Rhetorik, die zunächst als Collegienheft gedachten c. institutionum des Juristen Gaius (o. S. 727) u. ä. Aus amtlichen C. über Kriegsereignisse und Provinzverwaltung, die mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der Sache veröffentlicht wurden, nicht aus eigentlichen Geschichtswerken stammen gewiss auch die historischen Notizen, die uns unter dem Namen der Kaiser Vespasian (Joseph. vit. 65 ἐν τοῖς Οὐεσπασιανοῦ τοῦ αὐτοκράτορος ὑπομνήμασιν) und [758] Traian, dann des Cn. Domitius Corbulo, Ti. Claudius Balbillus, C. Suetonius Paulinus und M. Antonius Iulianus erhalten sind (vgl. H. Peter Hist. Rom. fragm. p. 303ff.; Geschichtl. Litt, I 361ff., bes. 365. 374).

In die zweite Gruppe sind von historischen Schriften einzureihen die autobiographischen 22 Bücher c. (ὑπομνήματα; daneben rerum gestarum libri betitelt) des Dictators Sulla (Teuffel-Schwabe § 157, 2. Wachsmuth Einleitung 206), der von Cicero im J. 694 = 60 ausgearbeitete commentarius consulatus sui graece compositus (ὑπόμνημα τῆς ὑπατείας), neben welchem auch eine lateinische Bearbeitung desselben Stoffes von Cicero beabsichtigt war (Teuffel-Schwabe § 186, 2. Peter Gesch. Litt. I 201. Wachsmuth a. a. O.), endlich das hervorragendste Memoirenwerk des Altertums, die c. Caesars (griech. ὑπομνήματα oder ἐφημερίδες) über das bellum Gallicum und civile samt den Supplementen. Aus der Kaiserzeit sind zu nennen z. B. der commentarius de vita sua des Tiberius (Teuffel-Schwabe § 275, 1. Peter I 373; o. S. 736) und die c. Agrippinae (Tac. ann. IV 53. Teuffel-Schwabe § 286, 6. Peter I 374). Neben diesen ausdrücklich als c. bezeichneten Werken giebt es natürlich noch eine ganze Reihe sachlich zugehöriger Werke aus dem Gebiete der Selbstbiographie und Memoirenlitteratur (Wachsmuth 205ff. Peter I 201ff. 372ff.). Ausserdem gehören hieher die c. (Entwürfe) der Reden des Juristen und Sachwalters Ser. Sulpicius Rufus, von welchen Quintilian inst. X 7, 30 – im Gegensatz zu jenen des Cicero – bemerkt: ita sunt exacti ut ab ipso mihi in memoriam posteritatis videantur esse compositi (Teuffel-Schwabe § 174, 3), ferner eine grosse Anzahl grammatischer c., die Einleitungsschrift Varros für die Übernahme des Consulates durch Pompeius (commentarium isagogicum; Teuffel-Schwabe § 166, 4 a. E.; o. S. 748), vielleicht auch die c. artis suae des Rechenkünstlers Melior (CIL XIV 472; Ruggiero Diz. epigr. II 538) u. s. w.

Die für die Edition aufgezeichneten c. bewegen sich, wie man sieht, im ganzen auf denselben nämlichen Gebieten wie die privaten und amtlichen geschäftlichen Aufzeichnungen. Letztere sind auch in aller Regel als die Grundlage für das thatsächliche Material, welches die litterarischen c. bieten, zu betrachten. Aber auch in formeller Hinsicht lehnen sich die litterarischen c. mehr oder weniger an die des praktischen Lebens an. Dies gilt insbesondere für die historischen c.; auch für die griechischen geschichtlichen ὑπομνήματα und ὑπομνηματισμοὶ hat Wilcken Philol. LIII 117ff. den Zusammenhang mit den Amts- und Hoftagebüchern überzeugend dargelegt. So ist z. B. für die beiden im caesarischen Corpus überlieferten Commentarien über das bellum Africanum und Hispaniense charakteristisch eine mechanische Einhaltung der chronologischen Folge und die Wesentliches und Unbedeutendes nicht unterscheidende Umständlichkeit in der Darstellung, unter deren rhetorischem Aufputz das ursprüngliche Gerüst des Tagebuches deutlich zum Vorschein kommt. Nicht minder werden höher stehende Producte dieser Gattung, wie etwa die ciceronischen c. consulatus oder die von Caesar selbst [759] verfassten Commentarien ohne Zweifel das Thatsächliche aus den amtlichen c. consulum (o. S. 732), bezw. aus dem Feldherrnjournal und den Berichten der Unterbefehlshaber (vgl. die Äusserung des Asinius Pollio bei Suet. Caes. 56) geschöpft haben. Aber auch hinsichtlich der Form wirkt der Charakter der stofflichen Vorlage nach. Der Titel c. weist gewissermassen den Anspruch auf buchmässige Ausarbeitung und stilistische Vollendung zurück. Ursprünglichkeit und Unmittelbarkeit, Freiheit und Einfachheit des Ausdruckes, eine rhetorischen Schmuck verschmähende Richtung auf das Sachliche sind die grossen Vorzüge der historischen C. besserer Art gegenüber der in steife rhetorische Regeln gezwängten zünftigen Geschichtschreibung jener Epoche. Namentlich in den caesarischen C., deren schriftstellerische Vorzüge Cicero Brut. 262 würdigt, ist in glücklicher Weise die Mitte gehalten zwischen den flüchtig hingeworfenen Bemerkungen eines Tagebuches und einem sorgfältig ausgearbeiteten historischen Werke. Dies schliesst natürlich nicht aus, dass diese einfache Sprache – wie bei dem ciceronischen ὑπόμνημα, – blos erkünstelt war und die vorgeschobene Absicht, nur Material für eine spätere kunstgemässe Darstellung liefern zu wollen, als Deckmantel für das persönliche Interesse oder politische Tendenzen diente (so bei den Commentarien Sullas, Ciceros, Caesars).

Aus dem Vorstehenden ergiebt sich, dass die von Peter I 201 versuchte Erklärung der Benennung c. wohl kaum das Wesen der Sache trifft: ,wie die Entwürfe (commentarii …) sich zu den ausgearbeiteten und gesprochenen Reden verhalten, so sollten sich jene ,Denkwürdigkeiten‘ zu wahren Geschichtswerken verhalten, und so kam für diese Litteraturgattung überhaupt der Name c. auf. Nicht etwa dieser formelle Parallelismus, sondern der innige Zusammenhang mit den mannigfachen c. der privaten und öffentlichen Praxis in Inhalt und Form war für die Benennung der historischen und sonstigen in der Litteratur auftretenden c. ausschlaggebend.