Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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L. Cornelius Sulla Felix, Dictator 81–79 v. Chr.
Band IV,1 (1900) S. 15221566
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392) L. Cornelius L. f. P. n. Sulla Felix (Enkel von Nr. 384) wurde im J. 616 = 138 geboren (Vell. II 17. Plut. Sull. 6. Val. Max. IX 3, 8. App. I 105). Von seiner Abstammung sagt Sallust (b. Iug. 95): gentis patriciae nobilis fuit familia prope exstincta maiorum ignavia. Nach Velleius (a. O.) war er in der Familie der sechste nach P. Cornelius Rufinus, der in seinem ersten Consulat (464 = 290) mit seinem Collegen M.’ Curius Dentatus die Samniterkriege beendet und während des Krieges mit Pyrrhus in seinem zweiten Consulat (477 = 277) den Lucanern durch eine List Croton entrissen hatte, vgl. Nr. 302. Seit diesem bedeutenden Manne hatte kein Glied der Familie mehr das höchste Amt bekleidet; aber die Erinnerung an den Ahnherrn, der die Samniten bezwungen hatte, scheint in dem Hause lebendig geblieben zu sein; wenigstens war Sulla in der Geschichte seiner Vorfahren wohlbewandert (Gell. I 12). Von seinem Vater wurde ihm so wenig hinterlassen, dass er als junger Mann für einen bescheidenen Preis zur Miete wohnen musste (Plut. [1523] Sull. 1); doch in der Erziehung brauchte er hinter seinen Standesgenossen nicht zurückzustehen. Ungemein befähigt, erhielt er gelehrten Unterricht im Griechischen so gut wie im Lateinischen (Sall. a. O.) und eignete sich einen hohen Grad von Bildung an.

Seine Lebensführung freilich musste von vornherein Anstoss erregen. Ernster Beschäftigung wenig hold (Sall. a. O.) und mehr zum Genuss der flüchtigen Stunde neigend, setzte er sich am liebsten mit Schauspielern zusammen; und mochte er bei ihnen auch zunächst nur griechische Anmut und heitere Geselligkeit suchen, so gewöhnte er sich doch in ihrem Kreise das Trinken an und wurde ein Freund wüster Zechgelage, um so mehr, als er im Umgang wenig wählerisch (amicitia facilis, Sall. a. O.) war und sich auch mit Künstlern zweiten Ranges einliess. Mit der Unmässigkeit im Trinken verband er eine sittenlose Lebensweise (Val. Max. VI 9, 6). Mit seinem blonden Haar und seinen blauen Augen auffallend schön (vgl. Bernoulli Röm. Ikonogr. I 87) bildete er sich auf sein Aussehen viel ein (Plut. Sull. 6) und suchte bei den Frauen sein Glück zu machen; von ihrer Gunst umschmeichelt, lebte er sich in die Vorstellung ein, er sei der auserkorene Liebling der Venus (Plut. Sull. 34). Plutarch erzählt von ihm folgende Geschichte (Sull. 2): ,Zuweilen brachte ihm seine Liebe auch etwas ein. Er verliebte sich z. B. in die Nicopolis, eine gemeine, aber begüterte Dirne, und gewann durch sein gefälliges Wesen und die Reize seiner Jugend ihre Gegenliebe in dem Grade, dass er von ihr bei ihrem Tode zum Erben eingesetzt wurde‘. Plutarch erzählt weiter, Sulla habe auch seine Stiefmutter, die ihn wie ihren eigenen Sohn geliebt habe, beerbt; vielleicht wurde er erst durch diese Aufbesserung seines Vermögens in den Stand gesetzt, sich um Staatswürden zu bewerben.

Quaestor im J. 647 = 107. Als im iugurthinischen Kriege der Plebeier C. Marius zum grossen Ärger des Adels für das J. 647 = 107 das Consulat erhielt, liess sich Sulla, dessen Genusssucht von seiner Ruhmsucht noch übertreffen wurde (Sall. a. O. cupidus voluptatum, sed gloriae cupidior), ohne je gedient zu haben, in dem frühesten Alter für das Amt, im 30. Lebensjahr, zum Quaestor wählen; er wurde durch das Los dem Consul Marius beigegeben. Als Marius zum Heere zurückkehrte, wurde Sulla von ihm in Rom zurückgelassen, mit dem Auftrage, in Latium und den andern bundesgenössischen Gebieten Reiterei zu sammeln; er brachte diese Waffe auf eine ansehnliche Stärke und kam damit zu Marius ins Lager. Da er nur als Genussmensch bekannt war, weckte er bei seinem Vorgesetzten nicht die günstigsten Erwartungen; aber der vermeintliche Schwächling bewies bald, dass eine unverwüstliche Kraft in ihm steckte. Sallust entwirft von seinem ersten Auftreten folgendes Bild (a. O.): ,Vorher ohne jede Kenntnis des Krieges, wurde er in kurzer Zeit der allertüchtigste im Heere. Dazu sprach er die Soldaten freundlich an, erwies vielen auf Wunsch, andern von selbst Vergünstigungen, sträubte sich aber gegen ihre Annahme und beeilte sich mit der Vergeltung mehr als mit Schuldenbezahlen; er selbst verlangte von niemandem einen Gegendienst und bemühte sich [1524] mehr darum, möglichst viele Schuldner zu haben. Er hatte ein scherzendes oder ernstes Wort auch für den Geringsten übrig; bei dem Arbeitsdienst, auf dem Marsch und auf der Wache machte er sich viel zu schaffen, ohne indessen (worauf mancher in dem verkehrten Bestreben, sich beliebt zu machen, verfällt) den Ruf des Consuls oder eines andern Ehrenmannes anzutasten, nur dass er im Rat und im Felde niemanden vor sich lassen wollte und wirklich die meisten überholte. Unter diesen Verhältnissen machten ihn seine Fähigkeiten bald zum Liebling des Marius und der Soldaten‘. Wie von manchem bedeutenden Manne, so wird auch von Sulla erzählt, dass er nach einer in Saus und Braus verlebten Jugend als Mann die Welt mit seinen Gaben überrascht habe (Val. Max. VI 9, 6). Sulla erwarb sich also das Vertrauen seines Vorgesetzten; er wurde zum Führer der Reiterei ernannt und entschied mit dieser Waffe die Schlacht bei Cirta durch seine Geistesgegenwart (Sall. Iug. 101). Als fünf Tage nach der Schlacht König Bocchus von Mauretanien die Bitte aussprach, ihm zwecks Einleitung von Unterhandlungen zwei Vertrauensmänner zu senden, schickte der Consul auf der Stelle seinen Quaestor Sulla in Begleitung des Legaten A. Manlius ab. Am Hofe des Königs angekommen, führte Sulla, trotzdem er jünger war als sein Begleiter, doch im Einverständnis mit diesem, da er besser sprach, das Wort; Sallust legt ihm eine eindrucksvolle Rede in den Mund. Als Sulla zurückgekehrt war, erschienen nach einer Weile fünf Vertraute des Königs Bocchus in dem römischen Winterlager; der Consul Marius war damals gerade auf einem Streifzuge begriffen und hatte mit seiner Vertretung den Quaestor Sulla betraut. Dieser nahm die Gesandten, die unterwegs einen Überfall durch Räuber erlitten hatten, freundlichst auf und behielt sie ungefähr 40 Tage bei sich; er machte sie durch Überweisung von Geschenken so vertrauensselig, dass sie ihm die Absichten ihres Königs enthüllten und sich von ihm vorschreiben liessen, was sie nachher dem Consul Marius und dem römischen Senat sagen sollten. In der Beratung, die Marius nach seiner Rückkehr ansetzte, stimmte Sulla für die Weitersendung der Gesandtschaft nach Rom und die Annahme des von Bocchus erbetenen Waffenstillstandes. Nach der Rückkehr dieser Gesandtschaft bat Bocchus, der sich dem freigebigen Sulla persönlich verpflichtet fühlte, ihm wieder diesen zu senden, damit die Friedensbedingungen vereinbart würden, und schickte ihm seinen Sohn Volux entgegen. Nach einem verwegenen Zuge durch die Wüste, bei dem er sich und seine wenigen Begleiter nur durch seine Kaltblütigkeit vor der Gefangennahme durch Iugurtha bewahrte, gelangte Sulla zum zweitenmal an den Hof des Königs von Mauretanien. Dorthin hatte auch Iugurtha seinen Vertreter geschickt, in der Hoffnung, in den Frieden eingeschlossen zu werden, und Sulla liess ihn auch zum Schein an seinem Empfange teilnehmen; aber in einer geheimen Unterredung zu nächtlicher Stunde setzte Sulla dem König auseinander, dass Rom als Preis des Friedens den Verrat an seinem Schwiegersohn Iugurtha verlange; so sehr hatten sich die Zeiten seit den Tagen des Fabricius geändert! Es kam so, wie [1525] man es erwarten musste. Eines Tages näherte sich Iugurtha ohne Waffen einem Hügel, wohin ihn Sulla und Bocchus zu einer Unterredung bestellt hatten; da brachen plötzlich aus einem Hinterhalt Bewaffnete hervor, hieben die Begleiter des Königs nieder und lieferten ihn selbst in Fesseln dem Quaestor Sulla aus, der ihn dem Consul Marius zuführte. Die Darstellung der zweimaligen Sendung des Sulla an den König Bocchus ist der Erzählung des Sallust (Iug. 102–113) gefolgt; danach sind die Angaben bei Plutarch (Sull. 3) und Appian (Num. frg. 4 u. 5) zu berichtigen.

So listig Iugurtha war, Sulla war doch noch listiger gewesen. Gleich seinen ersten namhaften Erfolg verdankte Sulla jener bedenklichen Mischung von wahrem Heldenmut und arger Verschlagenheit, die später einer, der ihn durchschaute, mit dem Ausspruch gekennzeichnet hat, in Sullas Seele hausten ein Löwe und ein Fuchs, und der Fuchs mache denen, die mit ihm zu thun hätten, am meisten zu schaffen (Plut. Sull. 28). Im wesentlichen hatte seine offene Hand gegen die Hofleute des Königs Bocchus und seine Verstellungskunst, die jede Unterhandlung mit ihm gefährlich machte, das Verderben über Iugurtha gebracht. Zur Verstellung befähigte ihn die Unergründlichkeit seines Wesens (Sall. Iug. 95 attitudo ingenii incredibilis); mit einem ähnlichen Bilde sagte man von dem Geschäftsträger des Cardinals Richelieu auf dem Regensburger Reichstage (1630), dem Pater Joseph, er habe gar keine Seele, sondern an ihrer Stelle Untiefen und Lachen, in die jeder geraten müsse, der mit ihm verhandle. Arm war Sulla ausgezogen, und mit vollen Taschen kehrte er heim. Er that jetzt auf einmal sehr gross und zeigte eine so auffallende Veränderung in seinem Benehmen, dass er einen scharfen Tadel über seine Bereicherung in Africa einstecken musste (Plut. Sull. 1). Nach dem Friedensschluss mit Bocchus änderte sich auch sein Verhältnis zu Marius. Von seinen Standesgenossen in Rom über Marius gestellt, vergass er bald, dass er in dessen Auftrag gehandelt hatte (Vell. II 12 Marius per Sullam Iugurtha potitus est, vgl. Diod. frg. XXXIV 39), und spielte sich so auf, als ob er den Krieg beendet hätte. In seiner Eitelkeit ging er dann so weit, dass er die Auslieferung Iugurthas an ihn auf einem Ring darstellen liess und ständig damit siegelte (Plut. Sull. 3; Mar. 10. Val. Max. VIII 14, 4. Plin. n. h. XXXVII 9, vgl. die Münze, die Iugurtha und Bocchus zu seinen Füssen zeigt, Babelon I 421). Auch später liess ihn seine Überlistung des schlauen Africaners nicht zur Ruhe kommen. Er fühlte sich geschmeichelt, als Bocchus aus Gefälligkeit für ihn eine Gruppe von goldenen Bildsäulen, die dem Beschauer die Übergabe Iugurthas an ihn vor Augen führte, auf dem Capitol aufstellen liess; und Marius war nur im Recht, wenn er sich gegen diesen Unfug, der unrömischer Denkweise entsprang, zur Wehr setzte (Plut. Sull. 6; Mar. 32).

Legat im Cimbernkriege 650–653 = 104–101. In dem Feldzuge gegen die Germanen diente Sulla zwar zunächst noch unter dem Consul Marius weiter, im J. 650 = 104 als Legat, im J. 651 = 103 als Kriegstribun; als aber für das folgende Jahr zum Collegen des Marius der Aristokrat [1526] Q. Lutatius Catulus gewählt wurde, liess er sich zu dessen Heer versetzen (Plut. de reip. ger. praec. 12) und diente unter ihm bis zum Ende des Krieges (652–653 = 102–101). Auch in diesem Kriege wusste er als Untergebener des Marius durch geschickt geführte Schläge seiner Feinde Herr zu werden. In Gallien nahm er als Legat den Anführer der Tectosagen (am Nordfusse der Pyrenäen) gefangen, als Kriegstribun gewann er durch gute Worte den mächtigen Stamm der Marsen für ein Bündnis mit Rom. In Oberitallen zum erstenmal dem Befehlsbereich des Marius entrückt, scheint er weniger glücklich gewesen zu sein. Catulus konnte sich an Feldherrngaben mit Marius nicht messen; darum ist es durchaus glaubhaft, was Plutarch (Sull. 4) andeutet, dass Sulla zum eigentlichen Leiter des Feldzuges an die Seite des Catulus berufen worden sei. Dann hat er aber den auf ihn gesetzten Erwartungen nicht entsprochen. Die Hauptaufgabe des oberitalischen Heeres war die Deckung der Alpenpässe gegen die über den Brenner vorrückenden Cimbern; aber die Leitung begnügte sich mit einer Stellung an der Etsch unterhalb der Stadt Trient. Als dann die Cimbern einen Angriff machten, löste sich das consularische Heer in einer wilden Flucht auf, die erst auf der rechten Seite des Po zum Stillstand kam (652 = 102). Die Fehler der aristokratischen Kriegführung musste Marius wieder gut machen. Er führte seine schlachterprobten Legionen aus Gallien über die Alpen zurück und übernahm den Oberbefehl über die vereinigten Heere; dann überschritt er den Po und besiegte die Cimbern (653 = 101) wie das Jahr zuvor die Teutonen (Plut. Mar. 23–27). Wenn also Sulla von Catulus an den ersten Platz gestellt wurde, so war er an dem Unterlassen des Vormarsches bis zum Brenner und an der Flucht von den Alpen bis über den Po nicht ohne Schuld. Von dieser Flucht scheint aber Sulla in seinen Aufzeichnungen geschwiegen zu haben, denn Plutarch, dem diese für die Kämpfe Sullas unter Catulus vorlagen, erzählt davon (Sull. 4), Sulla habe glückliche Streifzüge gegen die Alpenvölker unternommen und sich durch Regelung der Verpflegung ein grosses Verdienst erworben; ja, er habe sogar das Heer des Marius mit Lebensmitteln versorgt, und Marius dies sehr übel genommen. In dieser Darstellung ist das Wesentliche, Sullas Mitschuld an dem Zurückweichen vor den Cimbern bis über den Po, mit Stillschweigen übergangen; dafür wird Marius als Heerführer und überhaupt als Mensch bei der Nachwelt verdächtigt. Man kann sich gegen die Annahme nicht verschliessen, dass Sulla in seinen Lebenserinnerungen die Verdrehung der Thatsachen, soweit sein Verhältnis zu Marius in Frage kommt, bis ins Ungeheuerliche und Geschmacklose getrieben hat. Es ist schwer begreiflich, wie ein Mann von seiner Bildung folgendes schreiben konnte (Plut. Mar. 25. 26): Marius habe den Platz auf dem rechten Flügel (der ihm doch als dem Höchstcommandierenden zukam) nur deshalb gewählt und Catulus in die Mitte gestellt, damit dieser nicht zum Schlagen komme; aber für seine Siegeszuversicht habe ihn die Strafe des Himmels getroffen. Denn eine Staubwolke habe ihm den Anblick des feindlichen [1527] Heeres entzogen, so dass er, zum Angriff vorgehend, an seinem Gegenüber vorbeigelangt und lange Zeit auf dem Schlachtfeld umhergeirrt sei; zufällig seien dann die Barbaren auf das Mitteltreffen unter Catulus gestossen, und hier, wo er, Sulla, selbst als Legat commandierte, sei dann die Entscheidung gefallen. Mit Recht wird von Th. Lau L. Cornelius Sulla, Hamburg 1855, 99 hervorgehoben, dass Sulla unter Catulus in der Hauptsache versagt habe. ,Es unterliegt keinem Zweifel, dass Sulla den Ruf, den er im iugurthinischen Kriege sich erworben, jetzt weder vermehrt sah, noch sein Ansehen und Einfluss überhaupt sich durch den Krieg mit den Cimbern gehoben hatten. Als Legat des Marius hatte er allerdings in den beiden ersten Jahren sich in Gallien ausgezeichnet, ein Verdienst, das die beiden folgenden Jahre, vor allem des Catulus schimpfliche Flucht von der Etsch, in Vergessenheit brachten. Demgemäss lebte er während der nächsten Zeit wenig beachtet in Rom‘. Vielleicht darf noch bemerkt werden, dass Velleius unter den Stellungen, in denen sich Sulla hervorgethan habe, wohl seine Dienstleistung unter Marius in Gallien, nicht aber die unter Catulus in Oberitalien anführt (II 17 post praeturam illustratus bello Italico et ante in Gallia legatione sub Mario, qua eminentissimos duces hostium fuderat).

Praetor im J. 661 = 93. Sulla hatte sich in dem frühesten Alter, im 30. Lebensjahr, zum Quaestor wählen lassen; hätte er auch die höheren Würden rechtzeitig erlangt, so hätte er im 40. Lebensjahr (656 = 98) die Praetur und im 43. (659 = 95) das Consulat angetreten. Er bewarb sich aber erst für das J. 660 = 94 um die Praetur und fiel durch (Val. Max. VII 5, 5). Nach seiner eigenen Angabe (Plut. Sull. 5) wollte das Volk ihn zwingen, erst Aedil zu werden, da es auf die Spiele, die er in dieser Stellung hätte geben müssen, deshalb nicht habe verzichten wollen, weil es seine Freundschaft mit Bocchus gekannt und von diesem eine Sendung wilder Tiere zu den Spielen erwartet habe. Diesmal glaubt selbst Plutarch nicht an die Ehrlichkeit Sullas. Bei seiner zweiten Bewerbung, im folgenden Jahre, ging Sulla sicherer, und er wurde für das J. 661 = 93, in dem er 45 Jahre alt wurde, zum Praetor gewählt; doch erregte sein Stimmenkauf so übles Aufsehen, dass er dafür in seinem Amtsjahr, als er einmal auf seine praetorische Gewalt pochte, von einem Iulius Caesar eine kräftige Zurechtweisung hinnehmen musste (Plut. a. O.). Als er gewählt war, liess er sich von Bocchus 100 Löwen schenken und führte sie ohne Ketten, was neu war, im Kampfe mit geübten Speerwerfern, die Bocchus mitgeschickt hatte, der Menge im Circus vor (Plin. n. h. VIII 53. Sen. de brev. vit. 13).

Propraetor von Kilikien 662 = 92. Nach Ablauf seines Amtsjahres wurde Sulla nach Kilikien geschickt mit dem Auftrage, in Kappadokien gegen Mithridates einzuschreiten. Dort hatte Mithridates nach Vernichtung des einheimischen Königshauses seinen Vertrauten Gordius als Statthalter eingesetzt; diesen sollte Sulla vertreiben und dem Lande in dem angesehenen Kappadokier Ariobarzanes einen neuen König geben (Iustin. XXXVIII 2, 8 rex illis a senatu Ariobarzanes statuitur). Sulla überstieg den Taurus und warf mit geringer [1528] Heeresmacht den politischen Statthalter samt dessen armenischen Hülfstruppen zurück; dann entledigte er sich seines Auftrages (Appian. Mithr. 57) und verfolgte die Armenier bis an den Grenzfluss zwischen beiden Reichen, den Euphrat. Als sich Sulla dort einige Zeit aufhielt, erschien bei ihm ein Abgesandter des dem Könige Tigranes im Süden benachbarten Partherkönigs Arsaces und bat um Freundschaft mit dem römischen Volke (Liv. ep. 70). Es war die erste Begegnung zwischen Römern und Parthern (Vell. II 24). Zu dem Empfange, so wird erzählt, liess Sulla drei Sitze herrichten und nahm selbst in der Mitte zwischen dem neuen König Ariobarzanes und dem Vertreter des Partherkönigs Platz; dieser fühlte die Unterordnung seines Gesandten sehr wohl heraus und liess ihn nach seiner Rückkehr hinrichten (Plut. Sull. 5). Bemerkenswert ist die Einwirkung des Ostens auf Sullas Anschauungen. Die Überhebung, von der Sulla schon nach seiner Rückkehr aus Africa augenfällige Proben gegeben hatte, wurde durch seine blendenden Erfolge in Asien noch erheblich gesteigert. Dazu trug auch die Schmeichelei bei, die hier im Osten, wo er Könige demütigte, an sein Ohr schlug. Ein Chaldaeer aus dem Gefolge des parthischen Abgesandten soll dem stolzen Sulla scharf ins Gesicht gesehen und ihm die Herrschaft über seine Mitbürger geweissagt haben (Plut. Sull. 5). Dieses Erlebnis scheint einen tiefen Eindruck auf Sulla gemacht zu haben: die Erinnerung daran beschäftigte ihn noch in seinen letzten Tagen (Plut. Sull. 37).

Die öffentliche Meinung über Sullas Amtsführung. Sulla hatte zwar mit Glück in Kappadokien gefochten, doch kaum hatte er dem Osten den Rücken gekehrt, so zerrannen seine Erfolge in nichts; Mithridates trat aus seiner Zurückhaltung heraus und stellte seine Herrschaft in dem umstrittenen Lande wieder her. Der eigentliche Gegner war also nicht getroffen, andrerseits der Partherkönig unnötig verletzt und dem römischen Volk die Bundesgenossenschaft mit einem mächtigen Reiche gegen einen gefährlichen Feind verscherzt worden. Sullas Verfahren am Euphrat enthüllte sich jetzt in seiner nachteiligen Bedeutung für den Staat, als eine Befriedigung seines eigenen Hochmuts (Plut. Sull. 5). Noch grösseres Ärgernis erregte seine Unredlichkeit gegen die Bundesgenossen. Auch Marius, der nach Ablauf seines sechsten Consulats (654 = 100) den Osten aufgesucht hatte, war in Kappadokien (Cic. ad Brut. I 5) den Übergriffen des Mithridates entgegengetreten; er verschmähte unerlaubte Einnahmen und hatte sich dadurch bei Mithridates Achtung verschafft (Plut. Mar. 31). Sulla dagegen hatte sich schon früher einen schweren Vorwurf über seine Bereicherung in Africa gefallen lassen müssen und zog sich jetzt nach seiner Rückkehr aus Asien eine öffentliche Anklage wegen Erpressungen in dem bundesgenössischen Kappadokien zu. Es kam freilich nicht zur Untersuchung, da der Kläger, C. Censorinus, seinen Antrag auf Sullas gerichtliche Verfolgung zurückzog (Plut. Sull. 5). Gleichwohl scheint ihm Sulla nicht verziehen zu haben, denn Censorinus ist unter der sullanischen Alleinherrschaft eines gewaltsamen Todes gestorben (Cic. Brut. 237. 311).

Legat im Bundesgenossenkriege 664–665 = 90–89.[1529] In die Zeit nach Sullas Rückkehr aus Kilikien fällt die schon erwähnte Aufstellung der von Bocchus geschenkten Gruppe, die eine Verherrlichung Sullas auf Kosten des Marius bezweckte. Diese Gruppe stellte die Übergabe Iugurthas an Sulla vor; sie musste den Schein erwecken, als ob bei der Gefangennahme des numidischen Königs nicht der Consul Marius, sondern dessen Quaestor Sulla die eigentlich handelnde Person gewesen sei. Wenn wirklich der Widerspruch des Marius gegen diese in sich unwahre und unbescheidene Schaustellung selbst einen offenen Kampf befürchten liess, so wurde jedenfalls der Austrag des Streites verschoben, als die frevle Ermordung des edlen M. Livius Drusus (663 = 91) den italischen Bundesgenossen das Schwert gegen das undankbare Rom in die Hand drückte (Plut. Sull. 6). Angesichts der furchtbaren Gefahr, die der Stadt von aussen drohte, traten die inneren Gegensätze fürs erste zurück; als der marsische Krieg ausbrach, stellte sich Marius so gut wie Sulla und mit ihnen viele andere Männer, die auf hohe Würden zurückblicken konnten (Cic. pro Font. 43), dem Senat zur Verfügung. Sulla wurde dem Südheer als Legat überwiesen und focht im ersten Feldzuge (664 = 90) unter dem Consul L. Iulius Caesar (Appian. I 40. Cic. a. O.), im zweiten (665 = 89) unter dem Consul L. Porcius Cato (Diod. frg. XXXVII 2, 8). In dem ersten Jahr scheint Sulla den von Frontin 3( (I 5, 17) erwähnten Streifzug zum Entsatz der im Innern Samniums angelegten römischen Festung Aesernia unternommen zu haben. Der gegen die Belagerer beabsichtigte Streich schlug fehl; Sulla liess sich in einem Engweg überraschen und musste froh sein, dass er bei Nacht unter Anwendung einer Kriegslist entweichen konnte. Bei Orosius (V 18) heisst es, er habe Aesernia entsetzt; wenn ihm das selbst gelang, so war es nur ein vorübergehender Erfolg, denn die Stadt ist noch in demselben Jahr, von Hungersnot erschöpft, den Aufständischen in die Hände gefallen (Liv. ep. 73). Appian erzählt (I 46), Sulla habe nach einem Siege des in dem Nordheer ebenfalls als Legat dienenden Marius über die tapferen Marser, die Vorkämpfer der italischen Eidgenossen, durch die Verfolgung des Feindes erst einen vollen Erfolg herbeigeführt; Marius habe nämlich an einem Weinberge Halt gemacht, und Sulla auf der andern Seite sein Lager gehabt. Drumann hat diese Angabe Appians überhaupt nicht in seine Darstellung (II 433) aufgenommen, und in den sorgfältigen Untersuchungen von A. Kiene (Der röm. Bundesgenossenkrieg, 1845) wird Appians Mitteilung gebührend zurückgewiesen. Es heisst dort (241) in einem Überblick über das erste Kriegsjahr: ,Auffallend ist, dass unsere Quellen von Sulla in diesem Jahre nichts zu erzählen haben, es sei denn die von Orosius erwähnte Befreiung Aesernias. Diese, wenn sie stattfand, hinderte indes die Aushungerung und Eroberung der Stadt im Laufe des Sommers nicht. Wenn aber Sullas Name beim Siege des Marius auftaucht, wenn er den fliehenden Feind gänzlich vernichtet (vgl. S. 198, 2), so fühlt man sich geneigt, die fälschende Hand des Parteihasses, des Neides und der Schmeichelei geschäftig zu sehen, die sich nach Sullas Endsiege der Zeitgeschichte bemächtigt [1530] hat und die Sulla auch hier will ernten lassen, was Marius gesäet hat. Dass ersterer keine bedeutenden Erfolge in diesem Feldzuge zu rühmen hatte, das weist schon das Schweigen der Quellen genügend aus‘. Auch von E. Marcks (Die Überlieferung des Bundesgenossenkrieges, 1884, 48), wird das Zeugnis Appians verworfen.

Erst im zweiten Kriegsjahr (665 = 89) gelang es Sulla, die Samniten, die nach der Einnahme Aesernias in Campanien eingedrungen waren, durch eine Reihe von Gefechten und die Wegnahme wichtiger Plätze zu schwächen. Er eroberte und zerstörte die campanische Stadt Stabiae bereits am 30. April (Plin. n. h. III 70); dann begann er die Belagerung des nördlich davon gelegenen Pompeii. Als der Samnitenführer L. Cluentius zum Entsatz der Stadt herbeieilte, schlug ihn Sulla nach anfänglichem Zurückweichen am Südfusse des Vesuvs zurück, und als der Feind, durch gallischen Zuzug verstärkt, wiederkam, machte sich Sulla gegen ihn auf, zwang ihn abermals zur Flucht und verfolgte ihn um die Ostseite des Vesuvs herum bis in sein im Norden des Berges vor Nola liegendes Lager; dies eroberte er und jagte den Feind weiter bis unter die Mauern der Stadt; dort richtete er ein gewaltiges Blutbad an, in dem auch der Führer erschlagen wurde (Cic. de divin. I 73. II 65. Liv. ep. 75. Val. Max. I 6, 4. Eutrop. V 3). Die Zeiten der Samniterkriege schienen wiedergekehrt zu sein; wenn Appian die Wahrheit berichtet (I 50), so ging dem Kampf der Massen der Zweikampf eines schmächtigen Numidiers aus dem sullanischen Heere mit einem riesigen Gallier von der gegnerischen Seite voran; als der Gallier wider Erwarten unterlag, ergriff seine Landsleute ein wilder Schrecken, und sie flohen davon, ihre Verbündeten, die Samniter, sich selbst überlassend. Und Sulla selbst rühmt sich (Plin. n. h. XXII 12), nach erfochtenem Siege habe ihn sein Heer angesichts der Stadt Nola mit dem Graskranz (corona graminea) beschenkt; er nimmt damit dieselbe Ehrung für sich in Anspruch, wie sie einst in den Samniterkriegen unter dem Beifallsruf der Soldaten dem P. Decius Mus, dem ältesten der berühmten Decier, zu teil geworden war (Liv. VII 37 z. J. 411 = 343); beide waren Retter aus der Samnitennot geworden. Wie grossen Wert Sulla auf die Verleihung dieser Auszeichnung legte, geht daraus hervor, dass er den Vorgang auf einem Gemälde in seinem tusculanischen Landhause (das später Cicero gehörte) darstellen liess (Plin. a. O.). Die Eroberung des Samnitenlagers bildete so gut wie die Ergreifung Iugurthas einen Höhepunkt in seinem Leben. Als dank seiner Thatkraft in Campanien kein samnitisches Heer mehr gegen die Römer im Felde stand, konnte er daran denken, die Samniter in ihrem eigenen Lande anzugreifen. Ohne sich mit der Belagerung Nolas und der anderen den Samniten in Campanien noch verbliebenen Plätze aufzuhalten, wendete sich Sulla zunächst gegen die Hirpiner. Er nahm mit Unterstützung eines aus Aeclanum stammenden Vorfahren des Velleius, der ihm schon mit einer Legion, die er in seiner Heimat ausgehoben hatte, bei der Bestürmung Pompejis zu Diensten gewesen war, die Stadt Compsa ein (Vell. II 16), eroberte [1531] den nördlich davon an der Via Appia gelegenen Hauptort Aeclanum und verhängte über ihn ein so furchtbares Strafgericht, dass sich die Landschaft, am Gelingen weiteren Widerstandes verzweifelnd, ohne das Eintreffen des lucanischen Zuzuges abzuwarten, unterwarf (App. I 51. Aur. Vict. vir. ill. 75). Dann ging Sulla gegen das eigentliche Samnium vor. Er drang mit Umgehung des von dem samnitischen Hauptanführer C. Papius Mutilus besetzten Engpasses auf ungebahnten, wenig betretenen Gebirgspfaden in das Land ein, griff den Feind mit Erfolg im Rücken an und brachte zum Schluss durch einen dreistündigen Kampf die Hauptstadt der Samniter, das feste Bovianum (Bojano), in seine Gewalt. Als dann das Nahen des Winters zum Einstellen weiterer Bewegungen nötigte, verliess Sulla das Heer und begab sich nach Rom, um dort den Lohn für seine Mühen zu erlangen (App. a. O.).

Consul im J. 666 = 88. Sullas Urahnen hatten in den Samniterkriegen einen Ruf als Heerführer genossen (vgl. Liv. VIII 17 zum J. 420 = 334); aber seitdem der bedeutendste unter ihnen, Sullas atavus, mit seinem Collegen M.’ Curius Dentatus die Samniterkriege beendet hatte (464 = 290), hatte er selbst zwar noch einmal im Kriege mit Pyrrhus das Consulat bekleidet (477 = 277), doch war nach ihm kein Glied des Hauses mehr zu der höchsten Würde emporgestiegen. Erst die erneuten Kämpfe mit den Samnitern brachten diesen Zweig des cornelischen Geschlechts wieder zu Ehren. Als 200 Jahre nach der Unterwerfung der Samniter wieder römische Heere gegen das freiheitliebende Bauernvolk ins Feld zogen, war Sulla, getreu den Überlieferungen seiner Familie, einer der eifrigsten Anführer, zwar nur als Legat, aber doch, da sich die Römer auf den sog. kleinen Krieg beschränkten, selbständiger als einst unter Marius, um so mehr, als im zweiten Kriegsjahr der ihm vorgesetzte Consul L. Porcius Cato am Fucinersee im Kampfe mit den Marsern fiel. Dem besonderen Eifer Sullas in diesem Kriege entsprachen seine Fähigkeiten. Er hatte die ihm anvertrauten Truppen im Felde wie in dem grosse Vorsicht erfordernden Gebirgskriege mit vieler Geschicklichkeit geführt, und wenn er auch den Krieg keineswegs beendet hatte – Bovianum ging im folgenden Jahr (666 = 88) wieder verloren (Obs. 56), und die Samniter verharrten im Widerstand – so hatte er doch dem Feinde manchen Vorteil abgewonnen. Jetzt glaubte er den richtigen Augenblick gekommen, bei dem Volke seine Bewerbung um das Consulat anzubringen (Vell. II 17 diu ita se gessit, ut nullam petendi consulatum cogitationem habere videretur: deinde post praeturam illustratus bello Italico … ex successu animum sumpsit), er stellte sich den Bürgern in dem frischen Glanze seiner Waffenthaten vor und wurde neben dem ebenfalls aristokratischen Q. Pompeius Rufus fast einstimmig zum Consul für das J. 666 = 88 gewählt, in dem er 50 Jahre alt wurde (Vell. a. O. Plut. Sull. 6. Diod. frg. XXXVII 25). Zu der höchsten Stelle im Staat erhoben, traf Sulla auch in seinen häuslichen Verhältnissen eine Änderung. Er trennte sich von seiner bisherigen Gemahlin, einer Cloelia, die er nach seinen beiden ersten Frauen, einer Ilia und einer Aelia, geheiratet hatte, um wenige [1532] Tage darauf mit der Nichte des berühmten Q. Caecilius Metellus Numidicus (cos. 645 = 109), des Todfeindes des Marius, eine neue Verbindung einzugehen. Das Volk, das ihn an die Spitze des Staates gestellt hatte, sang damals Spottlieder auf seine Vermählung, und auch viele Vornehme hielten sich darüber auf, als ob seine Wähler, nach dem Ausdruck des Livius, ihm zwar die Erlangung des Consulats, aber nicht die Heimführung der Caecilia Metella gönnten (Plut. Sull. 6 nach den nötigen Berichtigungen, vgl. Bd. III S. 1234). Aus seiner ersten Ehe hatte Sulla eine Tochter, die mit dem Sohne seines Collegen, dem jungen Q. Pompeius Rufus, vermählt war; erst Caecilia, die schon aus einer früheren Ehe Söhne hatte, schenkte ihm männliche Nachkommen. Wenn Sulla dadurch, dass er die Hand der Caecilia gewann, in das engste Verhältnis zu den führenden Kreisen innerhalb des Adels trat, so wurde die Wahl zum Consul darum für ihn so aussichtsvoll, weil im Frühling des J. 666 = 88 der Krieg mit Mithridates seinen Anfang nehmen musste; an einen der beiden Consuln war also Asien als Provinz und der Oberbefehl gegen den König von Pontus zu vergeben. Das Los entschied für Sulla, während seinem Collegen Italien als Provinz verblieb (Vell. II 18. App. b. c. I 55; Mithr. 22).

An eine ernsthafte Kriegführung in Asien war nur dann zu denken, wenn in Italien der Friede wiederhergestellt wurde. Das konnte aber nur dann geschehen, wenn sämtlichen italischen Bundesgenossen der unverkürzte Genuss des Bürgerrechts zugestanden wurde. Wenn je, so war jetzt, wo sich Rom einem gewaltigen auswärtigen Feinde gegenübergestellt sah, der Augenblick gekommen, den Gedanken zu verwirklichen, für dessen mannhafte Verfechtung C. Sempronius Gracchus und M. Livius Drusus ihr junges Leben hatten lassen müssen. Rom bedurfte der vereinigten Kräfte Italiens, wollte es dem asiatischen Eroberer wirksam entgegentreten; anderseits vergab es sich nichts, wenn es den Bundesgenossen endlich ihre alte Forderung bewilligte, da es soeben im Kriege mit ihnen seine Waffenehre behauptet und durch das Zusammenhalten aller Parteien gegen die Bundesgenossen die Überlegenheit seines Staatsgedankens erwiesen hatte. In richtiger Beurteilung der allgemeinen Lage entschloss sich damals der 35jährige P. Sulpicius Rufus, der in dem marsischen Kriege als Legat des Cn. Pompeius Strabo (cos. 665 = 89) die Römer wiederholt zum Siege geführt hatte, für die Rechte der Bundesgenossen einzutreten. Ein Patricier so gut wie Sulla, legte er seinen Adel ab und liess sich für das J. 666 = 88, für das Sulla das Consulat erhielt, zum Volkstribun wählen. Als solcher beantragte er die völlige Gleichstellung der Italiker mit den Römern und forcierte auch für die Freigelassenen, die gegen die Bundesgenossen gedient hatten (Liv. ep. 74. App. I 49. Macrob. sat. I 11, 32), das römische Bürgerrecht (Liv. ep. 77. App. I 55. Vell. II 18). Sulla hatte bisher nur in militärischen Stellungen eine nennenswerte Thätigkeit entfaltet; er stand jetzt als Consul zum erstenmal in seinem Leben vor der Aufgabe, in einer politischen Frage das entscheidende Wort zu sprechen. Wie dies ausfallen würde, konnte [1533] allerdings kaum zweifelhaft sein. Ein Schöngeist und selbst nicht ohne Sinn für Wissenschaft, war Sulla zwar feiner als Marius; gleichwohl liess er das Verständnis des Staatsmannes für die Zeichen der Zeit vermissen. Er unterschätzte die Gefahr, die im Osten gegen alles, was lateinisch sprach, heraufzog, und sah, unfähig sich über den Standpunkt vergangener Jahrhunderte zu erheben, gleich den Altvordern den ärgsten Feind des römischen Wesens in den Samnitern. Er that einmal die Äusserung, er kenne den Geist dieses Volkes; nie werde Rom Ruhe haben, solange noch ein Samniter am Leben sei, darum müsse der samnitische Name von der Erde vertilgt werden (Strab. V 249). Bei solcher Gesinnung, die auf dem leidenschaftlichen Hass des hochgeborenen Römers gegen den selbstbewussten italischen Bauer beruhte, dachte Sulla nicht daran, auf die Wünsche der Bundesgenossen einzugehen, und brauchte mit seinem Collegen gegen Sulpicius seine Amtsgewalt. Freilich wussten sich beide Consuln nicht anders zu helfen, als dass sie den Buchstaben des Gesetzes heranzogen: sie setzten nämlich ausserordentliche religiöse Feiertage (feriae) an, während deren die Geschäfte ruhten (iustitium). Durch kluge Ausnutzung des formalen Rechts glaubten sie also die Abstimmung über die sulpicischen Anträge hintertreiben zu können (App. I 56. Plut. Sull. 8). Dieses unsachliche Vorgehen in einer ernsten Frage war aber ein verhängnisvoller Schritt: der Wendepunkt in Sullas Leben war gekommen. Sulpicius hatte nicht darum mit seiner Vergangenheit gebrochen, um sich leichthin abfertigen zu lassen. Er erschien mit bewaffnetem Gefolge auf dem Markte, wo die Consuln vor dem Castortempel eine Versammlung abhielten, und forderte die Aufhebung der Ansage von Feiertagen. Als die Consuln die Zurücknahme ihrer Anordnung verweigerten, drang die Menge auf sie ein. Pompeius konnte noch rechtzeitig entfliehen, aber sein Sohn, Sullas Schwiegersohn, der sich in die Gegenreden eingemischt hatte, musste seinen Vorwitz mit dem Tode büssen. Sulla selbst sah sich in der Richtung nach dem nahe dem Markt erbauten Hause des Marius verfolgt und rettete sein Leben nur dadurch, dass er dort hinein schlüpfte; während dann seine Verfolger in der Eile vorbeirannten, wurde er von Marius zu einer anderen Thür sicher hinausgelassen und entkam glücklich zu seinem Heere vor Nola. So lautet die glaubwürdigste Nachricht (Plut. Mar. 35;. Sull. 10). Sulla selbst schrieb in seinen Denkwürdigkeiten, man habe ihn mit Gewalt in das Haus des Marius geschleppt, und Sulpicius ihn dort mit dem blossen Degen bedroht; in dieser Not habe er sich dazu verstanden, auf den Markt zurückzugehen und die consularischen Massnahmen zu widerrufen (Plut. Mar. a. O.; Sull. 8. App. I 56). Gleichviel, ob Sulla gezwungen nachgegeben hat oder nicht, die Anträge des Sulpicius auf ungeschmälerte Gewährung des Bürgerrechts an die Bundesgenossen und Freigelassenen wurden vom Volk genehmigt, und Sulla suchte Schutz bei seinen zum Kriege gegen Mithridates in Campanien versammelten Legionen. Sulla war so glücklich, sein Lager bei Nola noch vor den beiden Tribunen zu erreichen, die im Namen des Volkes die Übergabe des Heeres an Marius verlangten. Denn dahin war es gekommen, [1534] dass Marius zum Retter in der Not werden musste; da Sulla die Hülfe der Bundesgenossen von sich gestossen hatte, wurde der Held von Aquae Sextiae dazu ausersehen, das geeinte Italien gegen den Feind der Nation zu führen. Wenn in den Darstellungen dieser Zeit in der Regel das Alter des Marius bemängelt wird – er zählte damals 67 Jahre –, so mag man zum Vergleich bedenken, dass er noch nicht so alt war wie Blücher, als dieser mit der Führung der schlesischen Armee gegen Napoleon betraut wurde. Bei weissem Haar war Marius an Körper und Geist noch frisch wie ein Jüngling, und mochte er gegen die Bundesgenossen, seine alten Waffengefährten aus dem Kriege gegen die Teutonen, nur mit halbem Herzen gefochten haben, so ergriff das Verlangen, dem herrschsüchtigen Barbarenfürsten die Spitze zu bieten, seine ganze Seele (Plut. Mar. 34).

Sulla aber war weit davon entfernt, den Widerstand gegen die Einigung Roms mit den Bundesgenossen aufzugeben, und warf sich, da die Gesetzesmaschine in der Handhabung gegen den Volkswillen versagt hatte, mit Hintansetzung des mithridatischen Krieges dem ihm unterstellten Heer in die Arme. Schon im vorhergehenden Jahr hatte er, während er die überwundenen Italiker mit einer abstossenden Härte, ohne Gefühl für ihre Stammverwandtschaft mit den Römern behandelte, eine bedenkliche Nachsicht gegen die Zuchtlosigkeit seiner Soldaten gezeigt, als diese seinen Legaten A. Postumius Albinus, einen Consular, den er nach der Zerstörung von Stabiae nach Pompeii zwecks Einleitung der Belagerung vorausgeschickt hatte, aus Hass über seine Strenge steinigten; damals hatte Sulla auf eine Bestrafung der Schuldigen verzichtet und sich mit der Ermahnung an die Gesamtheit begnügt, durch tapferes Verhalten vor dem Feind die Erinnerung an den Fall auszulöschen (Liv. ep. 75. Oros. V 18. 22. Plut. Sull. 6. Polyaen. VIII 9, 1). Dass man ihn damals einen Heerverderber schalt, hatte ihn wenig gekümmert, da ihm die Gunst der Truppen den Weg zum Consulat bahnen sollte (Plut. Sull. 6. 12. Sall. Cat. 11, 5). Als jetzt die Volksversammlung in Rom durch zwei Tribunen Gehorsam gegen ihren letzten Beschluss verlangte, versammelte Sulla die Mannschaften in seinem Lager (Val. Max. IX 7, 1) und entfesselte selber durch die Verdächtigung, Marius werde die in Asien zu erwartende reiche Beute lieber andern Truppen gönnen wollen, eine solche Wut, dass die beiden Tribunen gesteinigt wurden. Am erschreckendsten aber trat die Verwilderung, die der zweijährige Krieg im eignenen Lande in den Gemütern angerichtet hatte, in dem Rufe der Soldaten zu Tage, Sulla solle Mut fassen und sie geradezu gegen Rom führen; sie wussten, dass sie Sulla damit nur entgegenkamen, dass sie das nur aussprachen, was er zu hören wünschte (Plut. Sull. 9; Mar. 35. App. I 57. Oros. V 19).

Zwar sah Sulla sein unerhörtes Beginnen auf der Stelle gerichtet, indem sämtliche höheren Officiere, mit Ausnahme eines Quaestors, sich von ihm lossagten (App. a. O.), aber er hielt es nur noch mit seinen Legionen und setzte sich gegen Rom in Bewegung. Als zwei Praetoren, die ihm der Senat entgegenschickte, so mutig waren, ihm [1535] ernste Vorhaltungen zu machen, liess er zu, dass sie von seinen Soldaten auf das schwerste gemisshandelt wurden; auch alle übrigen Gesandtschaften machten auf ihn keinen Eindruck. Durch eine letzte Abordnung bat ihn der Senat, nicht weiter als bis auf eine Meile von der Stadt vorzugehen. Zwar versprach er, Halt zu machen, und gab den Befehl, ein Lager abzustecken, doch dies Benehmen war nur auf Täuschung des Senats berechnet; denn kaum hatten ihm dessen Boten den Rücken gekehrt, so liess er von neuem antreten, um den Eingang in die Stadt zu erzwingen (Plut. Sull. 9. App. I 57). Auf seinen Befehl besetzte eine Legion unter L. Basillus und C. Mummius das esquilinische, eine andere rechts davon unter seinem Collegen Q. Pompeius Rufus, der sich ihm vor der Stadt angeschlossen hatte, das collinische Thor am Fusse des Quirinalis, eine dritte die Tiberbrücke, eine vierte rückte als Reserve nach, während er selbst sich die Führung der beiden letzten Legionen vorbehielt. Der Mittelpunkt des Kampfes wurde der Esquilin. Die Angreifer gingen bis zu seiner Höhe vor, wurden aber von den Dächern der Häuser mit Steinen und Ziegeln beworfen und nach der Mauer zurückgetrieben. ,Inzwischen‘, so fährt Plutarch fort (Sull. 9), ,kam Sulla selbst herbei, und da er sah, was vorging, schrie er, man solle die Häuser in Brand stecken, lief mit einer brennenden Fackel vor den übrigen her und befahl seinen Bogenschützen, Brandpfeile auf die Dächer zu werfen. So sehr raubte ihm die Hitze der Leidenschaft alle vernünftige Überlegung, dass er hier blos an die Befriedigung seiner Rache dachte und nur seine Feinde vor Augen hatte, aber auf seine Freunde und Verwandten nicht die geringste Rücksicht nahm, sondern ohne Schonung durch Feuer und Flammen, die doch zwischen Feinden und Freunden keinen Unterschied machen, einzudringen versuchte‘; vgl. Flor. II 9, 7. Oros. V 19, 4. App. I 58. Die Truppen gelangten jetzt bis auf den esquilinischen Marktplatz (bei Santa Maria Maggiore), wo sich ihnen Marius und Sulpicius mit einer eiligst zusammengerafften Schar entgegenwarfen (App. a. O.). Die Sullaner, einen Augenblick aufgehalten, erhielten von den Thoren Verstärkungen und bedrohten die Verteidiger durch eine Umgehung auf der Suburastrasse im Rücken: Marius musste den Platz räumen (App. a. O.). Auch eine zweite Stellung am Tempel der Tellus, wo der Esquilin sich gegen das Forum zu senken beginnt, konnte Marius trotz verzweifelter Anstrengungen nicht halten; so wurde er denn genötigt, sich dem ungleichen Kampfe durch die Flucht zu entziehen, solange noch nicht alle Thore besetzt waren (Plut. a. O.). Als kein Feind mehr in den Strassen stand, rückte Sulla in schnellem Marsche über die Sacra via auf das Forum und versicherte sich des Capitoliums (Flor. Oros. a. O.). Einige Plünderer mussten bestraft werden, und zwecks Verhütung weiterer Unordnungen wurden in der Nacht Patrouillen durch die Strassen geschickt, während er selbst mit seinem Collegen wach blieb (App. I 59).

Einst hatte sich Coriolan seinem Hasse gegen Plebs und Tribunat soweit überlassen. dass er ein feindliches Heer gegen seine Vaterstadt heranführte; er war dann aber im letzten Augenblick [1536] umgekehrt, und während er selbst unterging, Rom gerettet worden; Sulla dagegen hielt vor den Mauern nicht inne und machte sich durch die zum Kriege gegen den Landesfeind bestimmten Legionen in einem regelrechten Angriff ,unter dem Schall von Hörnern und Trompeten‘ (App. I 58) zum Herrn der Stadt. Soweit hatte noch nie ein Römer die Pflicht gegen den Staat vergessen. Wenn man nach einer Erklärung für Sullas unrömische Handlungsweise sucht, so darf man nicht den Anteil vergessen, den orientalische Religionsvorstellungen daran hatten. Boten diese in jenen erregten Zeiten überhaupt dem Aberglauben neue Nahrung, so war Sulla, vermöge seines Wesens und seiner Erlebnisse, besonders empfänglich dafür. Er hat es zeitlebens nicht vergessen, dass ihm einst in Kappadokien ein Chaldaeer verkündet hatte, er werde in seiner Heimat der erste Mann werden, und die Erinnerung an die verheissene Machtfülle trug gewiss dazu bei, ihm seinen verderblichen Entschluss zu erleichtern. Es wird erzählt, so berichtet Plutarch (Sull. 9), Sulla habe vor dem Sturm auf Rom eines Nachts im Traum die kappadokische Göttin gesehen, die die Römer Bellona nannten: sie habe ihm einen Blitzstrahl überreicht, mit dem Befehl, damit seine Feinde der Reihe nach zu zerschmettern; er habe es gethan, und einer nach dem andern sei versunken. Durch diese Erscheinung, über die er sich am Tage zu seinem Collegen geäussert habe, sei er in seinem Vorhaben bestärkt worden. Im Gefühl seiner Unwiderstehlichkeit, in dem schmeichelnden Wahn befangen, er sei das Werkzeug der rächenden Gottheit, hatte er sich also gegen seine Feinde in Rom aufgemacht; man muss sich dies vergegenwärtigen, um nur einigermassen zu begreifen, woher er den Mut zu den folgenden Handlungen nahm. Sulla liess die Häupter der ihm entgegengesetzten Bewegung, voran ihren Wortführer Sulpicius, dann den greisen Marius samt seinem Sohn, auch die beiden Praetoren, die ihn zur Umkehr ermahnt hatten, im ganzen zwölf Männer, durch den Senat in die Acht erklären (hostem iudicare) und sandte hinter ihnen seine Reiter her (Liv. ep. 77. Vell. II 19. App. I 60). Plutarch erinnert daran, wie anders wenige Tage zuvor Marius an Sulla gehandelt hatte (Sull. 10), und dem fleissigen Sammler Valerius Maximus verdanken wir die wertvolle Nachricht, dass wenigstens in einem Senator das Gewissen stärker war, als die Furcht vor Sulla. Es heisst bei ihm (III 8, 5) von dem ehrwürdigen Augur Q. Mucius Scaevola, einer Zierde der Nobilität: Sullae voluntati nullo obviam ire audente solus Scaevola interrogatus de hae re sententiam dicere noluit. Quin etiam truculentius sibi minitanti Sullae: ,Licet, inquit, mihi agmina militum, quibus curiam circumsedisti, ostentes, licet mortem identidem miniteris. nunquam tamen efficies, ut propter exiguum senilemque sanguinem meum Marium, a quo urbs et Italia consecrata est, hostem iudicem.‘ Der Überwinder der Cimbern entging mit genauer Not dem Tode durch Henkershand und blieb selbst auf den öden Stranddünen Numidiens von der Verfolgung nicht verschont. Sulpicius wurde bei Laurentum von den Häschern aufgegriffen und niedergemacht; seinen Kopf liess Sulla nach Rom schicken und dort auf dem Markt [1537] auf der Rednerbühne ausstellen, wo er selbst noch vor wenigen Tagen inmitten des für Marius begeisterten Volkes seine gewaltige Stimme erhoben hatte (Val. Max. VI 5, 7. Plut. Sull. 10).

Sulla war nicht damit zufrieden, die ihm entgegenstehenden Personen seinem Rachegelüst zu opfern, sondern er zerstörte auch die Einrichtungen, auf denen eine volksfreundliche Gesetzgebung, wie die des Sulpicius, beruht hatte. Er hob sämtliche unter Sulpicius ergangenen Beschlüsse auf (Cic. Phil. VIII 7) und traf folgende Bestimmungen (App. I 59): 1) Kein Antrag eines Volkstribunen dürfe ohne vorausgegangene Zustimmung des Senats (auctoritas patrum) vor die plebs gebracht werden. Damit wurde eine Vorschrift neu eingeschärft, die bereits seit dem hortensischen Gesetz (um 467 = 287) keine Geltung mehr hatte (vgl. Mommsen St.-R. III 158, 2). 2) Das Volk solle bei den Wahlen nicht mehr in Tributcomitien (wie seit 513 = 241), sondern wieder in Centuriatcomitien abstimmen, wie es einst Servius Tullius angeordnet hatte; vgl. E. Meyer Herm. XXXIII 1898, 652. 3) Der Senat solle um 300 Mitglieder aus der Nobilität vermehrt werden.

Neben diesen drei von Appian erwähnten Gesetzen werden noch folgende zwei zwei genannt: 1) ein Gesetz über die Ausführung von Colonien (Liv. ep. 77); 2) ein Schuldengesetz (lex unciaria bei Festus), wahrscheinlich in Erneuerung eines Gesetzes von 397 = 357 eine Herabsetzung des Zinsfusses (8½ % fur das 10monatige, 10% für das 12monatige Jahr) betreffend. Vgl. Mommsen R. G. II 258 Anm. und Billeter D. Zinsfuss im Altertum (Lpz. 1898) 155–157.

Noch während Sullas Aufenthalt in Rom trat die Unzufriedenheit mit seiner Regierung in zwei Fällen hervor. Als Sulla den Versuch machte, dem Nordheer, das unter dem Proconsul Cn. Pompeius Strabo stand, seinen Collegen Q. Pompeius Rufus als Führer aufzudrängen, wurde dieser von den Soldaten erschlagen (Liv. ep. 77. Vell. II 20. Val. Max. IX 7, 2. App. I 63). Das Volk gab ihm aber dadurch sein Missfallen zu erkennen, dass es zu Consuln des nächsten Jahres (667 = 87) nicht die von ihm aufgestellten Candidaten, Servius und seinen Schwestersohn Nonius (vgl. Mommsen R. Münzw. 536. 626 und Babelon II 256), sondern neben dem Optimaten Cn. Octavius einen entschiedenen Anhänger der Volkspartei, L. Cornelius Cinna, wählte. Sulla verbarg zwar seinen Ärger über diesen Misserfolg durch eine schönklingende Bemerkung, sah sich aber doch genötigt, dem ihm verhassten Cinna unter ungewöhnlichen Formen das eidliche Versprechen abzunehmen, dass er keine Feindseligkeit gegen ihn begehen wolle (Plut. Sull. 10. Dio frg. 102, 1–4). Freilich musste sich Sulla bald davon überzeugen, dass er nicht Herr der Gewissen war; denn kaum hatte Cinna im J. 667 = 87 sein Amt angetreten, so unternahm er den Kampf gegen den von Sulla herbeigeführten Zustand und griff auch seine Person an, indem er den Volkstribunen M. Vergilius (Cic. Brut. 179) zur Anklage gegen ihn anstiftete (Plut. a. O.). Nach den mannigfachsten Gewaltsamkeiten war Sulla wieder auf dem Punkt angelangt, wo er vor einem Jahr gestanden hatte; wie damals, so warteten [1538] auch jetzt seine Legionen, die er inzwischen von Rom nach Capua (App. I 63) zurückgeschickt hatte, in Campanien auf den Augenblick, wo sie nach Brundisium abmarschieren sollten, und abermals war Sulla vor die Frage gestellt, ob er sie gegen seine politischen Gegner verwenden solle. Jetzt musste er indessen den Rachezug für spätere Zeiten aufschieben und erst das ihm unterstellte Heer seiner Bestimmung zuführen, dem Kriege gegen Mithridates.

Im Frühling des J. 666 = 88 hatte Mithridates den Halys überschritten und Bithynien besetzt, auch Kappadokien behauptet; darauf hatte er die römische Provinz Asien erobert und in ihrer Hauptstadt, in Pergamon, seinen Hof aufgeschlagen. Der Marsch des Consuls Sulla gegen Rom hatte dann jede Spur von Achtung für die römische Macht in ihm getilgt und ihn dazu ermutigt, in Ephesos den Mordbefehl zu erlassen, dem alles, was innerhalb seines Machtbereichs lateinisch sprach, zum Opfer fiel, nicht nur die römischen Bürger, sondern auch die Italiker, denen Sulla das Bürgerrecht missgönnte. Danach hatte er, gleich Antiochus von Syrien nach Europa hinübergreifend, mit einem Landheer die thracische und makedonische Küste besetzt und mit einer Flotte den Mittelpunkt des eigentlichen Griechenlands, Athen, in seine Gewalt gebracht. Statt dem Urheber des ephesischen Mordbefehls auf den Leib zu gehen, gefiel sich Sulla darin, die Griechen für ihren Abfall von Rom zu züchtigen. In Griechenland war bereits eine Wendung zu Gunsten der Römer erfolgt. Als der Feldherr des Mithridates, Archelaus, von Athen durch Boiotien nach Thessalien vorzudringen versuchte, hatte ihn der tapfere Legat des Statthalters von Makedonien, der Quaestorier Q. Bruttius Sura (Bd. III S. 915) in drei Gefechten bei Chaeronea festgehalten und auf das Meer zurückgeworfen. Er hatte also die römischen Waffen wieder zu Ehren gebracht, und da er überdies durch seine gute Haltung das Vertrauen der Griechen gewonnen hatte, so waren diese bereits geneigt, zur römischen Herrschaft zurückzukehren. Als nun nach Sullas Landung in Epirus die Spitze seines Heeres in Boiotien eintraf, erhielt Bruttius durch den Führer der sullanischen Vorhut, den Quaestor L. Licinius Lucullus, den Befehl, weitere Bewegungen in Griechenland einzustellen, und ging nach Makedonien zurück (Plut. Sull. 11; vgl. App. Mithr. 29). Sulla öffnete sich durch ein Treffen (Paus. I 20, 5) den Weg nach Attika und versuchte Athen durch einen Handstreich zu nehmen, wurde aber unter empfindlichen Verlusten zurückgeschlagen. Jetzt bezog Sulla bei Eleusis und bei Megara ein festes Lager und begann die Belagerung; die Stadt wurde von Aristion (Bd. II S. 900), der Hafen Piraeus von Archelaus (Bd. II S. 448) verteidigt (App. Mithr. 30. Plut. Sull. 12). Während sich Sulla der Stadt gegenüber auf eine enge Umschliessung beschränkte, griff er den Piraeus mit grosser Heftigkeit an. Aber Sulla hatte seinen Gegner unterschätzt; er sah sich zu einer langwierigen Belagerung gezwungen und musste aussergewöhnliche Anstrengungen dazu machen. Durch den hartnäckigen Widerstand gereizt, führte Sulla den Krieg mit einer Rücksichtslosigkeit, die die Griechen um so mehr gegen ihn erbittern musste, als sie [1539] einst von Flamininus und Aemilius Paulus die mildeste Behandlung erfahren hatten. Als das vorhandene Holz für die Belagerungswerkzeuge nicht ausreichte, liess er die Götterhaine fällen; die prächtigen Baumreihen des Lyceums und die ehrwürdigen Platanen der Akademie sanken unter den Axtschlägen seiner Soldaten dahin. Um die Kosten für den Krieg aufzubringen, beraubte Sulla ohne Scheu die berühmten Tempel des Asklepios zu Epidaurus, des Apollon zu Delphi und des Zeus zu Olympia ihrer reichen Schätze und goss bitteren Hohn über die Fürsprecher der Heiligtümer aus; dass er sie später zum Teil von dem Gute der Thebaner entschädigte, konnte seiner Handlungsweise das Gehässige nicht nehmen (Plut. Sull. 12. 19. App. Mithr. 54. Diodor. frg. XXXVIII 7. Paus. IX 7, 4). Das geraubte Gold wurde in dem Peloponnes zu Geld geprägt (Plut. Luc. 2; vgl. Babelon I 406 nr. 28. 29). ,Da Sulla zugleich andere Soldaten zur Verräterei und seine eigenen zur Liederlichkeit verführte, so brauchte er auch immer viel Geld, besonders bei dieser Belagerung von Athen‘ (Plut. Sull. 12). Der Winter kam heran, und noch war nichts gewonnen. Sulla zog sich in sein festes Lager bei Eleusis zurück. Noch im Winter versuchte er einen neuen Sturm auf den Piraeus, wurde aber auch diesmal abgewiesen. Mittlerweile hatte in der Stadt die Hungersnot furchtbar aufgeräumt. Eine Gesandtschaft, die ihn um Frieden bat, liess Sulla unverrichteter Sache umkehren (Plut. Sull. 13]; bald darauf wurde er durch einen Zufall auf einen schwachen Punkt in der Verteidigungslinie der Stadt aufmerksam gemacht (Plut. de garr. 7) und setzte für die Mitte der Nacht zum 1. März (Plut. Sull. 14) den Sturm an. Er liess ein Stück Mauer zwischen dem piraeischen und dem heiligen Thor niederreissen und drang unter dem Schall von Hörnern und Trompeten und dem lauten Geschrei seiner Soldaten in die Stadt ein. Da es nichts mehr zu kämpfen gab, liess Sulla seine Soldaten morden und plündern. ,Die Zahl der Getöteten‘', erzählt Plutarch (a. O.), ,lässt sich nicht berechnen, sondern noch jetzt pflegt man sie nach dem Raum, wie weit das Blut geflossen ist, zu beurteilen. Denn ohne diejenigen zu rechnen, die in anderen Teilen der Stadt umgebracht wurden, überschwemmte das auf dem Markte vergossene Blut den ganzen Kerameikos auf der Innenseite des Dipylons, ja, wie viele behaupten, strömte es durch das Thor bis in die Vorstadt. Obgleich aber so viele auf diese Weise ums Leben kamen, war doch die Zahl derer nicht geringer, die sich selbst, weil sie ihr Vaterland für ganz verloren hielten, aus Jammer und Betrübnis umbrachten. Denn das setzte die besten Bürger in Verzweiflung, dass sie sich von Sulla weder Menschenliebe noch Mässigung versprechen konnten.‘ So furchtbar liess Sulla die Stadt ihren hartnäckigen Widerstand büssen. Erst durch den Fussfall zweier von Aristion verbannter Athener und die Fürbitte der römischen Senatoren in seinem Lager liess er sich umstimmen. ,Da sagte er viel zum Lobe der alten Athener und erklärte endlich, er wolle vielen um weniger willen und den Lebenden um der Toten willen verzeihen‘ (Plut. a. O. Flor. I 40, 10). Von den Gefangenen liess er auch jetzt noch jeden zehnten Mann auf [1540] dem Kerameikos niedermachen (Paus. I 20, 6); der Hauptschuldige aber, Aristion, war auf die Akropolis entkommen und musste weiter belagert werden. Nach dem Fall der Stadt berannte Sulla den Hafen von neuem, diesmal mit dem Erfolge, dass sich Archelaus nach Munychia zurückzog (Plut. Sull. 14. 15. App. Mithr. 40). Der Piraeus war geräumt; das darin von Philon erbaute Zeughaus, ein vielbewundertes Bauwerk, liess Sulla niederbrennen (Plut. Sull. 14). Sulla pries sich später glücklich, dass er die Stadt Athen nicht eingeäschert habe (Plut. apophth. imper. Rom.); aber den Piraeus hat er so gründlich zerstört, dass der athenische Handel seine Stellung im östlichen Mittelmeer für immer verlor. Über den endgültigen Verfall des Piraeus vgl. Strab. IX 306.

Seit der Eröffnung des Feldzuges war ein Jahr vergangen, und noch immer behauptete in Griechenland das Heer des Königs das Feld. Taxiles, ein anderer Feldherr des Mithridates, rückte von Norden gegen Athen heran; er stand vor der phokischen Stadt Elatea, die ihm den Weg versperrte, da erfuhr er, dass Sulla am 1. März Athen erobert hatte. Sulla seinerseits verliess das bergige Attika, das ihn nicht mehr ernähren konnte – die Belagerung der Akropolis wurde einem Legaten übertragen – und stieg trotz der Überlegenheit der pontischen Reiterei in die boiotische Ebene hinab. Er besetzte hier Chaeronea und den Engpass zwischen Phokis und Boiotien, so dass sich der Feind aus dieser Landschaft nur nach dem Meere hin, in der Richtung auf die euboeische Stadt Chalkis, zurückziehen konnte. Als Archelaus, der nach Sullas Abmarsch Munychia verlassen und den Oberbefehl in Boiotien übernommen hatte, wirklich Miene machte, nach Osten auszuweichen, griff ihn Sulla an und warf ihn auf den schmalen Meeresarm zwischen Boiotien und Euboia, den Euripus, zurück. Über diese Schlacht bei Chaeronea giebt Plutarch einen auf genauer Kenntnis der Örtlichkeit – Chaeronea war seine Vaterstadt – beruhenden eingehenden Bericht (Sull. 15–19); er sah auch noch die Siegeszeichen, die Sulla nach gewonnener Schlacht errichtet hatte. Im übrigen vgl. Appian. Mithr. 41–45 und über die Schlachtordnung Frontin str. II 3, 17; Plan des Schlachtfeldes bei Th. Reinach Mithridates, deutsch von A. Goetz(1895) 162. Von Chaeronea ging Sulla nach Athen zurück und hielt sich dort nach dem Fall der Akropolis so lange mit der Bestrafung der Empörer (Licinian. p. 33) und dann in Thessalien mit der Beobachtung des demokratischen Gegenheeres auf, dass er Mithridates Zeit liess, ein zweites Heer aus Asien über Euboia in die Kephissosebene zu werfen (Plut. Sull. 20). Daher musste es Sulla in derselben Landschaft abermals auf eine Schlacht ankommen lassen. Der Feind hatte eine Stellung gewählt, wo er seine Reiterei ungehindert entfalten konnte; es war die tiefer als Chaeronea liegende baumlose Ebene von Orchomenos. Aber auch hier wusste Sulla so geschickt Gräben anzulegen, dass er die Hauptwaffe des Feindes in ihrer Bewegungsfreiheit einschränkte. Die pontische Reiterei musste befürchten, von dem festen, zum Reiten tauglichen Boden abgeschnitten und auf die Sümpfe am Kopaissee zurückgedrängt zu werden, daher suchte sie ihr Gegenüber beim [1541] Graben zu stören. Ihre Geschwader warfen sich mit solchem Ungestüm auf die römischen Arbeitstruppen, dass diese samt der ihnen beigegebenen Bedeckung die Flucht ergriffen. Da konnte nur ein persönliches Eingreifen des Feldherrn eine Wendung herbeiführen. Plutarch erzählt (Sull. 21): Sulla sprang selbst vom Pferd, ergriff eine Fahne und drängte sich mitten durch die Fliehenden gegen den Feind, indem er schrie: ,Für mich, Römer, ist es rühmlich, hier zu sterben; aber wenn man euch zu Hause fragt, wo ihr euren Feldherrn im Stich gelassen habt, so vergesst nicht, zu antworten: Bei Orchomenos!‘ Vgl. App. Mithr. 49. Frontin. II 8, 12. Polyaen. VIII 9, 2. Ammian. Marc. XVI 12, 41. Diese schneidenden Worte brachten die fliehenden Römer wieder zur Besinnung: sie machten Front, liessen sich gegen den Feind führen und zwangen ihn zur Flucht. Dann wurde die Schanzarbeit so lange fortgesetzt, bis das feindliche Lager ringsum eingeschlossen war; am andern Tage wurde es erobert. Viele Feinde ertranken im Kopaissee. Noch zu Plutarchs Zeiten, beinahe 200 Jahre nach der Schlacht bei Orchomenos, fand dort der Bauer im Schlamm manches Waffenstück, ein Überbleibsel aus jenem Kampfe (Plut. Sull. 21).

Durch die zweite Schlacht in Boiotien wurde zwar das Heer des Königs endgültig aus Griechenland verdrängt, aber noch war Mithridates persönlich ungebeugt, solange er nicht selbst das Übergewicht der römischen Waffen gefühlt hatte. Die Hauptarbeit sollte also erst beginnen. Wirklich kam im weiteren Verlauf des Krieges ein Augenblick herbei, wo es möglich gewesen wäre, Mithridates in Asien, wie einst in Africa Iugurtha, gefangen zu nehmen und damit für immer unschädlich zu machen. Der König hatte nach einem Siege des marianischen Gegenheeres unter Fimbria von Pergamon nach dem nächstgelegenen Hafen Pitane fliehen müssen und war eben dabei, sich dem rettenden Meere anzuvertrauen, da erschien in diesen Gewässern, von Chios kommend, Sullas Legat L. Licinius Lucullus mit einer Flotte. Sulla hatte ihn im Winter 667–668 = 87–86 während der Belagerung Athens aufs Meer geschickt, mit dem Auftrag, aus den Schiffen der Bundesgenossen eine Flotte zu bilden (Plut. Luc. 2), und eben jetzt, wo Fimbria den König zu Lande verfolgte, traf Lucullus auf der Seeseite ein. Er hätte es in der Hand gehabt, durch Schliessung des Hafens den König am Entrinnen zu verhindern, und Fimbria beschwor ihn, die inneren Gegensätze zu vergessen und zur Festnahme des Landesfeindes mitzuwirken, aber Lucullus segelte vorüber. Das hochherzige Ansinnen des Demokraten fand in seiner stolzen Brust keinen Wiederhall, und so ging der grosse Augenblick ungenutzt vorüber; der Schänder des römischen Namens entkam unversehrt nach Mytilene auf Lesbos (App. b. Mithr. 52. Plut. Luc. 3. Liv. ep. 83. Vell. II 24, 1. Oros. VI 2, 10). Lucullus handelte aber durchaus im Sinne seines Vorgesetzten. Während Sulla vor Athen lag, war gleich der Mehrzahl des Adels (Vell. II 23, 3) seine Gattin Metella mit ihren Kindern zu ihm geflüchtet und hatte ihm selbst die Unglücksbotschaft überbracht, dass die Gegner in Rom ihn für einen Staatsfeind erklärt, sein Haus in der Stadt zerstört und seine Landgüter verwüstet [1542] hätten (Plut. Sull. 22). Nach seinem gewaltsamen Vorgehen gegen Marius hatte er nichts anderes erwarten können und von vornherein die Belagerung Athens mit grosser Hast betrieben, um den Krieg schleunigst zu beenden und sich von neuem gegen das geeinte Italien zu wenden (Plut. Sull. 12). Als er dann die Stadt erobert und den Feind in zwei Schlachten aus dem Felde gejagt hatte, dachte er nicht mehr an eine ernstliche Kriegführung, sein Sinn stand nur noch auf Rache, zunächst an den abgefallenen Gemeinden und Landschaften des Ostens (Plut. Sull. 26) und dann an seinen politischen Gegnern in Rom und Italien. Daher war es ihm sehr erwünscht, dass ihm Mithridates nach dem Verlust Griechenlands die Hand zum Frieden bot (nach Memnon frg. 35 trug er selbst auf Frieden an), und er beeilte sich, dem Vertreter des Königs, Archelaus, der von Euboia auf das Festland herüberkam, seine Bedingungen zu nennen. Nachdem dies an der boiotischen Küste zu Delium (Plut. Sull. 22) geschehen war – Granius Licinianus nennt das nördlich davon der euboeischen Stadt Chalkis gegenüberliegende Aulis (p. 33) –, kehrte Sulla nach Thessalien zurück, wo er nach dem Siege bei Orchomenos Winterquartiere bezogen hatte, und setzte sich dann über Makedonien, von Archelaus begleitet, gegen Fimbria in Bewegung. Als Mithridates durch eine Gesandtschaft gegen zwei Punkte der Festsetzungen von Delium, die Räumung Paphlagoniens und die Auslieferung von Kriegsschiffen, Einspruch erhob, begab sich Archelaus selbst zum König und brachte die Erklärung zurück, dass dieser eine persönliche Unterredung mit Sulla wünsche (Plut. Sull. 23). Sulla war damit zufrieden, und nachdem er von dem thracischen Chersones aus, wo Lucullus mit seinem Geschwader zu ihm gestossen war, den Hellespont überschritten hatte, gewährte er dem König auf dem Boden des alten Troas, zu Dardanos, zwischen Abydos und Ilium, die erbetene Zusammenkunft. Hier verstand sich Mithridates dazu, das mit Archelaus zu Delium getroffene Abkommen in vollem Umfange anzunehmen. Er erlangte damit immer noch einen billigen Frieden, denn Sulla hatte sich mit der Forderung begnügt, dass im wesentlichen der Besitzstand vor dem Ausbruch des Krieges wiederhergestellt werde; auf eine gebührende Bestrafung des Mithridates hatte er verzichtet (Plut. Sull. 24. App. Mithr. 56–58). Selbst Sullas Soldaten, so entartet sie waren, fühlten doch heraus, dass durch diesen Frieden der römische Name beschimpft wurde. ,Sie hielten es für eine Schande, den feindseligsten unter allen Königen, auf dessen Veranstaltung hundertfünfzigtausend in Asien lebende Römer an einem Tage ermordet worden waren, mit Beute und Reichtümern beladen aus Asien absegeln zu sehen, das er volle vier Jahre hindurch geplündert und ausgesogen hatte‘ (Plut. a. O.). Wenn auch in seinen Feldherrn besiegt, brauchte sich Mithridates doch nicht als niedergeworfen anzusehen; jede Gebietsabtretung blieb ihm erspart, und die Kraft seines Reiches wurde kaum geschwächt. Die in Pergamon geraubten Schätze durfte er behalten, und für den Massenmord an der asiatischen Bevölkerung lateinischer Zunge wurde keine Sühne von ihm verlangt. Sein Stolz war ungebrochen (Sall. [1543] hist. frg. IV 69, 12), und niemand konnte ehrlich daran glauben, dass er sich in Zukunft Rom unterordnen werde. Mit Recht urteilt daher Ranke über die zu Dardanos angenommenen Abmachungen (Weltgeschichte II 2, 119): ,Der Friedensschluss kann nur als eine Vertagung des ferneren Krieges angesehen werden‘. Der sachlichen Bedeutung des Friedens entsprach Sullas persönliche Haltung. Er vergass sich soweit, dass er Mithridates zum Dank für sein Entgegenkommen um den Hals fiel und ihn küsste (Plut. Sull. 24); über dieser Gefühlsaufwallung wurde eine schriftliche Abfassung des Vertrages versäumt (App. Mithr. 64); es war, als wenn zwei Souveräne die Beziehungen ihrer Staaten zu einander auf gegenseitige Freundschaft gründeten (Diod. frg. XXXVIII 6). Wie anders hatte sich der eben beendete Krieg in dem Kopfe des Marius gemalt, der bis in seine letzten Fieberphantasien hinein von dem Gedanken verfolgt wurde, er commandiere gegen Mithridates eine Schlacht (Plut. Mar. 45).

Nach der Begegnung mit Mithridates setzte Sulla den Zug gegen Fimbria fort und traf bei Thyatira in Lydien, nicht weit von Pergamon, auf sein Lager. Sulla legte sich davor und forderte von Fimbria die Abtretung seiner beiden Legionen. Zwar fand er damit bei Fimbria selbst kein Gehör, aber dessen Truppen begannen, sich mit den seinen zu verbrüdern. Er entging dem von Fimbria gegen ihn gerichteten Mordversuch und lehnte es dann ab, zu einer Unterredung zu kommen, sondern beschränkte sich darauf, ihm durch einen dritten freien Abzug für seine Person zu versprechen. Dies Anerbieten schlug Fimbria aus; er entwich nach Pergamon und gab sich dort im Tempel des Aesculap den Tod (App. b. Mithr. 59. 60. Plut. Sull. 25. Vell. II 24, 1. Oros. VI 2, 11). Statt den Urheber der in Asien verübten Greuelthaten zu züchtigen, hielt sich Sulla an denen schadlos, die sich als seine Werkzeuge hatten missbrauchen lassen. Er verhängte in Ephesos, wohin er die Abgeordneten der kleinasiatischen Städte beschieden hatte, über die aufs äusserste erschöpfte Provinz ein furchtbares Strafgericht (Licin. p. 35); es war die Vergeltung für die Bereitwilligkeit, mit der die meisten Gemeinden dem ephesischen Mordbefehl des Mithridates nachgekommen waren. Von der Aussaugung der unglücklichen Provinz giebt Plutarch folgende Schilderung (Sull. 25): ,Sulla legte Asien eine Geldstrafe von 20 000 Talenten auf (das Zehnfache der von Mithridates geforderten Summe, Sull. 22); ausserdem aber richtete er noch fast jedes einzelne Haus durch den Übermut und die Habsucht der einquartierten Soldaten zu Grunde. Denn er befahl, dass der Wirt dem Soldaten, der bei ihm im Quartier lag, täglich 16 Drachmen (das Vierzigfache der gewöhnlichen Löhnung) und nicht nur ihm, sondern auch seinen Freunden, so viele er einladen möchte, zu essen geben sollte. Ein Hauptmann musste täglich 50 Drachmen bekommen und zudem noch 2 Kleider, das eine zum häuslichen Gebrauch, das andere zum Ausgehen‘. Zwecks Eintreibung der Strafgelder teilte er die Provinz in 44 Steuerbezirke (Cassiod. chron. zum J. 670 = 84), vgl. Bd. II S. 1544–46; über die an diese Einrichtung geknüpfte Zeitrechnung, die mit [1544] dem 23. September 669 = 85 beginnt, s. Kubitschek o. Bd. I S. 638. Vgl. über die Ordnung der Provinz Asien Mommsen Athen. Mitt. XXIV 1899, 196f. und zu der Inschrift von Priene (ebd. S. 290 Z. 83, vgl. das bei Thyateira gefundene Fragment S. 234 nr. 74 Z. 5) 282f. Von dem angegebenen Datum ist die zeitliche Bestimmung der Schlacht bei Orchomenos (Herbst 668 = 86) und des Friedens zu Dardanos (spätestens August 669 = 85) abhängig zu machen; darnach ist Mommsens Aufstellung (R. G. II 295 Anm.) zu berichtigen, vgl. H. Bernhardt Chronologie der mithridatischen Kriege (Marburg 1896) und Dieckmann De Granii Liciniani fontibus (Diss. Berl. 1896) 79f. Die Plünderungen, die sich Sulla und seine Soldaten erlaubten, haben den Wohlstand des Landes stellenweise für immer vernichtet; viele Städte sind damals der Verödung anheimgefallen. Dazu trug auch das Piratentum bei, das mit dem Kriege aufgekommen war; Küsten und Inseln wurden von Seeräubern verheert. Sulla that aber nichts zu ihrer Unterdrückung (App. Mithr. 61. 63. Plut. Pomp. 24); vielmehr führte die durch seine Erpressungen hervorgerufene Verarmung der Provinz den Seeräubern neue Kräfte zu. Seine Kurzsichtigkeit ist schuld daran, dass das Unwesen zu einer ernsten Gefahr für das Römertum auswuchs, die später nur durch eine die Verfassung untergrabende Ausnahmegewalt beseitigt werden konnte (Bd. II S. 1560).

Nachdem Sulla seine Habgier in Asien genügend befriedigt hatte, trat er endlich (im Sommer 670 = 84) von Ephesos aus die Rückfahrt an. Am dritten Tage lief er in den Hafen Piraeus ein. Er nahm aus Athen viele Kunstschätze mit (Nep. Att. 4. Paus. X 21, 6. Luc. Zeux. 3), und für die Wissenschaft des Abendlandes ist es bedeutungsvoll geworden, dass er sich die Bibliothek des Apellikon von Teos (Bd. I S. 2693) aneignete, worin sich die meisten Schriften des Aristoteles und Theophrastos befanden, die damals noch sehr wenig bekannt waren (Plut. Sull. 26. Strab. XIII 609f.). Sein Verständnis für griechische Bildung bewies er auch damit, dass er sich in die eleusinischen Mysterien einweihen liess (Plut. a. O.), und ihm zu Ehren hat man in Athen, das er so hart gestraft hatte (vgl. CIA II 628, 12. 27), Spiele gehalten (τὰ Συλλεῖα CIA II 481, 58). Sein Aufenthalt in Griechenland wurde durch einen schweren Gichtanfall noch länger ausgedehnt; er suchte Heilung davon in den warmen Bädern zu Aedepsus im Norden der Insel Euboia (Plut. a. O., vgl. Strab. X 447). Wiederhergestellt, zog er unter Aushebungen durch Thessalien und Makedonien nach Dyrrhachium und setzte von da, nachdem seine Flotte über Patrai zu ihm gelangt war (App. I 79), im Frühjahr 671 = 83 nach Brundisium über (Plut. Sull. 27). Vgl. die Münze mit der Darstellung seiner Landung (Babelon I 408).

In einem noch aus Asien an den Senat gesandten Bericht hatte Sulla erklärt, seine Feinde in Rom dürften nicht auf seine Gnade rechnen (App. I 77), und denselben Inhalt hatte die Antwort, die er einer Gesandtschaft des Senats gab (App. I 79). Kurz vor der Überfahrt nach Italien hatten dann seine Soldaten in Dyrrhachium geschworen, die Treue, die sie ihrem Vaterlande [1545] schuldeten, ihm zu halten, d. h. auch nach der Landung in der Heimat bei der Fahne zu bleiben (Plut. Sull. 27). Wie aber ein Liebesdienst den andern fordert, so war vorauszusehen, dass Sulla seinem verwilderten Heere zum Dank für die bewiesene Anhänglichkeit den italischen Grund und Boden ausliefern werde. Selbst wenn er daher den Italikern das Bürgerrecht liess, wie er versprochen hatte (App. a. O.), so musste doch die Massenansiedelung seiner Veteranen eine Plage für das ganze Land werden und alle Besitzverhältnisse umwälzen. So kam es, dass die verschiedenen Stämme der Halbinsel nach wie vor ihr Heil von den Demokraten in Rom erwarteten; sahen diese Leben und Ehre gefährdet, so drohte den italischen Gemeindebewohnern mindestens der Verlust von Haus und Hof. So starke Streitkräfte auch gegen Sulla aufgeboten wurden (Exup. 7. App. I 82), so wenig konnten sie ihm schaden, weil sie nicht einheitlich geführt wurden (Plut. 20 Sull. 27). Als es in Campanien bei dem Berge Tifata östlich der Stadt Capua zum Schlagen kam, war nur der eine der beiden Consuln, C. Norbanus, zur Stelle; er musste das Feld räumen und sich in das feste Capua zurückziehen (Plut. a. O. Liv. ep. 85. Flor. II 9, 19. Obsequ. 118. Eutrop. V 7, 4. Oros. V 20, 2). Zum Dank für diesen Sieg weihte Sulla die Heilquellen und die Ländereien dieser Gegend der Göttin Diana, der die Umwohner auf der Höhe des Berges einen Tempel errichtet hatten (Vell. II 25, 4, vgl. CIL X 3828). Appian giebt unrichtig Canusium in Apulien als Schlachtort an (I 84). Nach dem Sieg über Norbanus überschritt Sulla (bei Casilinum) den Volturnus und rückte auf der appischen Strasse, da der andere Consul, L. Cornelius Scipio Asiagenus (Nr. 338), Teanum Sidicinum (2–3 Tagemärsche von Capua entfernt) erreicht hatte, bis Cales vor. Ehe es Sulla am Berge Tifata auf die Entscheidung durch die Waffen ankommen liess, hatte er durch eine Gesandtschaft an Norbanus einen friedlichen Ausgleich herbeizuführen versucht; aber Norbanus war auf seinen Wunsch nicht eingegangen. Auch den andern Consul bat Sulla um eine Verständigung, und diesmal hatte er mit seinem Anliegen mehr Glück. Scipio, demselben Adelsgeschlecht wie sein Gegner angehörend, ein Urenkel des Antiochussiegers, kam mit Sulla zwischen beiden Lagern zu einer Unterredung zusammen und besprach mit ihm allerlei politische Fragen, wie die Befugnis des Senats, die gesetzliche Gewalt der Volksversammlung und die Ausdehnung des Bürgerrechts (Cic. Phil. XII27; pro Fonteio 6). Diese Erörterungen wurden mehrere Tage fortgesetzt, und am Ende Scipio dazu vermocht, einen Boten nach Capua abzusenden, damit die Ansicht seines Collegen bekannt werde. Aber der tapfere Q. Sertorius, den Scipio für den Mittlerdienst ausersehen hatte, ging nicht nach Capua, sondern entriss Sulla die Stadt Suessa (vgl. CIL X 4751) und zwang Scipio durch diese offene Feindseligkeit dazu, endlich die Verhandlungen mit Sulla abzubrechen und den Waffenstillstand zu kündigen. Sertorius hatte den Consul von vornherein vor den Verführungskünsten Sullas gewarnt (Plut. Sert. 6. Dio frg. 107, 3. Sull. frg. 91. Exup. 7); als Scipio sich dann wirklich von Sulla losriss, war es bereits zu spät. Denn jetzt hatte er sein Heer nicht [1546] mehr in der Hand; während er seine Zeit mit Auseinandersetzungen über den künftigen Frieden verlor, hatten Sullas Soldaten, die von ihrem Führer die Verstellung gelernt hatten, den Verkehr von Lager zu Lager dazu benutzt, dem Consul mit allen erdenklichen Mitteln seine Truppen abspenstig zu machen. Als dann Sulla nach dem Scheitern weiterer Verhandlungen zum Angriff überging, sah sich der Aristokrat Scipio von seinem Lager ebenso verlassen, wie einst der Demokrat Fimbria von seinen Untergebenen. Nur bewies Scipio weniger Mut als Fimbria; er liess sich in seinem Zelt gefangen nehmen, legte willig die Zeichen seiner Würde ab und nahm das ihm und seinem Sohne von Sulla angebotene freie Geleit an (App. I 85. 86. Plut. Sull. 28. Diod. frg. XXXVIII 16). Sullas Soldaten hatten ihre Rolle als ,Lockvögel‘ gut gespielt, und über Sulla selbst äusserte Carbo damals das berühmte Wort von dem Fuchs und dem Löwen in seiner Seele (Plut. a. O.). Welche Anziehungskraft die militärische Macht ausübt, hatten Sullas Gegner gleich im Beginn des Feldzuges zu ihrem Nachteil erfahren müssen. Sulla erhielt damals Zuzug von Parteigenossen; gleich dem angesehenen Q. Caecilius Metellus Pius, dem Sohne des Numidicus und Vetter seiner Gemahlin (Dio frg. 106), stiess M. Licinius Crassus aus Africa mit Truppen zu ihm (Plut. Crass. 6), und viele andere Optimaten, darunter L. Sergius Catilina (Sall. frg. 46), erschienen in seinem Lager (Plut. Sull. 27–29). Aber auch Überläufer fanden sich ein, wie der Consular L. Marcius Philippus (Liv. ep. 86) und von jüngeren Senatoren C. Verres, der als Quaestor im J. 670 = 84 öffentliche Gelder unterschlagen hatte (Cic. Verr. act. II 1, 34. 36. 38), ferner der Ritter Q. Lucretius Ofella (Vell. II 27. Dio frg. 108) und der Patricier P. Cornelius Cethegus (App. I 80), einer der Zwölf, die Sulla im J. 666 = 88 geächtet 10 hatte (s. Nr. 97); beide wurden gleich Catilina und Verres als Legaten in dem sullanischen Heer beschäftigt. Am meisten aber wurde Sullas Stellung durch den Übertritt des jugendlichen Cn. Pompeius verstärkt (Diodor. frg. XXXVIII 10). Dieser war von Hause aus so wenig ein Anhänger der Aristokratie wie sein Vater Cn. Pompeius Strabo und hatte in Cinnas Heer Dienste genommen; als aber Sulla in Italien landete, schlug er sich, von Bewunderung für Sullas Feldherrnkunst erfüllt, entschieden auf dessen Seite. Er ging nach der ihm ergebenen Landschaft Picenum, stellte dort durch Werbungen unter den Veteranen seines Vaters ein Heer in der ansehnlichen Stärke von drei Legionen auf und wies alle von Rom aus erfolgende Angriffe auf die von ihm selbst geschaffene Streitmacht siegreich zurück. Als sich Sulla mit Pompeius vereinigte, wurde er von ihm als Imperator begrüsst und grüsste den noch nicht 23jährigen Feldherm mit demselben Ehrentitel wieder (Plut. Pomp. 6–8. Dio frg. 107, 1). Mit dem Übertritt des Pompeius hatte Sulla zu Apulien und Campanien im Süden noch Picenum im Norden dazu gewonnen; die meisten andern Landschaften suchte er durch besondere Verträge mit den einzelnen Gemeinden auf seine Seite hinüberzuziehen (Liv. ep. 86. Exup. 7. App. I 86. Diod. frg. XXXVIII 13). Aber die Volkspartei raffte sich zu einem letzten Kampfe auf und nahm noch [1547] einmal alle ihre Kräfte zusammen. Dass man den Weg der Vermittelung, der zum Abfall des eigenen Heeres geführt hatte, nicht mehr betreten werde, dafür bürgten die neuen Consulwahlen. Sie fielen auf Cn. Papirius Carbo, der schon 669 und 670 = 85 und 84 dies Amt bekleidet hatte, und den noch nicht 30jährigen C. Marius. Beide waren Plebeier und durften nach ihrer Vergangenheit auf keine Gnade rechnen.

Nach einem strengen Winter rückte Sulla von Campanien nach Latium vor und warf hier in der Schlacht bei Sacriportus (Hafen des Sacer), unweit der Stadt Signia, den jungen Marius auf das stark befestigte Praeneste zurück (Plut. Sull. 28. App. I 87. Diod. frg. XXXVIII 15. Eutrop. V 8. Oros. V 20, 6). Mit der Einschliessung der Stadt beauftragte Sulla den Überläufer Ofella und wendete sich selbst über Rom, wo der Stadtpraetor Damasippus auf ein noch vor der Schlacht ergangenes Geheiss des Consuls Marius eine Anzahl Aristokraten hingemordet hatte, nach Etrurien gegen den andern Consul. Nach einer unentschiedenen Schlacht bei Clusium (App. I 89. Liv. ep. 88. Vell. II 28; vgl. CIL I 586) kehrte Sulla wieder nach Latium zurück, um die Belagerung Praenestes gegen ein von Süden heranmarschierendes, aus Lucanern und Samnitern bestehendes Entsatzheer zu sichern (App. I 90. Plut. Sull. 29. Vell. II 27). Beide Heere lagen sich eine Zeit lang unthätig gegenüber; als aber im Norden der Consul Carbo nach dem Verlust des oberitalischen Galliens aus Etrurien über das Meer davonfloh (Sall. frg. 38) und Pompeius Anstalten traf, dem Entsatzheer in den Rücken zu kommen (Plut. a. O.), wurde es den Samnitern klar, dass der Fall Praenestes nicht mehr aufzuhalten war. In der Verzweiflung über das Misslingen des Entsatzes und selbst in die Enge getrieben, folgten die Verbündeten dem wilden Rufe des Samniterführers Pontius Telesinus, ,wolle man die Wölfe, die Italien die Freiheit geraubt hätten, los werden, so müsse man den Wald ausroden, der ihr Schlupfwinkel sei‘ (Vell. II 27), und zogen aus ihrer Stellung vor Praeneste auf der latinischen Strasse gegen Rom ab. In der Nacht zum 1. November bezogen sie angesichts der Stadt ein Lager, etwa ¼ deutsche Meile (d. h. kaum eine halbe Stunde) von der im Nordosten gelegenen Porta Collina entfernt (Plut. Sull. 29. App. I 92). Am andern Morgen, dem 1. November (Vell. a. O.), versuchte zwar eine Schar von Freiwilligen, meist junge Adelige zu Pferde, einen Ausfall, aber sie wurden zurückgewiesen, und ein Appius Claudius fand dabei mit vielen andern den Tod. In der geängstigten Stadt machte man sich schon auf das Äusserste gefasst; da erschien endlich die Spitze des sullanischen Heeres, 700 Reiter, die in scharfem Trabe heransprengten. Ihr Führer, Cornelius Balbus, wartete nur so lange, bis der Schweiss an den Pferden abgetrocknet war; dann liess er wieder aufzäumen und stürzte sich ins Gefecht. Ihm folgte in beschleunigtem Marsch Sulla selbst mit der Hauptmacht: gegen Mittag traf er ein und bezog nahe dem collinischen Thor, an dem Tempel der Venus Erycina (unweit Porta Pia), ein Lager. Die vordersten Truppen hatten kaum in aller Eile gefrühstückt, so wurden sie auch schon zur Schlacht geordnet; vergebens baten Sullas Legaten, die [1548] von dem Gewaltmarsch hart mitgenommenen Legionen nicht gegen den allergefährlichsten Feind der Römer zu führen; noch am späten Nachmittag, zwischen 3 und 4 Uhr (Oros. V 20, 9. Plut. Sull. 29) liess Sulla mit der Trompete das Zeichen zum Angriff gehen. Es war ein mörderischer Kampf. Sullas linker Flügel kam ins Gedränge und wurde übel zugerichtet, weswegen Sulla auf einem feurigen Schimmel, der sehr schnell auf den Beinen war, zur Hülfe herbeieilte. An dem Pferd erkannten ihn zwei von den Feinden und hoben schon ihre pila auf, um nach ihm zu werfen. Er selbst wurde es nicht gewahr, aber sein Reitknecht hieb mit der Peitsche auf das Pferd, welches durch einen Satz so weit vorkam, dass die Spiesse neben dem Schwanze hin tief in die Erde fuhren‘ (Plut. a. O.). Die samnitischen Bauern waren wehrhafter als die Kriegsknechte des Mithridates; diesmal gelang es Sulla nicht, wie bei Orchomenos, die erschütterten Glieder durch seine Gegenwart zum Stehen zu bringen; er wurde in die Flucht seines linken Flügels verwickelt und rettete sich nur mühsam nach starken Verlusten unter seiner unmittelbaren Umgebung in sein Lager. ,Daher glaubte er schon, es sei völlig um die Stadt geschehen, und beinahe wäre auch die Einschliessung des Marius aufgehoben worden. Denn viele Flüchtlinge drängten sich nach Praeneste hin (noch nicht 5 deutsche Meilen von Rom entfernt!) und rieten dem Lucretius Ofella, der die Belagerung führte, schleunig aufzubrechen, weil Sulla umgekommen und Rom von den Feinden erobert sei‘ (Plut. a. O.). Erst eine Stunde nach Sonnenuntergang liess die Heftigkeit des samnitischen Gegenstosses nach (Vell. II 27). Spät in der Nacht ging dann bei Sulla die Meldung ein, Crassus habe nach langem Ringen auf dem rechten Flügel gesiegt und den Feind nach Norden bis Antemnae am Tiber verfolgt; zugleich liess der siegreiche Legat um Übersendung von Lebensmitteln für seine hungernden Soldaten bitten (Plut. Sull. 30). Sulla begab sich selbst nach Antemnae und kam dort am frühen Morgen, am 2. November, an; er fand viele Gefangene vor und vollendete den Sieg damit, dass er eine starke Abteilung durch das Versprechen, das Leben der Mannschaft zu schonen, zur Waffenstreckung überredete (Plut. a. O.). Der Schützling des delphischen Apollon, der das goldene Bildnis des Gottes in jeder Schlacht auf der Brust trug (vgl. Frontin. strateg. I 11, 11) und es diesmal im Augenblick der höchsten Not unter einem Stossgebet geküsst hatte (Plut. Sull. 29), sah die Reste des samnitischen Heerhaufens, der auf den Trümmern Roms hatte untergehen wollen, in seine Hand gegeben. Circensische Spiele, die Sulla nach der Schlacht stiftete, sollten die Erinnerung an seinen Sieg für immer festhalten (Vell. II 27, 6. Ascon. p. 79, 21. 83, 13; vgl. CIL I² p. 333). Vgl. E. Linden De hello civili Sullano, Diss. Freiburg 1896.

So gewiss es ist, dass in Sulla das allgemein gebildete Römertum über den dagegen gerichteten Sondergeist gesiegt hat, so sehr wird sich doch immer das menschliche Gefühl gegen Sullas Behandlung der Besiegten empören. Sulla pulcherrimam victoriam crudelitate, quanta in nullo hominum fuit, inquinavit (Liv. ep. 88). Die Gefangenen liess Sulla am Tage nach der endgültigen [1549] Entscheidung, am 3. November, in eine Einhegung auf dem Marsfeld, das städtische Meierhaus (villa publica Liv. ep. 88) führen und dort gegen sein Versprechen sämtlich, weil es grösstenteils Samniten waren, durch Speerwürfe niederstrecken (τὰ αἰχμάλωτα Σύλλας, ὅτι Σαυνῖται τὸ πλέον ἦν, κατηκόντισεν App. I 93): es waren mehrere Tausend. Das Ächzen und Stöhnen der wehrlos Hingemordeten drang bis zum nahen Tempel der Bellona, so dass die Senatoren, die Sulla dort versammelt hatte, sich entsetzten; sie mussten sich aber von dem Sieger sagen lassen, ,sie sollten auf seine Rede achten und sich nicht um das kümmern, was draussen vorgehe; er lasse nur einige schlechte Leute züchtigen‘ [hoc agamus, P. C., seditiosi pauculi meo iussu occiduntur), und ohne eine Miene zu verziehen, fuhr der Anordner des Blutbades in seinem Vortrag fort (Plut. Sull. 30. Oros. V 21, 1. Val. Max. IX 2, 1. Dio frg. 109, 5. Dion. Hal. V 77. Sen. de clem. I 12, 2; de ben. V 16, 3. Aug. de civ. Dei III 28). Die Roheit, mit der Sulla nach erfochtenem Siege selbst den Senat behandelte, liess nichts Gutes ahnen; aber selbst die schlimmsten Befürchtungen wurden von der Wirklichkeit noch übertroffen. Mochten die Schrecken des vorangegangen Bürgerkrieges noch so gross sein, all die ausgestandene Not war doch nur ein kleines Übel gegenüber den unsagbaren Leiden, mit denen Sulla an der Schwelle des Friedens Stadt und Land durch seine unersättliche Rachgier heimsuchte (Vell. II 28 videbantur finita belli civilis mala, cum Sullae crudelitate aucta sunt). Der Held von Aquae Sextiae, auf den Sulla einst seine Reiter losgelassen hatte, ruhte seit mehr als vier Jahren im Grabe, aber selbst dort liess ihm sein ehemaliger Quaestor keine Ruhe. Sulla liess das Grab des Marius wieder aufreissen und die Gebeine des grossen Toten in den Anio streuen (Cic. de leg. II 56. Val. Max. IX 2, 1); die Denkmäler seiner Siege über Africaner und Germanen, die auf dem Capitol aufgestellt waren, wurden umgestürzt und alle seine Verordnungen für nichtig erklärt (Vell. II 43. Suet. Caes. 11. Plut. Caes. 6). Damit ist der Geist gekennzeichnet, der jetzt in Rom einzog. Wer in seiner Verfolgungswut nicht einmal vor dem Grabe Halt machte, wessen war der gegen die Lebenden fähig? In der Schlacht am collinischen Thor war das letzte bundesgenössische Heer, das noch gegen Sulla im Felde. gestanden hatte, verblutet; selbst die Gefangenen hatte Sulla bis auf den letzten Mann umbringen lassen. Das Ganze war drüben vernichtet; es lebten nur noch einzelne, die gegen ihn gefochten hatten. Aber auch diese wollte Sulla vom Erdboden vertilgt wissen. Bellum erat, ut qui feriebatur, si posset, feriret: pax autem, non ut qui evaserat viveret, sed ut moriens non repugnaret (Aug. d. civ. D. III 28). Nicht nur jeden, der nach dem seiner Behauptung zufolge rechtmässig abgeschlossenen Waffenstillstand zwischen ihm und Scipio (671 = 83) in dem Heere der Verbündeten noch weiter eine Führerstelle bekleidet hatte, sondern überhaupt jeden, der seitdem noch für die Sache des Demokratie thätig gewesen war, sei es im bürgerlichen Amt oder im Dienst mit der Waffe oder durch eine Unterstützung mit Geld oder durch irgend eine Begünstigung, [1550] wie das Erweisen von Gastfreundschaft, jeden, für den dies zutraf, erklärte Sulla nach Kriegsrecht (Flor. II 11, 3) vor den zitternden Bürgern für vogelfrei (App. I 95). So gehässig die Ächtung von Gegnern, die ihm nicht mehr schaden konnten, an und für sich war, noch dazu in diesem Umfang, so war doch das Erschreckendste daran die Dehnbarkeit des von Sulla aufgestellten Schuldbegriffes; was konnte unter Begünstigung der Volkspartei nicht alles verstanden werden! Die Unbestimmtheit des Umfanges der erfolgten Ächtungen musste gemeine Naturen dazu reizen, unter dem Deckmantel der politischen Verfolgung die eigene Rachsucht oder Habgier zu befriedigen, vgl. Ciceros Rede für Cluentius. Sulla aber, der mit dem Leben römischer Bürger ärger spielte (Flor. II 9, 26) als ein orientalischer Herrscher (vgl. Dio frg. 109, 8), war gefällig genug, seinen Creaturen jede Eigenmächtigkeit zu gestatten (Plut. Sull. 31). Als daher das grosse Würgen erst begonnen hatte, gab es kein Einhalten mehr, und nicht nur unter den Demokraten wurde furchtbar aufgeräumt, sondern auch vielen Unschuldigen (Vell. II 28, 4) deshalb ein gewaltsames Ende bereitet, weil sie einen Feind hatten (quis illos potest computare, quos in urbe passim quisquis voluit occidit? Flor. II 9, 25). So kam es, dass selbst viele Parteigenossen Sullas, und gewiss waren dies nicht die schlechtesten, den Todesstreich empfingen (Oros. V 21, 1). Wo so viel Blut vergossen wurde, schien die Schändung von Frauen und Knaben kaum noch ein nennenswertes Verbrechen (Dio frg. 109, 11). Allen niederen Trieben, die in einem geordneten Staatswesen durch Recht und Sitte in Schranken gehalten werden, war Thür und Thor geöffnet.

Gegen diese Anarchie wurden alsbald aus Sullas eigenem Lager Stimmen laut. Der junge C. Caecilius Metellus (Bd. III S. 1203) wagte es, an Sulla in voller Senatsversammlung die Frage zu richten, wie lange die allgemeine Verwirrung noch dauern solle. ,Wir bitten nicht‘, so fuhr er mit eisiger Schärfe fort, ,für diejenigen, die du zu töten beschlossen hast, sondern wir bitten, diejenigen, die du am Leben lassen willst, von der Furcht und Ungewissheit zu befreien‘ (Plut. Sull. 31). Und Q. Lutatius Catulus, dessen Vater Sulla schrecklich rächte, stellte die Frage: ,Wer soll neben uns noch am Leben bleiben, wenn wir im Kriege die Bewaffneten und im Frieden die Wehrlosen töten?‘ (Oros. V 21, 2). Als Sulla dafür nur die Antwort übrig hatte, er wisse nicht, wen er am Leben lassen solle, wurde ihm erwidert, er solle dann wenigstens diejenigen nennen, die er bestrafen wolle. Diesen Vorschlag machte entweder Metellus oder der Centurio L. Fufidius, den Sulla zu der Würde eines Senators erhoben hatte (Plut. Sull. 31). Der Centurio soll Sulla durch die Bemerkung umgestimmt haben, man müsse deshalb Leute am Leben lassen, damit man weiter commandieren könne (Flor. II 9, 25. Oros. V 21, 3. Aug. d. civ. D. III 28: donec Sullae suggereretur sinendos esse aliquos vivere, ut essent, quibus possent imperare, qui vicerant). Nach dem Zwischenfall im Senat wurden die Namen der Geächteten durch öffentlichen Anschlag auf dem Markt bekannt gemacht, d. h. proscribiert. [1551] An und für sich war auch dies Verfahren in seiner Rechtlosigkeit unerhört (poena in cives Romanos nominatim sine iudicio constituta, Cic. de domo 43); aber so weit war es in dem freien Rom nun einmal gekommen, dass die Anzeige der widerrechtlich Geächteten als ein Zugeständnis erschien (Mommsen St.-R. II 736; vgl. über den Begriff proscriptio Strafrecht 938, 1). Freilich wurde der Zweck der Proscription, dem Morden ein Ziel zu setzen, von vornherein dadurch vereitelt, dass Sulla die Liste beständig ergänzte. Dem ersten Verzeichnis, das 80 Namen enthielt, darunter die der Consuln des laufenden und des vorhergehenden Jahres, auch die des gefürchteten Praetoriers Q. Sertorius, liess Sulla, aufgebracht über seine Verurteilung durch die öffentliche Meinung, bereits am andern Tage ein neues mit 220 Namen und Tags darauf wieder ein neues mit ebensoviel Namen folgen. Dann sagte Sulla in einer öffentlichen Rede an das Volk, er habe jetzt nur die, auf die er sich besinnen könne, in die Acht erklärt; die andern, die ihm entfallen seien, wolle er ein anderesmal verdammen (Plut. Sull. 31). Die entsetzliche Ungewissheit wurde also nicht beseitigt, um so weniger, als Sulla seinen Werkzeugen auch jetzt jede Willkür nachsah. Ne in ipsis quidem tabulis fides ac finis malorum videbatur. namque alios, quos proscripserant, iugulabant; alias autem postquam iugulaverant, proscribebant (Oros. V 21, 5). So wenig sich Sulla in den Achtserklärungen an die Mitwirkung des Senats band, so wenig beschränkte er sich auf die bis dahin mit der Ächtung verbundenen Strafen, die Aberkennung von Leben und Vermögen. Er erklärte die Söhne und Enkel eines Geächteten für ehrlos und schloss sie damit von den Ämtern aus; waren sie senatorischen Standes, so wurden sie gleichwohl verpflichtet, die senatorischen Lasten zu übernehmen (Plut. Sull. 31. Vell. II 28, 4). Mit den Geächteten wurden diejenigen gleichgestellt, die bereits im Kampfe gegen ihn gefallen waren (Cic. pro Rosc. Amer. 126). So hart wurden nach dem ältesten Recht selbst diejenigen nicht gestraft, die die Waffen gegen ihr Vaterland getragen hatten. Solus omnium post memoriam hominum supplicia in post futuros composuit, quis prius iniuria quam vita certa esset (Sall. frg. 55, 6). ,Mit berechtigtem Selbstgefühl machten die Römer der Republik den Griechen gegenüber geltend, dass es bei ihnen unerhört sei, über die Einziehung des väterlichen Vermögens hinaus die Kinder und die Nachkommen noch persönlich büssen zu lassen für die Verschuldung ihrer Väter; Sulla dagegen wich von diesem ehrbaren Herkommen ab und entzog den Nachkommen der von ihm Geächteten die Wählbarkeit‘ (Mommsen Strafrecht 593). Der von Sulla befolgte Ausschluss der Nachkommen der Proscribierten von den politischen Rechten und die Erstreckung des Majestätsverbrechens von den Eltern auf die Kinder lassen sich unter den Begriff der Strafe nicht bringen. Dass diese die Erben und die Kinder der Schuldigen nicht treffen kann, sprechen die Rechtsbücher (Digesten) bestimmt aus‘ (ebd. 986, 1). Wer sich eines Geächteten annahm, und war es auch der nächste Verwandte, wurde mit dem Tode betraft; wer dagegen einen Geächteten aus dem Wege räumte, erhielt zwei Talente, d. h. über 9000 ℳ., [1552] vom Quaestor ausgezahlt (Senec. de provid. III 8), auch ein Sclave durfte sich diesen Preis gegen seinen Herrn verdienen (Plut. Sull. 81. Cat. min. 17). Primus ille, et utinam ultimus, exemplum proscriptionis invenit, ut, in qua civitate petulantis convici iudicium histrioni exoleto redditur, in ea iugulati civis Romani publice constitueretur auctoramentum, plurimumque haberet, qui plurimos interemisset, neque occisi hostis quam civis uberius foret praemium, fieretque quisque merces mortis suae (Vell. II 28, 3). Die Köpfe der Ermordeten liess Sulla in sein Haus bringen (Plut. Cat. min. 3. Val. Max. III 1, 2) und öffentlich auf dem Markt ausstellen, zunächst auf der Rednerbühne (App. I 94) und dann, als hier der Raum fehlte, am servilischen Brunnen, da wo der Vicus iugarius in den Marktplatz einmündete (Cic. pro Rosc. Amer. 89. Senec. de prov. 3, 7). Die eingezogenen Güter wurden gleich der feindlichen Beute auf dem Markt öffentlich versteigert, und dafür die hohe Summe von 350 Millionen Sesterzen (über 80 Millionen Mark) eingenommen (Liv. ep. 89). Den Hauptgewinn trugen aber Sulla selbst und seine Günstlinge aus den Versteigerungen davon. Er führte in der Regel persönlich den Vorsitz bei dem Geschäft, und es kam ihm nicht darauf an, einem, der ihm gefällig war, und war es auch nur sein Gesellschafter, die schönsten Besitzungen für ein Spottgeld zuzuschlagen oder gar zu schenken; mochten dann andere noch so viel bieten, so kehrte er sich nicht daran, denn was er verkaufte, war ja, wie er selbst sagte, ,seine Beute‘ (Cic. Verr. III 81. Plut. Sull. 33; comp. Lys. c. Sulla 3. Vell. II 22, 5). So erstand Sullas Freigelassener Chrysogonus die Güter des Sex. Roscius im Werte von 6 Millionen Sesterzen (1 371 000 ℳ.) für 2000 Sesterzen (456 ℳ.), d. h. er zahlte nur den dreitausendsten Teil des Wertes (Cic. pro Rosc. Amer. 6). Ein sullanischer Centurio brachte es zu einem Vermögen von 10 Millionen Sesterzen (2 183 000 ℳ.), Ascon. p. 81, 16. Keiner aber bereicherte sich damals schamloser als M. Licinius Crassus (Plut. Crass. 2; comp. Nic. c. Crasso 1). Sullas leichtfertiges Treiben inmitten des allgemeinen Elends, seine unausgesetzte Verhöhnung der Besiegten verleitete aber seine Helfershelfer zu unnatürlichen Grausamkeiten. Es wird der Fall berichtet, dass die Verfolger kein Schwert zur Hand hatten und den Geächteten, wie die Hunde ein Stück Wild zerreissen, mit ihren Händen zerfleischten (Aug. d. civ. D. III 28. Flor. II 9, 26). Am widerwärtigsten trat die Verworfenheit des Herrn wie des Dieners in der Behandlung des Praetors M. Malus Gratidianus, eines Adoptivneffen des älteren Marius, zu Tage. Es war ein Mann, der wegen einer Güte und Milde gegen Arme bei der Bürgerschaft sehr beliebt war (Cic. de off. III 80: nemo unquam multitudini fuit carior); jetzt wurde er aus einer Ziegenhütte, in die er sich vor Sullas Schergen geflüchtet hatte, hervorgezogen und dann auf Sullas Befehl gebunden und über den Tiber auf den Ianiculus zum Grabmal es Q. Lutatius Catulus geschleppt, der der Wut eines ehemaligen Collegen, des älteren Marius, nur durch Selbstmord entgangen war. Zur Sühne für den Tod des Catulus wurde Gratidianus an dessen Grabe wie ein Opfertier unter ausgesuchten [1553] Martern langsam hingeschlachtet. Als ein Senator beim Anblick dieser Unmenschlichkeit in Ohnmacht fiel, wurde er ebenfalls umgebracht, denn die vermeintliche Weichherzigkeit machte ihn in den Augen des Henkers strafwürdig (Q. Cic. de petit. cons. 10. Sall. frg. 44f. Liv. ep. 88. Val. Max. IX 2, 1. Flor. II 9, 26. Oros. V 21, 6ff. Sen. de ira III 18. Lucan. Pharsal. II 173–191). Der Henker aber war kein anderer als der Patricier L. Sergius Catilina. Er hatte noch vor der Entscheidung des Krieges seinen Bruder ermordet und dann Sulla mit Erfolg gebeten, den Ermordeten, als wenn er noch lebte, in die Acht zu erklären. Seine Erkenntlichkeit bewies er jetzt mit der grauenvollen Verstümmelung und Tötung des Gratidianus. Er brachte den Kopf dem Sulla, der eben auf dem Markte sass, und ging dann zu dem Weihkessel des nahegelegenen Tempels des Apollon, wo er sich die Hände wusch (Plut. Sull. 32). Nur wenige Geächtete entgingen dem Tode, wie L. Cornelius Scipio (cos. 672 = 82) und der ebenfalls patricische C. Iulius Caesar. Dessen Tante Iulia war die Wittwe des älteren Marius, und er selbst hatte sich in dem Jahr der Landung Sullas mit der Tochter des L. Cornelius Cinna (cos. 667–670 = 87–84) vermählt. Da er sich, weniger nachgiebig als Pompeius, seine junge Gattin Cornelia zu verstossen weigerte, wurde er von Sulla geächtet, aber nach seiner Flucht aus Rom, da ihm seine vornehme Geburt hohe Fürsprache verschaffte, nicht weiter verfolgt. Es wird erzählt, Caesars Gönner hätten Sulla gesagt, er brauche doch den jungen Menschen – Caesar zählte damals höchstens 20 Jahre – nicht zu fürchten, und Sulla erwidert, sie sollten sich hüten, in dem schlechtgegürteten Knaben stecke mehr als ein Marius (Suet. Caes. 1. Plut. Caes. 1. Dio XLIII 43, 4). Sulla behielt es sich vor, die Ächtungsliste erst am 1. Juni 673 = 81 zu schliessen (Cic. pro Rosc. Amer. 128); innerhalb dieser langen Frist wurden 4 700 Namen aufgeschrieben (Val. Max. IX 2, 1). Man zählte darunter die Namen von mehr als 40 Senatoren und mindestens 1600 Rittern (App. b. c. I 95. Flor. II 9, 25). Von den geächteten Senatoren sagt Augustin: Sullana tabula plures iugulavit senatores quam Gothi vel spoliare potuerunt (III 29). Die Ritter, die Geldmänner des damaligen Roms, sassen seit der Gesetzgebung des C. Gracchus über die Senatoren zu Gericht; von ihren Speculationen während der marianischen Confiscationen wurden sie die Einsäckler (saccularii) genannt; jetzt traf sie furchtbare Vergeltung (Ascon. p. 80, 12–16). Die genaueren Angaben über die Bluttafel s. bei Mommsen R. G. II 339 Anm. Aus den Sclaven der Geächteten wählte Sulla die jüngsten und kräftigsten aus und schenkte ihnen Freiheit und Bürgerrecht; es waren mehr als 10 000. Durch diese Cornelii (s. Nr. 4) hielt Sulla seine Herrschaft über die Stadt aufrecht und beherrschte die Volksversammlung (App. I 100). Folgende Inschrift ist erhalten, die die zu einem Collegium vereinigten Freigelassenen ihrem Patron gesetzt haben: L. Cornelio L. f. Sullae Feleici dictatori leiberteini (CIL X 6007, vgl. I 585). Sulla begnügte sich nicht damit, einzelne Personen innerhalb des römischen Reiches zu verfolgen, sondern er belegte auch ganze Gemeinden [1554] in Italien mit den härtesten Strafen (Cic. de dom. 79). Nach der Schlacht bei Orchomenos (668 = 86) hatte Sulla drei boiotische Küstenstädte zerstört; als ihm dann während seines Aufenthaltes in Aedepsus auf Euboia (670 = 84) Fischer aus einer dieser Städte, aus Halae, schöne Tische zum Geschenk brachten, und Sulla hörte, woher die Fischer seien, hatte er sie verwundert gefragt, ob denn noch ein Halaeer am Leben sei, so dass die Fischer vor Schreck verstummten (Plut. Sull. 26). Der Geist schonungsloser Verfolgung, der aus Sullas verwunderter Frage spricht, entlud sich jetzt über die italischen Städte, die ihm widerstanden hatten. Mit der Vernichtung des samnitischen Entsatzheeres war das Schicksal der latinischen Stadt Praeneste besiegelt. Den toten Führern, wie dem Praetor Damasippus und dem heldenmütigen Pontius Telesinus, dem Aristomenes Italiens, liess Sulla den Kopf abschneiden und noch an demselben Tage (Dio frg. 109, 4), am 2. November, nach Praeneste bringen; dann wurden die Köpfe von Ofella um die Mauer herumgetragen (App. I 93). Dasselbe geschah mit dem Kopf eines Opfers der sullanischen Ächtungen, des so grausam gemordeten Praetors M. Marius. Gratidianus, eines Adoptivvetters des jungen Marius. Da sah dieser, dass auch seine Stunde gekommen sei, und ging im Verein mit einem jüngeren Bruder des Pontius Telesinus in den Tod (Oros. V 21, 8. 9. Val. Max. VI 8, 2); den Überlebenden aber entsank der Mut, und sie glaubten den Verheissungen des verräterischen Cornelius Cethegus (Val. Max. IX 2, 1), Sulla werde sie begnadigen, und öffneten Ofella die Thore. Aber Sullas Seele kannte kein Erbarmen; er zeigte den abgeschnittenen Kopf des Consuls Marius, den Ofella hatte nach Rom schicken müssen, allem Volk auf der Rednerbühne und begab sich selbst nach Praeneste, um über die Stadt und ihre Verteidiger das Urteil zu fällen. Von Römern die Senatoren und Anführer, so gut wie alle Praenestiner und sämtliche Samniten wurden umgebracht (App. I 94). Plutarch berichtet über diese Massenhinrichtung (Sull. 32): ,Sulla fing an, jedem besonders den Process zu machen. Weil ihm dies aber zu lange dauerte, liess er alle zusammen, gegen zwölftausend Menschen, an einen Platz bringen und niedermachen, mit Ausnahme eines einzigen, bei dem er wohnte. Dem schenkte er das Leben, aber der Mann besass so viel Edelmut, um Sulla zu sagen, er wolle sein Leben nicht dem Henker seines Vaterlandes zu verdanken haben. Er mischte sich freiwillig unter seine Mitbürger und ward mit ihnen niedergemetzelt‘. Nach diesem grässlichen Strafgericht an denen, die es gewagt hatten, gegen ihn die Waffen zu tragen, wurde die reiche Stadt der Plünderung preisgegeben und ihr Gebiet eingezogen und an Veteranen verteilt (App. a. O.). Sulla verfuhr mit der Besatzung von Praeneste ebenso unmenschlich wie mit den gefangenen Samnitern; das musste die Städte, die sich noch nicht ergeben hatten, zum äussersten Widerstande reizen. Die latinische Stadt Norba nahm M. Aemilius Lepidus nächtlicherweile durch Verrat ein; die Bürger zündeten selbst ihre Häuser an und töteten einander (App. I 94). In Campanien wurde Capua eingenommen und die demokratische Colonie aufgehoben; Nola unterwarf sich erst im [1555] J. 674 = 80; so lange hatte der tapfere Samnitenführer C. Papius Mutilus darin ausgehalten (Liv. ep. 89). Am längsten dauerte der Widerstand in Etrurien, dort öffnete das unbezwingliche Volaterrae erst im J. 675 = 79 seine Thore; die Besatzung hatte sich gegen das Versprechen freien Abzuges ergeben, aber die Consuln liessen sie unterwegs durch einen Reitertrupp niederhauen (Licinian. p. 89. Strab. V 223. Liv. ep. 89). Am schlimmsten durften Sullas Soldaten in Samnium hausen. Hier wurde wahrscheinlich die ehemalige latinische Colonie Aesernia (im J. 674 = 80) eingenommen und zerstört (Liv. ep. 89) und das volkreiche Land in eine Einöde verwandelt; zur Zeit des Augustus sah man statt der blühenden Städte von einst nur noch Wüsteneien oder elende Dörfer (Strab. V 249), und in diesem herabgekommenen Zustand ist das Land bis auf den heutigen Tag geblieben. Der Ruin Italiens bezeichnete Sullas Spuren; die Zeiten des hannibalischen Krieges schienen wiedergekehrt zu sein (Val. Max. IX 2, 1).

Samnium sollte für immer von Menschen verlassen sein und wurde daher nicht wieder bevölkert; in den andern italischen Landschaften dagegen mussten die Bewohner der von Sulla bestraften Städte seinen Veteranen Platz machen und Grundbesitz und Bürgerrecht an die Eindringlinge abgeben (Cic. de dom. 79). So sah man in Lucanien bald nur noch Römer (Strab. VI 254). Im ganzen wurden 23 (App. I 100, nach Liv. ep. 89 sogar 47) Legionen versorgt, und 120 000 Ackerlose verteilt (App. I 104). Am breitesten ergoss sich der Strom der Einwanderung in die Landschaft, die sich am längsten gegen Sullas Herrschaft gewehrt hatte, nach Etrurien; besonders Faesulae wurde stark mit Veteranen belegt (Cic. in Catil. II 20. III 14; p. Mur. 49). Sulla mochte meinen, aus dem unsteten Söldner einen sesshaften Bauern machen zu können, wenigstens verbot er den neuen Ansiedlern den Verkauf ihres Grundstücks (Cic. d. leg. agr. II 78), aber wie verkehrt seine Annahme war, zeigt gerade das Beispiel Etruriens. Die zahlreichen Missvergnügten in diesem Lande, auf die sich später Catilina mit seinen Verschworenen stützte, wurden von einem ehemaligen Centurio der sullanischen Armee gegen die Republik (Sall. Cat. 28) geführt.

Noch nie hatte ein Römer das Recht, um von anderem zu schweigen, in dem Masse gemissachtet, wie Sulla, seine Proscriptionen und sein Vorgehen gegen die italischen Gemeinden waren beispiellose Gewaltthaten; damit sie aber wenigstens nachträglich mit einem Schein von Gesetzlichkeit umkleidet würden, liess sich Sulla bei passender Gelegenheit ein seiner Stellung entsprechendes Amt übertragen (dass die Proscriptionen vor der Übernahme der Dictatur begannen, wird übereinstimmend in allen Quellen berichtet; ein Grund aber, dieses Zeugnis anzuzweifeln, liegt nicht vor; daher ist Mommsens Darstellung in der römischen Geschichte [II 338] zu berichtigen, wie Mommsen das in seinem Staatsrecht [II 736, 5] bereits selbst gethan hat). Der eine Consul, C. Marius, hatte sich selbst das Leben genommen, der andere, Cn. Papirius Carbo, wurde auf Sicilien von Pompeius hingerichtet. Beide Consuln [1556] waren also tot (App. I 98). Nach dem Herkommen hatte der Senat jetzt einen Zwischenkönig zu wählen, und in der That forderte Sulla den Senat auf, diese Handlung vorzunehmen. Die Wahl fiel auf den Princeps senatus L. Valerius Flaccus, der schon zur Zeit der cinnanischen Herrschaft eine vermittelnde Stellung zwischen Sulla und der Volkspartei eingenommen hatte. Währenddessen hatte Sulla des guten Scheins halber die Stadt verlassen, als ob er jede Nötigung des Senats vermeiden wolle, und wirklich hoffte man dort, der Zwischenkönig werde unverzüglich die Consulwahlen abhalten. Aber auch diesmal hatte man sich in Sulla getäuscht, denn er schrieb dem Zwischenkönig, er solle dem Volk vorstellen, dass das Staatswohl die Einsetzung eines Dictators erfordere; er selbst sei bereit, dieses Amt zu übernehmen (App. I 98). Flaccus that, wie ihn Sulla geheissen hatte; er brachte ein Gesetz über die Notwendigkeit einer Dictatur zu stande (Cic. de leg. agr. III 5) und ernannte dann Sulla zum Dictator (Cic. ad Att. IX 15, 2). In dem valerischen Gesetz wurden alle Handlungen genehmigt, die Sulla als Consul und als Proconsul vollzogen hatte (App. I 97), z. B. seine Anordnungen in Asien (Plut. Sull. 33), seine Proscriptionen (Cic. pro Rosc. 126), seine Confiscationen und Assignationen. Alle rechtliche Gewalt war auf ihn übertragen, Leben und Gut jedes Bürgers in seine Hand gegeben, und ihm auf unbestimmte Zeit unbeschränkte Vollmacht erteilt ,zur Abfassung von Gesetzen und zur Ordnung des Gemeinwesens‘ (legibus scribundis et reipublicae constituendae) (App. I 99). Den Namen für seine Würde entlehnte Sulla der seit dem hannibalischen Kriege, genau seit 120 Jahren, thatsächlich abgeschafften Dictatur (Plut. Sull. 33. Vell. II 28; vgl. CIL I² p. 23), wie er denn auch seinen Geschäftsträger, den Princeps senatus und Interrex L. Valerius Flaccus, zum Magister equitum ernannte (CIL I² p. 27. 36); verrieten aber die ihm zuerkannten Befugnisse (leg. scrib. et reip. const.), die zu seiner förmlichen Amtsbezeichnung gehörten, dass es sich bei Sulla um mehr als um ein militärisches Amt handelte, so setzte sich Sulla auch dadurch recht augenfällig über das Herkommen hinweg, dass er mit 24 Lictoren, doppelt so vielen als dem Dictator innerhalb des Pomeriums zustanden (Mommsen St.-R. I 383, 4. II 710) in die Stadt einzog (Liv. ep. 89).

Erst jetzt durften die Consulwahlen erfolgen; ja man musste froh sein, dass Sulla dazu überhaupt die Erlaubnis gab. Wahrscheinlich spielte sich schon damals der Fall des Ritters Q. Lucretius Ofella ab. Vgl. Lengle Unters. ü. d. Sullan. Verfassung (Freiburg, Dissert. 1899) 22 A. Er hatte Praeneste in Sullas Gewalt gebracht und glaubte zum Lohn für diesen Dienst, ohne je ein curulisches Amt bekleidet zu haben, das Consulat beanspruchen zu dürfen. Aber so viel Sulla auch bei andern übersah, so wollte er doch von dem alten Marianer nichts hinnehmen. Er verbot ihm die Bewerbung; aber Ofella trat trotzdem eines Tages auf dem Markt vor das Volk und brachte viele Stimmen hinter sich. Sulla sass währenddessen in der Vorhalle des Castortempels auf seinem Amtssessel; er sah den Vorgang mit zornfunkelnden Augen und geröteten [1557] Wangen an und entsandte einen Senator aus seiner ständigen Umgebung, einen Onkel des Catilina, L. Bellienus, mit dem Befehl, den Ungehorsamen niederzustossen (Ascon. p. 81, 20; vgl. Bd. III S. 253 Nr. 5). Der Senator gehorchte und that dasselbe an Ofella, was einst im J. 315 = 439 v. Chr. der Reiteroberst des Dictators L. Quinctius Cincinnatus, C. Servilius Ahala, an dem volksfreundlichen Sp. Maelius verübt hatte. Als das empörte Volk den Mörder unter lautem Ruf nach Sühne vor Sullas Richterstuhl schleppte, gebot der Dictator Stillschweigen und wies die irrenden Bürger durch die Erklärung zurecht, dass er die That befohlen habe (Plut. Sull. 83; comp. Lys. c. Sull. 2. Liv. ep. 89). Er liess den Bellienus in Freiheit setzen und schüchterte die Versammlung durch folgende nicht misszuverstehende Erzählung ein: ein Bauer sei beim Pflügen von Läusen geplagt worden und habe seinen Rock ausgezogen und gereinigt. Er habe dies noch ein zweitesmal gethan; als aber auch dann das Beissen nicht aufgehört habe, habe er Rock wie Läuse verbrannt (App. I 101). Das Consulat erhielt für 673 = 81 neben dem Plebeier M. Tullius Decula der Patricier Cn. Cornelius Dolabella Nr. 134 (CIL I² p. 154), der in der Schlacht am collinischen Thor unter Sulla als Legat gefochten hatte (Plut. Sall. 29).

Mitten in dem allgemeinen Elend, das er angerichtet hatte, zu einer Zeit, wo die Ächtungsliste noch nicht abgeschlossen war, im Besitz der dictatorischen Gewalt, die einer Alleinherrschaft gleichkam, feierte Sulla Ende Januar 673 = 81 (CIL I² p. 49) einen zweitägigen Triumph (Plin. n. h. XXXIII 16). Er sollte der Besiegung des Mithridates gelten (App. I 99. Val. Max. II 8, 7), aber die wirklichen Verhältnisse im Osten waren zu einer solchen Feier gerade damals am wenigsten angethan. Denn kurz zuvor hatte L. Licinius Murena, den Sulla nach dem eilfertig abgeschlossenen Frieden zu Dardanos mit den beiden von Fimbria abgefallenen Legionen in Asien als Statthalter zurückgelassen hatte, auf einem Raubzuge gegen Mithridates eine schmähliche Niederlage erlitten, die den Verlust Kappadokiens bedeutete. Nicht der auswärtige Feind lag am Boden (vgl. Cic. p. leg. Manil. 8. Flor. I 40, 11), sondern die römische Volkspartei, die Marius zu ihrem Helden erhoben hatte; daher wurde in diesem Triumph eigentlich Sullas Sieg im Bürgerkriege verherrlicht. Das zeigte sich unter anderem auch darin, dass an dem zweiten, dem Haupttage, an dem Sulla selbst auftrat, die Vertriebenen vom Adel, die dem Dictator ihre Rückkehr verdankten, mit Kränzen geschmückt seinem Wagen folgten und ihn als ihren Wohlthäter priesen (Plut. Sull. 34). Vgl. die Münzen mit dem an seinen Triumph erinnernden Viergespann und der Aufschrift L. Sulla Imperator (Babelon II 177f.).

Sulla war durch seine Sinnesart wie durch seine Erlebnisse früh zu dem Glauben gekommen, er müsse in allem seinem Thun das Beste vom Zufall erwarten (Plut. Sull. 6); er zeigte daher die grösste Verehrung für die Gottheit, deren Gunst die Spieler um das Gelingen des grossen Wurfes anriefen, die sieghafte Göttin Venus (vgl. Plut. Sull. 19, auch die Münzen mit ihrem Bildnis Babelon I 406–412), und fand ein besonderes [1558] Vergnügen daran, sich ein Glückskind nennen zu hören (App. I 97). Die Bezeichnung ,der Glückliche‘ hatte er aber erst nach dem Tode des jungen Marius als förmlichen Beinamen angenommen (Vell. II 27, 5. Aur. Vict. de vir. ill. 75); er teilte dies an dem Tage seines Triumphes nach beendetem Aufzuge dem versammelten Volk in einer Rede mit und sprach zum Schluss das Verlangen aus, dass man sich künftig in seiner Benennung nach seinem Vorgange richte (Plut. Sull. 34). Als man ihm daher auf dem Markt vor der Rednerbühne ein vergoldetes Reiterstandbild setzte – er war der erste Römer, der sich in dieser Weise ehren liess (Cic. Phil. IX 13) – versah man es mit der Inschrift: Cornelio Sullae Felici dictatori (App. I 97, vgl. CIL I 584 und das Reiterstandbild mit der Inschrift: Lucio Sullae Felici dictatori auf der Rückseite einer Goldmünze, Babelon II 179). Wenn er an die Griechen schrieb, so nannte er sich Ἐπαφρόδιτος, Günstling der Ἀφροδίτη (vgl. Diodor. frg. XXXVIII 15; Plutarch sah noch in seiner Heimat Boiotien auf Siegesdenkmälern Inschriften mit diesem Beinamen; in den letzten Jahren sind solche Inschriften, von der Hafenstadt Oropos gesetzt, wieder zu Tage getreten, IGS I 264. 372. 413; vgl. Mommsen Herm. XX 283, auch Ἐφημ. ἀρχ. 1891, 137 nr. 59). Sullas Glück schien sich zu vollenden, als ihm Metella Zwillinge gebar, er nannte sie Faustus und Fausta (Plut. Sull. 34).

Sullas Gesetzgebung. Leben, Gut und Ehre hatte Sulla seinen politischen Gegnern genommen, aber bei der Vernichtung der Personen blieb er nicht stehen; auch die Einrichtungen, aus denen sie ihr Recht abgeleitet hatten, sollten fallen. Vgl. über seine Gesetzgebung H. Fritzsche Die sullanische Gesetzgebung, Essen 1882, und J. Lengle Untersuchungen über die sullanische Verfassung, Freiburg Diss. 1899. Die seit vierzig Jahren bestehende gracchische Verfassung wurde von Grund aus beseitigt. Sulla schaffte die regelmässige Getreideverteilung an die hauptstädtische Plebs ab (Sall. frg. 55, 11); den Rittern entzog er durch die Verwandlung der asiatischen Gefälle in feste Abgaben ihre Haupteinnahmen und nahm ihnen die Geschworenengerichte wieder ab (Cic. in Verr. act. I 37). Auch das Gesetz des Cn. Domitius Ahenobarbus (eines Ahnen des Kaisers Nero) vom J. 650 = 104, das die Wahlen zu sämtlichen höheren Priesterämtern dem Volk überliess (Dio XXXVII 87, 1), sowie ein bedeutend älteres über die Wahl des Oberpontifex und des Obercurio durch das Volk hob Sulla auf und gab den Priestercollegien das Recht der Selbstergänzung (Cooptation) zurück (Ps.-Ascon. p. 102, 23). Sulla ging in der Auflösung der geltenden Ordnungen noch weiter, er legte seine Hand auch an die Schöpfung des römischen Geistes, die Jahrhunderte hindurch den Schutz des Schwachen gegen den Starken gesichert hatte. Den Eckstein der römischen Verfassung bildete seit vielen Generationen das Recht des Tribunen, mit seinen Standesgenossen nach eigenem Ermessen zu verhandeln, entweder, um einen ungetreuen Beamten vor Gericht zu ziehen oder um ein Gesetz herbeizuführen; alle, bürgerliche Freiheit in Rom beruhte darauf. Das Volksgericht wurde von Sulla im Zusammenhang mit der Neuordnung des Gerichtswesens, [1559] wo nicht förmlich, so doch thatsächlich abgeschafft (Cic. Verr. act. I 38); aber auch das Recht, einen bindenden Beschluss zu fassen, wurde dem Volk verkümmert. Sulla schärfte eine alte Verordnung wieder ein, dass die Tribunen gehalten seien, zur Verhandlung über einen Antrag die Erlaubnis des Senats einzuholen; das war so gut, als wenn den Tribunen jedes Recht der Gesetzgebung genommen werde (Liv. ep. 89 tribunis omne ius legum ferendarum ademit, vgl. Vell. II 30, 4 tribuniciae potestatis Sulla imaginem sine re reliquit und App. I 100). Sulla griff damit auf Zustände zurück, wie sie vor dem hortensischen Gesetz (um 467 = 287) geherrscht hatten; es war eine ungeheuerliche Restitution, für die die Geschichte nur wenige Beispiele bietet. Auch das Einspruchsrecht der Tribunen (ius intercedendi) wurde wesentlich beschränkt (Cic. Verr. act. II 1, 155), und so blieb ihnen ungeschmälert nur ihr ursprüngliches Recht, mit dem sie nach der Auswanderung auf den heiligen Berg in das öffentliche Leben eingetreten waren, das ius auxilii ferendi (Cic. de leg. III 22). Am meisten aber suchte Sulla das Volkstribunat durch die Bestimmung herabzuwürdigen, dass die Übernahme dieses Amts unfähig mache zur Bewerbung um die ursprünglich patricischen Ämter, die Praetur und das Consulat (App. I 100. Ascon. in Cic. Cornel. p. 59, 6. 70, 1). Über die Schwächung der tribunicischen Gewalt vgl. Lengle a. O. 10–16. Die Rechte, die Sulla den Rittern und in der Schwächung des Tribunats dem Volke nahm, gab er dem Senat zurück. Er verlieh ihm wieder die Gerichtsbarkeit und machte die Beantragung eines Gesetzes von seiner Zustimmung abhängig. Ein inschriftlich erhaltenes Plebiscit vom J. 683 = 71 trägt den Vermerk ,nach dem Gutachten des Senats (de senatus sententia)‘ (CIL I p. 114, vgl. Bruns Font. iur. Rom. p. 94). Da für den Umfang der in den Gerichten und in der Verwaltung zu leistenden Arbeit die bisherige Stärke des Senats nicht ausreichte, erhöhte Sulla die Zahl seiner Mitglieder auf das Doppelte, von 300 auf 600 (App. I 100. Liv. ep 89); vgl. Mommsen R. G. II 348 A. Sulla bestimmte zu Senatoren nicht nur Angehörige des Ritterstandes, sondern auch Centurionen und andere Leute ohne politische Bildung, von denen er keinen Widerspruch zu erwarten hatte (Dionys. Hal. V 77): die von ihm aufgestellten Candidaten liess er durch das Volk zu ihrer neuen Würde wählen (App. I 100). Wie bei dem Senat, so erforderten erst recht bei den Beamten die seit langem gesteigerten Anforderungen an die Leistungen eine Vermehrung der vorhandenen Kräfte. Sulla begnügte sich damit, die Zahl der Quaestoren, die sicher mehr als 8 betrug, auf 20 (Tac. ann. XI 22, vgl. Mommsen R. G. II 347 A. 356 A.) und die der Praetoren von 6 auf 8 zu erhöhen (nach Mommsen ( St.-R. II 200). Von dem Quaestorengesetz ist noch die achte Tafel vorhanden, die die Vorschriften für die Unterbeamten (Apparitores) enthält (CIL I 202 und Bruns Fontes 96). Es ist bezeichnend für Sulla, dass er auch die Priesterstellen vermehrte, und zwar in verhältnismässig grösserem Umfang als die Staatsämter. Er erhöhte die Zahl der Pontifices und Augures von [1560] 9 (seit 454 = 300) auf 15 (8 Plebeier und 7 Patricier) und erweiterte das Collegium der Decemviri sacris faciundis, dem die Überwachung der fremden Gottesdienste oblag, zu dem der Quindecimviri (Lengle a. O. 1–9). Die Ämterlaufbahn unterwarf Sulla alten Vorschriften, die bis in die Zeit des ersten Samniterkrieges zurückreichten. Damals (im J. 412 = 342) war die Bestimmung ergangen, dass man sich nur nach Ablauf von zehn Jahren zum zweitenmal um das Consulat bewerben dürfe (Liv. VII 42); die Innehaltung dieser Frist machte Sulla wieder zur Regel (App. I 100). Schon vor dem hannibalischen Kriege war der unmittelbare Übergang von einem patricischen Amt zum andern verboten worden (Mommsen St.-R. I 524); dann hatte im J. 574 = 180 die Lex Villia annalis ein biennium zwischen der Bekleidung zweier verschiedenen Ämter verlangt und mit Aufstellung des certus ordo magistratuum die Reihenfolge der Ämter geregelt (Mommsen a. O. 529). Dieses Gesetz erneuerte Sulla (App. I 100 στρατηγεῖν ἀπεῖτε πρὶν ταμιεῦσαι καὶ ὑπατεύειν πρὶν στρατηγῆσαι, vgl. 121) und setzte als Altersgrenze für die Praetur das vierzigste, für das Consulat das dreiundvierzigste Lebensjahr fest (nach Mommsen St.-R. I 567). Für die Quaestur forderte Sulla wahrscheinlich das siebenunddreissigste Lebensjahr (Mommsen a. O. 570); an die Bekleidung dieses Amtes band Sulla den Eintritt in den Senat (Tac. ann. XI 22) und nahm damit dem Censor seine wichtigste Befugnis, die Ergänzung (lectio) des Senats.

Wie Sulla das Volkstribunat schwächte, so beschränkte er auch die ursprünglich patricischen Ämter, Consulat und Praetur, indem er die militärische Gewalt von der bürgerlichen schied. Künftig sollten die beiden Consuln gleich sämtlichen acht Praetoren ihren Dienst nur in der Hauptstadt versehen und erst dann, nach Ablauf ihres Amtsjahres, als Proconsuln, wie die Praetoren als Propraetoren, ein jeder auf ein Jahr in eine der zehn Provinzen gehen (Mommsen St.-R. II 200). Wurde die Erstreckung der Amtsfrist auf ein zweites Jahr auch die Regel, so entschied darüber doch jedesmal der Senat; er allein bestimmte auch, welche beiden Provinzen die Consuln im zweiten Jahr zu übernehmen hätten, und diese mussten sich dann vereinbaren oder losen (Cic. de prov. cons. 3). Im Zusammenhang mit der neuen Geschäftsordnung der Beamten wurde festgesetzt, dass jeder Statthalter binnen dreissig Tagen nach Eintreffen seines Nachfolgers die Provinz zu verlassen habe (Cic. ad fam. III 6, 3). Es kam Sulla darauf an, das militärische Commando (das imperium) durchaus dem Senat unterzuordnen (Cic. ad fam. I 9, 25) und auch durch dieses Mittel die Macht des Senats zu steigern. Da nach der Vertreibung zahlreicher italischer Grundbesitzer und der dafür erfolgten Ansiedelung der Veteranen ganz Italien nur noch von römischen Bürgern bewohnt wurde, stellte Sulla das Land dem Stadtgebiet gleich; es sollte wie die Hauptstadt fortan nur von den ordentlichen Beamten, den Consuln, verwaltet werden und ebenfalls keine Truppen dulden dürfen. Thatsächlich hielt ja Sulla das Land durch seine Veteranen nieder; mit ihrer Ansiedelung war eine gewaltsame [1561] Romanisierung Italiens verbunden. Wo die alten italischen Eidgenossenschaften noch bestanden, wurden sie für immer aufgelösst. An die Stelle der bisherigen ortsüblichen Obrigkeiten wurden den römischen Consuln entsprechend in allen Municipien zwei oberste Beamte gesetzt, die als die ordentlichen Richter Duumviri iure dicundo genannt wurden; sie wurden unterstützt von zwei Marktrichtern, Duumviri aedilicia potestate (Liebenam Städteverwaltung im Röm. Kaiserreiche 1900, 255). Wie in dem Gemeindewesen, so trat auch auf anderen Gebieten mit dem Vordringen des römischen Geistes die Einförmigkeit an die Stelle der Mannigfaltigkeit. Die alten Landessprachen, das Etruskische und das Oskische, unterlagen der anziehenden Kraft des Lateinischen. Ein Beispiel für den Übergang von dem ursprünglichen Volkstum zu dem neuen römischen Wesen bieten die Denkmäler von Pompeii, das zu den mit sullanischen Veteranen belegten Städten gehörte (Nissen Pompeianische Studien 93). Die Grenze Italiens rückte Sulla im Norden über den Aesis hinaus bis an den Rubico vor. Für diese Erweiterung des der Stadt gleichgestellten italischen Gebietes durfte Sulla den Mauerring, das pomerium, von Rom selbst verschieben (Senec. de brev. vitae 13, 8 Sullam ultimum Romanorum protulisse pomoerium, quod nunquam provinciali, sed Italico agro acquisito proferre moris apud antiquos fuit. Dio XLIII 50), vgl. Mommsen R. G. II 353 A. Das oberitalische Gallien richtete Sulla als Provinz ein, so dass es jetzt deren zehn gab; die Sonderstellung der Transpadaner – man hatte ihnen im J. 665 = 89 nur das latinische Recht gewährt – hob Sulla nicht auf; vgl. Mommsen a. O. 354 und III 4.

Sullas Hauptverdienst ist der Ausbau des Strafrechts durch Vermehrung der stehenden Gerichtshöfe (quaestiones perpetuae). Schon seit dem J. 605 = 149 bestand ein eigener Gerichtshof für Erpressungen; auch Mord und andere Amtsvergehen als Erpressung wurden sicher schon vor Sulla in Schwurgerichten abgeurteilt. Nach Sullas Vermehrung der Gerichtshöfe gab es deren sieben, vier für folgende Amtsvergehen: 1) Erpressungen (quaestio repetundarum), 2) Wahlbestechung (quaestio ambitus), 3) Unterschlagung öffentlicher Gelder (quaestio peculatus), 4) jede Verletzung der Hoheit des römischen Namens (quaestio maiestatis), und drei für folgende gemeine Verbrechen: 5) Mord (quaestio inter sicarios = Meuchelmörder und quaestio veneficii = Giftmischerei; s. die Zusammenstellung der einzelnen Bestimmungen bei Bruns Fontes 93), 6) Fälschung von Testamenten und Münzen (quaestio de falsis), 7) Ehrverletzung (quaestio iniuriarum). Zu Vorsitzern der Schwurgerichte wurden die nach der Vermehrung der Stellen verfügbaren sechs Praetoren bestimmt – dem Praetor urbanus wie dem Praetor peregrinus blieben die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten –, und da ihre Zahl noch nicht ausreichte, zu ihrer Aushülfe gewesene Aedilen als iudices quaestionis bestellt, namentlich für das stark belastete Mordgericht, das nicht nur für Meuchelmord und Giftmischerei, sondern auch für Brandstiftung und falsches Zeugnis zuständig war. Zu dem sullanischen [1562] Mordgesetz bemerkt Mommsen (Strafrecht 258, 2): ,Sulla hat wohl die Proscriptionen angeordnet, aber zugleich sie für die Zukunft mit der Mordstrafe belegt‘. Bezeichnend für Sulla ist auch, dass er dem Begriff ,Majestätsverbrechen‘ den weitesten Umfang gab; nicht nur Hochverrat, sondern auch jedes Amtsvergehen sollte darunter verstanden werden. Zwar sagt Tacitus im Vergleich zur Kaiserzeit: facta arguebantur, dicta impune erant (ann. I 72), aber die Gefahr böswilliger Angeberei war doch schon mit dem sullanischen Majestätsgesetz verbunden; das meint Cicero mit seiner Äusserung: ea est maiestatis vis, et sic involuta, ut in quemvis impune declamare liceat (ad fam. III 11). Soweit die Beamten künftig nicht mehr von dem Volksgericht, sondern von einem ständigen Gerichtshof zur Verantwortung gezogen wurden, ging dem Volkstribunat eine seiner wichtigsten Befugnisse verloren. Vgl. über Sullas Strafgesetze ausser Mommsens Strafrecht (1899) besonders die eingehenden Untersuchungen von J. Lengle a. O. 17–70.

Sulla hatte von der Macht des Staates einen so starken Begriff, dass er auch die Sittenverbesserung in den Kreis seiner Gesetzgebung zog. Er bekämpfte den Ehebruch (Plut. comp. Lys. c. Sull. 3) und die namentlich bei Gastmählern und Begräbnissen (Plut. Sull. 35) hervortretende Verschwendungssucht (Gell. II 24, 11. Macrob. sat. III 17, 11); auch im Leben des einzelnen wurde eine Umkehr zu den alten Zeiten, verlangt.

Sullas dictatorische Gesetzgebung, zu der allerdings in der Regel Volk und Senat mitwirken mussten, gehört im wesentlichen dem J. 673 = 81 (vgl. Cic. pro Rosc. Amer. 139) an. Im folgenden Jahr (674 = 80) bekleidete Sulla bereits wieder mit Q. Caecilius Metellus Pius das ordentliche Oberamt, das Consulat, und für das Jahr darauf (675 = 79) verzichtete Sulla selbst auf diese Würde (App. I 103). Bald nach dem Amtsantritt der neuen Consuln, der beiden Patricier P. Servilius Vatia, der später den Beinamen Isauricus erhielt, und App. Claudius Pulcher, legte Sulla förmlich die Dictatur nieder. Er teilte seinen Entschluss dem versammelten Volk mit und erklärte sich zur Rechenschaft bereit. In dieser Äusserung schien echter Römersinn zu liegen, und doch war sie nichts als ein Spiel mit schönen Worten; denn seine Gegner hatte Sulla umgebracht, den Tribunen den Mund geschlossen und zehntausend handfeste Freigelassene zu seiner Bewachung in der Hauptstadt angestellt, wie er Italien durch seine Veteranen im Zaum hielt (App. I 104). ,Dies Erbieten zur Rechenschaft klingt wie ein Hohn über die zerschmetterte Nation. Der Freistaat war eigentlich dahin, als man sein Bestehen der Gnade Sullas verdankte‘ (Hoeck R. G. I 82. 86).

Nach seiner Abdankung bezog Sulla sein cumanisches Landgut (sperni coeptus Puteolos concessit, Aur. Vict. v. ill. 75) und kehrte dort zu den Unterhaltungen und Zerstreuungen seiner Jugend zurück. Wieder verbrachte er seine Tage in lustiger Gesellschaft: Jagd und Fischfang (App. I 104) wechselten mit ausgedehnten Zechgelagen ab (Plut. Sull. 36); dabei fand Sulla doch noch Zeit, mit Hülfe eines gebildeten Griechen, seines Freigelassenen Cornelius Epicadus, seine Lebenserinnerungen [1563] zu schreiben (Suet. de gramm. 12). Sulla hoffte, er werde noch das nach dem Brande von 671 = 83 neuerbaute Capitol weihen können (Plin. n. h. VII 138); aber als er in sein sechzigstes Lebensjahr eintrat (Val. Max. IX 3, 8), ereilte ihn der Tod. Durch einen Traum an sein Ende gemahnt, verfasste Sulla noch an dem folgenden Tage in aller Eile sein Testament; nach dem Siegeln wurde er vom Fieber befallen und starb in der Nacht darauf. So berichtet Appian (I 105). Plutarch erzählt (Sull. 36), Sulla habe sich durch seine Ausschweifungen die Läusekrankheit (Phthiriasis) zugezogen, d. h. aus Darmgeschwüren hätten sich Läuse entwickelt, und diese den ganzen Körper allmählich verzehrt; dasselbe bezeugen Plinius (n. h. VII 138), Pausanias (I 20, 7) und Aurelius Victor (75). Über das Vorhandensein einer solchen Krankheit bestehen freilich nur Vermutungen; Thatsache ist, dass man sie Sulla nachsagte, wie ja die erregte Einbildungskraft auch andere Peiniger ihres Volkes, so den Judenkönig Herodes, an dieser ekelhaften Krankheit sterben liess. J. Ziehen meint, Sulla habe es der Erzählung von dem Ackersmann und den Läusen, die er dem Volk nach der Ermordung Ofellas vortrug, zu verdanken, dass man ihm den Tod durch Läuse zugeschrieben habe (Philol. LVII 1898, 189). Als unmittelbare Ursache seines Todes giebt Plutarch (Sull. 37) in Übereinstimmung mit Valerius Maximus (IX 3, 8) einen Blutsturz an. Nach ihrer Darstellung hatte Sulla gehört, dass der Gemeindevorsteher von Puteoli Namens Granius den Beitrag der Stadt zum Wiederaufbau des Capitols zurückhalte, in der Erwartung, Sulla werde bald sterben; da liess Sulla den Unvorsichtigen zu sich ins Zimmer kommen, stellte seine Bedienten um ihn herum und befahl, ihn zu erdrosseln. Aber der Jähzorn rächte sich, Sulla hatte so laut geschrieen und so heftige Bewegungen gemacht, dass er eine Menge Blut speien musste; davon wurde er so entkräftet, dass er die Nacht schlecht zubrachte und dann starb. Dieser Nachricht zufolge war Sullas letzte Handlung ein Mord. Zwei Tage vor seinem Tode hatte Sulla noch das 22. Buch seiner Denkwürdigkeiten vollendet; das ganze Werk war damit freilich nicht abgeschlossen. Sulla widmete seine Selbstbiographie dem hochgebildeten L. Licinius Lucullus; er bestimmte ihn auch zum Vormund seiner Kinder, des Zwillingspaares Faustus und Fausta (s. unter Nr. 377 und 436), denn deren Mutter, Caecilia Metella (Bd. III S. 1234), war bereits gestorben. Auch ein Sohn von ihr war Sulla in den Tod vorangegangen (Senec. consol. ad Marc. 12. Plut. Sull. 37). Nach Sullas Tode gebar seine letzte Gemahlin, die fünfte, Valeria, eine Tochter, die nach römischem Brauch Postuma (Nr. 448) genannt wurde (Plut. a. O.). Über die drei ersten Frauen Sullas vgl. S. 1531f.

Als Sulla starb. war Spanien im Aufruhr, durch seine Schuld (Flor. II 10, 1 bellum Sertorianum quid amplius quam Sullanae proscriptionis hereditas fuit ?): auch im Osten des Reichs standen schwere Kämpfe bevor. Zwar hatte Sulla im J. 673 = 81 in Ägypten den jungen König Alexander II. in sein väterliches Erbe eingesetzt, aber die Alexandriner hatten ihn in einem Auflauf [1564] erschlagen (App. I 102); ,noch waren die Seeräuber, die den Orient in Atem hielten, nicht besiegt, und niemand glaubte an die Zuverlässigkeit des Mithridates‘. S. den Überblick in Rankes Weltgeschichte II 2, 137. Der gefährlichste Feind des sullanischen Systems war die in Sullas eigenem Lager herrschende Verderbtheit, der er selbst durch sein leichtfertiges Gebaren Vorschub geleistet hatte. Der Mangel an Zucht war schuld daran, dass die Sullaner ihre Waffen gegen einander kehrten. Gleich in dem Process des Sex. Roscius aus Ameria vom J. 674 = 80, dem ersten, der vor dem von Sulla neugeordneten Gerichtshof für Mord geführt wurde, standen sich in Wirklichkeit zwei Glieder der sullanischen Partei als Kläger und Beklagter gegenüber, und der junge M. Tullius Cicero durfte in diesem Process mit dem allmächtigen Günstling Sullas, mit L. Cornelius Chrysogonus, nur deshalb so schonungslos verfahren, weil die Zugehörigkeit des ermordeten Roscius zur sullanischen Partei ausser Zweifel stand (Cic. pro Rosc. Amer. 15); vgl. Herzog Röm. Staatsverfassung I 524. Bald trat der Zwiespalt innerhalb der sullanischen Partei auch im politischen Leben hervor. Der Patricier M. Aemilius Lepidus hatte zu Sullas Anhängern gehört und sich aus den Gütern der Proscribierten bereichert; als er aber wegen Erpressungen in der Provinz Sicilien (im J. 674 = 80) eine Anklage befürchten musste, hatte er sich auf die gegnerische Seite geschlagen. Dieser würdelose Mann, jetzt ein erbitterter Feind Sullas, bewarb sich für das J. 675 = 79 um das Consulat und erfreute sich dabei der Empfehlung des jungen Cn. Pompeius, einer der Hauptstützen des sullanischen Regiments, dem Sulla seine Stieftochter Aemilia zur Frau gegeben hatte (Plut. Sull. 34). Sulla ärgerte sich zwar über diese dreiste Opposition, aber er war gegen seine Günstlinge machtlos. Hatte er doch dem L. Licinius Murena trotz seiner schmählichen Niederlage gegen Mithridates (673 = 81) und eben dem ehrgeizigen Pompeius in einem Alter, wo dieser noch nicht einmal Senator war (675 = 79), den Triumph bewilligt (CIL I² p. 178); ja, er hatte sich dazu verstanden, den eitlen Jüngling als den ,Grossen‘ zu begrüssen (Plut. Pomp. 13). M. Aemilius Lepidus, den Sulla selbst als Unruhestifter (seditiosus) bezeichnete, wurde doch, weil es Pompeius wünschte, neben dem zuverlässigen Q. Lutatius Catulus für das J. 676 = 78 zum Consul gewählt. Noch bei Sullas Lebzeiten hörte man auf dem Markt den Consul Lepidus mit dem ganzen Eifer eines Abtrünnigen den ,karikierten Romulus‘ (scaevus Romulus) und seine Gesetzgebung verhöhnen (Sall. or. Lepidi 5). Vgl. Bd. I S. 554. Als Sulla starb, wagten Lepidus und seine Anhänger den heftigsten Widerspruch gegen ein öffentliches Begräbnis, aber Pompeius, der sich jetzt als Erben von Sullas Macht fühlte, trotzdem ihn Sulla in seinem Testament übergangen hatte, wünschte noch einmal allen Glanz der sullanischen Herrschaft zu entfalten und brachte, auf das Heer gestützt, im Bunde mit dem andern Consul die entgegengesetzten Stimmen zum Schweigen (Plut. Sull. 38). Pompeius holte die Leiche in feierlichem Zuge nach Rom ein (App. I 105), dort wurde sie zunächst auf dem Marktplatz niedergesetzt, [1565] und der ,erste Redner seiner Zeit‘ (wahrscheinlich L. Marcius Philippus) hielt die Leichenrede. Dann nahmen Senatoren die Bahre auf ihre Schultern und trugen sie zum Marsfeld, wo die Gräber der alten Könige lagen. Hier wurde Sullas Leiche verbrannt (App. I 106). Bisher waren alle Cornelier nach altem Geschlechtsgebrauch unverbrannt beigesetzt worden, und auch Sulla wollte so begraben sein; aber der Senat beschloss auf Antrag des L. Marcius Philippus bei Sulla davon abzusehen, damit der Frevel, den Sulla an der Leiche des Marius verübt hatte, nicht an ihm vergolten werde (Gran. Licin. p. 43 condi corpus iusserat, non comburi; darnach ist Ciceros Angabe de leg. II 56, Sulla habe die Verbrennung selbst befohlen, zu berichtigen). Vgl. Dieckmann De Granii Liciniani fontibus (Diss. Berol. 1896) 84–86. Eine ausführliche Schilderung der Bestattung Sullas giebt Appian (I 105. 106). Die römischen Frauen haben ein ganzes Jahr um ihn getrauert (Gran. Licin. a. O.). Zu Plutarchs Zeiten sah man noch Sullas Grabdenkmal auf dem Marsfeld; von der daran befindlichen Inschrift hiess es, Sulla habe sie selbst schriftlich hinterlassen. Sulla sagte darin, kein Freund habe ihm so viel Gutes, kein Feind so viel Böses erwiesen, dass er sie nicht in beiden noch übertroffen hätte (Plut. Sull. 38). Bei Euripides sagt die kolchische Königstochter Medea (807): ,Es soll mich keiner achten schwächlich und gering, gutmütig nicht; ich bin gemacht aus anderm Stoff, den Feinden schrecklich und den Freunden liebevoll‘. Hier spricht ein leidenschaftliches Weib; wenn aber ein Mann, der an der Spitze eines grossen Staates gestanden hat, am Schlusse seines Lebens ebenfalls nur seine Bethätigung im Lieben und im Hassen zu rühmen weiss, so ist das befremdend. Sullas Persönlichkeit ist von jeher ein Problem für die Geschichtschreibung gewesen; Seneca sagt von ihm (dial. VI 12, 6): istud inter res nondum iudicatas abeat, qualis Sulla fuerit, und Drumann bemerkt zu seiner Abdankung (Geschichte Roms II 495): ,Er ist dadurch ein Rätsel für alle Zeiten, eine unerklärliche Erscheinung geworden‘. Sulla nahm die Dictatur an und wollte doch nicht herrschen; er kannte nicht das dem Politiker eigene Bedürfnis, die Macht in der Hand zu behalten. Daher sagte Caesar von ihm, er habe von der Regierungskunst nicht die Elemente verstanden (Sullam nescisse litteras, qui dictaturam deposuerit Suet. Caes. 77). Die eigene Person ging Sulla über alles, jedes Mittel war ihm recht, sein Ich zu erhöhen. Selbst die Religion musste diesem Zwecke dienen; Sulla hatte im Felde stets Priester um sich, die geschäftig aller Welt verkündeten, dass sein Vorhaben das Gottgewollte sei (vgl. Drumann II 502f.). Diese Selbstzufriedenheit stand aber bei ihm einer höheren Auffassung vom Staat im Wege. Mochte Sulla daher auch eine königliche Stellung einnehmen (Mommsen R. G. II 337), so fühlte er sich doch nicht als König, wie Caesar, auch nicht als Staatsmann, der seinem Vaterlande dient, sondern nur als Parteihaupt. Aus diesem Gefühl heraus hat er unbedenklich Tausende geopfert. Ranke meint in seiner französischen Geschichte (I 238) die Greuelscenen der Bartholomäusnacht und die danach über ganz Frankreich ausgedehnten Hugenottenverfolgungen [1566] nur mit den sullanischen Proscriptionen vergleichen zu können, von denen Rom und Italien heimgesucht wurde. Ranke scheint mit diesem Vergleich das Richtige getroffen zu haben. Katharina von Medici blieb auch auf dem französischen Thron eine rachsüchtige Italienerin, ,sie fühlte nur wie ein Parteihaupt, nicht wie eine geborene Königin, sie befand sich in der Lage eines durch die Umstände emporgehobenen Gewalthabers, der sich jeden Augenblick gefährdet sieht und seine ganze Thätigkeit darauf richten muss, sich nur zu behaupten‘. Für ihren Vater, Lorenzo von Medici, hatte Macchiavelli das Buch vom Fürsten geschrieben; er sagt darin im 18. Abschnitt: ,Weil es notwendig ist, dass der Fürst sich darauf verstehe, die Bestie zu spielen, so muss er beides davon nehmen, den Fuchs und den Löwen; denn der Löwe entgeht den Schlingen nicht, und der Fuchs kann sich gegen den Wolf nicht wehren. Die Fuchsgestalt ist also nötig, um die Schlingen kennen zu lernen, und die Löwenmaske, um die Wölfe zu verjagen. Diejenigen, welche sich allein darauf legen, den Löwen zu spielen, verstehen es nicht. Ein kluger Fürst kann und darf daher sein Wort nicht halten, wenn die Beobachtung desselben sich gegen ihn selbst kehren würde.‘ Die Doppelseitigkeit des Wesens, die der Florentiner von dem künftigen Befreier Italiens verlangt, war aber gerade Sulla eigentümlich; gerade er gab seinen zeitgenössischen Gegnern Anlass zu dem Vergleich mit dem Löwen und dem Fuchse (Plut. Sull. 28), und wie er sein Wort hielt, mussten die gefangenen Samniter erfahren (Oros. V 21: tria milia hominum, qui se per legatos dediderant, contra fas contraque fidem datam inermes securosque interfecit). Plinius sagt einmal (n. h. VII 137) non melioris sortis tunc fuere pereuntes proscripti, quorum miseremur hodie, cum Sullam nemo non oderit? So ist es geblieben; nicht die leges Corneliae, so viel Zweckmässiges sie enthalten mögen, sondern die sullanischen Proscriptionen sind in der Geschichte lebendig, ,ihr Schrecken zittert heute noch nach‘ (Mommsen St.-R. II 735).