Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Rufus, P. Volkstribun 88 v. Chr.
Band IV A,1 (1931) S. 843849
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92) P. Sulpicius Rufus, der Volkstribun von 666 = 88. Er wird in den zahlreichen Erwähnungen stets nur mit dem Pränomen und Nomen bezeichnet und lediglich bei Val. Max. VI 5, 7 mit [844] dem Kognomen Rufus. Dieses Kognomen ist in der Gens Sulpicia schon im 4. Jhdt. v. Chr. (s. Nr. 31. 38. 94) und nach diesem S. von Nr. 93. 95. 96 geführt worden; die älteren und die späteren Träger sind Patrizier; S. ist nur für seine Person zur Plebs übergegangen (Mommsen Röm. Forsch. I 120), hauptsächlich aus politischen Gründen (s. u.), teilweise wohl auch, weil die Familie ein wenig heruntergekommen war (vgl. Cic. Mur. 16). Er war mit C. Aurelius Cotta (s. o. Bd. II S. 2482ff. Nr. 96) fast genau in gleichem Alter (Cic. de or. III 31; Brut. 182), wahrscheinlich ein paar Monate jünger, da Ende 663 = 91 Cotta tum tribunatum plebis petebat, aber S. deinceps eum magistratum petiturus putabatur (Cic. de or. I 25); beide waren um zehn Jahre älter als der 640 = 114 geborene Q. Hortensius (Cic. Brut. 301; vgl. 228. 230. 333; de or. III 230), demnach 630 = 124 geboren, nach römischer Auffassung noch 663 = 91 adulescentes (de or. I 25. 105. 106. III 11), so daß es auch kein großer Widerspruch ist, wenn S. noch 659 = 95 adulescentulus (ebd. II 88) und kaum ein Jahr später (ebd. 89: vix annus intercesserat) adulescens genannt wird (ebd. 198), zumal da es darauf ankommt, den inzwischen gemachten Fortschritt in seiner Entwicklung als Redner hervorzuheben (ebd. 89: Non est credibile quid interesse mihi sit visum inter eum qui tum erat et qui anno ante fuerat). Im J. 659 = 95 trat S. in causa parvula auf (ebd. 88); es könnte sich um die Verteidigung des jüngeren Q. Servilius Caepio handeln, für den der damals das Konsulat bekleidende L. Crassus eine kurze Rede hielt (Cic. Brut. I 162; s. o. Bd. XIII S. 259, 27ff. II A S. 1786, 46ff.), weil dann ein innerer Zusammenhang mit dem Auftreten des S. im nächsten Jahr vorläge und der gerade damals beginnende enge Anschluß an Crassus verständlicher würde. Im J. 660 = 94 erhob S. Anklage wegen Majestätsverbrechens auf Grund der Lex Appuleia gegen C. Norbanus, der seinerzeit den Vater Q. Caepio ins Unglück gestürzt hatte; er wollte im Sinne der Nobilität dafür Vergeltung üben und hatte als Redner einen guten Erfolg, obgleich es dem gegnerischen Anwalt M. Antonius glückte, die Freisprechung des Angeklagten durchzusetzen (Cic de or. II 107. 109. 124. 197f. 201. 202– 204. 305; off. II 49. Apul. apol. 66). In der nächsten Zeit ist S. gelegentlich in anderen Prozessen aufgetreten (Cic. Brut. 207). Unter dem Volkstribunat des M. Livius Drusus 693 = 91 (s. o. Bd. XIII S. 865ff.) war er einer von dessen vertrautesten Freunden (Cic. de or. I 25. 97) und kam vielleicht dadurch auf den Gedanken, zur Plebs überzutreten, als zweiter Nachfolger des Drusus nach dem gemeinsamen Freunde Cotta sich für 665 = 89 um das Volkstribunat zu bewerben und das Werk jener fortzusetzen (ebd. I 25. s. o.). In den Anfang des Herbstes 663 = 91 hat Cicero seinen Dialog de oratore verlegt, und dieser ist die Hauptquelle für die Kenntnis der Persönlichkeit und der Beredsamkeit des S., durch den späteren Dialog Brutus insofern ergänzt, als Cicero hier mit eigenem Munde ausspricht, was er dort Anderen in den Mund legt. Seine Quelle ist wesentlich seine eigene Erinnerung, nicht nur an selbstgehörte öffentliche Reden (Brut. 203. 306 s. u.), sondern auch an vertraulichere [845] Äußerungen des S. (ebd. 205); manches mochte er seinem Jugendfreunde Atticus verdanken, der mit S. verschwägert war (Nep. Att. 2, 1; s. Nr. 19) und in Verkehr gestanden hatte (Cic. Lael. 2). S. ist für ihn neben dem gleichaltrigen und befreundeten Cotta der Jünger und Zuhörer der großen älteren Redner L. Crassus und M. Antonius (de or. I 25. 30. 96. 136. 163. 262. II 16. 26. 118. 140. III 46. 230; ad Att. XIII 19, 4. Ascon. Pis. 13 K.-S. = 19 St.); er war ab ineunte aetate (de or. I 97) und besonders seit 659 = 95 (ebd. II 89) mit Crassus in beständigem Verkehr (ebd. I 97. II 12. 89) und sein eifriger Nachahmer (ebd. I 136. III 11. 47; Brut. 203), hatte aber ebenso mit Antonius enge Verbindung (de or. I 99. II 88. 89. III 11) und stand damals mit anderen Männern wie Q. Scaevola, C. Marius, Sex. Pompeius (ebd. I 66f.) und namentlich auch C. Caesar Strabo (ebd. II 16) und Q. Pompeius Rufus (Cic. Lael. 2) in gutem Einvernehmen (vgl. Vell. II 18, 5: gratia amicitiis ... celeberrimus). Nach dem Urteil jener älteren Männer berechtigte unter den Rednern seiner eigenen Generation keiner zu größeren Erwartungen, und nach Ciceros eigener Ansicht nahm er unter ihnen unbedingt den ersten Platz ein (de or. I 25. 30. II 88. III 11; Brut 183. 201. 204. 207. 215. 230. 297. 333. Vell. II 9, 2. 18, 5. Ascon. Pis. 13 K.-S. = 19 St.; Cornel. 58 = 53). Er war der geborene Volksredner (de or. I 99: unus ex omnibus ad dicendum natus aptusque. III 31: unus ad dicendum instructissimus a natura; Brut. 203: vel maxume omnium, quos quidem ego audiverim, grandis et, ut ita dicam, tragicus orator), von glänzender (divina de or. I 131) Begabung (ingenium ebd. I 106. 131. II 88. Vell. II 18, 5; indoles de or. I 131. II 88), eine stattliche Erscheinung (forma de or. I 132. II 88), mit würdevoller Haltung und Bewegung (motus ebd. I 132. II 88. III 31; Brut. 203) und klangvoller Stimme (vox de or. I 132. II 88. III 31; Brut. 203), hinreißende Leidenschaft (de or. II 88. III 31. 47; Brut. 202. 203; or. 106. Vell. II 18, 5. 20, 1. Auson. grat. act. 15) in überströmenden Redefluß entwickelnd (de or. II 88. 96. III 31; Brut. 203), so daß Cicero, der 666 = 88 Sulpici in tribunatu cotidie contionantis (vgl. Iul. Exuper. 3: Seditiosis contionibus rem publicam disturbans. Auson. grat. act. 15: acer in contionibus) totum genus dicendi penitus cognovit (Brut. 306), noch nach mehr als dreißig Jahren in Erinnerung an die eigene Ergriffenheit öffentlich eingestand (har. resp. 41): Cuius tanta in dicendo gravitas, tanta iucunditas, tanta brevitas fuit, ut posset, vel ut prudentes errarent vel ut boni minus bene sentirent, perficere dicendo. Ein Redner von der Art des S. legte keinen Wert auf schriftliche Vorbereitung und Ausarbeitung (Cic. de or. II 96f.; Brut. 205) und trieb keine wissenschaftlichen Studien, sondern verschaffte sich die nötige Sachkenntnis von Fall zu Fall (Cic. de or. I 66f. III 147; Brut. 214). Es gab daher von ihm auch keine schriftlich aufgezeichneten Reden, sondern nur apokryphe, die nach seinem Tode von P. Cannutius herausgegeben worden sind (Cic. Brut. 205; or. 132). Um so wertvoller sind diese Eindrücke und Zeugnisse eines Hörers und Kenners wie Cicero, denn sie [846] berichtigen das Bild, das die geschichtliche Überlieferung von S. entwirft (s. u.). Nach dem Tode des Drusus und dem Ausbruch den Bundesgenossenkrieges Ende 663 = 91 wurde auch S. gleich Cotta und anderen Gesinnungsgenossen des Drusus verdächtigt und vielleicht in die durch die Lex Varia angeordneten Untersuchungen hineingezogen (Cic. de or. III 11), was zu seinem Parteiwechsel beigetragen haben mag. Die Ausführung seiner politischen Pläne wurde durch die gespannte Lage hinausgeschoben; er selbst nahm wohl schon 664 = 90, sicher aber 665 = 89 als Legat am Kriege teil (Cic. Brut. 304) und hat sich gewiß auch im Felde bewährt, wenngleich sein Anteil an den Ereignissen nicht sicher festzustellen ist (s. darüber Ser. Galba Nr. 60). Im folgenden J. 666 = 88, ein Jahr später, als er beabsichtigt hatte (Cic. de or. I 25. s. o.), bekleidete er nach dem Übertritt zur Plebs das Volkstribunat. Nach den historischen Berichten war er in erster Linie das Werkzeug des C. Marius, das diesem zur Erfüllung seines sehnlichen Wunsches, zur Befriedigung seines brennenden Ehrgeizes, zu dem Oberbefehl gegen Mithradates verhalf und diesem Ziele alles unterordnete (z. B. Appian. bell. civ. I 249: οὗ χάριν ἅπαντα ταῦτα ἐγίγνετο). Eine solche Auffassung tritt am einseitigsten bei Plutarch zutage, geht letzten Endes auf Sullas Denkwürdigkeiten zurück und verbindet sich mit einer ganz gehässigen Charakteristik des S.: Sulla 8, 1f.: Μάριος δὴ προσλαμβάνει Σουλπίκιον, ἄνθρωπον οὐδενὸς δεύτερον ἐν ταῖς ἄκραις κακίαις, ὥστε μὴ ζητεῖν τίνος ἐστὶν ἑτέρου μοχθηρότερος, ἀλλα πρὸς τί μοχθηρότατος ἑαυτοῦ. καὶ γὰρ ὠμότης καὶ τόλμα καὶ πλεονεξία περὶ αὐτὸν ἦν ἀπερίσκεπτος αἰσχροῦ παντὸς καὶ κακοῦ; Mar. 35, 1: εὐφυέστατον εὑρόντος ὄργανον Μαρίου πρὸς τὸν κοινὸν ὄλεθρον τὸ Σουλπικίου θράσος, ὃς διὰ τἆλλα πάντα θαυμάζων καὶ ζηλῶν τὸν Σατορνῖνον, ἀτολμίαν ἐπεκάλει τοῖς πολιτεύμασι αὐτοῦ καὶ μέλλησιν (vgl. 34, 1: Σουλπίκιος ἀνὴρ θρασύτατος). Schablonenhafter ist die Charakteristik bei Vell. II 18, 5, an die der Gracchen (2, 2. 6, 1) und des Drusus (13, 1) anklingend, doch in der Schilderung des Parteiwechsels (cum antea rectissima voluntate apud populum maxumam quaesisset dignitatem, quasi pigeret eum virtutum suarum et bene consulta ei male cederent [= 14, 1 von Drusus], subito pravus ac praeceps se C. Mario ... addixit) auch mit Cicero übereinstimmend (de or. III 11: Quibuscum privatus coniunctissime vixerat, hos in tribunatu spoliare instituit omni dignitate; Lael. 2: Cum is tribumu plebis capitali odio a Q. Pompeio, qui tum erat consul, dissideret, quocum coniunctissime et amantissime vixerat; har. resp. 43: ab optima causa profectum ... longius quam voluit popularis aura provexit. Vgl. auch Ascon. Cornel. 57 K.-S.= 52 St.: cum ...ab initiis bonarum actionum ad perditas progressus esset). Als Grund des Parteiwechsels haben die Gegner Eigennutz und Habsucht angegeben (Plut, Sulla 8, 2: τὴν Ῥωμαίων πολιτείαν ... πψλῶν, ἀναφανδὸν ἠρίθμει τιμὴν διὰ τραπέζης ἐν ἀγορᾷ κειμένης; vgl. 8, 4: ἀπέλιπε μετὰ τὴν τελευτὴν ὀφλήματος μυριάδας τριακοσίας), die Marius zu befriedigen versprach, wenn ihm die erhoffte asiatische Beute zufiele (Appian. 242); hier steckt sicher ein gutes Stück Verleumdung. S. eröffnete seine [847] Tätigkeit mit der Promulgation mehrerer Gesetze, die vom gegnerischen Standpunkt sehr unheilvoll erschienen (Liv. ep. LXXVII: Cum ....perniciosas leges promulgasset. Vell. II 18, 6: Leges perniciosas et exitiabiles neque tolerandas liberae civitati tulit. Plut. Sulla 8, 5: νόμους ἔγραφεν .... μοχθηρούς. Vgl. auch Appian. 243: ωόμον αὐτίκα ἐσέφερε). Nur Plut. Sulla 8, 4 erwähnt eines: μηδένα συγκλητικὸν ὑπὲρ δισχιλίας δραχμὰς ὀφείλειν. Ein anderes bezeichnet Liv. ep. LXXVII in Kürze: ut exsules revocarentur. Darüber spricht ausführlicher Auct. ad Her. II 45: Sulpicius ... intercesserat, ne exsules, quibus causam dicere non licuisset, reducerentur, idem posterius immutata voluntate, cum eandem legem ferret, aliam se ferre dicebat: nam non exsules, sed vi eiectos se reducere. In diesem Falle ist der Wechsel der Stellung des S. während des Tribunats erfolgt, nachdem der erste Antrag von anderer Seite eingebracht worden war; das Gesetz war das erste seiner Art und wollte die Opfer der Lex Varia, zu denen u. a. Cotta gehörte, wiederherstellen (vgl. Mommsen Strafr. 483, 1). Vor allem beantragte aber S., daß die zum Bürgerrecht zugelassenen Italiker und die Freigelassenen auf sämtliche Tribus verteilt würden (Liv. ep. LXXVII: ut .... novi cives libertinique distribuerentur. Ascon. Cornel. 57 = 52: de libertinorum suffragiis. Plut. Sulla 8, 2: τὴν Ῥωμαίων πολιτείαν ἐξελευθερικοῖς καὶ μετοίκοις πωλῶν. Appian. 242: τοὺς ἐκ τῆς Ἰταλίας νεοπολίτας, μειονεκτοῦντας ἐπὶ ταῖς χειροτονίαις .... ἐς τὰςφύλας ἁπάσας διαιρήσειν; vgl. Mommsen St.-R. III 179. 439). Dadurch würde er die Comitien vollständig beherrscht haben (Appian. 242–244), und die Überlieferung betrachtet das Gesetz wesentlich als das Mittel zu dem einen Zweck, dem Marius das Kommando in Asien zu verschaffen. Da jedoch von diesen Absichten noch nichts verlautete (Appian: οὐ προλέγων μέν τι περὶ τῆς ἑαυτοῦ χρείας), so war es zunächst mehr die Wiederaufnähme der Bundesgenossenpolitik des Drusus (o. Bd. XIII S, 875ff.), die wie damals vor dem Kriege so auch jetzt noch bei den Altbürgern lebhaften Widerstand erregte, und dadurch wurde wiederum S. gleich jenem Freunde und Vorgänger zur Anwendung von Gewalt verleitet. Da es bei den öffentlichen Verhandlungen über das Gesetz zu Unruhen und Schlägereien kam, suchten die Consuln Sulla und Pompeius die Abstimmung möglichst weit hinauszuschieben, indem sie ein Iustitium anordneten (Appian. 244: προύγραψαν ἡμερῶν ἀγρίας πολλῶν, ὁποῖον ἐν ταῖς ἑορταῖς εἴωθε γίγνεσθαι; ebenso ἀργίαι 246, ἀργία 245. 248. 249; richtiger ἀπραξίαι Plut. Sulla 8, 6. 7; Mar. 35, 4. Vgl. Mommsen St.-R. I 263, 6. III 1058, 2). Darüber ging ein großer Teil des Jahres hin, während dessen sich S. durch seine volkstümliche Beredsamkeit einen stets wachsenden Anhang verschaffte (s. o.); er soll 3000 mit Messern und Dolchen bewaffnete Leute und 600 junge Ritter, die er als Gegensenat bezeichnete, um sich geschart haben (Plut. Sulla 8, 3: ἔτρεφε δὲ τρισχιλίους μαχαιροφόρους καὶ πλῆθος ἱππικῶν νεανίσκων πρὸς ἅπαν ἑτοίμων περὶ αὑτὸν εἶχεν, οὓς ἀντισύγκλητον ὠνόμαζε; Mar. 35, 2: ἑξακοσίους εἶχε περὶ αὑτὸν τῶν ἱππικῶν ... καὶ τούτους ἀντισύγκλητον ὠνόμαζεν). Er [848] entbot seine Leute mit verborgenen Waffen zu einer Volksversammlung, in der er von den Consuln die Aufhebung des Iustitiums als einer Gesetzwidrigkeit forderte, und gab auf ihre Weigerung das Zeichen zum Gebrauch der Waffen; die bedrohten Consuln retteten sich mit Mühe, und der Sohn des einen und Schwiegersohn des anderen, der junge Q. Pompeius, wurde bei dem Aufruhr erschlagen (Liv. ep. LXXVII. Vell. II 18, 6. Plut Sulla 8, 6; Mar. 35, 2. Appian. 245–247). Sulla sah sich gezwungen, das Iustitium aufzuheben (Plut. Sulla 8, 7; Mar. 35, 4. Appian. 248f.), und als er aus Rom zu dem Heere in Campanien entwich, war S. Herr der Lage (s. z. B. Auct. ad Her. IV 31: Sulpicio ... omnia concedebant). Er brachte das Gesetz über die Neubürger durch (Appian. 249) und stellte dann den Antrag, den Oberbefehl gegen Mithradates dem Sulla zu entziehen und dem Marius zu übertragen, was von den umgestalteten Comitien gutgeheißen wurde. Diese Maßregel wird in der Vulgärtradition von vornherein in den Mittelpunkt seiner ganzen Tätigkeit gerückt (Liv. ep. LXXVII. Vell. II 18, 6. Val. Max. VI 5, 7. IX 7 b, 1. Flor. II 9, 6. Eutrop. V 4. Ampel. 40, 1. 42, 1. Auct. de vir. ill. 67, 4. 75, 8. Iul. Exuper. 3. Plut. Sulla 8, 8; Mar. 35, 5. Appian. 249) und in kürzeren Erwähnungen als die einzige genannt (z. B. Schol. Cluniac. und Schol. Gronov. zu Cic. Cat. III 24 p. 270 u. 286 St. = 410 Or.); sie gehört ebenso wie ihre Wirkung in die Geschichte des Marius und des Sulla (o. Bd. IV S. 1533ff.). Aber die Einseitigkeit und Lückenhaftigkeit der Berichte zeigt sich in ihrem Schweigen von C. Caesar Strabo. Dieser frühere Freund des S. wollte sich, ohne die Praetur bekleidet zu haben, um das Consulat bewerben und stieß dabei auf den Widerstand des S. und eines anderen Tribunen P. Antistius (Cic. har. resp. 43; Brut. 226. Ascon. Scaur. 22 K.-S. = 26 St.); ihr Streit wurde nicht nur mit Worten ausgefochten (Fragment einer Rede Caesars gegen S. bei Priscian. V 44 = VI 76 [GL. II 170, 21 = 261, 4]), sondern auch mit den Waffen ihrer Anhänger (Ascon. vgl. Quintilian. inst. or. VI 3, 75). Weil Ascon. davon sagt: Cui cum primis temporibus iure Sulpicius resisteret, postea nimia contentione ad ferrum et arma processit, setzt man gewöhnlich mit Drumann (G.R.² II 370) diese Händel in den Anfang des Tribunats; sie passen aber besser in die Zeiten, in denen S. auf der Höhe seiner Macht stand (geschildert u. a. Plut Sulla 9, 1–3). und in denen die neuen Wahlen vorbereitet wurden, und das bestätigt die Angabe Diodors (XXXVII 2, 12), daß sich C. Iulius d. h. Caesar Strabo und Marius im Wetteifer um das asiatische Kommando bemühten, und daß die Meinungen des Volkes zwischen beiden geteilt waren. Demnach ist Caesar vielleicht erst nach Sullas Abgang aus Rom als Kandidat sowohl für dessen Nachfolge im Oberamt wie im Oberbefehl gegen Mithradates aufgetreten, und hat S., indem er die eine Kandidatur als verfassungswidrig bekämpfte, auch der anderen den Boden entzogen und dadurch den Marius befördert. Sulla erkannte die neuen Gesetze des S. als mit Gewalt durchgebracht nicht an (Cic. Phil. VIII 7) und führte sein Heer gegen Rom. S. nahm neben Marius teil an den Versuchen, ihn [849] durch Gesandtschaften fernzuhalten (Appian. 254f.), und an denen einer bewaffneten Gegenwehr (ebd. 258. Liv. ep. LXXVII. Eutrop. 4. Vgl. Flor. II 9, 7: cum consules Sulpicius et Albinovanus obiecissent catervas suas, und Oros. V 19, 6: Sulpicius Mari collega!). Sulla nahm aber mit geringer Mühe die Stadt ein, verhängte die Acht über seine Gegner und stieß ihre Anordnungen um. S. konnte sich durch die Flucht in eine Villa bei Laurentum retten; hier wurde er von einem Sklaven verraten und von den Verfolgern, getötet (Liv. ep. LXXVII. Vell. II 19, 1. Val. Max. VI 5, 7. Flor. II 9, 8. Eutrop. V 4. Oros. V 19, 6. Iul. Exuper. 3. Plut. Sulla 10, 2. Appian. 271f. Kürzere Erwähnungen Cic. Cat. III 24; Vat. 23; Phil. VIII 7; leg. III 20; de or. III 11; Brut. 227. 307; Cornel. II bei Ascon. 71 K.-S. = 62 St. Nep. Att. 2, 1f. Sall. hist. ed. Maur. II p. XVI 30f. u. a.). Der verräterische Sklave wurde von Sulla zuerst zum Lohne freigelassen und dann zur Strafe vom Tarpeischen Felsen gestürzt (Liv. ep. LXXVII. Val. Max. VI 5, 7 [zur Bezeichnung als parricida vgl. Sall. a. O.: parricidale praeceptum]. Oros. V 19, 6. Plut. Sulla 10, 2). Der Kopf des S. wurde auf den Rostra zur Schau gestellt (Vell. II 19, 1), und seinem Leichnam nicht einmal die Beisetzung gegönnt (Auct. ad Her. IV 31). Doch als nach einem Jahre seine Parteigenossen wieder ans Ruder kamen, zogen sie anscheinend seinen Mörder zur Rechenschaft (Auct.: ad Her.I 25; ähnlicher Fall Cic. Rab. perd. 18ff.). S. war der letzte der Volkstribunen, die als Volksführer großen Stils betrachtet werden dürfen; wenn auch die Gegner ihn am liebsten mit Saturninus verglichen (Cic. leg. III 20. Sall. hist. I 77, 7 Maur. [or. Philippi]. Plut. Mar. 35, 1 [s. o.]), so verdient er vielleicht doch seinen Platz über diesem und näher bei den Gracchen und Livius Drusus.