Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
fertig  
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hauptstraße Rom - Campanien u. Unteritalien
Band II,1 (1895) S. 238242
Via Appia in der Wikipedia
GND: 4225079-1
Via Appia in Wikidata
Via Appia bei Pleiades
Bildergalerie im Original
Register II,1 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|II,1|238|242|Appia via|[[REAutor]]|RE:Appia via}}        

Appia via, die grosse Hauptstrasse von Rom nach Campanien und ganz Unteritalien (longarum regina viarum Stat. silv. II 2, 12 ingens Appia ebd., Ausoniae maxima fama viae Martial. IX 101, 2), wurde im J. 442 = 312 vom Censor Appius Claudius Caecus angelegt (Liv. IX 29. Front. de aq. I 5. Diod. XX 36. Elogium des Appius CIL XI 1827[WS 1] = I² p. 192 nr. X). Ihr Endpunkt war ursprünglich Capua (so noch Procop. bell. Goth. I 14; irrig giebt der auct. de v. ill. c. 34 schon dem Bau des Caecus Brundisium zum Ziel). Wann ihre Verlängerung zuerst bis Beneventum, dann bis Tarentum und Brundisium erfolgt ist, bleibt unsicher (s. u.). Um die Instandhaltung der Via Appia erwarb sich, wie es scheint, C. Gracchus Verdienste (Plut. C. Gracchus 7), auch Caesar war in seiner Jugend (als Aedil?) ἐπιμελητὴς τῆς ὁδοῦ τῆς Ἀππίας (Plut. Caes. 5, 5). Über den Zustand der Appia in der Kaiserzeit ist die Hauptstelle Strab. V 282. 283 (ἀπὸ Βρεντεσίου εἰς Ῥώμην) δύο εἰσὶν ὁδοί (die ἡμιονικὴ über Gnathia-Canusium, s. u.) ἡ δὲ διὰ Τάραντος μικρὸν ἐν ἀριστερᾷ ὅσον δὴ μιᾶς ἡμέρας περίοδον κυκλεύσαντι, ἡ Ἀππία λεγομένη, ἁμαξήλατος μᾶλλον· ἐν ταύτῃ δὲ πόλις Οὐρία τε καὶ Οὐενουσία .. συμβάλλουσι δὲ ἄμφω κατὰ Βενεουεντὸν καὶ τὴν Καμπανίαν ἐκ τοῦ Βρεντεσίου. Τοὐντεῦθεν δ’ ἤδη μέχρι τῆς Ῥώμης Ἀππία καλεῖται, διὰ Καυδίου καὶ Καλατίας καὶ Καπύης καὶ Κασιλίνου μέχρι Σινοέσσης .. ἡ δὲ πᾶσά ἐστιν ἐκ Ῥώμης εἰς Βρεντέσιον μίλια τριακόσια ἑξήκοντα (vgl. V 233. 249). Wichtig für unsere Kenntnis der Via Appia in der Zeit des Augustus ist auch das iter Brundisinum des Horaz (sat. I 5), welcher die Appia bis zur Grenze von Apulien (Trevicum) benützte, dann aber auf einem Seitenwege über Ausculum auf die östliche Strasse (die spätere Traiana, ἡμιονικὴ bei Strabon) überging. In der Kaiserzeit stand die Via Appia unter einem Curator praetorischen Ranges (die bekannten zusammengestellt von Cantarelli Bull. arch. com. 1891, 90–95). Doch scheint es, dass im 1. Jhdt. die südlichen Strecken der Appia, wie die unteritalischen Wege überhaupt, in ziemlich verwahrlostem Zustande waren, und dass erst Traian und Hadrian thatkräftig Besserung schufen (Cass. Dio LXVIII 15, s. u.). Die Appia überdauerte den Sturz des weströmischen Reiches. Theodorich besserte die Strasse durch die pontinischen Sümpfe aus (s. u.), und auf das J. 535 bezieht sich die Beschreibung bei Procop. bell. Goth. I 14: ἔστι δὲ ἡ Ἀππία ὁδὸς ἡμερῶν πέντε ἀνδρὶ εὐζώνῳ· ἐκ Ῥώμης γὰρ αὕτη ἐς Καπύην διήκει. εὖρος δέ ἐστι τῆς ὁδοῦ ταύτης ὅσον [239] ἁμάξας δύο ἀλλήλαις ἐναντίας ἰέναι, καὶ ἔστιν ἀξιοθέατος πάντων μάλιστα. τὸν γὰρ λίθον ἅπαντα μυλίτην τε ὄντα καὶ φύσει σκληρὸν ἐκ χώρας ἄλλης μακρὰν οὔσης τεμὼν Ἄππιος ἐνταῦθα ἐκόμισε· ταύτης γὰρ δὴ τῆς γῆς οὐδαμῆ πέφυκε (dies ist nicht richtig, da Lavabrüche in unmittelbarer Nähe der Appia, z. B. unweit des Grabes der Caecilia Metella, existieren, Jordan Topogr. I 1, 119), λείους δὲ τοὺς λίθους καὶ ὁμαλοὺς ἐργασάμενος, ἐγγωνίους δὲ τῇ ἐντομῇ πεποιημένος, ἐς ἀλλήλους ξυνέδησεν, οὔτε χαλκὸν ἐντὸς οὔτε τι ἄλλο ἐμβεβλημένος cet. Die ursprüngliche Via Appia war jedoch ohne Zweifel (trotzdem auch Diod. XX 36 sagt: App. Claudius τῆς Ἀππίας ὁδοῦ τὸ πλεῖον μέρος λίθοις στερεοῖς κατέστρωσεν ἀπὸ Ῥώμης μέχρι Καπύης) nur mit Kies beschottert (glarea strata), die allmählige Vervollkommnung ergiebt die stadtrömische Bautenchronik. Im J. 298 v. Chr. Cn. et Q. Ogulnii aediles curules ... semitam saxo quadrato a Capena porta ad Martis straverunt (Liv. X 23, 12), drei Jahre später ab aedilibus curulibus ... damnatis aliquot pecuariis, via a Martis silice ad Bovillas perstrata est (Liv. X 47, 4); im J. 191 censores T. Quinctius Flamininus et M. Claudius Marcellus ... viam silice sternendam a porta Capena ad Martis locaverunt (Liv. XXXVIII 28, 3). Auch die Angabe, dass die Censoren des J. 174 (Liv. XLI 27, 5) vias sternendas silice in urbe, glarea extra urbem substernendas marginandasque primi omnium locaverunt pontesque multis locis faciendos bezieht sich zweifellos mit auf die Via Appia. Die Strecke in den Sümpfen, von Trepontium nach Forum Appii, erhielt erst durch Nerva und Traian Steinpflaster an Stelle der früheren Beschotterung (CIL X 6824). Über die Construction der Via Appia vgl. Nicolai Del bonificamento delle terre pontine, Roma 1800 f. Canina La Via Appia I 15ff. Gius. Novi Poliorama pittoresco XIX 43, wiederholt bei Mommsen CIL X p. 683. Der Lauf der Appia nach ihren drei Hauptabschnitten ist folgender:

1. Von Rom bis Capua (132 mp.) geben die Itinerarien (Tab. Peut. It. Ant. 108. 111. 121; Hieros. 610. 611. Geogr. Rav. IV 32. 34. V 2, vgl. CIL X p. 59) folgende Stationen: RomaXBovillae (le Fratocchie) – VIAriciaXIIIIad Sponsas (bei Cisterna) – IIItres TabernaeXForum Appii (s. o.) – IXad Medias (Mesa) – XTarracinaXIIIFundiXIIIFormiaeIXMinturnae (Traetto) – IXSinuessa (Mondragone) – IXPons CampanusVUrbanaIXCasilinumIIICapua. Die Strasse verlässt Rom durch die Porta Capena (zwischen Caelius und Aventin), von der aus ihre Meilensteine zählen (dass der erste Meilenstein der Via Appia unweit Porta S. Sebastiano gestanden habe, worauf z. B. noch Caninas ganze Berechnung der Wegedistanzen in der Nähe der Stadt beruht, ist irrig, s. Dessau Bull. dell’ Inst. 1882, 125). Etwa 3 km. vor dem Thore lag linker Hand der alte Tempel des Mars: auf eine Wiederherstellung der Appia dort (clivus Martis) durch Senat und Volk bezieht sich die Inschrift CIL VI 1270, etwa aus der ersten Kaiserzeit. Besonders in der Nähe der Hauptstadt war sie von ununterbrochenen Reihen zum Teil grosser und prächtiger [240] Grabmäler begleitet, unter denen das der Scipionen am ersten und das der Caecilia Metella am dritten Meilenstein die berühmtesten sind; die Monumente aufgenommen und reconstruiert besonders von Canina Edifizj di Roma antica vol. VI und in der Separatausgabe: La Via Appia, 2 Bde. fol. Rom 1853; vgl. auch Labruzzi Vedute di sepolcri della Via Appia, Rom ca. 1795, neu aufgelegt von A. Rem-Picci Rom 1844, fol. max. Piranesi Antichità di Roma vol. II. III. V (monumenti degli Scipioni). XI (antichità di Albano). Von Rom bis Terracina verläuft die Via Appia fast schnurgerade, bei Überschreitung des Albanergebirges (Bovillae-Aricia) hat man bedeutende Steigungen nicht gescheut, um nicht zur Umgehung des Gebirges gezwungen zu sein. Weiter tritt die Appia in das pontinische Gebiet. Dass sie noch zur Zeit des Lucilius am Abhange der Volskerberge (über Cora, Norba und Setia) entlang geführt gewesen sei, wird widerlegt durch die Auffindung des Meilensteins von Mesa mitten in den Sümpfen, welcher nur ca. 50 Jahre nach der Anlage der Via Appia gesetzt, das älteste Denkmal der Appia und des römischen Strassenbaus überhaupt ist (Hülsen Röm. Mitt. 1889, 83. 84). In der pontinischen Ebene war die Strasse begleitet von einem Canal, auf dem sich auch mittels Treidelschiffen der Personenverkehr zum grossen Teil bewegte, s. Strab. V 233: πλησίον δὲ τῆς Ταρρακίνης βαδίζοντι ἐπὶ τῆς Ῥώμης παραβέβληται τῇ ὁδῷ τῇ Ἀππίᾳ διῶρυξ ἐπὶ πολλοὺς τόπους πληρουμένη τοῖς ἑλείοις τε καὶ τοῖς ποταμίοις ὕδασι· πλεῖται δὲ μάλιστα μὲν νύκτωρ, ὥστ' ἐμβάντας ἀφ' ἑσπέρας ἐκβαίνειν πρωίας καὶ βαδίζειν τὸ λοιπὸν τῇ ὁδῷ, ἀλλὰ καὶ μεθ' ἡμέραν. ῥυμουλκεῖ δ' ἡμιόνιον. Vgl. Hor. sat. I 5, 3ff. Die eigentliche Sumpfstrecke von Forum Appii nach Tarracina hatte eine Länge von 19 römischen Meilen (Decennovium, s. d.). Bei Tarracina ist der schroff ins Meer fallende Vorsprung des Monte S. Angelo (Pesco Montano genannt) senkrecht um 120 römische Fuss (36 m.) abgesprengt, um der Strasse Raum zu schaffen; eine der bedeutendsten Leistungen römischer Strassenbautechnik, wohl erst aus der Kaiserzeit (CIL X 6849). Jenseits Terracina führt die Strasse in grossem Bogen an den Abhängen des Gebirges, um das sumpfige Terrain des Lago di Fondi zu vermeiden, überschreitet den Apennin, umgeht aber den Mons Massicus auf dem Umwege über Sinuessa.

Mit der Via Appia waren verbunden oder kreuzten sich in dem behandelten ersten Abschnitt die Via Ardeatina, Setina, Domitiana (s. d.); Seitenstrassen gingen ferner von Bovillae nach Antium (von neueren via Antiatina genannt, Westphal Römische Kampagna 36f.) und von Minturnae zur Verbindung mit der Via Latina nach Teanum (Itin. Ant. p. 121. Tab. Peut.). Über den ersten Teil der Via Appia vgl. Chaupy Maison d’Horace III 365–461. R. C. Hoare Classical tour I 81–148. Angelini und Fea I monumenti più insigni del Lazio distribuiti in vie, P. I Via Appia, Rom 1828. Westphal Römische Kampagna 17f. 26–72. L. Rossini Viaggio pittoresco da Roma a Napoli, Roma 1839. Nibby Delle vie antiche im Anhang zu Nardinis Roma Antica (1820) IV 119–135 und Dintorni di Roma² III 522–559. P. Andrae Via Appia, dens historie [241] og mindesmaerker, 2 Bde. Kopenhagen 1882. C. Bohnsack Die Via Appia von Rom bis Albano, Wolfenbüttel 1886. Reiches und wertvolles Material über den der Stadt zunächst gelegenen Tract der Via Appia enthält auch de Rossis Roma Sotteranea, bes. Bd. III 626–633. Meilensteine CIL X 6812–6880, vgl. p. 1019.

2. Von Capua nach Benevent führt die Appia über (VI mp.) Calatia (Maddaloni) – VINovae (Arienzo) – IXCaudium (Montesarchio) – XIBeneventum. Von wem diese Verlängerung angelegt ist, steht nicht fest, jedenfalls nicht vor der Sendung der Colonie nach Benevent (268 v. Chr.), aber auch vermutlich nicht viel später. Meilensteine dieses Abschnittes s. CIL IX 5980–5997 = X 6908–6925. Über die Vicinalstrassen in Campanien s. Beloch Campanien 20f.

3. Von Benevent nach Brundisium (202 mp.) sind die Stationen nach den Itinerarien (Tab. Peut. It. Ant. p. 111. 120; Hieros. 610. Geogr. Rav. IV 33 p. 876. 35 p. 283 P.): BeneventumIIIINuceriolaVIad CaloremVAeclanum (Mirabella) – XVIsub RomulaXIAquilonia (Lacedogna) – VIPons Aufidi (Ponte Venere) – XVIIIVenusia (Venosa) – XXXVSilvium (Garagnone bei Spinazzola) – XIIIBleraXIIIIsub LupatiaXIIIad CanalesXIIITarentumXMesochorumXUria (Oria) – VIIIScamnumXVBrundisium. Auch von dieser Strecke ist ungewiss, wann sie angelegt worden sei. Dass schon um 190 v. Chr. die grosse Landstrasse nach Unteritalien über Venusia geführt habe, schliesst man aus dem Fragment einer Rede des C. Gracchus bei Gell. X 3, 5. Strabon unterscheidet (VI 282) zwischen der für Wagenverkehr geeigneten (ἁμαξήλατος μᾶλλον) Strasse über Tarentum (der eigentlichen Appia) und dem kürzeren aber beschwerlicheren Wege über Herdoniae, Canusium, Caelia, Gnathia (welch letzterer später zur Via Traiana [s. d.] ausgebaut wurde). Zwischen Benevent und Aquilonia scheint in älterer Zeit die Appia durch das Thal des Ufito und direct über die Berge von von Trevicum gegangen zu sein (Meilenstein eines Consuls Lepidus aus dem 2. oder 1. Jhdt. v. Chr. CIL X 6073. Horat. sat. I 5, 80), wogegen in der Kaiserzeit der weitere aber bequemere Weg über Aeclanum ausgebaut wurde. Von Hadrian wurde letzterer bereits restauriert, wie die Inschrift mehrerer zwischen Benevent und Aeclanum gefundenen Meilensäulen (CIL IX 6072. 6074. 6075) beweist, wonach die Via Appia auf eine Länge von 15 750 Schritt aus einem Beitrage von 1 157 000 Sesterzen von seiten des Kaisers, 569 000 Sesterzen von den anliegenden Grundbesitzern wiederhergestellt worden ist. Übrigens verlor die Via Appia in der späteren Kaiserzeit an Bedeutung, nachdem der Verkehr mit dem östlichen Teil der Halbinsel mehr über die Via Traiana, mit dem westlichen über die Via Herculia geleitet wurde. Doch ist auch die letzte Strecke der Via Appia (Tarentum – Brundisium) noch von Constantin um 315 wiederhergestellt worden (CIL IX 6076. 6077[WS 2]).

Als Werk über die gesamte Via Appia ist immer noch einzig F. M. Pratilli Della via Appia riconosciuta da Roma a Brindisi, Napoli 1745, leider voller unzuverlässiger Angaben und Fälschungen, s. E. Gesualdo Osservazioni critiche [242] sopra la storia della V. A. di D. F. M. Pratilli, Napoli 1754. Mommsen CIL X p. 373.

Anmerkungen (Wikisource)