Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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König v. Armenien 95 - ca. 55 v. Chr.
Band VI A,1 (1936) S. 970978
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1) König von Armenien 95 bis etwa 55 v. Chr. Nach Appian. Syr. 48 Sohn eines T., nach Strab. XI 532 aus dem Geschlecht des Artaxias, eines Strategen Antiochos’ III. (Baumgartner o. Bd. II S. 1326); was Moses über die arsakidische Dynastie in Armenien seit 149 v. Chr. berichtet, ist Dichtung: Tournebize I 761ff.; doch ist ihm Babelon Les Rois de Syrie CCI anscheinend gefolgt; er macht T. zum Sohn eines Artaxias (um 114 v. Chr.), von dem wir sonst nichts wissen, und zum Nachkommen des Valarsakes, Bruders Mithradates’ I. von Parthien; vgl. dazu noch Edw. Thomas Numism. Chron. 1867 S. 141ff. Wahrscheinlicher ist der Stammbaum bei Tournebize I 762: Artaxias, T., seine Söhne Artoasdes (Iust. XLII 2, 6) und T., die einander auf dem Throne ablösten. Dann wäre unser T. der zweite König seines Namens. – Artoasdes (Artavasdes) wurde von Mithradates II. von Parthien beseitigt und T. an seiner Stelle auf den Thron gesetzt. Dieser war den Parthern vertraut geworden, da er längere Zeit als Geisel bei ihnen gelebt hatte: Strab. XI 532: κατ’ ἀρχὰς μὲν γὰρ ὡμήρευσε παρὰ Πάρθοις; Iust. XXXVIII 3, 1: obses Parthis ante multum tempus datus. Der Regierungsantritt fällt in das J. 95 v. Chr., da T. 70 v. Chr. 25 Jahre regierte: Plut. Luc. 21; sein Geburtsjahr liegt um 140 v. Chr., da er nach Lucian. Macrob. 15: 85 Jahre lebte und etwa 55 v. Chr. gestorben ist: Cic. pro Sestio 59 (56 v. Chr.) noch erwähnt, nach Plut. Crass. 19 und Cass. Dio XL 16 sein Sohn Artavasdes 54 v. Chr. bereits König; vgl. Reinach Mithradates Eupator, deutsche Ausg., 96f.

Als Preis für die parthische Unterstützung mußte T. 70 Täler (αθλῶνας: Strab. XI 532) abtreten. Kaum saß er aber fest auf dem Thron, als er schon über die Grenzen seines Staates hinausgriff: damals muß er Sophene erobert haben (Strab. a. O.), und um 93 verbündete er sich mit Mithradates VI. von Pontos, heiratete dessen Tochter Kleopatra und fiel über Kappadokien her, dessen Nachbar er durch die Eroberung Sophenes geworden war; der Römerschützling Ariobarzanes von Kappadokien wurde vertrieben und der Sohn des Mithradates wiedereingesetzt; Appian. Mithr. 10. 15. Iustin. XXXVIII 3, 2f. Plut. Luc. 14. Oros. VI 2, 1. Darauf erhielt der Propraetor L. Cornelius Sulla den Befehl, Ariobarzanes zurückzuführen; er vertrieb die armenischen Truppen aus Kappadokien und drang bis zum Euphrat vor, Plut. Sulla. 5. Appian. Mithr. 57: 92 v. Chr. Hier empfing er einen Gesandten des Partherkönigs, der ihm ein Bündnis (Πάρθους συμμαχίας καὶ φιλίας δεομένους) antrug: Plut. a. Ο. Liv. per. 70. Auf diesen Versuch einer Annäherung – denn zum Abschluß eines Bündnisses kam es offenbar nicht – ist es vielleicht zurückzuführen, daß Liv. per. 100 sagt: Cn. Pompeius amicitiam cum rege Parthorum renovavit; vgl. Rawlinson The Sixth Great Oriental Monarchy, Lond. 1873, 134. Was Mithradates II. von Parthien zu dieser Gesandtschaft veranlaßt hat, ist schwer zu sagen; Furcht vor T. [971] ist es sicher nicht gewesen, da Mithradates kurz vor seinem Tode (88 v. Chr.) noch in die syrischen Verhältnisse eingriff: Geyer o. Bd. XV S. 2211 Nr. 22. Aus diesem Grunde möchte ich auch gegen Rawlinson a. O. mit Reinach 306ff. die von Strab. XI 532 berichtete Wiedereroberung der an die Parther abgetretenen Täler (vgl. Memn. 58, 2) und die Einfälle des T. in das parthische Land bis nach Ninive und Arbela in die Zeit nach dem Tode des großen parthischen Königs setzen: etwa 87–78. In diese Jahre fällt auch die Eroberung von Gordyene, Atropatene und dem nördlichen Mesopotamien: Strab. XI 532. XVI 747; vgl. Plut. Luc. 14. 21. Eutrop. VI 8, 4. Strab. XI 528. Cass. Dio XXXVI 6, 2. In Atropatene herrschte als Vasall sein Schwiegersohn Mithradates: Cass. Dio XXXVI 14, 2. Nach Iustin. XL 1, 3ff. ist T. um 86 nach Syrien, wo infolge andauernder Thronstreitigkeiten anarchische Zustände herrschten, gerufen worden: 17 Jahre (nach Appian. Syr. 70: 14 J.) habe sich Syrien unter seiner Herrschaft vollkommener Ruhe erfreut. Nach Appian. Syr. 48. 69 ist er gegen die Seleukiden zu Felde gezogen, da sie sich nicht unterwerfen wollten; vgl. noch Plut. Luc. 14. Strab. XI 532. Joseph. ant. XIII 419. Von Syrien aus drang er nach Kilikien vor: Plut. Pomp. 28; Luc. 21. Appian. Syr. 48. Cass. Dio XXXVI 37, 6. Auch nach dem Süden, nach Phoinikien, dehnte er seine Herrschaft aus: Strab. XI 532. Plut. Luc. 21. Um diesem Großreich eine passende Hauptstadt zu geben, von der aus es leicht zu regieren war, gründete er am Südrand Armeniens Tigranokerta, wohl bei dem heutigen Meijafarikin (Farkin), wie schon v. Moltke Briefe aus d. Türkei 302 vermutete; vgl. zuletzt Lehmann-Haupt Armenien einst u. jetzt I 381ff. Eckhardt Klio IX 407ff. X 84ff. Rice Holmes The Rom. Republic I 409ff. (zweifelnd). Nach der Sitte orientalischer Despoten wurden aus den benachbarten Landschaften Tausende zur Übersiedlung in die neue Hauptstadt gezwungen; unter ihnen auch Griechen: Plut. Luc. 21. 26. Strab. XI 532. Appian. Mithr. 67. Weiteres im Art. Tigranokerta. In derselben Richtung liegt seine Prunksucht: Plut. Luc. 21. Cass. Dio XXXVI 52, 2. Vell. II 33, 1. Eutrop. VI 8, 4. Trotzdem sein Reich nur ein schnell aufgeführter Bau ohne jede Festigkeit war und T. selbst im Grunde genommen eine erbärmliche Persönlichkeit (s. u.), war er doch um 70 der mächtigste Herrscher Vorderasiens. Hätte er etwas Weitblick besessen, so hätte er der Vernichtung seines Schwiegervaters Mithradates VI. nicht tatenlos zugesehen. Als Mithradates Mitte 71 aus seinem Reiche vor Lucullus fliehen mußte und T. um Aufnahme bat, lehnte dieser einen Empfang bei Hofe ab und wies ihm ein armenisches Kastell als Wohnsitz an: Memn. 46, 1. Plut. Luc. 22, wo Mithradates ein Jahr und acht Monate verweilen mußte: Memn. 55. Erst nach dieser langen Zeit war T. zur Einsicht gekommen, daß Rom in diesen Gegenden einen selbständigen Herrscher nicht dulden werde. Sofort nach der Flucht des Mithradates 71 hatte Lucullus einen Legaten, seinen Schwager Ap. Claudius Pulcher, zu T. geschickt, um die Auslieferung des Mithradates zu verlangen: [972] Plut. Luc. 19. Memn. 46, 2. Da aber T. mit der Unterwerfung phoinikischer Städte beschäftigt war, ließ er den Gesandten, der erst in die Irre geführt worden war, ziemlich lange in Antiocheia warten: Plut. Luc. 21. Joseph. ant. XIII 419; bell. Iud. I 116. Diese Zeit benutzte Claudius, um mit unzufriedenen Dynasten und Städten in heimliche Verbindung zu treten, so auch mit dem König von Gordyene, der dafür mit dem Tode büßen mußte: Plut. Luc. 21. 29. Sall. hist. IV 56. T. belagerte inzwischen die seleukidische Königin Kleopatra Selene (vgl. Staehelin o. Bd. XI S. 783f.) in Ptolemaïs: Joseph. ant. XIII 420; bell. Iud. a. O., und kehrte erst nach der Eroberung und Gefangennahme der Selene (Strab. XVI 749) nach der Hauptstadt zurück. Hier beleidigte ihn das herausfordernde Benehmen des Legaten, der sich durch seinen Prunk nicht verblüffen ließ, und tief verletzt wurde er durch die Form des lucullischen Schreibens, das die Anrede ,König der Könige‘ fortließ, die Auslieferung des Mithradates mit dem Wunsche, ihn im Triumph zu zeigen, begründete und bei Verweigerung der Forderung mit dem Kriege drohte: Plut. Luc. 21. T. suchte bei der offiziellen Audienz eine gleichgültige, ja heitere Miene zu zeigen und lehnte wegen der nahen Verwandtschaft die Auslieferung ab; wenn die Römer ihn angreifen würden, werde er sich verteidigen. In seinem Antwortschreiben an Lucullus verweigerte er dem Proconsul die Anrede ‚Imperator‘: Plut. Luc. a. O. Memn. 46, 2. 3. Damit war der Krieg angekündigt; trotzdem hat T. wohl noch einige Zeit verstreichen lassen, ehe er im Frühjahr 69 Mithradates zu sich rief. Er empfing ihn an seinem Hofe mit königlichen Ehren, und beide beseitigten in dreitägigen Unterredungen alles gegenseitige Mißtrauen. Einige Vertraute, die am Hofe des T. lebten und jetzt zu Sündenböcken gemacht wurden, wie der frühere Parteigänger des Mithradates, Metrodoros von Skepsis, und Amphikrates von Athen, fielen der Versöhnung zum Opfer: Memn. 55. Plut. Luc. 22. Strab. XIII 610. Sie beschlossen die Eröffnung des Krieges: Mithradates sollte mit 10 000 Reitern die Wiedereroberung seines Reiches versuchen, während T. durch Lykaonien und Kilikien nach Asien vorstoßen wollte: Plut. Luc. 23. Memn. a. O. Als Lucullus davon benachrichtigt wurde, wunderte er sich, warum T. den Krieg nicht begonnen habe, als Mithradates noch in voller Macht dastand (Plut. a. O.). Vgl. im übrigen zu dem Verhältnis zwischen T. und Mithradates noch Geyer o. Bd. XV S. 2179f. 2188. Nach Gelzer o. Bd. XIII S. 395f. begann Lucullus seinen Vormarsch gegen T. im Frühjahr 69. Sein Heer wird im Höchstfall auf 18 000 Legionäre, 3000 Reiter und 1000 Leichtbewaffnete angegeben: Plut. Luc. 27, 2; vgl. jedoch c. 24. Die übrigen Angaben bei Gelzer a. O. Holmes a. O. I 408. Eckhardt Klio X 76ff. Drumann-Groebe RG III 159. Über das Heer des T. werden die für orientalische Verhältnisse üblichen riesigen Zahlen angegeben; jedoch ist es klar, daß es das schwache römische Heer um das Mehrfache übertroffen hat. Wie gering sein Kampfwert war, haben die folgenden Kämpfe bewiesen. Es wird im allgemeinen auf 240 000 [973] bis 300 000 Mann angegeben: Plut. Luc. 26. Appian. Mithr. 85. Eutrop. VI 9, 1 (700 000!); die richtige Zahl gibt vielleicht Memn. 57, 1: 80 000. – Mit seinem Heer, dessen Stimmung schlecht war (Plut. Luc. 24), stieß Lucullus durch Kappadokien, dessen König Ariobarzanes sich ihm anschloß, an den Euphrat bei Melita: Plin. n. h. VI 8. Strab. XII 535. Tac. ann. XV 26. 27. Das Hochwasser fiel plötzlich, so daß mit den bereitgehaltenen Kähnen der Übergang erfolgen konnte: 1 Sall. hist. IV 59f. Plut. Luc. 24. Durch die Sophene ging es dann ohne Aufenthalt zum Tigris: Plut. a. O. Appian. Mithr. 84. Oros. VI 8, 6. Erst nach dem Übergang erfuhr T. das Herannahen des feindlichen Heeres: Plut. Luc. 25. Appian. a. O. Mithrobarzanes wurde mit einem Streifkorps gegen die Römer geschickt, wurde aber völlig geschlagen und fiel selbst: Plut. a. O. Appian. a. O. Nun zog sich T. von Tigranokerta in das Gebirge zurück, wobei ihm der Legat L. Licinius Murena schwere Verluste an Leuten und Gepäck beibrachte, Plut. Luc. 25, während Sextilius eine Abteilung Araber (Syrer) zersprengte: Plut. a. O. Dann belagerte Lucullus Tigranokerta mit allem Nachdruck, um den König wieder in die Ebene zu locken: Appian. Mithr. 84. Memn. 56, 1. Plut. Luc. 26, 2. Cass. Dio XXXVI 1 b. Sall. hist. IV 61ff. Doch gelang es T., seine Frauen aus Tigranokerta glücklich herauszubringen: Appian. Mithr. 85. Memn. a. O.; vgl. Eckhardt Klio X 92. Holmes a. O. I 193, 3. Gelzer 397. T. hatte Mithradates zurückgerufen, Memn. 56, 2, und sammelte das Reichsheer: Plut. Luc. 25. Mithradates schickte ihm Taxiles zu und ließ ihn vor einer Schlacht warnen, Appian. Mithr. 85, indem er ihm das Vorgehen des Lucullus vor Kyzikos als Vorbild hinstellte. Aber T. glaubte bei der großen Anzahl seiner Truppen des Erfolges sicher zu sein und hielt die Warnung des Mithradates für Mißgunst; daher entschloß er sich zur Schlacht, bevor dieser bei ihm eintraf: Plut. Luc. 26, 5. Taxiles geriet bei dieser Haltung des Königs, der sich natürlich auch die Höflinge anschlossen, in Lebensgefahr. Als T. in der Ebene erschien, entschied sich Lucullus sofort, ihm entgegenzuziehen; er ließ 6000 Mann unter Murena vor Tigranokerta zurück und rückte mit 24 Kohorten, der Reiterei und 1000 Leichtbewaffneten an den Nikephorios vor, den Eckhardt 102 und Lehmann-Haupt I 401ff. für den Batman-Su halten: Plut. Luc 27. Die Armenier witzelten über die Kleinheit der römischen Armee: Plut. Luc. 27. Cass. Dio XXXVI I b. Memn. 57, 1. Am nächsten Morgen setzte er über den Fluß und begann den Angriff, der nach kurzem, wenig verlustreichem Kampfe mit einer vollständigen Niederlage der Feinde endete; über ihre Verluste werden phantastische Zahlen genannt: Plut. Luc. 27. 28. Appian. Mithr. 85. Memn. 57, 2. Liv. per. 98. Frontin. II 1, 14. Oros. VI 3, 1. Sall. hist. IV 64ff. Phlegon FGrH 257 F 12, 10. Durch eine rücksichtslose Verfolgung wurde das armenische Heer völlig zersprengt: s. die obigen Stellen. Über die Schlacht vgl. Gelzer 397f. Geyer S. 2189. Lehmann-Haupt I 401ff. 515ff. 538f. T. hatte sich sofort zur Flucht gewandt und sein Diadem seinem [974] Sohne T. übergeben, um nicht erkannt zu werden; da dieser aber, durch das Schicksal eines Bruders gewarnt, es nicht anzulegen wagte, gab er es einem Sklaven, durch dessen Gefangennahme es in die Hand des Lucullus geriet: Plut. Luc. 28. Cass. Dio XXXVI 1 b. Memn. 57, 3. Frontin. a. O. Oros. VI 3, 7. Auf der Flucht traf T. mit Mithradates zusammen, dem er nun die Leitung übergab: Plut. Luc. 29. Memn. 58. Appian. Mithr. 87; vgl. darüber Geyer S. 2190. – Bald nach der Schlacht fiel auch Tigranokerta: Plut. Luc. 29. Appian. Mithr. 86. Memn. a. O. Cass. Dio XXXVI 2, 3f. Eutrop. VI 9, 1; nach Memnon haben οἱ δὲ κατὰ τὴν πόλιν Μιθριδάτου στρατηγοί dem Lucullus die Stadt in die Hände gespielt (vielleicht Taxiles und seine Begleiter?), nach Plut. a. O. waren es die Griechen, nach Cass. Dio die Kiliker. Man fand in der Stadt ungeheure Reichtümer, die den Soldaten als Beute überlassen wurden; nach Plut. a. O. sollen es 8000 Talente gewesen sein, wozu noch ein Geschenk des Lucullus in Höhe von 800 Drachmen für jeden Soldaten trat. Doch schützte der Feldherr die Frauen der Vornehmen vor der Willkür der Soldaten: Cass. Dio a. O. Die zur Einweihung des Theaters von T. zahlreich eingeladenen Schauspieler mußten nun zur Verherrlichung des Siegesfestes auftreten; die gewaltsam in die Stadt verpflanzten Griechen (vgl. Strab. XI 532) schickte Lucullus mit Zehrgeld in die Heimat zurück, und auch mit den Barbaren (s. die oben bei der Gründung von Tigranokerta angeführten Stellen) verfuhr er ähnlich: Plut. a. O. Dadurch verlor die Stadt jede Bedeutung: Strab. a. O. Durch die Schonung ihrer Frauen gewann Lucullus u. a. Antiochos von Kommagene und einen arabischen Dynasten Alchaudonios: Cass. Dio XXXVI 2, 5. XL 20, 1, wohl der bei Strab. XVI 753 genannte König der Rhambaier am Euphrat Alchaidamnos; vgl. Plut. a. O. Auch die Landschaft Gordyene wußte der Römer durch ein glänzendes Leichenbegängnis ihres hingerichteten Königs Zarbienos an sich zu fesseln; Plut. a. O., s. o. Dafür verwandte er die Schätze und den gewaltigen Getreidevorrat des Königs zur Fortführung des Krieges und Verpflegung des Heeres: Plut. Luc. 29 a. E. Sall. hist. IV 72. Syrien und Palästina gingen nach dem Abzug des armenischen Satrapen Magadates ebenfalls dem T. verloren; Antiochos Asiatikos nahm mit Billigung des Lucullus den Thron seiner Väter wieder ein: Appian. Syr. 49. 70. Iustin. XL 2, 2: Wilcken o. Bd. I S. 2486.

Mithradates, mit der Leitung der Operationen beauftragt (Geyer S. 2190), sammelte inzwischen ein neues Heer, das nach römischem Muster ausgebildet wurde: Appian. Mithr. 87. Cass. Dio XXXVI 1, 1. Memn. 58, 1. Phlegon a. O. Reinach 362f. Zugleich suchte er mit T. den parthischen König Phraates III. (vgl. v. Gutschmid Gesch. Irans 83) zu gewinnen; sie boten ihm die Rückgabe der von T. eroberten parthischen Gebiete und der ,Großen Täler‘ an (s. o. Memn. 58, 2. Appian. Mithr. 87) und stellten ihm vor, daß sein Interesse ihn zur Unterstützung der benachbarten Großreiche zwinge: Cass. Dio XXXVI 1, 2. Sall. hist. IV 69. Als Lucullus von diesen Versuchen hörte, wirkte er ihnen durch Drohungen [975] und Versprechungen entgegen: Cass. Dio XXXVI 3, 1. Phraates schickte, um das Terrain zu sondieren, Gesandte an Lucullus und bat um Freundschaft und Bündnis: Cass. Dio 3, 2. Plut. Luc. 30, 1. Der darauf zu Verhandlungen abgeordnete Legat Sextilius (Σηκίλιος bei Cass. Dio) machte aber durch verdächtiges Interesse für die militärischen Verhältnisse Phraates argwöhnisch, so daß er beschloß, neutral zu bleiben, ohne mit Mithradates und T. zu brechen: Cass. Dio XXXVI 3, 3. Plut. Luc. 30. Appian. Mithr. 87. Ob Lucullus darauf den Krieg auch gegen die Parther beabsichtigt hat, wie Plut. a. O. erzählt, erscheint fraglich: Eckhardt Klio X 195. Über die bei Beginn des Frühjahrsfeldzugs 68 im römischen Heer im Pontos und Gordyene ausbrechende Meuterei (Plut. Luc. 30) und die Machenschaften in Rom vgl. Gelzer 400f. Trotzdem rückte Lucullus im Sommer 68 in das armenische Hochland ein (vgl. Eckhardt Klio X 202ff.) und geriet hier bald in Verpflegungsschwierigkeiten, da die Ernte in dieser Höhe (ca. 600 m) noch nicht reif war und Mithradates keine Schlacht annahm, sondern nur die Verproviantierung erschwerte; so kam er nicht vorwärts, trotzdem er in vielen Scharmützeln siegreich blieb und mehrere Magazine fortnahm: Plut. Luc. 31. Cass. Dio XXXVI 4, 2. Erst als Lucullus gegen Artaxata vorstieß, wo sich Frauen und Kinder des T. befanden, gelang es ihm, die Könige zum Schlagen zu bringen. T. rückte bis an den Arsanias vor und blieb am nördlichen Ufer stehen. Lucullus ging über den Fluß und siegte nach längerem Kampfe, der ihm ziemlich große Verluste brachte: Plut. Luc. 31; vielleicht ist Cass. Dio XXXVI 5, 1. 2 auf diese Schlacht zu beziehen. Sall. hist. IV 75. 76. Appian. Mithr. 87. Gelzer 401. – Als Lucullus trotz der vorgeschrittenen Jahreszeit (Sept. 68) weiter gegen Artaxata vorrückte, brach nach wenigen Tagen offene Meuterei in seinem Heere aus, zumal bereits Schnee fiel und die Flüsse sich mit dünnem Eis bedeckten; die Strapazen wurden in dem unwegsamen Gelände dadurch unerträglich: Plut. Luc. 32. Durch die Bitten des Feldherrn ließen sich die Soldaten nicht umstimmen, und Lucullus mußte umkehren; er überwinterte in Mygdonien, wo er Nisibis einnahm: Plut. Luc. 32. Cass. Dio XXXVI 6. 7. Hierhin hatte T. bei dem Einbruch in Mesopotamien die Beute gebracht und seinem Bruder Guras in Obhut gegeben. Erst nach tapferer Gegenwehr fiel die Stadt, und darauf übergab Guras die Burg; s. die obigen Stellen.

Diesen Zusammenbruch der römischen Offensive nutzten die Könige sofort aus; Mithradates brach durch Kleinarmenien in sein Reich ein und hatte hier so bedeutende Erfolge, daß er binnen kurzem seine Erblande, wo sich die Römer gründlich verhaßt gemacht hatten, wieder in Besitz hatte: Geyer S. 2190f. Über die weiteren Unternehmungen des Lucullus s. Gelzer 402ff. T. selbst zog nach Armenien und schloß den Legaten L. Fannius, der sich ihm entgegenstellte, ein, Cass. Dio XXXVI 8, 2. Plut. Luc. 34, 6; ihn entsetzte Lucullus. Als Mithradates nach seinem Siege über Triarius sich bei Talaura in Armenien verschanzte und dem heranrückenden Lucullus eine Schlacht verweigerte, brach im römischen [976] Heer die offene Meuterei aus: Gelzer 404. Geyer S. 2191. Während Mithradates auf T. wartete, der im Anmarsch war, fiel der Schwiegersohn des T., Mithradates von Atropatene, in Kappadokien ein und hieb die umherschwärmenden Römer unversehens zusammen: Cass. Dio XXXVI 14. Plut. Luc. 35. Appian. Mithr. 90. Obwohl Lucullus von seinen Truppen nur noch als Privatmann behandelt wurde (Cass. Dio XXXVI 14, 4), I beschloß er, gegen T. vorzurücken, weil er hoffte, auf diese Weise die Truppen wieder in seine Hand zu bekommen; aber an der Grenze Kappadokiens kehrten die Truppen plötzlich um, und trotz allen Zuredens, bei dem Lucullus jede Würde außer acht ließ, waren sie nicht zum Weitermarsch zu bewegen: Cass. Dio XXXVI 15. Plut. a. O. Sie blieben zwar den Sommer 67 noch bei ihm (Gelzer 404), aber Lucullus konnte nichts dagegen unternehmen, daß T. in Kappadokien einfiel: Plut. Luc. 35. In dieser Zeit (67) ging der Dynast Menemachos in Kilikien von der Seite des T. zu den Römern über: Cass. Dio XXXVI 17, 2. Sall. hist. V 16.

Mit der Übernahme des Oberbefehls durch Cn. Pompeius (vgl. Münzer o. Bd. XIV S. 1133ff. Drumann-Groebe IV 429ff.) kam ein neuer Geist in die römische Heerführung. Dies bewog wohl T., sich zurückzuhalten und Mithradates ohne Hilfe zu lassen; er war zu feige und zu selbstsüchtig, als daß er sich zu einem Kampfe auf Leben und Tod für die Sache seines Schwiegervaters verstanden hätte. So wartete er wieder, bis nach der Niederwerfung des Mithradates die Reihe an ihn kam. Gleich am Anfang der Tätigkeit des Pompeius hätte er dabei schon erkennen können, daß dieser ihn nicht schonen würde. Denn es wird berichtet, daß Pompeius den parthischen König Phraates III. durch Überlassung Armeniens zu gewinnen suchte, bei welcher Gelegenheit die 92 v. Chr. mit den Parthern angebahnte Verständigung erneuert wurde: Cass. Dio XXXVI 45, 3. XXXVII 5, 2. Liv. per. 100. Iustin. XLII 4, 6. Flor. I 40, 31; vgl. v. Gutschmid 83f. Nach der Schlacht bei Nikopolis versagte T. seinem Schwiegervater die Aufnahme, ja, er hatte auf seinen Kopf einen Preis von 100 Tal. gesetzt und legte seine Gesandten in Ketten: Plut. Pomp. 32. Cass. Dio XXXVI 50, 1. Diese Handlungsweise war aber nicht auf Furcht vor Pompeius zurückzuführen, sondern T. hielt Mithradates für mitschuldig an dem Verrat seines Sohnes T. (s. Nr. 2). Dieser, der einst von seinem Vater bekränzt worden war, übrigens ebenso verächtlich und energielos wie sein Vater, fiel 66 v. Chr. von ihm ab, mußte aber zu Phraates flüchten: Cass. Dio XXXVI 50, 1. 51, 1. Appian. Mithr. 104. Dieser gab ihm seine Tochter zur Frau: Plut. Pomp. 33 a. E. Appian. Mithr. 104, und führte ihn nach Armenien zurück. T. zog sich zurück, und Phraates belagerte längere Zeit Artaxata. Schließlich ließ er seinem Schwiegersohn einen Teil des Heeres zurück und ging selbst wieder in sein Reich. Nach seinem Abzug erschien der alte T. und besiegte seinen Sohn: Cass. Dio XXXVI 51, 1. 2. Dieser wagte darauf nicht, zu den Parthern zurückzukehren, sondern brach zu seinem Großvater Mithradates auf; als er aber erfuhr, daß dieser mehr Hilfe gebrauchen [977] als leisten könne, begab er sich zu Pompeius, der gerade von seinem Feldzuge aus Kolchis im Anmarsch war. Pompeius zog mit ihm gegen Artaxata, allen Widerstand niederwerfend: Cass. Dio XXXVI 51, 3. 52, 1. Plut. Pomp. 33. Vell. II 37, 3. Als sich der Römer Artaxata näherte, gab T. den Gedanken an Widerstand auf, zumal er den freundlichen Charakter des Pompeius hatte rühmen hören, und beschloß, sich zu unterwerfen. Er übergab dem Pompeius die Stadt und ging ihm entgegen. Als er sich dem Lager zu Pferde näherte, wurde er von Lictoren aufgefordert abzusteigen, da niemand im Lager reiten dürfe. T. gehorchte, übergab sogar seinen Degen und legte seinen weißgestreiften Chiton und den purpurnen Kaftan ab. Als er dann auch die Tiara (Kitharis) abnahm und sich zu Boden werfen wollte, stand Pompeius auf und zog ihn zu sich auf seinen Sitz, während der jüngere T. an seiner anderen Seite saß. T. verlor alle Eroberungen, behielt nur sein Königreich, mußte 6000 Tal. zahlen und Sophene seinem Sohne geben: Cass. Dio XXXVI 52, 2–4. 53, 2. Strab. XI 530. Appian. Mithr. 104. 105. Plut. Pomp. 33. Eutrop. VI 13. Vell. II 37. Val. Max. V 1, 9. Er wurde Freund der Römer: Cass. Dio XXXVI 52, 4. 53, 6. Vgl. noch Liv. per. 101. Zonar. X 4. Offenbar sah Pompeius in dem Haß des T. gegen die Parther eine bessere Bürgschaft für Rom, als sie der jüngere T. bieten konnte. Da es T. schwer wurde, die Kontribution aufzubringen, zwang Pompeius den Sohn, die Schätze in Sophene dem Vater herauszugeben. Darauf leistete T. mehr, als ihm auferlegt war: Cass. Dio XXXVI 53, 3–6. Auch machte er jedem römischen Offizier und Soldaten ein Geldgeschenk: Plut. Pomp. 33. Appian. Mithr. 104. Strab. XI 530.

Das orientalische Großreich, das T. begründet hatte, war ebenso schnell zusammengebrochen, wie es erworben war, ein Beweis dafür, wie lose es gefügt war. T. besaß nicht die Fähigkeit und das Organisationstalent, ein Reich für die Dauer aufzubauen. Wenn Baumgartner o. Bd. II S. 1183f. aus der Ruhe, die unter der Herrschaft des T. in Syrien herrschte, auf sehr wohlgeordnete Verhältnisse in Armenien unter T. schließt, so ist dieser Schluß recht anfechtbar; Armenien stand zu ihm als dem angestammten Könige in einem besonderen Verhältnis und war gewiß wie alle orientalischen Despotien an ein Willkürregiment gewöhnt. Über Syrien aber sind wir für die Zeit des T. so ungenügend unterrichtet, daß man aus dem Schweigen der Überlieferung keine Folgerungen ziehen darf. Das Verhalten des T. seinen Söhnen und den syrischen Vasallen gegenüber läßt vielmehr annehmen, daß er sich in nichts von anderen orientalischen Despoten unterschied.

Besonders die beständigen Familienzwistigkeiten sprechen ebenso gegen T. wie gegen seine Söhne. Aus seiner Ehe mit Kleopatra, der Tochter des Mithradates, stammten drei Söhne. Der älteste, Zariadres, verschwor sich mit armenischen Großen gegen den Vater, fiel aber im Kampfe: Appian. Mithr. 104. Val. Max. IX 11 ext. 3; vgl. Reinach 376. Drumann-Groebe III 158. Der zweite legte sich, als sein Vater auf einer Jagd stürzte, die königliche Tiara [978] an, da er ihn für tot hielt, und wurde hingerichtet: Appian. Mithr. a. O. Der dritte, der jüngere T., empörte sich, wie wir sahen, ebenfalls gegen den Vater, der ihm wegen seines Verhaltens auf jener Jagd die Thronfolge in Aussicht gestellt hatte: s. T. Nr. 2. Ein vierter Sohn, Artavasdes oder Artabazes (vgl. Baumgartner o. Bd. II S. 1308f.), scheint nach der Schlacht bei Tigranokerta 69 v. Chr. sein Mitregent geworden zu sein: Memn. 57, 3 (τὸ διάδημα καὶ τὰ παράσημα τῆς ἀρχῆς ἐπιθεὶς τῷ παιδί: ohne Namensnennung; ist nicht vielleicht der jüngere T. gemeint?), wie Baumgartner a. O. wohl daraus schließt, daß er der Nachfolger des T. wurde: Cass. Dio XL 16. Strab. XI 530. Mon. Anc. 27. Joseph. ant. XV 104.

Es bleibt noch über die Zeit nach dem Abzug des Pompeius zu berichten. Das Eingreifen des Parthers Phraates III. hatte das Verhältnis zwischen T. und den Parthern zu einem gespannten gemacht. Zur Erklärung des Hilferufes des T. an Pompeius erzählt Cass. Dio XXXVII 6, 4 irrtümlich noch einmal den Beginn des Feldzugs des Phraates mit dem jüngeren T. (v. Gutschmid 85, 1 vermutet Benutzung einer anderen Quelle); wir wissen also nicht, welche äußere Veranlassung zu dem Schiedsspruch des Pompeius 65 v.Chr. führte. Jedenfalls hat auch der Parther sich mit Vorwürfen und versteckten Drohungen an den römischen Feldherrn gewandt. Pompeius erklärte die Streitigkeiten für armenisch-parthische Grenzzerwürfnisse und sandte zur Herbeiführung eines Ausgleichs drei Bevollmächtigte. Die beiden Herrscher erkannten nun, daß Feindschaft zwischen ihnen nur dem Römer zugute komme, und vertrugen sich: Cass. Dio XXXVII 6, 4–7, 5.

Seinen prunkvollen Hof erwähnte ich schon: Eutrop. VI 8, 4; nach Plut. Luc. 21 war sein Hochmut den Griechen unter seiner Herrschaft unerträglich; u. a. taten vier Könige bei ihm Trabantendienste. Daß er die orientalische Sitte der Volksverpflanzung in rücksichtsloser Weise übte, sahen wir schon bei der Gründung von Tigranokerta. Auch sonst soll er das getan haben: Griechen nach Mesopotamien, Araber aus der Wüste nach Armenien: Plut. Luc. 21. Wenn Tournebize 45f. ihm die Einführung griechischer Götter nach Armenien zuschreibt und sich dafür auf Moses von Chorene (II 12. 14. 53) beruft, so kann man ihn auf seine scharfe Verurteilung des Moses hinweisen: 761ff. Was wir sonst über T. erfahren, sieht nicht so aus, daß man ihm Berücksichtigung kultureller Gesichtspunkte zutrauen möchte. – γαζοφυλάκια des T. erwähnt Strab. XI 529. – Literatur außer der im Text angeführten: Tournebize 23ff. Schneiderwirth Die Parther, Heiligenstadt 1874, 42ff. v. Gutschmid Gesch. Irans 80ff. – Münzen: Babelon Les Rois de Syrie S. CCIff. 213ff. Head HN² 772ff., zum Teil mit der Umschrift βασιλέως βασιλέων.

[Geyer. ]