Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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I. Arsakes VI. König der Parther ca. 171-139 v. Chr.
Band XV,2 (1932) S. 22082210
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21) M. I. Arsakes VI., König der Parther, auf den Münzen Βασιλέωσ Μεγάλου und Φιλέλληνος (Head HN² 819. Worth 6ff.), kam um 171 v. Chr. zur Regierung: Worth XX. v. Gutschmid 44; um 174 v. Chr. Rawlinson 67; um 160 v. Chr. Breccia Klio V 54. Vgl. Niese III 285, 1. Er war einer der bedeutendsten Herrscher aus der Dynastie der Arsakiden und der eigentliche Begründer des parthischen Reiches. Ein Sohn des Königs Priapatius, übergab ihm sein Bruder Phraates I. unter Übergehung der eigenen Söhne die Herrschaft: Iustin. XII 5, 8ff., wobei es offen gelassen werden muß, ob damals die Königswürde bei den Parthern erblich war oder der König gewählt wurde: vgl. (darüber Breccia 39ff. Seine großen Erfolge, durch die er die Grenzen des bis dahin unbedeutenden Reiches bis über den Euphrat und im Osten bis zum Indus ausdehnte, wurden durch die damalige Lage in Syrien und Baktrien begünstigt: Rawlinson 70ff. v. Gutschmid 44ff. Das sehr dürftige Material über seine Regierung läßt erkennen, daß er den griechischen Königen von Baktrien den Osten Irans entrissen, Indien angegliedert, Medien und Elymais unterworfen und schließlich die Seleukiden vom Euphrat verdrängt hat. Die zeitliche Anordnung dieser Unternehmungen ist dagegen durchaus strittig; es steht nur fest, daß die Kämpfe in Babylonien an den Schluß seiner Regierung gehören. Deshalb weichen die Ansichten der Forscher im einzelnen stark voneinander ab: v. Gutschmid 52f. Schneiderwirth 21f. Rawlinson 77. Niese III 289f. Kugler 338ff. Breccia 54; falsch Spiegel III 77ff. Der Bericht Iustins (XLI 6, 1–3. 6–9), der einzige, der zur Festlegung der Ereignisse benutzt werden kann, ist insofern unklar, als er wohl am Anfang einen Feldzug gegen die Baktrer erwähnt, ihn aber so eng mit offenbar späteren Eroberungen in Ostiran verbindet, daß eine sichere Entscheidung über die Chronologie nicht möglich ist. Doch macht sein Bericht zusammen mit der Notiz bei Strab. XI 517: [Ἕλληνες] ... ὧν τήν τε Ἄσπιώνου καὶ τὴν Ταπυρίαν (v. Gutschmid liest mit Rawlinson Turiua) ἀφῄρηντο Εὐκρατίδην οἱ Παρθυαῖοι wahrscheinlich, daß zwei Züge nach dem Osten unterschieden werden müssen. Der erste richtete sich noch gegen Eukratides und entriß ihm zwei Provinzen (über ihre Lage Rawlinson 75), der zweite wurde erst nach dem Tode dieses mächtigen Fürsten, als das baktrische Reich auseinanderbrach, unternommen und brachte die Eroberung ganz [2209] Ostirans mit dem Kabultal und dem angrenzenden indischen Gebiet (nach Diodor τῆς ὑπὸ τὸν Πῶρον γενομένης χώρας), dessen Bevölkerung sich ohne Kampf dem Parther unterwarf: Diod. XXXIII 18. Oros. V 4, 16ff.; vgl. v. Gutschmid 46ff. Niese a. O. Mit Recht betonen diese Forscher, dass die Wendung ,a monte Caucaso‘ bei Iustin mit der von Diodor und Orosius berichteten Angliederung des Industales nicht in Widerspruch steht. Wenn wir nun versuchen wollen, die Zeit der ersten Unternehmung festzulegen, so wird man sie nicht viel vor 160 v. Chr. ansetzen dürfen, da Eukratides (175–150 v. Chr.: vgl. Willrich o. Bd. VI S. 1059) offenbar zunächst unangefochten regiert hat und der Angriff der Parther erst erfolgte, als die von Iustin erwähnten Kämpfe mit den Sogdianern, Arachoten, Drangern u. a. bereits begonnen hatten.

An diese Eroberung der nordöstlichen Grenzgebiete schloß sich wohl der Kampf gegen Medien: ,dum haec (d. h. die Kriege gegen die eben genannten Völker) apud Bactros geruntur, interim inter Parthos et Medos bellum oritur‘: Iustin. 6, 6. Vgl. Rawlinson 75f. In diesem Krieg trug M. nach wechselvollen Kämpfen den Sieg davon und setzte Vagasis (Bakasis) als Statthalter in Medien ein: Iustin. 6, 6. 7. Über die damaligen Verhältnisse in Medien v. Gutschmid 51f. Von Medien aus begab sich M. nach Hyrkanien, das schon parthisch war (Iustin. XLI 4, 8. 5, 9); von einem Aufruhr dort, wie ihn Rawlinson 76 annimmt, wird nichts berichtet. ,Unde reversus bellum cum Elymaeorum rege gessit, quo victo hanc quoque gentem regno adiecit‘; Iustin. 6, 8. Näheres über diesen Krieg erfahren wir nicht; doch ist die Anordnung der Ereignisse bei v. Gutschmid 53, der den Elymäischen Krieg hinter die Gefangennahme des Demetrios Nikator an den Schluß der Regierung des M. setzte, angesichts der keilinschriftlichen Zeugnisse kaum haltbar. Es scheint sich auch weniger um eine Eroberung als um einen Raubzug gegen Elam gehandelt zu haben, da einmal die Elymäer nach Iustin. XXXVI 1, 4 Demetrios gegen die Parther unterstützt haben sollen und dann schon bald wieder Könige der Elymäer erscheinen (Weissbach o. Bd. V S. 2465); ob M. hier eine arsakidische Nebenlinie einsetzte, wie v. Gutschmid annahm, läßt sich nicht erweisen. Der Charakter eines Raubzugs wird auch durch die Nachricht bei Strab. XVI 744, daß M., der hier allein gemeint sein kann, elymäische Tempel, der Athena und der Artemis (τὰ Ἄζαρα) plünderte und 10 000 Talente erbeutete, nahegelegt. Dabei wurde auch Seleukeia am Hedyphon, das frühere Soloke, erobert (vgl. Honigmann u. Bd. II A S. 2561). In die letzten Jahre der Regierung des M. gehört die Unternehmung gegen Mesopotamien. Nach Kugler Von Moses bis Paulus, Münster 1922, 338ff. geht aus den keilinschriftlichen Urkunden hervor, daß M. im Juli 141 v. Chr. in Seleukeia am Tigris einzog und für die nächsten Jahre die Herrschaft in Babylonien behauptete. Nach Oros. V 4, 16 besiegte er den syrischen Strategen (praefectus) von Babylonien und eroberte das Land. Da aber die parthische Herrschaft sich bei der Bevölkerung, die stark hellenisiert [2210] war (vgl. Iustin. Joseph. a. O.), verhaßt machte, so bestürmte diese den syrischen König Demetrios II. Nikator durch Gesandtschaften, sie von dem fremden Joche zu befreien. Demetrios glaubte den Versuch der Rückeroberung machen zu sollen, da er hoffte, von den oberen Satrapien aus das ganze Reich zu gewinnen; die Perser, Elymäer und Baktrer sollen ihm Unterstützung zugesagt haben (Iustin. XXXVI 1, 4). Zunächst hatte er Erfolg (multis proeliis Parthos fudit) und drang sogar nach Medien vor: I. Makk. 14, 1ff. in Übereinstimmung mit einem keilinschriftlichen Zeugnis: Kugler 340f. Dann aber wurde er, wohl in Medien, durch scheinbare Friedensunterhandlungen getäuscht, von einem Feldherrn des M. geschlagen und gefangengenommen. Der Sieger schenkte ihm das Leben, wies ihm Hyrkanien als Wohnsitz an und gab ihm eine Tochter zur Frau, wohl weil er sich gegebenenfalls seiner gegen Syrien bedienen wollte: Iustin. XXXVI 1, 2ff. XXXVIII 9, 2ff. Joseph. ant. XIII 184ff. I.Makk. 14, 1ff. Appian. Syr. 67. Moses v. Chorene II 2. Über die abweichende Datierung bei Euseb. chron. I 257. 263f. vgl. Kugler 344. Die Folge des Sieges war die Befestigung der parthischen Herrschaft in Babylonien; ob aus Diod. XXXIII 28 mit Niese III 290f. geschlossen werden darf, daß sich in Mesopotamien ein Dionysios der Meder hielt, erscheint fraglich, v. Gutschmid 51 setzt die Notiz wohl richtiger vor die parthische Eroberung in das J. 142. Jedenfalls geht aus dem von Kugler behandelten Material (vgl. auch sein Buch: Sternkunde und Sterndienst in Babel II 446) hervor, daß Babylonien bis 130 v. Chr. ununterbrochen von den Parthern beherrscht wurde. – M. starb bald nach der Gefangennahme des Demetrios, jedenfalls vor 138/37, in hohem Alter: Iustin. XLI 6, 9. 3 XXXVIII 9, 4ff.; nach Rawlinson 83 erst 136 v. Chr. Über die Ausdehnung seines Reiches: Isidor v. Charax (GGM I 250ff.). Plin. n. h. VI 112. Rawlinson 79ff., über die Organisation und Regierungsweise Rawlinson 84ff. Literatur (auch für die folgenden parthischen Könige): Spiegel Eranische Altertumsk. III 77ff., G. Rawlinson The Sixth Great Oriental Monarchy, Lond. 1873. F. H. Schneiderwirth Die Parther, Heiligenstadt 01874. A. v. Gutschmid Gesch. Irans und seiner Nachbarländer, Tüb. 1888. Niese Griech. u. maked. Staaten III, Gotha 1903. W. Wroth Catalogue of the Coins of Parthia (Brit. Mus.), Lond. 1903.