Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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VI. Eupator Dionysos der Große, König von Kappadokien 111-63 v. Chr.
Band XV,2 (1932) S. 21632205
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12) M. VI. Eupator Dionysos.

1. Name, Abstammung, Geburt. Auf Münzen und Inschriften begegnet nur der Beiname Eupator, der auch im Schrifttum überwiegt; Dionysos bei Appian. Mithr. 10. Plut. quaest. conv. I 6, 2. [Dion Chrys.] XX 6. Athen. V 212 d. Cic. pro Flacc. 25, 60. Syll.. or. 370 = Reinach Anh. nr. 7; der ,Große‘: Suet. Iul. 35. Eutrop. VI 22. Sein Vater war M. V. (Nr. 11), seine Mutter war nach Reinach 41. 42, 1 (vgl. auch Trois royaumes 179; L’hist par les monn. 133ff.; Bull. hell. XXX 48f.) Laodike, Tochter des Antiochos IV. Epiphanes; vgl. jedoch dazu Staehelin o. Bd. XII S. 709, der das ganze Material vorlegt und der Vermutung Reinachs sehr skeptisch gegenübersteht. Jedenfalls wird bei Memn. 30 und Appian. Mithr. 112 kein Name genannt (vgl. Sall. hist. frg. II 75 Maur.), was gegen die seleukidische Herkunft der Mutter spricht – Er wurde zu Sinope: Strab. XII 545, etwa 132 v. Chr. geboren, da er 63 v. Chr. im Alter von 68 oder 69 Jahren starb: Appian. Mithr. 112; damit stimmt Strab. X 477 (11 Jahre alt beim Tode des Vaters), sowie Appian. a. O. und Plin. n. h. XXV 6 (57 bzw. 56 Regierungsjahre). Als σύντροφοι des M. werden Gaios und Dorylaos genannt: Plut. Pomp. 42. Strab. X 477. Syll.. or. 372. 373. Reinach Anh. nr. 9. – Nach Memn. 30 (FHG ΙΙI 541) empfing er die Herrschaft gemeinsam mit seiner Mutter: μητέρα κοινωνὸν αὐτῷ παρὰ τοῦ πατρὸς τῆς βασιλείας καταλειφθεῖσαν; nach Strab. a. O.: τὴν διαδοχὴν εἰς γυναῖκα καὶ παδιδία ἥκουσαν scheint auch der Bruder zur Herrschaft berufen gewesen zu sein, was allerdings durch die folgenden Worte: δυεῖν δὲ ὄντων υἱῶν τοῦ Εὐεργέτου διεδέξατο τὴν βασιλείαν Μιθρ. in Frage gestellt wird. Nach den beiden delischen Inschriften Syll.. or. 368 und 369: βασιλέως Μιθραδάτου Εὐπάτορος καὶ τοῦ ἀδελφοῦ αὐτοῦ Μιθραδάτου Χρηστοῦ war nur M. Eupator König, die Erwähnung seines Bruders Chrestos ohne Titel ist ungewöhnlich und deutet vielleicht auf ursprüngliche Mitregentschaft hin.

2. Erste Regierungsjahre. Gründung des pontischen Reiches. Seiner herrschsüchtigen Mutter, die wohl schon bei der Abfassung des Testamentes, wenn es echt war, und bei der Beseitigung des Vaters die Hand im Spiel hatte, war er im Wege. Um den Nachstellungen zu entgehen, flüchtete er ins Gebirge, wo er sieben Jahre umherschweifend, Städte und Dörfer meidend, gelebt haben soll. Dadurch härtete er seinen Körper ab und stählte ihn im Kampf mit wilden Tieren; auch gewöhnte er sich [2164] an die gebräuchlichsten Gifte: Iustin. XXXVII 2, 4ff. Inzwischen wurde Großphrygien von Rom eingezogen: Iustin. XXXVIII 5, 3. Inschrift Reinach Anh. nr. 4. – Nach sieben Jahren tauchte M. plötzlich wieder in Sinope auf und gewann ohne Mühe die Herrschaft. Seine Mutter wurde beseitigt: sie verschwand in einem Kerker: Memn. 30, oder wurde vergiftet: Sall. hist. frg. II 75 Maur. Appian. Mithr. 112. Sen. contr. I VII 1, 15: wohl um 111 v. Chr. Auch sein Bruder Chrestos wurde getötet: Memn. a. O. Appian. a. O. M. lenkte in die Bahnen seines Vaters zurück: er trug für die Nachkommen des Dorylaos Sorge; zeichnete dessen Neffen, den jüngeren Dorylaos, seinen σύντροφος, durch hohe Ehren aus: Strab. X 477. 478. Syll.. or. 372, und umgab sich auch sonst mit griechischen Ratgebern: Syll.. or. 371. 373. 374. Nach alter persischer Sitte vermählte er sich mit seiner Schwester Laodike (Staehelin o. Bd. XII S. 711). Seine besondere Sorgfalt galt dem Heere, das er nach griechischem Muster reorganisierte.

In der zweiten Hälfte des 2. Jhdts. v. Chr. war die Lage der griechischen Siedlungen an der Nordküste des Schwarzen Meeres immer schwieriger geworden. Skythen, Sarmaten und Roxolaner drängten immer stärker gegen die Küste vor, und die griechischen Gemeinden wie das bosporanische Reich im Osten der Krim waren nicht imstande, aus eigener Kraft zu widerstehen, zumal das nichtgriechische Element in ihren Mauern ständig zugenommen hatte: vgl. Minns Scythians and Greeks, Cambridge 1918, 463f. 518ff. 586ff. Ebert Südrußland im Altertum, Bonn 1921, 339ff. Reinach 52ff. Der gefährlichste Gegner der Griechen war der König Skiluros (u. Bd. III A S. 526f.). Am stärksten bedroht waren Chersonesos und das bosporanische Reich auf der Krim; der letzte Spartokide, Pairisades, mußte den Skythen Tribut bezahlen, die unterworfenen Stämme, wie die Maioten, machten sich frei, schließlich mußten Pairisades und Chersonesos gegen neue Angriffe des Nachfolgers des Skiluros, Palakos, die Hilfe des M. anrufen. Der König übergab ihm die Herrschaft, und Chersonesos unterwarf sich und wählte ihn zu ihrem προστάτης: Strab. VII 308–310. M. nahm das Angebot an (in diesen Zusammenhang gehört vielleicht die Inschrift Latyschew Ι² 349) und schickte seinen Feldherrn Diophantos nach der Krim. Dieser Krimkrieg gehört in die erste Zeit der Regierung des M.: Iustin. XXXVII 2, 7. 3, 1ff. XXXVIII 7, 4. Trog. prol. 37, also etwa 110 v. Chr. (vgl. auch Niese Rh. Mus. XLII 567ff. Brandis o. Bd. III S. 772ff. Ed. Meyer 89ff.). Über den Krieg sind wir neben Strab. VII 309–312 namentlich durch eine große Ehreninschrift der Chersonesiten für Diophantos unterrichtet: Syll..² 709 = Reinach Anh. nr. 11 = Latyschew Inscr. gr. orae septentr. Pont. Eux. I² 352 = Minns 647 nr. 18. Danach hat Diophantos die Skythen und Taurier besiegt, Chersonesos durch Befestigungen gesichert, die Stadt Eupatorion angelegt (Strab. VII 312), darauf auch im bosporanischen Reich die Ruhe hergestellt und nach der Rückkehr nach Chersonesos die Skythen in ihrem Lande aufgesucht und ihre Festungen erobert: [2165] Z. 5–14. Ein Aufstand der Unterworfenen führte zu einem zweiten Feldzuge gegen die Skythen; Diophantos erschien mit einem neuen Heere (wohl 109 v. Chr.) und ging trotz der vorgerückten Jahreszeit sofort gegen die Skythen und Palakos, der sich auch mit den Roxolanen verbündet hatte, vor. Nach der Eroberung zweier Kastelle wurde er von den Barbaren angegriffen, behielt aber nach heftigem Kampfe den Sieg und beendete im nächsten Frühjahr die Unterwerfung der Krim; Palakos flüchtete nach Rom: Inschrift Z. 15ff. Strab. VII 306. Memn. 30. Bald darauf aber brach in Bosporos (Pantikapaion) ein Aufstand aus, ein Saumakos, vielleicht skythischer Herkunft, da er sich auf die wohl vor allem skythische Landbevölkerung (nicht, wie Niese will, die eben besiegten freien Skythen) stützte, aber vom König aufgezogen, ermordete Pairisades und wurde König und zwang Diophantos zur Flucht. Im nächsten Frühjahr zog Diophantos mit Land- und Seemacht gegen Bosporos, eroberte Theodosia und Pantikapaion, nahm Saumakos gefangen und begründete endgültig die Herrschaft des M.: Inschrift Z. 309.; Münze des Saumakos: Head HN² 297. So wurde die Krim mit ihren griechischen Siedlungen ein Teil des mithradatischen Reiches und zwar, wie der hohe Tribut von 180 000 Med. Getreide und 200 Tal. Silber beweist, eine durch Fruchtbarkeit und Handel wertvolle Besitzung: Strab. VII 311. M. aber wußte darüber hinaus diesen Vorposten zur Anknüpfung von Beziehungen zu den skythischen und roxolanischen Fürsten bis zur Donau, zur Anwerbung von Söldnern, zur Ausdehnung seiner Herrschaft über die Nachbargebiete wie die Maiotis auszuwerten. vgl. über die Bedeutung der Krim Rostowzew Iranians and Greeks in South Russia 148ff. Seine südrussischen Unternehmungen und Kämpfe sind zeitlich nicht sicher anzusetzen und uns nur durch gelegentliche Erwähnungen dürftig bekannt oder aus der Heimat seiner Söldner zu erschließen: Plut. de fort. Rom 11. Iustin. XXXVIII 3, 6. 7, 4. Memn. 30. 39,1. Appian. Mithr. 13. 15. 19. 69. 71. 109. Trog. prol. 37. Denn wenn wir im Heer des M. neben den südrussischen Stämmen auch Bastarner, Kelten und sogar Thraker finden, so kann daraus auf seine Machtstellung in Südrußland geschlossen werden. Die Unterwerfung der Maloten, die zum Reich der Spartokiden gehört hatten, muß sich an die Besetzung von Pantikapaion angeschlossen haben. Dies ergab sich einmal aus den Verhältnissen, da die Behauptung der Städte ohne das Umland unmöglich war, ist aber auch aus Strab. VII 311: ... σὺν τοῖς Ἀσιανοῖς χωρίοις τοῖς περὶ τὴν Σινδικήν zu folgern; auch die Sinder begegnen uns in den Titeln der bosporanischen Fürsten (vgl. z. B. die Artikel Leukon und Spartokos). Wahrscheinlich beziehen sich auch die Siege des Neoptolemos, Feldherrn des M., auf diese Kämpfe, der die Barbaren im Winter auf dem Eise, im Sommer auf dem Wasser der Straße von Kertsch, des Kimmerischen Bosporos, besiegte: Strab. II 73. VII 307 (vgl. Reinach 67). Die Felsküste des Kaukasus zwischen der Krim und Kolchos zu unterwerfen, gelang nicht: Appian. 67. Dagegen wurde Kolchis, das wegen seines Reichtums an Holz, Harz und Hanf für den Schiffbau [2166] von Wichtigkeit war, erobert und einem ὕπαρχος καὶ διοικητής unterstellt: Strab. XI 499. XII 555. Appian. 15. Memn. 30, 2. Iustin. XXXVIII 7, 10. Mit Iberien und Medien wurden Beziehungen angeknüpft, die Gebiete zwischen Krim und Kolchis erkundet: Memn. a. O. Strab. I 14. XI 496. Die Südküste zwischen Kolchis und dem Stammland wurde unterworfen, Kleinarmenien nach Abdankung des Antipatros erobert: Strab. XII 541. 555. Hier baute M. nach Strab. a. O. 75 Burgen, während die silberreichen Berge (vgl. Ritter Erdk. X 272. 757) ausgebeutet wurden.

3. Die Kämpfe in Kleinasien bis zum Eingreifen der Römer. Nach dem Abschluß der Eroberungen im Norden und Osten wandte sich M. der Abrundung und Vergrößerung seines Reiches in Kleinasien zu. Damals schon mag ihm der Gedanke vorgeschwebt haben, ganz Kleinasien unter seine Herrschaft zu bringen. Da die Römer den besten Teil Kleinasiens besaßen und auf den Rest maßgebenden Einfluß ausübten, konnte dieser Plan nur durch einen Kampf verwirklicht werden, bei dem es um Sein oder Nichtsein ging. Ob sich M. dies ganz klar gemacht oder ob er geglaubt hat, daß Rom durch die Kämpfe im Westen (Kimbern und Jugurtha) hinreichend gebunden und infolge der Entartung der herrschenden Klassen und der inneren Zerklüftung überhaupt außerstande sei, seine Macht im vollen Umfang aufrechtzuerhalten, ist nicht zu entscheiden. Jedenfalls waren die Verhältnisse in Kleinasien seinen Plänen günstig. Auf einer Reise durch die Provinz Asien und Bithynien, die er unerkannt unternahm (Iustin. XXXVII 3, 4. 5) und die wohl um 107 v. Chr. anzusetzen ist (vgl. Reinach 82, 1; nach Ed. Meyer 108: um 104), trat ihm der ungeheure Haß entgegen, der sich infolge der alles Maß übersteigenden offiziellen und privaten Erpressung gegen die Römer angesammelt hatte. Die übrigen Länder Kleinasiens waren in einem Zustande, der einer aktiven Politik des pontischen Königs nur günstig war: Galatien wegen des geringen Zusammenhalts der Stämme ohnmächtig, Paphlagonien unter mehrere Dynasten geteilt, Kappadokien seit dem Tode Ariarathes’ V. um 180 v. Chr. Niese o. Bd. II S. 818f.) voll innerer Unruhen. Um 111 v. Chr. (nach Ed. Meyer 103: um 105) wurde Ariarathes VI. von Gordios ermordet, wie es hieß, auf Anstiften des M., zu dem Gordios floh: Iustin. XXXVIII 1, 1. Ariarathes VII. Philometor (Niese 819) folgte ihm unter Vormundschaft seiner Mutter Laodike, der Schwester des M., die sich gegen ihren Bruder nur schwer behaupten konnte. Nur Bithynien war unter Nikomedes II. ein blühendes Land; aber auch hierhin kamen die römischen Wucherer (vgl. Diod. XXXV1 3, 1), und der König war für ein Bündnis gegen Rom zu haben. – Nach seiner Rückkehr von der Reise (106 v. Chr.) mußte er zunächst einem Vergiftungsversuch seiner Gemahlin Laodike zuvorkommen: Iustin. XXXVII 8, 7f. Sall. hist. II 75 M. Bald darauf fiel er, da seine Rüstungen vollendet waren, mit Nikomedes zusammen in Paphlagonien ein und teilte das Land mit ihm. Auf die Beschwerde der Dynasten befahl der Senat, den früheren Zustand wiederherzustellen. [2167] M. aber glaubte sich Rom damals gewachsen und gab zur Antwort, daß ihm das Königreich als Erbe seines Vaters gehöre. Zugleich brachte er auch Galatien in engere Abhängigkeit und setzte sich mit den Kimbern in Verbindung (Iustin. XXXVIII 3, 6. 7, 2. 10). Nikomedes dagegen wagte nicht offen zu widersprechen; er gab seinem Sohn den Namen Pylaimenes und machte ihn zum König, als gehöre er zum alten Königsgeschlecht: Iustin. XXXVII 4. M. schickte aber zugleich Gesandte nach Rom und ließ die Senatoren so ungeniert bestechen, daß der Tribun Apuleius Saturninus den Senat angriff und die Gesandten mit Hochmut (μεγάλην ὕβριν) behandelte: Diod. XXXVI 15. Da Rom nichts weiter unternahm, ging M. weiter: mit Nikomedes vereint, griff er in Kappadokien ein (nach Reinach 89f. zwischen 102 und 100). Aber hier geriet er in Nachteil, da Nikomedes, bevor M. sich in Bewegung setzte, mit der Königin Bündnis und Ehe schloß. Jetzt vertrieb M. die bithynischen Truppen und setzte Ariarathes wieder ein, während Laodike ihrem Gemahl nach Bithynien folgte: Iustin. XXXVIII 1, 1–4. Als Ariarathes VII. das Verlangen des M., den Mörder seines Vaters, Gordios, zurückzuberufen, abwies und rüstete, rückte M. gegen ihn vor und stieß ihn bei einer Unterredung nieder. Darauf gab er seinem achtjährigen Sohne den Namen Ariarathes und machte ihn unter der Vormundschaft des Gordios zum König, indem er ihn für einen Sohn Ariarathes’ V. (wohl zu lesen: Enkel, vgl. Reinach 91, 2) ausgab: Iustin. XXXVIII 1, 5–10. 2, 5. Trog. prol. 38. Memn. 30: 100 oder 99 v. Chr. Damals traf M. mit C. Marius zusammen: Plut. Mar. 31. Der Sohn des M. war etwa fünf Jahre (bis 95 oder 94 v. Chr.: Reinach 91, 5. Head HN² 751) König, dann rief die Willkür der pontischen Beamten eine Empörung hervor, und der Bruder Ariarathes’ VII., Ariarathes VIII., wurde König. M. vertrieb ihn und setzte seinen Sohn wieder ein. Nikomedes jedoch war nicht damit einverstanden, Kappadokien auf die Dauer ganz an M. fallen zu lassen, und sandte daher seine Gemahlin Laodike mit einem Knaben, den sie als den dritten Sohn aus ihrer Ehe mit Ariarathes VI. ausgeben sollte (Ariarathes VIII. war bald nach seiner Vertreibung gestorben), nach Rom; demgegenüber gab M. von neuem den regierenden König als einen Nachkommen Ariarathes’ V. aus. Der Senat befahl den Königen, Kappadokien und Paphlagonien zu räumen, und diese wagten nicht, sich zu widersetzen. So verlor M. alle seine Eroberungen, wohl auch Galatien, und Kappadokien und Paphlagonien wurden für frei erklärt Als die Kappadoker erklärten, ohne König nicht leben zu können, erhielten sie Ariobarzanes: Iustin. XXXVIII 2, 1–8. Strab. XII 540: 95 oder 94 v. Chr. (Reinach 93, 1). – M. hatte seine Macht überschätzt und die Erfahrung gewonnen, daß er gegen Rom nur auf Erfolge hoffen konnte, wenn er starke Bundesgenossen neben sich hatte. Ein wertvoller Kampfgenosse schien Tigranes von Armenien zu sein, der damals durch die Eroberung von Sophene Nachbar Kappadokiens geworden war. Mit ihm kam ein Bündnis zustande, und zugleich heiratete Tigranes M.’ Tochter Kleopatra. Weiter [2168] wandte sich M. an Ägypten und Syrien um Schiffe und Steuerleute und an die Sarmaten und Bastarner um Söldner: Appian. Mithr. 13. 15. Iustin. XXXVIII 3, 6. 7. Tigranes überrannte Kappadokien und vertrieb Ariobarzanes; M.’ Sohn wurde wieder eingesetzt: Iustin. XXXVIII 3, 1ff. Nun erhielt der Propraetor von Kilikien L. Cornelius Sulla den Auftrag, Ariobarzanes zurückzuführen; er vertrieb die pontischen und armenischen Streitkräfte und drang bis zum Euphrat vor, wo er einen Abgesandten des Partherkönigs empfing: Plut. Sulla 5. Liv. per. 70. Appian. Mithr. 10. 57: 92 v. Chr. – Wieder sah sich M. um den Lohn seiner Anstrengungen betrogen; er schien seine Pläne aufgeben zu müssen. Da brachte der Bundesgenossenkrieg Rom in schwerste Not, und M. beschloß sofort, die Gelegenheit auszunützen, allerdings wagte er nicht sofort offen aufzutreten. Wenn Reinach 105 meint, er war damals noch mit den Kämpfen gegen Bastarner und Sarmaten beschäftigt und mit seinen Rüstungen noch nicht fertig (Plut. de fort. Rom. 11), so kann ich ihm darin nicht folgen. Die Zeit von 106–92 war mit Kämpfen in Kleinasien ausgefüllt mit Ausnahme der Jahre 99–95, als in Kappadokien der Sohn des M. unangefochten regierte. In diese Zeit können die südrussischen Kämpfe fallen, keinesfalls aber in die Zeit von 95–91, in der der Streit um Kappadokien M. ganz in Anspruch nahm. Auch Iustin. XXXVIII 3, 6f. deutet auf frühere Zeit. Die Zurückhaltung des M. ist also nur ein taktisches Manöver, das jederzeit in den offenen Krieg hinübergeführt werden konnte. In Bithynien war um 94 v. Chr. (Reinach 105, 3) Nikomedes II. Epiphanes gestorben und ihm sein Sohn Nikomedes III. gefolgt. Dieser beseitigte seine Gemahlin Nysa und rief seinen Stiefbruder Sokrates Chrestos an seinen Hof: Licinian. p. 36 Bonn. Doch Sokrates intrigierte in Rom gegen seinen Bruder und begab sich, hier abgewiesen, zu M.: Licinian a. O. Memn. 30. Appian. Mithr. 10. vgl. Cic. de orat III 229: 91 v. Chr. M. versuchte zunächst Nikomedes III. zu beseitigen (Appian. Mithr. 57) und verhalf dann Sokrates zum Thron. Nikomedes begab sich nach Rom, und dasselbe tat Ariobarzanes, der von M. in Verbindung mit Tigranes aus Kappadokien von neuem vertrieben wurde: 90 v. Chr.: Iustin. XXXVin 3, 4. 5. 5, 8. Appian. Mithr. 10. 57. Memn. 30. Trog. prol. 38. Liv. per. 74. 76 (Chronologie Reinach 109, 2). Zugleich scheint M. damals mit den Italikern in Verbindung getreten zu sein: Diod. XXXVII 2, 11. Aber der Bundesgenossenkrieg war inzwischen in der Hauptsache beendigt, und deshalb beschloß der Senat, beide Könige wieder einzusetzen.

4. Der erste Krieg mit Rom: 89–84 v. Chr. Eine Gesandtschaft unter M.’ Aquilius begab sich nach Kleinasien: Appian. 11. Iustin. XXXVIII 3, 4. Daraufließ M. den Sokrates ermorden: Iustin. XXXVIII 5, 8, und berief seinen Sohn aus Kappadokien zurück. Nikomedes III. und Ariobarzanes wurden wieder eingesetzt: Appian. 11. Liv. per. 74. Iustin. XXXVIII 5, 6: 89 v. Chr. Doch damit war dem goldhungrigen Aquilius nicht gedient; er suchte einen Anlaß zu kriegerischem Vorgehen, um Geld erpressen zu [2169] können. Er verlangte daher von M. Ersatz der entstandenen Kosten, und als dieser ablehnte, trieb er den bithynischen König an, den Bosporos zu sperren, in das Land des M. einzufallen und sich durch Plünderungen bezahlt zu machen: Cass. Dio frg. 99 Boiss. Appian. 11. 12. Iustin. XXXVIII 5, 10. M. wich zurück und verlangte von den Römern Genugtuung oder die Erlaubnis, sich diese selbst zu verschaffen: Appian. 12–14. Die Antwort war zweideutig und schroff. M. vertrieb nun Ariobarzanes aus Kappadokien und teilte dies mit dem Hinzufügen mit, daß er eine Gesandtschaft an den Senat schicken werde mit dem Angebot seiner Hilfe in Italien, wenn man ihm bei der Bestrafung des Nikomedes behilflich sei: Appian. 15. 16. So wußte M. geschickt die Schuld an einem etwaigen Bruch den Römern zuzuschieben. Er fühlte sich wohl stark genug zum Kampfe und glaubte die schwere Krise in Italien noch nicht überwunden. Nach Beendigung der russischen Kämpfe standen ihm Söldner aus dem ganzen Gebiet zwischen Tanaïs und Donau zur Verfügung; mit Tigranes, dem Partherkönig, den Königen von Syrien und Ägypten und den Iberern stand er in Bündnis oder Verhandlungen: Appian. 15. Memn. 30,3. Iustin. XXXVIII 3, 6. 7. Die Seeräuber waren seine Bundesgenossen: Appian. 92f. In Kleinasien befand sich keine nennenswerte römische Truppenmacht, der Sympathien der Bevölkerung bis nach Hellas hinein war er sicher. Die Lage schien für ihn also selten günstig zu sein. – Der römische Kommissar befahl dem Könige, Bithynien und Kappadokien unangetastet zu lassen, und ließ seine Gesandten an die Grenzen bringen: Appian. 16. Das war der Anfang des offenen Krieges: 89/88 v. Chr. M.’ Aquilius unterschätzte die Machtmittel und die Willenskraft des M. und schob in seiner Habgier alle Bedenken leichtfertig beiseite. Auch mochte er die von ihm aufgebotenen Milizen unter römischer Führung den Streitkräften des M. für überlegen halten. Er teilte seine Truppen, bei denen sich nur wenig Römer befanden, in vier Abteilungen: Nikomedes stand mit 50 000 Mann zu Fuß und 6000 Reitern gegen Paphlagonien, C. Cassius, der Statthalter Asiens, zwischen Bithynien und Galatien, Aquilius an der Straße von Bithynien zum Pontos, Q. Oppius, der Statthalter Kilikiens, gegen Kappadokien; die letzten drei Heere sollen je 40 000 Mann zu Fuß und 4000 Reiter gezählt haben. Dazu kam eine Flotte bei Byzanz. Demgegenüber soll M. über 250 000 Mann zu Fuß und 40 000 Reiter und 10 000 kleinarmenische Reiter verfügt haben: Appian. 17. Diese Zahlen sind jedenfalls stark übertrieben, und mit Ausnahme der römischen Truppen (Besatzung von Asien) und der Phalanx des M. waren die Truppen von geringem Werte; jedoch waren die barbarischen Söldner des M. den Milizen auf römischer Seite an wildem Mut überlegen. Die Phalanx wurde von Dorylaos, die 130 Sichelwagen von Krateros, die übrigen Truppen von Archelaos und Neoptolemos geführt. 88 v. Chr.: Die Abteilung des Nikomedes wurde im Tal des Amnias beim Betreten des pontischen Bodens vollständig geschlagen: Appian. 18. Memn. 31, 1. Strab. XII 562. M. selbst stieß gegen Aquilius vor. Nikomedes floh [2170] zu Cassius, während auch im Heere des Aquilius die Auflösung um sich griff. Der Rest wurde bei Proton Pachion auseinandergetrieben, Manius rettete sich nach Pergamon, Cassius und Nikomedes zogen sich nach Leonton Kephale (ἐς Λεόντων κεφαλήν) zurück (vgl. Hirschfeld Berl. phil. Woch. 1891, 1386f.), um ihr Heer auszubilden und durch Phryger zu verstärken. Da sie aber auf Abneigung stießen, gaben sie das Unternehmen auf; Cassius ging mit den römischen Truppen nach Apameia, Nikomedes nach Pergamon (und von dort nach Italien), Oppius warf sich nach Laodikeia am Lykos. So waren schon Bithynien, Phrygien und Mysien gewonnen, und auch die Flotte ergab sich dem M.: Appian. 19. 20. Memn. 31. Strab. a. O. Bald kamen Lykien, Pamphylien und Karien hinzu. Oppius wurde nach kurzer Belagerung von den Bürgern von Laodikeia ausgeliefert: Appian. 20. Strab. XII 578. Liv. per. 78. Magnesia, Ephesos, Mytilene empfingen M. mit (Freuden; aus vielen Städten kamen Glückwünsche: Appian. 21. Diod. XXXVII 26. Cic. pro Flacco 25, 60f. Nur Stratonikeia mußte erobert werden: Appian. a. O. Syll.. or. 441, und Magnesia am Sipylos hielt der Belagerung stand: Liv. per. 81. Paus. I 20, 5. Plut. praec. reip. ger. 14. Appian. a. O. M.’ Aquilius geriet in die Hände des M., wurde durch die Städte Asiens geschleppt und schließlich grausam getötet: Appian. a. O. Diod. XXXVII 27. Poseid. FGrHist 87 F 36. Cic. de imp. Pomp. 11; Tusc V 14. Plin. n. h. XXXIII 48. Gegen die noch widerstrebenden Elemente in Paphlagonien und Lykien entsandte M. Feldherren, das eroberte Gebiet unterstellte er Satrapen: Appian. 21. 27. – Was sollte nun aus den in ganz Asien verstreut lebenden Römern und Italikern werden? Sie waren eine ständige Bedrohung für M., Feinde in seinem Lande, die mit allen Mitteln die Wiederherstellung der römischen Herrschaft erstreben mußten. Da M. zugleich wußte, wie verhaßt die Fremden waren, so entschloß er sich zu dem furchtbaren Blutbefehl von Ephesos. Er erließ an die Satrapen und städtischen Behörden den Befehl, am 30. Tage nach dem Datum des Briefes alle Römer und Italiker ohne Rücksicht auf Alter, Geschlecht und soziale Stellung zu töten. Der Befehl wurde überall mit grausamer Eonsequenz vollzogen, und insgesamt sollen 80 000 Italiker getötet worden sein: Memn. 31, 4. Appian. 22. 23. Plut. Sulla 24. Cass. Dio frg. 109, 8. Weitere Stellen bei Drumann-Groebe Gesch. Roms II 377, 7. Belohnung für Festnahme von Römerfreunden: Athen. Mitt. XVI 95ff. Die Beute war so groß, daß M. den Asiaten fünf Jahre die Tribute erlassen konnte: Iustin. XXXVIII 3, 9. In Kos wurden Gelder der Juden und die Schätze des Ptolemaios Alexandros II. beschlagnahmt: Strab. FGrHist 91 F 6. Appian. 23. – So notwendig es auch für M. gewesen war, den Feind im Innern unschädlich zu machen, das Blutbad, das unterschiedslos alle Italiker verschlungen hatte, hatte auch jede Möglichkeit eines Bündnisses mit den Samniten beseitigt; noch vor kurzem hatten sie seinen Beistand nachgesucht: Poseid. a. O. Diod. XXXVII 2, 11, was durch italische Münzen bestätigt wird: vgl. die bei Reinach 127, 1 angeführten Werke, [2171] außerdem Hill Historical Roman Coins (1909) 85ff. – Trotz der einigermaßen erträglichen Lage Griechenlands fand M. auch hier, besonders in Athen, begeisterte Anhänger. Man fühlte doch in den Schichten der Gebildeten, soweit sie nicht an der regierenden Oligarchie Anteil hatten, daß man ganz von der herablassenden Gnade Roms abhängig und daß jedes selbständige Leben versiegt war. Alle Regungen eines freien Geistes wurden von der aristokratischen Regierung des Areopags, die sich ganz auf Rom stützte, mit peinlicher Ängstlichkeit verfolgt. So flüchtete man sich in die Vergangenheit und pflegte die Erinnerung an die einstige Größe: vgl. Ferguson Hellenistic Athens 415ff. Keil Ber. Akad. Leipz. Phil.-hist Kl. LXXI (1919) 8. Heft. Man suchte die Schuld an der ruhmlosen Gegenwart nicht bei sich, sondern bei den Römern. So sah man in Athen und sonst in M. den Befreier, der Griechenland stets sein Wohlwollen bewiesen hatte (s. die delischen Inschriften Syll. or. 367–74 = Reinach Anh. nr. 5–10. Roussel Délos colonie athénienne nr. 46 = Durrbach Choix d’inscriptions de Délos nr. 133/34. Roussel Cultes égyptiens de Délos nr. 160. 161. 163. Im allgemeinen Roussel Délos col. ath. 319ff.). Man beschloß daher in Athen, zunächst Aristion (= Athenion), den M. schon vorher zu Verhandlungen mit hellenischen Städten verwandt hatte (Paus. I 20, 5), zur Einleitung von Verhandlungen zu M. zu schicken (über Aristion vgl. Reinach 133ff. Wilcken o. Bd. II S. 900f. und 2038ff. Niese Rh. Mus. XLII 574ff. Ferguson 447, 1 [mit weiterer Literatur]. Während besonders Niese und Wilcken in Aristion und Athenion [bei Poseid. F 36] verschiedene Persönlichkeiten sahen, trat u. a. Reinach für die Identität beider ein. Mir erscheint diese Annahme einleuchtend, da wir von Aristion nur den Ausgang, von Athenion den Anfang des Wirkens kennen; der eine verschwindet plötzlich, der andere taucht plötzlich auf, während beider Wirksamkeit zusammengefaßt den lückenlosen Lebenslauf eines athenischen Schöngeistes ergibt, der zu politischer Macht gelangte. Dafür spricht auch die Tatsache, daß nur Poseidonios den ersten Tyrannen Athenion kennt und daß nur von Aristion Münzen überliefert sind. Strab. IX 398 [τυράννους] ist nur eine gelegentliche Äußerung, die man nicht pressen darf). Aristion wurde von M. ehrenvoll empfangen und vollständig gewonnen. Als er zurückkehrte, wurde er begeistert begrüßt und nach einer von Übertreibungen strotzenden Rede zum στρατηγὸς ἐπὶ τῶν ὅπλων gewählt: Poseidon. a. O. Über seine Münzen vgl. Reinach 135, 1. Weil Athen. Mitt. VI 315ff. Head HN² 385. Zugleich wurde Apellikon mit 1000 Hopliten nach Delos geschickt, um die Insel zum Anschluß zu zwingen; doch wurde seine Truppe dort beinahe aufgerieben: Poseidon, a. O. Inzwischen war aber die pontische Flotte unter Archelaos mit dem Heer an Bord in der Ägäis erschienen, die alle Inseln zur Anerkennung des M. brachte: Liv. per. 78. Memn. 32. Flor. I 40, 8. Delos wurde erobert, die dort besonders zahlreichen Italiker (20 000) niedergemetzelt, die Stadt zerstört, die Tempelschätze zwischen M. und Athen [2172] geteilt: Appian. 28. Paus. III 23, 3ff. Hatte sich Aristion schon vor diesem Ereignis wie ein Tyrann benommen, gegen die Römerfreunde und die Reichen förmliche Hetzjagden veranstaltet, die Lebensmittel rationiert (Poseidon. a. O.), so wurde seine Gewaltherrschaft jetzt noch drückender, als er mit den delischen Schätzen und einer Leibwache von 2000 Mann aus Delos, wohin er sich wohl zur Begrüßung des Archelaos begeben hatte, zurückkam: Plut. Sulla 12. 14; Lucull. 19. Appian. a. O. Paus. I 20, 4f. Als das Heer des Archelaos (vgl. Eutrop. V 6, 1. Oros. VI 2, 4) in Griechenland erschien, fielen auch die Achaier, Lakonien und ganz Boiotien, mit Ausnahme von Thespiai, dem M. zu, Euboia, Demetrias und Magnesia wurden besetzt: Appian. 29. Memn. a. O. Plut. Sulla 11, und gegen den Statthalter Makedoniens, Sentius Saturninus, die Thraker mobil gemacht: Plut. a. O. Liv. per. 74. 76. Cass. Dio frg. 101, 2. Cic.Verr. II 3, 217. Oros. V 18, 30. Nur Rhodos hielt an Rom fest, trotzdem es dem M. Dank schuldete; aber es glaubte nicht an den endlichen Sieg des M. Dieser beschloß, die Insel, koste es, was es wolle, zu unterwerfen. Nach der Besiegung der rhodischen Flotte wandte er alle Mittel der Belagerungstechnik an und schloß die Stadt zu Wasser und zu Lande ein. Doch alles war vergeblich; der König mußte die Belagerung schließlich aufgeben: Appian. 24–27. Diod. XXXVII 28. Memn. 31, 3. Val. Max. V 2 ext. 2. vgl. van Gelder Gesch. d. alten Rhodier 162ff. – Inzwischen hatte Braetius Sura (s. über ihn Drumann-Groebe II 559f.) den Pontikern zur See eine Schlappe beigebracht und Skiathos eingenommen, dann in Boiotien dem Archelaos und Aristion ein unentschiedenes Treffen geliefert: Plut. Sulla 11. Appian. 29.

Anfang 87 stach der mit der Führung des Krieges vom Senat betraute Proconsul L. Cornelius Sulla mit einem Heere von fünf Legionen in See. Zum Feldzug 87/86 vgl. vor allem Kromayer Antike Schlachtfelder II 353ff. Mit seinem Erscheinen in Griechenland wurde das pontische Heer auf die Verteidigung angewiesen, und Sullas Bestreben mußte es sein, möglichst schnell eine Entscheidung herbeizuführen, da er von Rom nur unangenehme Überraschungen erwarten konnte und seine Verpflegung infolge des Mangels einer Flotte schwierig war: Appian. 33. 40. 45. 50. 54; auch die Rhodier konnten keine Schiffe stellen: Appian. 33. Die griechischen Kleinstaaten schlossen sich sofort den Römern wieder an, und Archelaos zog sich in den Peiraieus zurück: Appian. 30. Plut. Sulla 12. Paus. IX 7, 4. Memn. 32. Die Nachricht von einer Niederlage des Archelaos ist unwahrscheinlich: Paus. I 20 5. Memn. a. O. Er konnte hoffen, sich lange im Peiraieus zu halten und durch die Zeit den Gegner mürbe zu machen, da M. die See beherrschte; inzwischen konnte die Hauptarmee durch Thrakien und Makedonien herankommen. Aristion behauptete Athen. Sulla versuchte, den Peiraieus im ersten Ansturm zu nehmen, doch Archelaos hielt stand: Appian. 30. Plut. Sulla 12; de garrul. 7. Liv. per. 81. Vell. II 23, 3. Flor. I 40, 10. Eutrop. V 6. Oros. VI 2, 5. So mußte sich Sulla zur regelmäßigen Belagerung [2173] entschließen; mit allen Mitteln suchte er die Mauern zu erschüttern und Bresche zu legen, die Maschinen baute er aus dem Holz der heiligen Haine, Geld mußten die Tempel zu Delphi, Olympia und Epidauros liefern: Plut. Sulla 12. Appian. 54. Paus. IX 7, 5. Diod. XXXVIII 7. Aber Archelaos wußte alle Anstrengungen zu vereiteln: Appian. 30–40, trotzdem ein Versuch des Neoptolemos, von Chalkis aus zu Hilfe zu kommen, scheiterte: Appian. 34. 1 Den Winter verbrachte Sulla in Eleusis, während sein Quaestor L. Licinius Lucullus es unternahm, eine Flotte zusammenzubringen: Appian. 33. 51. 56. Plut. Luc. 3. Gegen die Reiter des Archelaos schützte sich Sulla durch einen Graben: Appian. 33. Im Frühjahr 86 begann der Sturm von neuem. In Athen stieg die Hungersnot aufs äußerste: Appian. 34. 35. 38. Plut. Sulla 12. Sulla fing das für die Stadt bestimmte Getreide ab, baute Kastelle, um ein Entweichen der Bevölkerung zu verhindern, und wandte sich wieder gegen den Peiraieus. Als er nicht vorwärts kam, ließ er Truppen zurück und nahm durch Überraschung Athen, nachdem Aristion die Bitten der Athener auf Übergabe zurückgewiesen hatte; Aristion zog sich auf die Akropolis zurück: Appian. 38. Plut. Sulla 14. Paus. I 20, 6. Memn. 32. Strab. IX 396. Liv. per. 81. Die Akropolis kapitulierte im Sommer: Appian. 39. Plut. a. O. Paus. a. O. Bald darauf ergab sich auch der Peiraieus, nur Munychia hielt sich: Appian. 40. Plut. Sulla 15. Über die Behandlung der Stadt und ihrer Bewohner, die Zerstörung des Peiraieus und das Schicksal Aristions vgl. Appian. 38–40. Plut. Sulla 14. 23. Paus. I 20, 6. 7. Strab. IX 396. 398. Gran. Licinian. p. 33 Bonn. Liv. per. 81.

Inzwischen war die pontische Hauptarmee langsam herangekommen, unter Führung des Ariarathes, hatte Abdera genommen und in Makedonien gegen Sentius Saturninus und Braetius Sura kämpfen müssen: Appian. 35. Memn. 32. Licinian. p. 32. 33. Auf dem Vormarsch im Frühjahr 86 wurde der Prinz beim Vorgebirge Tisaion auf Befehl seines Vaters vergiftet: Appian. 35. Plut. Pomp. 87; zum Vormarsch vgl. Kromayer II 356, 1. Sulla war nach dem Fall Athens und des Peiraieus, den der pontische Oberbefehlshaber Taxiles während der Belagerung von Elateia erfuhr (Paus. I 20, 6), sofort nach Boiotien aufgebrochen, da die Verpflegung in Attika schwierig war und Hortensius, der mit 6000 Mann vom Adriatischen Meere nach Thessalien vorgedrungen war – er war wohl für Makedonien bestimmt (Reinach 155, 3) –, bedroht wurde: Memn. 32, 3. Plut. Sulla 15. vgl. Kromayer H 357, 3. Anderseits hätte Archelaos die Entscheidung lieber hinausgezögert (Plut. Sulla 15), aber er mußte der Aufforderung des Taxiles folgen, sich mit ihm zu vereinigen. Er fuhr nach Chalkis, wo Neoptolemos stand: Appian. 34, und vereinigte sich mit Taxiles: Appian. 41. Memn. 32, 3. Trotzdem sie im Besitz der Thermopylen waren, gelang es Hortensius, den Oita zu umgehen und nach Abwehr der Pontiker bei Tithora zu Sulla zu stoßen: Plut. a. O. vgl. Kromayer II 358f. Reinach (162, 2) vermutet auf Grund von Frontin. I 5, 18 (wo ‚Cappadocia‘ in keiner Weise hingehört), [2174] daß Sulla die pontischen Feldherren durch Verhandlungen hinhielt. Mit seiner Armee, 15 000 Mann zu Fuß und 1500 Reiter, nahm nun Sulla bei Elateia Stellung: Plut. Sulla 16, und ließ seine Soldaten, die durch die Übermacht der Feinde (nach Memn. 32, 3: 60 000 Mann, nach Appian. 41 und Eutrop. V 6, 3: 120 000; vgl. dazu Reinach 162, 4. Kromayer 390ff.) eingeschüchtert waren, solange Schanzarbeiten machen und den Kephissos durch Gräben ableiten, bis sie der Arbeit müde waren und auch infolge der Streif- und Plünderungszüge der übermütigen Gegner selbst die Schlacht verlangten. Diese entwickelte sich aus dem Vormarsch Sullas und der Einnahme des Orthopagos bei Chaironeia und endete mit der völligen Niederlage der Pontiker: Plut. Sulla 16ff. Appian. 42–45. Eutrop. V 6. vgl. die Darstellung bei Kromayer II 370ff., der sich ganz auf Plutarch stützt, in der Annahme, daß zwar Appian ebenso wie Plutarch die Memoiren Sullas benutzt habe, aber in einer rhetorischen Überarbeitung (s. a. Ed. Schwartz o. Bd. II S. 224ff.). Der Rest, etwa 10 000 Mann, entkam mit Archelaos nach Chalkis, wohin Sulla nicht folgen konnte: Appian. 45. Plut. Sulla 19. Er errichtete zwei Trophäen, feierte den Sieg durch Kampfspiele und weihte den Göttern die Hälfte des thebanischen Gebiets: Plut. a. O.; de fort. Rom. 4. Paus. IX 40, 7. 1, 5. Da Sulla keine Flotte besaß, konnte Archelaos ungehindert die Küsten und Inseln plündern: Appian. 45. Auch Makedonien wurde wieder von den Thrakern heimgesucht: Liv. per. 81. 82.

M. hatte seine Herrschaft in Asien zunächst durch zahlreiche volksfreundliche Maßnahmen wie Beseitigung aller Steuern und Verbesserung der Rechtsprechung zu befestigen gesucht: Reinach 171. In die Zeit der noch nicht erschütterten Herrschaft des M. gehört auch seine Wahl zum Stephanephoros von Milet, also in das J. 86/85. für das sich auch Rehm entschied (Milet III nr. 125; vgl. 251ff.). Wie Milet ehrte auch Pergamon M.: Plut. Sulla 11, und auf der Burg von Pergamon lag eine pontische Besatzung: Inschr. v. Pergamon 455: vgl. auch nr. 474. Trotzdem gab es in den meisten Städten eine Römerpartei, und durch die Erfolge Sullas erwachte in vielen der Wunsch, sich beizeiten den Rückweg zu sichern und vor der römischen Rache zu schützen. Dazu kamen die schweren Menschenopfer für den Krieg in Griechenland So entstand bald eine allgemeine Gärung, und M. beschloß, energisch vorzugehen. Die galatischen Tetrarchen, die einer Verschwörung verdächtig waren, wurden getötet, ihre Güter eingezogen, in die Städte Besatzungen gelegt: Appian. 46. Plut. de virt. mul. 23. Dann kam Chios an die Reihe, wo man Beziehungen zu verbannten Bürgern unterhalten hatte; M. beschuldigte die Chier außerdem, ihm nach dem Leben getrachtet und den Rhodiern Hilfe geschickt zu haben; auch wurde ihnen allgemein Römerfreundschaft vorgeworfen. M. ließ ihnen durch Zenobios die Waffen abnehmen, die Stellung von Geiseln und die Zahlung einer Buße von 2000 Tal. auflegen. Da Zenobios behauptete, die Summe habe nicht volles Gewicht, so wurden die Chier auf Schiffe geladen, um nach Kolchis [2175] gebracht zu werden. Aber die Bürger von Herakleia brachten die Schiffe in ihren Hafen, nahmen die Chier freundlich auf und schickten sie später in die Heimat zurück: Appian. 46f. Memn. 33. Poseidon. FGrHist 87 F 38 = Nikolaos 90 F 95. Syll.³ 785. Nach Koepps Vermutung (Rh. Mus. XXXIX 210) geht aus Steph. Byz. s. Βερενίκη: ... τετάρτη ἡ πρότερον Χίος hervor, daß M. die Stadt, die er mit Pontikern besetzte (Memn. a. O.: τὴν χώραν κατένειμε τοῖς Ποντικοῖς), nach seiner Gemahlin umgetauft habe. Von Chios begab sich Zenobios nach Ephesos. Hier aber wurde, da man ein ähnliches Schicksal befürchtete, der Feldherr ermordet und zur Verteidigung gerüstet. Allen Fremden, die in die Bürgerwehr eintreten würden, versprach man das Bürgerrecht, den Sklaven die Freiheit. Alle Prozesse wurden vertagt, die Schuldforderungen niedergeschlagen. Dabei erklärten die Ephesier: ἀπὸ τῆς ἀρχῆς συνφυλάσσων (ὁ δῆμος) τὴν πρὸς Ῥωμαίους εὔνοιαν, und sie ergriffen jetzt die Waffen ὑπέρ τε τῆς Ῥωμαίων ἡγεμονίας καὶ τῆς κοινῆς ἐλευθερίας: Syll.³ 742. Appian. 48. Dem Beispiel von Ephesos folgten Tralles, Hypaipa, Mesopolis(?), Sardes, Smyrna, Kolophon: Appian. a. O. Oros. VI 2, 8. Plut. Luc. 3. vgl. Strab. XIII 628. Sogar eine Geldsammlung für den Empfang des Consuls Flaccus wurde eingeleitet: Cic. pro Flacco XXIII 56. Mehrere Städte wurden erobert und grausam bestraft: Appian. a. O. Liv. per. 82. Dann erklärte M. alle hellenischen Städte für frei, kassierte alle Schulden, machte die Metoiken zu Bürgern und gab den Sklaven die Freiheit. Damit gewann er die unteren Schichten der Bevölkerung, machte es aber allen Besitzenden unmöglich, auf seiner Seite zu stehen. Dieser Schritt war vielleicht auch ein Grund zu der Verschwörung, die vier Griechen, die Smyrnaier Mynnion und Philotimos und die Lesbier Kleisthenes und Asklepiodotos, βασιλεῖ γνώριμοι πάντες, gegen sein Leben planten. Asklepiodotos, αθτὸν καὶ ξεναγήσας ποτέ, verriet das Vorhaben und gab dem König Gelegenheit, versteckt einer Beratung der Verschwörer beizuwohnen. Nach der grausamen Bestrafung der Verräter witterte M. nun überall Verrat. Der orientalische Sultan erwachte in ihm und machte allen hellenenfreundlichen Stimmungen ein Ende. Konnte M. sich bis hierher als der Befreier der Griechen vom Joch der Römer, als hellenistischer Fürst fühlen, so lenkte er jetzt in die Bahnen des blutgierigen Despoten ein, für den selbständige Meinung gleichbedeutend mit Verrat war. In Pergamon wurden 80 Personen verhaftet, in der ganzen Provinz sollen 1600 Hinrichtungen vollzogen worden sein, wobei in erster Linie die Reichen und Angesehenen die Opfer waren, deren Vermögen dann die Kasse des Königs füllte; viele fielen auch privater Hab- und Rachsucht zum Opfer: Appian. 48. Memn. 33. Oros. VI 2, 8.

Während dieser Ereignisse hatte M. mit allen Mitteln ein Heer von 80 000 Mann zusammengebracht, das von Dorylaos nach Europa geführt wurde: Appian. 46. 49. Plut. Sulla 20. Eutrop. V 6, 3. Oros. VI 2, 6. Licinian. p. 33. Hier war inzwischen die Lage für Sulla bedenklich geworden, da aus Italien der demokratische Consul L. Valerius Flaccus mit zwei Legionen eingetroffen [2176] war, um Sulla den Oberbefehl zu entreißen: Appian. 51. Memn. 34. Auf dem Marsch gegen ihn erhielt Sulla die Nachricht, daß Dorylaos in Chalkis gelandet sei. Sofort kehrte er um, während Flaccus nach dem Hellespont marschierte. Dorylaos bezog mit Archelaos in der Ebene von Orchomenos ein Lager; seine Reiterei erschwerte die Verproviantierung der Römer. Sulla suchte durch Ausheben von Laufgräben seine Soldaten gegen die Reiter zu schützen und zugleich den Feind immer enger einzuschließen. Bei einem Angriff auf die Schanzenden wurden nach heftigem Kampfe die Pontiker geschlagen, das Lager umzingelt und schließlich im Sturm genommen. Wer nicht unter den Hieben der Römer fiel, ertrank im Kopaïssee oder kam in den Sümpfen um; 25 000 Gefangene wurden als Sklaven verkauft: Appian. 49. 50. Plut. Sulla 21. Polyain. VIII 9, 2. Frontin. II 3, 17. 8, 12. Liv. per. 82. Eutrop. V 6. Oros. VI 2, 6. Licinian. p. 33. Paus. I 20, 5. 6. – Die Nachricht von der Niederlage fachte den Mut der aufständischen Städte in Kleinasien an, und die Abfallbewegung griff um sich. In Galatien wurde der Satrap vertrieben: Appian. 46. Den Abfall des Hygiainon im Bosporos mit Reinach 184 ebenfalls in diese Zeit zu setzen, scheint nicht angängig, da Minns 583ff. Hygiainon um 200 ansetzt, Head 504 ihn dem 1. Jhdt. zuweist. M.’ Lage wäre verzweifelt gewesen, wenn Sulla nicht durch das Heer des Flaccus, das sich nach Makedonien gewandt hatte und hier wie in Feindesland hauste: Diod. XXXVIII 8. Cass. Dio frg. 104, und durch den Mangel einer Flotte behindert worden wäre. Nach Bestrafung der boiotischen Städte: Plut. Sulla 26, nahm Sulla Winterquartiere (86/85) in Thessalien: Appian. 51. Flaccus nahm Philippoi und gelangte zum Bosporos (Cass. Dio frg. 104, 3), wo es zu offener Revolte gegen den unbeliebten Feldherrn (über ihn s. Drumann-Groebe II 384f.) kam, die sein Legat Fimbria noch schürte. Flaccus wurde in Byzanz erschlagen, und Fimbria setzte nach Asien hinüber (Cass. Dio frg. 104). Dadurch erleichterte er wider Willen Sulla die Arbeit und steigerte bei M. die Friedenssehnsucht (vgl. Licinian. p. 33). Fimbria besiegte M., den Sohn des Königs (s. Nr. 13), und drang bis Pergamon vor, so daß M. nach Pitane und dann nach Mytilene fliehen mußte: Appian. 52. Plut. Sertor. 23; Luc. 3. Liv. per. 83. Memn. 34. Strab. XIII 594. Oros. VI 2, 10. Nikomedeia wurde geplündert, Nikaia ergab sich, andere Städte wie Dion wurden im Sturm genommen und grausam bestraft, Kyzikos mit einer schweren Kontribution belegt: Appian. 52. 53. Liv. a. O. Strab. a. O. Cass. Dio frg. 104, 7. Oros. VI 2, 11. Diod. XXXVIII 8, 3. Memn. a. O. Fimbrias erste Erfolge, die noch durch das Erscheinen der Flotte des Lucullus gesteigert wurden: Appian. 56. Plut. Luc. 3. 4, führten zu einer Unterredung zwischen Sulla und Archelaos in Aulis oder Delion: Appian. 54. Plut. Sulla 22. Licinian. p. 33. Nach Plutarch habe Archelaos den Verzicht Sullas auf Vorderasien gegen das Versprechen der Hilfe in Italien gefordert, während Sulla, um ihm das Schimpfliche an seinem Vorschlage fühlbar zu machen, dem Archelaos die Krone angeboten habe gegen Auslieferung [2177] der Flotte. Reinach 188f. (und nach ihm Holm Griech. Gesch. IV 703f.) hält diese Darstellung für unwahrscheinlich und glaubt, aus dem völligen Nachgeben des Archelaos auf Bestechung desselben schließen zu dürfen. Dazu würde die ehrenvolle Behandlung des Feldherrn durch Sulla, die Schenkung von Land auf Euboia und die Verleihung des Titels eines Freundes und Bundesgenossen des römischen Volkes an Archelaos passen: Plut. Sulla 23. Strab. XII 558. Auch die Auslieferung der Flotte und die Übergabe der Festungen sind nach Reinach Beweise für den Verrat: Appian. 55. Liv. per. 82. Licinian. p. 33. Doch spricht gegen diese Vermutung die Tatsache, daß M. den Verräter nicht bestraft hat, was ihm als dem Kenner aller Gifte trotz der schützenden Hand Sullas ein Leichtes gewesen wäre. vgl. Wilcken o. Bd. II S. 448ff. Im übrigen stellte Sulla folgende Bedingungen: 1. M. gibt alle Eroberungen heraus. 2. M. wird wieder Freund und Bundesgenosse und bleibt im Besitz seiner Erbstaaten. 3. 2000 Tal. Kriegskostenentschädigung (vgl. Memn. 35). 4. Auslieferung von 70 Schiffen. 5. Auslieferung aller Gefangenen, aus griechischen Städten (wie Chios) Fortgeführten sowie aller Überläufer. 6. Rückgabe aller Festungen: Plut. Sulla 22. Appian. 55. Licinian. a. O.; vgl. Memn. 35. Liv. per. 83.

Sulla züchtigte dann die illyrischen und thrakischen Stämme, die sich an der Plünderung Makedoniens beteiligt hatten: Plut. Sulla 23. Liv. per. 83. Eutrop. V 7, 1. Licinian. p. 35. Appian. 55. M. ließ Sulla mitteilen, daß er auf alle Bedingungen eingehe, sich aber weigere, Paphlagonien und die Flotte herauszugeben; im Notfall könne er sich ja auch an Fimbria wenden: Appian. 56. Plut. Sulla 23. Doch war es für ihn ungünstig, daß er in derselben Zeit von Fimbria so bedrängt wurde, daß er aus Pergamon fliehen mußte (s. oben). Zugleich war Lucullus mit der zusammengebrachten Flotte in Pitane erschienen: Plut. Luc. 3. Appian. 52. Oros. VI 2, 10. Nur dem Umstand, daß Lucullus es ablehnte, mit Fimbria zusammenzuwirken, verdankte M. sein Entkommen: Plut. a. O. Sulla geriet über die Haltung des M. in Wut, gewährte aber eine neue Frist Archelaos erbat darauf für M. eine Zusammenkunft mit Sulla, und dieser rückte an den Hellespont, wo Lucullus ihn erwartete: Plut. Sulla 23; Luc. 4. Appian. 55. 56. In Dardanos fand die Zusammenkunft statt, in der nach heftigen gegenseitigen Anklagen der Friede auf die vereinbarten Bedingungen geschlossen, aber nicht schriftlich ausgefertigt wurde: Plut. Sulla 24; Sert. 23. Appian. 56–58. 64. Strab. XIII 594. Liv. per. 83. Memn. 35, 2ff. Vell. II 23, 6. Florus I 40, 12: Herbst 85 (vgl. Appian. bell. civ. I 76. 77. Reinach 199, 2. Kubitschek o. Bd. I S. 638). – Nach dem Friedensschluß brachte Sulla zunächst die Truppen Fimbrias zum Anschluß und den Feldherrn zum Selbstmord: Appian. 59f. Plut. Sulla 25. Liv. per. 83. Oros. VI 2, 11. Vell. II 24, 1. Dann ließ er durch Curio Nikomedes III. und Ariobarzanes in ihre Reiche zurückführen und ordnete die Verhältnisse der Provinz. Die Verordnungen des M. wurden aufgehoben, mehrere Städte erobert, der Provinz 20 000 Tal. Buße auferlegt (dazu noch [2178] Nachzahlung des rückständigen Tributs? Reinach 203. Plin. n. h. XXIII 16), durch Einquartierung der Soldaten den Bewohnern schwere Lasten aufgebürdet. Die furchtbare Plage der Wucherer suchte von neuem die Provinz heim und bewog viele, zu den Piraten zu gehen, deren Übermut damals alle Grenzen überstieg: Appian. 60–63. Plut. Sulla 25; Luc. 4; Pomp. 24. vgl. näheres bei Brandis o. Bd. II S. 1544f. Conze Athen. Mitt XXIV 1929. Fröhlich o. Bd. IV S. 1543f. Zur Behandlung Milets vgl. Das Delphinion (Milet III) 274. 394f. Am längsten leistete Mytilene Widerstand; es fiel erst 79 v. Chr.: Liv. per. 89. Suet. Iul. 2. Dann ging Sulla nach Übergabe der fimbrianischen Legionen an seinen Legaten L. Licinius Murena nach Athen: Appian. 64; bell. civ. 76. Plut. Sulla 26. Cic. pro Mur. 12. Ausgenommen von den Lasten wurden Ilion, Chios, Lykien, Magnesia am Sipylos, Rhodos, Stratonikeia; sie erhielten die Freiheit: Appian. 61. Strab. XIII 594. 621. vgl. Reinach 204, 2.

5. Die Zeit zwischen den Kriegen: 84–74 v. Chr. M. fand sein Reich bei seiner Rückkehr in voller Auflösung. Der Bosporos befand sich in Aufruhr: Mithr. 64: ... Βοσποριανοῖς ἀφισταμένοις, und Kolchis verlangte seinen Sohn M. zum Könige. M. mußte zunächst auf diesen Wunsch eingehen; aber sein Mißtrauen gegen seinen Sohn war geweckt. Er berief ihn nach Sinope, warf ihn in Fesseln und tötete ihn bald darauf: Appian. 64. Kolchis wurde seitdem von einem seiner φίλοι verwaltet: Strab. XI 499. Als er die Vorbereitungen zum Zuge gegen die Bosporaner traf, entstand eine neue Verwicklung mit den Römern (vgl. Cic. de imp. Pomp. 9). Dem Statthalter Asiens, Murena, schienen die Rüstungen des M. eher gegen die Römer als gegen den Bosporos gerichtet, und außerdem hatte M. dem Ariobarzanes nicht ganz Kappadokien zurückgegeben. Dazu kam nun der Rat des Archelaos, den man wegen seiner Verhandlungen mit Sulla beim Könige verdächtigt hatte und der nun in berechtigter Besorgnis um sein Leben zu Murena flüchtete (vgl. Oros. VI 2, 12), den Angriff des M. nicht abzuwarten, sondern ihm zuvorzukommen. So fiel Murena 83 v. Chr. von Kappadokien aus in das Gebiet des M. ein und plünderte das reiche Heiligtum Komana: Appian. 64. Memn. 36. Liv. per. 86; er soll hier eine Stadt gegründet haben, Likineia (bei Memn. a. O. Ἐκίνεια: Reinach Rev. ét. gr. I 333; vgl. Ruge o. Bd. V S. 365). Den Gesandten des M., die Beschwerde führten, erwiderte Murena, er kenne keine Abmachungen mit Sulla; denn es war ja nichts schriftlich fixiert: Appian. a. O. Memn. a. O. Während Murena in Kappadokien überwinterte, schickte M. Gesandte an den Senat und an Sulla, um sich zu beschweren: Appian. 65. Zugleich suchte er ebenso wie Murena die Unterstützung von Herakleia zu gewinnen; doch dieses blieb neutral: Memn. 36.

Im nächsten Jahre (82 v. Chr.) brach Murena wieder in Pontos ein, überschritt den Halys und brachte die Beute aus 400 pontischen Dörfern nach Phrygien und Galatien in Sicherheit; der König verhielt sich bis zur Rückkehr der Gesandten abwartend. Der Anweisung eines Abgesandten [2179] des Senats, φείδεσθαι τοῦ βασιλέως ὄντος ἐνσπόνδου, folgte Murena nicht, sondern beschloß, durch einen Vorstoß in den Kern des mithridatischen Reiches (τὴν γῆν τὴν τοῦ Μ.) nach Sinope (Memo. 36, 3), den Krieg zu einem siegreichen Ende zu bringen. Nun schickte M. den Gozdios dem Murena in den Rücken, und dieser lagerte eine Zeitlang dem Gordios gegenüber am Halys. Als M. selbst erschien, erzwang er den Übergang und besiegte die Römer in einem glänzenden Gefecht Auf beschwerlichen Wegen mußte Murena nach Phrygien zurück, Kappadokien wurde überrannt und von den Garnisonen der Römer befreit. In stolzer Siegesfreude brachte M. dem Zeus πάτριος, also wohl dem Mithras, ein feierliches Opfer: Appian. 66. Memn. 36, 8; vgl. Reinach 299. Leicht hätte dieser Sieg das Signal zu einem neuen Aufstand im römischen Gebiet werden können, das durch die furchtbaren Auflagen Sullas zum Äußersten bereit war. Doch Sulla gebot durch A. Gabinios dem Murena, Ruhe zu halten und M. und Ariobarzanes miteinander auszusöhnen; so konnte M. das, was er von Kappadokien besaß, behalten, nachdem er eine vierjährige Tochter dem Ariobarzanes verlobt hatte (nach Reinach Trois royaumes 681 wohl dem Sohn des Ariobarzanes). – So hatte M. die Hände frei, um endlich den Bosporos zurückerobern zu können; er setzte hier seinen Sohn Machares als König ein. Doch mißglückte der Versuch, die Achaier zwischen Krim und Kolchis zu unterwerfen: Appian. 67: 80 v. Chr.

Da sich bei dem Konflikt mit Murena gezeigt hatte, wie wichtig eine schriftliche Ausfertigung des Friedensvertrages für M. war, suchte er in Rom darum nach. Zu seinem Unglück hatte aber auch Ariobarzanes Gesandte geschickt, um über M., der ihm τὸ πλέον von Kappadokien geraubt habe, Beschwerde zu führen. Nun mußte M. auf Befehl Sullas Kappadokien herausgeben, suchte aber noch einmal die Bestätigung des Friedens zu erlangen. Doch Sulla war inzwischen gestorben (78 v. Chr.). und seine Gesandten wurden nicht vorgelassen. Im berechtigten Ärger und von der Furcht vor dem mächtigen Diktator befreit, nahm M. mit Hilfe seines Schwiegersohnes Tigranes von Armenien Rache: dieser fiel in Kappadokien ein und schleppte 300 000 Menschen zur Bevölkerung seiner neuen Hauptstadt Tigranokerta nach Armenien: Appian. a. O. Strab. XII 539.

Seitdem herrschte zwischen Rom und M. Mißtrauen, da man in Rom natürlich wußte, daß hinter Tigranes M. stehe. Jede Partei glaubte an Angriffsabsichten der andern und rüstete: Appian. 67. 68. Cie. de imp. Pomp. 8f. Aber die Unruhen in Rom nach Sullas Tode, der Krieg gegen Sertorius, die Kämpfe in Makedonien und die Seeräuberplage, die damals zur endgültigen Besetzung von Kilikien führte, ließen es nicht zum Kriege kommen. Auch der Zerfall des seleukidischen Reiches und die Schwäche Ägyptens wirkten sich ungünstig für Rom aus; denn bei der Zersplitterung des hellenistischen Staatensystems kamen beide Reiche eher als Bundesgenossen für Rom als als Gegner in Betracht, Dazu kam nun noch, daß es gerade damals [2180] Tigranes gelang, sein Reich zur ersten Macht im vorderen Orient zu erheben (s. d.) und die Parther, die eben noch unter M. dem Großen (Nr. 22) den Höhepunkt ihrer Macht erreicht hatten, zurückzudrängen und für den Entscheidungskampf auszuschalten. Nur ganz kurz sei hier auf die wichtigsten Eroberungen des Tigranes hingewiesen: Mygdonien und Osroëne von den Parthern, Atropatene, Gordyene, Großmedien tributpflichtig: Strab. XI 532. Iustin. XLI 1, 3; vgl. Cass. Dio XXXVI 6; Syrien: Appian. Syr. 48. Iustin. a. O. Plut. Luc. 14: ein Teil Kilikiens: Cass. Dio XXXVI 37. Plut Pomp. 28. Dieser Machtzuwachs seines Schwiegersohnes wäre für M. entscheidend ins Gewicht gefallen, wenn Tigranes eine wirklich bedeutende Persönlichkeit gewesen wäre, wenn er eingesehen hätte, daß auch ihm der Kampf um die Existenz mit Rom nicht erspart bleiben würde. Es ist jedoch zu verstehen, wenn M. an Tigranes einen zuverlässigen und mächtigen Bundesgenossen zu haben glaubte; um seine Stellung noch weiter zu verstärken, verlobte er seine Töchter Mithradatis und Nysa den Königen von Ägypten und Kypros: Appian. 111. Zu den Seeräubern, die damals das östliche Mittelmeer beinahe unbestritten beherrschten, unterhielt M. gute Beziehungen: Appian. 92f. Ziebarth Beitr. z. Gesch. des Seeraubs u. Seehandels, Hamb. 1929, 39f. und die dort angeführten Zeugnisse; auf Einzelheiten kommen wir noch zurück.

Vor allem aber sorgte M. für die Verstärkung seiner Machtmittel. Schiffe wurden gebaut, Waffen hergestellt, Getreidevorräte aufgekauft, überall Bundesgenossen und Söldner gewonnen, unter denen neben Kleinasiaten Skythen, Taurier, Sauromaten, Thraker und Bastarner erscheinen; im ganzen soll sein Heer 140 000 Mann zu Fuß und 16 000 Reiter gezählt haben ohne die Pioniere (ὁδοποιοί), den Train (σκευοφόροι) und den Troß: Appian. 69; vgl. Cic. de imp. Pomp. 9. In der Provinz war die Stimmung durch die unerhörten Erpressungen der römischen Beamten und Geldleute immer verzweifelter geworden, da die sullanische Kontribution sich inzwischen durch die Wucherzinsen auf das Doppelte gesteigert hatte und das rücksichtslose Vorgeben der Steuerpächter schließlich zur offenen Empörung führen mußte: vgl. Reinach 309f. Eine wertvolle Hilfe gegen Rom mußte vor allem ein Bündnis mit Q. Sertorius werden. Und es gelang M. tatsächlich, zu einem Abschluß mit Sertorius zu kommen (nach Münzer o. Bd. VI S. 1992: 79 v.Chr.; wahrscheinlicher ist 75 v. Chr.: Holmes 875). Er hatte zunächst gegen Anerkennung des Sertorius und Unterstützung mit Schiffen und Geld Abtretung ganz Kleinasiens verlangt Sertorius lehnte aber Abtretung römischen Bodens ab und verzichtete nur auf einen Einspruch in bezog auf Bithynien, Kappadokien, Galatien and Paphlagonien. M. ging darauf ein und sandte 3000 Tal. und 40 Schiffe, wohingegen er M. Marius (bei Appian. M. Varius) als militärischen Ratgeber erhielt (74 v. Chr), der zugleich Proconsul von Asien werden sollte: Appian. 68. 70. 76. 77. Plut. Sert. 23f.; Luc. 8. 12. Sall. hist. II 79 Maur. Cic. Verr. II 1, 87: de imp. Pomp. 9. 21. Liv. per. 93. Oros. VI 2, 12. vgl. über [2181] M. Marius Münzer o. Bd. XIV S. 1818f.; über Q. Sertorius jetzt gegen A. Schulten Sertorius Leipz. 1926) Berve Herm. LXIV 199ff. Die römischen Ratgeber, zu denen neben M. Marius vor allem L. Fannius und L. Magius (s.Münzer o. Bd. VI S. 1992f. Drumann-Groebe IV 140) gehörten, bewirkten auch eine Reorganisation des pontischen Heeres, bei der aller überflüssige Luxus in der Ausrüstung beseitigt und das Fußvolk nach römischem Muster bewaffnet wurde: Plut. Luc. 7. Appian. 69. Natürlich war man in Rom über diese Vorbereitungen genau unterrichtet, und es fehlte nicht an warnenden Stimmen: vgl. Sall. hist frg. I 84 M. II 47, 7. Plut. Luc. 5. Schon 75 unterhielt man Truppen in Asien und Kilikien: Sall. a. O.


6. Der zweite Krieg gegen Rom 74–65 v. Chr.).

a) Die Kriegführung des Lucullus (74–67). Den Anlaß zum Ausbruch des längst erwarteten Krieges gab der Tod Nikomedes’ IV.[1] von Bithynien 74 v. Chr. (zur Chronologie Reinach 315, 5. Drumann-Groebe IV 189, 121 Er vermachte sein Reich den Römern, obwohl er einen Sohn besaß: Appian. 7. 71: bell. civ. I 111. Sall. hist IV 69, 9. Liv. per. 93. Arrian Bith. I 4 R. Vell. II 42. Eutrop. VI 6. Reinach 314. 4. Ed.Meyer o. Bd. III S. 521. Rom nahm das Erbe an und erklärte den Sohn für untergeschoben: Sall. hist a. O.; der Senat folgte bei seinem Beschluß den Wünschen der Steuerpächter. Der Statthalter Asiens, M. Iuncus, erhielt Befehl, das Land zu besetzen: Reinach 315. Drumann-Groebe IV 321f. Dieses Vorgehen bedeutete den Krieg mit M.; darüber war man sich in Rom klar. Die Consuln des J. 74, L. Licinius Lucullus und M. Aurelius Cotta, erstrebten beide das Kommando gegen M. Nach längerem Hin und Her (Drumann-Groebe IV 141) erhielt Lucullus die Provinz Kilikien mit dem Oberbefehl zu Lande und Cotta Bithynien mit der Verteidigung der Meerengen: Plut. Luc 5. 6. 8; Pomp. 20. Cic. pro Mur. 33. Memn. 37. Eutrop. VI 8. Später verwaltete Lucullus auch Asien: Drumann-Groebe IV 141, 6, wahrscheinlich seit 71 v. Chr. Beide Consuln gingen sofort nach dem Osten ab, Cotta brachte eine Flotte zusammen, und Lucullus nahm eine neu ausgehobene Legion mit, zu der in Asien die beiden fimbrianischen (legiones Valerianae) und die beiden kilikischen Legionen treten sollten, im ganzen etwa 30 000 Mann zu Fuß und 1600 Reiter: Appian. 72. Plut. Luc. 7. 8 (2500 Reiter, wohl mit Bundesgenossen). vgl. Horat. ep. II 2, 26. M. seinerseits verfügte über 120–150 000 Mann zu Fuß, 12–16 000 Reiter und 100 Sichelwagen: Appian. 69. 72 Plut. Luc. 7. Memn. 37. Strab. XII 575.

Im Frühjahr 73 (vgl. Über die strittige Chronologie Reinach 317, 1. Drumann-Groebe IV 142, 15. Holmes 398ff.) eröffnete M. den Krieg; eine Abteilung unter Diophantos sollte Kappadokien besetzen der König selbst zog nach Bithynien. Dorthin fuhr auch die Flotte von 400 Schiffen unter Aristonikos, für die an der Küste Vorratshäuser errichtet waren; Memn. 37. Strab. a. O. Es gelang M. mit leichter Mühe, Bithynien zu besetzen, indem er den Sohn des Nikomedes einsetzen zu wollen vorgab: Memn. [2182] 37. Herakleia wurde zum Bündnis und zur Stellung von 5 Schiffen gezwungen: Memn. 38. Sein Empfang in Bithynien war freundlich, viele von den verhaßten römischen Pächtern wurden getötet: Plut. Luc. 7. Memn. a. O. Alle Römer flüchteten sonst nach Chalkedon, wo Cotta mit Heer und Flotte stand. Ohne Lucullus, der in Eilmärschen durch Phrygien heranrückte, abzuwarten, nahm Cotta eine Schlacht an und wurde vollständig geschlagen; auch die Flotte wurde im Hafen vernichtet, der Rest des römischen Heeres in Chalkedon eingeschlossen: Appian. 71. Plut. Luc. 8. Memn. 89. Oros VI 2, 13. Lucullus, der am Sangarios stand, mußte dem Gedanken, in Pontos selbst einzudringen, aufgeben, um die Belagerten nicht preiszugeben: Plut. a. O. Auf dem Marsch nach Chalkedon begegnete ihm Marius mit einer pontischen Heeresabteilung; bei Otrya (wohl = Otroia Strab. XII 566. Ramsay Bull hell. VI 508f.; Hist. Geogr. of Asia Minor 189) lagerten die Heere einander gegenüber. Lucullus wollte wohl bei der Übermacht der Feinde einer Schlacht aus dem Wege gehen und wartete daher, bis Mangel an Lebensmitteln Marius zwang, nach der Küste zurückzukehren, wo er sich mit M. vereinigte, der Chalkedon nur beobachten ließ. Lucullus folgte dem Könige und kämpfte gelegentlich glücklich: equestribus proeliis feliciter pugnavit et expeditiones aliquot prosperas fecit: Liv. per. 94.

Schließlich wandte sich M. nach Mysien und belagerte im Spätherbst Kyzikos, das sich bis zum Äußersten zu verteidigen beschloß: Appian. 72. Plut. Luc 9. Ober die Lage von Kyzikos vgl. Reinach 321. Ruge o. Bd. XII S. 228. Der erste Ansturm, der zu Wasser und zu Lande unternommen wurde, brachte wohl die Vorstadt und die Brücke, die vom Festland zur Insel hinüberführte, in die Hand des M. (Strab. XII 575. 576), aber alle Anstrengungen des Königs vermochten nicht, die Stadt in seine Gewalt zu bringen: Appian. 72ff. Plut. Luc. 9ff. Strab. a. O. Sall. hist III 27ff. M. Dazu kam, daß Lucullus, angeblich unter Beihilfe des L. Magius, der sich auf diese Weise Verzeihung sichern wollte, den Berg Adrasteus besetzte, der alle Straßen beherrschte: Appian. 72 (vgl. Gelzer o. Bd. XIII S. 386f.). Trotzdem beharrte M. auf seiner Absicht; Lucullus aber schloß ihn durch einen Graben vollständig von der Außenwelt ab: Appian. a. O. Oros. VI 2, 14. Die Stellung des M. war aufs schwerste bedroht. Anderseits schöpften die Kyzikener aus der Nachricht von der Ankunft des Lucullus neuen Mut: Plut. Luc 9. Sall. hist. III 37. Reinach 324. 2; günstige Vorzeichen für Kyzikos: Appian. 75. Plut. Luc. 10. Iul. Obs. 60 a. Alle Künste der Belagerungstechnik waren vergeblich: Appian. 73, 74. Diod. XXXVII 22 b. Frontin. strat IV 5, 21. Strab. a. O. Endlich sah sich M. genötigt einen Teil seines Heeres zu entfernen, da die Not in seinem Lager immer höher stieg, dieser fiel den Römern in die Hände: Appian. 75. Plut. Luc. 1f. Memn. 40. Sall. hist. III 27ff. M. mußte jetzt zu retten versuchen, was noch zu retten war; er selbst floh auf der Flotte, die Verwundeten gerieten in Gefangenschaft, der Rest des Heeres, etwa 30 000 Mann, sollte sich nach Lampsakos [2183] durchschlagen, wurde aber von Lucullus eingeholt und größtenteils niedergemacht: Appian. 76. Plut. Luc. II. Memn. a. O. Sall. hist. III 38. 39 Maur. Strab. a. O. Cic. de imp. Pomp. 20; pro Mur. 33; pro Archia 21. Vell. II 33. 1. Eutrop. VI 6. 8. Oros. VI 2, 20: Frühjahr 72. Der Nauarch Aristonikos, der den Römern im Ägäischen Meer schaden sollte, fiel durch Verrat in die Hände des Lucullus: Plut. Luc. 11. Während der Belagerung hatte Eumachos Großphrygien und Kilikien erobert und die Isaurier und Pisider zum Aufstand gebracht; aber der galatische Tetrarch Deiotarus hatte ihm schwere Verluste beigebracht, und der junge Caesar vertrieb die Pontiker aus dem Küstengebiet: Appian. 75. Liv. per. 94. Suet. Iul. 4. Oros. VI 2, 18. Im Norden verteidigte C. Salluvius Naso Phrygien und Mysien erfolgreich: Syll. or. 445 = CIL XIV 2218; von Reinach Rev. Philol. XIV 146ff. wohl mit Recht in diese Zeit gesetzt. Außerdem wurden L. Fannius und Metrophanes von einem Mamercus (Gelzer a. O. Münzer Röm. Adelsparteien 313) geschlagen: Oros. VI 2, 15ff.

M. holte zunächst die Reste seines Heeres und die Einwohner von Lampsakos aus der Stadt heraus und führte trotz des vollständig mißglückten Feldzugs und der gewaltigen Verluste (vgl. u. a. Plut. Luc. 11. Oros. VI 2, 19. Eutrop. VI 6. Cic. de imp. Pomp. 20) den Krieg zur See fort: er belagerte Perinthos: Memn. 40, 5, scheint Byzanz bedroht zu haben; Tac. ann. XII 62 (vgl. Eutrop. a. O. Oros. VI 2, 24). und plünderte den Artemistempel von Priapus: Plut. Luc. 13 (ist wohl auch hierher zu ziehen). Außerdem sandte er eine starke Flotte von 50 Schiffen mit auserwählter Bemannung unter M. Marius, Alexandros und dem Eunuchen Dionysios in das Ägäische Meer, um die aus Spanien, wo Sertorius (Anfang 72) ermordet worden war, und Kreta heimkehrenden Schiffe aufzunehmen. Der Tod des Sertorius war auch ein schwerer Schlag für M., da damit jede Hoffnung auf die Bedrohung Italiens vom Westen her schwand. Ob demgegenüber die Tatsache, daß M. sich nun nicht mehr auf römische Anerkennung seiner Herrschaft und des Besitzes von Paphlagonien und Bithynien berufen konnte, schwerer ins Gewicht fällt (so Reinach 328), möchte ich bezweifeln; diese Anerkennung hätte praktischen Wert nur bei einem vollen Siege des Sertorius über den Senat erhalten. Diese Flotte wurde von einem Sturm schwer heimgesucht: Appian. 76. Sall. hist. IV 69, 14 M., und bald darauf wurde sie von der römischen Flotte, die Lucullus aufgebracht hatte (Plut. Luc. 12. Syll. or. 447 = Reinach Anh. nr. 14), bei Tenedos περὶ τὸν Ἀχαιῶν λιμένα geschlagen: Appian. 77. Plut. a. O. Memn. 42, 2. Cic. pro Mur. 33; Archia 21, und schließlich bei Lemnos vernichtet; von den Feldherren fiel Dionysios, M. Marius wurde auf Befehl des Lucullus getötet, Alexandros für den Triumph aufbewahrt: Appian. a. O. Plut. a. O. Memn. a. O. Cic. de imp. Pomp. 21. Eutrop. VI 6. 8. Oros. VI 2, 21f.: 72 v. Chr. Damit wurde Rom von einer großen Sorge befreit; hatte doch der Senat sofort für eine Flotte 3000 Tal. bewilligt, die aber Lucullus abgelehnt hatte: Plut. Luc. 13. Cic.pro [2184] Mur. 33. In Nikomedeia hatte sich inzwischen der Rest der politischen Truppen und Schiffe mit M. vereinigt. Die Römer rückten auf die Stadt zu. Apameia und Prusias (Kios) wurden erstürmt und grausam behandelt, auch Prusa und Nikaia gerieten in ihre Gewalt: Appian. 77. Memn. 41. Triarius und Cotta näherten sich Nikomedeia, und Lucullus gab seinem Legaten Vocomius den Befehl mit der Flotte die Bucht von Nikomedeia zu sperren. Doch dieser kam zu spät, da er sich erst in die Samothrakischen Mysterien hatte einweihen lassen, und so konnte M„ der auf die Nachricht von der Niederlage seiner Flotte unter Marius den Beschluß gefaßt hatte, heimzusegeln, ungehindert das Schwarze Meer erreichen: Plut. Luc 13. Memn. 42. Aber heftige Stürme zerstörten einen großen Teil seiner Schiffe (60–80): Plut. Memn. a. O. Appian. 78, Liv. per. 95. Sall. hist. III 54ff. IV 69, 14 M. Flor. I 40, 18. M. entkam auf einem Seeräuberschiff und wurde von dem Archonten von Herakleia Lamachos ohne Wissen der Bürger in die Stadt aufgenommen: Plut. a. O. Memn. a. O. Appian. a. O. Oros. VI 2, 24. Hier ließ M. eine Besatzung zurück und fuhr über Sinope nach Amisos. Von hier sandte er an Machares und Tigranes um Hilfe und schickte Diokles zu Werbungen zu den Skythen; doch dieser ging mit dem Geld zu Lucullus: Appian. a. O. Memn. 42. 43. Liv. Oros. a. O.

Trotzdem der Winter 72/71 (nicht 73/72, wie Gelzer 390f. und Drumann-Groebe a. O. wollen. Der Tod des Sertorius 72 war dem M. schon bald nach Kyxikos, nach Appian. 72 sogar noch während der Belagerung, bekannt geworden) bereits eingetreten war (Plut. Luc. 83), bestand Lucullus nach der Vereinigung mit Cotta und Triarius in Nikomedeia auf sofortigem Einmarsch in Pontos. Cotta sollte Herakleia belagern, Triarius mit der Flotte die pontischen Geschwader aus Spanien und Kreta im Hellespont erwarten: Memn. 43, 1.

Die Bemühungen des M. um Bundesgenossen in dem bevorstehenden Kampfe schlugen fehl: Tigranes, von dem Gesandten des M., Metrodoros, zum Schaden seines Herrn beraten, gab nur unbestimmte Versprechungen: Plut. 22. Strab. XIII 609. 610. Memn. 43, 2. Machares dachte ebensowenig an Unterstützung seines Vaters, was aus seiner Sendung an Lucullus im J. 70 hervorgeht: Appian. 83. Plut. 24. Im Pontos selbst begann damals schon Untreue (Dorylaos: Plut. 17. Strab. XII 557) und vielleicht Abfall sich zu zeigen, wenn man die verräterische Handlung des Großvaters Strabons mit Reinach 332f. in diese Zeit ziehen will; doch gehört sie wohl der Zeit nach Komana an: Strab. a. O.

Der Vormarsch des Lucullus war zunächst schwierig, da Bithynien, Galatien und Paphlagonien völlig verwüstet waren. 80 000 Galater mußten dem Heere Getreide nachtragen: vgl. Gelzer 389. Aber jenseits des Halys hatten die Römer an allem Überfluß, und auch die Ortschaften öffneten ihre Tore: Appian. 78. Plut. M. Lucullus marschierte gegen das Delta des Iris vor und begann Amisos mit Eupatoria und Themiskyra zu belagern, die sich tapfer verteidigten, [2185] zumal ihnen M. Hilfe schicken konnte, und erst nach langer Belagerung erobert wurden (s. unten): Appian. a. O. Plut. 15; vgl. 83: J. 72/71. Inzwischen bildete M. in Kabeira ein neues Heer, ohne von Lucullus gestört so werden, 40 000 Mann zu Fuß und 4000 Reiter: Plut. 14. 15. Appian. a. O. Memn. 43, 3 (8000 Reiter). Im Frühjahr 71 ließ Lucullus Murena vor Amisos zurüek (Plut. 15. Cic. pro Mur. 84) und rückte mit drei Legionen gegen Kabeira vor (Phlegon FGrHist 257 F 12, 3); die Engpässe waren besetzt, aber Phoinix, ein Verwandter des Königs, ging mit seiner Abteilung zu Lucullus über: Appian. 79. Dadurch wurde M. nicht entmutigt, sondern als die Feinde in der Ebene des Lykos anlangten, ging er ihnen über den Fluß entgegen. Es kam zu einem Reitergefecht, in dem die Römer unterlagen und ihr Führer Pomponius in Gefangenschaft geriet: Plut. Appian. a. O. Lucullus’ Lage war gefährlich, da er sich zurückziehen mußte und M. alle Zugänge in die Ebene besetzte. Aber ein Jäger zeigte ihm einen Pfad zur Umgehung der Stellung des M., und so konnte er sein Lager auf einem Berge über dem Lykostal aufschlagen: Plut. a. O. Appian. 80 (zur Lage vgl. Holmes The Rom. Republ. I 404ff und Gelzer 391). Trotzdem beherrschte M. weiter die Verbindungen nach Westen und Süden (Gelzer 391), und bei einem Vorpostengefecht kam es zu einem regelrechten Treffen, das zu einer Niederlage der Römer führte. Zwar lehnte Lucullus das Verlangen der Legionen nach einer Schlacht ab, aber die überallhin verbreitete Siegesnachricht erhöhte den Mut der Pontiker und veranlaßte die Römer 2u größerer Vorsicht und Anlage stärkerer Befestigungen: Appian. Plut. a. O. Memn. 43, 3. Die Lage des Lucullus wurde recht schwierig, da die Umgebung von Kabeira wenig Hilfsmittel darbot und der Proviant von weither herangeholt werden mußte; darunter litt auch M.: Appian. 80. Sall. hist. IV 8. 69, 15. Memn. 43, 4.

Inzwischen, noch Ende 72 oder Anfang 71, hatte M. seine letzte Flotte verloren. Es war Triarius gelungen, in einem heftigen Kampfe die aus Spanien und Kreta zurückkehrende königliche Flotte von 80 Segeln zu vernichten: Memn. 48.

In diese Zeit verlegen die Quellen einen Versuch des M., Lucullus durch einen Überläufer aus dem Wege zu räumen; Plut 16. Appian. 79. Frontin. strat. II 5, 30. Reinach 336, 1 glaubt nicht an die Absicht der Ermordung, sondern führt die Rückkehr des Überläufers zu M. auf verletzte Eitelkeit zurück, wobei der Sieg des M. ihm die Aussöhnung mit diesem nahegelegt habe. Die Darstellung Appians ließe sich mit dieser Annahme vereinigen. Während die beiden Gegner einander gegenüberlagen, waren die Proviantkolonnen der Römer ständigen Angriffen ausgesetzt. Dabei wurde zuerst Menandros von Sornatius unter schweren Verlusten zurückgewiesen: Plut. 17, und bei dem Überfall auf den starken Proviantzug des M. Fabius Hadrianus (o. Bd. VI S. 1771) wurden die pontischen Truppen unter Myron und Menemachos vollständig vernichtet. Plut. a. O. Appian. 81. Memn. 43, 4f. Phlegon a. O. Nach Plutarch und Appian beschloß der König, da die Hälfte [2186] seiner Reiterei verloren war und der Legat triumphierend an seinem Lager vorbeizog, sein Lager aufzugeben und sich nach Kleinarmenien zurückzuziehen. Seinen Beschluß teilte er seiner Umgebung mit; diese suchte nun schon in der Nacht ihr Gepäck in Sicherheit zu bringen und erregte dadurch Lärm und Getümmel. Nun strömten die Soldaten, die sich verraten glaubten, zu den Toren, machten die Diener nieder, plünderten das Gepäck und suchten sich durch schleunige Flucht in Sicherheit zu bringen, ohne auf ihre Führer zu hören. Alle Ordnung löste sich auf, und nur mit Mühe konnte sich M. retten: Plut. 17. Appian. 81. Sall. hist. IV 11. Cic. de imp. Pomp. 22. Liv. per. 97. Nach Memn. 43. 44 befand sich M. nicht im Lager, die Feldherren Taxiles und Diophantos verschuldeten durch überstürzten Abzug die Panik und Auflösung des Heeres und brachten die Nachricht nach Kabeira zum König. Darauf entschloß sich dieser zur Flucht und entkam mit knapper Not den verfolgenden galatischen Reitern. Es wird sich kaum entscheiden lassen, welche Darstellung den wahren Verlauf schildert. Aus beiden Berichten geht aber klar hervor, daß im pontischen Heer die Oberleitung jede Übersicht und Geistesgegenwart verloren hatte und so sich aus einem an und für sich nicht entscheidenden Ereignis die völlige Auflösung des Heeres entwickeln konnte. M. entkam mit 2000 Reitern nach Komana und von dort nach Armenien: Appian. 82. Liv. per. 97. Tigranes nahm ihn wohl in sein Reich auf, wies ihm aber eine Burg zum Wohnsitze an und verweigerte ihm eine Zusammenkunft: Plut. 22. Memn. 46, 1. Lucullus besetzte bei Tagesanbruch das Lager mit leichter Mühe, aber seinem Befehl, nicht zu plündern, folgten die Soldaten nicht, so daß die Reste des Heeres entkamen. Die Beutegier war auch daran schuld, daß die Reiterei unter M. Pompeius den König nicht einzuholen vermochte: Plut. 17. Memn. 44. Liv. a. O. Sall. hist. IV 11. Lucullus verfolgte den König bis Talaura und nahm dann Kabeira ein: Plut. 18. 19. Memn. 45, 1. – Bevor M. seine Flucht zu Tigranes fortgesetzt hatte, hatte er den Eunuchen Bakchides nach Pharnakeia mit dem Befehl an seine Frauen und Schwestern geschickt, sich das Leben zu nehmen: dabei kamen die Schwestern Rozane und Stateira, die Gemahlinnen Monime aus Milet und Berenike aus Chios mit ihrer Mutter ums Leben: Appian. 82. Plut. 18. Ailian. frg. 12 Hercher. Die Kommandanten der meisten festen Schlösser übergaben diese und die darin aufgehäuften Schätze dem Lucullus: Plut. Appian. a. O. Sall. hist. IV 12. Strab. XII 557.

Während M. in dem armenischen Bergnest auf Nachricht von seinem Schwiegersohn wartete, vollzog sich die Eroberung seines Reiches. Im Anschluß an die Besitznahme von Kabeira und der festen Schlösser unterwarf Lucullus zunächst Kleinarmenien sowie die Chaldäer und Tibarener: Plut. 19. Dann wandte er sich gegen die großen hellenischen Städte, deren tapfere Verteidigung wohl in gleichem Maße auf die Besatzung wie auf die römerfeindlicbe Stimmung der Bewohner zurückzuführen ist. Amisos hatte bisher (Appian. 78. Plut. 15) der Belagerung durch Murena widerstanden. Jetzt gelang es Lucullus, [2187] durch scheinbare Lässigkeit die Belagerten in Sicherheit zu wiegen und dann überraschend erst die Neustadt Eupatoria und schließlich Amisos selbst zu nehmen. Bei der allgemeinen Plünderung, die Lucullus vergebens zu unterbinden suchte, ging die Stadt in Flammen auf; nach Plutarch wurde sie von dem Strategen Kallimachos selbst in Brand gesteckt, als er die Stadt zu Schiff verließ: 71 v. Chr.: Appian. 83. Plut. 19. Memn. 45. Sall. hist. IV 13ff. Eutrop. VI 8. – Herakleia hielt sich zwei Jahre. Cotta mußte sich nach deem Scheitern der Bestürmung auf die Einschließung der Stadt beschränken, die bald von empfindlichem Mangel heimgesucht wurde. Dies führte trotz einiger Lebensmittelsendungen aus der Krim (Chersonesos) zu Streitigkeiten zwischen der Besatzung und den Bürgern. Als dann Triarius nach seinem Siege über die letzte pontische Flotte bei Tenedos (a. o.) vor Herakleia erschien und die Flotte der Herakleoten vernichtete, stieg die Not in der Stadt, die auch noch von der Pest heimgesucht wurde, so, daß der Befehlshaber Demopheles und der keltische Führer Konnakorix mit Triarius in Verbindung traten, da Cotta allgemein verhaßt war. Triarius gestand gegen Übergabe der Stadt der Besatzung freien Abzug zu. Konnakorix lehnte die Bitten der Bürger, die preisgegeben zu werden fürchteten, auf Einleitung von förmlichen Verhandlungen ab und suchte sie durch Vorspiegelung baldigen Entsatzes zu beruhigen. In der Nacht vollzog sich der Abzug der Besatzung nach Tios und Amastris, die Tore wurden dem Triarius geöffnet. Als Cotta dies erfuhr, rückte er ebenfalls vor, und es kam zwischen beiden zu einer Ubereinkunft. Cotta plünderte die Stadt gründlich aus und steckte sie dann in Brand, 70 v. Chr.: Memn. 47–52. Später wurden ihm dafür auf die Klage der Herakleoten die senatorischen Insignien aberkannt: Memn. 59. Cass. Dio XXXVI 40, 3.

Triarius nahm darauf Tion und Amastris ein; Memn. 52. Appian. 82 Schl. In demselben Jahre fielen auch erst Sinope und Amaseia. Erst als sich Lucullus im Frühjahr 70 selbst vor Sinope legte, das sich bei seiner festen Lage mit Hilfe der Bodenfrüchte der Halbinsel, auf deren Isthmos es lag, und von Getreidesendungen aus dem Bosporos (Sieg der sinopischen Flotte über die Römer: Memn. 53, 3) bisher gehalten hatte, machte die Belagerung Fortschritte, obwohl in der Stadt nach Beseitigung des Strategen Leonippos der Eunuch Kleochares ein Schreckensregiment führte. Vor allem bot Machares dem Lucallus unter Übersendung eines goldenen Kranzes seine Unterwerfung an, die angenommen wurde: er wurde Freund des römischen Volkes und unterstützte nun statt Sinope das römische Heer mit Getreide. Nun war weiterer Widerstand zwecklos. Die Besatzung plünderte die Stadt, lud die Beute auf die leichtesten Schiffe, steckte den Rest der Flotte und die Stadt in Brand und segelte ab. Lucullus sah den Flammenschein, nahm die Stadt im Sturm und gewährte ihr, nachdem er dem Morden Einhalt geboten hatte, ihre Vorrechte; Appian. 83. Plut. 23. Memn. 53. 54. Strab. XII 546. Oros. VI 3, 2. Eutrop. VI 8. Liv. per. 98. Nach dem [2188] Fall Sinopes ergab sich auch Amaseia: Memn. 54, 3. Noch während der Belagerung von Sinope stand M. mit den südrussischen Gemeinden in Verbindung, so mit Olbia: Latyschew I² 35. Da Machares nur als König des bosporanischen Reiches anerkannt war, war damit die Unterwerfung des kappadokischen Pontos vollendet; eine Zehnerkommission sollte die Verhältnisse zusammen mit Lucullus ordnen: Plut. 35. 36. Cic. ad Att XIII 6 a. Cass. Dio XXXVI 43, 2. 46, 1.

Sogleich nach der Flucht des M. (Sommer 71) hatte Luculus seinen Schwger Ap. Claudius Pulcher zu Tigranes geschickt um die Auslieferung des M. zu verlangen: Plut. 19, Memn. 46, 2. In Antiocheia mußte Claudius ziemlich lange auf Tigranes warten: Plut. 21. Joseph. ant XIII 419; bell. Iud I 116. In dieser Zeit trat er mit vielen der von Tigranes unterworfenen Dynasten und Städten in heimliche Verbindung; Plut 21. 29. Sall. hist IV 56. Als Tigranes endlich nach der Eroberung von Ptolemais nach Antiocheia zurückkehrte, wurde er durch das herausfordernde Benehmen des Claudius und den Wortlaut des lucullischen Schreibens, das die Anrede ,König der Könige‘ fortließ, die Auslieferung mit dem Wunsche, M. im Triumph zu zeigen, begründete, bei Verweigerung derselben aber Krieg ankündigte, tief verletzt, lehnte deshalb das Verlangen ab, da es sich mit seiner Ehre nicht vertrage, und verweigerte im Antwortschreiben dem Lucullus den Titel Imperator; er schloß: Ῥωμαίους πολέμου ἄρχοντας ἀμυνεῖσθαι: Plut. 21. Memn, 46, 3. Trotzdem damit der Krieg angekündigt war, ließ Tigranes noch das ganze Jahr verstreichen, ohne sich zu rüsten, so daß Lucullus inzwischen die Eroberung von Pontos vollenden konnte. Erst im Frühjahr 69 (M. war ein Jahr acht Monate auf dem armenischen Kastell: Memn. 55, also etwa Juli 71 bis März 69: Reinach 354. Gelzer 393) ließ er M. an seinen Hof kommen und empfing ihn mit königlichen Ehren. In dreitägigen Unterredungen beseitigten sie alles gegenseitige Mißtrauen und verabredeten ein gemeinsames Vorgehen. Als Opfer der Versöhnung fielen einige Vertraute, die an der Entfremdung Schuld zu sein schienen: so Metrodoros von Skepsis und Amphikrates aus Athen: Prot. 22. Strab. XIII 610. Darauf wurde M. mit 10 000 Reiter ausgesandt, um sein Reich zurückzuerobern, während Tigranes durch Lykaonien und Kilikien nach Asien vorstoßen wollte: Memn. 55. Plut. 23. Doch mit Recht wunderte sich Lucullus, daß der Armenier nicht den Krieg mit den Römern begonnen habe, als M. noch in voller Macht dastand (Plut. a. O.): der eitle und unbedeutende Despot sollte bald erkennen, daß er zu ungünstigster Zeit zum Schwert gegriffen hatte. Über die Ausdehnung der Macht des Tigranes war schon oben einiges gesagt; für weiteres muß auf den Art. Tigranes und Drumann-Groebe IV 157ff. verwiesen werden. Er hatte sich eine neue Hauptstadt an der Südgrenze seines Stammlandes, Tigranokerta (s. d.), gegründet, da Artaxata für die neuen Gebiete zu abseits lag; Tigranokerta lag wohl beim h. Mîjâfarikûn (vgl. Drumann-Groebe a. O. Gelzer 396. Holmes 409ff.). Sein Heer war zwar dem römischen an Zahl weit überlegen, aber sein Kampfwert [2189] war weit niedriger ab der des alten pontischen Heeres. Frühjahr 69 begann Lucullus seinen Vormarsch, für den auf Gelzer 396ff. verwiesen sei. In Pontos ließ er gegen etwaige Angriffsversuche des M. 6000 Mann unter Sornatius und C. Fabius Hadrianus zurück: Plut. 24. 35. Cass. Dio XXXVI 9. 2. Appian. 88, eine zweite Abteilung unter Triarius in Asien: Cass. Dio XXXVI 10, 1. Appian. 88. Plut. 35. Er selbst hatte etwa 18 000 Mann bei sich, die ihm nur ungern in den neuen Krieg folgten: Plut. 24 (12 000 zu Fuß und 3000 Reiter; vgl. zu den Zahlen Gelzer 396): sein Ziel war Tigranokerta. Wir verfolgen hier lediglich die Mitwirkung des M. Tigranes, der an die Möglichkeit eines römischen Angriffs gar nicht gedacht hatte, verließ Syrien und gab auf die Kunde von dem blitzschnellen Vormarsch des Lucullus und einer Niederlage seines Feldherrn Mithrobarzanes auch den Gedanken auf, sich in Tigranokerta selbst zu behaupten, und zog sich in das Innere Armeniens zurück. Tigranokerta wurde eingeschlossen: Plut. 25. Appian. 84. Memn. 56. 1. Cass. Dio XXXVI 1. 2. Sall. hist. IV 61ff. Lucullus hoffte, Tigranes dadurch in einer Entscheidungsschlacht zu zwingen, da er erfahren hatte, daß Harem und Schätze des Königs sich in der Hauptstadt befanden (Memn. a. O.): Plut. 26. Dieser rief M. zurück und sammelte die Aufgebote seines Reiches: Memn. 56, 2. Plut. a. O. vgl. Eckhardt Klio X 92ff. M. schickte ihm Taxiles zu mit der Warnung, alles auf eine Karte in setzen: Appian. 85. Plut. a. O. Aber die aus allen Teilen seines weiten Reiches zusammenströmenden Scharen erhöhten den Mut des Tigranes so, daß er zur Schlacht drängte und Taxiles seine Warnnag beinah das Leben gekostet hätte; die Haltung des M. wurde als Mißgunst ausgelegt, und Tigranes beschloß, seine Ankunft nicht abzuwarten, um mit ihm nicht den Ruhm teilen zu müssen: Plut. a. O. Seine Zuversicht wurde noch erhöht, als es einer Truppe von 6000 Mann gelang, die Linien der Römer vor Tigranokerta zu durchbrechen und mit den Frauen und Schätzen des Königs wieder zu ihm zu stoßen: Appian. 85. Memn. 55, 2. Als Tigranes in der Nähe der Hauptstadt erschien, teilte Lucullus sein Heer und zog mit 10 000 Mann und der Reiterei dem Könige entgegen. Die Schlacht endete mit der völligen Niederlage der Armenier: Plut. 27. 28. Appian. 85. Memn. 57. Frontin. strat. II 2, 4. 1. 14. Sall. hist. IV 64ff. Oros VI 3, 6. Phlegon FGrH 257 F 12, 10. Bald danach fiel auch Tigranokerta: Plut. 29. Appian. 86. Memn. a. O. Cass. Dio XXXVI 2, 3, wobei die in der Nähe der Stadt befindlichen Feldherren des M. (οἱ δὲ κατὰ τὴν πόλιν Μ. στρατηγοί) dem Lucullus die Stadt in die Hände gespielt haben sollen: Memn. a. O., während nach Plutarch die Griechen in der Stadt sich zugunsten des Lucullus erhoben. Wenn die erste Nachricht auf Wahrheit beruhen sollte, könnte es sich nur um Taxiles und seine Begleiter handeln, die vielleicht mit den Griechen zusammengingen. Das Reich des Tigranes brach völlig auseinander: Gelzer 399. Reinach 360ff. Eckhardt Klio X 72ff.

Auf der Flucht traf Tigranes mit M. zusammen, der ihn aufzurichten versuchte. (Ich schließe mich hier Plutareh und Memnon an, während [2190] nach Appian. 85, Frontinus und Orosius M. schon vor der Schlacht zu Tigranes stieß. Die Darstellung Plutarchs gibt ein klares Bild der Ereignisse, auch würde M. schwerlich so vollständig zurückgetreten sein, wenn er bei der Schlacht anwesend gewesen wäre.) Zu spät erkannte der Armenier, daß sein Schwiegervater ihm geistig weit überlegen sei, und zu spät übergab er ihm nun die Leitung: Plut. 29. Memn. 58. Cass. Dio XXXVI 1, 1. Appian, 87. Im Winter 69/68 sammelten die Könige ein neues Heer, das nach römischem Muster ausgebildet und eingeübt wurde: s. die obigen Stellen: Phlegon a. O. Reinach 362f. Besonders wichtig war die Gewinnung der benachbarten Fürsten, von denen der Partherkönig wieder an Bedeutung alle überragte. Phraates III., der damals eben zur Regierung gekommen war (vgl. v. Gutschmid Gesch. Irans 83), wurde deshalb von M. und Lucullus in gleicher Weise umworben, wobei Tigranes und M. durch weitgehende Angebote, Lucullus durch Drohungen zu wirken suchten. Doch blieb Phraates zunächst neutral: Gelzer 399f. Reinach 363. Lucullus hatte Lust, auch den dritten der großen asiatischen Herrscher zu besiegen, aber die von ihm aus dem Pontos herbeizitierten Truppen versagten den Gehorsam, und seine eigenen Legionen wurden von dieser Unbotmäßigkeit angesteckt: Plut. 30. Gelzer 400f. bringt diese Vorgänge mit dem Treiben der Feinde Lucullus in Rom zusammen. Trotzdem rückte Lucullus Sommer 68 in das armenische Hochland ein, geriet aber bald in Verpflegungsschwierigkeiten, da die Ernte noch nicht reif war und M. die Verproviantierung möglichst erschwerte. Dazu ließ sich M. nicht zur Schlacht zwingen: Appian. 87. Plut. 31. Cass. Dio XXXVI 4. 2. Erst als Lucullus gegen Artaxata vorstieß, stellte sich ihm Tigranes zur Schlacht, die mit einem Siege der Römer endete: nur bei Plut 31. Sall. hist. IV 75. 76. vgl. Cass. Dio XXXVI 5. Appian. 87. Beim weiteren Vormarsch brach infolge der Kälte und Strapazen unter den Truppen des Lucullus die Meuterei offen aus; er mußte das Heer nach Mygdonien zurückführen: Plut. 32. Cass. Dio XXXVI 6. 1. Hier überwinterte er in Nisibis, das er nach längerer Bestürmung einnahm: 68/67. vgl. Gelzer 402.

M. nutzte den Zusammenbruch der römischen Offensive sofort zur Wiedereroberung seines Reiches aus: mit 8000 Mann rückte er in Kleinasien ein und fand überall freundliche Aufnahme, da die Römer sich gründlich verhaßt gemacht hatten: Cass. Dio XXXVI 9. Sall. hist V 1. 3 (zu V 9 vgl. Gelzer 402). Der Legat M. Fabius Hadrianus erlitt in Pontos eine Niederlage; denn M. hatte den Sklaven im römischen Lager die Freiheit versprochen, und eine thrakische Reiterabteilung, die früher in den Diensten des M. gestanden hatte, erstattete falsche Berichte und fiel dann über die Römer her. Vergebens versuchte Hadrianus durch Freilassung der Sklaven die Lage zu retten: am nächsten Tage mußte er wieder weichen, und nur einer Verwundung des M. verdankten die Römer ihre Rettung nach Kabeira, Herbst 68: Appian 88. Cass. Dio XXXVI 9. Lucullus konnte bei der aufsässigen Stimmnng seiner Soldaten nicht zu Hilfe kommen. Dafür [2191] kam C. Valerius Triarius mit Verstärkungen nach dem Pontos und befreite Hadrianus, der in Kabeira eingeschlossen war. M. zog sich nach dem Iris zurück. Triarius folgte ihm mit allen verfügbaren Kräften, und es kam am Iris zu einem unentschiedenen Treffen: Cass. Dio XXXVI 10, 1. Appian. a. O. M. verschanzte sich hinter dem Flusse, und Triarius überwinterte ihm gegenüber in Gaziura (Ruge o. Bd. VII S. 891). Dieser bat Lucullus um Hilfe und wollte bis zu seiner Ankunft eine Schlacht vermeiden, während M. alles daran setzte, um Triarius vor dem Eintreffen des Lucullus zum Schlagen zu bringen.

Diesem gelang es mit vieler Mühe, seine Legionen Frühjahr 67 in Marsch zu setzen: Plut. 35. (Über die Stimmung der Truppen, die Machenschaften des P. Clodius und die Vorgänge in Rom s. Gelzer 403.) Jetzt beschloß M., den Legaten durch einen Vorstoß gegen die Festung Dadasa, wo Gepäck und Beute der Römer lagen, zum Kampf herauszulocken. Triarius gab dem stürmischen Verlangen seiner Soldaten nach (schwerlich aus Ehrgeiz, wie Plut. 55 meint) und zog die Straße nach Zela. Auf dem Marsch wurde er in der Nähe von Zela von M. angegriffen – die Gegend ist stark zerrissen: bell. Alex. 72. 2: magni multique intercisis vallibus colles – und nach heftigem Kampfe vollständig besiegt (die Darstellung Appians und Plutarchs ist unklar und widerspruchsvoll). Nur eine schwere Verwundung des M., die sein Heer in große Bestürzung versetzte, rettete den Rest des römischen Heeres. 7000 Römer, darunter 24 Militärtribunen und 150 Centurionen, bedeckten das Schlachtfeld; auch das Lager fiel in die Hände des M.: Cass. Dio XXXVI 10–13. Plut. 35. Appian. 89. Ein Siegeszeichen, das M. auf dem Schlachtfeld errichten ließ, stand noch zu Caesars Zeit: Cass. Dio XLII 48. vgl. noch Cic. de imp. Pomp. 25. 45. Als Lucullus eintraf, konnte er wohl Triarius an sich ziehen, aber sonst nichts ausrichten, da M. bei Talaura in den armenischen Bergen eine feste Stellung eingenommen hatte und eine Schlacht verweigerte. Er wartete auf die Ankunft des Tigranes, der Armenien zurückerobert hatte und dessen Schwiegersohn, M. von Atropatene (Nr. 17), in Kappadokien die umherschwärmenden Römer unversehens zusammenhieb: Cass. Dio XXXVI 14. Appian. 90. Plut. a. O. Nun brach im Heere des Lucullus offene Meuterei aus, zumal der Consul M.’ Acilius Glabrio, dem durch die lex Gabinia 67 die Provinzen Bithynien und Pontos übertragen waren, in Asien gelandet war (Cass. Dio 17, 1), das Kommando des Lucullus für erloschen erklärt und den fimbrianischen (valerianischen) Soldaten, deren Dienstzeit abgelaufen war, bei Strafe der Konfiskation ihres Eigentums befohlen hatte, das Lager zu verlassen: Appian. 90. Plut. 35. Cic. de imp. Pomp. 26. Cass. Dio 14. Alles Nähere bei Gelzer 404. Trotzdem Lucullus von seinen Soldaten nur noch als Privatmann behandelt wurde (Cass. Dio a. O.), beschloß er, durch einen Sieg über Tigranes vor dessen Vereinigung mit M. das Heer wieder in seine Hand zu bekommen, nachdem er den Proconsul von Kilikien Q. Marcius Rex vergeblich um Hilfe gebeten hatte: Sall. hist V 14. 15. Cass. Dio 15, I. 17. Aber an der Grenze [2192] Kappadokiens kehrten die Treppen plötzlich um, und trotz allen persönlichen Zuredens, bei dem Lucullus jede äußere Würde außer acht ließ, konnte er sie nicht umstimmen. Er erreichte nur durch die Haltung der übrigen Soldaten, daß die Fimbrianer sich bereit erklärten, den Sommer über bei ihm zu bleiben: Cass. Dio 15. Plut. a. O. Da Glabrio auf die Kunde von den Erfolgen des M. in Bithynien blieb, war M. vollkommen freie Hand gelassen. Es gelang ihm, den größten Teil seines Reiches zurückzuerobern, sogar in Bithynien und Kappadokien einzudringen, das von Tigranes ebenfalls verheert wurde: Dio 17. Plut. 35. Cic. de imp. Pomp. 5. 12. Appian. 91. Als die Senatskommission zur Ordnung der Verhältnisse eintraf, konnte sie ihre Tätigkeit nicht beginnen: Plut. 35. Cass. Dio 46, 1. Nach Ablauf des Sommers löste sich das Heer des Lucullus auf: Plut. a. O. Cass. Dio 15.

b) Der Endkampf gegen Pompeius (66-65). Anfang 66 brachte der Tribun C. Manilius ein Gesetz direkt an das Volk, durch das Pompeius zum unumschränkten Oberfeldherrn gegen M. und Tigranes ernannt wurde mit den Rechten eines Statthalters in Asien, Kilikien und Bithynien. Da angesehene Männer, vor allem Cicero, für das Gesetz eintraten und das Volk in Pompeius seinen Helden sah, wurde das Gesetz angenommen: s. die Quellenstellen und alles Weitere bei Münzer o. Bd. XIV S. 1133ff. (Nr. 10). Pompeius, der noch vom Seeräuberkrieg her in Kilikien stand, ging sofort über den Tauros und erließ den Befehl an die Truppen und die abhängigen Fürsten, sich sofort bei ihm einzufinden. Auch kassierte er die von Lucullus verhängten Strafen und erklärte seine Einrichtungen für ungültig: Plut. Pomp. 31; Luc. 36. Lucullus war mit Recht erbittert, da er erst nach 30 Tagen die Provinz in verlassen brauchte: Cic. ad fam. III 6, 3. Bei einer Zusammenkunft in Danala kamen beide Feldherrn hart aneinander und schieden in Feindschaft: Cass. Dio XXXVI 46. XXXVII 49, 4. Plut. Luc. 36; Pomp. 31. 46. Strab. XII 567. Über die Bedeutung des Lucullus und seine Schuld an seinem Schicksal vgl. Gelzer 412ff.

Pompeius verbot jetzt, noch irgendeinem Befehl des Lucullus Folge zu leisten (Cass. Dio XXXVI 46, 2), und übernahm bis auf eine Geleitstruppe das ganze Heer, auch die Fimbrianer: Cass. Dio XXXVI 16, 3. 46. Plut. Luc. 36; Pomp. 31. Er ließ seine Flotte zwischen Phoinikien und dem Bosporus kreuzen und später in das Schwarze Meer einlaufen: Plut. Pomp. 32. 34. Zonar. X 4, und eröffnete selbst den Feldzug gegen M. Dessen Lage war trotz der letzten Erfolge, die er nur der Auflösung des lucullischen Heeres verdankte, äußerst schwierig. Pompeius war ein besonnener und umsichtiger Feldherr, dem die Soldaten rückhaltlos vertrauten, und verfügte über die Machtmittel des ganzen römischen Ostens, seine Flotte beherrschte die See. M. hatte wohl ein Heer von 30 000 Mann und 2000 Reitern, aber er wußte, daß es den Römern in keiner Weise gewachsen war, und vor allem hatte er keine Bundesgenossen: die Seeräuber waren unschädlich gemacht, Tigranes unfähig und auch nicht willens, ihm zu helfen, und Phraates III. ließ sich von Pompeius durch die [2193] Überlassung Armeniens gewinnen; Cass. Dio XXXVI 45, 3. XXXVII 5, 2. Liv. per. 100. Iustin. XLII 4, 6. vgl. v. Gutschmid 83f. Vor dem Abschluß des Bündnisses mit dem Partherkönig soll Pompeius dem M. durch Metrophanes freundliche Anerbietungen gemacht haben, hoffte damals noch auf die Parther und mochte auch dem Römer nicht trauen. Nach der Entscheidung des Phraates für Rom bat er um Frieden. Pompeius verlangte jetzt Ergebung auf Gnade und Ungnade und die Auslieferung der Überläufer. Auf die Nachricht hiervon entstand im Lager des M. ungeheure Aufregung, scharenweise verließen die einheimischen Soldaten das Lager und M. mußte mit den grausamsten Strafen vorgehen. Die Überläufer, die aufs äußerste beunruhigt waren, suchte er zu beruhigen und schwor ihnen, nie auf ihre Kosten sich so vergleichen: Cass. Dio XXXVI 45, 5. Appian. 98. Da M. wuBte, daß er mit seinem an Zahl nur geringem, an Kriegstüchtigkeit den Römern weit unterlegenem Heere (s. oben) einem so erfahrenen Feldherrn wie Pompeius nicht entgegentreten konnte, wich er ihm aus und suchte durch Verwüstung des Landes die Verpflegung zu erschweren. Pompeius rückte in Kleinarmenien ein, von M. gefolgt, der eine feste Anhöhe besetzte und seine Reiter überall umherschweifen ließ, während er selbst über genügend Lebensmittel verfügte. Schließlich wurde M. durch Wassermangel zur Aufgabe seiner Stellung gezwungen, während die Römer die verborgenen Quellen fanden: Cass. Dio XXXVI 47. Plut. Pomp. 32. M. überschritt nun wieder den Euphrat und lagerte bei Dasteira in der Landschaft Akilisene: Strab. XII 555. Oros. VI 4, 3. Hier hielt er sich etwa 45 Tage; durch eine Niederlage seiner Reiterei, die beinahe zur Eroberung seines Lagers geführt hätte, wurde er in seiner Aktionsfähigkeit beschränkt, da seine Reiterei nicht mehr weit umherschweifen konnte und Pompeius ihn allmählich durch eine gewaltige Reihe von Werken einkreiste: Cass. Dio XXXVI 47. Appian. 98. 99. Plut. a. O. Frontin. strat II 5. 33. Liv. per. 100 (Pompeius... equestri proelio M. vicit). Die Lage des M. wurde unhaltbar, als Pompeius, der sich völlig ungestört verproviantieren konnte, die Legionen des Marcius Rex an sich zog. Als M. bereits seine Zugtiere hatte schlachten müssen, ließ er seine Kranken und Verwundeten töten, im Lager Feuer anzünden und zog in einer Nacht unbemerkt ab. Pompeius folgte ihm, wagte aber weder bei Tage das Lager noch in der unbekannten Gegend den Feind nachts auf dem Marsche anzugreifen, da M. seinen Marsch nur in der Nacht fortsetzte. Da aber die Gefahr bestand, daß M. zu Tigranes entkam, mußte sich Pompeius endlich zu einem nächtlichen Angriff entschließen. Er umging M. während der Mittagsrast und besetzte die beiden Seiten eines Passes in Kleinarmenien, in der Nähe des späteren Nikopolis (s. Reinach 383, 1. Bell. Alex. 36, 3); es war die letzte Möglichkeit, M. vor dem Überschreiten des Euphrat abzufangen. M. glaubte, daß Pompeius die Verfolgung aufgegeben habe, und setzte deshalb ohne Sorge seinen Rückzug fort Als er sich aber am Engpaß befand, gaben plötzlich die römischen Tuben das Signal zum [2194] Angriff, und von allen Seiten flogen die Wurfgeschosse der Römer auf die völlig überraschten Pontiker, die in der Dunkelheit vergebens eise Zuflucht suchten. Als die Römer dann den Nahkampf eröffneten, war bald jede Ordnung aufgelöst und die Feinde wurden, in einen dichten Knäuel zusammengedrängt, zusammengehauen; es sollen 10 000 gefallen und ebensoviele gefangen worden sein: Cass. Dio XXXVI 48f. Appian. 99. 100. Plut Pomp. 32. Übertriebene Angaben bei Eutrop. VI 12; 2. Festus 16, 1. Suid. s. Πομπήιος. Oros. VI 4, 5. Nach Plutarch und Appian griff Pompeius den König nicht auf dem Marsche, sondern im Lager an; auch weichen sie noch in Einzelheiten stark voneinander ab. Die Darstellung bei Cassius Dio, mit der Liv. per. 101 und die wohl von ihm abhängigen Berichte bei Frontin. II 1, 12. 2, 2. Flor. I 40, 23. Eutrop. VI 12, 2. Oros. a. O. Zonar. X 4 im allgemeinen übereinstimmen, entspricht mehr der ganzen Lage. Ob Plutarch und Appian dem Theophanes gefolgt sind, ist fraglich; der Versuch von W. Fabricius Theophanes von Mytilene (Straßb. 1888) 94ff., beide Versionen in einer einheitlichen Darstellung zu verknüpfen, ist nicht geglückt vgl. Reinach 385, 1. Drumann-Groebe IV 445, 1. Holmes 428ff.

7. Die letzten Pläne; der Tod (65–63 v. Chr.). M. hatte sich gleich im Anfang des Kampfes mit 800 Reitern durchgeschlagen, die sich dann bis auf wenige zerstreuten. Bei ihm hielt noch sein Kebsweib Hypsikrateia aus, die als Mann angezogen auf dem Pferde saß und alle Strapazen mit ihm teilte. Auf der Flucht fanden sich dann eine Anzahl Reiter und etwa 3000 Mann zu Fuß wieder bei ihm ein, mit denen er in Sinoria (so bei Strab.; vgl. über Lage und Namensformen Honigmann u. Bd. III A S. 255f.) an der Grenze von Pontos und Armenien eintraf: Plut. Pomp. 32. Appian. 101. Strab. XII 555. Val. Max. IV ext. 2. Zonar. X 4. vgl. Ammian. Marc. XVI 7, 10. Hier befanden sich reiche Vorräte an Gold und kostbaren Gewändern. Er verteilte Gewänder und Kostbarkeiten unter seine Umgebung, die er auch mit Gift versorgte, und zahlte den Soldaten den Sold für ein Jahr im voraus: Plut. Appian. a. O. Da Tigranes, statt ihn aufzunehmen, einen Preis von 100 Tal. auf seinen Kopf setzte, weil er M. für beteiligt an dem Verrat seines Sohnes hielt, und seine Gesandten in Ketten legen ließ, überschritt er den Euphrat in der Nähe der Quellen und eilte nach dreitägiger Rast weiter nach Norden: Plut. Appian. a. O. Cass. Dio XXXVI 50, 1. Er hatte 6000 Tal. mitgenommen, den Befehl in Sinoria und den Schutz seiner Tochter Drypetina (Ammian. Marc a. O.) dem Menophilos übertragen und wollte nun Kolchis erreichen. Er trieb die Chotener und Iberer, die sich ihm in den Weg stellten, auseinander und gelangte an den Apsaros. Dann überwinterte er 66/65 in Dioskurias in Kolchis und versuchte von hier aus, als Pompeius nach der Unterwerfung des Tigranes die Verfolgung aufnahm, zu Lande nach der Krim zu gelangen, wo er zunächst vor den Römern geborgen war, wenn auch ihre Flotte das Meer beherrschte. Der Weg am Fuß des Kaukasus, der schroff zum [2195] Meere abfällt, war fast unpassierbar, die Bewohner dieser Gegend als besonders wild bekannt (vgl. K. Neumann Die Hellenen im Skythenland I 575ff. Kießling o. Bd. VIII S 259ff.).

M. mußte trotzdem den Versuch wagen, und da er über eine kleine Flotte verfügte (Strab. XI 496), so gelang er. Die Stämme wurden teils besiegt, teils gewonnen, die Heniocher gestatteten den Durchzug, das Land der Zyger wurde durch eine Fahrt an der Küste entlang umgangen, die Achaier bezwungen; so gelangte man in die Sindike und Maiotis: Appian. 101. 102. Cass. Dio XXXVI 50. Strab. XI 496. 497. Liv. per. 101. vgl. Ammian. Marc. XXII 8, 25. Die letzte Aufgabe, die Niederwerfung des abtrünnigen Machares, wurde sofort in Angriff genommen. M. gewann durch die Macht seiner Persönlichkeit, durch seinen alten Ruhm, durch Geldgeschenke die skythischen Fürsten, versprach den Mächtigsten unter ihnen seine Töchter zur Ehe und hatte so in kurzem seinen Einfluß auf die Barbaren wiederhergestellt. Machares flüchtete aus Phanagoreia, da der Vater von Verzeihung nichts wissen wollte, nach der Krim und verbrannte die Schiffe, um seine Verfolgung zu erschweren. Aber M. überwand dieses Hindernis, und nun nahm sich Machares das Leben, zumal seine Anhänger ihren Frieden mit dem Könige machten: Appian. 102. Cass. Dio XXXVI 50. M. ließ nur die Berater des Prinzen, die er selbst ihm zur Seite gestellt hatte, hinrichten; Appian. a. O.: 65 v. Chr.

Pompeius hatte in Kolchis die Verfolgung des M., die doch erfolglos geblieben wäre, aufgegeben und sich gegen die Albaner und Iberer gewandt, während die Flotte M. überwachen sollte: Plut. Pomp. 38. Daran schlossen sich Kämpfe in Armenien und die Auseinandersetzung mit den Parthern: Appian. 103ff. Plut. Pomp. 35. Cass. Dio XXXVI 51ff. vgl. zu diesen Kämpfen Drumann-Groebe IV 447ff. Anfang 64 begab sich Pompeius nach Kleinarmenien, um die Burgen (Gazophylakien) des M. einzunehmen: Talaura (Appian. 115), Sinoria (s. oben), Kainon (τὸ Καινὸν χωρίον: Strab. XII 556. 557. Plut. Pomp. 37). Symphorion (Cass. Dio XXXVII 7, 5. Plut. Pomp. 36. Appian. 107). Um die Benutzung dieser unzugänglichen Felsennester in Zukunft unmöglich zu machen, wurden die Brunnen mit Felsblöcken verstopft: Strab. XII 561. In Amisos ordnete Pompeius sodann die Besitzverhältnisse des inneren Kleinasien: Reinach 399f.

M. hatte sich inzwischen auf der Krim in der Macht befestigt. Es kam auch noch einmal zu Verhandlungen mit Pompeius. Dieser scheint, ob auf eine Anfrage des M. oder aus eigenem Antrieb, ist nicht festzustellen, das Erscheinen des M. vor seinem Richterstuhl, also seine Unterwerfung, verlangt zu haben. Darauf antwortete M. nach Syrien, selbst zu kommen entspreche nicht seiner Würde. Aber er wolle τῶν παίδων τινὰς καὶ φίλους senden und sei bereit, Tribut zu zahlen, wenn man ihm sein väterliches Reich (τῆς πατρῷας ἀρχῆς zurückgebe: Appian. 107. M. hatte also sein Selbstbewußtsein wieder gewonnen und hielt sich für unangreifbar. Aber Pompeius hatte eine schneidige Waffe, die Flotte. Sie mußte die Krim völlig blockieren, und die Ausfuhr, auf die die Bevölkerung angewiesen war, [2196] wurde völlig unterbunden: Plut. Pomp. 38. Zugleich wurde die Krim damals von einem furchtbaren Erdbeben heimgesucht: Cass. Dio XXXVII 11, 4. Oros. VI 5, 1.

Doch M. war nicht dazu geschaffen, sich ohne Gegenwehr dem Schicksal zu beugen und gottergeben das Ende zu erwarten. Er wahrte in seinem Geiste die kühnsten Pläne. An der Spitze eines bosporanischen Heeres wollte er die Skythen und die Nachbarvölker bis zur Donau mit sich reißen, durch Thrakien, Makedonien, Illyrien zu den Alpen vordringen und in Italien die Bundesgenossen gegen Rom unter die Waffen bringen. Er wußte, daß es noch in Italien gärte und daß auch andere Gefahren die Todfeindin bedrohten: der Sklavenkrieg hatte den Abgrund erkennen lassen, an dem die römischen Herren standen, und in der Bürgerschaft selbst waren Kräfte am Werke, die Staatsgewalt dem Senat zu entreißen: Cass. Dio XXXVII 11, 1. Appian. 102. 109. Plut. Pomp. 41. Flor. I 40, 25. So phantastisch dieser Plan auf den ersten Blick auch erscheint, unmöglich war unter den damaligen Verhältnissen ein Erfolg nicht. Allerdings war die unbedingte Voraussetzung, daß die Basis, das bosporanische Reich, in unerschütterlicher Treue zu H. hielt und die Untertanen bereit waren, alles für den Herrscher herzugeben. Diese Voraussetzung traf indessen nicht zu. Die gewaltigen Rüstungen drückten auf das doch nur kleine Land außerordentlich schwer, und M. verstand es nicht, die Bosporaner für sich zu begeistern. Vielmehr wurde durch das rücksichtslose Vorgehen der königlichen Beamten die Unzufriedenheit noch vermehrt. Alle Freien und Sklaven, die irgendwie waffenfähig waren, wurden eingezogen, in allen Werkstätten Waffen hergestellt, die Hütten abgerissen, um Holz und Eisen, die Stiere vom Pflug fortgetrieben, um Leder und Sehnen zum Bau der Kriegsmaschinen zu gewinnen, durch drückende Steuern möglichst viel Geld erpreßt. Der Umstand, daß M. infolge einer Gesichtskrankheit eine Zeitlang für niemanden sichtbar war, steigerte die Rücksichtslosigkeit der Beamten. Wohl war schließlich ein Heer von 36 000 Mann, zahlreichen Hilfstruppen und eine Flotte zusammengebracht, aber zugleich die Gärung unter der Bevölkerung so gewachsen, daß die offene Empörung bei einem an sich geringfügigen Ereignis ausbrach: Appian. 107. 108, wobei zu bedenken ist, daß die römischen Überläufer in dem Heere des M. einem Zuge nach Italien nur mit großem Mißtrauen gegenüberstehen konnten. M. wollte einen Teil des Heeres nach Phanagoreia legen, damit der Eingang zur Maiotis auf beiden Seiten bewacht sei. Doch als der Eunuch Tryphon mit der Besatzung ankam, wurde er von dem Statthalter Kastor, den er einst mißhandelt hatte, getötet und die Bevölkerung zur Freiheit aufgerufen. Um die Burg, die von mehreren Söhnen des M., Artaphrenes, Dareios, Xerzes und Oxathres, und zwei Töchtern, Kleopatra, und Eupatra, verteidigt wurde, wurden Holzstöße aufgehäuft und in Brand gesteckt, bis sich die Prinzen ergeben mußten. Nur Kleopatra hielt stand und wurde von Schiffen, die ihr M. zusandte, gerettet. Die Gefangenen übergab Kastor dem Befehlhaber der römischen Flotte. Auf die [2197] Nachricht von diesen Vorgängen empörten sich auch Chersonesos, Theodosia und Nymphaion: Appian. 108. Oros. VI 5, 2. M. wollte nun die einheimischen Fürsten durch die ihnen angesagten Töchter fest an sich ketten, aber die Truppen, die sie an Ort und Stelle bringen sollten, töteten die Eunuchen und lieferten die Prinzessinnen den Römern aus: Appian. a. O. Cass. Dio XXXVII 11, 4. Dadurch wurde in M. das alte Mißtrauen geweckt, und nach alter orientalischer Gewohnheit wütete er jetzt gegen alle, die irgend verdächtig erschienen, und schonte auch seine Familie nicht: Cass. Dio XXXVII 12. 1. Eutrop. VI 12 Oros. VI 5, 3; vgl. Appian. 112. Val Max. IX 2 ext. 3. Ob nun Pharnakes, den er zum Nachfolger bestimmt hatte, ein ähnliches Schicksal fürchtete, oder ob er nicht schnell genug zur Herrschaft kommen konnte, er trat an die Spitze einer Verschwörung. Aber sie wurde verraten, die Mitschuldigen bestraft, nur Pharnakes begnadigt. Ob diese Begnadigung wirklich, wie Reinach 405 meint, auf die Liebe des Königs zurückzuführen ist, erscheint bei einem Manne wie M., dem schon so viele Söhne zum Opfer gefallen waren, doch recht fraglich; wahrscheinlich ist, daß M. auf die Stimmung weiter Volkskreise Rücksicht nehmen mußte; Plut. Pomp. 41. Appian. 110. Cass. Dio XXXVII 12, 2. Pharnakes kannte seinen Vater zu gut, als daß er dieser Verzeihung wirklich getraut hätte. Er wußte, daß im Heer die Abneigung gegen den geplanten Feldzug weit verbreitet war; so suchte er namentlich den Überlaufern die ihnen bekannten Gefahren eines Italienzuges als möglichst groß hinzustellen und forderte sie auf, bei ihm zu bleiben. Er gewann sie, auch mit Versprechungen, zu einer Erhebung, sandte noch in derselben Nacht Boten in die benachbarten Lager. Bei Tagesanbruch begann der Aufruhr bei den Überläufern und setzte sich dann zu den anderen Truppen und zur Flotte fort; überall war man zum Abfall geneigt, die noch Unentschlossenen wurden durch Furcht zum Anschluß gezwungen. Als M. nach der Ursache der sich immer mehr steigernden Unruhe forschte, erhielt er die Antwort, man wolle anstatt des von Eunuchen geleiteten, von Mord zu Mord schreitenden Greises einen jungen, kräftigen König. M. machte sich zu persönlichen Verhandlungen auf, wurde dabei von Überläufern der Besatzung angegriffen und mußte von der Burg aus zusehen, wie man seinen Sohn in Ermangelung eines Diadems mit einem breiten Papyrusstreifen (?: βύβλον πλατεῖαν) krönte. Da sandte er Boten an den Sohn mit der Bitte um freien Abzug. Als sie nicht zurückkamen, befürchtete er Auslieferung an die Römer; er entließ die noch treuen Leibwächter und Freunde, um sie nicht bloßzustellen, und entschloß sich zum Gifttod. Seine Töchter Mithradatis und Nysa, die den Königen von Ägypten und Kypros verlobt waren, gingen ihm im Tode voran, nach Appian auf ihr eigenes Verlangen; nach Cass. Dio XXXVII 13, 1 ließ er auch seine Weiber und noch übrigen Söhne den Giftbecher trinken. Bei seinem an das Gift gewöhnten Körper blieb die Wirkung aus; der Versuch, sich das Schwert in die Brust zu stoßen, mißlang, da seine Hand infolge der Aufregung und der Entkräftung [2198] nicht genug Kraft besaß. Schließlich bat er einen keltischen Söldnerführer Bitoitos (Bitoetus. ἡγεμὼν Κελτῶν, miles Gallus: Appian 111. Liv. per. 102. Galen. XIV p. 284 Kühn. [Aurel. Vict.] de vir. ill. 76, 8), ihm zu helfen, und dieser erfüllte die Bitte: Appian. 110–112. Cass. Dio XXXVII. 12. 13. Iustin. XXXVII 1, 9: 63 v. Chr. Cassius Dio weicht nur in dem Punkte ab, daß er M. von seinen früheren Soldaten niederhauen läßt, eine Behauptung, die allen sonstigen Zeugnissen widerspricht. vgl. noch Plut. Pomp. 41. Joseph. ant. XIV 53; bell. Iud. I 138. Zonar. X 5. Val. Max. IX 2 ext 3. Vell. II 40, 1. Eutrop. VI 12. Flor. I 40. 26. Gell. XVII 16, 5. Oros. VI 5, 6. 7. Suid. s. Πομπήιος. Aurel. Vict a. O. Hegesippos I 15, 3. Servilius Theriaca 100ff. (Poetae bucolici ed. Didot III 120). Er hatte die 70 nicht ganz erreicht: Appian. 112 (68 oder 69 Jahre); Eutrop. Oros. a. O. (72). Er hatte 57 Jahre regiert: Appian. a. O.; nach Plin. n. h. XXV 6: 56 oder 53 Jahre, nach Eutrop. a. O.: 60 Jahre. Nach Strab. X 477 war er bei Antritt der Regierung 11 Jahre, nach Memn. 30, 2 (FHG III 541) 13 Jahre alt. Er war bis zuletzt ein Meister in allen körperlichen Übungen und fähig zu allen Strapazen gewesen: Appian. 112. Iustin. XXXVII 2, 4ff.; vgl. Sall. hist. II 77. –

Pompeius erhielt die Nachricht von seinem Tode in Judaea: Joseph. ant. XIV 53. 54; bell. Iud. I 138. Plut. Pomp. 41. Mit Recht berichtete der Feldherr nach Rom, daß der Krieg nun beendet sei. In Rom wurde auf Ciceros Antrag ein zehntägiges Dankfest begangen: Appian. 13 Cic. de prov. consul. 27; pro Murena 34. Zonar. V 6. X 5. Oros. a. O. Pharnakes sandte den Leichnam seines Vaters an Pompeius, der ihn in Sinope beisetzen ließ: Appian. 113, Cass. Dio XXXVII 14, 1. Plut. Pomp. 42. Pharnakes wurde Freund und Bundesgenosse des römischen Volkes und König des Bosporos; nur Phanagoreia wurde für frei erklärt: Cass. Dio 14, 2. Appian. a. O. Einige Burgen mit großen Schätzen und Schriften des Königs über die Gifte und Gegengifte wurden jetzt erst dem Pompeius übergeben: Cass. Dio XXXVII 14, 3. Appian. 115 Plin. n. h. XXIII 149. XXV 5ff.

8. Persönlichkeit und Bedeutung.

Die Darstellung des Lebens und der Regierung des M. soll uns die Grundlage für eine kurze Charakteristik sein. (vgl. vor allem die Charakteristik bei Ed.Meyer 84ff., Reinach 272ff. und Mommsen RG II⁴ 270ff.) Eins geht aus den Quellen mit voller Sicherheit hervor: daß M. eine über das Durchschnittsmaß hinausragende Herrscherpersönlichkeit war. In der Zeit nach Alexanders d. Gr. Tode, als noch nicht die Wolke aus dem Westen den Orient überschattete, hätte er wohl der Begründer eines mächtigen Reiches sein können. Ed.Meyer streitet ihm allerdings jede Fähigkeit ab, ein kompliziertes staatliches Leben zu erfassen und zu organisieren. Seine Tragik war einmal, daß er in eine Zeit gestellt war, in der Roms Macht bereits zu fest begründet war, um ein selbständiges Reich in Mittelmeergebiet neben sich entstehen zu lassen, und zweitens, daß er zu sehr Asiat blieb, nicht von der hellenistischen Kultur im Innerstem ergriffen [2199] wurde. Was ihm vor allem abging, war eine große Idee, die man als Leitstern seines Lebens bezeichnen könnte. Seine Regierungsmethoden waren letzten Endes doch die eines asiatischen Despoten, für die Griechen, die er gewinnen mußte, wenn sein Reich Bestand haben sollte, unerträglich, weil wesensfremd. Was wir von seinen Beziehungen zur griechischen Welt hören, beweist doch nur seine äußerliche Anerkennung der kulturellen Überlegenheit des Griechentums. Er kann wohl als der letzte Herrscher betrachtet werden, der die Kräfte des hellenistischen Orients gegen Rom zusammenzufassen suchte, aber fraglich ist es doch, ob er dies bewußt tat. Er ist unterlegen, weil er es nicht verstand, die Griechen innerlich für sich zu begeistern, ihnen das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit einzuflößen, weil er eben doch letzten Endes ein hellenisierter Barbar blieb. Sein Auftreten in Kleinasien mußte in ihnen nach der ersten Begeisterung über die Befreiung von dem unerträglichen römischen Joch bald die Überzeugung wecken, daß seine Herrschaft nicht ihre Freiheit bedeuten, sondern sie der Willkür eines orientalischen Sultans ausliefern würde. Neben der Furcht vor der Rache Roms trug zum Abfall der griechischen Städte wohl auch die Erkenntnis bei, daß sie mit den Römern viel mehr verband als mit einem M. und seinen Trabanten. Auch ist es ihm trotz seiner römischen Ratgeber nicht gelungen, aus dem vorzüglichen Menschenmaterial, das ihm zu Gebote stand, ein wirkliches Heer zu schaffen, das den Römern mit Aussicht auf Erfolg entgegentreten konnte. Allerdings wird man anderseits nicht vergessen dürfen, daß die Griechen seiner Zeit kaum noch fähig waren, in einen Kampf auf Leben und Tod für ihre Freiheit einzutreten, und daß so hochbedeutende Feldherren wie Sulla, Lucullus und Pompeius ihm entgegentraten. Sonst wäre wohl bei der damaligen inneren Zerrissenheit Roms und seiner Bedrohung durch innere und äußere Feinde, Zustände, die M. doch nicht ohne Geschick auszunutzen verstand, ein Erfolg nicht ausgeschlossen gewesen. Jedenfalls zeigen die Äußerungen der Freude und Erleichterung in Rom wie beim Heer des Pompeius, daß man ihn für einen sehr gefährlichen Gegner hielt. Dieses Gefühl klingt auch immer wieder in den Reden Ciceros durch, des einzigen Zeitgenossen, der noch unmittelbar zu uns spricht. Und dieses Gefühl war berechtigt. Wenn auch aus den oben angedeuteten Gründen eine dauernde Bundesgenossenschaft zwischen ihm und den Griechen nicht möglich war, so hätte er doch im Bunde mit den kleinasiatischen Königen, Tigranes von Armenien und den Parthern dem Vordringen der Römer im Osten wenigstens eine Zeitlang ein Ziel setzen können. Doch nirgends fand er die Einsicht in die Größe der von den Römern drohenden Gefahr, am wenigsten bei dem ihm besonders nahe stehenden Tigranes, der durch seine geradezu klägliche Politik an dem Ausgang des M. in erster Linie Schuld ist. Auch auf seine orientalischen Nachbarn mag indessen die rücksichtslose Herrschaft des M. abschreckend gewirkt haben.

9. Seine Familie. M. hatte zahlreiche Frauen und Nebenfrauen, und es ist meist unmöglich [2200] festzustellen, ob ea sich um legitime Gemahlinnen oder Kebsweiber handelt (Plut. Pomp. 36). Seine erste Frau war seine Schwester Laodike, die ihm die Treue brach und dafür büßen mußte, s. Staehelin o. Bd. XII S. 711 Nr. 29. Weiter sind uns nur Namen griechischer Frauen bekannt:

Monime, nach Plut. Luc. 18 und Ailian. frg. 12 H. aus Milet, Tochter des Philopoimen aus Stratonikeia, vgl. Plut. Pomp. 37, Appian. 21. 27. 48.
Berenike aus Chios: Plut. Luc. 18.
Stratonike: vgl. Geyer u. Bd. IV A S. 322 Nr. 12.
Hypsikrateia: Plut. Pomp. 32. Val Max. IV 6 ext 2.

An Söhnen werden genannt:

Mithradates (s. Nr. 13).
Ariarathes, nach Iustin. XXXVIII 1, 10 nicht der eigentliche Name, vgl. Niese o. Bd. II S. 820 Nr. 9.
Artaphrenes: Appian. 108. 117.
Machares: vgl. Obst o. Bd. XIV S. 153.
Pharnakes (s. den Art.).
Xiphares, Sohn der Stratonike: Cass. Dio XXXVII 7 5. Appian. 107. Plut. Pomp. 36.
Dareios, Xerxes, Oxathres, Kyros: Appian. 108. 117.

An Töchtern sind überliefert:

Kleopatra, Gemahlin des Tigranes: vgl. Staehelin o. Bd. XI S. 788 Nr. 27.
Drypetina: vgl. Willrich o. Bd. V S. 1750.
Athenais: vgl. Wilcken o. Bd. II S. 2037 Nr. 6.
Mithradatis und Nysa: Appian. 111.
Eupatra: Appian. 108. 117. vgl. Reinach 404, 1.
Orsabaris: Appian. 117; vielleicht später Fürstin von Prusias, von dem Münzen aus dem 1. Jhdt. v. Chr. mit dem Namen einer Königin Musa, Tochter der Orsobaris, überliefert sind: Reinach Trois royaumes 135ff. Head HN² 513.

Von unehelichen Söhnen wurde M. von Pergamon (s. Nr. 14) berühmt.

10. Reich und Regierung. Das Reich bestand aus drei Teilen: dem eigentlichen Kappadokien am Pontos mit Paphlagonien, soweit und solange dieses dem M. gehörte, Kleinarmenien und den Nebenreichen Kolchis und Bosporus. Diese letzten Gebiete, die durch lange, rauhe Küstenstriche voneinander getrennt waren, wurden nur durch das Meer zusammengehalten; seine Beherrschung war also für M. ein Gebot der Notwendigkeit. Unbedingt zuverlässig waren nur die Gebiete an der Südküste des Schwarzen Meeres deren Bevölkerung zum großen Teil sich als zusammengehörig fühlte und dem angestammten Königshaus ergeben war: Cass. Dio XXXVI 9, 2. Auch die griechischen Städte haben durch ihre tapfere Verteidigung gegen die Römer bewiesen, daß sie im allgemeinen mit ihrer Lage zufrieden waren. Vgl. im übrigen Ed. Meyer 1ff. 57ff. und den Art. Pontos, über Bosporos Brandis o. Bd. III S. 757ff., über alle Gebiete die ausgezeichnete Schilderung von Reinach 206ff. – Die Grenzen des Reiches waren fast überall [2201] fließend, in Kleinasien gegen die benachbarten Reiche Paphlagonien und Kappadokien wie gegen die Galater, in Kleinarmenien, Kolchis und auf der Krim gegen die einheimischen Stämme. Die Ausdehnung des mithradatischen Machtgebietes läßt sich also kaum zu irgendeiner Zeit sicher bestimmen.

Pontos war eine absolute Monarchie, besser eine orientalische Despotie, bei der die Rechte des Königs auch in sittlicher Hinsicht vollständig unumschränkt sind Auch in bezug auf die griechischen Stadtgemeinden erfahren wir nichts von einer inneren Autonomie, wie sie in den hellenistischen Reichen und unter römischer Herrechart üblich war. Die griechischen und hellenistischen Städte haben wohl Kupfermünzen geprägt (Head HN² 4969. 505ff.); aber diese Prägung von Scheidegeld besagt nichts für die rechtliche Stellung der Stadt. Anderseits beweisen königliche Beamte in den Städten, daß von Selbstverwaltung kaum gesprochen werden kann: Phrurarchen in Sinope: Strab. XII 546, in Herakleia: Memn. 42, 5 (allerdings wohl Kriegsmaßnahme), in Amaseia: Syll. or. 865 – Michel Rec. 1128 = Reinach Anh. nr. 1, in Ephesos (ἐπίσκοπος): Appian. 48. Auch den hellenischen Städten der Provinz Asien hat M. erst die Freiheit gegeben, als seine Lage bedrohlich zu werden anfing: Appian. a. O. Für die großen pontischen Städte wie Sinope, Amisos, Kerasus (Pharnakeia), kam noch hinzu, daß sie Residenzen waren. Wie schon Ed. Meyer 65ff. hervorgehoben hatte, kann man auch M. nicht als einen Förderer hellenischen Städtewesens bezeichnen. Die beiden Eupatoria, die er am Zusammenfluß des Lykos und Iris und bei Amisos anlegte (s. Ruge o. Bd. VI S. 1161), sind wie Pharnakeia nur gegründet worden, um den Namen des Herrschers zu verewigen (Ed. Meyer 67). Vielleicht geht nach Droysens Vermutung (Gesch. d Hellenism. III 2, 263) auch die Gründung einer Stadt Laodikeia (= Ladik) auf M. zurück, doch kann sie auch einem seiner Vorgänger gehören (vgl. Ruge o. Bd. XII S. 724; Nr. 8 wohl = 9). Die pontischen Könige haben also für eine planmäßige Ausbreitung der griechischen Kultur nichts getan, und das Land hat stets seinen bäuerlichen Charakter behalten, das Volk seine einheimische Art bewahrt.

Deshalb zerfiel Pontos auch nicht in Stadtbezirke, sondern in ländliche Kreise: Reinach 258 hat vermutet, daß die bei Strab. XII 544ff. erhaltene Bezirksliste schon für die Zeit des M. gelte. Das ist natürlich möglich, aber die Liste bei Reinach ist nur eine Zusammenstellung der von Strabon bei seiner Beschreibung erwähnten Landschaften, die dieser mit keinem Worte als Verwaltungsbezirke bezeichnet. Vielmehr ist es mir klar, daß Strabon lediglich die historischen Landschaften seiner Beschreibung zugrunde legt, so etwa, wie wenn bei einer Schilderung der Mark Brandenburg die Landesteile Kurmark, Neumark, Prignitz, Ukermark usw. erwähnt werden. Daher brauchen die Namen hier nicht angeführt zu werden. Ebensowenig wie die Namen der Verwaltungsbezirke kennen wir den Titel ihrer Leiter. Reinach denkt nach dem Vorbild Ägyptens und Syriens an Strategen; mehr [2202] spricht für den Titel ἔπαρχος, da Strab. XII 560 ἐπαρχίαι nennt, obwohl dies keine technische Bezeichnung zu sein braucht. Unwahrscheinlich ist die Annahme Reinachs, daß die Strategen oder Eparchen auch mit dem Kommando über die Zwingburgen und Gazophylakien betraut waren, deren es eine große Zahl in Pontos gab vgl. Ed. Meyer 66); denn schon die persischen Großkönige stellten die Kommandeure der Festungen direkt unter ihre Aufsicht Der Großvater Strabons, der fünfzehn solcher Burgen dem Lucullus überlieferte (Strab. XII 577f.), wird dementsprechend auch nicht als Statthalter bezeichnet.

Über das Justizwesen wissen wir wenig. Die meisten wichtigen Prozesse hat wohl der König nach orientalischer Sitte selbst entschieden (vgl. Plut. de virt. mul. 23); doch finden wir einen höchsten Richter, τεταγμένος ἐπὶ τῶν ἀνακρίσεων (Syll. or. 374 = Reinach Anh. nr. 9 c) oder ταχθεὶς ἐπὶ τῆς δικαιοδοσίας (Strab. XIII 609), vgl. Strab. XIII 610: οὐκ ἦν τῷ κριθέντι ἀναβολὴ τῆς δίκης ἐπὶ τὸν βασιλέα, der wohl zugleich die Befugnisse eines Justizministers besaß. Über Strafen vgl. Appian. 97, über das Gefängnis in Kabeira Plut. Luc. 18.

Wenn maa bedenkt daß M. stets über reiche Geldmittel verfügte und die Römer in seinen Burgen noch große Schätze fanden, so wird man annehmen können, daß sich seine Finanzen in gutem Zustand befanden. Allerdings wird eine asiatische Despotie stets aber reichere Mittel verfügen als ein geordneter europäischer Staat, da dem Herrscher jederzeit das Hab und Gut seiner Untertanen zur Verfügung steht und der Besitz der zahlreichen Opfer seines Mißtrauens seine Kassen füllt. Auch spielt bei M. die Beute seiner zahlreichen Kriegslage eine große Rolle. Aber abgesehen davon sind anscheinend die Domänen und Bergwerke, um die beiden wichtigsten Quellen einer primitiven Staatswirtschaft zu nennen, rationell bewirtschaftet worden, so daß sie reiche Erträge abwarfen: vgl. Cic. de lege agr. I 6. II 51. Strab. XII 562. Über Bergwerke in Kleinasien s. Orth Suppl.-Bd. IV S. 113ff.[2] Bedeutend scheinen auch die Einnahmen aus den Zöllen gewesen zu sein, vor allem der griechischen Hafenstädte Amastris, Sinope, Amisos, und Ed. Meyer 68 weist mit Recht auf die empfindlichen Verluste hin, die eine Sperrung des Bosporos (180 v. Chr.: Polyb. XXVII 7, und um 88 v. Chr.: Appian. 12. 14) für die pontischen Könige im Gefolge hatte. Irgendeine Schätzung der Summen, die aus den Zöllen einkamen, ist mangels jedes Quellenmaterials unmöglich. Dazu treten dann die Abgaben; wir wissen hier wenigstens, daß das bosporanische Reich 180 000 Medimnen Getreide und 200 Tal. Silber abführte: Strab. VII 811. Aus dieser Abgabe kann wohl geschlossen werden, daß die Abgaben der einzelnen Reichsteile wie bei den Persern aus Geld und Naturalien bestanden. Wie schwer sie die Bevölkerung belasteten, ist nicht festzustellen; die Notiz bei Appian. 107, daß sie drückend gewesen seien, stammt aus der letzten Zeit des M., wo er zur Ausführung seiner phantastischen Pläne rüstete. Jedenfalls müssen die Einnahmen sehr groß gewesen sein; denn Reinach [2203] 256, 5 berechnet nach den riesigen Ausgaben für Bauten, für die ewigen Kriege und die Spenden an die griechischen Städte und Tempel, nach der reichen Ernte, die schon Lucullus gehalten hatte, die Beute des Pompeius auf 135 Mill. Drachmen, wozu noch 36 Mill. kamen, die M. mit auf die Flucht genommen hatte. Über die Schatzhäuser (γαζοφυλάκια) vgl. Strab. XII 555. Appian. 107.

In bezug aof die Münzprägung sei auf Reinach 257ff. 476ff. Head HN² 501f. (mit Literatur) verwiesen.

Es bleibt übrig, das Wenige zusammenzustellen, was wir über die Zentralverwaltung wissen. Die einflußreichsten Berater des Königs waren die φίλοι, von denen wie an den hellenistischen Höfen die πρῶτοι φίλοι die oberste Rangklasse bildeten. Die πρῶτοι φίλοι werden erwähnt: Syll.. or. 371. 373. 374 = Reinach Anh. nr. 9 b–d. 9e. Strab. XI 499 (Moaphernes); Aristion (Athenion) trug den Titel nur als Auszeichnung: Poseid. FGrH 87 F 36 = Athen. V p. 212 A. Von den Spitzen der Beamtenschaft kennen wir außer dem Oberrichter und Justizminister (s. o.) noch den τεταγμένος ἐπὶ τῶν δυνάμεων: Syll.. or. 372 = Reinach Anh. nr. 9 a, den ebenda erwähnten ἐπὶ τοῦ ἐγχειριδίου (Bedeutung zweifelhaft, vgl. Dittenberger z. St.), den τεταγμένος ἐπὶ τοῦ ἀπορρήτου, den Geheimen Kabinettsrat: Syll. or. 371 = Reinach nr. 9 b. Eine wichtige Rolle spielten auch die σύντροφοι des Königs: Syll. or. 372. Strab. X 477. Plut. Pomp. 42.

Über die Zusammensetzung des Heeres war schon wiederholt die Rede (vgl. vor allem Ed. Meyer 68 und Reinach 261ff. Den Hauptteil bildeten die Söldner, im ersten Regierungsabschnitt wohl ausschließlich griechische und galatische wie unter den Vorgängern des M., später daneben Söldner aus den südrussischen Stämmen bis zu den Kelten an der Donau und den Thrakern: vgl. Appian. 15. 69. Daß die Griechen und Galater neben den ausgehobenen Landeskindern stets den Kern des Heeres bildeten, geht aus Appian. 69: τοσαῦτα ἐπὶ τοῖς προτέροις αὐτῷ προσεγίγνετο sowie σύμμαχοί τε αὐτῷ προσεγίγνοντο χωρὶς τῆς προτέρας δυνάμεως deutlich hervor; über die griechischen Söldner vgl. Plut. Luc. 10. 19. 32. Strab. X 477. Die Völkerstämme der Randgebiete des Schwarzen Meeres waren also nur eine hochwillkommene Ergänzung des stehenden Heeres. Die Aufzählung der Stämme, aus denen die Söldner stammten, bei Appian. 15 und 69 macht nicht den Eindruck unbedingter Zuverlässigkeit; beide Listen wollen offenbar vor allem durch die große Zahl der Namen Eindruck machen. Bei Appian. 69 begegnen z. B. die Chalyber, Armenier (d. h. Kleinarmenier), Taurier und die Anwohner des Thermodon. Diese Stämme gehören aber zu den Untertanen des M. und stehen deshalb mit Paphlagonen und Kappadokern auf einer Stufe. Die Achaier und Heniocher, die Bewohner der wilden Felsküste des Kaukasos, gehörten nie zu den σύμμαχοι des M., wie die Ereignisse auf der Flucht nach der Krim bewiesen. Sicher ist jedenfalls, daß M. sich bemühte, zuletzt unter Mitarbeit der römischen Überläufer, aus den Landesbewohnern ein möglichst zuverlässiges [2204] Heer zu bilden (s. u.), und seine Reiterei war der römischen meist überlegen. Die Zahlen, die überliefert sind (Iustin. XXXVIII 1, 8: 80 000 Mann zu Fuß. 10 000 Reiter; Appian. 17: 260 000 M. z. F., 50 000 R.; Plut. Sulla 15: 100 000 M. z. F., 10 000 R. Appian. 49. Plut. Sulla 20: 80 000 M.; Memn. 88. Plut. Luc. 7: 120 000 M. z. F., 16 000 R. oder 150 000 M. z. F., 12 000 R.), erscheinen auf den ersten Blick sehr übertrieben. Doch mögen die Heere des M. mit Einschluß der zahlreichen Söldner diesen Zahlen oft recht nahe gekommen sein, wenn auch kaum eine zuverlässige Überlieferung über ihre Stärke vorlag. Auch das Verhältnis zwischen Fußvolk und Reiterei (5 : 1 – 10  1) mag der Wirklichkeit entsprechen. Die Bewaffnung (vgl. dazu Reinach 264f.) war in den ersten Kriegen den Römern gegenüber völlig: unzulänglich (vgl. Plut. Sulla 16). Deshalb wurden nach dem ersten mithradatischen Kriege die Kerntruppen nach römischem Muster bewaffnet: Plut. Luc. 7. Appian. 69. 108, wobei die sertorianischen Offiziere und die römischen Überläufer, die im Heere stark vertreten waren (vgl. Appian. 68. 72. Plut. Luc. 8.12; Sert. 24. Cass. Dio XXXVI 45, 4), als Berater und Lehrmeister tätig waren. Vielleicht hat M. damals auch auf die Phalanx verzichtet. Trotz alledem zeigte jedes offene Zusammentreffen die glänzende Überlegenheit der straff disziplinierten römischen Veteranen, die von ersten Feldherren geführt wurden, während auf der Seite des M. Griechen das Kommando führten, deren strategische Fähigkeiten offenbar der Aufgabe, so bunt zusammengewürfelte Heere zu führen, nicht gewachsen waren. – Erwähnt seien noch die Sichelwagen, die mehrfach in den Kämpfen auftraten, aber gegen die römische Kriegskunst nicht aufkommen konnten; in dem letzten Feldzug begegnen wir ihnen daher nicht mehr. Die Ingenieurkunst stand auf hoher Stufe, wie besonders die Verteidigung des Peiraieus und der pontischen Griechenstädte beweist; auch gegen Rhodos verwandte M. alle Künste der hochentwickelten Technik. Der berühmteste Ingenieur war Kallimachos (vgl. Lammert o. Bd. X S. 1645).

Die Flotte des M. war seine Schöpfung; sie zählte 88 v. Chr. 300 gedeckte Schiffe (Kataphrakten: vgl. Köster Das antike Seewesen 116) und 100 Dikroten: Appian. 17. Für 73 werden 400 Trieren und Penteren und zahlreiche leichte Schiffe angegeben: Memn. 37. vgl. Plut. Luc. 7. Appian. 13. Ihre Bedeutung trat besonders in dem Kriege gegen Sulla hervor, dem sie durch die Beherrschung des Ägäischen Meeres außerordentliche Schwierigkeiten in den Weg legte. – Von den Feldherren des Königs, fast ausschließlich Griechen, seien Archelaos, Neoptolemos, Diophantos, Metrophanes, Menandros genannt (s. die betr. Art). Neben ihnen werden nur wenige einheimische Führer erwähnt so Taxiles und die dem M. besonders zuverlässig erscheinenden Eunuchen.

Literatur: Vor allem Th. Reinach Mithradates Eupator, deutsche Ausgabe von A. Goetz. Leipz. 1895. Daneben Ed.Meyer Gesch. des Königreichs Pontos, Leipz. 1879. Drumann-Groebe Röm. Gesch., 2. Aufl., [2205] Berl. 1899ff. Mommsen Röm. Gesch. II⁴ 267ff. T. Rice Holmes The Roman Republic I. Oxford 1923.

[Geyer. ]
  1. Vorlage: Nikomedes III.
  2. Vorlage Bd. V