Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Manius Curius Dentatus, Triumphator über die Samniten, cos. 290 und 274 v. Chr.
Band IV,2 (1901) S. 18411845
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9) M’. Curius Dentatus war M’. f. M’. n. (Acta triumph. zum J. 479) und erhielt seinen Beinamen, weil er mit Zähnen zur Welt kam (Plin. n. h. VII 68; der Beiname auch bei Siccius Dentatus). Er stammte aus einem bis dahin unberühmten Geschlecht (Cic. Mur. 17), angeblich aus einer Landstadt (Cic. Sull. 23, wozu Schol. Bob. p. 364 Or. die aus der Lage seines Landgutes gezogene, falsche Schlussfolgerung fügt: Sabinis oriundus videtur). In einem unbekannten Jahre vor seinem ersten Consulat war er Volkstribun und soll den Senat gezwungen haben, die Wahlen im voraus zu bestätigen; aber wenn als Grund seines Vorgehens angegeben wird, dass Ap. Claudius Caecus versucht habe, die Wahl plebeischer Consuln zu verhindern, so ist das ungeschichtlich, und daher bleibt auch die Notiz über C. bedenklich (Cic. Brut. 55. Auct. de vir. ill. 33, 10, s. o. Bd. III S. 2683 und Mommsen St.-R. III 1042, 1. 3) Dass dieser, gestützt auf einen starken persönlichen Anhang, die Volksversammlung beherrschte und in Gegensatz zum Senat stand, sagt Appian. Samn. 5; das Fragment ist ganz aus dem Zusammenhang gerissen, so dass nicht zu entscheiden ist, ob es sich auf denselben Vorgang oder auf eine spätere Zeit (nach Niebuhr R. G. III 493 auf die Ackeranweisungen von 464 = 290) bezieht; auch abgesehen davon ist sein Inhalt verdächtig, weil er nach dem Muster ähnlicher Vorgänge späterer Zeit erfunden sein kann. Als Consul 464 = 290 (Cic. Cato 43. Plin. n. h. VII 166. Eutrop. II 9, 3, Cassiod. Chronogr.) brachte er gemeinsam mit seinem Amtsgenossen P. Cornelius Rufinus den Samniten eine schwere Niederlage bei (Liv. ep. XI. Eutrop.) und triumphierte über sie (Cic. Cato 55. Liv. a. a. O. Apul. apol. 17. Auct. de vir. ill. 33, 1. Schol. Bob. p. 364). Der lange Kampf zwischen Rom und Samnium fand durch diese letzte grosse Schlacht seinen Abschluss; unmittelbar darauf wurde der endgültige Friede geschlossen. C. wandte sich jetzt gegen die Sabiner, die sich erhoben hatten; nachdem er sie geschickt von den römischen Grenzen abgezogen hatte (Frontin. strat. I 8, 4), brachte er sie rasch und leicht zum Gehorsam zurück (Liv. Flor. I 15, 2f. Oros. III 22. 1. Colum. I praef. 14), so dass er auch über sie einen Triumph feiern konnte (Cic. Liv. Apul. Auct. de vir. ill. 33, 3). Ihre Unterwerfung hatte eine grosse politische Tragweite; ein Teil ihres Gebietes wurde ihnen genommen, um in Ager publicus verwandelt oder in einzelnen Ackerlosen an römische Bürger verteilt zu werden; aber die wichtigsten Städte erhielten das Halbbürgerrecht und wurden schon 486 = 268 in das römische Vollbürgerrecht aufgenommen (Vell. I 14, 6, vgl. Mommsen CIL IX p. 396). Die Ackeradsignationen leitete C. und empfing selbst ein Grundstück in dem von ihm gewonnenen Lande. Die Grenzen des ganzen einverleibten Gebietes giebt [1842] Flor. I 15, 2 an, ziemlich übereinstimmend, doch unter Verwechslung von Sabinern und Samniten, Auct. de vir. ill. 33, 1; sonst werden die Thatsachen nur in Form von Anekdoten überliefert, deren Kern Aussprüche des C. selbst bilden. Der eine über die Grösse und Menge des unterworfenen Landes und Volkes (Flor. I 15, 3. Oros. Auct. de vir. ill. 33, 2. Dio frg. 36) zeugt von einem Eigenlob, wie es auch Cato nicht scheute; die andere besagte, welches Mass von Ackerland für den Lebensunterhalt eines Bürgers ausreichend sei; sie ist von den Autoren mit mancherlei Variationen und auch in verschiedenem Zusammenhang erzählt worden, doch stets mit der Tendenz, die Uneigennützigkeit des C. zu verherrlichen, der sich mit demselben begnügte, was andere erhielten (Val. Max. IV 3, 5. Colum. I praef. 14. 3, 10. Plin. n. h. XVIII 18. Frontin. strat. IV 3, 12. Auct. de vir. ill. 33, 6, vgl. 10. Plut. apophth. M’. Curii 1; vgl. Pais Storia di Roma I 2, 465f.). In Verbindung mit den Ackerverteilungen im Sabinerlande unternahm C. die Ableitung des Lacus Velinus durch einen später mehrfach wiederhergestellten Emissar, wodurch das fruchtbare Becken von Reate trocken gelegt und der Cultur nutzbar gemacht wurde (Cic. ad Att. IV 15, 5: a M’. Curio, Varro bei Serv. Aen. VII 712: a quodam consule; vgl. Mommsen a. O. Nissen Ital. Landeskunde I 313). Nachdem im J. 470 = 284 der Consul L. Metellus Denter von den Senonen geschlagen und getötet worden war, wurde C. zu seinem Nachfolger gewählt; er forderte durch Gesandte Rechenschaft, aber die Gesandten wurden erschlagen; darauf besiegte er die Senonen, vernichtete und verjagte ihren ganzen Stamm und nahm ihr Gebiet für Rom in Besitz, von dem nun hier die Colonie Sena angelegt wurde. Nur Polyb. II 19, 9–12 hat zuverlässige Kunde von diesen Ereignissen erhalten; die römische Überlieferung hat vielleicht den Senonenkrieg noch unter dem ersten Consulat des C. erzählt, da sie die Deduction von Sena unmittelbar darauf ansetzt, und hat sein Suffectconsulat von 470 = 284 vollständig ignoriert (vgl. Mommsen Röm. Forsch. II 366–368. 372f. o. S. 1299). Dagegen berichtete sie anscheinend aus diesen Jahren von einem andern glücklich geführten Kriege; der Auct. de vir. ill. 33, 3, der den Triumph des C. über Pyrrhos verschweigt, fügt nach denen über die Samniten und Sabiner hinzu: Tertio de Lucanis ovans urbem introivit, und die Acta triumphorum verzeichnen den Triumph über Pyrrhos im J. 479 = 275 als seinen vierten. Der Annahme, dass diese Ovatio noch in das erste Consulat zu setzen sei, stehen ausser den Worten des Liv. ep. XI: bis in eodem magistratu triumphavit, auch allgemeine Bedenken entgegen; sie muss aber vor 473 = 281 in den Triumphalacten verzeichnet gewesen sein, da diese von hier an wieder vollständig erhalten sind. Es liegt daher die Vermutung nahe, dass die römische Tradition den Feldzug des C. gegen die Lucaner an die Stelle des Feldzuges gegen die Senonen ins J. 470 = 284 gesetzt hat, zumal da zum J. 471 = 283 eine Bewegung unter den Lucanern und Bruttiern berichtet wird (Oros. III 22, 12), und da schon im J. 469 = 285 beschlossen wurde, den Thurinern gegen die Lucaner Hülfe zu senden, aber die Sendung [1843] erst 472 = 282 erfolgte (Plin. n. h. XXXIV 32, was bei Pais Storia di Roma I 2, 449, 1 den Verdacht erregt, dass eine doppelte Version darüber existierte). Dadurch, dass C. damals nur irgend ein ausserordentliches Commando besass und Thurii nicht ganz befreite, konnte man rechtfertigen, weshalb er blos eine Ovatio erhielt. Im J. 479 = 275, in dem Pyrrhos aus Sicilien nach Italien zurückkehrte, war C. Consul mit L. Lentulus Caudinus (Cassiod. Chronogr.; Benago Idat.; Βενάκου Chron. Pasch.). Die Aushebungen leitete er mit grosser Strenge, indem er den ersten dienstpflichtigen Bürger, der sich auf seinen Ruf nicht stellte, samt seiner Habe verkaufte (Varro sat. Menipp. p. 140 Riese bei Non. p. 19, 8. Liv. ep. XIV. Val. Max. VI 3,4, vgl. Mommsen St.-R. I 152, 2; Strafr. 44, 1). Die entscheidende Schlacht, die er dann dem Epirotenkönige lieferte, fand nach Flor. I 13, 11. Oros. IV 2, 3 in Lucanien auf den sog. Campi Arusini statt; nach Plut. Pyrrh. 25, 2 wurde dagegen der College des C. durch einen Teil des feindlichen Heeres in Lucanien festgehalten, er selbst aber stand bei Beneventum, das damals noch Maluentum hiess; Frontin. strat, IX 1, 14 lässt die Schlacht stattfinden in Campis Arusinis circa urbem Fatuentum oder nach anderen Hss. Statuentum, wofür meistens Maluentum gelesen wird, obgleich dies der Angabe, dass die campi Arusini in Lucanien lagen, widerspricht (hervorgehoben von Hülsen o. Bd. II S. 1493. III S. 274). Es wäre möglich, dass die Schlacht in Wahrheit von den beiden vereinigten consularischen Heeren (vgl. Niese Gesch. der griech. und maked. Staaten II 51, 4) und in Lucanien geschlagen worden ist, und die andere Überlieferung erst später künstlich zurecht gemacht wurde. Damit würde der Schlachtbericht Plutarchs (Pyrrh. 25, 2–7), dem Schubert (Geschichte des Pyrrhus [Königsberg 1894] 220–223) und mit vorsichtiger Zurückhaltung (vgl. bes. a. O. II 52, 3) auch Niese den Vorzug vor den römischen geben, allerdings an Wert bedeutend verlieren; eine klare Schilderung des Kampfes ist bei dem Stande der Überlieferung auch ohnehin kaum möglich (vgl. ausser Plut. besonders Liv. Flor. Eutrop. Oros. Frontin. strat. II 2, 1. IV 1, 14. Gell. X 16, 16f. XIV 1, 24. Auct. de vir. ill. 33, 5. 35, 8. Dionys. XX 10–12. Plut. Cato 2, 1. Zonar. VIII 6), und auch seine Bedeutung hat neuerdings Niese (Herm. XXXI 501f.; a. O.) abzuschwächen gesucht. Jedenfalls ist Pyrrhos unterlegen und hat unmittelbar darauf Italien verlassen; C. feierte einen glänzenden Triumph ([de Sa]mnitib. et rege Pyrrho Acta triumph. Cic. Mur. 31; Cato 55. Liv. XLV 38, 11. Flor. I 13. 26. Eutrop. Sen. brev. vit. 13. 3. Plin. n. h. VIII 16. Apul. apol. 17; vgl. Plut. Cato 2, 1: Μανίου Κουρίου τοῦ τρὶς θριαμβεύσαντος), bei dem zuerst mehrere gefangene Elefanten aufgeführt wurden (Flor. I 13, 28. Eutrop. Sen. Plin., vgl. Dionys. XX 12. Plut. Pyrrh. 25, 6f. Zonar. VIII 6). Eine Anekdote über die Uneigennützigkeit des C. wird nach der Anspielung des Val. Max. IV 3, 5 in Verbindung mit dem Siege über Pyrrhos gebracht worden sein, während sie ursprünglich (wohl von Cato, vgl. Gell. XI 18, 18) ohne Zeitangabe erzählt wurde: er habe, wegen Beuteunterschlagung angeklagt, einen Eid geleistet, dass er nur ein [1844] hölzernes Opfergefäss für sich genommen habe (Plin. n. h. XVI 185. Auct. de vir. ill. 33, 8). Im J. 480 = 274 war C. noch einmal Consul (Chronogr. Idat. Chron. Pasch. [Namensformen wie oben beim J. 479]. Cassiod.) und im J. 482 = 272 Censor (Frontin. aqu. I 6). Als solcher verdang er den Bau der zweitältesten römischen Wasserleitung, des Anio vetus, wofür die Beute aus dem pyrrhischen Kriege die Mittel lieferte, und wurde 484 = 270 selbst als Duumvir mit der Vollendung des Werkes beauftragt, starb aber bald nach der Wahl (Frontin. a. O. Auct. de vir. ill. 33, 9, vgl. Mommsen St.-R. II 668). In seine letzten Lebensjahre, nach dem Triumph über Pyrrhos, wird die unendlich oft wiederholte Anekdote verlegt, wie die samnitischen Gesandten, die ihn mit vielem Golde bestechen wollten, ihn in seinem bescheidenen Bauernhaus im Sabinischen am Herde sitzend und sein Rübengericht selbst bereitend trafen und mit den Worten abgewiesen wurden, er brauche kein Gold, da ihm für seine Mahlzeit Thongeschirr genüge, und wolle lieber über Leute herrschen, die Gold besässen, als es selbst besitzen u. dgl. (Erzählungen und Anspielungen bei Cic. rep. III 40; Cato 55; parad. 1, 12. 5, 38. 6, 48. Val. Max. IV 3, 5. Plin. n. h. XIX 87. XXXVI 111. Flor. I 13, 22. Ampel. 18, 8. Auct. de vir. ill. 33, 7. Schol. Bob. p. 364. Hor. carm. I 12, 41. Iuven. XI 78f. Plut. Cato 2, 2; apophth. M’. Curii 2. Athen. X 419 a aus Megakles FHG IV 443); Frontin. strat. IV 3, 2 überträgt diese Anekdote auf C. Fabricius, wie umgekehrt Flor. I 13, 21 eine andere von Fabricius auf C.; mit der ersteren berührt sich nahe die Erzählung von Fabricius bei Hygin. frg. 3 Peter (aus Gell. I 14, 1f.) und die bei Val. Max. IV 3, 6. Von der Einfachheit und Armut des C. wird noch berichtet, dass er nur zwei Trossknechte bei sich zu haben pflegte (Apul. apol. 17, vgl. die ebd. und sonst angeführte Erzählung Catos von sich), und dass seine Tochter von Staatswegen ausgestattet werden musste (ebd. 18). Ihm selbst soll nach Auct. de vir. ill. 33, 10 wegen seiner Verdienste ein Haus apud Tifatam vom Staate geschenkt worden sein, womit zu verbinden ist Fest. ep. 49: Curia Tifata a Curio dicta, quia eo loco domum habuerat, vgl. 366 Romae autem Tifata Curia und ep. 131, 1; jene Angabe ist wohl nur zur Erklärung eines unverständlichen und auch von den Neueren nicht sicher erklärten Namens einer Örtlichkeit erfunden.

Die Verherrlichung des C. reicht weit zurück. Gewiss von Ennius (ann. frg. 220 Vahlen) stammt der von Cic. rep. III 6 citierte Vers über ihn: Quem nemo ferro potuit superare nec auro. Vor allem aber hat der alte Cato die Gestalt des C. populär gemacht, denn er hat sich ihn nicht nur zum Muster und Vorbild genommen, sondern sich dieses Ideal überhaupt erst zurecht gemacht. Sehr richtig bemerkt Mommsen R. G. I 304 Anm., dass die Anekdoten von der Armut (und Sittenstrenge) jener alten Zeit zum Teil auf Missverständnis der damaligen Verhältnisse beruhen. Cato sah die Grösse des Grundstücks und das Gehöft des C. im Sabinerlande, das seinem eigenen benachbart war, mit ähnlichen Augen an, wie etwa später Seneca (epist. 86, 1ff.) die Villa des älteren Africanus bei Liternum, und zog daraus [1845] seine Schlüsse (Cic. Cato 55f.; rep. III 40. Plut. Cato 2, 1f.; vgl. z. B. orig. frg. inc. 119 Peter aus Serv. Aen. I 726 mit Plin. n. h. IX 118); er brachte Aussprüche des C., die einzeln überliefert wurden, erst in einen bestimmten Zusammenhang und verwendete das, was er von der Lebensweise des C. wusste und annahm, stets so, dass es seiner eigenen zur Folie diente. Seine Bewunderung für C. (vgl. noch Cic. Cato 15. 43. Plut. Cato 8, 13; comp. Arist. c. Cat. 1, 4. 4, 7) hat auf Varro, Cicero, den jüngeren Cato (Sen. vita beat. 21, 3) und die späteren Anekdotensammler (Val. Max. IV 3, 5: M’. Curius exactissima norma Romanae frugalitatis idemque fortitudinis perfectissimum specimen, vgl. 4, 11) sehr stark eingewirkt; da es sich aber fast mehr um Combinationen, als um Thatsachen handelt, sind diese Nachrichten für weitere Folgerungen mit grösserer Vorsicht zu benutzen, als es z. B. von Nitzsch (Gesch. der röm. Rep. I 112. 115ff.) geschehen ist.