Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Luscinus, C. Plebejer, um 279 v. Chr. cos. 282 cos. 278
Band VI,2 (1909) S. 19311938
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9) C. Fabricius Luscinus. Die Fasten (vollständig erhalten nur Acta triumph. zum J. 476) kennen seinen gleichnamigen Vater und Großvater und die der Praetoren sogar einen fast um ein Jahrhundert jüngeren gleichnamigen Verwandten (Nr. 10). Aber sonst gilt von F. dasselbe wie von seinen Zeitgenossen M’. Curius Dentatus und Ti. Coruncanius, die gern mit ihm zusammengestellt werden, auch von den Deciern und C. Duilius: in einer Periode, in der der Ständekampf wirklich beendet und der Entscheidungskampf um die Herrschaft Italiens ausgefochten wurde, haben sich diese Plebeier, die nicht einmal durchweg Stadtrömer waren, zuerst den Weg zu den höchsten Staatsämtern gebahnt und sich neben die altadeligen Geschlechter gestellt; aber es ist ihnen nicht gelungen, die persönliche Ehrenstellung in ihren Familien erblich zu machen. Während nun bei den Patriziern und bei dem späteren plebeischen Amtsadel das Andenken der Vorfahren durch die Nachkommen sorgsam gepflegt wurde, sind jene Männer, die nicht nur der Ahnen, sondern auch der Enkel entbehrten, zu Lieblingsgestalten des gemeinen Mannes geworden, zu den sprichwörtlichen Mustern römischer Tugend und Sittenstrenge, an deren Ausmalung sich dann die in der römischen Literatur hervorragenden Männer eigener Kraft gern beteiligten, so Ennius, Cato, Cicero, später aber vor allem die Rhetoren, so daß Mommsen (R. G. V 3) urteilte: ,der republikanische Anekdotenschatz ist sehr viel ehrbarer als der gleiche der Kaiserzeit: aber die Erzählungen von F. und die vom Kaiser Gaius sind ziemlich gleich flach und gleich verlogen.‘ Die Erkenntnis der historischen Persönlichkeit des F. wird dadurch fast unmöglich (vgl. die ähnliche Sachlage bei seinem athenischen Gegenstück Aristeides o. Bd. II S. 884).

Schon an den Vorbereitungen des Krieges mit Tarent hatte F. Anteil. Nach Dio frg. 39, 1 schickten ihn die Römer bereits etwa im J. 470 = 284 auf die erste Kunde von Rüstungen der Tarentiner als Gesandten an die verbündeten Gemeinden, um Abfallgelüsten zu begegnen; doch die Tarentiner hätten ihn festgenommen und nun ihrerseits, und zwar nicht ohne Erfolg, durch [1932] Sendboten die Etrusker, Umbrer und Kelten zur Erhebung gegen Rom aufgefordert. Die letztere Angabe ist mit Ersetzung der Umbrer durch die Samniten auch bei Zonar. VIII 2 erhalten und neuerdings von Niese (Gesch. der griech. und maked. Staaten II 28, 1, vgl. Grundriß d. röm. Gesch.3 65, 1) in Zweifel gezogen worden; sie kann aber ebensowohl wie die über F. der Rest einer guten Überlieferung sein. Nur Bruchstücke einer solchen liegen auch für das erste Consulat des F. im J. 472 = 282 vor, das er wie alle höheren Ämter mit Q. Aemilius Papus zusammen bekleidete (Cic. Lael. 39. Chronogr. Cassiod.; mit Entstellung des Cognomens Luscinus in Lucius Idat. und Chron. Pasch.). Damals hatte sich Thurioi vor dem Ansturm der vereinigten Lucaner und Brettier, hinter denen das eifersüchtige Tarent stand, in die Abhängigkeit und den Schutz der Römer begeben; F. wurde der Stadt mit einem Heer zu Hilfe gesandt und befreite sie von den Bedrängern, weshalb sie ihn nach hellenischer Sitte durch eine Statue in Rom ehrte (Plin. n. h. XXXIV 32). Kürzere Nachrichten über den Krieg bei Liv. ep. XI. Strab. VI 263. Dionys. XIX 13, 1. 16, 3. XX 4, 2. Appian. Samn. 7, 1, ein einzelner Zug aus einer ausführlichen Darstellung bei Val. Max. I 8, 6 (daraus Ammian. XXIV 4. 24): bei der Erstürmung des feindlichen Lagers habe sich ein unbekannter und später unauffindbarer Krieger aufs höchste ausgezeichnet; F. habe in ihm den Kriegsgott Mars selber zu sehen gemeint und mit dem ganzen Heer diesem ein Dankfest gefeiert. Diese ,jüngste Episode in der römischen Geschichte, die der Poesie angehört‘ (Niebuhr R. G. III 511), hat wahrscheinlich einen besseren Kern, als manche nicht mit Wundern rechnende Erzählung aus spätern Kriegen. Der Erfolg des F. vor Thurioi hatte die Wirkung, daß andere Griechenstädte im äußersten Süden Italiens, Lokroi und Rhegion, ebenfalls römische Besatzungen aufnahmen. Daß eine solche, aus Campanern unter Decius Iubellius (s. d.) bestehend, damals von F. nach Rhegion gelegt worden sei, ist zwar nur von Dionys. XX 4, 2 im Zusammenhang mit anderen bedenklicheren Nachrichten und im Gegensatz zu Polyb. I 7, 6 u. a. bezeugt, scheint aber aus verschiedenen Gründen richtig zu sein (vgl. Beloch Beiträge zur alten Gesch. I 285ff. = Griech. Gesch. III 2, 405ff., vgl. III 1, 563, 1). F. kämpfte außer gegen Lucaner und Brettier auch gegen Samniten, brachte reiche Beute heim und erhielt einen Triumph (Acta triumph., wo fast nur das Datum erhalten. Dionys. XIX 16, 3). Das zweite Consulat verwaltete er wieder mit Q. Aemilius Papus im J. 476 = 278 (Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Cassiod.), in welchem durch Pyrrhos' Aufbruch nach Sizilien der erste Teil des Pyrrhischen Krieges zu Ende ging. Diesen Jahren gehört die Hauptmasse der von F. überlieferten Anekdoten an, die das Bild der wirklichen Vorgänge fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt haben. Darin sind alle antiken Autoren einig, daß F. nicht durch kriegerische Erfolge den Pyrrhos zum Verlassen Italiens gezwungen (ungenau Colum. I praef. 14. Auct. de vir. ill. 35, 8, wo stets Curius den F. nach sich zieht; vgl. auch Curio Fabricioque consulibus bei Flor. I 13, 9 [daraus Ampel 28, 3]; dazu Beloch Griech. [1933] Gesch. III 2, 223), sondern durch diplomatische Verhandlungen dahin zu bringen gesucht hat. Freilich lassen sie den König selbst die Initiative ergreifen durch die zweimalige Sendung des Kineas nach Rom, der nur eine Gesandtschaftsreise des F. zu Pyrrhos gegenübersteht, und sie geben Zeit und Zweck der einzelnen Gesandtschaften verschieden an; nachdem bereits Niebuhr auf die Widersprüche und Abweichungen der Tradition vielfach hingewiesen hatte (R. G. III 562ff. 585ff.), ist Niese (Herm. XXXI 485ff.; Gesch. der griech. und maked. Staaten II 39f.; Grundriß der röm. Gesch.3 68; zustimmend Beloch Griech. Gesch. III 1, 569, vgl. III 2, 223) zu sehr beachtenswerten Ergebnissen über den engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang dieser Verhandlungen gelangt, wonach sie sämtlich erst nach der zweiten Niederlage der Römer bei Ausculum 475 = 279 anzusetzen sind, damals von F. eingeleitet und im folgenden Jahr von ihm als Consul dem Abschluß nahe gebracht, zum Ziele aber Frieden und Bündnis zwischen Pyrrhos und Rom hatten. Dabei muß allerdings bald aus diesem bald aus jenem Bericht ein einzelner Zug als besonders glaubwürdig herausgehoben werden; z. B. ist für die Zeit der Verhandlungen wesentlich nur Iustin. XVIII 2, 6f. 10 maßgebend, für die Friedensbedingungen Appian. Samn. 10, 1 und Ined. Vatic. (Herm. XXVII 120). Ist aber hier dieses Verfahren erlaubt, so läßt sich für die Persönlichkeit des F. dabei vielleicht noch etwas mehr gewinnen, nämlich ein Gegensatz seiner ganzen Politik gegen die der vornehmsten Patriziergeschlechter. Daß sein Amtsgenosse ein Aemilier war, ist nicht bedeutungslos, weil dieses Geschlecht öfters mit seinen Standesgenossen in Widerspruch war (vgl. z. B. o. Bd. I S. 570f. Nr. 96. 97. 99). Der Gegensatz des F. zu den Valeriern und Corneliern wird in anekdotische Form eingekleidet: nach dem ersten Siege des Pyrrhos bei Herakleia 474 = 280 soll er gesagt haben, nicht die Epeiroten hätten die Römer geschlagen, sondern König Pyrrhos den Consul P. Valerius Laevinus (Plut. Pyrrh. 18, 1; apophth. Fabr. 1); während so alle Schuld an der Niederlage von F. auf den hochadligen Feldherrn gewälzt wurde, beschloß der Senat vielmehr eine strenge Bestrafung der Soldaten, ohne jenen abzuberufen (Frontin. strat. IV 1. 24, vgl. Liv. XXV 6, 3). Die Feindschaft mit P. Cornelius Rufinus bestand schon, als F. in seinem zweiten Consulat die Wahlen leitete, bei denen dieser gewählt wurde, und als er dessen Dank für die Unterstützung, der vielleicht ironisch war, mit einer boshaften Bemerkung ablehnte (Cic. de or. II 268. vgl. 290. Quintil. inst. or. XII 1, 43. Gell. IV 8. 1–6. 8. Dio frg. 34. 35, vgl. o. Bd. IV S. 1423). Mit dem bedeutendsten patrizischen Staatsmann seiner Zeit erscheint F. in starkem Gegensatz, wenn er selbst mit allen Mitteln für den Frieden gewirkt hat, App. Claudius Caecus dagegen dessen Verwerfung durchsetzte, und noch ein zweitesmal, wenn er gerade die Auslösung der in feindliche Gefangenschaft geratenen Soldaten betrieben hat, jener aber einen Senatsbeschluß zu stande brachte, daß die zurückgegebenen wegen Feigheit hart bestraft würden (Frontin. strat. IV 1, 18, vgl. Val. Max. II 7, 15). An der berühmten Gesandtschaft der Römer [1934] an Pyrrhos nahmen nach Dionys. XIX 13, 1 noch zwei andere Männer teil; für Q. Aemilius Papus bestätigt dies das Bruchstück eines Elogiums aus der Basilica Aemilia, das eben wegen dieses Fundorts wohl ihm und nicht dem F. zuzuweisen ist (Herm. XL 98; vgl. Hülsen Röm. Mitt. XX 59 gegen Beiträge z. alten Gesch. II 263f.; s. auch das Elogium eines anderen gleichaltrigen und wenig bekannten Aemiliers CIL I2 p. 200[1] el. XXXIV, für das umgekehrt derselbe Fundort wahrscheinlich ist); der dritte Gesandte, P. Cornelius Dolabella, Consul und Triumphator von 471 = 283 (o. Bd. IV S. 1299 Nr. 139), hätte nach dem Amtsalter der erste sein müssen; er ist aber vielleicht nur als Vertreter der Senatspartei, gegen deren Meinung die Sendung geschah, den beiden anderen beigesellt worden, und in der ganzen Überlieferung erscheint F. als Führer der Mission (ὁ τῆς πρεσβείας ἡγούμενος, Appian. Samn. 10, 3, vgl. Plut. Pyrrh. 20, 1. Dio frg. 40. 25. Zonar. VIII 4). Vorsichtig drückt sich Cic. Brut. 55 aus: Suspicari disertum ... possumus C. Fabricium, quia sit ad Pyrrhum de captivis recuperandis missus orator; die ausführlichen Darstellungen der Verhandlungen reichen zwar hoch hinauf, sind aber fast ganz wertlos. Als der eigentliche Zweck der Sendung des F. wird allgemein die Auslösung der römischen Gefangenen hingestellt, während der Friedensantrag vielmehr dem Kineas zugeschoben wird. Wieweit der König den römischen Wünschen hinsichtlich der Gefangenen wirklich entgegenkam, ist schwer zu sagen. Sicher ist, daß er die 200 Mann der römischen Besatzung, die ihm in Lokroi in die Hände fiel, ohne Lösegeld entlassen hatte (Iustin. XVIII 1. 10); ferner hat aus Ennius (ann. VI 194ff. Vahlen2) Cic. off. I 38 ein Stück einer Rede des Königs erhalten, das zugleich Fortsetzung des Kampfes und unentgeltliche Rückgabe der Gefangenen in Aussicht stellt. Alle nur denkbaren Phasen durchläuft die Sache bei Appian: erst verspricht Kineas dem Senat für den Fall der Annahme der Friedensbedingungen die Freilassung der Gefangenen (Samn. 10, 1); dann wiederholt dies Pyrrhos selbst dem F. gegenüber (ebd. 10, 3); darauf läßt er die Gefangenen vorübergehend zu den Saturnalien heimkehren (ebd.); endlich entläßt er sie bei dem Abschluß des Waffenstillstands (ebd. 14). Andere haben nicht gerade sämtliche Möglichkeiten erschöpft: Dionys läßt den König zu F. zuerst nur sagen, daß er beim Friedensschluß die Gefangenen ohne Zahlung entlassen würde (XIX 13. 3). läßt es ihn aber dann tun, als er von der Seelengröße des F. ergriffen ist (XIX 18 Ende), und anscheinend nochmals beim Aufbruch aus Italien (XX 6. 2); Plutarch hat erst die Heimsendung für den Fall des Friedensschlusses und für die Saturnalienfeier (Pyrrh. 20, 9), dann die endgültige Rückgabe (ebd. 21, 4), wovon jenes offenbar eine ganz späte Erfindung ist (vgl. Regulus und die Gefangenen von Cannae bei Cic. off. I 39f. u. a.). Kürzere Berichte noch bei Liv. ep. XIII. Flor. I 13, 15. Eutrop. II 12, 3. Auct. de vir. ill. 35, 6. Dio frg. 40, 19. 28. Zonar. VIII 4. 5. Ein weiterer fester Bestandteil der Tradition über die diplomatischen Verhandlungen zwischen Pyrrhos und Rom war das Anbieten von Ehrengeschenken durch [1935] den König und deren Ablehnung durch die Römer. Ganz allgemein wird von den römischen Großen und ihren Familien eine solche Ablehnung gegenüber Kineas erzählt (Iustin. XVIII 2, 7. Diod. XXII 6, 3. Plut. Pyrrh. 18, 3. Appian. Samn. 11. Zonar. VIII 4) und sehr oft etwas Ähnliches von M’. Curius Dentatus gegenüber einer Gesandtschaft der Samniten. Bei der Beschränkung und Übertragung der Anekdote auf F. haben Hygin bei Gell. I 14. Val. Max. IV 3, 6 und Serv. Aen. VI 844 ruhig die Gesandten der Samniten beibehalten und hat nur Frontin. strat. IV 3, 2 den des Pyrrhos eingeführt; die verschiedenen Antworten, die sie dem F. in den Mund legen, werden sämtlich auch dem Curius zugeschrieben; sogar dessen Situation am Herde ist gelegentlich auf F. übertragen worden (Senec. dial. I 3, 6. Augustin. ep. 104, 6). In der Regel aber ist Pyrrhos selbst der Versucher, der dem F. zuerst für die Erwirkung des Friedens reiche Schätze bietet (Dionys. XIX 14, 4f., vgl. 17, 1. Appian. Samn. 10, 3. Dio frg. 40, 29f. Zonar.), dann aber aus Bewunderung seiner Tugenden noch reichere oder gar den vierten Teil seines Königreiches (Flor. I 13, 21. Eutrop. II 12, 3. Auct. de vir. ill. 35, 12. Augustin. civ. dei V 18), wenn er nach dem Friedensschluß als Ratgeber und Feldherr bei ihm bleiben wollte. Nach Appian. Samn. 10, 3 wurden zwei verschiedene Erwiderungen des F. berichtet, einerseits, daß er seine Armut und Freiheit allem Reichtum vorziehe, anderseits, daß die Epeiroten, wenn er dem Pyrrhos folgen wollte, leicht den besseren Diener dem schlechteren Herren vorziehen würden. Beide Gemeinplätze sind die Grundgedanken der langatmigen Rede, mit der F. bei Dionys. XIX 15, 1–18, 8 die Anträge zurückweist und in der nur wenige historische Notizen (z. B. 16, 3. 17, 1) und die Andeutungen über die eigenen Gegner (17, 1–18, 1) einigen Wert haben. Die zweite Antwort kennt ferner Plutarch (Pyrrh. 20. 7f.; apophth. Fabr. 3), der auch die weitere Anekdote erzählt, daß F. ebensowenig durch Gold, wie durch Schreckmittel – den unerwarteten Anblick eines drohenden Elefanten – erschüttert wurde (Pyrrh. 20, 1–4; apophth. Fabr. 2). Vgl. noch die Rede des F. bei Dio frg. 40, 30–34. Zonar. VIII 4 und die kürzeren Erwähnungen bei Cic. rep. III 40; parad. 48. Liv. ep. XIII. Senec. ep. 98, 13. 120, 6. Ein Apophthegma über die Lehre Epikurs, von der Kineas berichtete, legt Cic. Cato 43 nicht dem F. direkt in den Mund, sondern seinen angeblichen Freunden Curius und Coruncanius; für Val. Max. IV 3, 6 und Plut. Pyrrh. 20, 5f. ist es eine schlagfertige Äußerung des F. bei Pyrrhos. Aus seinem zweiten Consulat wird dann berichtet, daß Rom das Anerbieten eines Verräters, Pyrrhos zu vergiften, abgelehnt und dem König zur Warnung mitgeteilt habe. Für die Entwicklung dieser Erzählung ist es wertvoll, daß Gell. III 8, 1ff. die Berichte des Valerius Antias und des Claudius Quadrigarius erhalten und miteinander verglichen hat. Nach Antias ist der Verräter Timochares von Ambrakia, ein Freund des Pyrrhos und Vater eines königlichen Mundschenken, nach Claudius ein gewisser Nikias; nach Antias meldet F. das Anerbieten dem Senat und sendet dieser Gesandte an Pyrrhos, um ihn zu warnen, nach Claudius [1936] schreiben die Consuln, selbst einen im Wortlaut wiedergegebenen Brief an den König; nach Antias verschweigt die Warnung den Namen des Verräters, nach Claudius nennt sie ihn; Claudius fügt außerdem hinzu, daß Pyrrhos dem römischen Volke Lob und Dank ausgesprochen und die Gefangenen zurückgegeben habe. Es ist der Bericht des Claudius von Mommsen (R. Forsch. II 499f. Anm.) nicht ganz mit Recht über den des Antias gestellt worden. Cic. off. I 40. III 86; de fin. V 64 stimmt nicht nur mit jenem überein, sondern scheint beide zu kennen, da er den Vorschlag einmal an den Senat, ein andermal an F. gelangen und einmal von beiden, ein andermal von F. mit Billigung des Senats zurückweisen läßt. Daß Livius (ep. XIII, vgl. XXIV 45, 3. XXXIX 51, 11. XLII 47, 6) beide Versionen kannte und verwertete, ist richtig; er bietet sogar XLII 47, 6, wo er der Claudischen näher steht, den weiteren Zug, daß der Verräter der Arzt des Pyrrhos gewesen sei. Die Version des Antias gibt in ihrer Reinheit Val. Max. VI 5, 1; bei den Späteren vermischen sich die ursprünglich verschiedenen Erzählungen immer mehr: bei Zonar. VIII 5 ist der Verräter noch Νικίας τις τῶν Πύρρῳ πιστῶν δοκούντων, bei Ammian. XXX 1, 21 ein Demochares (so!) oder nach einer anderen Angabe ein königlicher Diener Nikias, bei Suid. II 2, 1403 Bernh. εἴτε ἰατρὸς εἴτε ἕτερος τῶν περὶ τὴν τράπεζαν τοῦ βασιλέως, bei den meisten aber der namenlose Leibarzt (so Senec. ep. 120, 6. Frontin. strat. IV 4, 2. Flor. I 13, 21. Eutrop. II 14, 1. Auct. de vir. ill. 35, 13f. Plut. Pyrrh. 21, 1ff.; apophth. Fabr. 4. 5. Suid. I 1, 656 Bernh.). Die Flüchtigkeit des Aelian. v. h. XII 33, der Κινέας ὁ Πύρρου ἰατρός einführt, entspricht der des Florus (a. O.), der F. durch Curius ersetzt. Der Warnungsbrief geht bei Plut. Pyrrh. 21, 3 ebenso von beiden Consuln aus und wird ebenso im Wortlaut wiedergegeben, wie bei Claudius; dennoch sind beide Schreiben ganz verschieden; während z. B. das bei Claudius den Namen des Nikias nennt, ist dem bei Plutarch der Brief des Arztes beigegeben (vgl. apophth. Fabr. 4). und die Gedanken sind auch sonst nicht dieselben. Bei Eutrop. II 14, 1 und Auct. de vir. ill. 35, 14 wird der Verräter selbst von F. in Fesseln dem Könige zugesandt (vgl. noch Tac. ann. II 88). Auch über dessen Verhalten gehen die Angaben auseinander: nach Eutrop. II 14, 2. Auct. de vir. ill. 35, 15. Suid. soll er ausgerufen haben, eher lasse sich die Sonne von ihrer Bahn abbringen, als F. von seiner Rechtschaffenheit; nach Appian. Samn. 11 (wo der Senat den Dank empfängt). Plut. Zonar. gab er aus Dankbarkeit wieder die Gefangenen zurück und machte neue Friedensanerbietungen; nach Plut. Pyrrh. 21, 5; apophth. Fabr. 5 sandten ihm die Römer dafür ihrerseits Gefangene seines Heeres zu. So wurde die Hochherzigkeit der Römer im allgemeinen und die des F. im besonderen immer weiter ausgemalt, ohne daß sich genau unterscheiden laßt, wer zuerst jene und wer diese stärker betont hat; nach der Regel, daß in den ältesten Annalen das römische Volk, der Senat und die Magistrate als solche im Vordergrunde standen, während den Griechen die Persönlichkeit des einzelnen Vertreters römischer Macht starken Eindruck machte, können [1937] beide Auffassungen schon in sehr frühen Darstellungen des Pyrrhoskrieges gefunden worden sein. Schon bei Lycophr. Alex. 1446–1450 hat Holzinger (Ausg. Leipz. 1895, 58 und z. d. St.) eine Verherrlichung des F. finden wollen (vgl. dagegen Christ Gesch. d. griech. Lit.4 560, 5). Ob F. bei Ausculum 475 = 279 als Legat gekämpft hat und verwundet wurde (Oros. IV 1, 20), muß dahingestellt bleiben; in seinem zweiten Consulat 476 = 278 hat er aber nach dem Abzug des Pyrrhos noch einige kriegerische Unternehmungen geleitet. Freilich sind sowohl gegen seine Unterwerfung der abgefallenen campanischen Besatzung von Rhegion (Dionys. XX 5, 4. Appian. Samn. 9 Ende) von Beloch (s. o.), wie gegen seinen Bündnisvertrag mit Herakleia am Siris (Cic. Balb. 50) von Niese (Gesch. der griech. und maked. Staaten II 48, 1; vgl. auch Nissen Ital. Landesk. II 915, 7) Bedenken erhoben worden; aber der zweite Triumph des F. de Lucaneis, Bruttieis, Tarentin(is), Samnitibus (Acta triumph. Eutrop. II 14, 2, vgl. Liv. ep. XIII) ist schwerlich eine Fälschung. Aus dem späteren Leben des F. ist nur überliefert, daß er gemeinsam mit Q. Aemilius Papus 479 = 275 die Censur verwaltete, und zwar ist dies nur im Zusammenhang mit der unendlich oft wiederholten Anekdote überliefert, daß er damals den P. Cornelius Rufinus aus dem Senate ausstieß, weil er zehn Pfund silbernes Tafelgeschirr besaß (Liv. ep. XIV. Val. Max. II 9, 1. Flor. I 13, 22. Ampel. 18, 9. Ovid. fast. I 208. Sen. dial. VII 21, 3; ep. 98, 13. Plin. n. h. XVIII 39. XXXIII 142. 153. Iuvenal. 9, 142. Gell. IV 8, 7. XVII 21, 39. Tertull. apol. 6. Augustin. ep. 104, 6. Dionys. XX 13, 1. Plut. Sulla 1, 1. Zonar. VIII 6); der von Mommsen (R. G. I 448 Anm.) durch Vergleichung mit Fab. frg. 20 Peter bei Strab. V 228 festgestellte Wert dieser Anekdote besteht zum Teil auch darin, daß er die Parteigegensätze ins rechte Licht stellt. Was Val. Max. IV 4. 3, vgl. Plin. n. h. XXXIII 153 von dem eigenen Silbergerät des F. fabelt, ist natürlich späte Zutat. Nach dem Tode wurden dem F. besondere Auszeichnungen zu teil; seiner Tochter wurde aus Staatsmitteln eine Mitgift gegeben (Val. Max. IV 4, 10. vgl. 11. Apul. apol. 18), vielleicht weil er keine männlichen Nachkommen und Verwandten hatte, die für sie sorgen konnten, und ihm selbst wurde gegen die bekannte Verordnung der XII Tafeln die Bestattung innerhalb der Stadt bewilligt (Cic. leg. II 58; fälschlich als erbliche Ehre betrachtet von Plut. quaest. Rom. 79, vgl. o. Bd. III S. 354. 52ff.). Vielleicht ist die Einschärfung jenes alten Gesetzes durch einen Senatsbeschluß vom J. 494 = 260 (Serv. Aen. XI 206) damit in Verbindung zu bringen, etwa als ein nachträglicher Protest des Senats gegen diese Auszeichnung eines Plebeiers. F. ist bereits für Cicero der sprichwörtliche Vertreter des alten, echten Römertums; seine staatsmännische Einsicht (Planc. 60; de or. III 56; Cato 15), seine Gerechtigkeit (off. III 16), seine Genügsamkeit (parad. 12f.), seine Freundschaft mit Aemilius Papus, Curius und Coruncanius (Lael. 39; Cato 15. 43), die in Wahrheit zunächst eine politische Parteigenossenschaft war, und vor allem seine Armut, in der er freiwillig verharrte (leg. agr. II 64; Tusc. III 56), werden [1938] so oft gerühmt, daß Cicero sich selbst einmal zurechtweist (parad. 50): ne semper Curios et Fabricios loquamur (vgl. z. B. noch Verg. Aen. VI 848f. Porcius Latro bei Senec. controv. II 1, 17. Manil. astron. I 787. Sen. dial. I 3, 4; ep. 120, 19. Lucan. X 152. Colum. I praef. 14. Martial. VII 68, 4. XI 16, 6. Iuvenal. 2, 153f. 11, 91. Gell. I 10, 1. Apul. apol. 10). Dieses Bild des F. ist noch heutigentages das allein und allgemein bekannte (vgl. darüber z. B. Niebuhr R. G. III 587f.).

Anmerkungen (Wikisource)

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  1. Corpus Inscriptionum Latinarum I, 200.