Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Lat. Grammatiker um 400 n. Chr.
Band II A,2 (1923) S. 18341848
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8) Servius, lateinischer Grammatiker um 400 n. Chr., der sich durch seine Lehrtätigkeit in Rom, wo er den Vergil erklärte und Vorlesungen über Grammatik im Anschluß an die Ars des Donatus hielt, großes Ansehen erwarb und außer mehreren kleineren Schriften einen reichhaltigen, in der Folgezeit viel benutzten Vergilkommentar hinterlassen hat.

I. Persönliches: Die ältesten Zeugen sehen lediglich den Namen Servius, nur in der Schrift de finalibus nennt sich der Verfasser Servius Honoratus. In der Subskription des Centimeter im cod. Neapol. saec. VII/VIII erscheint Marius Servius, in späteren Hss. tritt dann immer häufiger Marius oder auch Maurus Servius, dazu oft noch Honoratus auf. An Stelle von Servius findet sich in späterer Zeit auch oft Sergius (gelegentlich Seregius), so im cod. Paris. 7530 saec. VIII, im cod. Bern. 363 saec. IX, in den [1835] Commenta Bernensia zu Lucan (Hs. 8./9. Jhdts.) III 402 und VII 633 u. s. Über die Heimat des S. wissen wir nichts; die Angaben in einem späten Grammatikerverzeichnis (s. Hagen Anecd. Helvet. CXLIX), er stamme aus Sizilien und sei Schüler des Donat gewesen, sind doch wohl nur Kombinationen; der Versuch, mit Hilfe der Sprache des Vergilkommentars Afrika als die Heimat des S. zu erweisen (Haberda Meletemata Serv., Brünn 1895), ist mißglückt. Was die Lebenszeit des S. anlangt, so steht zunächst fest, daß sie in den Raum zwischen Donat (um 350) und Priscian (um 500) fällt, da er jenen benutzt hat und von diesem zitiert wird; zu einer genaueren Bestimmung verhilft uns Macrobius. Dieser führt in seinen etwa 395 (s. Teuffel⁶ § 444, 1. 6) verfaßten Saturnalien als Teilnehmer an dem Gespräch, dessen Zeit vor dem Tode des Praetextatus († 384) anzusetzen ist, neben diesem und anderen älteren Leuten, wie Symmachus, Nicomachus Flavianus, Caecina und Rufinus Albinus auch zwei adulescentes ein, nämlich Avienus und Servius, entschuldigt sich aber I 1,5 dafür: nec mihi fraudi sit, si uni aut alteri ex his, quos coetus coegit, matura aetas posterior saeculo Praetextati fuit; die jüngsten hätten also ihrem Lebensalter nach zu Lebzeiten des Praetextatus noch nicht an einem solchen Gespräch teilnehmen können. Demnach dürfte die adulescentia des S. und sein Auftreten in Rom, von dem Macrobius spricht, in die Zeit nach 384 fallen, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß Macrobius die Verhältnisse der Zeit, in der er seine Saturnalien schrieb, auf die des Gesprächs übertragen hat. S. wäre dann etwa 370 geboren und sein erstes Auftreten fiele in das letzte Jahrzehnt des 4. Jhdts. (Georgii Philol. LXXI 518ff.). Weiterhin nennt Macrob. I 2, 15 den S. inter grammaticos doctorem recens professus, rühmt seine außerordentliche Gelehrsamkeit (a. O., ferner I 24, 8. 20. VI 7, 4. VII 11, 2) und besonders seine genaue Kenntnis des Vergil: VI 6, 1 dicat S. quae in Vergilio notaverit . . . cotidie enim Romanae indoli enarrando eundem vatem necesse est habeat huius adnotationis scientiam promptiorem. Sein Ansehen verdankt der junge Gelehrte also vornehmlich seinen Vorlesungen, in denen er den Vergil auslegte; zur Zeit, da Macrobius schrieb, hatte S. offenbar seinen Vergilkommentar noch nicht verfaßt, sonst wäre es unverständlich, daß Macrobius dessen nicht nur nicht gedenkt, sondern selbst durchgängig ältere Vergilerklärung benutzt und gelegentlich den S. Ansichten vortragen läßt, die sich mit denen im erhaltenen Vergilkommentar schlecht vertragen (Georgii 525). Dieser selbst bietet zur genaueren Bestimmung der Abfassungszeit kaum eine sichere Handhabe (über die Anmerkung zu Aen. III 80 hodieque imperatores pontifices dicimus s. Georgii 522), abgesehen von einer Hindeutung auf die Goten zu Aen. VII 604, die man wohl ebenso wie die Erwähnung in dem von S. verfertigten Verse G.L. IV 465, 27 auf die Westgoten beziehen darf, die um die Jahrhundertwende Italien bedrängten. Wenn der clarissimus Albinus, dem der Centimeter gewidmet ist, der Praef. urbi vom J. 402 ist, so führt uns das ebenfalls in die Zeit um 400. [1836] (Vgl. auch Symmachus epist. VIII 60 und dazu Seeck p. CXCIX).

In einem der unten besprochenen Donatkommentare (G.L. IV 496, 26) wird S. als magister bezeichnet, ebenso in der Subskription zweier Iuvenal-Hss. (Leid. 82 und Laurent. 34, 42) legi ego Nicaeus Romae apud Servium magistrum et emendavi; ferner bei Ps.-Acron zu Horat. sat. I 29, 76 sic Servius magister (urbis fügen die Hss. außer dem Vatic. hinzu) exposuit; desgleichen in der Subskription des Donatkommentars G.L. IV 448, 17, vgl. 487, 22.

Zur Zeit, da Macrobius seine Saturnalien schrieb, gehörte S. sicher nicht zu den Bekennern des Christentums, sonst hätte ihn jener nicht in den Kreis des Symmachus eingeführt; aber auch die Schriften des S. lassen nirgends erkennen, daß er, wie Macrobius selbst, seine Anschauung gewechselt hätte. Wenn sich im Vergilkommentar zahlreiche Stellen finden, die neuplatonische Lehre enthalten, so beweist das an sich für S. deshalb nicht viel, weil es sich nachweislich um Anmerkungen handelt, die aus älterer Quelle übernommen sind; immerhin ist es nicht unwahrscheinlich, daß S. jener Richtung nicht ablehnend gegenüberstand.

Im allgemeinen vgl. Thilo in seiner Ausg. I praef. LXIXff. Thomas Essai sur S., Paris 1880, 133ff. Nettleship in Coningtons Vergilausg. I p. LXIVff. Gessner S. u. Ps.-Asconius, Zürich 1888, 9ff. Sihler Am. Journ. of Phil. XXXI 2ff.

II. Schriften.

1. Vergilkommentar. Priscian zitiert G.L. II 233, 14 Servius in commento Vergilii und 515, 23 S. in commentario Aeneidos; in den Hss. heißt der Verfasser Servius oder Sergius Grammaticus (vgl. Comm. Bern. zu Lucan a. O. Sergius commentator Virgilii), das Werk führt die Bezeichnung Expositio oder Explanatio in Bucolicon et in librum (oder libros) Georgicon atque Aeneadum, die offenkundig späten Ursprungs und in ihrem ersten Bestandteil jedenfalls aus S. selbst (I S. 1, 3 und bes. 5, 5 ed. Thilo) abgeleitet ist. Der Kommentar ist in zahlreichen Hss. vom 9. Jhdt. an überliefert, in vielen unvollständig. Die älteste von Thilo benutzte Hs. ist wohl der cod Bern. 363 saec. IX.. der aber (ebenso wie der cod. Monac 6394 saec. XI) eine verkürzte Fassung bietet; die ursprüngliche Form ist getreuer bewahrt im cod. Caroliruh. 186 saec. IX, Lips. I 36 b saec. X, Hamburg. 52 saec. XI und deren Verwandten: vgl. Thilo I p. LXXVIIff. Soweit die Hss. auch den Kommentar zu den Bucolica enthalten, weisen sie zu 1, 37 — 2, 10 eine Lücke auf, die in denjenigen, die jünger als saec. IX sind, aus der Explanatio des Philargyrius ergänzt ist: vgl. Thilo III 1 praef. V. Funaioli Rh. Mus. LXX 86. An der Spitze des Werkes steht eine Vergilvita, an sie schließt sich der Kommentar zur Aeneis an, dem der zu den Bucolica und Georgica folgt. Daß dies die von S. selbst herrührende Anordnung ist, ergibt sich, abgesehen von der Stellung der Vita (vgl. III 1 S. 3, 24 Th.), aus den Rückverweisungen im Kommentar zu den kleineren Dichtungen auf den zur Aeneis mit voller Sicherheit. Außer der erwähnten Lücke findet sich noch eine zweite, durch die der Schluß [1837] der Vita verloren gegangen ist, wie sich u. a. auch aus S.s Einleitung zu den Bucolica III 1 S. 3, 28 Th., ergibt; beide Lücken sind offenbar durch Blattverlust im Archetypus entstanden. Im übrigen dürfte das Werk im wesentlichen vollständig erhalten sein; mag auch hier und da eine Kleinigkeit ausgefallen und die ursprüngliche Textfassung nicht überall ganz getreu gewahrt geblieben sein (hierauf führen die Abweichungen der Hss. untereinander, von der in einigen vorgenommenen Kürzung natürlich abgesehen), so liegt doch auch kein Grund zu der Annahme vor, daß wir nicht den echten S.-Kommentar besäßen, sondern nur, wie Scaliger meinte, ,commentariorum cadaver monachorum barbarie ac spurcitia contaminatum‘. Den Anlaß zu diesem Urteil, das späterhin sich in der von Ribbeck und anderen vertretenen Ansicht widerspiegelt, wir hätten nur einen ,Servius decurtatus‘, einen dürftigen Auszug aus einem verlorenen ,Urservius‘, gab die Entdeckung einer erweiterten Fassung unseres Kommentars durch P. Daniel, der diese 1600 veröffentlichte; nach ihm werden die Erweiterungen gewöhnlich ,Scholia Danielis‘ genannt (daneben auch ,Servius plenior‘ oder ,amplior‘, auch ,Deuteroservius‘, abgekürzt SD. oder DS.).

Der erweiterte Serviuskommentar findet sich, stets anonym, in folgenden Hss.: cod. Cassel. (ol. Fuld.) ms. poet. fol. 6 saec. IX/X (C), Paris. 1750 + Leid. Voss. F. 79 saec. IX|X (P), Bern. 172 + Paris. 7929 saec. IX/X (F = Floriacensis), Bern. 167 (Autissiodor.) saec. X (G), Paris. 7930 saec. XI, Bern. 165 saec. IX (T = Turonensis), Leid. Voss. oct. 80 saec. IX/X (L = Lemovicensis) und Vatic. 3317 saec. X/XI (V). In diesen Hss. ist der Kommentar des S. mit einer ihm teilweise nahe verwandten Scholienmasse verschmolzen worden und hat dabei mancherlei Umgestaltung erfahren: auf der einen Seite ist manches weggelassen oder ersetzt worden, auf der anderen sind beträchtliche Einschaltungen und Zusätze hinzugekommen, was oft zu Änderungen der Fassung geführt hat. Der erweiterte Kommentar liegt jedoch keineswegs in einheitlicher Gestalt vor, vielmehr erscheint der Verschmelzungsprozeß in diesen Hss. weiter, in jenen weniger durchgeführt; letzteres gilt namentlich von T und V, in denen die eigentlichen Zusätze in selbständigerer Form auftreten (in V meist nur ganz äußerlich mit et aliter angehängt; die Vatic. Scholien wurden früher fälschlich dem Philargyrius zugeschrieben, darüber s. Thilo III 1, XIff. Funaioli a. O. 88ff.). Dazu kommt nun noch eine starke Zersplitterung dieses erweiterten Kommentars in anderer Hinsicht: F enthält ihn nur zu Aen. III—XII (der auf dieselbe Vorlage zurückgehende G nur zu Aen. III—V, und zwar meist nur die Scholien, die in F oder vielmehr der Vorlage am linken Rande standen; der Paris. 7930 gibt nur einen Auszug zu Aen. III—V), ebenso T, während sich in C die Zusätze auf Aen. I—II beschränken (desgleichen in P, der ebenfalls nur einen dürftigen Auszug bietet); L enthält nur Scholien zu Buc. 4 bis Georg. I 279, V nur zu den Georg.; zu diesen beiden Werken haben die Hss. FTP an Stelle der Zusatzscholien die Scholia Bernensia oder Auszüge [1838] aus ihnen. Es scheint danach zunächst nur eine ziemlich lose Vereinigung des S. mit dem anderen Kommentar hergestellt worden zu sein; das so entstandene Scholienwerk wurde dann anscheinend in mehrere Teile zerlegt (Buc. Georg., Aen. I/II und Aen. III–V + VI–XII?) und die Verschmelzung in den einzelnen Stücken in verschiedener Weise weitergeführt. Vgl. dazu besonders Barwick Philol. LXX 106ff.; nach ihm wäre der erweiterte Kommentar etwa im 7. Jhdt. in Irland entstanden (s. auch Thilo I p. LXVIIIf.), die Verbreitung und weitere Entwickelung hat aber doch wohl eher in Mittelfrankreich stattgefunden, wo die Heimat der Hss. ist. Übrigens ist zu bemerken, daß die Geschichte des erweiterten S. offenbar zeitlich und örtlich mit der jener Scholiengruppe eng zusammenhängt, die durch die Scholia Bernensia, die Explanationes des Philargyrius und die Expositiones Georgicorum dargestellt wird; darauf führt schon die oben erwähnte Vereinigung in verschiedenen Hss. Vgl. noch Funaioli a. O. bes. 91ff.

Die zur Erweiterung des S. benutzte Scholienmasse stellt in ihrem Kern einen besonderen Vergilkommentar dar, der trotz zahlreicher enger Berührungen mit dem des S., die eben die Verschmelzung nahegelegt und begünstigt haben, doch in vieler Hinsicht seine Eigenart besitzt. Vor allem ergibt sich daraus, daß in den Erklärungen zur Aeneis auf die zu den Bucolica und Georgica zurückverwiesen wird, daß das Werk anders geordnet war. Auffallend ist ferner, daß in den Zusatzscholien mit ut supra dictum est zurückverwiesen wird, während S. die persönliche Form ut supra diximus gebraucht. Auch sonst zeigen sich manche sprachlichen Unterschiede, doch ist bei deren Verwertung immerhin Vorsicht geboten, da es ungewiß ist, wie weit die sprachliche Form durch die Überarbeitung beeinflußt worden ist. Stärker und deutlicher tritt die Verschiedenheit beider Kommentare auf sachlichem Gebiet hervor: bei SD. spielen die grammatischen Bemerkungen nicht entfernt die Rolle wie bei S., dagegen sind rhetorische häufiger und z. T. ausführlicher; die Mythologie wird auffallend bevorzugt und an Fabeln zusammengetragen, was sich nur findet, auch wenn es kaum noch in Beziehung zur Vergilerklärung steht. Einen besonders breiten Raum nehmen auch solche Scholien ein, die sich auf den Kultus beziehen, und unter ihnen treten wieder solche hervor, die allerhand geheime Absichten des Dichters aufzuspüren bemüht sind (Aeneas und Dido als Flamen und Flaminica, Aeneas als Pontifex; überhaupt erscheint Vergil als ein unübertrefflicher Kenner der sakralen Einrichtungen). An Gelehrsamkeit ist SD. dem S. weit überlegen: er bringt eine Fülle von Zitaten aus Autoren, die bei S. entweder ganz fehlen oder doch seltener auftreten, während man bei ihm solche, die S. mit einer gewissen Vorliebe zitiert, so gut wie ganz vermißt. An anderen Stellen nennt SD. einen Gewährsmann beim Namen, wo S. sich mit einem quidam u. dergl. begnügt. Endlich verdient noch hervorgehoben zu werden, daß die ältere Vergilkritik bei SD. vielfach offener zutage liegt, als bei S., der sie oft unterdrückt oder verschleiert. Vgl. [1839] Thilo I p. Vff. XXVIIff. Thomas a. O. 44ff. Georgii Die antike Aeneiskritik, Stuttg. 1891, 9ff. Barwick a. O. 108ff.; außerdem Moeller Quaest. Serv., Kiel 1892. Kirchner De S. carm. Verg. interpr. comm. pleniore qui dicitur I. II. Brieg 1910 und 1911. Steele Am. Journ. of Phil. XX 278ff.

Es ist oben bereits bemerkt worden, daß Macrobius für seine Saturnalien nicht den Kommentar des S., sondern ältere Vergilerklärung benutzt hat; nun stimmen aber zahlreiche Stellen seines Werkes mit Scholien des SD. oft wörtlich überein, so daß zunächst die Vermutung entstanden ist, es sei bei der Erweiterung des S. auch Macrobius benutzt worden. Bei weiteren Untersuchungen hat sich aber herausgestellt, daß diese Annahme nicht haltbar ist; vielmehr hat Macrobius eben jenen Kommentar benutzt, auf den die Zusätze des SD. zurückzuführen sind (über das Verhältnis des Macrobius zu S.: Ribbeck Proleg. z. Verg. 103. Thilo Quaest. Serv., Halle 1867; Serviusausg. I, p. XXII. Wissowa De M. Sat. font., Breslau 1880; Ges. Abh. 103. Halfpap-Klotz Quaest. Serv., Greifsw. 1882, 3ff. Georgii a. O. 18ff. Kretzer De Romanor. vocab. pontificalibus, Halle 1903, 39ff. Baehrens Corn. Labeo 1ff.). Jener ältere Vergilkommentar muß demnach vor 395 vorhanden gewesen sein, und da liegt der Gedanke an den des Aelius Donatus, der etwa um 360 entstanden ist, nahe genug. Dieser Grammatiker hat selbst sein Werk im Vorwort an Munatius (bei Woelfflin Philol. XXIV 153ff. Brummer Vitae Vergil. VII 8) als ein ,munus conlaticium‘ bezeichnet, und wenn er auch erklärt, er habe zwar alle früheren Vergilerklärungen eingesehen, jedoch im Streben nach möglichster Kürze vieles absichtlich übergangen, so wird man die etwas gesuchte Bescheidenheit nicht so wörtlich zu nehmen brauchen und kann schon aus dem Umfang der Vergilvita und der Einleitung zu den Bucolica, die uns erhalten sind, den Schluß ziehen, daß das Werk an Umfang dem des S. kaum wird nachgestanden haben. Wichtig ist aber Donats Bemerkung, er biete sinceram vocem priscae auctoritatis und habe es vorgezogen, optima fide quorum res fuerant, eorum etiam verba servare. Für unsere Frage ist auch der Umstand bedeutsam, daß Donat, wie eben der erhaltene Rest seines Kommentars lehrt, die Gedichte Vergils in derselben Reihenfolge erklärt hat, wie der Verfasser des dem SD. zugrundeliegenden Kommentars. Da ferner S., wie die immerhin recht weitgehende Übereinstimmung ergibt, ebenfalls diesen Kommentar benutzt, nur oft mehr oder weniger gekürzt hat, und da Donat allem Anschein nach seine Hauptquelle war, so liegt der Schluß auf der Hand. Allerdings darf nicht verschwiegen werden, daß es auch einzelne Punkte gibt, die der so naheliegenden Lösung zu widersprechen scheinen. Zwar daß im cod. T Donat an zwei Stellen, die nicht = S. sind, genannt wird, will nicht allzuviel besagen, da es sich um Zusätze handeln kann (zu Aen. IV 207 ist Benutzung eines Scholions zu Georg. II 4 nicht ausgeschlossen, und zu Aen. I 179 [bei Thilo I p. XV Anm.] wird neben Donat auch S. genannt!); auch daraus, daß in F (einmal auch in L) an Stelle des Donatus (wie auch [1840] des Urbanus) gelegentlich ein allgemeines quidam oder desgl. eingesetzt wird, läßt sich schwerlich etwas folgern, da diese Änderungen offenbar auf die Rechnung des Überarbeiters zu setzen sind. Dagegen macht es eine gewisse Schwierigkeit, daß Avienus zu Aen. X 272 nicht nur von S. (der ihn auch zu X 388 und zu Georg. I 488 nennt), sondern auch im Zusatzscholion zitiert wird, wenn man nämlich annimmt, daß Avienus seinen Arat erst kurz vor 387 verfaßt habe (s. o. Bd. II S. 2386); indessen beruht diese Annahme nur auf einer, schwerlich richtigen Auslegung der Worte des Hieronymus (s. Lammert Comm. phil. Jen. IX 2, 49f.). Im übrigen aber ist zu berücksichtigen, daß sich an den Vergilkommentar Donats, wenn er auch den Kern der vom S.-Erweiterer benutzten Scholienmasse bildete, doch im Laufe der Zeit allerhand fremdes Gut angesetzt haben kann und wird, so daß es verfehlt wäre, wenn man alle Zusatzscholien auf Donat zurückführen wollte. Um von anderen Anmerkungen verschiedener Art abzusehen, wäre es z. B. nicht ausgeschlossen, daß der Donatkommentar aus einem mythologischen Handbuche oder aus verschiedenen Quellen dieser Art nachträglich ergänzt und erweitert worden ist. Wenn nun Donat als die gemeinsame Quelle des S., der Zusatzscholien und des Macrobius (der freilich in gewissen Teilen seiner Saturnalien noch andere Schriften über Vergil benützt haben dürfte: s. bes. Wissowa De Macr. Sat. font., Breslau 1880, 45ff. und Nachr. Gött. Ges., phil.-hist. Kl. 1913, 325ff.) angesehen werden kann, so dürfte die Annahme keinen Bedenken unterliegen, daß, was sich bei den drei Genannten an neuplatonischen Lehren findet (bei Macrobius natürlich nur insoweit, als es mit Vergil irgendwie verknüpft ist), bereits bei Donat stand und daß dieser hierfür den Cornelius Labeo ausgebeutet hat; ob dieser freilich einen richtigen Vergilkommentar geschrieben hat (so Baehrens C. L atque eius comment. Vergilianus, Gent 1918; daselbst 143ff. eine Zusammenstellung aus S., SD. und Macrobius) oder ,quaestiones Vergilianas‘ oder endlich nur den Vergil in seinen theologischen Arbeiten besonders berücksichtigt hat, steht dahin (vgl. auch Niggetiet De Corn. Labeone, Diss. Münster 1908, 62ff. Bitsch De Platonicorum quaest. quibusd. Vergilianis, Diss. Berl. 1911).

Den Spuren von Donats Vergilkommentar begegnet man in der Zeit bis zum 7. Jhdt. ziemlich häufig, dann scheint er bis auf geringe Reste allmählich verschollen zu sein; vielleicht hat dazu gerade seine Verschmelzung mit dem Kommentar des S. beigetragen. Nur selten trifft man auf Donats Namen, wie, abgesehen von Priscian (G. L. III 61, 20; vgl. 266, 16). in einer Anzahl von Glossen des Liber glossarum (vgl. Goetz Der L. gl., Leipzig 1891. 66ff.: auch 76f.); vgl. auch Thilo I p. LXXVff. Ender Ae. Don. comm. Verg. rel., Greifsw. 1910, 26; in der Regel läßt sich die Benutzung seines Kommentars nur erschließen, und zwar eben oft mit Hilfe der Zusatzscholien zu S. Wie weit die Scholia Veronensia (Serv. ed. Thilo-Hagen III 2, 393ff.) mit Donat in Verbindung zu bringen sind, ist noch nicht klargestellt, obwohl engere Beziehungen zu SD. auf der Hand liegen (Halfpap-Klotz a. O. [1841] 51ff. Georgii Aeneaskr. 20); das gleiche gilt von dem sog. Probuskommentar zu den Bucolica and Georgica (a. O. III 2, 313ff.); dagegen scheint Philargyrius (in den Explanationes und den Scholia Bernensia) von Donat vielfach abhängig zu sein (vgl. Barwick Comm. phil. Jen. VIII 2, 65); wieweit ein gleiches für die Interpretationes der Aeneis des Tiberius Claudius Donatus anzunehmen ist, steht noch dahin (vgl. Burckas De Ti. Cl. Don. in Aen. comm., Jena 1888, 20. Hoppe De Ti. Cl. Don. Aen. interprete, Göttingen 1891; Georgii vor s. Ausg. der Interpr. XV). Weitere Spuren finden sich in den Ciceroscholien des Ps.-Asconius (Gessner a. O., dazu Schmiedeberg De Asc. codicibus et de Cic. schol. Sangall., Breslau 1905, 50ff. und bes. Lammert a. O. 72ff.), in den unter dem Namen des Lactantius Placidus gehenden Scholien zur Thebais des Statius (abgesehen von den später interpolierten S.-Scholien), einzelne auch in den Scholien zur Achilleis (Klotz De schol. Stat., Treptow 1895, 10) u. a Mehrfach scheint Donat neben S. benutzt worden zu sein, so außer von den beiden Mythographi Vaticani (vgl. Schulz De M. V. I fontibus, Halle 1905, 49ff. und Keseling De M. V. II font., das. 1908, 84ff.), besonders von Isidor (s. Nettleship Lectures and Essays, Oxf. 1885, 322ff. Homeyer De schol. Vergil. Isidori font., Jena 1913. Philipp in: Quell. und Forsch. z. alt. Gesch. und Geogr., H. 25, 35ff. Wessner Herm. LII 250ff.). Wenn der Verfasser der Origo gentis Romanae, wie es scheint, auch Vergilscholien benutzt hat (vgl. Peter Verh. d. S. Ges. d. Wiss., phil. hist. Kl. LXIV 2, 80ff.; anders Baehrens Labeo 81ff.; Behrens Quaest. de lib. qui Origo g. R. inscribitur, Greifsw. Diss., Berl. 1917, 30ff.), so könnte auch seine Quelle Donats Kommentar gewesen sein. Eine Sammlung von Fragmenten des Werks, soweit sie benannt sind oder sich mit Hilfe von Donats Terenzkommentar ermitteln lassen, hat Ender (s. o.) vorgenommen; Donats Spuren bei dessen Schüler Hieronymus hat Lammert a. O. verfolgt. Es bedarf aber noch mancher Untersuchung, bis wir ein völlig klares Bild erhalten und ein sicheres Urteil abgeben können, soweit das unter den Umständen möglich ist. Soviel läßt sich aber jetzt schon erkennen, daß der Schwerpunkt der Probleme, die sich an die Vergilscholien anknüpfen, in dem älteren Vergilkommentar liegt, der hinter Servius steht und von dem er mehr abhängt, als es auf den ersten Blick erscheint. Man wird kaum fehlgehen in der Annahme, daß S. so gut wie alles, was er an sachlichem Material bringt, seinen Vorgängern verdankt und daß Donat, wenn nicht der einzige, so doch der Hauptvermittler ist. Der Vergleich mit den Zusatzscholien, mit Macrobius und anderen läßt erkennen, daß S. die ausführlicheren Erörterungen seiner Quelle oft auf das stärkste zusammen geschnitten und vieles ganz beiseite gelassen hat. Den Wortlaut seiner Vorlage hat er sehr oft, wenn auch nicht durchweg, im ganzen beibehalten. Den Ansichten der Vorgänger gegenüber wahrt er eine gewisse Selbständigkeit; wo er eine Blöße entdeckt, läßt er sich die Gelegenheit nicht entgehen sie aufzudecken — so sucht er namentlich dem Donat gegenüber seine [1842] Selbständigkeit herauszustreichen — ; wo er aber eigene Erklärungen vorbringt, greift er nicht selten ebensosehr daneben wie jener. Oft aber begnügt er sich, die verschiedenen Ansichten früherer Erklärer aneinander zu reihen; sonst wägt er sie auch wohl ab und deutet an, welche er bevorzugen möchte. Ob er sie alle bei Donat vorgefunden, oder ob er neben diesem noch andere Vergilerklärer benutzt hat, ist noch nicht sicher ausgemacht; gewöhnlich nimmt man an, daß er den Kommentar des Urbanus selbständig verwertet habe, indessen könnte auch hier Donat der Vermittler gewesen sein. Was die älteren Kommentatoren betrifft, so ist es wohl so gut wie ausgeschlossen, daß S. sie selbst eingesehen hat, und ebenso hat er jedenfalls auch die Zitate aus der älteren Literatur durchgängig aus zweiter und dritter Hand übernommen; besonders deutlich sieht man dies an seinen Pliniuszitaten die z. T. sehr ungenau sind, z. T. sich in der Naturalis historia überhaupt nicht nachweisen lassen. Vgl. besonders Laemmerhirt Comm. phil. Jen. IV 313ff.

Ein besonderes Gepräge erhält der Kommentar des S. durch die überaus zahlreichen grammatischen Anmerkungen, die oft mit der Vergilerklärung nur in ganz losem, oder mitunter auch in gar keinem Zusammenhange mehr stehen; sie zeigen nicht minder deutlich, als die Kürzung des gelehrten Materials seiner Vorlage, welche Zwecke S. mit seinem Werke verfolgte. Jene Anmerkungen berühren sich vielfach, zuweilen wörtlich, mit dem Inhalte der Kommentare zur Ars des Donatus (s. u. 2), z. T. beruhen sie auf den grammatischen Studien des Flavius Caper, den S. selbst mehrfach nennt; sie aber samt und sonders auf diesen Grammatiker zurückzuführen (so Kirchner Jahrb. Suppl. VIII 469ff.; Über die gramm. Quellen des S., Brieg 1883), schießt sicher weit über das Ziel hinaus.

Eine weitere Eigentümlichkeit des Werkes besteht darin, daß die Dichter Statius, Lucan und Iuvenal überaus häufig zitiert werden, die in der gesamten älteren oder auf ältere Quellen zurückgehenden grammatischen Literatur so gut wie ganz unberücksichtigt geblieben sind; auch in den Zusatzscholien des SD. finden sie sich nur ganz vereinzelt und sind da vermutlich erst nachträglich hinzugesetzt. Daß ihre Anführung von S. selbst herrührt, geht u. a. daraus hervor, daß sie oft in den erwähnten grammatischen Anmerkungen erscheinen, die man als das Eigentum des S. ansehen muß. Es wird demnach die Annahme richtig sein, daß S. es war, der sie zuerst in die grammatische Tradition, in der sie dann immer häufiger begegnen (bes. bei Priscian), eingeführt hat (Halfpap-Klotz a. O. 1. Klotz De schol. Stat. 1ff.). Darin spiegelt sich gewiß das Interesse, das die genannten Dichter seit dem 4. Jhdt. (in diese Zeit führen auch die anonymen Scholien zu ihnen zurück) gewonnen hatten, namentlich Iuvenal (o. Teuffel⁶ § 331, 7), und es entspricht diesem Zusammenhange, wenn des S. Schüler Nicaeus, wie die oben angeführte Subskription lehrt, sich um den Iuvenaltext bemühte. Daß S. neben diesen poetae neoterici, die durch ihn zu ,auctores idonei‘ erhoben wurden, auch die altgeläufigen Schulschriftsteller [1843] Terenz, Sallust, Cicero und Horaz kannte und für seinen Kommentar verwertete, bedarf keines Beweises, wenngleich er sie natürlich z. T. auch schon bei den Vorgängern zitiert fand. Auf S. selbst dürften aber wohl die Zitate aus dem Dichter Serenus und aus Terentian (der auch in den Kommentaren zur Ars des Donatus öfter begegnet) zurückzuführen sein; auch den Iuba 3Iuba hat er gewiß selbständig benutzt (zu Aen. V 522; vgl. IV 549; er erscheint auch bei Pompeius G. L. V 110, 13. 114, 1, vermutlich nach S.); vgl. O. Hense De Iuba artigr. 145. Es handelt sich bei diesen Zitaten (mit Ausnahme von Aen. VI 289: Serenus; dazu Baehrens Stud. Serv. 102) wiederum um Anmerkungen grammatischer Natur.

Mit einem Worte sei nochmals auf die apologetische Tendenz des Kommentars hingewiesen, die ja ebenfalls der Zeitrichtung durchaus entsprach; für S. war eben, wie schon für seine älteren Zeitgenossen — die Saturnalien des Macrobius geben uns davon ein treffliches Bild — Vergil der Inbegriff aller Weisheit (vgl. Comparetti-Dütschke Virg. i. Mittelalter 56). Kein Wunder daher, daß er den Dichter auch da verteidigt und bewundert, wo berechtigte Kritik an seinen Werken von früheren Gelehrten geübt worden war. Vgl. darüber besonders Georgii Antike Aeneiskritik und Philol. Suppl. IX 211ff.

In der Folgezeit ist der Vergilkommentar des S. sehr stark benutzt worden. Während Priscian ihn nur einigemal nennt, aber wohl öfter zu Rate gezogen hat (vgl. Jeep Philol. LXVII 43ff. Wessner Festschr. f. Marcus und Weber, Bonn 1918, 111), auch Cassiodor einiges aus ihm entlehnt (Erdbruegger Cass. unde etymologias in psalt. comm. prolatas petivisse putandus sit, Jena 1912, 30), ist er für Isidor eine sehr ergiebig benutzte Quelle (besonders in den Origines, aber auch in De natura rerum und in den Differentiae verbor.; zur oben angeführten Literatur noch: Schenk De Isid. Hisp. de nat. rer. lib. font., Jena 1909, bes. 53ff.; vgl. auch Schmekel Isidorus von Sevilla, Berlin 1914, 64ff. und 94ff.). Einen Auszug, wie es scheint, veranstaltete ein gewisser Gaudentius, und dieser Auszug bildet einen Hauptbestandteil der Dreimännerscholien, die uns in den Scholia Bernensia und den Expositiones Georg. vorliegen (vgl. Funaioli o. Bd. VII S. 857 und Rh. Mus. LXX 97). Sodann wurde S. vielfach zur Erklärung anderer Autoren benutzt: wir begegnen ihm in den Ps.-Acronischen Horazscholien wie in den Scholien zur Achilleis des Statius und zu Lucan (Commenta Bernensia); überhaupt wurde er in der Karolingerzeit (namentlich von Remigius von Auxerre) für die Kommentierung stark ausgebeutet: dies zeigen die jungen Scholien zu Terenz (ed. Schlee 54ff,) und Horaz (z. ars poet., ed. Zechmeister XVII), zu Persius und Iuvenal, zu Vegetius und Prudentius usw.; insbesondere wurden auch ältere Scholien, wie die des Lactantius zur Thebais, vielfach aus S. interpoliert. Die beiden Mythographi Vaticani I und II haben einen großen Teil ihres Stoffes aus S. entlehnt (Lit. s. o.) und auch der sog. Myth. Vat. III hat ihn sehr stark benutzt (vgl. Raschke De Alberico Mythologo, in: Bresl. phil. Abh. XLV 3ff.). Über S. und Iulianus von Toledo s. Funaioli Riv. di filol. [1844] XXXIX 68ff.; über S. bei Malalas s. Rossbach Berl. phil. Wochenschr. 1917, 30.

Über die älteren Ausgaben s. Thomas Essai sur S. 331 ff. und Thilo I p. XCIIIf. Letzte vollständige Ausgabe von Thilo in: Servii grammatici qui feruntur in Vergilii carmina commentarii rec. G. Thilo et H. Hagen. I-III 1, Lps. 1881ff. (von ihm hängt ab: Diehl Verg. Aen. II m. d. Comm. d. S., Kl. Texte usw., H. 80, Bonn 1911; die Vergilvita auch bei Diehl, die Vitae Vergilianae, das. H. 72, 4C und bei Brummer Vitae Vergilianae, Lps. 1912, 68).

Zu der bereits angeführten Literatur noch: Suringar Hist. crit. scholiast. lat. II 59ff. Teuber De M. S. Hon. grammatici vita et commentariis, Breslau 1843. Rosenstock De Donato Terentii et Servio Vergilii explicatore, Königsb. 1886. Leuschke De metamorphoseon in scholiis Vergil. fabulis, Marburg 1896. Moore Am. Journ. of Phil. XII 157ff. Steele ebd. XV 164ff. Mustard Collorado Coll. Stud. III. Feyerabend De S. doctrina rhet. et de Terentiano comm. Donati, Marburg 1910. Baehrens Studia Serviana, Gent 1917. Vgl. noch Teuffel Gesch. d. röm. Lit. § 431. Schanz R. L.-G. § 835 und 248. Gudeman Grundriß z. Gesch. d. klass. Philol.² 124. Saudys A History of Class. Sholarship² 231. Goetz in Burs. Jahresber. f. Altertumswiss. 1891 II 152f. Wessner ebd. 1902 II 195ff. 30 und 1908 II 147ff.

2. Der Donatkommentar. Im cod. Paris. 7530 saec. VIII ist ein Kommentar zu den beiden Artes des Aelius Donatus erhalten, der in der Überschrift als pars Sergii bezeichnet, in der Subskription dem magister Servius zugeschrieben wird (Ausg. von Keil G. L. IV 405ff.). Eine Stelle dieses Kommentars (422, 15–17) wird von Priscian G. L. II 8, 15 zitiert: Servius in commento quod scribit in Donatum. Wenn sich auch der Gang der Schrift der Anordnung Donats anschließt und die Darlegungen auch im einzelnen an ihn anknüpfen, so haben wir es doch nicht mit einer eigentlichen, fortlaufenden Erläuterung seiner Artes zu tun; diese dienen vielmehr nur als Unterlage und als Leitfaden für die Erörterungen, in denen die Ansichten anderer ungenannter Grammatiker vielfach berücksichtigt und öfter kritisiert werden und auch gelegentlich eine von DonatP abweichende Ansicht vorgetragen wird; die bei diesem auf die Kapitel De barbarismo und De soloecismo folgenden Stücke werden unter Hinweis auf Sonderschriften anderer Grammatiker kurz abgetan. Am häufigsten wird Probus zitiert (430, 37. 413, 19. 434, 9. 435, 25. 436, 29. 413, 34 heißt es quas regulas Probus artifex tuetur), wobei sich mehrfach unverkennbare Beziehungen zu den Instituta artium des jüngeren Probus (G. L. IV 47ff.) ergeben; daneben erscheint zweimal Plinius (444, 3 und 447, 5), außerdem Lucilius (446, 19) und Varro (432, 25) als Gewährsmann für grammatische Dinge. Terentianus ist 424, 18 berücksichtigt, aber nicht genannt. Die vorgetragenen Lehren und auch die Sprache (z.B. minus est für deest) zeigen erhebliche Übereinstimmung mit dem Vergilkommentar des S., so daß wir es beim Donatkommentar sicherlich auch mit ihm zu tun haben. Aber es erhoben sich doch Zweifel, ob das vorliegende Werk, so wie [1845] es ist, von S. selbst herrührt. Es läßt sich nicht verkennen, daß es an verschiedenen Stellen unvollständig ist (so fehlt 422, 2 der Hinweis auf die Graeci, die den Gegensatz von et nos bilden; vgl. 521, 13), und überhaupt zeigt der Vergleich mit eng verwandten Werken, daß in unserm Kommentare häufig der Name eines Gewährsmannes unterdrückt ist, Anführungen gekürzt oder weggelassen sind, die in der Parallelliteratur begegnen. Als solche kommen besonders der Traktat De littera, de syllaba, de pedibus, de accentibus, de distinctione (G. L. IV 475ff.), die Explanatio in Donati libr. I (ebd. 486ff.) und der Donatkommentar des Pompeius (G. L. V 95ff.) in Betracht. Jener Traktat findet sich im cod. Vindobon. (Bobiensis) 16 saec. VII/VIII, cod. Monac. (Frising.) 6781 saec. X und z. T. in dem oben genannten Parisinus; er trägt den Namen des Sergius und berührt sich öfter bis zur wörtlichen Übereinstimmung mit den entsprechenden Abschnitten des S. Kommentars. Die genannte Explanatio steht im cod. Lavant. 24 saec. IX (Tractatus Servii in Donati lib.; vgl. 518, 29 commentarius Servii grammatici de octo partibus), der erste Teil (bis 518, 29) auch im eben erwähnten Monac. (Expositum Sergii de octo partibus orationis) und im cod. Berolin. (Santen.) 66, 4 saec. IX (Expositio magistri Servii super partes minores); es werden die acht Redeteile und die einleitenden Abschnitte von Donats Ars maior ganz in derselben Weise behandelt wie im S.-Kommentar, jedoch wenn sich auf der einen Seite auch eine weitgehende sachliche und z. T. geradezu auffallende wörtliche Übereinstimmung mit dem S.-Kommentar zeigt, so geht die Explanatio anderseits doch vielfach über ihn hinaus, was teilweise auf Erweiterung aus anderen Quellen zu beruhen scheint (vgl. Keil zu 522, 12 und 524, 17). Abgesehen von dem auf alte Quelle (Varro) zurückgehenden Abschnitte De accentibus (524, 19ff.) erscheinen als Gewährsmänner neben Varro die Grammatiker Scaurus, Caper und Probus; außer einigen älteren Autoren, die jedenfalls aus zweiter Hand übernommen sind, werden neben den geläufigen Schulschriftstellern auch die Dichter Persius, Statius, Lucan und Iuvenal zitiert, dazu mehrmals Terentianus und einmal auch Symmachus. Besonders bemerkenswert ist die Stelle 496, 26 (im Abschnitte über das nomen): Haec sunt quae Donatus in prima parte artium tractavit: haec (das Folgende) magister Servius extrinsecus (d.h. als Zugabe zur Donaterklärung) dictavit: es folgt bis 498, 22 ein Abschnitt, der S. 408, 36 – 409, 33 entspricht, nur viel ausführlicher ist. Die Stelle ergibt, daß wir es bei der Explanatio mit der Arbeit eines Schülers des S. zu tun haben, offenbar mit der Ausarbeitung einer Niederschrift über die Vorlesungen, die S. im Anschluß an Donats Artes über Grammatik gehalten hat. Dadurch wird aber die Vermutung geweckt, daß wir auch im ,Commentum Servii in Donatum‘ nicht eine eigene Arbeit des Lehrers, sondern ebenfalls eine, nur vielfach knappere Niederschrift eines seiner Schüler vor uns haben könnten; das Priscianzitat beweist kaum etwas dagegen, sondern zeigt nur, daß der Kommentar schon früh für ein Werk des S. selbst gehalten wurde. Ebenso wie bei diesen beiden Werken [1846] könnte dann auch die Sache bei dem erwähnten Traktat liegen, desgleichen bei den Explanationes Sergii de prioribus Donati grammatici urbis Romae, die Hagen aus dem cod. Bern. 207 saec. IX/X in den Anecd. Helvet. 143ff. veröffentlicht hat; vgl. auch das S.-Zitat in der Ars Bernensis ebd. 135, 1. Vielleicht hat Hagen das Richtige getroffen, wenn er a. O. XC schreibt ,ex eisdem Servianae doctrinae rivulis ... qui sub eius nomine circumferuntur commentarii fluxerunt ad unum omnes‘: es dürfte sich überall um eine Art Kolleghefte von S.-Schülern handeln, die in verschiedener Weise ausgearbeitet und später mehr oder weniger überarbeitet worden sind. Auch das ,Commentarium de oratione et de octo partibus orationis‘, das in den Cassiodorausgaben, hinter dessen Abriß der Disciplinae steht, gehört in diesen Zusammenhang. Wie längst erkannt, steht auch der Kommentar des Pompeius in engster Beziehung zu S. und der Explanatio; streift man den dem Verfasser eigenen Wortschwall ab, so gewinnt man im Grunde wiederum einen ,Servius‘kommentar zu Donat; es wäre wohl nicht ausgeschlossen, daß Pompeius selbst die Vorlesungen des S. nachgeschrieben und dann in seiner Art zu einem Handbuche verarbeitet hätte. Bei einer solchen Auffassung vom Verhältnis der verwandten Werke zueinander würden sich sowohl die Übereinstimmungen, wie auch die Verschiedenheiten einfacher erklären lassen, als bei der gewöhnlichen Annahme, daß der eine Verfasser den anderen mehr oder weniger ausgeschrieben habe; wobei es unverständlich bleibt, woher der eine die genaueren Zitate hat, die in seiner angeblichen Quelle, dem S.-Kommentar z. B., fehlen; vgl. z. B. S. 407, 39 mit Expl. 492, 37 und Pomp. 159, 23; S. 422, 15 und Pomp. 108, 3 mit Expl. 520, 18; S. 421, 2 (s. auch Cledon. V 26, 34) mit Expl. 519, 3 und Pomp. 98, 10. Wenn sich die hier vorgetragene Ansicht bestätigt, so wird man auch die Zitate, die sich in den eng verwandten Werken, wenn auch nicht gleichmäßig, finden, wohl in der Hauptsache auf einen Ursprung zurückzuführen haben, nämlich auf die von S. für seine Vorträge benutzten grammatischen Quellen, so daß also z. B. für Pompeius eine selbständige Benutzung der Schriften eines Plinius und Caper weniger wahrscheinlich wäre. Bei einer sehr erwünschten genaueren Untersuchung dieser ganzen Frage wäre auch der Donatkommentar des Cledonius (G. L. V 1ff.) mit zu berücksichtigen, da er öfter unverkennbare Beziehungen zur S.-Tradition aufweist.

In bezug auf die Explanatio ist noch zu erwähnen, daß sich an verschiedenen Stellen Fragen und Antworten finden, bei denen ein Filocalus (einmal auch Rusticus) auftritt; der Vergleich mit S. 417, 34 legt den Gedanken nahe, daß der Antwortende kein anderer ist, als der Magister S.; vgl. auch z. B. Expl. 498, 23 mit 496, 3 und Pomp. 175, 15. Im cod. Lavant. folgt noch (G. L. IV 534ff.) eine Explanatio zur größeren Ars des Donat (De maioribus partibus orationis und De prudentibus partibus überschrieben), die sich zwar in der Einleitung als eine Fortsetzung des vorangehenden Kommentars gibt, aber doch einen stark abweichenden Charakter trägt: nicht nur, daß die Übereinstimmung mit dem S.-Kommentar [1847] im großen Ganzen fehlt, es werden auch an verschiedenen Stellen Lehren vorgetragen, die sich von denen des S. erheblich entfernen. Überhaupt macht die Explan. II mehr den Eindruck einer Kompilation aus verschiedenen Quellen (teilweise engere Beziehungen zur Ars des Charisius Bd. I c. 15); mehrfach wird Scaurus zitiert, einmal auch Probus, bemerkenswert ist die Erwähnung von Homer und Lycophron 540, 1 und der ,historia Alexandri Magni‘ 557, 24. Es ist wohl möglich, daß auch dies und jenes in der Explan. I vom Verfasser des zweiten Teiles herrührt, der jene durch seine Arbeit vervollständigen und ergänzen wollte. Mit der S.-Tradition dürfte die Explan. II kaum in ursprünglichem Zusammenhange stehen. Vgl. Keil G. L. IV, LII ff. V 6f. 91 ff. Hagen Anecd. Helv. LXXXIX ff. CXCII ff. Jeep Z. Gesch. d. Lehre v. d. Redeteilen b. d. lat. Grammatikern, Lpz. 1893, 28ff. Sabbadini Studi ital. XI 180ff. Schellwien De Cledonii in Don. comm., Königsb. 1894, 55ff.

3. Die kleine Schrift De finalibus gab Keil (G. L. IV 449ff.) aus den o. unter nr. 2 angeführten codd. Vindobon. und Monac, dazu aus zwei interpolierten Hss. heraus. Sie wird durch die Widmung Servius Honoratus Aquilino salutem und ein kurzes Vorwort eingeleitet und behandelt vornehmlich die Quantität der Endsilben. Die Überschrift lautet De finalibus (litteris fügt der Monac. hinzu) Honorati grammatici. Im übrigen ergeben sich auch hier wieder engere Beziehungen zu verwandten Schriften, zum Anonymus De finalibus (,metrorii‘ setzen die Hss. hinzu, daher der angebliche ,Metrorius‘; Keil schreibt ,metrorum‘) und zu Martianus Capella III 278–288, die eine ähnliche Erklärung wie beim Donatkommentar nahelegen. Da bei S. das den andern beiden gemeinsame Stück über die Participia fehlt, scheint jener nicht ganz intakt zu sein. Sonst liegt jedoch kein ausreichender Grund vor, zu bezweifeln, daß die Schrift auf S. zurückgeht (so Müller Jahrb. XCIII 565). Vgl. Keil G. L. IV S. XLIII ff. und LIV. Jeep a. O. 55. Langbein De Mart. Cap. gramm., Jena 1914, 44ff.

4. Die De centum metris betitelte Schrift (G. L. IV 456ff.) findet sich im cod. Paris. 7530, im cod. Neapol. Borb. IV A 8 saec. VII/VIII (der Charisius-Hs.) und dem oben erwähnten Berolinensis. Sie beginnt mit einem Widmungsschreiben Clarissimo Albino Servius grammaticus (über den Adressaten s. o. unter I). Der Verfasser bemerkt 457,1 licet audacter, non tamen ineleganter hunc libellum, qui volet centimetrum (also Centimeter ?) nominabit: tot enim metrorum digessi; er stellt dann 100 verschiedene Versarten mit selbstverfertigten Beispielen zusammen. Die Unterschrift lautet im cod. Paris. Marii Servii grammatici de centum metris. Vgl. Keil G. L. IV S. XLV ff. Müller a. O. und Rh. Mus. XXV 340. Hense De Iuba artigr. 9. 146.

5. De metris Horatii hat Keil (G. L. IV 468ff.) eine kleine Abhandlung überschrieben, die nur im Paris. 7530 selbständig erhalten ist und durch ein Widmungsschreiben Servius Fortunatiano dn̄ eröffnet wird. Aus diesem geht hervor, daß das Werkchen während der Ferien in Kampanien geschrieben wurde und daß der Verfasser den Terentianus wohl kennt. Es werden [1848] die verschiedenen horazischen Metra zusammengestellt. Der Traktat findet sich, mit mehrfacher Abweichung in den Einzelheiten, auch in der Γ-Rezension der ps.-acronischen Horazscholien (Ausg. von Keller I 4ff.). Vgl. Müller a. O. 565.

Die drei zuletzt angeführten kleinen Schriften sind gewiß recht unbedeutende Leistungen, sie sollten aber wohl auch nur Beweise der Aufmerksamkeit gegenüber den Empfängern sein. Wer der Aquilinus, der Adressat von nr. 8 ist, läßt sich nicht ermitteln; ob der Fortunatianus, dem die unter nr. 5 aufgeführte Schrift gewidmet ist, der bekannte Rhetor ist, steht dahin.

Die sog. Glossae Servii grammatici finden sich im cod. Harleianus 2773 saec. XII und den jungen Abschriften eines verlorenen cod. Puteaneus; ihre Spur läßt sich aber mindestens bis ins 8. Jhdt. zurückverfolgen. Es handelt sich um ein bilingues Glossar (lat.-griech.), das mit den sog. Idiomata verwandt ist. Wie es unter den Namen des S. gekommen ist, läßt sich nicht erkennen. Ausg. von Goetz Corp. gloss. lat. II 507ff.; vgl. denselben Praef. XXXIV; o. Bd. VII S. 1437 und Corp. gloss. lat. I 15. Hoffmann De ratione quae inter gloss. graecolatinas et gramm. latinorum scripta intercedat, Jena 1907, 28. Lindsay Class. Rev. XXXI 191.

Dem S. wurde in den älteren Ausgaben eine mittelalterliche Expositio in Terentium beigelegt, vgl. Sabbadini Studi ital. II 31: desgleichen im 15. Jhdt. die Vergilvita des Donatus, vgl. dens. a. O. XV 234.