Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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aus Alexandrien, Verfasser einer römischen Geschichte
Band II,1 (1895) S. 216237
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2) Appianus aus Alexandrien (ed. L. Mendelssohn vol. I 1879, vol. II 1881; von früheren Ausgaben ist nur die für ihre Zeit vortreffliche von Schweighäuser, Lpzg. 1785, 3 voll. zu nennen, alles weitere s. bei Mendelssohn in der Praefatio), spätestens unter Traian geboren (b. c. II 90), da er den Judenaufstand des J. 116 mit Bewusstsein erlebte (frg. 19) und unter Antoninus Pius ein alter Mann war (Front. epist. ad Anton. 9), verwaltete zuerst eines oder mehrere höhere Ämter der alexandrinischen Stadtverwaltung, erhielt dann, frühestens von Hadrian, das römische Bürgerrecht und das Ritterpferd und siedelte nach Rom über, um die Carrière der ritterlichen Civilbeamten einzuschlagen. Er wurde advocatus fisci (so wenigstens verstehe ich pr. 15 δίκαις ἐν Ῥώμῃ συναγορεύσας ἐπὶ βασιλέων, unter den Kaisern stehender Advocat): sein Freund Fronto – ein Brief A.s an ihn und Frontos Antwort über zwei von A. Fronto zum Geschenk angebotene Sclaven existieren noch (Front. ep. Graec. 4. 5, vgl. Wilamowitz ind. lect. Gott. 1884, 9) – bewarb sich mindestens zwei Jahre hindurch bei Kaiser Pius (epist. ad Anton. 9) um eine Procuratorenstelle für ihn, damit dem alten Manne, der keinen Ehrgeiz mehr habe und dem es aufs Gehalt nicht ankomme, die Rangerhöhung zu teil werde. Der Wunsch A.s ging endlich in Erfüllung, er wurde procurator Augusti oder, wenn man seine Worte presst (prooem. 15), Augustorum, was dann nur auf die Kaiser Marcus und L. Verus (161–169) bezogen werden kann. Seine Laufbahn erschien ihm merkwürdig genug, um sie in einem eigenen Werk zu beschreiben.

Er verfasste in der Musse des Alters eine römische Geschichte, Ῥωμαϊκά (prooem. 14; Hispan. 14), um 160 – ca. 200 Jahre nach Caesar (pr. 7) und ca. 900 a. u. c. (pr. 9) –, jedenfalls vor 165, da nach Marcus Partherkrieg ein kaiserlicher Beamter kaum den Euphrat als Reichsgrenze (pr. 2) angegeben haben würde. Dazu stimmt, dass die Stelle b. c. I 38 höchst wahrscheinlich vor 163 geschrieben sein muss, vgl. Jörs Unters. z. Gerichtsverfassung d. röm. Kaiserzeit, Festschrift für R. v. Ihering 50ff. Das Werk war ethnographisch eingeteilt, so dass jedesmal, wenn die Unterwerfung eines Landes oder Volkes begann, der zugehörige Abschnitt einsetzte und bis zum Abschluss durchgeführt wurde. Daran schloss sich die Erzählung der Bürgerkriege und der Eroberung Ägyptens. Die unter den Kaisern bis Traian gemachten Erwerbungen waren kurz, in einem Buche, der Ἑκατονταετία (vgl. Illyr. 30), erzählt, ausführlicher die Eroberungen Traians in der Δακική und Ἀράβιος. Daran sollte sich, wegen Traians Partherkrieg, die Παρθική anreihen (Syr. 51; b. c. II 18. V 65) und eine Übersicht über die Provincialverwaltung des Reiches (pr. 15) den Schluss bilden; aber beide Pläne scheinen nicht ausgeführt zu sein. So war ein Corpus von 24 Büchern – über die Citate mit Buchzahlen vgl. Mendelssohn p. VI. VII – entstanden, das noch Photios (cod. 57) vorlag, während die constantinischen Excerptoren merkwürdigerweise [217] nur die ersten 9 Bücher berücksichtigen: 1. Βασιλική. 2. Ἰταλική. 3. Σαυνιτική. 4. Κελτική. 5. Σικελικὴ καὶ νησιωτική. 6. Ἰβηρική. 7. Ἀννιβαϊκή. 8. Λιβυκή = Καρχηδονιακὴ καὶ Νομαδική. 9. Μακεδονικὴ καὶ Ἰλλυρική. 10. Ἑλληνικὴ καὶ Ἰωνική. 11. Συριακή. 12. Μιθριδάτειος. 13–17. Ἐμφυλίων α–ε. 18–21. Αἰγυπτίων α–δ, von Photios als Ἐμφυλίων ς–θ gezählt, vgl. b. c. VI. 22. Ἑκατονταετία. 23. Δακική. 24. Ἀράβιος. Erhalten sind 6–8, von 9 die Ἰλλυρική und 11–17 in den Hss., eine Epitome von 9 und der Anfang von 1 im Excerpt bei Photios und im cod. Paris. suppl. Gr. 607 A, ein merkwürdiges Fragment aus 24 in derselben Pariser, vom Athos stammenden Hs., einzelne Stücke aus 2–5 und 9 in den constantinischen Excerpten, sowie wenige und dürftige Fragmente bei Suidas und den Lexikographen. In frühbyzantinischer Zeit, noch vor Photios, ist eine Παρθική aus Plutarch zusammengeschrieben und an die Συριακή angehängt; die Unechtheit und Wertlosigkeit des Machwerks steht seit Xylander und Perizonius fest. Für Ἰβηρική Ἀννιβαϊκή Λιβυκή ist Vatic. 141 saec. XI die einzige Hs.; für das Prooemium ist der erste Teil derselben Hs. saec. XII die beste, durch die Klasse O (s. u.) und die Übersetzung des Candidus nur wenig verbesserte Überlieferung, für die Epitome der Κελτική die einzige. Der Rest ist überliefert durch einen Archetypus (O), der aus dem Monac. 374, Marcian. 387 und Vatic 134 hergestellt werden muss, daneben steht eine viel schlechtere, in vielen jungen Hss. (Vratisl. 14. Laur. LXX 33. Paris 1681. 1682 u. a. m.) vorliegende Tradition (i) und die auf Befehl Nicolaus V. verfasste lateinische Übersetzung von Petrus Candidus Decembris, diese ein Hülfsmittel von sehr zweifelhaftem Wert.

A. verrät in seiner Schriftstellerei nicht nur durch den loyalen Ausbruch gegen die hungrigen Philosophen, die nur aus Neid und weil sie nichts Vernünftiges thun, Opposition machen (Mithr. 28), den kaiserlichen Beamten. Er schreibt sachlich, ohne Phrase und ohne atticistische Prätentionen, von Kleinigkeiten, wie den Formen auf -αται u. ä. abgesehen; namentlich die Reden sind knapp und beschränken sich in wohlthuender Weise auf das Thatsächliche. Er versteht lateinisch und scheint nur lateinische Quellen benutzt zu haben. Den Alexandriner, der gewürdigt war, in dem grossen Räderwerk des Weltreichs ein Glied wenn nicht zu sein, so doch zu scheinen, erfüllt, wie begreiflich, die Bewunderung der römischen Erfolge, und er will sie den Griechen nicht durch rhetorische Enkomien, sondern durch Vorführung der Thatsachen mitteilen. Das ist alles ganz schön und lobenswert, aber der alte Beamte vindiciert sich auch das Recht des Dilettanten, es mit dem Studium und der Schriftstellerei weniger ernst zu nehmen als mit den Geschäften des Amts. Was von ihm als Historiker zu halten ist, lässt sich nur entscheiden, wenn die Frage nach seinen Gewährsmännern mit leidlicher Sicherheit beantwortet ist, eine Frage, die dadurch, dass er für wichtige Epochen die Hauptquelle ist, wichtig zugleich und schwierig wird.

Die Fragmente, welche die ältere römische Geschichte bis zum Sieg über Pyrrhos behandeln, aus der Βασιλική Ἰταλική Σαυνιτική Κελτική (1–11), [218] stimmen sehr oft mit Dionys so überein, dass der Gedanke, diesen für die Quelle zu halten, nahe liegt. Indes lassen sich auch nicht wenige Discrepanzen mit Sicherheit constatieren. Reg. 6 steht Liv. I 23, 5 näher als Dionys. III 7ff., und Reg. 7 geht vollends mit Dionys. III 13. 16 nicht zusammen. Reg. 12 ist ἀποδεικνύμενον ἔργα λαμπρὰ κατὰ τῶν Σαβίνων durch Dionys. V 40 nicht gedeckt. Die Geschichte Samn. 9 könnte aus Dionys. XIX 1 genommen sein, wenn der Schluss ein anderer wäre, und dass die Varianten und die präcise Form der Apophthegmen Samn. 10, 3 nicht aus dem Gewäsch des Dionys (XVIII 11–26) heraus destilliert sein können, ist an und für sich klar und wird überdies durch die Vergleichung mit Plut. Pyrrh. 20 bestätigt. Am wichtigsten sind die Erzählungen von der gallischen Katastrophe (Ital. 8; Gall. 2–6), von M. Manlius (Ital. 9) und vom senonisch-boischen Krieg (Samn. 6 = Gall. 11), für welche Mommsen (R. F. II 304. 307. 320. 347. 197. 366ff.) den Nachweis geführt hat, dass A. eine eigentümliche annalistische Tradition neben Livius und Dionys vertritt; wie denn auch die Vergleichung von Samn. 1 mit Liv. VII 42 zeigte dass in A. eine Contamination verschiedener Annalen steckt. Citiert wird Gall. 6 Κάσσιος (καύσιος Hss.) ὁ Ῥώμαῖος = Cassius Hemina: dass er nicht directe Quelle ist, zeigt u. a. die albanische Königsliste des Alexander Polyhistor Reg. 1 = frg. 1. Varianten werden notiert Samn. 10, 2 p. 40, 4ff. 10, 3 (s. o.).

Der erste punische Krieg war jedenfalls nicht nach Polybios erzählt, vgl. Sic. 1. 2; Lib. 3. 4; auch die Darstellung der illyrischen Verwicklungen (Illyr. 7. 8) weicht sehr von Polybios ab. Für den zweiten punischen Krieg, d. i. Ἰβηρική 1–38, Ἀννιβαϊκή, Λιβυκή oder besser Καρχηδονιακή 1–67, hat Hesselbarth (Historisch-kritische Untersuchungen zur 3. Dekade des Livius) scharfsinnig und im ganzen überzeugend nachgewiesen, dass, während Livius teils Polybios selbst benutzt, teils die Annalistik der Gracchenzeit und der sullanischen Epoche mit einander und mit Polybios contaminiert, A. die annalistische Tradition, wie sie zur Zeit des Valerius Antias ausgebildet wurde, wiedergiebt. Nur ist nicht zu billigen, dass die üppig wuchernde, Schösslinge auf Schösslinge treibende römische Annalistik des 7. Jhdts. d. St. auf die beiden Namen Coelius und Valerius reduciert wird, und für A. ist es entschieden falsch, dass er Valerius ausgeschrieben hat. Denn Lib. 14 stimmt mit dem Citat aus Coelius und Valerius bei Liv. XXIX 35 überein, aber Hispan. 19ff. hat A. die gewöhnliche Tradition und nicht die für Valerius (Liv. XXVI 49) charakteristische Abweichung, und Lib. 36ff. berührt sich zwar mit Valerius Darstellung (Liv. XXX 29), ist aber nicht identisch mit ihr. Hann. 54 ist Coelius Bericht dem valerianischen (Liv. XXVIII 46) vorgezogen; andererseits zeigt schon Hann. 5 vgl. mit Liv. XXI 47, dass Coelius nicht directe und alleinige Quelle ist. Damit soll keineswegs geleugnet werden, dass an sehr vielen Stellen Valerius zu Grunde liegt, nur nicht an allen und nicht direct. Vielmehr hat A. hier wie in der Archaeologie eine Quelle ausgeschrieben, welche contaminierte, und zwar so, dass die jüngeren [219] Annalen zwar nicht immer, doch meistens bevorzugt wurden; so wie ja auch dort die Übereinstimmung mit Dionys darauf führt, dass eben diese und nicht zum geringsten Valerius der Mischung die charakteristische Farbe gegeben haben. An fünf Stellen (Hisp. 13. 30; Hann. 40. 56; Lib. 56) kommt λέγεται vor; zweimal liegt Polybios zu Grunde (Hisp. 13 = Polyb. III 33. 30 = Pol. XI 24 a, 4), ohne dass dies etwas bewiese, da dieselben Dinge auch bei Livius (XXI 18. XXVIII 18) in solchen Partien stehen, welche nicht aus Polybios genommen sind. Lib. 56 stellt sich zu Liv. XXX 36 vgl. 40. Lib. 65 wird Catos Rede für die Rhodier aus dem 5. Buch der Origines (Liv. XLV 25) citiert. Dass A.s Quelle derjenigen Diodors, einem griechisch schreibenden Annalisten, hier sehr nahe steht, hat Hesselbarth richtig hervorgehoben; identisch sind sie nicht, vgl. Diod. XXV 10 mit Hispan. 5; XXVII 4, 7 mit Hann. 55; XXVII 6–8 mit Lib. 27. 28; XXVII 12 mit Lib. 35.

Was von der Darstellung der Folgezeit bis zum Ende des polybianischen Werkes erhalten ist, Ἰβηρική 39–60(?), Λιβυκή 67–135, die Fragmente der Μακεδονική, Συριακή 1–47 und Μιθριδάτειος 2–7, steht der Erzählung des Polybios so nahe, dass es begreiflich ist, wie einer oberflächlichen Beobachtung eben dieser als directes Original erschienen ist. Aber die Sache liegt hier ähnlich wie in der Archaeologie mit Dionys; eine lange Reihe nicht wegzubringender Discrepanzen weisen auf andere Wege. Der Macedon. 1 angeführte Vertrag zwischen Philipp und Karthago ist ebenso wie bei Liv. XXIII 33 eine grobe Übertreibung von Polyb. VII 9; Maced. 3 kann nicht aus Polybios (Liv. XXIX 12) stammen; die römische Gesandtschaft ging nicht, wie Maced. 4 erzählt wird, zu Antiochos und Philipp (Polyb. XVI 34, 3); Maced. 8 Schl. ist der polybianische Bericht (Liv. XXXII 22) etwas umgebogen; Maced. 11, 5ff. ist die Rede, die bei Polybios (Liv. XLII 41. 42) Perseus dem Q. Marcius hält, den makedonischen Gesandten an den Senat in den Mund gelegt; Maced. 12 wird Perseus Angebot, Frieden zu schliessen, anders interpretiert als Polyb. XXVII 8. Am wichtigsten ist die Verschiebung des polybianischen Originalberichts bei den Verhandlungen und dem Abschluss des Friedens (Maced. 9, 2ff.). Nach Polybios (XVIII 38, 2. 39, 4–7) nahm Flamininus in den Praeliminarien das Angebot Philipps, die früheren Forderungen der Römer und Hellenen zu erfüllen, an und überliess das einzelne dem Senat; bei A. erscheinen präcisierte Bedingungen, und die Caution von 200 Talenten nebst der Stellung von Geiseln für die Zeit bis zum Abschluss des Friedens ist zu einer jener Bedingungen umgewandelt. Das Hauptstück der früheren Forderungen war, Griechenland zu räumen (Polyb. XVIII 9, 1), womit das Aufgeben der makedonischen Garnisonen, sonderlich in Demetrias, Chalkis und Korinth, nahezu identisch ist (Polyb. XVIII 11, 4. 9). Im definitiven Frieden wurde Griechenland für frei erklärt, die festen Plätze aber an die Römer ausgeliefert, nur über Chalkis, Demetrias und Korinth, überliess der Senat den zehn Legaten die Entscheidung, die trotz der Einwendungen des Flamininus nur die Unterstadt Korinth den Achaeern gaben, aus den [220] anderen Plätzen die römischen Besatzungen nicht herauszogen. Bei A. begnügt sich Flamininus ‚schäbiger Weise‘ bei den Praeliminarien mit der Räumung der drei Plätze, und erst der Senat ist so grossmütig, ganz Griechenland frei zu geben; er also, und nicht Flamininus erscheint, mit directer Verkehrung des wirklichen Sachverhalts, als der Wohlthäter der Griechen. Das sind nicht Flüchtigkeiten A.s, sondern tendenziöse Verdrehungen des Originals, die er aus seinem Gewährsmanne übernommen hat. Gerade so liegen die Dinge in der Συριακή: auch hier eine Reihe von Verschiebungen, nicht Versehen, wie z. B. 6 die Abänderung der Antwort des Senats (Diod. XXVIII 15), 12 der Tod des syrischen Prinzen nach, nicht vor dem Empfang der römischen Gesandtschaft (Liv. XXXV 15), ebenda die Rede des Thoas, der erst viel später zu Antiochos kam (Liv. XXXV 42), – sie ist diejenige, welche bei Polybios (Liv. XXXV 18) der Akarnane Alexander im Staatsrat des Antiochos hält –, 30 die thörichte Ankündigung des Kampfes (vgl. Liv. XXXVII 39) und die monströse Auffassung von Domitius Oberbefehl, 31 die Umstellung der römischen Schlachtordnung (Liv. XXXVII 39), 36 der Sieg des Antiochos über Attalos (Liv. XXXVII 43). Dass in der Darstellung auch dieser Friedensverhandlungen und der Expedition des Manlius Volso das Unwesen deutlich zu spüren ist, das ein Annalist mit Polybios Berichten getrieben hat, ist von Mommsen (R. F. II 511ff.) bewiesen; ebenso dass die Erzählung der Scipionenprocesse (Syr. 40) auf Valerius Antias beruht, aber nicht von A. direct entlehnt sein kann (a. a. O. 417ff.). 10 wird mit λέγεται die Tradition des Claudius Quadrigarius (Liv. XXXV 14) über Scipios Begegnung mit Hannibal eingeführt, und das ist nicht blosse Einlage, da auch im Context der Erzählung Scipio Mitglied der Gesandtschaft ist, eine notorische Fälschung (Liv. XXXV 13). In dem Krieg zwischen Prusias und Attalos ist die Verwüstung von Nikephorion (Mithrid. 3) aus dem ersten (Polyb. XXXII 27) in den zweiten Zug des Prusias (Polyb. XXXIII 9) geschoben. In der Λιβυκή ist der Anschluss an Polybios am engsten, der ja auch 132 citiert wird. Aber um von den Schilderungen und Reden abzusehen, von der 77 Schl. erzählten Ankündigung der Consuln steht bei Polybios (XXXVI 6, 1) nichts, dagegen ist 80 die Aufforderung der Consuln, noch einmal Gesandte zu schicken (Diod. XXXII 6, 2), übergangen, 131 (λέγουσιν) stimmen weder die Worte von Hasdrubals Gattin, noch der Brand des Tempels mit Polybios Erzählung (XXXIX 4) genau überein (s. u.), 106. 108 ist Massinissas Tod und Phameas Übertritt ins J. 149 statt 148 (Liv. per. L) gesetzt, mit Absicht, um die ebenso falsche einjährige Abwesenheit Scipios vom Kriegsschauplatz herauszubringen (112); am schlimmsten ist die Verdrehung der berüchtigten Antwort des Senats auf die Dedition der Karthager, durch welche die brutale Rabulisterei verschleiert werden soll und nur noch roher wird (76 und 89 Schl. vgl. mit Polyb. XXXVI 4, 4), ein echtes Annalistenstück. Über die spanischen Berichte ist darum schwer zu urteilen, weil von Polybios zu wenig erhalten ist dank Livius, der hier die Annalistenlügen bevorzugt hat: doch zeigen 42 vgl. mit [221] Diod. XXIX 28 und 48 vgl. mit Polyb. XXXV 2, 3. 4 die Verwandtschaft zugleich und die Discrepanz. Da das eigentümliche Verhältnis zu Polybios in allen Partien ein ähnliches ist, darf wohl die Vermutung gewagt werden, dass der Vermittler überall ein und derselbe gewesen ist, um so mehr als die Veränderungen, die mit den beiden Friedensschlüssen mit Makedonien und mit Syrien vorgenommen sind, sich sehr gleichen und die σμικρολογία Flaminins in der Μακεδονική (9) und in der Συριακή (11) vorkommt. Dass dieser Vermittler, der den Polybios etwas überarbeitete und, in der Geschichte der ersten Decennien des 2. Jhdts. v. Chr. stärker, nachher immer weniger, mit annalistischen Elementen mischte, ein römischer Annalist war, kann keinem Zweifel unterliegen; aber ein Annalist, der sich von den Schriftstellern der sullanischen Epoche in auffallender Weise unterscheidet. An Valerius Antias ist nicht zu denken – vgl. Maced. 9 mit Liv. XXXIII 30; Maced. 11, 1 mit Liv. XLII 11; Syr. 20 mit Liv. XXXVI 19 –, und doch ist sein Einfluss unverkennbar, der in Frage kommende Annalist also jünger. Das unterscheidende Merkmal ist die Stellung zu Polybios. Sicher ist die sog. annalistische Tradition, von der Magistratstafel und der Stadtchronik abgesehen, zum grössten Teil, schon bei Coelius, nichts als das durch immer neue Veränderungen, Zusätze, Umkehrungen entstellte polybianische Original – vgl. Mommsen Herm. XX 151, 5 und z. B. App. Hisp. 34–36 und Polyb. XI 25ff., Liv. XXVI 50 und Pol. X 19 –; wenn die Entstellung das Original ganz unkenntlich gemacht hat, so liegt das daran, dass den vornehmen Dilettanten, in deren Händen im republicanischen Rom die Geschichtschreibung lag, wenn sie ihre Musse zur Belehrung und Unterhaltung eines unwissenden und zur Kritik nicht fähigen Publicums anwandten, die Lüge, sonderlich die patriotische, noch viel eher erlaubt war als dem Rhetor. Jene Annalisten der republicanischen Zeit haben auch keineswegs die Überlieferung des 2. punischen Kriegs allein heimgesucht, vielmehr ihr Unwesen auch in den späteren Partien der nationalen Historie fortgesetzt; höchstens kann zugegeben werden, dass Polybios hier etwas mehr durchschimmerte. Ganz anders die unmittelbare Quelle A.s, die nach dem 2. punischen Krieg in breiten Massen die nur leicht verfälschte polybianische Überlieferung in die Erzählung hineinleitet. Das fällt um so mehr auf, als sichere Spuren darauf führen, dass A. selbst die Quelle nicht gewechselt hat; ein Annalist, der jünger als Valerius Antias ist, lässt sich immer wieder constatieren, und die sehr charakteristische Leibgarde des Feldherrn fehlt in der Schlacht bei Magnesia so wenig (Syr. 31) wie in der bei Cannae (Hann. 19. 20) und Zama (Lib. 41). A.s Gewährsmann ist ganz ähnlich wie Livius mehr und mehr von der Annalistik zu Polybios übergegangen, und wenn von dem sehr zu Livius Gunsten sprechenden Unterschied abgesehen wird, dass dieser den Polybios übersetzt, jener ihn modificiert, ist die Abweichung von der republicanischen Annalistik bei beiden ein so durchgreifender Bruch mit dem traditionellen Verfahren der römischen Geschichtschreibung, dass das Zusammentreffen kein zufälliges [222] sein kann. Dies einmal zugegeben, muss weiter zugegeben werden, dass der viel gewissenhaftere, ehrliche Livius einen ungleich grösseren Anspruch auf die Priorität bei der Restitution des Polybios hat, als A.s Gewährsmann, der hier wieder von neuem anfängt, die Überlieferung zu trüben. In diesem Zusammenhange dürfte der Hann. 13 angeführte Spruch des Kaisers Augustus nicht ohne Bedeutung und ein weiterer Fingerzeig für die Zeit sein, in welche A.s directer Gewährsmann zu setzen ist.

Im mithridatischen, dem Rest des spanischen, dem numidischen und dem ersten Buch der Bürgerkriege, sowie in kleinen Teilen des gallischen und illyrischen Buchs liegt über allem der lästigste, undurchdringliche Nebel, den die moderne sog. Quellenforschung (die Litteratur ist angegeben z. B. von Vogel Quaestiones Plutarcheae, Diss. Marb. 1889 und B. Maurenbrecher C. Sallusti Crispi Historiarum reliquiae I 8) womöglich noch verdichtet hat. Nur so viel ist sicher erkennbar, dass weder Poseidonios, noch Sallust, noch Livius direct und ausschliesslich benutzt sind. Dass Poseidonios in der Erzählung steckt, soll nicht geleugnet werden, vgl. z. B. Hisp. 63. 71. 72 über Viriathus mit Diod. XXXIII 1. 21. 21 a; b. c. I 97 p. 661, 18 ist wohl Poseidonios gemeint (vgl. Diod. XXXVIII/IX 15); ich will zugeben, dass die Concordanzen mit Plutarchs Marius (b. c. I 67 p. 630, 23ff. = Plut. 41 Schl.; 70 p. 634, 1ff. = Plut. 43; 72 p. 636, 6ff. = Plut. 44) auf Poseidonios führen, obgleich die Scheidung zwischen dem was Plutarch aus diesem und was er aus Livius genommen hat (vgl. z. B. App. b. c. I 58 p. 622, 1ff. = Plut. Sull. 9 = Oros. V 19, 4), sehr schwer sein dürfte – Metellus Rückkehr (b. c. I 33) wird anders als bei Diod. XXXVI 16 erzählt, Mithrid. 52 (über Flaccus Streit mit Fimbria) weicht von Diod. XXXVIII/IX 8 ganz ab, b. c. I 69 p. 633, 8 ist Cinnas Antwort ersichtlich eine Umbildung von der bei Diod. XXXVIII/IX 1 überlieferten; dass Marius sich bis zu seinem Tode mit Plänen gegen Sulla trug, will zu der pathetischen Darstellung des Stoikers bei Plut. Mar. 45 nicht passen. Vgl. auch Arnold Untersuchungen über Theophanes und Posidonius, Jahrb. f. Philol. Suppl. XIII 100ff., der aber viel Falsches vorbringt. Die Darstellung der gracchischen Bewegung weicht von der stark optimatisch gefärbten des Poseidonios bei Diodor in der Tendenz wie im einzelnen so ab, dass auch hier directe Benützung jenes ausgeschlossen ist; Busolt (Quellenkritische Beiträge zur Geschichte der römischen Revolutionszeit, Jahrb. f. Phil. CXLI 321ff. 405ff.) hat hier wie überhaupt ebenso falsch über A. wie richtig über Diodor geurteilt. Sallust liegt nicht oder doch nur in starker Umbildung in der Νομαδική frg. 4. 5 (vgl. bell. Iug. 102. 103. 105. 108) vor. Dagegen haben die Historiae die Erzählung von Lucullus Feldzügen geradezu beherrscht (vgl. Mithr. 76 p. 514, 23. 78 p. 517, 5 = Sall. ep. Mithr. 14; 72 p. 511, 2ff. = Sall. hist. III 29 = Plut. Luc. 9), und die Vermutung ist kaum abzuweisen, dass die recht häufigen Übereinstimmungen des Mithridatbuches mit Plutarchs Lucull in der Regel Sallust verraten (Mithr. 75 p. 514, 12ff. = Plut. 11; 77 p. 516, 7 = Plut. 12: 78 p. 517, 20ff. = Plut. 14; 78 Schl. 79 p. 518, 25ff. [223] = Plut. 15; 82 p. 522, 6ff. = Plut. 17; 85 p. 525, 22ff. = Plut. 27; 89 p. 530, 2ff. = Plut. 35), wenngleich einzelnes auch auf Livius weist (Mithr. 75 = Plut. 10 = Obsequens 60). B. c. I 80 (Sulla und Pompeius) dürfte zu φασίν Sallust zu ergänzen sein (hist. V 20); im sertorianischen Krieg stimmt die Bemerkung über Pompeius Alpenübergang (b. c. I 109) mit der epist. Pomp. 4, nur ist ein arger geographischer Schnitzer hineingebracht (Arnold Jahrb. Suppl. XIII 103). Vgl. Maurenbrecher in dem citierten Buch, dessen gute Beobachtungen nur durch eine falsche Grundansicht von Appian beeinträchtigt worden. Aber andere Stellen (Mithr. 79 p. 519, 10ff. vgl. Plut. 16; 80 p. 520, 19ff. vgl. Plut. 17; 83 vgl. Plut. 23; 84 p. 524, 7ff. vgl. Plut. 24 Schl.; 84 p. 524, 12ff. vgl. Plut. 25 Anf.; 85 p. 526, 5ff. vgl. Plut. 28) zeigen neben der Ähnlichkeit auch Abweichungen und Verschiebungen, und Mithr. 85 ist die livianische Tradition, dass Lucull bei Tigranocerta mit Tigranes und Mithridat schlug (Oros. VI 3, 6. Frontin. strat. II 1, 14. Dio bei Xiphil. p. 3) der sallustischen, nach welcher Mithridat erst nach der Niederlage sich mit Tigranes vereinigte (Plut. 29), vorgezogen, sowie sich auch sonst livianische Züge finden, vgl. Mithr. 78 p. 517, 10–12 = Oros. VI 2, 24. Es mag gleich hier bemerkt werden, dass in der Geschichte der catilinarischen Verschwörung (b. c. II 2–7) zwar Satz für Satz sich in Sallusts Catilina nachweisen lassen, aber stets in anderer Ordnung, dabei offenbare Verschiebungen sich finden (2 p. 688, 16ff. vgl. Sall. Cat. 26, 1. 4. 5; 7 p. 693, 1 ist ein Motiv von Cato auf Cicero übertragen, vgl. Sall. 52, 35; Sall. 61, 7 ist 7 p. 693, 17ff. ins Gegenteil verkehrt); A. hat das nicht selbst gethan, da die von Sallust und dem thatsächlichen Hergang abweichende Sententia Caesars (6 vgl. Sall. 51, 43) bei Plutarch (Cic. 21; Caes. 7) wiederkehrt, ebenso wie das bei Sallust fehlende Dictum Ciceros nach der Hinrichtung der Catilinarier (6 Schl. = Plut. Cic. 22). Ferner werden bei beiden (5 = Plut. Cic. 19) die Catilinarier den Praetoren zur Haft übergeben und das Heer Catilinas auf 20 000 geschätzt (7 = Plut. Cic. 16); die übrigen Concordanzen, welche Buresch Die Quellen zu den vorhandenen Berichten von der catilinarischen Verschwörung (Commentat. Ribbeck. 217ff.) S. 233 zusammenstellt, beruhen auf nachlässigem Beobachten, da an den meisten Stellen das gleiche Verhältnis A.s zu Sallust wie sonst obwaltet, an der einzigen noch übrigbleibenden aber, 2 p. p. 688, 4, nicht Plut. Cic. 10, sondern Dio XXXVII 10, 3, d. h. Livius, und Asconius p. 75, 1ff. 78, 10ff. zu vergleichen waren. In Fortsetzung der von Weizsäcker (Jahrb. f. Philol. CXI 417ff.) und Thouret (Leipzg. Stud. I 304ff.) aufgestellten Hypothese, dass Plutarchs Hauptquelle Ciceros Hypomnema sei, behauptet Buresch, dass jene Concordanzen zwischen A. und Plutarch auf eben dieses Buch zurückzuführen seien. Nun hat zwar Plutarch das Hypomnema eingesehen, aber nicht seiner Erzählung zu Grunde gelegt, wie schon die Citate Crass. 13 (Cic. 15 ist aus Livius, vgl. Dio XXXVII 31) und Caes. 8 lehren, vor allem aber die nicht wegzuinterpretierende Thatsache, dass Plutarch (Cic. 19. 20) ebenso wie Livius (Dio XXXVII 35, 4) das prodigium am Fest der [224] Bona Dea in die Nacht vom 4. auf den 5. December 63 verlegt, Cicero selbst (Serv. Bucol. 8, 104) in die Zeit vor seiner Wahl zum Consulat. Sodann kann die wichtigste Concordanz, die über die Sententia Caesars, unmöglich auf Cicero zurückgehen: wie hätte er in seinem Hypomnema diesen wichtigen Punkt so entstellen können, wo ihn die von ihm herausgegebene IV. Catilinaria sofort Lügen strafte? Freilich auch nicht auf Livius: denn Dio (XXXVII 36, 2) hat das richtige. In dem ganzen Bericht Plutarchs über die Senatsverhandlung (Cic. 20. 21; Caes. 8; Cato min. 22–24) steckt ein hauptstädtischen Klatsch boshaft mit richtigem mischender Autor, der auch dem Gewährsmann A.s vorlag; er schob das Verdienst oder die Schuld am Tod der Catilinarier von Cicero weg auf Cato, eine Tendenz, der sich auch Sallust und Livius nicht entzogen haben, und die ganz allgemein herrschte, gegen die aber Cicero im J. 45 (ep. ad Att. XII 21) auf das heftigste protestierte, zum klärlichen Beweis, dass die Reconstruction von Ciceros Hypomnema aus Plutarch und A. eitel Schwindel ist. Die ‚Übersetzungsfehler‘, mit denen Buresch A. selbst die Contamination der Quellen zuschieben will (a. a. O. 232), sind keine Fehler, sondern bewusste Verschiebungen eines sehr geschickten und nicht unwissenden Mannes. Also ist Sallust geradeso wie Poseidonios nicht von A., sondern von A.s Gewährsmann benutzt, mit anderem versetzt und umgebildet. Das gleiche möchte ich von Livius behaupten. Ähnlichkeiten lassen sich genug finden (vgl. die oberflächliche Dissertation von R. Jordan De fontibus Appiani in bellis Mithridaticis enarrandis, Gött. 1872, für den Bundesgenossenkrieg Busolt a. a. O. und Marcks Die Überlieferung des Bundesgenossenkriegs, Diss. Marb. 1884) und ich glaube allerdings, dass in der Mithr. I 104 angeführten Variante sich Livius verbirgt (Dio XXXVI 52. Plut. Pom. 33); aber daran, dass Livius für irgend eine Partie ausschliesslich ausgeschrieben wäre, ist gar nicht zu denken (vgl. F. Arnold Quaestionum de fontibus Appiani specimen, Diss. Königsb. 1882; Jahrb. Suppl. XIII 80). Ebensowenig kann Theophanes für Pompeius Zug direct benutzt sein, vgl. u. a. die Angaben über die Araxesmündung Mithr. 103 (= Plin. n. h. VI 26. Plut. Pomp. 34, die Controverse ist sicher älter als Corbulos Zug) mit Strab. XI 501, Mithr. 101 mit Strab. XII 555, Mithr. 102 (Apollodor bei Strab. IX 416) mit Strab. XI 495. In der Geschichte des Ti. Gracchus findet sich eine auffallende Berührung mit Plutarch (b. c. I 12 p. 576, 14ff. = Plut. 11), die vielleicht auf Fannius zurückgeht; das Citat aus einer Rede des Ti. Gracchus b. c. I 12 steht bei Plutarch 15 in anderem Zusammenhang; b. c. I 14 p. 579, 8ff. steht dem Fragment von Sempronius Asellio bei Gell. II 13 sehr nahe. Zweimal b. c. I 56 p. 620, 1. 2 (Plut. Mar. 35) und Mithr. 45 (Plut. Sull. 19) findet sich eine Spur von Sullas Memoiren. Aber weder mit diesen vereinzelten Beobachtungen noch mit den Mithr. 53. 75. 117; b. c. I 20. 104. 118 auftauchenden Anführungen und Varianten ist etwas anzufangen. Auch diese Epoche also wird mit verschiedenen, durcheinander gemischten Farben geschildert; am schlimmsten ist, dass der unbekannte Gewährsmann auch hier [225] nur zu sehr sich auf die in der antiken Historiographie traditionelle Technik der Umformung des Vorbildes verstanden hat. Ich wenigstens erkenne eine tendenziöse Fälschung zu Gunsten des Senats darin, dass Mithr. 14 (vgl. 17) vom Proconsul und dem Legaten, nicht vom Senat (Livius bei Oros. VI 2, 1. Eutrop. V 5, 1. Dio frg. 97) Mithridates der Befehl erteilt wird, die Feindseligkeiten gegen Nikomedes einzustellen; eine nur durch die antike historiographische Technik verständliche Variation ist es, wenn Mithr. 48 die Verurteilung der 1600 Kleinasiaten durch den König ans Ende statt an den Anfang der aufrührerischen Bewegung (Oros. VI 2, 8) gestellt wird oder 103 Oroezes und Artokes zusammen gegen Pompeius sich erheben, nicht Oroezes allein (Liv. bei Dio XXXVII 2 Schl.), und die Art, wie W. Fabricius (Theophanes von Mytilene und Q. Dellius als Quellen der Geographie des Strabon, Diss. Strassb. 1888, 94ff.) die Darstellung des ersten kleinasiatischen Feldzugs des Pompeius zurechtschieben will, macht die wirre Überlieferung noch wirrer, weil berichtende und erfindende Zeugen nicht unterschieden werden. A.s Gewährsmann hat das Reitergefecht, das erst in Mihridats Gebiet kurz vor der Blokade stattfand (Livius bei Dio XXXVI 47), weiter nach Westen und in eine frühere Zeit verlegt, ferner das Nachtgefecht gestrichen und ein anderes, sonst nicht nachweisbares Treffen (96ff.) an die Stelle gesetzt – beide Ereignisse sind nicht direct erfunden, aber verstellt, um der Erzählung das Gepräge der Neuheit zu geben, was wir nur vom Dichter verlangen, der antike Historiker aber mit wenigen Ausnahmen als sein Recht in Anspruch nimmt. Dasselbe gilt von dem Bericht über die Verhandlungen Sullas mit dem Senat, b. c. I 77: der Senat sandte allerdings Ende 85 Gesandte an Sulla (Liv. per. LXXXIII), aber vor Beendigung des Kriegs, so dass der Brief Sullas bei A. in der Luft steht; von der zweideutigen Antwort Sullas und der Umkehr seiner Boten b. c. I 81 vgl. mit Liv. per. LXXXIV; von der Metzelei in Rom, die der jüngere Marius vor seinem Abmarsch gegen Sulla (Oros. V 19, 4. Liv. per. LXXXVI. Vell. II 26), nicht erst von Praeneste aus anordnete (b. c. I 88), um nur die schlagendsten Beweise anzuführen. Und wenn eingewandt wird, dass in den angeführten Fällen nur Livius die Controlle hergiebt, so ist doch unzweifelhaft, dass Mithr. 103 Mithridats Verfolgung durch Pompeius mit starker Umbiegung der festen Tradition vor, statt nach dem armenischen Feldzug gesetzt ist, und dass Sulla, wie sichs gehört, vom Interrex zum Dictator ernannt (Cic. ad Att. IX 15, 2) und nur das die Dictatur constituierende Gesetz von den Comitien votiert ist (Cic. de leg. agr. III 5), nicht aber Sulla zum Dictator gewählt ist (b. c. I 99). Vgl. auch Arnold Jahrb. Suppl. XIII 89. 94. Aus alle dem folgt, dass es höchst gefährlich ist, die appianische Erzählung des Bundesgenossenkriegs, des sullanischen Feldzugs von 83/82, der Kämpfe mit Sertorius, der Niederwerfung des Spartacus aus den anderen Quellen zu ergänzen und so zur Nacherzählung zu benutzen; in dem Mosaik sind gute und echte Steine, aber die Zusammensetzung ist willkürlich und romanhaft, so sehr, dass Wahres und Falsches für uns nur [226] mit sehr bedingter Wahrscheinlichkeit zu sondern ist.

Die Erzählung der Ereignisse vom sog. ersten Triumvirat bis zur Schlacht bei Philippi (b. c. II 8 – IV Schl.; Gall. 15–21) hat darum ein besonderes Interesse erregt, weil schon Drumann (I 81) A. das Zeugnis ausgestellt hatte, dass ‚er wie kein anderer unter denen, welche hier in Betracht kommen, die Charaktere durchschaut und die Erscheinungen auf ihre Quelle zurückgeführt hat; wo Dio schwatzt und Plutarch als ein guter Beobachter schildert, da bewährt er meistens den tiefen Denker, aber die Zeiten hat er mehr als einmal verwechselt.‘ Das Urteil schien eine überraschende Bestätigung zu finden, als 1874 P. Bailleu (Quomodo A. in bellorum civilium libris II–V usus sit Asinii Pollionis historiis, Diss. Gott.) die schon früher aufgestellte Hypothese wieder aufnahm, dass II 8–117 sicher, der ganze Rest mit Einschluss des fünften Buchs wahrscheinlich aus Asinius genommen seien. Asinius wird einmal (II 82 = Plut. Pomp. 72) citiert, II 35 wird ein Ausspruch Caesars berichtet, für den Plutarch (Caes. 32) ziemlich unzweideutig Asinius als Zeugen anführt, doch ist die plutarchische Fassung anders und feiner als bei A.; II 40 und 46 tritt er in auffallender Weise hervor. Ferner ist der Standpunkt entschieden caesarianisch, was freilich nicht viel beweist. Immerhin mag zugegeben werden, dass die häufigen Übereinstimmungen mit Plutarch (ausser Bailleu vgl. Wichmann De Plutarchi in vitis Bruti et Antoni fontibus, Diss. Bonn. 1874. Thouret Lpzg. Stud. I 341. Vogel Quaestiones Strabonianae 21ff. Otto Strabonis Ἱστορικῶν ὑπομνημάτων fragmenta, Lpzg. Stud. XI Suppl. 247ff.) auf Asinius zum Teil zurückgehen, obgleich hier eine Schwierigkeit steckt, die zu wenig berücksichtigt wird. Plutarch hat neben Asinius und Caesar sicher Livius benutzt, der seinerseits auch Caesar sicher und Asinius sehr wahrscheinlich heranzog; dass in A. Livius nicht steckte (ich meine nicht directe Benutzung), hat noch niemand bewiesen und wird durch III 77 widerlegt, wo Perizonius Emendation Λιβίῳ für Λίβωνι durch Liv. per. CXIV. Dio XLVII 26ff. bestätigt wird; auch III 8 Schl., dürfte, nach Dio XLVII 21 zu schliessen, ein verdrehtes Liviuscitat vorliegen. Vgl. ferner z. B. b. c. II 83 p. 767, 19–22 = Lucan. VIII 161ff. 257ff. 279. 280; p. 768, 3 = Lucan. VIII 415. 416; p. 768, 7–9 = Lucan. VIII 446–449. So werden die Concordanzen zwischen A. und Plutarch zu einer sehr intricaten Materie, an deren Entwirrung nicht eher zu denken ist, bis eine zuverlässige Restitution des Livius vorliegt. Hingegen scheint A.s Gewährsmann Caesars Commentare nur indirect benutzt zu haben. Gall. 15 stimmt mit Plut. Caes. 18 gegen Caes. b. G. I 10. 12. überein; Gall. 18 werden Caesar und Tanusius Geminus zusammen citiert, wie Plut. Caes. 22; b. c. II 70 beruhen die Angaben zwar auf Caes. b. c. III 84. 88. 89, aber die Summe ist von Caesar nicht gezogen, und da Livius (Eutrop. VI 20, 4. Oros. VI 15, 23. 24) andere Zahlen hat – vielleicht ist er p. 755, 5 gemeint –, dürfte hier Asinius vorliegen. Beweisend ist II 79, wo Caes. b. c. III 92 mit derselben Abänderung citiert wird wie bei Plut. Caes. 44; Pomp. 69: also haben sowohl Plutarch, an dieser Stelle, als A.s Gewährsmann [227] das Citat übernommen. Übrigens sind die Worte ἐν ταῖς ἐπιστολαῖς nur als eine falsche Übersetzung von in commentariis oder besser einer rhetorischen Wendung wie in ea narratione quam litteris mandavit oder quae litteris extat zu erklären: A.s Gewährsmann war also ein Römer. Bailleu hatte versäumt, die Erzählung A.s im einzelnen nachzuprüfen; wer das thut, findet neben vortrefflichem Detail so viele monströse Verschiebungen und Verdrehungen, dass er nur noch eine indirecte und durch eine schlimme Trübung hindurchgegangene Benützung Pollios zugeben kann. Einiges hat Thouret (a. a. O. 342) angeführt. II 10–12 sind die von den übrigen Autoren (Dio XXXVIII 1ff. Suet. Caes. 20. Plut. Cat. 31ff.) richtig geschiedene Lex agraria und Lex Campana Caesars (Cic. ad Att. II 12, 1. 16, 1. 2; ad fam. XIII 4) zusammengeworfen, ist die falsche Behauptung aufgestellt, dass ein Consul den Senat nicht berufen könne, und Bibulus famoser Rückzug in seine vier Wände vor die Comitien, in denen über die Lex agraria abgestimmt wurde, geschoben (das Richtige haben Suet. Caes. 20. Dio XXXVIII 6, vgl. Cic. ad Att. II 16, 2); in dem Bericht über Vettius ist das, was nach Cic. ad Att. II 24 nur Plan war, dass Vettius sich auf dem Forum betreffen lassen sollte, zur Wirklichkeit geworden. Caesar verschwägerte sich mit Pompeius nicht erst nach Ablauf des Consulats (II 14), sondern schon im April (Cic. ad Att. II 17, 1). In der Erzählung des Bürgerkriegs ist die Darstellung (II 33), dass die flüchtigen Tribunen Caesar schon in Ravenna trafen, caesarianischer als die eigene Caesars (b. c. I 8 vgl. Suet. Caes. 31. 33); ebenso dass L. Domitius gleich nach Verlesung des Ultimatums Statthalter von Gallien geworden wäre (b. c. I 6); II 61 ist Caesars Plan, Pompeius bei Dyrrhachium einzuschliessen, in seltsamer Weise vom Anfang weggerückt; die Behauptung, dass Pompeius die von Caesar verlassenen Plätze besetzt hätte, ist ersichtlich eine fälschende Verallgemeinerung von dem, was Caes. b. c. III 66 erzählt ist. Dass Caesar in Alexandrien Pothinos und Achillas als Mörder des Pompeius hinrichten liess und dadurch den ersten Aufstand der Alexandriner hervorrief, ist eine Schwindelei, die Asinius nicht zuzutrauen ist (das Richtige über den Aufstand Caes. b. c. III 106 und Liv. per. CXII, sowie bei Lucan. X 11 und Dio XLII 7, 3; über Pothinos Caes. b. c. III 112 und Liv. bei Lucan. X 515. Dio XLII 39, 2), wenn auch der Irrtum, dass Caesar Achillas töten liess (vgl. b. Alex. 4. Livius bei Lucan. X 523) wegen Plut. Pomp. 80 ihm vielleicht zur Last zu legen ist. Spurinnas Weissagung ist II 116 effectvoll auf den Todestag Caesars verlegt, während alle anderen Quellen (Drumann III 725) mit der Darstellung Ciceros (de divin. I 119) übereinstimmen oder sich vereinigen lassen. Nach diesen Beobachtungen wird es als ein Wagnis erscheinen in den wichtigen Kapiteln II 23–33, welche die Vorgeschichte des Bürgerkriegs enthalten, das Richtige vom Falschen zu sondern; besonders die Senatsverhandlungen des J. 50 sind nicht ins reine zu bringen. Nur eine Fälschung lässt sich noch erkennen. II 32 werden die Bedingungen, welche Caesar nach dem Einrücken in Italien nicht an den Senat, sondern [228] an Pompeius (Suet. Caes. 29) stellte (Cic. ad fam. XVI 12, 3) und die am 23. Januar (Cic. ad Att. VII 14, 1) abgegeben wurden, vor die Abgabe des Ultimatums gestellt. Allerdings schiebt auch Plutarch (Caes. 31; Pomp. 59) diese Verhandlungen, wahrscheinlich nach Asinius, vor die Abreise der Tribunen, was chronologisch so gut wie unmöglich ist (Nissens Aushülfe [Histor. Ztschr. XLVI 86] ist wenig glücklich; Ciceros Äußerungen ad fam. XVI 11, 2. VI 6, 5; ad Att. IX 11 A, 2 sind nicht so schwer zu nehmen und können sich nach dem klaren Wortlaut nur auf Verhandlungen im Senat, also auf die über das Ultimatum, beziehen; ebenso urteilt jetzt auch O. E. Schmidt Der Briefwechsel des M. Tullius Cicero u. s. w. 16f.); aber bei A. sind sie noch ins J. 50 geschoben, was, wie Nissen a. a. O. 84 richtig bemerkt, ganz sinnlos ist. Wenn nun aber Pollio nicht directe Quelle A.s ist, so ist es ein ganz leerer Einfall Thourets (a. a. O. 338ff.), einen griechischen excerpierten Asinius zu erfinden, den A. und Plutarch (!) benutzt hätten. In dem Suidasartikel über Asinius von Tralles ist natürlich der letzte Satz auf Asinius Pollio zu beziehen, die bei A. (II 102) und Plutarch Caes. 55 übereinstimmende Notiz über Caesars Census ist wahrscheinlich nicht so falsch, wie Thouret glaubt, und sicher nicht so thöricht, dass man sie Pollio oder Livius (vgl. per. CXV) nicht zutrauen könnte, und die Stelle Plut. Caes. 46 ταῦτά φησι Πωλλίων Ἀσίνιος τὰ ῥήματα ῥωμαϊστὶ μὲν ἀναφθέγξασθαι τὸν Καίσαρα παρὰ τὸν τότε καιρόν, ἑλληνιστὶ δ’ ὑπ’ αὐτοῦ γεγράφθαι bekommt nur dann Sinn, wenn ῥωμαϊστί und ἑλληνιστί mit einander vertauscht werden; dass ein Römer lateinisch spricht, wird niemand besonders hervorheben, wohl aber, dass der Ausspruch eines berühmten Mannes nicht im Original referiert wird, wenn anders er so wie Pollio den Ehrgeiz hat, für vorzüglich unterrichtet zu gelten und sich doch nicht entschliessen kann, die stilistische Einheit der historischen Treue zu opfern. Vgl. die ähnliche Stelle Plut. Pomp. 60, die nach Caes. 32 zu urteilen ebenfalls aus Pollio stammt, und Messala bei Plut. Brut. 40.

Den Rest der Bücher von den Bürgerkriegen, so weit er erhalten ist, hatte Bailleu ebenfalls für Pollio in Anspruch genommen; dasselbe ist kürzlich für II 118–IV Schl. behauptet in der flüchtigen und wertlosen Jenenser Dissertation von Hinz Zur Beurteilung A.s und Plutarchs in der Darstellung der Ereignisse von der Ermordung Caesars bis zum Tode des M. Brutus, 1891. Dagegen ist schon mit Recht bemerkt worden, dass Pollios Werk schwerlich weiter als bis zur Schlacht bei Philippi reichte. Sodann macht die Benutzung der Commentare des jüngeren Caesar, die Pollio schwerlich kannte (Thouret a. a. O. 343f.), Schwierigkeiten. Sie werden IV 100 citiert, und zwar ungenau, wie sich aus dem gleichen Citat bei Plutarch (Ant. 22; Brut. 41) ergiebt, und sind, wenn auch mit Abänderungen, auch in dem nicht schlechten Bericht über Caesars Anfänge (III 10. 11, vgl. Nicol. Dam. vit Caes. 16–18) und III 95 (vgl. Suet. Aug. 85) ausgeschrieben. A. hat die Commentare nicht direct benutzt, auch in der Ἰλλυρική nicht, obgleich er Ill. 14 es zu behaupten scheint. Denn in der Beschreibung [229] von der Pannonierstadt Segeste-Siscia an der Sau (22) erscheint ein grosser Canal, den nach dem hier besonders gut unterrichteten Dio (XLIX 37, 3) erst Tiberius während des batonischen Kriegs (6–9) anlegte. Von dem Liviuscitat III 77 war schon oben die Rede. Schliesslich ist wohl zu beachten, dass IV 49 das Consulat des M. Lollius (19 v. Chr.) erwähnt wird. Pollio hätte es auch nicht fertig gebracht, Mutina an den Rubicon zu verlegen (III 73); und ein Versehen A.s kann nicht angenommen werden, da jene Geschichte ohne den geographischen Ansatz die Pointe verliert.

Die bei A. vorliegende Erzählung lässt sich vom Tode Caesars bis zur Schlacht bei Mutina (26. oder 27. April 43 nach Drumann I 309. Ruete Die Correspondenz Ciceros in den J. 44 und 43, Diss. Strassb. 1883, 83; 21. April nach L. Lange R. A. III 533. Schelle Beiträge z. Gesch. d. Todeskampfes d. röm. Republik, Progr. d. Annenschule in Dresden 1891. O. E. Schmidt Der Tag der Schlacht von Mutina, Jahrb. f. Philol. CXLV 321ff.) genau, bis zum Consulat Caesars (19. Aug. 43) hin und wieder durch Ciceros Correspondenz und die Philippiken, sowie durch die Fragmente des Nikolaos von Damaskos controllieren. Vgl. nächst der älteren Arbeit von K. Peter (Philol. VIII 429ff.) P. Krause Appian als Quelle für die Zeit von der Verschwörung gegen Caesar bis zum Tode des D. Brutus, I und II Rastenburg 1879. 1880 (mir unbekannt) und O. E. Schmidt Die letzten Kämpfe der römischen Republik (Jahrb. f. Philol. Suppl. XIII 666ff.). Das Resultat ist, dass neben einer Reihe vortrefflicher Nachrichten eine grosse Zahl von Verschiebungen und Erfindungen steht, so arger Art, dass sie Asinius nicht zugeschoben werden können. Ich muss mich darauf beschränken, das sicher Falsche, das A. allein hat, – die Vorgänge unmittelbar nach Caesars Tod z. B. sind auch bei Plutarch und Dio entstellt und nur von Nikolaos gut erzählt – kurz hervorzuheben. II 122 fordern die Mörder Caesars die Rückberufung der von Caesar verbannten Tribunen Caesetius und Marullus, denen schon Caesar selbst die Rückkehr gestattet hatte (Nicol. 22). II 135 ist die Thatsache, dass L. Piso die Eröffnung von Caesars Testament gegen die Verschworenen durchsetzte, dahin entstellt, dass er auch von Caesar das Testament zur Aufbewahrung erhalten hätte; es lag vielmehr bei der ersten Vestalin, wurde auch nicht vor dem Volk, sondern in Antonius Haus eröffnet (Suet. Caes. 83). Mit dem auch bei Plutarch (Brut. 19) sich findenden falschen Ansatz der Senatssitzung im Tellustempel auf den 16. statt auf den 17. März 44 (Cic. Phil. II 89; ad Att. XIV 10. 14) hängt es zusammen, dass II 142 der allerdings am Abend des 17. März mit den Verschworenen abgeschlossene Friede (Cic. Phil. II 90. I 2. 31) auf den Tag nach der Senatsverhandlung verlegt ist. Cicero hatte im Senat für die Amnestie gesprochen (Phil. I 1); das wird verschwiegen und zu einem Lob der Amnestie in contione herabgemindert (II 142). Es ist dies eine der für die Tendenz der Erzählung charakteristischen Entstellungen des Sachverhalts zu Ungunsten Ciceros; so soll er in Rom gewesen sein, als Antonius durch Volksbeschluss sich das [230] cisalpinische Gallien überweisen liess (III 55), die Forderungen des Senats, welche am 4. Januar 43 beschlossen und den am 5. Januar an Antonius abgehenden Gesandten übergeben waren (Phil. V 26. 29. VI 4. 5. VII 26), gefälscht (III 61) und nach Mutina für Caesar und sich das Consulat unter allgemeinem Hohn gefordert haben (III 82), obgleich es feststeht, dass er sowohl die an ihn insgeheim (Caesar bei Plut. Cic. 45) als auch die an den Senat gerichteten Aufforderungen Caesars nachdrücklich zurückwies (ad Brut. I 10, 3, Mitte Juni 43, vgl. Ruete 90). Die Schilderung, wie Antonius das SC über Caesars Unverletzlichkeit und den Eid des Volks vor Caesars Leiche verliest (II 144), ist eine romanhafte Übertreibung; nach Suetons nicht anzuzweifelndem Zeugnis (Caes. 85) liess er sie durch den Herold verlesen; derselbe stellt auch die Behauptung richtig, dass die Curia Pompei damals angezündet sei (II 147. Suet. Caes. 85). Eine nur durch das Streben, die Tradition zu ändern, erklärbare Verschiebung ist es, dass der Angriff des Pöbels auf die Häuser der Optimaten vor das eigentliche Funus Caesars gestellt ist, statt nachher (Suet. Caes. 85. Cic. Phil. II 91). Ebenso zu beurteilen ist die Nachricht, dass Antonius in der Senatssitzung vom 28. November 44 den Abfall nicht nur der 4. Legion, sondern auch den der Martia erfahren hätte (III 45), den er längst wusste (Cic. Phil. XIII 9. III 24), dass als Antonius Procurator im J. 43 statt Q. Fufius Calenus (Cic. Phil. XII 18) L. Piso genannt wird (III 50), dass die Verhandlungen am Anfang des J. 43 nur drei (III 50ff.) und nicht vier Tage (Cic. Phil. VI 3) dauern. Für die Schlacht bei Forum Gallorum muss dem Gewährsmann A.s (III 67–70) ein vorzüglicher Bericht vorgelegen haben, wie die Vergleichung mit der Depesche Galbas (epist. X 30) lehrt; aber er hat sichs, neben manchem anderen, nicht versagen können, Hirtius mit nur einer, statt mit zwei Legionen (Cic. Phil. XVI 27) eingreifen zu lassen und das Verhalten der Legio Martia mit geschmacklosen Erfindungen zu verzieren. Der Bericht von Trebonius Tod (III 26) enthält ähnliche Verdrehungen (vgl. Cic. Phil. XI 5. 7). Die Bestandteile von D. Brutus Heer sind falsch angegeben (III 97. epist. X 24, 3). Es ist ungenau, solche Varianten Flüchtigkeiten oder Ungenauigkeiten zu nennen; es sind dieselben technischen Entstellungen der primären Berichte, von denen schon oben die Rede war, jene Entstellungen, die für den grössten Teil der alten Geschichte ein Nacherzählen der Einzelheiten zur Unmöglichkeit machen. Bei den falschen Schnörkeln im einzelnen ist es nicht geblieben. Von den Fälschungen zu Ungunsten Ciceros war schon die Rede; daran schliessen sich viele andere, die den pragmatischen Zusammenhang verzerren und zum Teil die Neueren bis jetzt irre geführt haben. Antonius wäre ein Narr gewesen, wenn er im Mai 44 S. Pompeius zurückberufen, entschädigt und zum Admiral gemacht hätte (III 4), nur um den damals wehrlosen und in beständiger Angst vor den Veteranen schwebenden Senat sich gefällig zu machen; nicht einmal die republicanische Partei liess sich derartiges träumen, sondern noch am 23. Juni (ad Att. XV 22, vgl. Ruete 26) fürchtete Cicero, [231] dass Sextus den Krieg brächte; erst am 6. Juli (ad Att. XV 22) hörte er, dass diese Gefahr beseitigt sei, und am 10. Juli (ad Att. XVI 4) erfuhr er Sextus Vorschläge. Die restitutio durch Lepidus dürfte erheblich später, aber noch vor den 28. November (Cic. Phil. III 23. V 39) anzusetzen sein; die Entschädigungssumme erhielt er erst während des Krieges mit Antonius, zwischen dem 1. Januar und dem 20. März 43 (Cic. Phil. XIII 10) durch ein SC zugebilligt und das Flottencommando gar erst nach der Schlacht bei Mutina (Vell. II 73, 2. Dio XLVI 40. XLVIII 17). Dagegen ist richtig, dass er in Massilia den Lauf der Dinge abwartete (App. b. c. IV 84. Cic. Phil. XIII 13). Am gefährlichsten ist die appianische Darstellung der Provinzenverteilung geworden (das Wesentliche giebt jetzt Mommsen Herm. XXVIII 599ff., nur glaubt er A. noch zu viel). Nach ihr wären Makedonien und Syrien schon vom grossen Caesar Brutus und Cassius zugewiesen (III 2), Antonius hätte zunächst durch Volksbeschluss sich Makedonien, Dolabella Syrien mit den für den Partherkrieg bestimmten Legionen verschafft und dafür Kyrene und Kreta Brutus und Cassius gegeben (III 7. 8), nach der Abreise des Brutus und Cassius (s. u.) durch ein SC das Commando über jene Legionen erhalten, endlich durch Volksbeschluss Makedonien gegen das D. Brutus zukommende cisalpinische Gallien eingetauscht (III 27. 29. 30). Aber Caesar hat den Praetoriern Brutus und Cassius Makedonien und Syrien gar nicht gegeben, sondern den Consularen Antonius und Dolabella (Cic. ad Att. XIV 9 vom 18. April; vgl. Ruete 19. Nicol. 30); Cicero hätte von den angeblichen Machinationen des Antonius sicher nicht geschwiegen und jeden Schatten eines Anrechts von Brutus und Cassius benutzt, um ihre Usurpationen als rechtmässig hinzustellen (vgl. besonders Phil. XI 28); auch Dio XLVII 21, 1 leugnet ihr Anrecht ausdrücklich, Plutarch (Brut. 19) schweigt. Brutus und Cassius bekamen vielmehr Kreta (Cic. Phil. II 97. XI 27) und, wie es scheint, Illyrien (Nicol. 28) durch ein SC nach dem 13. Juli 44 (Phil. II 31) und vor der Abfassung der zweiten Philippika (Ende October, ad Att. XV 13). Ferner konnte es sich bei der Überweisung des cisalpinischen Galliens, mit dem zugleich Antonius die Legionen bekam (O. E. Schmidt a. a. O. 715), bald nach dem 5. Juni 44 (Cic. ad Att. XV 10. 24, 3), gar nicht um einen Tausch handeln, da D. Brutus diese Provinz nicht für 43, sondern für 44 hatte (O. E. Schmidt a. a. O.): demgemäss ist auch das III 42 Bemerkte falsch (Cic. Phil. III 26). Das Gesetz über die Abschaffung der Dictatur wurde von Antonius schon Ende März oder Anfang April eingebracht (Phil. I 3) und gehört gar nicht in diesen Zusammenhang (III 25). Für das J. 44 erhielten Brutus und Cassius die cura annonae nicht schon im Mai, als eine Vergünstigung (III 6), sondern erst am 5. Juni (Cic. ad Att. XV 9. 11) durch Chicane des Antonius; der Bericht bei Appian ist aus dem Urlaub (Cic. Phil. II 31) herausgesponnen, den Antonius den beiden erwirkte, als sie Mitte April wegen der Unruhen des Ps.-Marius Rom verlassen wollten, was A. (III 2) wiederum verdreht hat (Cic. ad Att. XIV 7, 1). Sie sind auch nicht so [232] früh, wie bei A. (III 24. 26), nach dem Osten gegangen, sondern erst im October (Nicol. 31, vgl. Cic. ad Att. XVI 7, 1. 8, 2. 13, 4), Dolabella noch später (Cic. ep. XII 4, 2; ad Att. XV 3, 5); im Zusammenhang damit ist auch Trebonius Tod (Anfang Februar, frühestens Ende Januar, ep. ad Brut. II 3, 5; Phil. XIII 22. 23) zu früh gesetzt. Neben diesen Fälschungen sind es Kleinigkeiten, wenn erzählt wird, dass Antonius sich vom Senat eine Leibwache bewilligen liess (III 5, vgl. Cic. Phil. V 17. II 100. I 6; ad Att. XV 5. 6; epist. XI 2), oder dass Caesar ihn gleich nach seiner Ankunft (um den 29. April 44, vgl. Cic. ad Att. XIV 12, 2. 20, 5) besucht hätte, d. h. während er abwesend war (vgl. Cic. Phil. I 5; Dolabellas Heldenthat ereignete sich am 26. oder 27. April, ad Att. XIV 15), dass Caesar in der Contio um den 9. November (III 41) das Gegenteil von dem redet, was er wirklich gesagt hat (Cic. ad Att. XVI 15, 3), dass Antonius erst nach dem 28. November, nicht vorher nach Tibur geht (III 45. Cic. Phil. XIII 19), dass D. Brutus auf Befehl des Senats Gallien behauptete (III 49. Cic. ep. VI 7, 2). Bei der Erzählung des mutinischen Kriegs geht es in demselben Stil fort. Dolabella wurde nicht Anfang Januar (III 61), sondern Anfang März zum Reichsfeind erklärt (Cic. Phil. XI 15. Ruete 45), Antonius nicht nach der Rückkehr der ersten Gesandtschaft (III 63), sondern zwischen dem 21. (Cic. Phil. XIV 6) und 27. April (Cic. ad Brut. I 3, 4. 5, 1; vgl. O. E. Schmidt Jahrb. f. Philol. CXLV 321ff.); auch Brutus und Cassius erhielten das imperium viel später (Cic. Phil. X. XI 56. XIII 30; ep. XII 7. XIV 4). Die seltsame Erzählung von der ersten Begegnung zwischen D. Brutus und Caesar wird, abgesehen von dem geographischen Schnitzer, durch D. Brutus eigenen Bericht, (ep. XI 13 a) widerlegt. Pansa konnte bei der Übertragung des Commandos an D. Brutus nicht übergangen werden, weil er schon zwei Tage nach der Schlacht bei Mutina starb (ep. XI 13 a). Da Antonius und Lepidus sich schon am 29. Mai vereinigten (ep. X 23, 2), ehe Plancus zu D. Brutus stiess (um den 12. Juni, vgl. Ruete 56), stürzt der ganze Bericht über die Wirkungen dieser Ereignisse auf die stadtrömischen Dinge (III 81ff.) zusammen; übrigens wurden z. B. die africanischen Legionen (III 85) schon Ende Mai erwartet (Cic. ep. XI 14, 2). Kurz, dies ist nicht mehr Geschichte, sondern historischer Roman. Eines ist indes zu beachten, was Drumanns günstiges Urteil – und Drumann sagte nichts ohne Grund – erklärt: bei allen Entstellungen und Erfindungen sind die grossen Züge richtig und scharf herausgearbeitet, ein Teil der Erfindungen dient geradezu diesem Zweck. Antonius anfängliche Politik, den Senat abwechselnd zu ängstigen und kirre zu machen, um nach und nach seine Position zu befestigen, sein Ärger über Caesar, dessen verwegenes Kunststück zugleich Caesarianer und Senatsheld zu sein (vgl. III 41. 48), Ciceros unpolitischer und unmotivierter Hass gegen Antonius, Pansas zweideutige Stellung (III 75; die Erfindung sollte zugleich auf die aus Sueton Aug. 11. ep. ad Brut. I 6 bekannten Verleumdungen antworten) – all das ist anschaulich und im letzten Grunde richtig dargestellt. [233] Erklären lässt sich das nur so, dass A.s Gewährsmann eine ausgezeichnete Quelle zu einem Roman verarbeitete: und da die Tendenz unverkennbar Antonius günstig und Cicero feindlich, Caesar gegenüber schwankend ist, liegt der Gedanke an Pollio gefährlich nah. Nun waren auch im zweiten Buch die Spuren Pollios nicht zu verkennen, und man muss annehmen, dass derselbe, der den merkwürdigen Bericht nach Pollio und anderen über die Zeit nach Caesars Tod componiert hat, nach Pollio und anderen auch das, was im zweiten Buch steht, zusammen gearbeitet hat. Antirepublicanisch ist die Tendenz auch dort; und Cicero kommt schon II 15 schlecht weg. Für die Geschichte des Triumvirats bis zur Beendigung des Bellum Siculum versagt die Controlle. Ich hebe nur kurz hervor, dass sich Spuren von Messalla (IV 112 = Plut. Brut. 45; IV 114 = Plut. 40) und P. Volumnius (IV 128 vgl. 134 = Plut. Brut. 48; die Variante IV 130 = Plut. 51) nachweisen lassen. Am wichtigsten ist das Citat V 45 ταῦτα μὲν ἔλεξαν ἀλλήλοις, ὡς ἐκ τῶν ὑπομνημάτων ἧν ἐς τὸ δυνατὸν τῆσδε τῆς φωνῆς μεταβαλεῖν τεκμαιρομένῳ τῆς γνώμης τῶν λελεγμένων. Der Hinweis auf die Schwierigkeiten der Übertragung wäre, wenn sichs um eine erzählende Quelle handelte, unerhört, ist aber stehend, wenn Urkunden gegeben werden, auch bei anderen Schriftstellern: er findet sich auch nach dem Edict der Triumvirn (IV 12). Also sind die magistratischen commentarii (vgl. Mommsen Herm. II 115ff.; St.-R. I 5, 2. II 109. 361, 5. 547) des Triumvirn Caesar gemeint (vgl. V 130). Nun stehen aber in der Unterhaltung zwischen Caesar und L. Antonius Dinge, die weder gesagt, wie die thörichte, in der Erzählung (V 11) wiederkehrende Bemerkung über den bevorstehenden Ablauf des Triumvirats, noch der magistratischen Aufzeichnung für wert gehalten sein können. Ähnlich liegt die Sache bei dem Edict der Triumvirn: Caesar kann sich nicht Octavius Caesar (IV 8) genannt haben und τὰ φοβερώτατα Ῥωμαίοις ἔθνη klingt sehr bedenklich an II 146. 150 an. Beides sind Fälschungen oder richtiger ,Darlegungen des Sachverhalts, die der Schriftsteller den handelnden Personen in den Mund legte‘ (Mommsen R. F. II 419).

Aus b. c. II 70. 79. IV 12. V 45 ist mit Sicherheit zu erschliessen, dass A. lateinische Werke benützte, und wenn oben b. c. II und III mit Recht auf einen directen Gewährsmann zurückgeführt sind, war dies ein römischer Schriftsteller. Rechnet man hinzu, dass nach den oben gebotenen Ausführungen für die Zeit bis zur Zerstörung Karthagos ein römischer Annalist als wahrscheinlicher Gewährsmann sich herausstellte, dass die berühmten Kapitel über den ager publicus im Anfang des B. C. nur auf einen Römer zurückgehen können, dass die im B. C. ebenso wie in der Geschichte des 2. punischen und des sertorianischen Kriegs zu Tage tretende geographische Unwissenheit viel eher einem Römer als einem Griechen noch des 1. Jhdts. n. Chr. zuzutrauen ist, dass die immer wiederkehrende, die Erzählung oft beherrschende, also nicht von A. erst hineingebrachte Neigung zu staatsrechtlicher Behandlung der Geschichte etwas charakteristisch Römisches ist, so könnte man wohl wagen, die [234] öfters hingeworfene Behauptung, dass A. keine lateinischen Historiker benützt habe, in das gerade Gegenteil zu verkehren.

Damit ist ein fester Punkt gewonnen. Jetzt muss die Frage entschieden werden, was das x, das ich bis jetzt in der Rechnung gelassen habe, der directe Gewährsmann A.s, eigentlich ist: A. selbst oder einer oder mehrere Unbekannte? Ist es A. selbst, so muss man glauben, dass ein alexandrinischer Advocat und Beamter unter den Antoninen einen historischen Roman über die J. 44–42 v. Chr. zu stande brachte, dessen scharfe Zeichnung der Gegensätze, dessen antonianische, Caesar den Sohn mit leiser Malice behandelnde Tendenz, dessen Spott über Cicero in die römische Gesellschaft der augusteischen Zeit sich einreihen lassen, in der Epoche der Antonine bei einem Orientalen ein vielleicht nicht unmöglicher, aber sehr auffallender Anachronismus sind. Die Verschiebungen und Verstellungen, die das ganze Werk fast gleichmässig durchziehen, waren ohne einen beträchtlichen Aufwand von Mühe und Zeit nicht anzubringen; die Mischung der Traditionen setzt eine ziemlich umfangreiche Lectüre voraus. Sollen wir die wirklich einem Schriftsteller zutrauen, der selbst eingesteht, von einem speciellen Krieg der Römer gegen die Raetier und Noriker nichts gefunden zu haben (Illyr. 29)? Ein solches Geständnis ist verständlich nur dann, wenn A.s Quelle für die republicanische Zeit vor 15 v. Chr. versiegte und der Gewährsmann für die monarchische Epoche später einsetzte oder, wenn früher, für die einmal erledigten Partien nur ganz flüchtig oder gar nicht ausgenützt wurde: nimmt man hinzu, dass A. sich nie die Mühe gegeben hat, militärische Operationen in einigermassen verständlicher Weise zu erzählen, dass sein eilendes Kürzen nur einige Schlachtbeschreibungen und die Verhandlungen – die ihn als Advocaten interessierten – unbeschädigt gelassen hat, so wird es unmöglich, in ihm den Schöpfer und Urheber der sonderbar verzerrten Bilder der römischen Geschichte, die sein Werk mehr ahnen lässt als zeigt, zu sehen. Dies und jenes mag er hinzugefügt haben, wie die Bemerkungen über das ἔθος Ῥωμαίων (vgl. Samn. 4, 6; Lib. 48. 66; Mithr. 45. 77; b. c. I 12. 30. 100. II 44. III 50. IV 135. V 46. 96), die elenden Archaeologien von Karthago und Illyrien, vielleicht die Alexander- und Seleukidengeschichte (vgl. z. B. Mithr. 8. 83), auch hier und da eine Variante oder eine Ausmalung: viel und wichtiges ist das nicht gewesen. Seine Leistung war die ethnographische Teilung, die, wie neben A. Florus lehren kann, besonders zusagte dem Weltreich Hadrians und der Antonine, in dessen majestätischem Frieden der Lärm der Völkerkriege längst verhallt war, und der Epoche, welcher die innere Entwicklung des populus Romanus schon in dämmernder Ferne lag. Ob A. nun in dem erhaltenen Teil seiner Geschichte – von der Kaisergeschichte wissen wir nichts – ein oder mehrere Werke zerschnitt und excerpierte, das wird niemand entscheiden können. Die Reden sind zwar sehr gleichförmig und können nicht alle sein Machwerk sein, da sie häufig mehr enthalten als die Erzählung, die ältere Zeit scheint aus einem nachlivianischen Annalisten genommen zu sein: den möchte man [235] wohl mit dem Romanschreiber der Bürgerkriege zusammenbringen und so das Bild eines sehr geschickt erzählenden, staatsrechtlich raisonnierenden und fälschenden, emsigen und gewissenlosen Ausläufers der republicanischen Annalistik unter Augustus oder Tiberius zu zeichnen versuchen, wenn dieser Versuch nur mehr wäre als eine schwanke Phantasie. Immerhin dürfte die vorgeschlagene Hypothese eher zur Lösung des Problems führen als die in letzter Zeit wiederholt vorgebrachte und nach und nach fast zum Dogma ausgeartete Meinung, dass Strabon für den mithridatischen Krieg und den grössten Teil der Bürgerkriege A.s Quelle gewesen sei. Es muss von vornherein befremden, dass eine gelehrte, die überlieferte Tradition ordnende Compilation, wie Strabons Geschichtswerk es war, dem historischen Roman, den A.s Erzählung giebt, zu Grunde liegen sollte, und geradezu verblüffend wirkt es, dass ein durch geographische Unwissenheit sich auszeichnender Autor mit dem Verfasser eines geographischen Handbuchs zusammengebracht wird; dass das beständige Operieren mit den ‚Flüchtigkeiten‘ A.s selbst eine Flüchtigkeit ist, wurde schon hervorgehoben. Bei dem grossen Ansehen indes, dessen jene Meinung sich jetzt erfreut, wird es nötig sein, sie so kurz es geht abzuthun.

Nachdem schon früher gelegentlich auf Strabon als den Urheber der Concordanzen zwischen Plutarch und A. geraten war, suchte zuerst Judeich (Caesar im Orient 33–50) dies für A. b. c. II 81–91 und Plutarchs Caesar und Pompeius zu erweisen. Nach einem griechischen Autor suchend, schloss er auf Strabon, weil Plut. Caes. 48 und Strab. XVII 796 in der Nachricht übereinstimmen, dass Caesar die Kleopatra nach Alexandrien habe kommen lassen. Die Concordanz geht zunächst A. nichts an, da er nichts über die Ankunft der Kleopatra berichtet, und ist dem Einwand ausgesetzt, dass sie auf einer gemeinschaftlichen Quelle, sehr wahrscheinlich Pollio, den Strabon notorisch benützte, beruht; schliesslich bedürfen Vermutungen, die sich auf eine so kleine Partie A.s beziehen, ausgedehnter Untersuchungen, um glaubwürdig zu werden. Solche Untersuchungen sind angestellt von C. Vogel und mit grossem Fleiss und in weitem Umfang von P. Otto a. a. O., und haben, sehr wider den Willen der Verfasser, für jeden, der das Material auch nur einigermassen nachprüft, zu dem Resultat geführt, dass Strabon als Quelle A.s gar nicht, als die Plutarchs nur in sehr geringem Mass in Frage kommt. Die behaupteten Übereinstimmungen mit den Fragmenten oder den historischen Notizen in der Geographie Strabons drehen sich entweder um kurze Erwähnungen feststehender Thatsachen, oder sind nur insofern vorhanden, als von derselben Sache ohne Übereinstimmung in den Einzelheiten geredet wird. Der wirklichen Concordanzen sind sehr wenige; alle lassen sich auflösen. Allerdings geben App. b. c. II 103 und Strab. III 160 die gleiche Zahl von Tagen für die Reise Caesars von Rom nach Spanien im J. 45 an: aber Strabon setzt hinzu φασὶ δ’ οἱ συγγραφεῖς und nichts zwingt zu der Annahme, dass A. diese Schriftsteller nur durch Strabons Vermittlung kennen konnte. Für die Concordanz von App. Mithr. 103 = Strab. XI 499 liegt keine Erklärung näher, [236] als die, dass Theophanes von Strabon direct, von A. indirect benützt ist, und wenn App. Mithr. 104 die Archaeologie der kolchischen Achaeer nach Apollodor (Strab. IX 416, anders nach Theophanes XI 495) gegeben wird, so ist es ungeheuerlich, zu glauben, dass nur Strabon Apollodor gelesen hätte; wie soll denn über Ammian. XXII 8, 25 geurteilt werden? Eine Behauptung wie die, dass A. aus dem geographisch interessierten Strabon geschöpft haben müsse, weil er gelegentlich wie jeder Historiker topographische Beschreibungen einschaltet, ist nicht ernsthaft zu nehmen, und mit dem gleichen Inductionsschluss, mit dem die Aufzählung der verschiedenen Gelegenheiten, bei denen Xanthos zerstört wurde (b. c. IV 80), als strabonische Manier ausgelegt wird, liesse sich z. B. auch Diodor. XIX 53 auf Strabon zurückführen. Zahllos endlich und leicht nachzuweisen sind die Discrepanzen zwischen Strabon und A. App. Mithr. 23. 115 fehlen die für Strabon (frg. 5) charakteristischen 800 Talente der Juden. Strab. frg. 6 berichtet ausdrücklich, dass Lucull von Sulla nach Kyrene geschickt wurde, um einen Judenaufstand zu unterdrücken; Plut. Lucull. 2 erwähnt einen Aufstand in Kyrene nebenbei, giebt aber als Auftrag Sullas an, dass Lucull Schiffe sammeln sollte; darin stimmt App. Mithr. 33 mit Plutarch überein, weiss aber weder von einem kyrenaeischen Aufstand, noch von den Juden etwas. App. Mithr. 52 erwähnt die Aufwiegelung des Heeres durch Fimbria nicht, die Strabon XIII 594 mit anderen Quellen (Poseidon. bei Diodor. XXXVIII/IX 8. Dio frg. 101. Memn. 34. Liv. per. LXXXII. Plut. Sull. 12; Lucull. 7) gemeinsam hat; nach Mithr. 53 nimmt Fimbria Ilion mit List (vgl. Livius bei Dio a. a. O.), nach Strabon erst nach elftägiger Belagerung. In dem Bericht der Belagerung von Kyzikos (App. Mithr. 72–76. Strab. XII 575f.) stimmt nichts überein, da A. weder die Geschichte von Mithridats persönlicher Gefahr hat, die Strabon aus Poseidonios (Diod. XXXVII 22 b) entnahm, noch den Hauptgrund für die Rettung darin sieht, dass es Lucull gelang, Truppen in die Stadt zu werfen (vgl. Plut. Lucull. 9), endlich die Zahlen differieren. Wie hier, so weichen sie auch Mithr. 104 von den strabonischen (XI 530) ab, denn ein Talent ist = 6000, nicht = 10 000 Drachmen. Nach Mithr. 83 war Autolykos, der Oekist von Sinope, Begleiter des Herakles auf dem Amazonenzug (= Plut. Luc. 23 d. i. Sallust, der Apoll. Rhod. II 955ff. folgte), nach Strab. XII 546 Argonaut; nach Mithr. 102 musste Mithridat mit den kolchischen Achaeern kämpfen, nach Strab. XI 496 wurde er von ihnen unterstützt; nach Mithr. 115 zerstörte Mithridat das von ihm gegründete Eupatoria, nach Strab. XII 556 wurde er mit der Gründung nicht fertig. Die Sendung Catos nach Cypern wird von Strabon XIV 685 so erzählt, dass die für A. (b. c. II 23) charakteristische chronologische Verschiebung nicht hineininterpretiert werden kann, abgesehen davon, dass bei Strabon, wie in allen sonstigen Berichten, Cato die königlichen Schätze nach Rom bringt, während nach A.s sensationell entstellender (vgl. Val. Max. IX 4 ext. 1) Version der König sie ins Meer wirft. Wie schon oben gesagt wurde, ist bei A. (b. c. II 116) die Weissagung Spurinnas um eines [237] romanhaften Effects willen verschoben; davon weiss Strabon (frg. 14 = Plut. Caes. 63, wie ich vermute, aus Cic. de divin. I 119) nichts, wie sich jeder durch aufmerksames Durchlesen des plutarchischen Kapitels bis zum Schluss leicht überzeugen kann. Am schwersten wiegen die unvereinbaren Differenzen in der Geographie. A. (b. c. II 39) ist mit Pausanias (VI 10, 8) der einzige, der die Identität von Epidamnos und Dyrrhachion leugnet: Strabon VII 316 begeht den Fehler, den jener, schwerlich mit Recht, rügt. Strabon (VII frg. 33. 36 und 34. 41. 43) unterscheidet, Artemidor (Steph. Byz. s. Φίλιπποι) folgend, zwischen dem am Meer gelegenen Datos und dem nördlicheren Krenides-Philippi; dagegen hält A. (b. c. IV 105) Datos nur für einen anderen Namen dieser Stadt, mit einem Irrtum, den schon Ephoros und Philochoros begingen, wenn der Text in Harpokr. s. Δατός in Ordnung ist (vgl. Schäfer Demosthenes II² 26, 3), und der keinenfalls auf A.s eigene Rechnung kommt. A. giebt Mithr. 103 richtig an, dass der Araxes in den Kur mündet (ebenso Plin. VI 26 ut plures existimavere, das umgekehrte bei Arr. anab. VII 16, 3); Strabon (XI 491. 501. 527) übernimmt, vermutlich durch die Schuld des Theophanes, den alten Irrtum Herodots (I 202), dass er direct ins kaspische Meer fliesst. Plutarch erwähnt Pomp. 33 nur diese Anschauung, aus Theophanes oder aus Strabon, Pomp. 34 folgt er der anderen (Livius?) und giebt jene als Variante. Es ist bodenlose Sophisterei, diese Discrepanzen durch die Annahme auszugleichen, dass Strabon im historischen Werk die verschiedenen Ansichten nebeneinander gestellt hätte, wo doch in der Geographie sich nicht die geringste Spur einer Variante findet.

Damit dürfte diese Meinung abgethan sein, die nicht nur geeignet ist, die Quellenforschung in einen unergründlichen Sumpf zu führen und z. B. die Reconstruction von Sallust, Livius, Pollio unmöglich zu machen, sondern auch der Geschichte schweren Schaden zuzufügen droht, da sie das romanhaft fälschende Element in der Darstellung A.s völlig verkennt.