Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Fulvus Boionius Arrius Antoninus (Pius), T. Römischer Kaiser 138-161 n. Chr.
Band II,2 (1896) S. 24932510
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138) T. Aurelius Fulvus Boionius Arrius Antoninus = Imp. Caes. T. Aelius Hadrianus Antoninus Aug. Pius, römischer Kaiser vom 10. Juli 138 bis 7. März 161 n. Chr.

I. Quellen.

a) Von Antoninus Pius selbst haben wir nur zwei Briefe an den Rhetor M. Cornelius Fronto, nämlich den zweiten (vom J. 143, p. 163–164) und sechsten (p. 167–168) in der Sammlung epistularum ad Antoninum Pium (p. 163–171 Naber). Inschriftlich erhalten sind folgende Briefe und Erlasse des Pius: 1) an Sextilius Acutianus in Smyrna vom 8. April 139 aus Rom, CIG II 3175 = CIL III 411 = Dessau 338; 2) an die Athletenvereinigung in Rom vom 16. Mai 143 aus Rom, CIG III 5907 = IGI 1055 b; 3–5) drei Briefe des Pius, der erste an die Thisbenser in einem unbestimmten Jahre (Bruchstück), die beiden andern an die Coronenser vom J. 140 und 155, IGS I 2870. 6–8) drei Briefe an Ephesus aus den Jahren 140–144, 145 und 150, Ancient Greek Inscriptions III 2 p. 153ff. nr. 489. 491. 492. 9) an das Panhellenion vom 30. November 157 aus Rom, CIG III 3834 = Le Bas III 866. 10) an die Mystenvereinigung in Smyrna vom J. 158 (Bruchstück), CIG II 3176 B; 11) an Olympia, Arch. Zeitg. XXXVI 1878, 175 nr. 197; vgl. auch XXXIV 1876, 142f. nr. 21; 12) an die Griechen in Asien, Ancient Greek Inscriptions III 2, 158 nr. 493.

Die in den Rechtsbüchern erhaltenen Erlasse und Verordnungen des Pius sind gesammelt von Hänel Corpus legum, Lps. 1857, 101–113. Hervorzuheben ist ein griechisch geschriebener Brief an das Κοινόν von Asien, Digest. XXVII 1, 6, 2.

Von Marius Maximus wurden dem Kaiser auch Reden zugeschrieben, die nach der gewöhnlichen Meinung von anderen verfasst waren, Hist. Aug. Pius 11, 3.

b) Die wichtigsten Inschriften aus der Zeit des Pius bei H. Dessau Inscriptiones Latinae selectae I nr. 322. 331–352. 1071–1081. 1836. 2005f. 2182f. 2666. Im übrigen vgl. besonders die Indices des CIL. Hervorzuheben sind die inschriftlich erhaltenen Rescripte (s. o.), die Diplome (CIL III p. 880–886; Suppl. p. 1982–1989. Arch.-ep. Mitt. XVI 1893, 225–233) und die römischen Inschriften (CIL VI 984–1011), darunter seine Grabschrift (CIL VI 986 = Dessau 346).

c) Die Münzen des Pius bei Eckhel VII 1–37. Cohen II² 268–413 (p. 270–405 nr. 1–1267 im folgenden nur nach den Nummern citiert). Die alexandrinischen Münzen bei Mionnet VI 208–286 nr. 1383–1969; Suppl. IX 67–88 nr. 243–363. Catalogue of the Greek coins in the British Museum, Alexandria 108–146 nr. 927–1218. Vgl. v. Sallet Daten der alex. Kaisermünzen 35.

d) Alte Litteratur: Der Teil der römischen Geschichte des Cassius Dio, welcher die Zeit des [2494] Pius behandelte, war schon zur Zeit seines Epitomators Xiphilinos verloren (Dio epit. LXX 1, 1; vgl. Zonaras XII 1), so dass nur wenige Notizen über Pius von Dio erhalten sind (vgl. Dio Bd. V p. 205 Dind.). Hauptquelle ist daher die Vita des Antoninus Pius in der Sammlung der Scriptores historiae Augustae, angeblich verfasst von Iulius Capitolinus; sie ist kurz, aber inhaltreich und zuverlässig (es lassen sich nur zwei Irrtümer nachweisen; die Namen 8, 8 und die Zahl 12, 4). In Betracht kommen ausser dieser Vita auch die des Hadrian, Marcus, Verus u. a. (im folgenden citiert als Pius, Hadr., Marc., Ver. u. s. f.). Sonst haben wir von schriftlichen Quellen nur eine Reihe zerstreuter Bemerkungen bei Fronto (nach der Seitenzahl der Naberschen Ausgaben citiert), Marc Aurel (εἰς ἑαυτόν I 16f. VI 30). Pausanias (VIII 43), Appian (Hist. Rom. praef.), Lucian u. a.; ferner eine inhaltsleere Rede des Aelius Aristides zum Lobe Roms (or. XIV Bd. I 321–370 Dind.) vom J. 145 (Waddington) oder 156 (Schmid Rh. Mus. XLVIII 1893, 81) und vielleicht auch die Rede des Aristides εἰς βασιλέα (or. IX Bd. I 98–112 Dind.), die sich nach anderen (so Schmid Rh. Mus. XLVIII 1893, 83) auf Marcus bezieht; endlich die späten Geschichtsabrisse des Eutropius (VIII 8), Aurelius Victor (Caes. 15; epit. 15), des Chronographen von 354 (Mommsen Chron. min. I 146), des Cassiodor (Mommsen Chron. min. II 143) u. a.

e) Neue Litteratur: G. R. Sievers Studien zur Gesch. der röm. Kaiser, Brl. 1870, 171–223 (= Progr. d. Realschule des Johanneums 1861). X. Bossart und J. Müller Zur Gesch. des Kaisers Antoninus Pius in Büdingers Untersuchungen zur röm. Kaisergeschichte II, Lpz. 1868, 290–320. H. Schiller Gesch. d. röm. Kaiserzeit I 2, Gotha 1883, 628–635. E. Herzog Gesch. und System der röm. Staatsverfassung II, Lpz. 1887, 379–381. 385–407. G. Lacour-Gayet Antonin le Pieux et son temps, Paris 1888 (ausführlichstes und wichtigstes Werk über Pius). J. J. Bernouilli Römische Ikonographie II 2, 1891, 139–151. E. Ruggiero Dizionario Epigrafico I 1889, 499–508.

II. Leben vor der Thronbesteigung.

Am 19. September 86 n. Chr. (Pius 1, 8. CIL I p. 379. VI 10234, 9. II Suppl. 5232) wurde Antoninus Pius in einer Villa bei Lanuvium (Pius 1, 8. Vict. Caes. 15, 2) geboren, als Sohn des Aurelius Fulvus (o. Nr. 135) und der Arria Fadilla (Arrius Nr. 44), Pius 1, 3–4; vgl. den Stammbaum unter Arrius Nr. 9. Seine Familie war nach der einen Angabe sehr alt (vir veterrimae familiae, Vict. Caes. 15, 2), nach der anderen, die glaubwürdiger ist, nicht sehr alt (genere claro, sed non admodum vetere, Eutrop. VIII 8). Sie stammte aus Nemausus in Gallia Narbonensis (Pius 1, 1). Genannt wurde der Knabe nach Vater und Grossvater T. Aurelius Fulvus (so heisst er noch im J. 120, CIL VI 2080, 8. 9100); dazu fügte er aber noch den Geschlechtsnamen seiner mütterlichen Grossmutter Boionia Procilla (Pius 1, 4) Boionius und beide Namen seines mütterlichen Grossvaters Arrius Antoninus (Pius 1, 4; o. Arrius Nr. 9), dem er besonders nahe gestanden zu haben scheint (Pius 1, 9). Sein vollständiger Name lautet daher T. Aurelius [2495] Fulvus Boionius Arrius Antoninus. Doch kommt er nur abgekürzt in folgenden Formen vor: T. Aurelius Fulvus Boionius Antoninus (Pius 1, 1), T. Aurelius Fulvius (so!) Antoninus (Eutrop. VIII 7), T. Antoninus Fulvius (so!) Boionius (Eutrop. VIII 8), T. Aurelius Fulvus Antoninus (CIG II 2965 = Le Bas III 146), T. Aurelius F[ulvus Arrius?] Antoninus (CIL VIII 8239), T. Aurelius Fulvus (CIL VI 2080, 8. 9100), Antoninus Fulvius seu Boionius (Vict. epit. 15, 1), Arrius Antoninus (CIL XV 92. 93. X 8043. 32. Borghesi VIII 370. Hadr. 24, 1; Pius 4, 2), Fulvus Antoninus (CIL XV 94. 95), Aurelius Antoninus (Dio LXIX 20, 4. Vict. Caes. 15, 1), Antoninus (Fronto. Pausanias. Philostratos).

Erzogen wurde er in Lorium an der Via Aurelia, zwei Meilen westlich von Rom, wo er später einen Palast erbaute (Pius 1, 8) und sich mit Vorliebe aufhielt (Fronto p. 37. 56f. 79. 94. 101. 223. 225. Marc. εἰς ἑαυτόν I 16. CIG II 3176). Hier ist er auch gestorben (s. u. zum J. 161). Seine Kindheit brachte er zuerst bei seinem väterlichen Grossvater T. Aurelius Fulvus (o. Nr. 136), dann bei seinem mütterlichen Grossvater Arrius Antoninus (Arrius Nr. 9) zu (Pius 1, 9). Seine Mutter hatte sich nämlich (doch wohl nach dem Tode ihres Mannes) zum zweitenmal verheiratet, und zwar mit P. Iulius Lupus, dem sie eine Tochter Iulia Fadilla gebar (Pius 1, 5–6; vgl. CIL VI 20116. 20158). Mit allen seinen Verwandten, auch mit seinem Stiefvater, stand er in innigstem Verhältnis (Pius 1, 9).

Seinem Alter entsprechend wird er um das J. 112 die Quaestur, um 117 die Praetur bekleidet haben (vgl. Pius 2, 9). Sicher war er im J. 120 Consul ordinarius mit L. Catilius Severus II (Pius 2, 9. Acta Arv. CIL VI 2080, 8. CIL VI 9100 = Dessau 1850. VIII 8239. Mommsen Chron. min. I 58. 223. 285. 421. II 141, wo er meist fälschlich Fulvius heisst). Später wurde er von Hadrian zu einem der vier Consulare ernannt, die von ihm zur Verwaltung der neuen Gerichtssprengel Italiens eingesetzt wurden (vgl. Hadr. 22, 13; Marc. 11, 6. Appian. b. c. I 38. Mommsen St.-R. II³ 1085. Herzog II 1, 370f.), und zwar ad eam partem Italiae regendam, in qua plurimum possidebat (Pius 2, 11. 3, 1), d. h. wahrscheinlich in Etrurien (vgl. Pius 3, 5) und Umbrien (vgl. die Inschrift von Tifernum bei Borghesi VIII 370, wo mit dem Arrius Antoninus cl. v. wahrscheinlich er gemeint ist). Vgl. Schurz De mutationibus in imperio ordinando ab imp. Hadriano factis I, Bonn. Diss. 1883, 10. Lacour-Gayet Antonin le Pieux 11–13.

Etwa zwischen 130 und 135 n. Chr. wurde Antoninus Proconsul der Provinz Asien (CIG II 2965 = Le Bas III 146. Digest. XLVIII 3, 6, 1. Pius 3, 2–4. 4, 3. Philostr. vit. soph. I 25, 3 p. 44. II 1, 8 p. 63 Kayser; vgl. Waddington Fastes des provinces Asiatiques nr. 135). Auf einer Reise nach Smyrna kehrte er im Hause des berühmten Rhetors Polemo ein, wurde aber von diesem, der gerade abwesend gewesen war und des Nachts nach Hause zurückkehrte, gezwungen, in ein anderes Haus überzusiedeln (Philostr. vit. soph. I 25, 3 p. 44–45). Ein anderes angebliches Rencontre mit dem Sophisten Herodes Atticus [2496] auf dem Idaberge beruht auf Verleumdung (Philostr. vit. soph. II 1, 8 p. 63).

Nach Rom zurückgekehrt, genoss Antoninus wegen seiner ausgezeichneten Verwaltung Asiens grosses Ansehen (Pius 3, 2. 4, 3. Dio LXIX 20, 4), so dass ihn Hadrian auch in den von ihm begründeten Staatsrat als Mitglied berief (Pius 3, 8; vgl. Hadr. 8, 9. 18, 1. 22, 11. Dio LXIX 7, 1. Hirschfeld V.-G. I 215. Mommsen St.-R. II³ 989. Herzog II 369f. 757). Er lebte daher in dieser Zeit meist in Rom (Pius 3, 8), während er sonst während seines ganzen Privatlebens am liebsten auf dem Lande lebte (Pius 2, 10). Er war nämlich ein eifriger Landmann (diligens agri cultor, Pius 2, 1), der als sehr reicher Mann (ante imperium ditissimus Eutrop. VIII 8; vgl. Pius 1, 9) auch sehr viele Güter besass (Pius 2, 11). Ausserdem gehörten ihm auch um das J. 134 die Figlinae Caeponianae (CIL XV 92–95. X 8043, 32), die er von seiner Mutter geerbt hatte (vgl. CIL XV 69–91; o. Arrius Nr. 44).

Etwa um 110–115 n. Chr. hatte sich Antoninus vermählt mit Annia Galeria Faustina (o. Bd. I S. 2312f. Annius Nr. 120), einer Tochter des M. Annius Verus (Annius Nr. 93) und Tante des späteren Kaisers Marcus Aurelius (Annius Nr. 94) (Pius 1, 6; Marc. 1, 3). Er scheint mit ihr nicht sehr glücklich gelebt zu haben (vgl. Pius 3, 7. 4, 8). Doch hatte er von ihr vier Kinder, zwei Söhne und zwei Töchter (Pius 1, 7). Die ältere Tochter, Aurelia Fadilla (u. Nr. 256), vermählt mit Lamia Silanus (Pius 1, 7) oder Silvanus (nach Dessaus Vermutung), starb schon, als der Vater zum Antritt seines Proconsulats nach Asien abreiste (Pius 3, 6), also zwischen 130 und 135 n. Chr., wird also zwischen 110 und 115 geboren sein. Auch die beiden Söhne, M. Aurelius Fulvus Antoninus (o. Nr. 137) und M. Galerius Aurelius Antoninus (CIL VI 989 = Dessau 351) sind nach Dios bestimmtem Zeugnis (LXIX 21, 1: ἄπαις ἀρρένων παίδων) vor dem J. 138 gestorben. Wenn also Münzen mit der Aufschrift Μ. Γαλέριος Ἀντωνεῖνος αὐτοκράτορος Ἀντωνείνου υἱός und θεὰ Φαυστείνα (Eckhel VII 42. Cohen II² 443) anzudeuten scheinen, dass der eine noch nach dem Tode der Faustina (141 n. Chr.) gelebt habe, so ist diese Annahme abzuweisen (vgl. Lacour-Gayet Antonin le Pieux 459). Die Überreste beider Söhne wurden ebenso wie die ihrer Schwester Aurelia Fadilla nach Fertigstellung des Mausoleums im J. 139 in dieses überführt (CIL VI 988–990 = Dessau 350–352). So blieb dem Antoninus nur die jüngere Tochter, die ebenso wie ihre Mutter Annia Galeria Faustina hiess (o. Bd. I S. 2313f. Annius Nr. 121) und zwischen 125 und 130 geboren sein mag. Vgl. auch den Stammbaum o. Bd. I S. 2289f.

Am 1. Januar 138 n. Chr. starb L. Aelius Caesar (= L. Ceionius Commodus), der von Hadrian gewählte Thronerbe, und Hadrian musste sich nach einem anderen Nachfolger umsehen (Hadr. 23, 16; Hel. 4, 7. Dio LXIX 20, 1). Er berief also am 24. Januar, seinem letzten Geburtstage, die vornehmsten Senatoren in seinen Palast und empfahl ihnen den Antoninus mit warmen Worten (Hadr. 26, 6. Dio LXIX 20, 1–5). Diesem selbst gab er einen Monat Bedenkzeit (Pius 4, 4) und stellte ihm zugleich die Bedingung, dass Antoninus [2497] selbst, da er keine Söhne habe (Dio LXIX 21, 1), den Neffen seiner Gattin, M. Annius Verus, und den Sohn des L. Caesar, L. Ceionius Commodus, adoptieren solle (Pius 4, 4–5. Dio LXIX 21, 1. Hadr. 24, 1; Hel. 6, 9). Nach Ablauf der Frist fand am 25. Februar 138 die dreifache Adoption statt (Pius 4, 6. Dio LXIX 21, 1. LXX 1, 1. Hadr. 24, 1; Hel. 5, 12. 6, 9. 7, 2; Marc. 5, 1ff.; Ver. 2, 2; Sever. 20, 1). Der Grund für die Wahl des Antoninus durch Hadrian war keineswegs die liebevolle Art, wie Antoninus seinen altersschwachen Schwiegervater M. Annius Verus beim Eintritt in den Senat unterstützt haben soll (Vict. Caes. 14, 10–11. Pius 4, 2), sondern die vortrefflichen staatsmännischen und persönlichen Eigenschaften des Antoninus, die dem Menschenkenner Hadrian nicht entgangen waren (Dio LXIX 20. Pius 4, 3). Antoninus erhielt bei der Adoption sofort die tribunicische und proconsularische Gewalt (Pius 4, 6) nebst dem Imperatortitel (vgl. Mommsen St.-R. II³ 1154, 3) und nannte sich daher Imp. T. Aelius Caesar Antoninus, imp. Traiani Hadriani Aug. filius, divi Traiani Parthici nepos, divi Nervae pronepos, tribunicia potestate, consul, CIL VI 998 = Dessau 331; ebenso auf den Münzen: Imp. T. Aelius Caesar Antoninus, Cohen II² 407, 1–3. Eckhel VII 2. Cohen Pius 128–133. 144. 574. 597–606. 612–613. 637. 1057–1068; aber auch einmal imp. T. Ael. Caes. Hadr. Antoninus, Cohen 1069; ferner: trib. pot. cos., Cohen 129–132.144. 574. 597–606. 637; auch schon cos. des. II, Cohen 128. 133. 612–613.

Die beiden Adoptivsöhne des Antoninus nannten sich fortan M. Aelius Aurelius Verus (vgl. o. Bd. I S. 2283f.) und L. Aelius Aurelius Commodus (vgl. z. B. CIL VIII 50. III Suppl. 8394. IGS I 1050).

Der Stadtpraefect L. Catilius Severus, der ebenso wie viele andere die Adoption des Antoninus missbilligte, wurde seines Amtes entsetzt (Hadr. 24, 6). Antoninus benahm sich gegen seinen Adoptivvater ausserordentlich pflichttreu (Pius 5, 1); auch hinderte er den Lebensmüden daran, sich töten zu lassen (Hadr. 24, 8–10; Pius 2, 6; vgl. Dio LXIX 20). Als Hadrian sich dann im Frühjahr nach Baiae begab, liess er den Antoninus in Rom als Reichsverweser zurück (Hadr. 25, 5). Beim Herannahen des Todes aber liess ihn Hadrian aus Rom nach Baiae kommen, wo er in dessen Gegenwart am 10. Juli 138 von seinen Qualen erlöst wurde (Hadr. 25, 6; Marc. 6, 1). Antoninus brachte seine Überreste in feierlicher Weise nach Rom und setzte sie vorläufig in den Gärten der Domitia bei (Pius 5, 1; Marc. 6, 1).

III. Regierungszeit: 10. Juli 138 – 7. März 161 n. Chr.

138: p. m. trib. pot. (25. Februar 138 – 9. December 138) cos. und cos. des. II.

a) Name: Der neue Kaiser fügte zunächst seinem Caesarennamen nur den Namen Augustus hinzu und nannte sich also Imp. T. Ael. Caes. Antoninus Aug. (Eckhel VII 3. Cohen 663–664). Dann nannte er sich imp. Caes. Ael. Antoninus Aug. (Eckhel VII 3. Cohen 614–615. 660–661. 665), und in dieser Zeit war es, dass er den Beinamen Pius annahm (Cohen 658–659), den einzigen, den er überhaupt angenommen [2498] hat. Zur Begründung des Namens wird folgendes angeführt: Pius cognominatus est a senatu, 1) vel quod soceri fessi iam aetatem manu praesente senatu levaret (Pius 2, 3; Hadr. 24, 3); 2) vel quod eos, quos Hadrianus occidi iusserat, reservavit (Pius 2, 4. 6, 3; Hadr. 24, 4; Elagab. 7, 10); 3) vel quod Hadriano contra omnium studio post mortem infinitos atque immensos honores decrevit (Pius 2, 5; Hadr. 24, 5. 27, 2–4); 4) weil er den Selbstmord Hadrians hinderte (Pius 2, 6); 5) weil er keinen von denen, die bei seinem Regierungsantritt angeklagt waren, bestrafte (Dio LXX 2, 1); 6) weil er die Götter mit besonderer Sorgfalt ehrte (Paus. VIII 43, 5; vgl. CIL VI 1001 = Dessau 341); 7) weil er überhaupt einen überaus milden und tugendhaften Charakter besass (quod vere natura clementissimus, Pius 2, 7; propter clementiam, Eutrop. VIII 8. Avid. Cass. 11, 6. Fronto p. 226). Das letzte wird richtig sein (vgl. über seinen milden Charakter überhaupt u. V b). Nach einer Inschrift wurde er nicht nur vom Senat, sondern ὑπὸ τῆς πατρίδος καὶ πάντων Pius genannt (CIG 6185 = IGI 1392). Die Annahme des Namens durch Antoninus erfolgte noch im J. 138 (vielleicht an seinem Geburtstage, dem 19. September?), vgl. Eckhel VII 3. 36f. Cohen 66–80. CIL II 4057. III 501 add. p. 984. V 4317. VI 999 = Dessau 333. IX 697 = Dessau 332. Der Beiname Pius = Εὐσεβής fehlt auf Münzen und lateinischen Inschriften nur selten (Cohen 381. CIL VII 1140 = Dessau 2481; vielleicht auch CIL XI 1183 = Dessau 1079), dagegen öfter in griechischen Inschriften (z. B. IGS I 75. 2416), namentlich in den kaiserlichen Rescripten (IGI 1055 b. IGS I 2870. Ancient Greek Inscr. III 2, 153ff. nr. 489–493. CIG III 3834. II 3176 B).

Der Kaiser nannte sich nicht, wie man erwarten sollte (vgl. Mommsen St.-R. II³ 765f.), Imp. Caes. Hadrianus Antoninus Aug. Pius (so heisst er nur vereinzelt, Cohen 656f. CIL VI 401), sondern mit Beibehaltung seines eigenen Vornamens und des Geschlechtsnamens seines Adoptivvaters auf Inschriften regelmässig Imp. Caes. T. Ael. Hadrianus Antoninus Aug. Pius (so schon im J. 138, Dessau 332. 333), auf den Münzen dagegen in den J. 138 und 139 Imp. T. Ael. Caes. Hadri. Antoninus Aug. Pius mit eigentümlicher Stellung von Caes. (Eckhel VII 3. Cohen 66–103. 381. 575. 634f. 638–653. 666. 790. 880; vgl. auch CIL III p. 936f.; selten abgekürzt: Imp. Antoninus Aug., Cohen 607f. 614f. 660f.) und später regelmässig Antoninus Aug. Pius p. p. Nur in den J. 151 und 152 lautet der Name auf den Münzen ebenso wie auf den Inschriften (Cohen 47. 50. 474f. 454f. 579–587. 616–618. 633. 690–693. 825f.; nur einmal auch im J. 158, Cohen 1040). Bei Schriftstellern heisst der Kaiser meist Antoninus Pius (z. B. Dio LXX 1, 1) oder nur Antoninus (z. B. Fronto p. 26. Paus. VIII 43. Philostr. vit. soph. I 25, 3. II 1, 8) oder später zur Unterscheidung von den anderen Antonini (vgl. über die Rolle, die der Name Antoninus im nächsten Jahrhundert spielt, besonders Mommsen St.-R. II³ 774) kurzweg Pius (z. B. Marc. 6, 1ff. 8, 1. 6. 29, 6; Niger 12, 1). [2499]

In einer karthagischen Inschrift wurden dem Kaiser fälschlich die Beinamen Traians Germanicus und Dacicus gegeben (CIL VIII Suppl. 12513 = Dessau 345). Dagegen erhält er schon die später üblichen schmeichelnden Benennungen optimus princeps (Eckhel VII 11. Cohen 29. 790–793. CIL III 5654. V 532, 1, 10), optimus maximusque princeps (CIL VI 1001 = Dessau 341. Dessau 2666 a. CIL VIII Suppl. 12 513 = Dessau 345), optimus ac sanctissimus omnium saeculorum princeps (CIL II Suppl. 5232), omnium saeculorum sacratissimus princeps (CIL XII 594), indulgentissimus princeps (CIL XI 1424. V 3110), princeps parensque noster (CIL VI 2084. 2086), dominus noster (CIL VI 2120; κύριος, IGI 737, auch auf Münzen, vgl. Eckhel VIII 365) und [κύριος] τῆς οἰκουμένης (CIG III 4416), vgl. darüber Mommsen St.-R. II³ 762, 4.

b) Titel: 1) p(ontifex) m(aximus) heisst Antoninus trotz einiger entgegenstehender Münzen (Cohen 574. 637. 662. 665) richtig wohl erst nach Hadrians Tode (vgl. Eckhel VII 2f. Mommsen St.-R. II³ 1108). 2) Die trib(unicia) pot(estas) hat Antoninus regelmässig am 10. December erneuert (vgl. Mommsen St.-R. II³ 800f.), so dass er sie trotz seiner nicht vollzähligen 23 Regierungsjahre 24 mal geführt hat. 3) Den Imperatortitel hat Antoninus nur einmal erneuert (vgl. unten zum J. 142/143). 4) Consul I war Antoninus im J. 120, cos. II 139, cos. III 140, cos. IV 145 (s. zu diesen Jahren). 5) Den Titel p(ater) p(atriae), der ihm sofort nach seiner Thronbesteigung vom Senat zuerkannt wurde, lehnte er ebenso wie die früheren Kaiser zunächst ab (Pius 6, 6; vgl. Mommsen St.-R. II³ 779f.), nahm ihn dann aber schon im J. 139 an (s. zu diesem Jahr) und führte ihn seitdem fast ausnahmslos auf Münzen und Inschriften (vgl. Eckhel VII 3. 35f.). 6) Proconsul heisst er niemals, wohl deswegen, weil er Italien niemals verlassen hat (vgl. Mommsen St.-R. II³ 778, 1). 7) Frater Arvalis wird nur ausnahmsweise seinem Titel hinzugefügt (im J. 139, CIL VI 1000, vgl. Mommsen St.-R. II³ 781, 2).

c) Letzte Ehren Hadrians. Die erste Regierungssorge des Antoninus galt der Consecration seines Vorgängers, die er nur durch besondere Bitten und Vorstellungen vom Senat erlangen konnte (Dio LXX 1, 2–3. Bd. V p. 205 Dind. Hadr. 27, 2; Pius 5, 1. Eutrop. VIII 7. Vict. Caes. 14, 13–14; vgl. Elagab. 7, 9–10). Dass sie erst im J. 139 stattgefunden habe, folgert man wohl mit Unrecht aus Hadrians Grabschrift (CIL VI 984 = Dessau 322), wo Hadrian nicht divus, seine Gemahlin aber diva genannt wird. Denn die uns bekannten Grabschriften der Kaiser bezeichnen niemals den verstorbenen als divus, wenn auch die Consecration unmittelbar nach dem Tode vollzogen wurde, so bei Pius selbst (CIL VI 986 = Dessau 346) und bei L. Verus (CIL VI 991 = Dessau 369). Es scheint dabei der Grund mitgewirkt zu haben, dass man die Ehren und Titel des Verstorbenen im Augenblick seines Todes aufzählen wollte, diese aber bei einem ,Gotte‘ unpassend erschienen. Jedenfalls wird Hadrian auf allen mir bekannten Inschriften aus der zweiten Hälfte des J. 138 schon divus genannt (CIL II 4057. III 501 add. p. 984. V [2500] 4317. IX 697 = Dessau 332. VI 999 = Dessau 333; auch wohl XIV 89 = Dessau 334). Auch ist es kaum glaublich, dass Pius über ein halbes Jahr mit der Consecration gewartet hätte, zumal diese Handlung als ein Zeichen seiner Frömmigkeit und Pietät gegen seinen Vorgänger hervorgehoben wird (Dio LXX 1, 2-3. Hadr. 27, 2; Pius 5, 1. Eutrop. VIII 7). Endlich ist doch wohl anzunehmen, dass die Überreste des L. Caesar um dieselbe Zeit wie die Hadrians in das Mausoleum überführt worden sind; auf der Grabschrift des L. Caesar wird aber Hadrian schon divus genannt (CIL VI 985 = Dessau 329). Wahrscheinlich ist also trotz des anfänglichen Widerspruchs des Senats die Consecration bald nach dem Tode Hadrians im J. 138 erfolgt.

Ausserdem setzte Pius für seinen Vorgänger flamines und sodales Hadrianales ein (Hadr. 27, 3; Pius 5, 2; vgl. über letztere Dessau Eph. ep. III p. 213–216), weihte ihm einen prächtigen Schild (Pius 5, 2) und errichtete ihm einen Tempel in Rom (Pius 8, 2). Auf diesen Tempel bezieht Eckhel (VII 22) Münzen vom J. 151 mit der Aufschrift Pietas und der Abbildung eines Tempels; doch scheint die Einweihung dieses Tempels schon im J. 145 stattgefunden zu haben (Ver. 3, 1; vgl. u. zum J. 145). Ferner erbaute Pius ihm auch bei Puteoli einen Tempel statt eines Grabmals (Hadr. 27, 3; wahrscheinlich bei Ciceros puteolanischer Villa, in der Hadrian zuerst beigesetzt worden war, Hadr. 25, 7) und stiftete hier einen alle fünf Jahre zu feiernden Wettkampf (Hadr. 27, 3), der in einer Inschrift (CIL X 515 = Dessau 340) sacrum certamen [i]selastici genannt wird, d. h. ἀγὼν εἰσελαστικός (vgl. Mommsen CIL X p. 183); sonst heissen diese Spiele Εὐσέβεια (IGI 737. Artemidor. Ὀνειροκριτικά I 26).

d) Dem Kaiser selbst und seinen Verwandten wurden vom Senat verschiedene Ehren erwiesen. Es wurde ihm der Name Pius übertragen (Pius 5, 2; vgl. o. a) und die Feier circensischer Spiele an seinem Geburtstage (19. September) beschlossen (Pius 5, 2). Seine Gemahlin wurde Augusta genannt, seinen verstorbenen Verwandten, nämlich Vater, Mutter, Grossvätern und Brüdern, wurden Bildsäulen zuerkannt (Pius 5, 2). Der Kaiser seinerseits gab zur Feier des Regierungsantritts den Soldaten und dem Volke aus seinem eigenen Vermögen ein Geldgeschenk (Pius 4, 9. 8, 1; Münzen mit Liberalitas, Eckhel VI 11. Cohen 480–482) und erliess das aurum coronarium, d. h. die Geldsteuer, die an Stelle der früheren goldenen Kränze bei freudigen Anlässen üblich geworden war, den Italienern ganz und den Provinzen zur Hälfte (Pius 4, 10; vgl. Eckhel VII 4–11 und zum J. 139). Und keinen von denen, die bei seiner Thronbesteigung unter Anklage standen, bestrafte er, indem er sagte, dass er nicht mit solchen Thaten seine Regierung anfangen wolle (Dio LXX 2, 1. Bd. V p. 205 Dind.).

139: p. m. trib. pot. II (10. December 138 – 9. December 139). cos. II (und desig. III). p. p.

Am 1. Januar 139 trat Pius sein zweites Consulat an, zusammen mit C. Bruttius Praesens, der gleichfalls zum zweitenmal Consul war (Tab. cer. Dac. CIL III p. 936f. CIG II 3175 = CIL III [2501] 411 = Dessau 338. CIL VI 833. 401. IX 2828. XV 1061. 1219. 1440 a. b. Dessau 2182. IGS I 2416. Censorin. d. n. 21, 10. Mommsen Chron. min. I 58. 224. 286. 424. II 142). Gleichzeitig verwaltete sein Adoptivsohn Marcus die Quaestur (Marc. 5, 6, vgl. Pius 6, 9f. 10, 3; Marc. 6, 1; o. Bd. I S. 2283). Anscheinend schon im Januar dieses Jahres (vgl. CIL VI 2084) nahm Pius den ihm vom Senat zuerkannten Titel p(ater) p(atriae) an, den er zuerst abgelehnt hatte, Pius 6, 6. Cohen 81–97 noch ohne p. p., Cohen 98–103 mit p. p. Eckhel VII 3. 35f. Euseb. Hieron. chron. a. Abr. 2155 = 139 n. Chr.: Antoninus pater patriae appellatur; vgl. CIL X 1642 = Dessau 335. X 1640 = Dessau 336. VI 984 = Dessau 322. VI 1000. 2084. II 4494. XIV 97. 2100. 3580. Dagegen ist CIL III 131: p. p. p. m. tr. p. co[s. des.] II unsicher.

In diesem Jahre vollendete Pius das von Hadrian begonnene grossartige Mausoleum sepulchrum Hadriani, Pius 8, 2; Hadr. 19, 11. Dio LXIX 23, 1), das er ,seinen Eltern‘ Hadrian und Sabina weihte (CIL VI 984 = Dessau 322). Es wurden nun die bereits gestorbenen Mitglieder der kaiserlichen Familie in dem neuen Grabmale feierlich beigesetzt, vor allem Hadrian selbst (Dio LXIX 23, 1) und seine Gemahlin Sabina (CIL VI 984 = Dessau 322), sodann L. Aelius Caesar, der schon am 1. Januar 138 gestorben war (Ver. 11, 1. CIL VI 985 = Dessau 329) und endlich die drei schon verstorbenen Kinder des Pius (CIL VI 988–990 = Dessau 350–352; vgl. o. II).

In demselben Jahre wurden auf Senatsbeschluss Münzen mit den Namen der meisten Provinzen geprägt, durch die wahrscheinlich ihr Glückwunsch zum Regierungsantritt und die Darbringung des von Pius zur Hälfte erlassenen Aurum coronarium (s. o.) ausgedrückt werden sollte (vgl. Eckhel VII 4–11). Es sind folgende: Africa (Cohen 21–25), Asia (Cohen 64–65), Cappadocia (Cohen 120), Dacia (Cohen 347), Hispania (Cohen 413), Mauretania (Cohen 551–553), Sicilia (Cohen 786–788), Syria (Cohen 794–796), Thracia (Cohen 816); ausserdem erscheinen Phoenice (Cohen 596), Alexandria (Cohen 26–28), Italia (Cohen 465; dies aber auch in späteren Jahren, Cohen 463. 464. 466–472, so dass hier der Sinn ein anderer sein wird) und merkwürdigerweise auch Parthia (Cohen 572) und vielleicht Scythia (Cohen 777).

Das wichtigste Ereignis dieses Jahres war die Erhebung des jungen Marcus Aurelius zum Caesar, die noch während seiner Quaestur, also vor dem 5. December 139, erfolgte (Cohen II² 409, 1–12, vgl. Pius 6, 9; Marc. 6, 3; o. Bd. I S. 2284).

140: p. m. trib. pot. III (10. December 139 – 9. December 140). cos. III. p. p.

Am 1. Januar 140 trat Pius sein drittes Consulat an, zusammen mit seinem Adoptivsohn Marcus Aurelius Caesar, Pius 6, 9. 10, 3; Marc. 6, 3. CIL VI 159. XIV 246. 2795 (= Dessau 272). VIII Suppl. 18 067 (= Dessau 2303). 14 570. XV 229. Mommsen Chron. min. I 58. 224. 286. 424. II 142.

141: p. m. trib. pot. IV (10. December 140 – 9. December 141). cos. III. p. p.

In der ersten Hälfte dieses Jahres verlor Pius seine Gemahlin Annia Galeria Faustina (s. o. [2502] Bd. I S. 2312). Sie starb nämlich im dritten Jahre seiner Regierung (d. h. 10. Juli 140 – 9. Juli 141, Pius 6, 7) und in seiner vierten tribunicischen Potestas (10. December 140 – 9. December 141, nach der Grabschrift CIL VI 987 = Dessau 349). Sie wurde im Mausoleum beigesetzt (Grabschrift) und vom Senate consecriert (Pius 6, 7; Münzen und Inschriften). Ausser anderen Ehren wurde ihr auch vom Senat ein Tempel an der Sacra Via errichtet (Pius 6, 7; Gallien. 19, 4. Eckhel VII 39. Cohen II² 414, 1. 428, 191–194), der später auch dem Pius selbst gewidmet wurde (s. u. zum J. 161). Ihr Gemahl gründete zu ihrem Andenken Institute für junge Mädchen (puellae alimentariae Faustinianae, Pius 8, 1, oder blos puellae Faustinianae, Alex. Sev. 57, 7. Eckhel VII 40. Cohen II² 433, 261–263; vgl. auch CIL XIV 4003. Orelli 89).

Nach dem Tode seiner Gemahlin vermählte sich Pius nicht noch einmal, sondern lebte mit einer Concubine (Pius 8, 9) Galeria Lysistrate, einer Freigelassenen der Verstorbenen (CIL VI 8972 = Dessau 1836).

142/143: p. m. trib. pot. V und VI (10. December 141/42 – 9. December 142/43). (imp. II). cos. III. p. p.

Nach einer Inschrift (CIL X 515 = Dessau 340) führt Pius schon im J. 142 den Titel imperator II. Auf den anderen Inschriften des J. 142 (CIL II 1336. III 1448. X 6000), sowie auf einzelnen aus dem J. 143 (CIL VI 1001 = Dessau 341. CIL III 4641. 4649. VIII 5326) fehlt noch imp. II. Es ist daher zweifelhaft, ob Pius die zweite imperatorische Begrüssung im J. 142 oder 143 angenommen hat. Jedenfalls führt er sie regelmässig seit 143 (CIL II 3236. III 5734. 5743. X 103. Henzen 5119 = Wilmanns 822. CIG 5907 = IGI 1055. Eckhel VII 14. 37. Cohen 17. 30–32. 113–115. 119. 416–451. 457. 533).

Die zweite imperatorische Begrüssung nahm Pius an aus Anlass eines Sieges in Britannien (Eckhel VII 14. Cohen 113–115. 119). Dieser Sieg wurde von seinem Legaten Q. Lollius Urbicus (CIL VII 1041. 1125) gegen die Briganten erfochten (Pius 5, 4. Paus. VIII 43, 4), während Pius selbst während des britannischen Krieges in Rom blieb (Paneg. V Constantii 14). Nach der Zurückwerfung der Feinde wurde ein neuer Wall (murus caespiticius, Pius 5, 4), der Antoninswall, unter der Leitung des Lollius Urbicus gebaut, und zwar an der schmalsten Stelle der ganzen Insel, zwischen Firth of Forth (Edinburgh) und Firth of Clyde (Glasgow). Er war nicht wie der Hadrianswall (s. o. Bd. I S. 504 unten) nach beiden Seiten, sondern nur nach Norden gerichtet und nach Mommsen (R. G. V 170, 1) ein blosser Erddamm, der erst von Severus (vgl. Sev. 18, 2) ausgebaut wurde. Doch vgl. darüber E. Hübner CIL VII p. 191–194 (mit den Inschriften CIL VII 1088–1143); Röm. Herrschaft in Westeuropa 48–52. Lacour-Gayet Antonin le Pieux 170f.

Den britannischen Sieg (vgl. auch die Münzen mit Victoria Aug. aus den J. 140–144, Cohen 1077–1087) feierte Fronto in Rom in einer Rede (Paneg. V Constantii 14), die wahrscheinlich mit der Dankesrede identisch ist, die Fronto am 13. August 143 im Senat zum Dank für die Verleihung des Consulats hielt, eine Lobrede auf Pius [2503] (Fronto p. 25f. 105. 163f. 239. 241). Dieser dankte ihm dafür in einem Briefe, worin er auch über ,seine Faustina‘ (nämlich seine Tochter, vgl. o. Bd. I S. 2313) ein Wort der Liebe hinzufügt (Fronto p. 164).

145: p. m. trib. pot. VIII (10. December 144 – 9. December 145). imp. II. cos. IIII. p. p.

Am 1. Januar 145 trat Pius sein viertes und letztes Consulat an, wiederum zugleich mit dem Kronprinzen Marcus Caesar, der zum zweitenmal dieses Amt übernahm (Marc. 6, 4. Dessau 2183. 2479 = CIL VIII 10 230. CIL III 282. III Suppl. 7505 = Dessau 2311. CIL XV 1071. Eph. ep. VIII p. 331 nr. 15. Mommsen Chron. min. I 58. 224. 286. 426. II 142). Im Laufe dieses Jahres (nicht nach dem August, vgl. o. Bd. I S. 2286) fand die Vermählung des Marcus Caesar mit der Tochter des Kaisers Annia Faustina unter grosser Prachtentfaltung statt (Marc. 6, 6; Pius 10, 2; vgl. o. Bd. I S. 2286. 2313), und Pius gab bei dieser Gelegenheit den Soldaten ein Geldgeschenk (Pius 10, 2). Bei einer zweiten festlichen Gelegenheit in diesem Jahre zeigte sich Pius auch dem Volke freigebig (Eckhel VII 17. Cohen 490–501. Ver. 3, 1). Um diese Zeit nämlich empfing der zweite Adoptivsohn des Kaisers, L. Aelius Aurelius Commodus (der spätere Kaiser L. Aurelius Verus), die Toga virilis, und zwar an demselben Tage, an welchem Pius den Tempel Hadrians einweihte (Ver. 3, 1). Da nun Lucius um 130–131 geboren ist (Ver. 2, 10. 11, 1), wahrscheinlich am 15. December 130 (vgl. Ver. 1, 8), und Marcus die Toga virilis in seinem fünfzehnten Lebensjahre empfing (Marc. 4, 5), so wird Lucius sie auch im fünfzehnten Lebensjahre, also zwischen 15. December 144 und 145 erhalten haben. Damit stimmen die Münzen überein, die gerade im J. 145 eine liberatitas des Pius angeben, von der auch der Biograph spricht (Ver. 3, 1. Cohen 490–501. Eckhel VII 17). Über den Hadrianstempel vgl. auch Pius 8, 2 und Eckhel VII 22.

Um das J. 145 fand auch der Feldzug gegen die Mauren statt, von dem wiederholt die Rede ist (CIL III 5211–5215. Paus. VIII 43, 3. Pius 5, 4. Aristid. or. XIV Bd. I 351 Dind.; vgl. auch CIL VI 1208). Als Befehlshaber der Hülfstruppen die zu diesem Feldzuge aus Spanien nach Mauretania Tingitana geschickt wurden, wird uns nämlich ein T. Varius Clemens genannt (CIL III 5211–5215), der nach Bekleidung dreier weiterer Ämter im J. 152 oder 153 Procurator von Mauretania Caesariensis wurde (CIL VIII 2728). Ausserdem befand sich im J. 145 eine Vexillatio der Legio VI Ferrata in Numidien (CIL VIII 10230 = Dessau 2479; vgl. auch CIL VIII 2490), die wahrscheinlich ebenfalls aus Anlass dieses Feldzuges aus Iudaea nach Africa geschickt war. Andererseits freilich führt Pausanias (VII 43) den Maurenkrieg vor dem britannischen an; doch ist das wohl ohne Bedeutung (umgekehrte Reihenfolge bei Pius 5, 4).

146: p. m. trib. pot. IX (10. December 145 – 9. December 146). imp. II. cos. IIII. p. p.

Die Geburt seines ersten Enkelkindes in diesem Jahre gab dem Kaiser Anlass, seinen Schwiegersohn bei dem nächsten Wechsel des tribunicischen Jahres, also am 10. December 146, mit der Tribunicia [2504] potestas und dem Imperium proconsulare zu beschenken, d. h. ihn zum Mitregenten zu erheben (Marc. 6, 6; vgl. o. Bd. I S. 2286f.).

147/148: p. m. trib. pot. X/XI (10. December 146/147 – 9. December 147/148). imp. II. cos. IIII p. p.

Nach dem Chronicon Paschale fand im J. 147 ein allgemeiner Erlass der rückständigen Steuern statt (Mommsen Chron. min. I 224; vgl. auch Malal. XI p. 281 Bonn.). Da aber Hadrian im J. 118, Marcus im J. 178 die Steuern erliess, und diese Revision alle fünfzehn Jahre geschehen zu sein scheint (vgl. Mommsen St.-R. II³ 1015, 4), so haben wir den Erlass des Pius wohl eher ins J. 148 zu setzen. In eines dieser beiden Jahre wird auch die Feier des 900. Jahres der Stadt Rom fallen (Vict. Caes. 15, 3), mit der eine Ausstellung seltener Tiere verbunden gewesen zu sein scheint (Pius 10, 9; vgl. auch die Münzen mit Munificentia, auf denen Löwe und Elephant abgebildet sind, Eckhel VII 19).

161: p. m. trib. pot. XXIIII (10. December 160 – 7. März 161). imp. II. cos. IV. p. p.

Das Ende des Kaisers war sehr schön. Nur drei Tage war er krank. In seinen Fieberphantasien sprach er nur über Staatsangelegenheiten und über die Könige, denen er zürnte (Pius 12, 7). Am dritten Tage liess er seine Freunde und die Gardepraefecten hereinkommen, empfahl ihnen den Marcus Aurelius als seinen Nachfolger und liess die goldene Statue der Fortuna aus seinem Schlafzimmer in das des Marcus hinüberbringen, gab dann dem Tribunen die Losung Aequanimitas und schlief darauf sanft ein (Pius 12, 4–8: Marc. 7, 3. Quadratus bei Dio epit. LXX 3, 3). Er starb in seinem Landhause Lorium, unweit von Rom (Pius 12, 6. Vict. epit. 15, 7. Eutrop. VIII 8 = Hieron. chron. a. Abr. 2176 = Cassiod., Mommsen Chron. min. II 143 = Iordanes Rom. 271. Chronograph von 354, Mommsen Chron. min. I 146. Malal. XI p. 281). Der Todestag ist der 7. März 161; das ergiebt sich aus der Regierungszeit des Kaisers Marcus, der am 17. März 180 starb (Dio LXXI 33, 4. Tertull. apologet. 25) und 19 Jahre 11 Tage regierte (Dio LXXI 34, 5. Clem. Alex. strom. I 21, 144). Dass Pius am 23. März 161 schon tot war, bestätigt die Inschrift CIL X 1814. Pius hat also etwa 23 Jahre regiert (Vict. epit. 15, 1. 3. 7; falsch Dio LXXI 1, 1: 24 Jahre; Eutrop. VIII 8: 33 Jahre; Vict. Caes. 15, 3: 20 Jahre), genauer 22 Jahre 7 Monate 28 Tage (der Chronograph bei Mommsen Chron. min. I 146 hat 22 Jahre 8 Monate 28 Tage, irrt also nur in den Monaten; Clem. Alex. strom. I 21, 144 hat 22 Jahre 3 Monate 7 Tage, vielleicht aus Versehen für dritter Monat, siebenter Tag des Jahres; denn die übrigen dort angeführten Regierungszeiten sind richtig bis auf die Monatszahl bei Traian). Seine Lebensdauer betrug 75 Jahre (falsch Pius 12, 4: 70 Jahre; Eutrop. VIII 8: 73 Jahre; Iord. Rom. 271: 76 Jahre; Hieron.-Cassiod.: 77 Jahre), genauer 74 Jahre 5 Monate 18 Tage.

Die Überreste des Kaisers wurden in dem Mausoleum Hadrians feierlich beigesetzt (Marc. 7, 10. Grabschrift CIL VI 986 = Dessau 346). Beide Kaiser, Marcus und Lucius, hielten ihm auf dem Markt eine Laudation und gaben Leichenspiele [2505] (Marc. 7, 10–11. 8, 2; Pius 13, 4). Der Senat beeilte sich, unter höchsten Lobsprüchen ihn einstimmig für divus zu erklären (Pius 13, 3; Marc. 29, 8. Eutrop. VIII 8. Vict. epit. 15, 8; Münzen mit divus Antoninus oder divus Pius und Consecratio, Cohen 153–167. 352–358; ähnlich die Inschriften, z. B. Dessau 347f. 2841). Es wurden ihm alle Ehren zuerkannt, die vorher den besten Kaisern zu teil geworden waren (Pius 13, 3). Der Tempel der Faustina an der Sacra Via wurde auch seinem Gedächtnis gewidmet (Pius 13, 4. Vict. epit. 15, 8; vgl. o. zum J. 141) und erhielt die Inschrift Divo Antonino et divae Faustinae ex s. c. (CIL VI 1005 = Dessau 348; vgl. auch CIL VI 1540. 1599 = Dessau 1112. 1326. Carac. 4, 2. Lacour-Gayet Antonin le Pieux 287–294). Auch in Puteoli wurde ihm ein Tempel errichtet (CIL X 1784). Ferner wurden für ihn Priester eingesetzt, ein flamen und sodales Antoniniani (später auch Aureliani genannt) (Pius 13, 4; Marc. 7, 11. Vict. epit. 15, 8; vgl. z. B. CIL XI 3365 = Dessau 1081. H. Dessau Eph. ep. III p. 216–229). Endlich widmeten Marcus und Lucius ihrem Adoptivvater eine Säule auf dem Campus Martius, die sich jetzt in den vaticanischen Gärten befindet (CIL VI 1004 = Dessau 347; vgl. Lacour-Gayet Antonin le Pieux 439–444).

IV. Regierungsthätigkeit. (Übersicht).

a) Provinzen: Provinciae sub eo cunctae floruerunt (Pius 7, 1). Pius erliess ihnen zur Hälfte das aurum coronarium (Pius 4, 10; s. zum J. 138 und 139), kümmerte sich genau um ihre Finanzen und Steuern (Pius 7, 8), beaufsichtigte strenge die Finanzbeamten (Pius 6, 1–2. 10, 7) und liess gute Statthalter 7–9 Jahre auf ihren Posten (Pius 5, 3). Die Vereinigung von Cilicien, Isaurien und Lycaonien, die man früher dem Septimius Severus (Marquardt St.-V. I² 365. 388), dann nach einer neu gefundenen Inschrift dem Pius zuschrieb (Bull. hell. 1885, 433ff., vgl. CIL VIII 7059 = Dessau 1067. Cod. Iust. IX 43, 1), wird wohl eher auf den Organisator Hadrian zurückzuführen sein. Pius griff häufig selbst in die Provincialverwaltung ein (vgl. besonders die Briefe, o. I a), unterstützte viele Städte durch Geld (Pius 8, 4), besonders die durch Erdbeben zerstörten oder geschädigten Städte in Rhodus und Kleinasien (Pius 9, 1. CIG II 2721. Paus. VIII 43, 4. Le Bas III 1285), sowie die durch Brand geschädigten Städte Narbo (Pius 9, 2. CIL XII 4342; vgl. O. Hirschfeld CIL XII p. 521), Antiochia und Karthago (Pius 9, 2. Paus. VIII 43, 4), und erleichterte die Lasten der Reichspost (Pius 12, 3). Trotzdem er nicht sehr baulustig war (οὐχὶ φιλοικοδόμος, Marc. εἰς ἑ. I 16), liess er doch die von seinem Vorgänger angefangenen Bauten unter Aufwendung namhafter Kosten vollenden (Pius 4, 10), so das Grabmal Hadrians (s. zum J. 139), die Thermen von Ostia (Pius 8, 3. CIL XIV 98 = Dessau 334), die Wasserleitung in Neu-Athen (CIL III 549 = Dessau 337; vgl. Hadr. 20, 4–5), das opus pilarum am Hafen zu Puteoli (CIL X 1640 = Dessau 336; vgl. auch CIL X 3832 = 3593). Von eigenen Bauten sind zu nennen: der Antoninswall (s. zum J. 142/143), der Tempel Hadrians (s. zum J. 138 und 145), der Tempel der Faustina (s. zum J. 141), ein [2506] Palast in Lorium (Pius 1, 8), ein Amphitheater in Porolissum (CIL III 836), ein Tempel des Neptun in Lambaesis (CIL VIII 2653), eine Wasserleitung in Scolacium (CIL X 103), die Ausbaggerung eines Sees bei Uscosium (CIL IX 2828). Im übrigen vgl. Pius 8, 2–3. Schiller Gesch. der römischen Kaiserzeit I 629f., 10. Lacour-Gayet Antonin le Pieux 153–177. Dass es übrigens trotz der trefflichen Verwaltung unter Pius um die Sicherheit der Reisenden nicht überall gut bestellt war, lehren folgende Stellen: CIL VIII 2728. Fronto p. 35f. 169. Digest. XLVIII 7, 1, 2. XIV 2, 9.

b) Finanzwesen: Im allgemeinen zeigte Pius grosse Sparsamkeit (Pius 7, 7–11. Marc, εἰς ἑ. I 16), so dass er trotz einer grossen Milde in der Besteuerung (Pius 6, 1. 10, 7) bei sorgfältiger Verwaltung (Pius 7, 8, vgl. Fronto p. 86) einen reichen Staatsschatz hinterliess (Eutrop. VIII 8), nämlich 675 Millionen Drachmen (Dio LXXIII 8, 3). Trotzdem war er auch ad indulgentias pronissimus (Pius 10, 8; Münzen mit Indulgentia Aug. Cohen 452–456), unterstützte reichlich notleidende Gemeinden (s. unter a), stiftete puellae alimentariae (s. zum J. 141) und erliess um 148 (s. o.) die rückständigen Steuern. Besonders war er den Soldaten und dem Volke gegenüber sehr freigebig (Pius 4, 9. 8, 1. 8, 11. 10, 2; Ver. 3, 1. Eutrop. VIII 8), so dass auf den Münzen eine neunfache Liberalitas gefeiert wird, nämlich in den J. 139, 140–144, 145, 148, 151, 152–154, 158 und 161 (Cohen 480–532; vgl. Schiller I 629, 8). Die Gesammtsumme seiner Spenden giebt der Chronograph von 354 (Mommsen Chron. min. I 146) auf 800 Denare pro Kopf an (vgl. die Zusammenstellung bei Marquardt St.-V. II² 138). Auch gab Pius kostspielige Tierkämpfe und andere Spiele (Pius 10, 9; Münzen mit Munificentia Aug. Cohen 562–566); vgl. im allgemeinen Lacour-Gayet Antonin le Pieux 76–97.

c) Rechtswesen: Wie Pius alle Regierungspflichten sorgsam erfüllte, so behandelte er auch die Rechtspflege mit grosser Sorgfalt (Pius 7, 1. 12, 1. Marc. εἰς ἑ. I 16). Er bediente sich dabei der ersten Rechtsgelehrten seiner Zeit (Pius 12, 1) und befragte regelmässig seinen Staatsrat (Pius 6, 11). Zahlreiche Erlasse und Verordnungen, die bei Hänel Corpus leg. 101–113 zusammengestellt sind, geben Zeugnis von seiner regen Thätigkeit auf diesem Gebiete (vgl. auch das Decret von Tergeste, CIL V 532 und dazu Mommsen CIL V p. 53). Dass das Bürgerrecht durch Pius zwischen 145 und 154 nicht mehr auf die Kinder der entlassenen Soldaten ausgedehnt, sondern auf die Soldaten selbst beschränkt worden wäre, wie Mommsen annahm (Eph. ep. IV p. 510f.), scheint durch ein neugefundenes Diplom vom 5. September 152 (CIL III Suppl. p. 1987) widerlegt zu werden. Im allgemeinen vgl. Schiller I 630, 5–12. Lacour-Gayet 403–431.

d) Kriege und Aufstände: Die Regierung des Pius war im allgemeinen eine überaus friedliche (nullo bello, Vict. epit. 15, 3; sine sanguine, Pius 13, 4), da der Kaiser lieber einen Bürger erhalten als 1000 Feinde töten (Pius 9, 10) und lieber die Provinzen verteidigen, als sie vergrössern wollte (Eutrop. VIII 8). Er selbst hat auch in der That [2507] keinen Feldzug unternommen (Pius 7, 11) und freiwillig keinen Krieg geführt (Paus. VIII 43, 3). Trotzdem haben seine Legaten an vielen Punkten gekämpft (per legatos suos plurima bella gessit, Pius 5, 4; Verluste der Römer deutet an Fronto p. 218), so besonders in Britannien (s. o. zum J. 142/43) und Mauretanien (s. zum J. 145), ferner gegen die Germanen (Pius 5, 4; vgl. CIL VI 1208) und Alanen (Pius 5, 5), gegen die Dacier (Pius 5, 4. Aristid. or. XIV Bd. I 351 Dind., vielleicht um das J. 157, vgl. CIL III 1416) und die Tauroskythen (Pius 9, 9). Auch zahlreiche Aufstände hatte er zu bewältigen (Pius 12, 2); er selbst soll in Rom bei einem Getreidemangel (vgl. Pius 8, 11) mit Steinen beworfen sein (Vict. epit. 15, 9). Wir hören von einem Aufstand der Juden (Pius 5, 4), obwohl ihnen Pius erlaubte, wenigstens ihre Söhne zu beschneiden (Digest. XLVIII 8, 11 pr., vgl. Schürer Gesch. d. jüd. Volks I 566. 587), von Aufständen in Achaia (Pius 5, 5) und in Ägypten (Pius 5, 5; am roten Meere, Aristid. or. XIV Bd. I 351 Dind.; vgl. auch Malal. p. 280f. Bonn., der den Kaiser fälschlich selbst nach Ägypten kommen lässt). Es fanden endlich sogar Verschwörungen gegen den milden Kaiser statt (vgl. Vict. epit. 15, 6. Aristid. or. IX Bd. I 101 Dind.) von seiten eines gewissen Atilius Titianus und eines Priscianus (Pius 7, 3–4). Dagegen sind die Angaben vom Abfall eines Celsus (in einem gefälschten Briefe Avid. Cass. 10, 1) und von einem Empörungsversuch des jungen Avidius Cassius (Avid. Cass. 1, 5) als Erfindung zu verwerfen.

e) Ansehen bei den auswärtigen Königen: Ingenti auctoritate apud omnes gentes fuit (Pius 7, 12. 9, 10. Eutrop. VIII 8. Vict. epit. 15, 3. Appian. Ῥωμαικά praef. 7). In den J. 140–144 (wegen cos. III) gab er den Armeniern und den Quaden einen König (Eckhel VII 15. Cohen 686–689). Ebenso gab er den Lazen einen gewissen Pacorus als König (Pius 9, 6). Er schlichtete den Thronstreit zwischen den Königen des Bosporus Rhoemetalces und Eupator (so ist für curator zu lesen) zu Gunsten des ersteren (Pius 9, 9; vgl. Vict. epit. 15, 3), und empfing später von Eupator, der dem Rhoemetalces um 154 gefolgt war (vgl. die Münzen), Tribut (Lucian. Alex. 57). Auch der König der Hiberer Pharasmanes kam mit Gemahlin und Sohn nach Rom, überbrachte dem Kaiser Geschenke und empfing sein Reich vergrössert zurück (Dio LXIX 15, 3. Pius 9, 6). Den König (von Osrhoene) Abgar entfernte er durch sein blosses Ansehen (Pius 9, 6; vgl. o. Bd. I S. 95).

Besonders wichtig ist des Pius Verhältnis zu den Parthern. Wir erfahren, dass er den Partherkönig von der Eroberung Armeniens durch blosse Briefe abhielt (Pius 9, 6), und dass er ihm den von Traian erbeuteten Königsthron, den er zurückforderte, verweigerte (Pius 9, 7). Infolge dieser Zurückweisung scheint Volagases (III.), der im J. 148 den Partherthron bestieg (vgl. v. Gutschmid Gesch. Irans 147), den Krieg gegen die Römer beschlossen zu haben (paratum sub Pio, Marc. 8, 6). Jedenfalls liess Pius schon Hülfstruppen nach Syrien marschieren ob bellum Parthicum (CIL IX 2457 = Dessau 1076; vgl. Borghesi Oeuvres V 376). Zum Kriege selbst kam es aber erst nach des Kaisers Tode (s. o. [2508] Bd. I S. 2292). Waddington (Mémoires de l’académie des inscr. XXVI 1, 1867, 259ff.) und ihm folgend v. Gutschmid (Gesch. Irans 147) und andere nehmen nun an, dass der Ausbruch der Feindseligkeiten um das J. 154–155 durch eine persönliche Zusammenkunft des in Syrien weilenden Pius und des Volagases verhütet worden sei (Aristid. or. XXIII Bd. I 453f. Dind.). Aber neuerdings setzt W. Schmid (Rh. Mus. XLVIII 1893, 57ff.) des Aristides Vision vom Friedensschluss zwischen dem Antoninus ὁ πρεσβύτερος (nämlich Marcus im Gegensatz zu Verus) und Volagases in das J. 166, wo wirklich ein Friede zu stande kam. Jedenfalls reicht das Zeugnis des Malalas (p. 280f. Bonn.) nicht aus, um die Angabe der Vita (Pius 7, 11) umzustossen, wonach Pius niemals während seiner Regierung Italien verliess (vgl. auch Marcus εἰς ἑαυτόν I 16, wonach Pius immer an denselben Orten blieb). Das Ansehen des Pius allein kann sehr wohl genügt haben, um den Volagases vom Kriege abzuhalten (vgl. Eutrop. VIII 8: regibus amicis venerabilis non minus quam terribilis; vgl. auch Pius 12, 7). Welches Ansehen er in der ganzen Welt genoss, zeigen am besten die Gesandtschaften, die ferne Völker, Inder, Baktrer und Hyrkaner an den Kaiser sandten (Vict. epit. 15, 4), um sich für seine Unterthanen zu erklären (Appian. Ῥωμαικά praef. 7).

f) Verschiedenes: Ausser den unter a) erwähnten Erdbeben und Bränden in den Provinzen ereigneten sich auch in Rom einige Unglücksfälle, nämlich ebenfalls ein grosser Brand (Pius 9, 1. Gell. XV 1, 2), eine Überschwemmung des Tiber (Pius 9, 3) und der Einsturz des Circus bei den apollinischen Spielen, wobei 1112 Menschen ums Leben kamen (Pius 9, 1. Mommsen Chron. min. I 146).

Im Gegensatz zu Hadrian traf Pius in der Verwaltung und in der Beamtenorganisation im allgemeinen keine Neuerung (vgl. auch Marc. εἰς ἑ. I 16: μηδέ καινοτόμον). Vielmehr hob er die von Hadrian eingesetzten vier Consulare zur Verwaltung Italiens wieder auf, die später von Marcus mit veränderter Stellung als Iuridici von neuem eingeführt wurden (Appian. b. c. I 38. Marc. 11, 6; vgl. o. Bd. I S. 517, 36. 2305, 34. Lacour-Gayet Antonin le Pieux 205–207). Nur die procuratores ad silices sind vielleicht von ihm eingesetzt, wenigstens sind sie nicht vor ihm nachweisbar (CIL VI 1598, vgl. O. Hirschfeld Verw.-Gesch. I 152). Im übrigen war Pius angelegentlich darauf bedacht, gute und gerechte Beamte zu erziehen (Eutrop. VIII 8. Pius 5, 3), ihre Verdienste zu belohnen (Pius 5, 3. 8, 6–7. 10, 6–7), ihre Vergehen aber zu bestrafen (Pius 6, 1–2. 10, 7).

Was endlich sein Verhältnis zum Senat betrifft, so kam er den Wünschen der Senatoren in reichem Masse entgegen (Pius 6, 5. 7, 3), und kein Senator wurde unter ihm getötet (Pius 8, 10. 13, 4). Pius selbst legte von allem, was er that, im Senat und durch Bekanntmachungen Rechenschaft ab (Pius 12, 3), leitete aber im übrigen die Regierung völlig selbständig (Pius 6, 4. 11, 1. Fronto p. 45).

V. Charakter.

a) Äusseres: Pius war von gutem, schlankem [2509] und hohem Wuchs (Pius 2, 1. 13, 1. Vict. epit. 15, 4. Malal. XI p. 280 Bonn.), später durch das Alter gebeugt, so dass er sich durch Stäbchen künstlich aufrecht zu erhalten suchte (Pius 13, 1). Er besass ein etwas breites Gesicht mit wohlgestalteter Nase und dunkeln Augen; Haupthaar und Vollbart war grau, die Hautfarbe weiss und rötlich (Malal. p. 280), die Stimme kräftig und klangvoll (Pius 13, 2), die Miene würdig und ernst (Vict. epit. 15, 4), doch stets freundlich (vultu placidus, Pius 2, 1; τὸ φαιδρόν, Marc. εἰς ἑ. I 16; τὸ εὔδιον τοῦ προσώπου, εἰς ἑ. VI 30; ὑπογελῶν ἀεί, Malal. p. 280); vgl. die Abbildungen auf Münzen und die sonst erhaltenen Darstellungen bei Bernouilli Römische Ikonographie II 2, 139–151. Infolge seiner überaus einfachen Lebensweise (Marc. εἰς ἑ. I 16. 17. VI 30. Pius 6, 12. 7, 5–6) brauchte er nur selten zur Arzneikunst seine Zuflucht zu nehmen; doch litt er oft an Kopfschmerzen (Marc. εἰς ἑ. I 16). Zur Erholung pflegte Pius zu jagen, zu angeln, zu ringen; ferner liebte er Schauspiele und die Unterhaltung mit Freunden auf Spaziergängen (Pius 11, 2. Fronto p. 226; über die Pflege seiner Freundschaften vgl. Pius 2, 4. 6, 12. 11, 1–8; Marc. 6, 9. Marc. εἰς ἑ. I 16. VI 30). In der Liebe (doch nicht in der Knabenliebe, Marc. εἰς ἑ. I 16) scheint Pius nicht enthaltsam gewesen zu sein (σώφρων, οὐ τὰ ἐς Ἀφροδίτην, ἀλλά τὰ ἐς τὴν πολιτείαν Iulian. Caes. p. 312 A). Wie in seinem Privatleben (Pius 2, 10), so lebte er auch als Kaiser am liebsten auf seinen Gütern (Pius 7, 10–11. Marc. εἰς ἑαυτόν I 16), so in Lorium (Pius 1, 8. Fronto p. 37. 56f. 79. 94. 101. 223. 225. Marc. εἰς ἑαυτόν I 16. CIG II 3176), in Lanuvium (Pius 1, 8. Marc. εἰς ἑαυτόν I 16), Tusculum (Marc. εἰς ἑ. I 16), Centumcellae (Fronto p. 56f. 92), Signia (Fronto p. 67–69), Baiae (Fronto p. 9) und Neapel (Pius 7, 11. Fronto p. 31–34). War er in Rom, so wohnte er in der domus Tiberiana, auch kurzweg Palatium genannt (Pius 10, 4; Marc. 6, 3; Ver. 2, 4. Fronto p. 164).

b) Tugenden: Schon vor seiner Thronbesteigung zeichnete sich Pius durch seine ungewöhnliche Milde und Sanftmut aus (Pius 3, 8. Dio LXIX 20, 4), und auf dem Throne wurde seine clementia geradezu sein hervorstechender Charakterzug, so dass sie sogar sprichwörtlich wurde (summa benignitas, CIL VI 1001 = Dessau 341; lenitas, Marc. 8, 1; bonitas, Vict. epit. 15, 2. 6. 9. Marc. εἰς ἑ. I 16. VI 30. Paus. VIII 43, 5–6. Pius 2, 1. Lucian de morte Peregrini 18; nulli acerbus, cunctis benignus, Eutrop. VIII 8; clemens ut Antoninus, Amm. Marc. XVI 1, 4. XXX 8, 12; Münzen mit Clementia, Cohen 122–126; mit Pietas Cohen 597–633). Auch gegen die Christen soll er sich milde gezeigt haben (Xiphilin-Dio epit. LXX 3, 1). Von seinen übrigen Tugenden als Mensch und als Regent entwirft sein Sohn und Nachfolger Marcus, der 23 Jahre mit ihm zusammengelebt hat (Marc. 7, 2), an zwei Stellen seiner Selbstbetrachtungen (εἰς ἑ. I 16. VI 30) ein ausführliches, schönes Bild. Er hebt dabei unter anderem seine treue Pflichterfüllung, seine anspruchslose, von allem Ehrgeiz freie, unermüdliche Thätigkeit für das Gemeinwohl hervor. Getadelt wird an ihm in der alten Litteratur nur seine Kleinigkeitskrämerei (σμικρολογία, [2510] ἀκριβολογία), so dass er der Kümmelspalter (κυμινοπρίστης) genannt wurde (Iulian. Caes. p. 312 A. Dio ep. LXX 3, 3; vgl. Marc. εἰς ἑ. I 16: τῶν ἐλαχίστων προδιοικητικόν, aber er war nicht σχολαστικός; vgl. auch Vict. epit. 15, 5: Incredibili diligentia ad speciem optimi patris familias). Vor den Göttern hatte er keine abergläubische Furcht (εἰς ἑαυτόν I 16); er war gottesfürchtig ohne Aberglauben (θεοσεβὴς χωρὶς δεισιδαιμονίας, εἰς ἑαυτόν VI 30). Mit der ihm eigenen Gewissenhaftigkeit führte er jedes ihm obliegende Opfer möglichst selbst aus (Pius 11, 5). Schon im J. 143 setzt ihm Senat und römisches Volk eine Ehreninschrift ob insignem erga caerimonias publicas curam ac religionem (CIL VI 1001 = Dessau 341; vgl. auch Prov. deor. auf Münzen, Cohen 677–685). Auf den Münzen pflegt er die Erinnerung an die Vorfahren, besonders an die älteste Zeit (vgl. auch Marc. εἰς ἑ. I 16), so findet sich Romulo Augusto (Cohen 704–706), Ancilia (Cohen 30–32, vgl. Eckhel VII 13), der Augur Navius (Cohen 567) und Horatius Cocles (Cohen 127). Wegen dieser Sorge für den Gottesdienst und wegen seiner gesamten friedlichen Regierung ist er schon von seinen Zeitgenossen mit Numa verglichen worden (Fronto p. 206. Pius 2, 2. 13, 4. Eutrop. VIII 8. Vict. epit. 15, 3).

Zusammenfassend urteilt Fronto (p. 226) über ihn: Divinus ille vir providentia, pudicitia, frugalitate, innocentia, pietate, sanctimonia omnes omnium principum virtutes supergressus und Pausanias (VIII 43, 6) nennt ihn den Vater der Menschen (vgl. auch Dio LXX 30, 1: καλός τε καὶ ἀγαθός; ferner Dio LXIX 20. Pius 2, 1. Eutrop. VIII 8. Vict. epit. 15). Am meisten aber spricht für ihn, dass sein tugendhafter Nachfolger Marcus sich ihn in allen Stücken zum Muster nahm (πάντα ὡς Ἀντωνῖνος, Marc. εἰς ἑ. VI 30). Die Litteratur s. o. I e.