Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Dichter einer oikoumenes periegesis
Band V,1 (1903) S. 915924
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94) Dionysios, Dichter einer οἰκουένης περιήγησις in 1185 (1187) Hexametern, gewöhnlich der Perieget (ὁ περιηγητής) genannt.

Litteratur. Ältere (bis zum J. 1834) bei Fr. Jacobs (Ersch und Gruber Allgem. Encyclop. Sekt, I Bd. XXV 343ff.) und bei T. Mommsen D. d. Perieget (Progr. d. städt. Gymn. Frankf. a. M. 1879) 59. Ausgaben: D. P. graece et latine cum vetust. comm. et interpr. ex rec. et cum adnot. G. Bernhardy I. II, Leipzig 1828 (= Geogr. gr. min. Vol. I [un.], wegen der Anmerkungen noch nicht ganz entbehrlich). Zu benützen in der Sammelausgabe von C. Müller Geogr. gr. min. II (Paris 1861), die kritisch sehr viel zu wünschen übrig lässt, wie im einzelnen nachgewiesen ist von [916] A. Ludwich Paraphrase, Scholien und Text der Periegesis des D. in Aristarchs hom. Textkrit. II 553–597 (giebt besonders eine genaue Collation des vortrefflichen Cod. Mutinensis). Gewinn für die Textkritik sucht Ludwichs Schüler E. Anhut In D. P. quaestiones criticae, Diss. Königsberg 1887 zu ziehen (rec. von M. Schneider Berl. phil. Wochenschr. 1888, 1461–1466). Biographisches und Chronologisches: Γένος Δ. aus einem Cod. Chisianus herausgeg. von F. Rühl Rh. Mus. XXIX 81ff. (mit wertvollen Bemerkungen über den Geist des Gedichtes). Unger Jahrb. f. Philol. CXXV 449ff. (sucht den Ansatz Müllers zu begründen). Leue Philol. XLII 175ff. (entdeckt zuerst zwei Akrosticha und setzt darnach richtig D. in die Zeit Hadrians). Dagegen Unger Jahrb. f. Philol. CXXXV 53ff., widerlegt von O. Crusius D. P. und der imbrische Hermesdienst ebd. CXXXVII 525ff. Das erste verderbte Akrostichon behandeln noch Wachsmuth Rh. Mus. XLIV 151ff. und abschliessend Nauck Herm. XXIV 325. Sprache und Metrik: G. Hermann Orphica 695. Mommsen a. a. O. zum Teil wiederholt und berichtigt in den Beiträgen zu der Lehre von den griech. Präpositionen (Berlin 1895), Excurs VIII S. 806-824 (sehr wertvoll; auch der erste, hier nicht wiederabgedruckte Teil des Programmes giebt wichtige Gesichtspunkte). M. Schneider De D. P. arte metrica et grammatica (besonders Nachahmungen der Vorgänger), Diss. Leipzig 1882. Erster Versuch einer Quellenanalyse von A. Göthe De fontibus D. P. Diss. Göttingen 1875 (nicht ausreichend).

D. gehört zu den interessantesten Problemen der griechischen Literaturgeschichte. Bis 1882 hatte man über seine Zeit nur unsichere Vermutungen. Ein biographischer Artikel bei Suidas fehlt; die Angaben über die περιήγησις sind unter die Werke des D. ὁ Κορίνθιος (wo auf die verlorene Biographie des Verfassers der Λιθικά verwiesen wird), D. ὁ Μιλήσιος und ὁ Ῥόδιος geraten. Ein ausführlicheres Γένος Διονυσίου steht vor den Scholien (Müller 427), dasselbe benutzt Eustathios (Müller 215); ein anderes aus einem Cod. Chisianus (14. Jhdt., Rühl 81) stammt aus derselben Quelle und ergänzt einige Angaben des ersteren. Nach diesem Biographen war der Dichter der Sohn eines Dion oder D. und lebte zur Zeit ‚der römischen Kaiser‘ (aus 355 und 1052 erschlossen); man riet abwechselnd auf Augustus und Nero. Dazu kommt die Notiz des Guido von Pisa (1118, hinter Geogr. Rav. p. 466 ed. Parthey-Pinder): Dionisius Ionicus (!) qui Romae bibliothecarius per annos fuit XX (aus antiker Tradition). Die Neueren haben von Augustus an bis auf Diocletian geraten, ja man würde namentlich wegen der in den schlechteren Hss. überlieferten Οὖννοι (730, wofür Θῦνοι zu schreiben, Anhut 36f.) noch weiter hinabgegangen sein, wenn nicht die Paraphrase des Avienus (2. Hälfte des 4. Jhdts.) eine Schranke gesetzt hätte. Richtig sah C. Müller p. XVIII, dass das 208ff. erwähnte Strafgericht an den Nasamonen nur das im J. 86 n. Chr. von dem numidischen Statthalter Septimius Flaccus vollzogene sein kann, dessen sich später Domitian rühmte (Zonar. XI 19. vgl. Aristid. Or. I 515 Ddf.); dagegen ist seine und Ungers Identificierung des Periegeten mit dem Alexandriner, Geheimschreiber und Oberbibliothekar [917] unter Nero bis Traian (Suid. Δ. Ἀλεξανδρεύς) auf Grund der verworrenen Notiz Guidos falsch. Ganz abweichend versuchte T. Mommsen, wohl wesentlich durch die Übereinstimmungen zwischen Angaben des D. und Poseidonios bewogen, den Dichter in das 1. Jhdt. v. Chr. zu setzen (Progr. 88 fasst die scheinbaren Gründe zusammen). Der Wahrheit näher kam Usener (Rh. Mus. XXV 613), der im Prooimion Appians (ca. 150 n. Chr.) eine Anspielung auf D. zu finden glaubte und danach die Lebenszeit bestimmte. Auf die Nachahmung des Alexandros von Ephesos. (s. d.) wies v. v. Wilamowitz Antig. von Karyst. 174 von neuem hin und setzte den Dichter in das erste nachchristliche Jhdt. 1882 entdeckte Leue die Akrosticha ΕΜΗ ΔΙΟΝΥC[Ι]ΙΟΥ(109-134) und ΘΕΟC ΕΡΜΗC ΕΠΙ ΑΔΡΙΑΝΟΥ (513–532) und bezog das letztere richtig auf den Kaiser. Bis auf G. F. Unger, der dies mit unzulänglichen Gründen bestritt und eine seltsame Erklärung des Θεὸς Ἑρμῆς (richtig erklärt von Crusius 525ff.) vortrug, haben alle (auch Mommsen) diese allein richtige Zeitbestimmung angenommen. Dagegen herrschte über den Wortlaut des ersten Akrostichons lange keine Einigung. Dass V. 118, den weder die gute Überlieferung noch die lateinischen Übersetzer kennen, als unecht zu tilgen ist, erkannte bereits Leue. Schwierigkeiten machte ΕΜΗ, so dass Wachsmuth 151ff., an der Erklärung verzweifelnd, Zufall annahm; erst Nauck 325 fand das Richtige EPH, indem er 110 πολλὸν für μακρὸν einsetzte (anders Diels Sibyllin. Blätter 34).

Genaueres über die Abfassungszeit des Gedichtes ergiebt eine eingehende Analyse. Einen Terminus ante quem bietet die Erwähnung des tönenden Memnonscolosses 249. Da Hadrian im November 130 diesen in Augenschein genommen hat (Kaibel Ep. gr. 988 = Collitz-Bechtel Dial. Inschr. nr. 323), so wäre es auffallend, wenn D., der am Schlusse seines Gedichtes Belohnung vom Kaiser erhofft, dessen Besuch zu erwähnen vergessen hätte. Alle Anzeichen weisen auf den Anfang der Regierung Hadrians hin: die Erwähnung der Waffenthaten Traians – nur dieser kann gemeint sein – gegen die Parther 1051f. hat nur dann Beziehung und Sinn, wenn man sie bald nach dem von Hadrian glänzend gefeierten parthischen Triumph seines Adoptivvaters (Hist. Aug. Hadr. 6. 3. Cass. Dio LXIX 2. Cohen II² nr. 585) geschrieben sich denkt; in späterer Zeit, als der Kaiser auf die meisten Eroberungen seines Vorgängers verzichtete und die von ihm übernommenen Titel Germanicus Dacicus Parthicus allmählich ablegte (Eckhel VI 518, s. o. Bd. I S. 500), wäre diese berechnete Anspielung des loyalen D. übel angebracht gewesen. Das Gedicht ist auf den Ton der hoffnungsvollen Erwartung gestimmt, wie sie einem neuen Herrscher entgegengebracht zu werden pflegt. Wessen sich die Dichter von Hadrian versahen, lässt Iuven. VII 1–3. 20f. (dazu Friedländers Einleitung S. 11) noch erkennen (vgl. auch Hadrians Brief an die σύνοδος τῶν ἐν Περγάμῳ νέων, Dittenberger Syll.² 384); in diese Zeit passt die für den reiselustigen Fürsten bestimmte Periegese wie kein anderes Werk. Auch sonst spricht der Geist des hadrianeischen Zeitalters vernehmlich aus ihr. Die Frömmigkeit [918] des Dichters ist über allen Zweifel erhaben (Rühl 86); mit Vorliebe werden von ihm die Tempel der Götter und alle berühmten Cultstätten erwähnt, in fast mystisch zu nennender Redeweise spricht er von seiner Heimat 254ff., die Macht der Unsterblichen, ihre Bestrafung der Frevler wird gern hervorgehoben (210. 372. 441. 604), die Verehrung der Heroen spielt keine unbedeutende Rolle, besonders bezeichnend die V. 541ff., die mit der im J. 131 geschriebenen Schilderung (Arrian. peripl. Pont. Euxin. 21–23, dazu Philostrat. Heroic. XIX 16f. Ammian. XXII 8, 35) vollkommen übereinstimmen; auch sonst fehlt es nicht an Wunder- und Aberglauben (394. 613. 725). Manches mag noch eine persönliche Beziehung verbergen, so der Preis Ilions 815ff. (ἀγλαὸν ἄστυ παλαιγενέων ἡρώων), dessen Heroen Hadrian seine besondere Gunst zugewendet hat (Anth. Pal. IX 387. Philostrat. Her. I 2). Wiederholt werden dionysische Sagen oder Culte erwähnt (570-579. 623–626. 700–705. 839–845. 939-949. 1143f. 1152–1159), vielleicht dem νέος Διόνυσος, als welchen Hadrian sich feiern liess. (CIG 3455 [Sardes]. 6786 [Nemausus]. Le Bas-Waddington III 1, 1619 [Aphrodisias]) zu Ehren; auch die geflissentliche Erwähnung edler Steine (316–319. 327-329. 724f. 780–782. 1011–1013. 1075–1077. 1119–1122) mag für den Kaiser, der diese schätzte und sammelte (King The natural history . . . of precious stones [London 1865] 325. Hist. Aug. M. Anton. 17), berechnet sein.

D. hat zur Belehrung seiner Leser geschrieben (170ff. 881ff.), ohne auf Vollständigkeit Anspruch zu erheben (646ff. 1167ff.); er verweist auf früher Gesagtes (889), aber den trockenen Ton des Lehrgedichtes hat er glücklich vermieden und durch reichlich eingestreute Beschreibungen von Volkssitten und Sagen, Landesproducten u. a. für Abwechslung gesorgt. Er gefällt sich, die Segnungen der Cultur zu preisen (232ff. Ägypter, V 907ff. Phoiniker), blickt mit Stolz auf das allesbeherrschende Rom (255f. μητέρα πασάων πολίων ἀφνειὸν ἔδεθλον) und malt das Leben der Barbaren in düsteren Farben aus (186ff. africanische Nomaden, 666ff. Elend und Kälte des Skythenlandes, 740ff. Massageten [vgl. Senec. Oed. 470], 768ff. Chalyber [nach Apoll. Rhod.], 963ff. Erember im Gegensatz zu den kurz vorher geschilderten ἁβροβιοι Ἄραβες). ,Selbst die blosse Nomenclatur von Ländern und Völkern hat einen gewissen wohltönenden Schwung; jede Aufzählung ist geschickt variiert (ja bisweilen fast zu geschickt 416f. [nach Kallim. Hymn. auf Zeus 18ff.]). Epitheta werden bald weggelassen, bald gesetzt, denn D. verschmäht weder sie noch andern Schmuck der Rede, aber alles geschieht in bescheidenem Masse‘ (Mommsen 806). Sparsam in Sentenzen (548 [schon von Eustathios bemerkt]. 604f. 968f.) und Gleichnissen (nur zweimal innerhalb der Akrosticha 123ff. 531f.) entbehrt seine Darstellung doch nicht mancher hübschen Züge (527ff. [vgl. dazu Nissen Rh. Mus. XLII 43]. 833ff. [nach Homer]. 843ff. 1181ff.) und ist bis auf den übertriebenen Gebrauch der Epanalepsis, besonders bei Eigennamen, ohne Tadel. Der sprachliche Ausdruck ist gewählt, rein und correct; die selteneren Wörter und Formen besprechen Mommsen 808ff. und [919] Schneider 40f., der noch (37) die Kühnheit der Metaphern hervorhebt, welche den Verfasser als Vorläufer des Nonnos erscheinen lassen. Alle diese Vorzüge beruhen auf einem fleissigen Studium älterer Dichter; Homer, Hesiod, Nikander werden stellenweise nachgeahmt, ferner Arat (Anhut 11-13. Schneider Rec. Sp. 1462. Maass Aratea 253. 2571), besonders aber Kallimachos und in ausgedehntem Masse Apollonios von Rhodos (Schneider 21ff. Anhut 10f., beide nicht ausreichend). Dieser ist für die ganze Partie 762–796 (ausser 780-782) sprachlich und sachlich ausgenützt, und zwar mit Scholien (788ff.), auf welche auch die Sage von Sinope (775–779) zurückgeführt werden muss. Von jüngeren Dichtern ahmt D. noch den Alexandros Lychnos nach (593. 606. Meineke Anal. Alex. 375), der auch für die Quellenfrage in Betracht kommt (s. u.). Auch in der Prosodie – nur in den Eigennamen abweichend – und Metrik zeigt sich D. als gelehrter Schüler der Alexandriner (Schneider 7ff. Mommsen 812ff.), so dass G. Hermann (Orph. 695) ihn mit Recht elegantissimum scriptorem nennen durfte. Diesen formalen Vorzügen stehen aber schwere sachliche Mängel gegenüber. Zwar an der Gliederung des gewaltigen Stoffes (1–168 der Ocean mit seinen Teilen, 174–268 Africa, 270–449 Europa. 450–619 sämtliche Inseln, 620–1165 Asien) ist vom antiken Standpunkt aus nichts auszusetzen, auch dass D., der selbst nicht über seine Heimat hinausgekommen (707ff.), sich in geschickt variierten Wendungen beständig auf seine Gewährsmänner beruft, sogar deren abweichende Ansichten anführt (19. 33. 50 u. a.), erweckt ein gewisses Vertrauen. Aber der Stubengelehrte hat veraltete Berichte, die der unendlich ausgedehnteren Kenntnis der Oikumene in seiner Zeit nicht mehr entsprechen konnten, ohne Bedenken ausgeschrieben und noch dazu recht flüchtig eingesehen. So ist unvereinbares stehen geblieben, wie 175. 887, und es fehlt nicht an Verwechslungen (508), Missverständnissen (416), offenbaren Fehlern (308. 465). Auch die getroffene Auswahl ist recht seltsam. In der Beschreibung Griechenlands wird nicht einmal Athen erwähnt, wohl aber der Ilisos. Sehr confuse ist die Vorstellung von Italien, 365ff., dessen ganze Ostküste wegfällt, u. a. Vom Westen Europas werden die ältesten Nachrichten wiedergegeben, das reich bevölkerte Gallien erhält eine nichtssagende Erwähnung (δώματα κελτῶν 288), die Germanen erscheinen wie zum erstenmal auf der Bildfläche – als ob Tacitus zwanzig Jahre vorher nicht geschrieben hätte; ebenso flüchtig geht D. über Britannien hinweg. Ligurien, Karien, Palästina (dies mit Absicht?) u. a. werden nicht erwähnt. Dazu kommen eine Anzahl falscher oder mindenstes irreführender Angaben über die geographische Lage (Müller XXV), die überhaupt nur sehr ungenau dargelegt ist. Eine Reihe von anderen Versehen zählt Müller a. a. O. auf. Auch mit der Namengebung steht es übel; ausser einigen sonst unbekannten Namen erscheinen auch solche in abweichenden Formen, die mehrfach auf Lesefehlern (z. B. 571. 959) beruhen. Seiner Aufgabe war D. also nicht gewachsen; um so befremdlicher ist es, dass sein Werkchen immer von neuem abgeschrieben und commentiert bis tief in die byzantinische Zeit hinein als Schulbuch gedient hat. [920] Ob zur Unterstützung der Leser Zeichnungen von D. selbst hinzugefügt sind, ist schwer zu sagen; später gab es kleine Karten, die öfter in den Scholien angeführt werden (Müller XXIV).

Mit der Frage nach den Quellen hat man sich schon im Altertum beschäftigt und auf Eratosthenes geraten (Eustath. und Schol. 1: οὗ ζηλωτής ἐστιν ἐν πολλοῖς). Doch trifft das nur sehr bedingt zu. Ausser den von Berger (Geogr. Frg. des Eratosth. 383) aufgeführten und besprochenen Stellen (311ff. 331ff. 606ff. 638f. 905ff. 956ff.) lassen sich allerdings noch einige Spuren eratosthenischer Gelehrsamkeit in v. 730ff. (nicht rein Strab. XI 513) und besonders, worauf Göthe 42ff. gut hingewiesen hat, 977–986. 992f. 1005f. nachweisen. Hier ist unverkennbar Eratosth. frg. III b 25 benützt, auch die Massangabe 985 (= Strab. XVI 746, fehlt bei Berger) sowie die Notiz über die Matiener gehen auf diesen zurück; dagegen führt das Zwischenstück über die Θωνῖτις (Θωπῖτις ?) λίμνη über frg. III b 38 hinaus und stimmt vielmehr zu der ausführlichen Beschreibung Strabons XI 529. An directe Benützung des Eratosthenes, von dem D. in anderen wesentlichen Punkten erheblich abweicht (Berger 16), ist nicht wohl zu denken; man wird (mit Müller XXIII 2) als Mittelquelle das geographische Gedicht des Alexandros von Ephesos ansetzen dürfen, der einmal sicher eratosthenische Angaben dem Periegeten überliefert hat (Dionys. 606 = Alex. Ephes. Meineke 376 = Eratosth. frg. III b 43). Weitaus bedeutender ist der Einfluss. des Poseidonios, den Müller für ein paar Stellen vermutet, Mommsen mit weitschauendem Blick geahnt, Göthe an einigen Beispielen dargelegt hat. Sicher benützt ist Poseidonios 4–7. 275–278. 620–622 (vgl. Agathemeros I 1, von D. vergröbert, vgl. Boll Studien über Claudius Ptolemaeus, Jahrb. f. Philol. Suppl. XXI 212f.). 561–563 ( Strab. II 119. III 147). 570–574 (= Poseid. b. Strab. IV 198); dazu kommt 962ff. (= Poseid. b. Strab. I 42 [kürzer XVI 784]: Troglodyten = Erember). Aber sein Einfluss reicht viel weiter: die manchmal auffallenden Übereinstimmungen des D. mit Strabon sind höchst wahrscheinlich alle auf ihn als gemeinsame Vorlage zurückzuführen, da an Entlehnung aus dem im Altertum fast gar nicht gelesenen Strabon (wie Göthe annimmt) nicht zu denken ist. Eine genaue, auch den Sprachgebrauch (Mommsen 809) berücksichtigende Untersuchung, die noch Ps.-Aristotelesπερὶ κόσμου und Manilius IV heranziehen müsste, wird viele neue und wichtige Resultate ergeben. So ist z. B. in der Partie 281ff. die für uns nachweislich älteste Erwähnung der Germanen aus Poseidonios geschöpft, wie bereits Mommsen Progr. 75 vortrefflich ausgeführt hat. Hier sollen nur die wichtigsten Stellen aufgezählt sein: 10ff. = Ps.-Arist. 3 p. 393 a. 16ff. (= Manil. IV 595ff., vgl. Malchin De auct. quibusd. qui Posid. libros meteorol. adhibuerunt [Dissert. Rostock] 29f.). 45ff. = Strab. II 121 (Manil. a. a. O., vgl. E. Müller De Posid. Manil. auct. spec. I [Diss. Leipz. 1901] 21ff.). 157ff. = Strab. 125. 175ff. = Strab. 130. 185ff. 211ff. = Strab. 131 (Aufzählung in umgekehrter Folge). 287 = Strab. 127 (auf Poseidonios zurückgeführt von W. Ruge Quaest. Strabon. [Dissert. Leipz. 1888] 28f.). 403ff. [921] = Strab. 84 (= Mela II 38). Mit der Erkenntnis, dass D. die Schriften des grossen Forschers ausgiebig benützt hat, wird auch die Zahl der von Göthe zu reichlich angenommenen Quellen erheblich eingeschränkt. So setzt sich die Schilderung Arabiens 927–961 zwar aus Elementen zusammen, die auf Agatharchides und Artemidor (Strab. XVI 777ff.) beruhen, aber 951 steht eine wahrscheinlich irrtümlich aufgefasste Notiz aus Poseidonios (Strab. 779. Diod. II 49, vgl. Oder Ein angebl. Bruchst. Demokrits, Philol. Suppl. VII 325f.; anders Wagner Agatharchides und der mittlere Peripatos [Progr. von Annaberg, 1901] 38), welche diesen als Mittelsmann erscheinen lässt. Eine erneute Untersuchung erfordern ferner die von Göthe 22, 1 aufgezählten und falsch beurteilten Übereinstimmungen zwischen D. und Ammian. XXII 8; wenn Th. Mommsen den von Ammian ausgeschriebenen Periplus richtig auf Timagenes zurückgeführt hat (Herm. XVI 625), so könnte durch diesen die Gelehrsamkeit seines älteren Zeitgenossen Poseidonios sehr wohl vermittelt sein. Eine andere Frage ist, ob directe Benützung des Poseidonios angenommen werden darf. Man müsste dem D. ein übergrosses Mass eigener Thätigkeit zutrauen, wollte man vermuten, dass er alle Einzelheiten aus den Schriften περὶ Ὠκεανοῦ und den ἱστορίαι (aus diesen stammt 570ff. = Strab. IV 198) zusammengetragen hätte. Vielmehr wird seine unmittelbare Quelle entweder ein Auszug aus Poseidonios oder wahrscheinlicher auch hier das Lehrgedicht des Alexandros sein. Dieses, nach den Erdteilen in drei Bücher zerfallend – die Inseln waren abweichend von D. mit jedem zusammen abgehandelt –, bot ihm Stoff die Fülle; auch an mythologischen Einlagen scheint es nicht gefehlt zu haben (Meineke 377, vgl. D. 558ff.). Leider gestatten die dürftigen Bruchstücke kein Urteil darüber, wie weit der Perieget diesem Vorgänger sachlich gefolgt ist. Sonst pflegt er sich seiner Vorlage eng anzuschliessen, wie die einzig kontrolierbare Partie (765–796) erkennen lässt (s. o.). Compliciert wird die Quellenfrage noch durch die Benützung eines compilatorischen Werkes des Metrodoros von Skepsis (Oder bei Susemihl Alex. Litt. I 862. 864). Da 316–319 mit einer ganz singulären Notiz des Metrodoros (Plin. n. h. XXXVII 61) sich decken, so wird man auch für die übrigen Angaben über Edelsteine diesen als Gewährsmann ansetzen dürfen, zumal da mehrere Stellen mit plinianischen Bemerkungen im XXXVII. Buche übereinstimmen, in welchem Metrodoros notorisch excerpiert ist (Göthe 21ff.). Besonders auffällig stimmen 327-329 mit Plin. XXXVII 132, wo das hsl. überlieferte in Pallenes litoribus durch D. bestätigt wird. Darf man diese Stücke einem periegetischen Werke des Skepsiers (FHG III 205, frg. 7 a) zuweisen (vgl. Dionys. 319 = Ammian. XXII 8,31), so käme auch dieses für die unmittelbaren Quellen des D. in Betracht. Dagegen sind ein paar vormithridatische Namensbenennungen (682. 694), auf die K. J. Neumann Jahrb. f. Philol. Suppl. XIII 336, 135. 343, 208 Gewicht legt, bei der Unzuverlässigkeit des Dichters in solchen Angaben wohl belanglos. Die Bekanntschaft mit der Τριχθονία des Neoptolemos von Parion, auf die eine schwache, von Maass (Aratea 204ff.) zu weitgehenden [922] Schlüssen verwertete Spur führt, wird ihm durch Poseidonios (Strab. II 100. Meineke Vindic. Strab. 10) vermittelt sein.

Der Einfluss der Periegese auf die Folgezeit ist nicht bedeutend genug zu veranschlagen und kann sich mit Arats Phainomena wohl messen; beide Gedichte sind öfters in den Hss. vereint. Bald nach dem Erscheinen seines Werkchens wird D. von den Erklärern älterer Dichter herbeigezogen; so erscheint er zweimal bereits in den Scholien zu Nikanders Theriaka (v. Wilamowitz Eurip. Herakl. I¹ 189, 140). Nach Nikander, vor Oppian nimmt er in einer aus guter Überlieferung stammenden Übersicht der griechischen Didaktiker eine Stelle ein (Cramer An. Par. IV 195). Das älteste Citat würde, wenn Useners Conjectur zu Appian. Prooem. 3 richtig wäre, bei diesem stehen; das bleibt aber unsicher. Zur Zeit Constantins ahmt ihn sprachlich der Rätseldichter Metrodoros (Anth. Pal. XIV 116ff.) nach (Anhut 24ff., der zuviele Anklänge findet), etwas später wird er von Themistios Or. 30 p. 350 a Hard. nach der leidigen Gewohnheit der Sophisten ohne Namensnennung (τις ποιητής) angeführt (193–195), in der zweiten Hälfte des 4. Jhdts. verfasst Rufius Festus Avienus (s. o. Bd. II S. 2386ff.) seinen Orbis terrae in 1393 Hexametern, eine freie Übertragung des D. mit vielen Zusätzen (Kosten De Avieno Dionysii interprete, Diss. Bonn 1888), den er in diesem Gedicht nicht nennt (dagegen in der Ora marit. 331). Um die Wende des 4. und 5. Jhdts. sind auch die Scholien entstanden, die bereits Oros (Anfang des 5. Jhdts.) gekannt und benutzt zu haben scheint (Reitzenstein Gesch. d. griech. Etymologica 321); Zeit und Person des Demetrios von Lampsakos, von dem im Cod. Q bei Müller eine ἐξήγησις εἰς τὴν Διονυσίου περιήγησιν erhalten ist, muss vorläufig unbestimmbar bleiben. Citiert werden sie in dem Etym. Flor. (Miller Mél. 155, vgl. 315), ohne Nennung sind sie häufig im Etym. M. ausgeschrieben. Die jetzt vorliegende Sammlung, die Zusätze aus Steph. Byz. (Geffcken De Steph. Byz. [Göttingen 1889] 7, nicht ganz richtig) enthält, der seinerseits den D. sehr häufig anführt, ist mit starker Benützung von Apollonios-, Kallimachos- und Lykophronscholien gearbeitet (v. Wilamowitz a. a. O. 192, 145); gegen Ende ist zweimal Ps.-Plutarch de fluviis ausgeschrieben. Sie ist eine ergiebige Quelle wertvoller Dichtercitate (Kallimachos, Euphorion, Parthenios u. a.) und bedarf noch sehr einer kritischen Sichtung (Ludwich 574, der probeweise den βίος und Schol. 1–67 in neuer Bearbeitung giebt). Dasselbe gilt für die prosaischen Paraphrasen, die Müller ganz ungenügend herausgegeben hat (nach sieben Hss. neu bearbeitet von Ludwich 556–574). Aus dem 6. Jhdt. liegt die Übersetzung des gelehrten Priscianus (Periegesis e Dionysio, 1087 Hexameter), die getreuer als Aviens Paraphrase, aber ebenfalls mit Zusätzen (meist aus Solin.) versehen ist, vor. Bald darauf wird D. von Cassiodorius (De inst. div. 25) für den Schulunterricht empfohlen; weitere Spuren seiner Benützung im Abendlande sind im 7. Jhdt. bei dem ravennatischen Anonymus und endlich bei Guido von Pisa zu verfolgen. Von den Griechen schreibt ihn ein anonymer Compilator, Verfasser einer ὑποτύπωσις γεωγραφίας ἐν ἐπιτομῇ (Müller 494ff.), [923] neben Strabon u. a. aus (Anhut 20ff. gegen Göthe 15), dann wurden aus ihm eine Anzahl geographischer Namen – teilweise mit lächerlichen Versehen – in einem Schulbuche zusammengestellt, das ausser Suidas der Bischof von Serrha Niketas benützt hat (Cohn Jahrb. f. Philol. CXXXII1 651ff.). Bald darauf erschien der sehr ausführliche Commentar des Eustathios (vor 1175, dem Jahre seiner Ernennung zum Erzbischof von Thessalonike; Fr. Kuhn Commentat. in honorem Studemundi 251ff.), ein Denkmal byzantinischen Gelehrtenfleisses. Er ist noch jetzt ziemlich wertvoll, da er ausführlichere Scholien (mehrfach angeführt) und einen vollständigeren Stephanos (Geffcken 8) ausschreibt und Citate aus verlorenen Schriften Arrians enthält. Noch später fällt die zum Schulgebrauch bestimmte σύνοψις γεωγραφική des Nikephoros Blemmydes (1197–1292), eine fast wörtliche durch Kartenzeichnungen erläuterte Paraphrase (Müller 457–468, vgl. Niceph. Blemmyd. curric. vit. etc. ed. Heisenberg p. LXII). Handschriften des D. giebt es über hundert (nicht vollständig aufgezählt von Müller p. XXXII–XXXVIΙΙ), darunter allein 33 Parisini, von Müller benützt. Da aber für seine Ausgabe nicht einmal die wichtigste, der Cod. Mutinensis, jetzt Parisinus 388 (10. Jhdt.) ausreichend verglichen ist – Ludwich unterscheidet vier Hände, von denen die dritte die wichtigste ist – so muss man mit dem Urteil über die andern erst recht zurückhalten. Auf den Cod. Marcianus 471 (D mit Schol.) hat v. Wilamowitz aufmerksam gemacht (Geffcken 8). Der Text ist im Laufe der Zeiten entstellt worden, wie bereits Avien und Priscianus zeigen; es fehlt nicht an schweren Verderbnissen und Interpolationen (118. 917). In 919 ist eine Lücke anzunehmen, wie aus Steph. Byz. s. Ἔμισα und der Nachahmung des Avienus 1091 hervorgeht (Kosten 41), Priscian las schon einen verderbten Text. Eine kritische Ausgabe, die sich zugleich auf die Scholien (auch Eustathios) und die Paraphrasen erstrecken muss, ist dringend erforderlich; wissenschaftlich nutzbar würde sie allerdings erst durch ein Verzeichnis der Nachahmungen und durch Quellenangaben werden.

Von einem andern Gedichte des D., dessen Titel unbekannt ist, giebt kurze Notiz Choirobosk. dict. in Theod. can. I 234, 2 Hilg. (οὐκ ἐν τῇ Περιηγήσει, ἀλλ’ ἐν ἑτέρῳ αὐτοῦ ποιήματι), vgl. Schneider 3f. (Rec. Sp. 1462), der das Citat aus einem D. bei Ioann. τονικ. παραγγ. p. 37, 29 Ddf. ebenfalls auf den Periegeten beziehen will. Die Vit. Chis. (81, 14) weist dem Dichter ausser den Λιθιακά (s. u.) noch Διοσημίαι, eine Γιγαντιάς (Γιγαντίων Cod.) und anderes zu. Rühl identifiziert die Diosemien mit den von Suidas dem D. von Korinth zugeschriebenen Μετεωρολογούμενα – an und für sich wohl möglich. Dass aber der Perieget der Verfasser gewesen sein muss, was Anhut 12f. einer Andeutung Rühls folgend aus den (spärlichen) Aratreminiscenzen in der Periegese zu erweisen sucht, ist nicht mehr festzustellen, da Fragmente fehlen. Ebensowenig reicht das Material für die Beurteilung der Gigantias aus, von der zwei Hexameter und vier sonstige Citate bis zum dritten Buch allein von Steph. Byz. angeführt werden (vgl. noch M. Mayer Giganten und Titanen 170). [924] Mehr dagegen lässt sich über die Λιθι(α)κά ermitteln, die dem Periegeten von den alten Erklärern wegen des gleichen Stiles übereinstimmend zugeschrieben werden (Vit. Chis. 81, 16. Eustath. 215, 8 = Schol. 427, 17 [Ludwich 575], auch Suid. Δ. ὁ Κορίνθιος deutet darauf hin). Von den drei Büchern (Vit. Chis. 81, 14) wird das zweite noch im 7. Jhdt. von Maximus zu Dionys. Areopag. De myst. theol. c. 2 angeführt (der zweite V. verbessert von Meineke Theocr.³ 275). Die fast wörtliche Übereinstimmung zwischen frg. 1 und v. 1105 der Periegese, ferner der gleiche Hexameterausgang (= Per. 714) scheinen das Urteil der Alten zu bestätigen; auch der ,blumige‘ Stil des Gedichtes (Vit. Chis. 83, 81) passt gut auf den Periegeten. Weitere Fragmente fehlen; Schol. Hom. Od. X 323 Ddf. wird Per. 724f. aus Versehen ἐν Λιθικοῖς angeführt (von Schneider 3 nicht beachtet). Dass Niketas (Cohn 660f.) die Namen der in der Periegese nicht erwähnten Edelsteine (mittelbar) aus den Λιθικά geschöpft habe, wie Schneider 1462 annimmt (vgl. Cohns vorsichtiges Urteil 652), ist wenig wahrscheinlich. Über den Inhalt des Gedichtes lässt sich nichts Sicheres ausmachen; eine Vermutung bei Bernhardy 507? Fragmentsammlung bei Bernhardy 503f. Müller XXVI.

[Knaack. ]