Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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vielseitiger griechischer Gelehrter, ca. 276-194 v. Chr.
Band VI,1 (1907) S. 358388
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4) Eratosthenes von Kyrene. Die Literatur (bis 1891) verzeichnet bei Susemihl Gesch. d. alexandr. Lit. I 409–428 mit den Nachträgen S. 900f. und II 672. Eine zusammenfassende Darstellung und Sammlung aller Fragmente fehlt; veraltet sind Bernhardys Eratosthenica, Berlin 1822 und sein Artikel Eratosthenes in Ersch-Grubers Allgem. Encyclopaedie, ebenso Stiehle Zu den Fragmenten des E., Philol. Suppl. II 453–492.

I. Biographisches. Bearbeiten

Erhalten ist ein Artikel bei Suidas (Westermann Biogr. 367f., für die maßgebenden Hss. Vat. 1296 und Paris. 2625 durch die Güte E. Martinis nachverglichen), sowie Notizen bei Strab. I 15. XVII 838. Ps.-Lucian. macrob. 27, endlich ein Grabepigramm des Dionysios von Kyzikos (Anth. Pal. VII 78 in einer meleagrischen Reihe). Von Neueren vgl. Susemihl Anal. Alex, chron. II (Lekt.-Verz. Greifswald 1888/9). XXIVff.; Alex. Lit. I 410, 4 (wo bereits die richtigere Auffassung v. Wilamowitzens angedeutet ist), mit Berufung auf ihn Gomperz Zur Chronologie des Stoikers Zenon S.-Ber. Akad. Wien 1903, 13ff. Verfehlt W. Passow De E. aetate, Genethl. Gotting. (1888) 99ff. (dagegen Susemihl Jahrb. f. Phil. 1889, 747f.). Zuletzt F. Jacoby Apollodors Chronik 364, 1. Beloch Griech. Gesch. III 2, 500f. Die [359] richtige Bestimmung hängt von dem Tode Zenons ab, der von Philodem περὶ φιλοσόφων Col. IV (Beloch Herm. XXXVIII 130ff. u. a.) richtig angegeben ist. – E. war der Sohn des Aglaos aus Kyrene (Suid. Dionys. Ps.-Lucian.), der Zusatz bei Suid. οἱ δὲ Ἀμβροσίου ist vielleicht auf Mißverständnis eines Epithetons zurückzuführen, dagegen scheint bei Steph. Byz. s. Κυρήνη (ἐντεῦθεν ἦν Ἐρατοσθένης Ἀγακλέους ὁ ἱστορικός) ein späterer gleichnamiger Historiker (s. Nr. 6), der noch eine Spur im Suidasartikel hinterlassen hat, gemeint zu sein. Er war der Schüler des Philosophen Ariston von Chios und des Grammatikers Lysanias von Kyrene, sowie des Dichters Kallimachos (Suid.), s. u. Sein Geburtsjahr wird von Suidas Ol. 126 (276/72) angesetzt (diese Angabe fehlt im Vat.), das ist aber unmöglich, wenn er noch Schüler Zenons († 262/1) gewesen ist (unrichtig in abgeschwächter Bedeutung aufgefaßt von Hirzel Der Dialog I 403). Diese Angabe (Strab. I 15) stammt zwar von einem dem E. feindlich oder doch mindestens unfreundlich gesinnten Gewährsmann, der aber seine Kunde von den Lebensverhältnissen des Mannes aus dessen eigenen Schriften schöpft und durchaus zuverlässig erscheint. Nach dem ganzen Zusammenhang zu urteilen, ist es nicht ausgeschlossen, daß die Notiz aus der im Anfang zitierten Schrift (Dialog?) des E. entnommen ist; auf jeden Fall muß mit ihr gerechnet werden. Da E. ein Alter von etwa 80 Jahren (so Suid., 81 nach Censorin. 15, 82 nach Ps.-Lucian. macrob. 27) erreicht und noch mindestens den Anfang der Regierungszeit Ptolemaios’ V. erlebt hat (διέτριψε μέχρι τοῦ πέμπτου Suid.), so wird man seine Geburt etwa ins J. 284 rücken dürfen. Andere unbrauchbare Angaben über seine ἀκμή bei Eusebios und im Chron. pasch. I 332 Ddf. (Bernhardy XI). Mit ungefähr 20 Jahren kann E. ein γνώριμος Zenons gewesen sein und auch sehr wohl den Arkesilaos gehört haben, der den Scholarchat nach dem Tode des Krates (–270) antrat und dessen ἀκμή etwa 268/64 zu setzen ist (Jacoby Apollod. Chron. 344ff.). Den Einfluß seines Lehrers Lysanias, der περὶ ποιητῶν schrieb (Tzetz. prol. ad Hesiod. op. p. 30 Gaisf., verbessert von Müller FHG III 342) und als Homeriker tätig war, vermögen wir nicht mehr abzuschätzen, der Verkehr mit Kallimachos, den einige sogar zum Altersgenossen des E. machen wollten (s. u.), hat noch Spuren hinterlassen (s. u.). Den Unterricht des Lysanias hat E. jedenfalls noch in seiner Heimat genossen, den des Kallimachos wahrscheinlich in Alexandreia. Längere Zeit hielt er sich in Athen auf, das nach seiner eigenen Aussage (Strab. a. a. O.) damals innerhalb seiner Mauern bedeutende (κορυφαίους) Philosophen, wie Ariston und Arkesilaos, beherbergte. Auch von anderen Männern, zu denen er in Beziehung getreten, wußte er viel zu erzählen, so von Apelles, dem γνώριμος des Arkesilaos, und von Bion. Sein Urteil über diesen witzigen Schöngeist scheint in Lob und Tadel wohlwollend abgewogen das Richtige zu treffen: er erkennt die geistige Bedeutung des Kynikers an, indem er parodierend (vielleicht im Anschluß an Bion selbst, Hense Telet. reliq. XCVf.) einen Homervers (Od. XVIII 74) auf ihn anwendet; er macht ihm aber den Vorwarf, er [360] zuerst habe der Philosophie das Hetärengewand angelegt (vgl. noch Diog. Laert. IV 52. Hense LXXXIIff. Susemihl I 39, 109, zuletzt Hirzel Der Dialog I 377, 3). Wenn der Anonymus bei Strabon dem E. vorrückt, daß er nur die von der Stoa Abgefallenen (Ariston und Genossen), dagegen keinen der Nachfolger Zenons namhaft gemacht habe, so ist dies vom Standpunkt des orthodoxen Stoikers aus verständlich; E., der in einer sehr wichtigen Frage von dem Begründer der Schule abwich (s. u.), wird Gründe zum Schweigen gehabt haben. Der platonfreundliche Arkesilaos, der zugleich ein leidenschaftlicher Verehrer Homers war (Diog. Laert. IV 311), mag auf seine Studien eingewirkt haben; auch von Ariston hat E. wohl manches angenommen (s. u.). Aber gar nicht teilt er dessen Abneigung gegen die Physik – überhaupt war er wohl ein viel zu selbständiger Geist, als daß er sich von einer Schule hätte gefangen nehmen lassen. Sein Aufenthalt in Athen erstreckte sich, wie es scheint, durch viele Jahre, und eine Anzahl seiner Werke,, wie z. B. περὶ τῆς ἀρχαίας κωμῳδίας, ist wohl bereits hier entstanden oder begonnen. Wenn Polemon in seiner Polemik gegen E. (περὶ τῆς 'Ἀθήνησιν Ἐρατοσθένους ἐπιδημίας, Polem. frg. ed. Preller 85ff. = FHG III 129ff.) soweit ging, daß er seinen Aufenthalt in Athen bestritt, so ist das nur eine böswillige Übertreibung und bereits von Preller richtig beurteilt worden. Aus Athen wurde E. von Ptolemaios III. nach Alexandreia berufen (Suid.), das muß, wie v. Wilamowitz (Nachr. d. Gött. Ges. d. Wiss. 1894, 17) sehr wahrscheinlich gemacht hat, mit dem Regierungsantritt des Euergetes (245) zusammenfallen, der für den Thronfolger Philopator einen Erzieher wünschte. E. war damals etwa 40 Jahre alt. Den Dank stattete der Gelehrte durch ein Weihgeschenk und ein kunstvolles Epigramm ab (s. u.), in dessen Schlußdistichon v. Wilamowitz wohl mit Recht einen Hinweis auf seine Stellung am Hofe findet. Seine pädagogischen Erfahrungen scheint er später aufgezeichnet zu haben, wenigstens deutet darauf das Zitat bei Quintil. inst. I 1, 16 (fehlt bei Bernhardy). Den Entgelt fand E. in seinem Amte als Bibliothekar (Suid. s. Ἀπολλώνιος Ῥόδιος, wo dieser nach der falschen Version [Westermann Biogr. 51, 9] als διάδοχος Ἐρατοσθένους bezeichnet wird), indem er den alten Zenodot ablöste. Die richtige Chronologie gibt Ioa. Tzetz. in dem einen Prooemion περὶ κωμῳδίας (Kaibel Com. p. 32 [im Text verdruckt 23] § 33 = p. 25 § 2): Aristarch sei der vierte (oder fünfte, wenn man Apollonios vor Aristophanes von Byzanz [Suid. s. v.] einrechnet) in der Reihenfolge der Bibliothekare gewesen. Alle sonstigen Einzelheiten (p. 19 § 21 = p. 31 § 30; p. 24 I 1) sind chronologisch unmöglich und für uns wertlos, obwohl sie aus einer relativ guten Überlieferung stammen, die nur durch die Schuld des späten Kompilators gänzlich verworren erscheint, eine Spur des Wahren noch im sog. Scholion Plautinum (Ritschl Opusc. I 5. Dziatzko Rh. Mus. XLVI 349; bei Kaibel 31 unter dem Text). Die reiche Bibliothek lieferte ihm das Material für seine vielen und vielseitigen Studien (Hipparch. bei Strab. I 15). An Neidern und Widersachern fehlte es dem angesehenen Gelehrten nicht. Man [361] erkannte zwar seine Kenntnisse auf allen Gebieten des Wissens an, meinte aber, er sei dem Höchsten nur nahe gekommen und immer an zweiter Stelle geblieben. Deshalb nannte man (οἱ τοῦ Μουσείου προστάνες Marcian.) ihn Beta (Suid., wo Meursius die schwer verderbten Worte verbessert hat. Marcian. Heracl., Geogr. gr. min. I 565. Chrestom. Strab. ebd. II 531, bei Strabon selbst a. a. O., wie es scheint, ausgefallen; anders Bernhardy p. IX, dem Müller und Berger Er. geogr. Frg. 13 folgen). Auch sein Spitzname Πένταθλος gehört, wie Robert (De Apoll. bibl., Diss. Berl. 1873 sent. contr. II) und Christ (Platon. Stud., Abh. Akad. Münch. 1885, 56f.) erkannt haben, dahin. Er stammt aus Ps.-Platon Anterast. 135 e. 138 d. e (vgl. de sublim. 34) und bezeichnet im Wettkampf die Ringer und Läufer, welche den zweiten Preis davontrugen. Ein solcher Mann ist ὕπακρος, also gleichfalls dem Höchsten nahe. Gegen diese verbreitete Beurteilung des E. wendet sich Dionysios von Kyzikos Anth. Pal. VII 78 (ἄκρα μεριμνήσας). Die außerdem von Suidas verzeichneten Benennungen δεύτερος ἢ νέος Πλάτων kommen bei den mathematischen und philosophischen Schriften zur Sprache. Im hohen Greisenalter (s. o.) litt er nach Suidas an Augenschwäche, deren Folgen er sich durch freiwillig gewählten Hungertod entzogen haben soll. Gegen diese fable convenue, die eine Parallele bei Suid. s. Ἀρίσταρχος findet, wendet sich ebenfalls Dionysios, der nur von einem sanften Tod im hohen Alter weiß. Begraben ward E. nach demselben in Alexandreia.

II. Schriften. Bearbeiten

Das dürftige Verzeichnis bei Suidas nach einer allgemeinen Bemerkung (ἔγραψε δὲ φιλόσοφα καὶ ποιήματα καὶ ἱστορίας [Verwechslung mit dem gleichnamigen Historiker, s. Nr. 5]) weist noch in der anfänglich alphabetischen Reihenfolge auf eine von seinem Gewährsmann ausgeschriebene pinakographische Quelle. Die Reste sind teilweise recht zahlreich, doch niemals läßt sich von einem Werk, auch nicht den am meisten zitierten und benützten, den Γεωγραφικά, ein vollständiges Bild gewinnen.

1. Mathematische Schriften. Bearbeiten

[1] Bernhardy 168-185. Hiller Der Πλατωνικός des E., Philol. XXX 168–173 (mit wesentlicher Vermehrung des Materials). Zeuthen Die Lehre von den Kegelschnitten im Altertum (Kopenhagen 1886, deutsche Ausgabe) 309–343, bes. 320ff. v. Wilamowitz Ein Weihgeschenk des E., Nachr. d. Gött. Ges. d. Wiss. 1894, 1ff. Hirzel Der Dialog I 405ff.

Am meisten wissen wir über den Πλατωνικός. Der Titel und Inhalt ist noch nicht völlig aufgeklärt: während Hiller an eine Art von Realkommentar zum Platonischen Timaios denkt, ergänzt Hirzel λόγος und vermutet einen Dialog, in dem Platon die Hauptrolle gespielt habe und dessen Szene die Akademie gewesen sei. Jedenfalls behandelte die Schrift die Grundbegriffe der Mathematik im Anschluß an Platon; der Ausgangspunkt scheint das berühmte Problem der [362] Verdoppelung des Würfels gewesen zu sein (Theo Smyrn. p. 2, 3ff. Hill., auch von dem Verfasser des gefälschten Briefes an Ptolemaios, Hiller Er. carm. reliq. 125, ausgeschrieben, der weiteres Material zur Rekonstruktion bietet, v. Wilamowitz 6f.).- Das Buch wird zweimal von Theon (2, 3ff. 81, 17ff.) zitiert, aber Hiller hat nachgewiesen, daß die lange Auseinandersetzung über die Proportion (ἀναλογία) p. 82, 6–84, 6, wenn auch oberflächlich und ungenau exzerpiert, aus derselben Quelle stammt (bestätigt durch Sext. Emp. adv. math. III 28), wie auch noch 107, 15ff. 111, 10ff. (124, 12ff. ist der Schrift über die Erdmessung entlehnt, s. u.). Ferner scheint das Zitat Doxogr. 318 mit Recht dem Platonikos zugewiesen zu sein; unsicher bleibt die Anführung bei Procl. Tim. 186 e; Iambl. bei Stob. I 378, 7 W. meint wohl einen gleichnamigen Neuplatoniker (s. Nr. 6). Sodann hatte E. die Grundlagen der Musik besprochen; er hatte die Konsonanzen (im Anschluß an Aristoxenos ?) aufgezählt und die Zahlenverhältnisse der musikalischen Intervalle erörtert. Seine harmonische, chromatische und diatonische Skala teilt Ptolem. harm. II 14 (vgl. auch das flüchtige Exzerpt bei v. Jan Musici script. 416) mit. Genaueres bei Hiller 69f. und Westphal Harmonik und Melopöie 231ff., der den Fortschritt in der enharmonischen und chromatischen Skala hervorhebt, während E. die diatonische noch ganz wie Pythagoras ansetze. Vgl. zuletzt P. Tannery Rev. d. ét gr. 1902, 336ff., bes. 343f. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß diese Auffassung der Mathematik im Sinne Platons mit dazu beigetragen hat, ihm den Namen des ,zweiten oder neuen Platon’ (Suid.) zu verschaffen (Hirzel 407). Strenge Fachgelehrte hatten allerdings an der begrifflichen Schärfe der Definitionen dies und jenes auszusetzen, so wird der Tadel des Panaitios erwähnt (Porphyr. ad Ptolem. harm. p. 267), E. habe den Ausdruck διάστημα (Differenz) gleichbedeutend mit λόγος (Verhältnis) trotz des von ihm erörterten Unterschiedes gebraucht. Manches wird noch aus Plutarchs Moralia zu gewinnen sein (v. Wilamowitz 7, 2), der das Buch wohl noch las; Theon und Porphyrios schöpfen ihre Kenntnis aus Mittelquellen.

Das Problem der Verdoppelung des Würfels hat E. frühzeitig beschäftigt. Noch als Erzieher Philopators stiftete er als Weihgeschenk im Ptolemaion eine Marmorsäule, die inschriftlich die Lösung im kurzen, mathematischen Beweis und ein zierliches Epigramm trug. Dieses war bis auf die neueste Zeit bestritten (Hiller Er. carm. reliq. 122ff.), seine Echtheit ist von v. Wilamowitz a. a. O. erwiesen worden. Erhalten ist es von Eutokios, dem Erklärer des Archimedes (6. Jhdt., Susemihl Alex. Lit. I 729) im Kommentar zur Schrift de sphaera et cylindro (Bd. III 102, 20–114, 8 Heib.), und zwar in einem gefälschten Briefe des E. an Ptolemaios (andere Zitate bei Hiller). Der unbekannte Verfasser hat außer dem Platonikos des E. (s. o.) seine Kenntnis des Beweises aus dem Epigramm geschöpft, das er noch auf der Stele las (v. Wilamowitz 6f.). Es handelt sich um das berühmte und oft erwähnte sog. delische Problem der Verdoppelung eines Würfels, das bereits von Platon oder doch seinen Schülern in der Akademie behandelt war [363] (Anon. Proleg. in Platon. 5. Joh. Philopon. ad Aristot. anal. post. I 7; angebliche Lösung Platons bei Eutok. p. 66f.); auf ihre von Eutokios mitgeteilten, sehr unvollkommenen Lösungsversuche spielt E. in seinem Epigramm an. Nach dem Vorgange des Hippokrates von Chios (Ps.-E. p. 125, 14 Hill. Procl. in Eucl. p. 213, 7 Friedl.) führte er dies Problem auf die Aufgabe zurück, zwischen zwei gegebenen Linien zwei mittlere Proportionalen zu finden. Zur Veranschaulichung konstruierte E. ein Bronzeinstrument (μεσολάβον Papp. ΙΙΙ 21 p. 54 H. Vitruv. IX 1 p. 214 Rose²), das auf einer Marmorsäule unterhalb der Krönung des Pfeilers mit Blei eingezapft war. Unter diesem stand der noch erhaltene Beweis in kurzer Form, die mathematische Figur und das Epigramm (Ps.-Erat. p. 128f.). Obwohl das Modell selbst frühzeitig verloren gegangen zu sein scheint, vermögen wir uns aus dem sehr klaren Bericht des Pappus (III 23 p. 36–58 H., der mit Recht von Dreiecken [beim Anonymus sind es Vierecke] redet) und der beigegebenen Figur (p. 134 Hill.) ein deutliches Bild zu machen. Es war ein rechteckiger Bronzerahmen A B C D, in dessen Rinnen A B und C D die beiden dreieckigen Plättchen M F K und N G L verschiebbar waren, während A E H feststand (s. Figur; nach dem Verfasser des Briefes waren die beiden Dreiecke links und rechts verschiebbar, während das mittlere feststand – für die Praxis ohne Belang). Außerdem waren die Linien A C und L X gegeben. Es handelte sich nun darum die beiden beweglichen Plättchen so lange zu verschieben, bis ihre Schnittpunkte P und O – als συνδρομάδες im Epigramm mit absichtlicher Irreführung bezeichnet – in die Verbindungslinie A X fielen, welche wohl durch einen in der linken oberen Ecke angebrachten Zeiger angedeutet war (v. Wilamowitz 11, 2). Dann ist nach einem einfachen geometrischen Beweis der über A C errichtete Würfel doppelt so groß als der über P H. Da aber das Verhältnis von A C zu L X ein beliebig großes ist, so kann man, wie E. sagt, ganz leicht tausend Mittellinien finden (und dementsprechend Würfel konstruieren), indem man immer von der kleinen Seite (πυθμήν, in der Figur L X) ausgeht. E. war auf diese seine Erfindung, deren Wert für das praktische Leben ausdrücklich betont wird (v. 3f.), ungemein stolz, wie aus dem Schlußdistichon erhellt. In der Praxis scheint sie sich nicht gerade bewährt zu haben, und spätere Fachgelehrte hatten auch hieran zu mäkeln (Nikomedes bei Eutok. 114 H.); immerhin ist sie, nach den öfteren Zitaten zu schließen (Hiller 123f.), ziemlich populär geblieben.

In einer eigenen Schrift (Hiller 68 gegen Bernhardy) handelte E. über die Mittelgrößen (περὶ μεσοτήτων) mit ausführlichen geometrischen [364] Erörterungen, die in kürzerer Form wohl bereits im Platonikos standen. Sie wird zweimal von Pappus zitiert (VII 636, 24 und 672, 5 [als Interpolationen von Hultsch verdächtigt, vgl. 662, 15ff.]) und ist zum Gegenstand einer besonderen Untersuchung von Zeuthen a. a. O. gemacht worden.

Endlich ist E. auch auf dem Gebiet der Arithmetik als Erfinder aufgetreten: eine sinnreiche Art, die Primzahlen zu finden, das sog. κόσκινον (Sieb) Ἐρατοσθένους teilt Nikomach. isag. arithm. I 13 (p. 29ff. Hoche) mit. Das ,Sieb des E.’ ist jetzt einem größeren Leserkreis zugänglich gemacht in M. C. P. Schmidts Realist. Chrestom. aus d. Lit. d. klass. Altert. I 119ff.; vgl. seine kaum zutreffende Beurteilung und Hultsch o. Bd. II S. 1094. Wie weit E. in diesen mathematischen Studien durch die Fachgelehrten gefördert worden ist, läßt sich nicht mehr ermitteln. In irgendwelchen Beziehungen muß er zu Archimedes gestanden haben, den er als seinen Zeitgenossen bezeichnete (Procl. in Eucl. prol. II p. 68, 17ff.). Dazu würde das πρόβλημα βοεικὸν des Archimedes, das nach der Überschrift brieflich dem E. übersandt worden ist, sehr wohl stimmen – falls es echt ist, s. o. Bd. II S. 532.

2. Geographische Schriften, Bearbeiten

a) Über die Erdmessung. Literatur: Von der älteren noch als brauchbar und lesenswert zu nennen W. Abendroth Darstellung und Kritik der ältesten Gradmessungen (Progr. d. Gymn. z. Heil. Kreuz, Dresden 1866). Müllenhoff Deutsche Altertumskunde I 259–296 (1869 geschrieben). Hultsch Poseidonios über die Größe und Entfernung der Sonne (Abh. d. Gött. Ges. d. Wiss. 1897) 5, 2. 13ff. Zuletzt Nissen Die Erdmessung des E., Rh. Mus. LVIII 231-245, Columba E. e la misurazione del meridiano terrestre, Palermo 1895 (rez. von B(erge)r Lit. Zentralbl. 1896, 415f.) ist mir unbekannt geblieben. Fragmente bei Berger Die geogr. Frgm. d. E. 99–142 (nicht vollständig), vgl. seine Gesch. d. wiss. Erdkunde d. Griech.² 406–412 (= ¹III 79–84).

Die Existenz einer eigenen Schrift über die Erdmessung, die u. a. Berger Geogr. Fragm. p. VI und 19 richtig vermutet hatte, steht jetzt durch Herons Dioptrik (rec. H. Schöne, Leipz. 1903, c. 35) fest: er zitiert für die Größe des Erdumfanges Ἐρατοσθένης ἐν ⟨τῶ⟩ ἐπιγραφομένῳ περὶ τῆς ἀναμετρήσεως τῆς γῆς. Über ihren Inhalt gibt Galen. instit. logica 12 (p. 26 Kalbfl.) den nötigen Aufschluß. ,E. hatte darin die Größe des Äquators, den Abstand der Wende- und Polarkreise, die Ausdehnung der Polarzone, Größe und Entfernung von Sonne und Mond, totale und partielle Verfinsterungen dieser Himmelskörper, Wechsel der Tageslänge nach den verschiedenen Breiten und Jahreszeiten, kurz und gut, was wir astronomische oder mathematische Geographie nennen, abgehandelt’ (Nissen 232). Der größte Teil der von Berger 101–126 gesammelten und mit Unrecht dem zweiten Buche der Geographie zugewiesenen Fragmente über die Erdmessung wird aus diesem Buche stammen. Da aber die Angaben über die Messung der Erde von den Angaben über die Messung des Himmels nicht getrennt werden dürfen, so werden die kurzen Notizen über die Entfernungen der Sonne und des [365] Mondes von der Erde (Diels Doxogr. 362f.), dem Größenverhältnis der Sonne zur Erde (Cramer An. Par. I 373), das er aus den Mondfinsternissen zu ermitteln suchte (Macrob. somn. Scip. I 20, 9), ebenfalls in dieser Schrift, die wohl mehrere Bücher (in libris dimensionum Macrob.) umfaßte, gestanden haben (Hultsch 5, 2 denkt an eine Schrift mit dem Titel περὶ ἀναμετρήσεως τοῦ ἡλίου). Die berühmteste wissenschaftliche Leistung des E. ist seine Messung der Erde, eine wirkliche Messung, während man vor und nach ihm nur durch Schätzung ihre Größe zu ermitteln versucht hat (Nissen 234). Er heißt deshalb orbis terrarum mensor bei Censorin. de die nat. 15., vgl. Vitruv. I 1 p. 9, 16 R.² Plin. n. h. II 247, der ,in der ganzen Ehrlichkeit mangelnden Verständnisses’ (Nissen 238) die Tatsache berichtet (versteckte Anspielung bei Paus. I 33, 5, Erwähnung noch im 12. Jhdt. durch Joh. Kamateros, s. Boll Sphaera 22). Nur durch die verständnisvolle Förderung und Unterstützung der Ptolemaier, die an den reichen Jagdgründen am oberen Nil noch ein persönliches Interesse hatten, war es möglich, die gewaltige Aufgabe zu lösen. Als schätzenswerte Vorarbeiten konnten die astronomischen Beobachtungen Philons (Susemihl I 655) über den Zenithstand der Sonne in Meroe und die von diesem für die Zeit der Sonnenwende und Nachtgleichen gefundenen Gnomonenzahlen dienen; nach Hipparch (Strab. II 77) schloß sich E. diesem Vorgänger nahe an. Königliche Bematisten hatten die Strecke Syene–Alexandreia (von Syene – Meroe redet fälschlich Martian. Capell. VI 596) beschritten und den Abstand zwischen beiden Städten auf 5000 Stadien bestimmt, auch eine Messung des schattenlosen Kreises von Syene, den sie auf 300 Stadien veranschlagten, vorgenommen (Hultsch 13f.). Zu Syene wurde ein Brunnen gegraben, um festzustellen, daß dieser am Mittag der Sonnenwende von den Strahlen der Sonne ganz erleuchtet werde. Sowohl in Alexandreia als auch in Syene wurden metallene (im Innern gewiß mit einer Gradeinteilung versehene [Nissen 235]) Hohlkugeln (σκάφια) aufgestellt, an deren senkrecht stehenden Weisern (γνώμονες) im Sommer- und zur Kontrolle im Wintersolstiz die Schatten abgelesen wurden. Das ganze Verfahren beschreibt anschaulich Kleomedes I 10 (p. 94, 24ff. Ziegl., auch von Schmidt in seine Chrestomathie II 105ff. aufgenommen und durch eine Zeichnung hübsch erläutert). Nach diesem Verfahren berechnete E. den Erdumfang auf 252 000 Stadien (diese Zahl steht jetzt durch das neue Fragment bei Heron fest), während Kleomedes, der übrigens nicht konsequent bleibt (vgl. II 1 p. 146, 27 Ziegl. Nissen 234) die abgerundete Zahl 250 000 giebt. Damit ist die alte Streitfrage (zuletzt Berger Gesch. d. Erdk.² 409–411) erledigt: E. selbst hat die ursprüngliche Summe (250 000) um 2000 erhöht. Wenn auch die von Kleomedes nach E. gegebenen Voraussetzungen, daß Syene und Alexandreia auf demselben Meridian lägen, daß der Abstand zwischen beiden Orten 5000 Stadien betrüge, daß die von den verschiedenen Teilen der Sonne auf die verschiedenen Teile der Erde fallenden Strahlen parallel wären, nachweislich falsch sind, ganz abgesehen von anderen Fehlerquellen, z. B. der mangelhaften [366] Unterscheidung von Kern- und Halbschatten (Abendroth 27), so muß doch das schließlich gewonnene Resultat unsere größte Bewunderung erregen. Es ergibt, die gewöhnliche Stadienlänge zu Grunde gelegt, etwa 6300 Meilen, während die wahre Äquatorlänge mit Berücksichtigung der den Alten unbekannten Abplattung des Meridians etwa 5 400 Meilen beträgt. Und diese Bewunderung wächst, wenn man die Breitengrade, welche als Gerüst für die Gradmessung dienten, vergleicht (nach Nissens Berechnung 237):

Meroe 16° 51' 26" heute 16° 55' 58"
Wendekreis 23° 50' 57"  " 23° 44'
Syene 24°  " 24° 04' 23"
Alexandreia 31° 08' 34"  " 31° 12' 17"

Über diese Bestimmungen ist das Altertum nicht hinausgekommen, die weitere Geschichte der Erdmessungen, von denen die nächstfolgende erst vom Chalifen Mamun (813-833) angestellt worden ist, zeigt Rückschritte (Nissen 242ff.). Die Schiefe der Ekliptik berechnete E. auf 47° 42' 36" (11/83 von 360°, Ptolem. synt. I 1. Theon Alex. p. 60 gibt 40"; vgl. über diese Schwierigkeit Berger 131), worin ihm Hipparch zustimmte.

Vielleicht ist es erlaubt, auch die Eratosthenische Windrose in dieser Schrift unterzubringen (Achill. isag. p. 68 Maass), wenn man nicht nach dem Vorbilde des Aristoteles und Kallimachos ein besonderes Buch περὶ ἀνέμων annehmen will. Berger Er. 210f.; Gesch. d. Erdk.² 429ff. denkt an das dritte Buch der Geographie. Eine Vorstellung von der Lehre des E. gewinnen wir aus Galen. XVI 403ff. K., dem sie durch Favorin vermittelt worden ist; dieser schöpfte aus Poseidonios, der Quelle für die mit Galen sich deckenden Abschnitte bei Vitruv. I 6, 4ff. (Kaibel Herm. XX 593ff., bes. 611ff.). Auf Poseidonios geht der am Schluß ausgesprochene Zweifel über die Richtigkeit der Eratosthenischen Erdmessung (Kaibel 612) zurück. Diese wird mit der achtteiligen Windrose des E. in Verbindung gebracht, so daß auf jeden Wind der Raum von 31 500 Stadien entfällt. Ein greifbarer Vertreter dieser wissenschaftlichen Forschung ist der in der Sullanischen oder Caesarischen Zeit von Andronikos Kyrrhestes erbaute Turm der Winde (Kaibel 609ff.).

b) Die Geographika. Literatur: Die älteren Sammlungen von Seidel (Göttingen 1789) und Bernhardy 1–109 jetzt überholt durch Berger Die geogr. Fragmente des E., Leipz. 1880; dazu Gesch. d. wissensch. Erdkunde d. Griech. ¹ III 57–112 = ² 384–441. M. C. P. Schmidt Des E. Zonenanzahl, Philol. XLIII 199-201. Im allgemeinen O. Peschel Gesch. d. Erdk.² 58ff. H. Bretzl Botan. Forschungen des Alexanderzuges (Leipz. 1903) 220ff.; vgl. noch Berger Geogr. Frg. IVf.

Wir verdanken der Kritik Strabons im ersten und zum Teil auch im zweiten Buch, daß wir uns von dem bedeutendsten Werke des E. eine ziemlich klare Vorstellung machen können. Da er aber wegen seines Unvermögens, die Größe des Mannes im ganzen zu begreifen (Müllenhoff 313ff.), immer nur einzelne Sätze und Ansichten heraushebt und mit einer vielfach kleinlichen, nörgelnden Kritik bestreitet, so bleibt leider manches und zwar recht Wichtiges doch unklar. Aus der Sammlung Bergers sind einige Fragmente [367] zu streichen, andere hinzuzufügen (Schol. Lykophr. 443. Herodian. περὶ μον. λεξ. p. 13, 22 Lehrs. Schol. A Eur. Med. 2). Auf das neue Bruchstück bei dem Anonymus über die Paradiesesflüsse (Haupt Ind. lect. Berlin 1869/70 und Wescher Anhang zum Anaplus des Dionysios von Byzanz, Paris 1874) hat bereits Frick Burs. Jahresb. XXIII 555 in seiner Rezension hingewiesen; ferner hat W. Ruge gezeigt (Quaestiones Artemidoreae in Commentat. in honor. Ribbeckii, Leipz. 1888, 477-479), daß die §§ 8–14 (auch § 1) bei Agathemeros (Geogr. gr. min. II 473f.) teils sicher, teils wahrscheinlich aus E. entlehnt sind; auf den Abschnitt Strab. XVII 789f. fällt neues Licht durch Bauers Aufsatz ,Antike Ansichten über das jährliche Steigen des Nil’ (Histor. Untersuch. Arn. Schäfer gewidmet, Bonn 1882, 74ff.); endlich wird die Sagenkritik des E., die Berger Frg. I B 24 auf Arrian. anab. V 3, 1f. beschränkt, in höchst erwünschter Weise aus Strabon XV 686ff. u. a. ergänzt und vermehrt (Reuß Rh. Mus. LVII 568ff., der nur im einzelnen zu weit geht, s. u.). Der Titel des drei Bücher umfassenden (Strab. I 29 u. ö.) Werkes lautet bei Strabon stets Γεωγραφικά, so auch Schol. Apoll. Rhod. IV 131 (ἐν Γεωγραφίᾳ, verbessert von Keil). 259. 284. 310, viermal (Achill. comm. in Arat. p. 77 M. Steph. Byz. s. Δυρράχιον. Schol. Eur. Med. 2. Schol. Apoll. IV 1215; an den drei letzten Stellen mit wörtlichen Zitaten) Γεωγραφούμενα. Auch in den Zitaten aus dem Werke Strabons findet dasselbe Schwanken statt (Strab. ed. Meineke Bd. I p. IV). Das erste Buch begann mit einer Kritik der Vorgänger. Natürlich ging E. von Homer aus, der von einer Partei als der Inbegriff aller Weisheit betrachtet wurde, und zeigte, daß der Dichter zur Unterhaltung, nicht zur Belehrung seiner Leser geschrieben habe (ὅτι πᾶς ποιητὴς στοχάζεται ψυχαγωγίας, οὐ διδασκαλίας; Strab. I 7 ; vgl. 15. 16. 25). Er habe wohl in Griechenland Bescheid gewußt, wie aus den zutreffenden Epitheta der hellenischen Städte im Schiffskatalog geschlossen wird, aber nicht in entfernteren Gegenden. In diese sei die Irrfahrt des Odysseus verlegt, teils weil der Dichter nichts Genaueres erfahren habe, teils mit der bewußten Absicht, Wunderbares vorzubringen, das der Hörer oder Leser nicht kontrollieren könne. In diesem Zusammenhang fiel die derbe und gewiß sehr persönliche (von Polybios bei Strab. I 24 aufbewahrte) Bemerkung: über die Gegend der Irrfahrten werde man erst dann urteilen können, wenn man den Riemer, der den Windschlauch des Aiolos verfertigt, ausfindig gemacht habe (frg. I A 16). Diese Gedanken waren im einzelnen weiter ausgeführt (Berger 21–40, wo nicht alles richtig eingeordnet ist), wobei die mangelnde Übereinstimmung der früheren Homererklärer scharf beleuchtet gewesen zu sein scheint. Eine größere Kenntnis gegenüber Homer fand E. bei Hesiod und wies die Erweiterung des geographischen Horizontes nach (Strab. I 23). Die Geschichte der eigentlichen Geographie ließ er mit Anaximandros von Milet, dem ersten Kartenzeichner, beginnen; es folgte Hekataios, dessen Periegese er gegen Kallimachos als echt erwies (frg. I B 5 = Agathem. I 1; über Hekataios vgl. Diels Herm. XXII 415). [368] Im folgenden wurde Kritik an Männern geübt, die Strabon nicht der Erwähnung wert findet; aus Agathemeros können wir einen nennen: Hellanikos, der seiner Darstellung kein Kartenbild beigegeben habe. Aber auch zustimmend verhielt sich E., so gegenüber dem Damastes (was ihm Strabon zum Vorwurf macht), auch Demokrit, Eudoxos und andere Geographen (unter ihnen gewiß Ephoros) waren erwähnt (Agathem.). Dagegen nannte er – mit merkwürdiger Verkennung seiner Tendenz – den Euhemeros einen Bergaeer (nach dem griechischen Münchhausen Antiphanes von Berge), während er dem Pytheas Glauben schenkte, was ihm von Polybios u. a. sehr verdacht worden ist. Am Schlusse dieser Auseinandersetzung stand ein Hinweis auf die durch den Alexanderzug neuerschlossene Kenntnis Asiens. Darauf wurde die Kugelgestalt der Erde besprochen (Strab. I 48), jedenfalls auch mit einer Kritik der Vorgänger (Berger 54f.), doch gewiß nur kurz; Genaueres war in seiner Schrift über die Erdmessung zu lesen. Es folgten Erörterungen über die Veränderungen der Erdoberfläche; aus dem Vorkommen von Muscheln und Schnecken im Binnenlande wurde auf ehemalige Meeresbedeckung geschlossen; dann über die Bildung der inneren Meere und ihre Verbindung mit dem äußeren, wobei das Problem der Schlammablagerung u. a. im Anschluß an den großen Physiker Straton zur Sprache kam (Strab. I 49f. Polyb. IV 39f. Aristot. meteor. I 14. II 1; vgl. R. v. Scala Die Studien d. Polyb. I 189ff. Diels Über das physik. System des Straton, S.-Ber. Akad. Berl. 1893, 110ff.), ferner, ebenfalls im Anschluß an Straton, über die Meerengen gehandelt (Strab. I 54f. polemisiert sehr töricht gegen E.). Leider sind alle Fragmente gar zu abgerissen und dürftig; Berger 70 betont wohl mit Recht, daß der Verlust dieser Abschnitte aus den Γεωγραφικά der größte sei, der die Geschichte der griechischen Geographie betroffen habe. Mit einer scharfen Kritik der offenbaren Erdichtungen gewisser Schriftsteller (wohl Deimachos und Megasthenes, Strab. II 70) schloß das erste Buch. Die von Berger 77f. hierhergezogenen Zitate aus Strab. XV 687 (I b 23) und Arrian. anab. V 3, 1ff. (I b 24) gehören in das dritte (s. u.). Im zweiten Buche gab E. eine Erläuterung der wissenschaftlichen (mathematischen und physikalischen) Grundlagen, auf denen er seine neugestaltete Geographie aufgebaut wissen wollte, Gestalt und Größe der Erde (vermutlich wieder kurz), die Zonenlehre, die er übereinstimmend auch in seinem ,Hermes' (s. u.) vortrug (M. C. P. Schmidt a. O. gegen Berger 85f. und Müllenhoff), die Okeanosfrage. Die Einheit des Okeanos suchte er durch die Gleichheit der Fluterscheinungen im Atlantischen und Erythraeischen Meere zu stützen (was später Hipparch tadelte, Strab. I 56); die Möglichkeit einer Umschiffung der südwestlichen Küste der Oikumene bewies er aus Androsthenes und Nearch, ferner aus einem Seefahrerbericht, den man nicht auf Hanno (Berger 93f.), eher auf den Periplus des Ophelas (Frick 553) zurückführen darf; für die Möglichkeit der Umschiffung des östlichen Asiens bis ins Kaspische Meer war Patrokles, für die Befahrbarkeit der Westküste Europas bis in den hohen Norden Pytheas [369] sein Gewährsmann. Da bei Strabon nach einem kurzen Referat über die Erdmessung – die besondere Schrift des E. ist ihm unbekannt geblieben – sogleich die Angaben des E. über Länge und Breite der Oikumene folgen, so darf man annehmen, daß die Vorarbeiten für den Kartenentwurf noch in Buch II standen. Die Gesamtbreite war aus den Teilstrecken: Zimmetküste– Meroe (für diese war Philon Gewährsmann), Meroe–Alexandreia–Hellespont, Hellespont-Borysthenes–Thule (nach Pytheas) auf rund 38 000 Stadien veranschlagt (Berger 142–155), die Länge mehr als das Doppelte der Breite umfassend, von den ihm bekannten äußersten Enden Indiens bis zur äußersten Westküste Europas auf ca. 78 000 Stadien, und zwar zum Teil nach Wegemaßen auf befahrenen Straßen, zum Teil nach bloßer Schätzung (Strab. I 64) ohne astronomische Kontrolle, an die erst Hipparch gedacht hat. Dann war über die Einteilung der Oikumene gehandelt mit Polemik gegen die Vorgänger, denen E. sein im dritten Buche ausführlich entwickeltes System entgegenstellte. Zum Schluß wandte er sich gegen Aristoteles, der dem König Alexander geraten haben soll, die Hellenen als Freunde, die Barbaren als Feinde zu behandeln (frg. 658), und verwarf ganz entschieden die bisherige Einteilung der Menschen nach Hellenen und Barbaren (s. u.). Das dritte Buch enthielt den Grundriß der Erdkarte, doch muß unbestimmt bleiben, wieviel davon bereits im zweiten abgehandelt war (Berger 169f.). Der Hauptparallel des E., den er in Übereinstimmung mit Dikaiarch (Agathem. 1, 5) zog (das sog. Diaphragma, vgl. Berger Gesch. d. Erdk.² 418), ging von den Säulen des Herakles bis zu den Ausläufern der indischen Grenzgebirge durch die sizilische Meerenge, die Südspitze der Peloponnes und Attikas, Rhodos und den Busen von Issos (also meist durch das Meer), dann durch den Tauros, der mit seinen vermeintlichen Fortsetzungen ihm Asien in eine nördliche und südliche Hälfte teilte, bis Indien (Strab. II 67). Dies war eine entschiedene Verbesserung des von ihm getadelten alten Pinax (wohl des Ephoros, Berger 175), gegen den er verschiedene Einwendungen erhob, u. a. die Abweichung der östlichen Bergsysteme gegen Norden und die dadurch bedingte nördliche Verschiebung Indiens. Für Indiens Ausdehnung gab der zu hoch von ihm geschätzte Patrokles die zuverlässigsten Angaben, für die astronomischen Bestimmungen (die Hipparch als unzulängliche allerdings nicht gelten lassen wollte) wurden eine Menge von Schriften benützt, die Strabon 69 in seiner Polemik gegen Hipparch leider nicht namhaft gemacht hat (nur eine Andeutung über Nearchos steht II 77). Über die Art und Weise der Breitenbestimmung erfahren wir durch Strabon recht wenig, nämlich daß E. sie durch Vergleichung von Temperatur- und VegetationsVerhältnissen festzulegen versucht habe. Diese Parallelen, die schon im günstigsten Falle, wo sie auf gnomonischen Beobachtungen fußten, für eine Breite von 400 Stadien galten, beanspruchten im weiteren Verlauf immer mehr Spielraum. Hipparch, dessen Einwendungen Strabon vergeblich zu widerlegen versucht, hat dies Verfahren mit Recht getadelt. Im ganzen nahm E. sieben an: die erste [370] fing, wie es scheint, durch Meroe, falls E. die durch Taprobane nicht mitgezählt hat (Berger 191), die siebente durch Thule; das Diaphragma (am Südrande des Tauros entlanglaufend) gehörte als vierte zu ihnen (Berger 195ff.). Auch über die Meridiane und Projektionen lauten die Angaben sehr wenig bestimmt, nicht einmal die Zahl (den Parallelen entsprechend doch wohl sieben) steht fest (Berger 201); merkwürdig ist die Angabe, daß Karthago und Rom auf demselben Meridian lägen (Berger 207). Trotz dieser Lücken läßt sich die Anschauung des E. über die äußere Gestalt der Erdinsel, bis auf eine Partie, die nördlichste Küste der Oikumene (in der er dem Pytheas folgte), ziemlich deutlich erkennen, und man hat es versuchen dürfen, nach den zerstreuten Angaben eine Eratosthenische Erdkarte zu entwerfen (z. B. Ch. Müller in der Ausgabe Strabons, Paris 1853). Ganz merkwürdig und von der Wirklichkeit völlig abweichend ist die Gestaltung der Erde nach Osten zu; sie wird von Strabon (XI 519 wohl nach E.) mit einem Küchenmesser verglichen, dessen Schneide mit dem Imaios, dem angeblichen letzten Ausläufer des Tauros, parallel geht, während von der Mündung des Hyrkanischen Meeres an die Linie sich biegt und ins Ostkap Indiens (Tamaron) spitz zuläuft. Die Küste des Meerbusens von Biscaya, die Lage der Bretagne usw. hat E. im großen und ganzen nach Pytheas richtig beschrieben (Berger 217). Strabon bestreitet es (nach Polybios?) aus nichtigen Gründen. Ob E. die Nordküste entgegen der von Pytheas betonten Entwicklung (wie später Strabon) gleichmäßig bis zur Elbe fortlaufend sich dachte (Berger 219), ist nicht mehr zu entscheiden. Vielleicht ist es sogar erlaubt, den von Strabon II 113 angewandten Vergleich der Oikumene mit einer Chlamys auf E. zurückzuführen (Berger 2l9f.).

Der größeren Bequemlichkeit halber wurde die durch die erwähnte westöstliche Linie in zwei große Hauptkomplexe zerlegte Erde noch durch Unterabteilungen geschieden, die E. selbst Sphragiden oder Plinthia nannte (Strab. II 78); die Bedeutung dieses Namens ist nicht ganz klar (Vermutungen bei Berger 223f.). Die erste Sphragis umfaßte Indien. Die Beschreibung scheint mit einer sehr scharfen Polemik gegen die Geschichtschreiber Alexanders d. Gr. begonnen zu haben (Reste dieser Polemik bei Strab. XV 688–690, s. u.), namentlich wandte sich E. gegen Deimachos, auch Megasthenes – den er trotzdem seiner Schilderung zu Grunde legte (Berger 178ff.) –, ferner Onesikritos, Kleitarchos, von den Älteren Ktesias, dessen Angaben andererseits neben denen Nearchs benützt sind. Zur Bestimmung der Größe wurden Messungen benützt, die E. aus den glaubwürdigsten Verzeichnissen der Lagerplätze entnommen hatte (Strab. XV 689. 723, Vermutungen über die Verfasser Berger 243), andere Anhaltspunkte wurden durch vorsichtige Abschätzungen gewonnen. So bekam das Land, dessen Halbinselnatur die von E. leider verschmähten Forscher Megasthenes und Deimachos richtig erkannt hatten, eine der Wirklichkeit nicht entsprechende rautenförmige Gestalt, und ,seine große Achse war nicht von Norden nach Süden, sondern von Osten nach Westen gerichtet’ (Peschel Gesch. d. Erdk.² [371] 59). Auch Taprobane (Ceylon) erscheint abenteuerlich vergrößert (8000 Stadien Umfang!) und verzerrt. Dagegen verwertete E. mit glücklichem Scharfsinn aus den zahlreichen ihm vorliegenden Berichten die Angaben über die atmosphärischen Niederschläge, über die Flora und Fauna des neuentdeckten Wunderlandes (Bretzl 341 veranschlagt die botanischen Beobachtungen recht hoch). Die zweite Sphragis, Ariane umfassend, findet selbst den Beifall des nörgelnden Strabon, der keinen besseren Gewährsmann gefunden zu haben gesteht. Im einzelnen sind hier noch manche Schwierigkeiten zu lösen (Berger 244ff.), namentlich was die Begrenzung und die Zahlenangaben der südlichen Küstenstrecke betrifft. E. hatte im ,roh entworfenen Umrisse’ (ὁλοσψερεῖ τινι τύπῳ Strab. II 78) dieser Sphragis eine übermäßige Länge gegeben. Noch undeutlicher gezeichnet erscheint die dritte Sphragis, die, von ihm selbst als τυπωδῶς (Berger 254) entschuldigt, auf die Konstruktion einer geschlossenen Figur von vornherein verzichtete. Sie umfaßte eine teilweise mit der zweiten Sphragis gemeinsame Linie von den Kaspischen Toren bis nach Karmanien; die südliche Grenzlinie, die durch den ihm sehr unbequemen Persischen Meerbusen unterbrochen war, legte er in die Strecke Babylon–Susa–Persepolis. Im Westen mußte der Euphrat von dem Austritt aus dem Gebirge bis zu seiner Mündung als gerade Linie (!) herhalten. Die Nordseite (Kaspische Tore–Euphrat) blieb wegen unzureichender Angaben auf der Nordostrichtung vielfach unbestimmt und konnte nur nach unsicheren Schätzungen festgelegt werden (vgl. Berger 264). Zu den Maßangaben frg. III B 31 kommt noch die Notiz beim Anonymus über die Paradiesesflüsse p. 7 Haupt. Im einzelnen besprach E. den Zusammenhang der Sumpfseen des unteren Euphrat mit den Barathra in Syrien (frg. III B 36 S. 264 B., wahrscheinlich ist das bei Strabon vorhergehende Zitat aus Aristobulos gleichfalls durch E. vermittelt), ferner die Asphaltgewinnung in Babylonien (III B 37; das Fragment ist weiter auszudehnen), sowie θαυμάσια des Tigris. Den Persischen Meerbusen (III B 39) beschrieb er nach Orthagoras und Androsthenes (auch Nearch und Aristobul waren benützt); letzterer, bereits Quelle für Theophrast (de caus. plant. II 5, 5; hist. plant. IV 7, 1f. 7f. V 4. 7f.), ist neuerdings von Bretzl eingehend gewürdigt worden. E. folgte ihm nicht nur in den Maßangaben, sondern auch in der Charakteristik der Vegetation am und im Persischen Meerbusen. Für die Insel Ogyris schöpfte er seine Angaben aus Nearch und Orthagoras; später ist die Eratosthenische Schilderung durch Vermittlung des Alexander Lychnos in die Periegese des Dionysios (s. d. Nr. 94) hineingekommen. Die vierte Sphragis umfaßte nach Strabons Andeutungen (83–85) Syrien, Arabien, Ägypten, Aithiopien bis zum Nil, vielleicht auch die Südküste Kleinasiens. Die Süd- und Ostgrenze bleibt unbekannt; überhaupt ist wegen des Verlustes der geometrischen Angaben ein zuverlässiges Bild über diese Sphragis nicht zu gewinnen. Daher bietet die von Strabon auszugsweise mitgeteilte Beschreibung Arabiens (Strab. XVI 767f. frg. III B 48) im einzelnen manche Schwierigkeiten. Von den Quellen des E. werden nur οἱ περὶ Ἀλέξανδρον [372] καὶ Ἀναξικράτη (ganz unbekannt) namentlich aufgeführt. Aus der Beschreibung Ägyptens ist ein ziemlich ausführliches Fragment (III B 51) erhalten. Bemerkenswert erscheint die Vorsicht in der Schilderung des Nillaufes gegenüber den kühnen Hypothesen früherer Forscher. Was die Ursachen der Nilüberschwemmung betrifft, so schließt sich E. (III B 52) der Ansicht des Aristoteles an (frg. 246 R.; vgl. die lateinische Übersetzung der Schrift περὶ τῆς Νείλου ἀναβάσεως frg. 247 R. Diels Doxogr. 226 und Poseidon, bei Strab. XVII 790. Berger 72f. 306f.). Nunmehr hören aber die summarischen Übersichten aus E., die Strabon seinen Länderbeschreibungen vorauszuschicken pflegt, auf. Über Libyen hat er nur einzelne Bemerkungen (Berger 307ff.); offenbar waren die Quellen des E. (Ophelas ? s. o.) veraltet. Ferner werden die Angaben über Nordasien in den Prolegomena (II 86. 92) ohne Sphragidenbezeichnung gegeben, dafür tritt – teilweise nach Hipparch, dessen Kritik abgelehnt wird – die unbestimmte Bezeichnung βόρειαι μερίδες τῆς οἰκουμένης ein. Während Strabon nach eigenem Zeugnis (Berger 317, 2) neueren Gewährsmännern folgt, schöpfte E. seinen Bericht, namentlich über das Kaspische Meer, aus Patrokles. Dieser befuhr es im Auftrage des Seleukos Nikator etwa zwischen 285 und 282 (Neumann Herm. XIX 165ff., weitere Literatur bei Susemihl I 657f.). Mit ihm teilt E. den schwerwiegenden Irrtum, daß das Kaspische Meer ein Busen des nördlichen Ozeans sei; aus ihm entnahm er die Waffen gegen die Verfechter der Identität von Tanais und Iaxartes (Strab. XI 509f.; der ganze § 4 stammt aus E., Neumann 183, 1 gegen Berger 167, der das Fragment auch falsch eingeordnet hat). Einmal scheint E. den Stadiasmus seines Gewährsmannes mißverstanden zu haben (Neumann 174). Bezeichnend ist hier Hipparchs Kritik (Strab. II 69); er tadelt den E., daß er dem Patrokles gefolgt sei und nach dessen Angaben den alten Pinax geändert habe; besser wäre es gewesen, ihn zu lassen, wie er war, bis man von diesen Gegenden sichere Kenntnis erlangt hätte. In der Beschreibung Kaukasiens widerlegte E., wie es scheint, die alte Ansicht, daß die Argonauten aus dem Phasis in den Okeanos hätten fahren können (Schol. Apoll. IV 259. II 399. Berger 327). In der Beschreibung des Pontos Euxeinos übernahm er von Ephoros die Charakteristik der beiden Vorgebirge Kriumetopon und Karambis (Berger 331; vgl. Ps.-Skymn. 953ff. Müllenhoff D. A. III 48. Hoefer Rh. Mus. LIX 556). Das frg. III B 82 (Berger 329) ist zu streichen, da es nur Schol. Eur. Med. 2 (jetzt in besserer Fassung bei Schwartz) ungenau wiedergiebt. Sehr wenig erfahren wir über Armenien und Kleinasien, doch dürfen die paar bei Steph. Byz. überlieferten Namen (Γάγγρα, Ἄμαξα) nicht mit Berger 336 auf die Γαλατικά (die er fälschlich für ein Werk des Geographen hält, s. u.) bezogen werden. Noch kommt ein Zitat aus Schol. Lykophr. 443 über Magarsos hinzu. Von einer Polemik gegen Damastes erfahren wir bei Gelegenheit der Beschreibung von Kypros (Berger 338). In der Zeichnung Europas ist dem E. der Süden besonders gut geraten. Er unterschied drei Halbinseln, die Peloponnes, die [373] italische, die ligurische, zwei Meerbusen, den Adriatischen und Tyrrhenischen (Berger 343). Wahrscheinlich schloß sich daran die Sphragideneinteilung, was sich wenigstens aus dem Tadel Hipparchs (Strab. II 92), E. habe sein geometrisches Prinzip hierbei nicht durchführen können, entnehmen läßt. Selbst Polybios, dem ein weit reicheres Material vorlag, ist nicht zu größerer Klarheit des geographischen Bildes gelangt, wie Strabon (II 108f.) hervorhebt. Die interessanten Angaben über die Gabelung des Ister sind leider zu kurz, um weitere Schlüsse aus ihnen zu ziehen (Unsicheres bei Berger 347ff.). Auch die Angaben über die Peloponnes fließen recht dürftig, was um so mehr zu bedauern ist, als E. selbst die Halbinsel bereist und die Stätte der vom Meer verschlungenen Stadt Helike in Augenschein genommen hat (Strab. VIII 384. Berger 353). Die Zerstörung Buras steht in reinerer Fassung Schol. Lykophr. 591 (wonach Berger 353 zu verbessern ist) = Strab. VIII 386. Neu hinzu kommt eine Notiz über Olura, Herodian περὶ μονήρους λέξεως p. 13, 22 Lehrs [File:Wissowa IV,1 330 b1.jpg|20px|] Strab. VIII 350; dagegen sind die Fragmente III B 106 (wahrscheinlich aus dem Buche περὶ κωμῳδίας frg. 16 Str.) und III B 107 (aus dem Hermes, frg. 6 Hill.) zu streichen. Ferner hatte E. auf die merkwürdigen hydrographischen Verhältnisse Arkadiens geachtet (Strab. VIII 389, für den verderbten Namen des Flusses ein Verbesserungsvorschlag bei Hiller E. carm. rel. 16); seine Beobachtungen sind im verflossenen Jahrhundert bestätigt worden (Curtius Peloponnes I 189). Aus der Beschreibung der Landschaft Epirus besitzen wir ein wörtliches Zitat bei Steph. Byz. s. Δυρράχιον, ebenso aus der Illyriens (Schol. Apoll. IV 1215). In der Notiz über die illyrischen Hylleer (Ps.-Skymn. 412) erscheint Timaios verbunden mit E., d. h. dieser schöpfte aus jenem, dem er auch nach einer Andeutung Strabons (I 47) die an der nördlichen Adria lokalisierten Sagen zu verdanken scheint (Geffcken Tim. Geogr. des Westens 178). Auch die Lage der Sireneninsel wird aus derselben Quelle stammen (Tim. bei Ps.-Aristot. mir. ausc. 103 [File:Wissowa IV,1 330 b1.jpg|20px|] Strab. I 22. Berger 359). Ferner konnte er über den Herkynischen Wald, dessen er mit älterer Namengebung (Ὀρκυνία ὕλη). Caes. bell. Gall. VI 18) gedachte, bei Timaios einiges finden (Ps.-Arist. mir. 105. Geffcken 130f.). Für den äußersten Westen (Iberien, Gallien, Britannien) schließlich war Pytheas seine Quelle, die er allerdings mit gewissem Vorbehalt (Strab. II 104) benützte, vielleicht weil Dikaiarch Zweifel geäußert hatte. Polybios (Strab. II 104. 107) und Artemidor (Strab. III 148), denen Strabon hier die meisten Zitate aus E. verdankt, haben sich unnötigerweise darüber ereifert. Wie weit die speziellen Angaben über Britannien (Berger 372ff.) auf E. zurückgeführt werden dürfen, ist schwer zu entscheiden; jedenfalls ist das umfangreiche frg. III B 127 (Diod. V 21) auszuscheiden. Es geht vielmehr auf Timaios zurück (Geffcken 67), obwohl es Berger noch neuerdings (Gesch. d. Erdk.² 358ff.) für E. beansprucht hat. Dieses Hauptwerk des E. hat bereits im Altertum die verschiedenste Beurteilung erfahren. Die schärfste Kritik hat wohl Hipparch geübt. Er tadelt den E., daß er die alten Karten geändert [374] habe, ohne doch Vollkommeneres an ihre Stelle zu setzen, er greift mit geometrischen Gründen die einzelnen Teile des Eratosthenischen Kartenbildes an und zergliedert die Unzulänglichkeit des verwandten Materials, vor allem der unzuverlässigen Reisemaße nach Zählung der Tagfahrten und abgeschätzten Wegstrecken (Berger Gesch. d. Erdk.² 340), während er selbst alles auf astronomische Bestimmungen und trigonometrische Berechnungen stellte (Berger a. a. O. 464, genauer Geogr. Fragm. d. Hipparch 101ff.). So war, um nur eins hervorzuheben, das indische Parallelogramm des E. für Hipparch ganz unmöglich (Berger Geogr. Fragm. d. Hipp. 92, 941). Mit dem Ergebnis der Eratosthenischen Erdmessung gab er sich mit Vorbehalt zufrieden, da er noch nichts Besseres an ihre Stelle zu setzen hatte (Berger Gesch. d. Erdk.² 468f.). Agatharchides von Knidos erhob unter anderem gegen die von E. angenommene unterirdische Verbindung des Persischen Meerbusens mit dem Isthmus an der Sinaihalbinsel usw. Einspruch (Wagner Progr. d. Realgymn. zu Annaberg 1901, 40). Von anderen Gesichtspunkten aus tadelt Polybios den E. [τὸν τελευταῖον πραγματευσάμενον περὶ γεωγραφίας Strab. II 104), auf den er mit dem ganzen Stolz des Reisenden herabsieht, namentlich ereifert er sich über die Benützung des Pytheas. Dies macht auch Artemidoros von Ephesos dem E. zum Vorwurf, im übrigen folgt er ihm vielfach, wenn er ihn auch in Einzelheiten öfters bekämpft (Stellen bei Susemihl I 695, 303). Doch reicht diese Polemik nicht aus, um in Artemidoros den Gewährsmann für die besondere bösartige und gehässige Beschuldigung bei Marcian von Herakleia (Geogr. gr. min. I 566) zu erblicken (Berger Gesch. d. Erdk.² 527f.), daß E. fast wörtlich, sogar mit Einschluß der Vorrede, das Buch des Timosthenes περὶ λιμένων ausgeschrieben habe (etwas anders aufgefaßt und beurteilt von E. A. Wagner Die Erdbeschreibung des Timosthenes von Rhodus, Leipz. Diss. 1888, 13, der 26 den Tadel des E. wenig wahrscheinlich auf Marinos von Tyros zurückführen will). Daß Timosthenes für manche Angaben die Quelle des E. gewesen, bezeugt Strabon II 92, der aber auch seine mannigfachen Abweichungen gebührend hervorhebt. Ebensowenig festzustellen ist der Gewährsmann des Pausanias I 33, 4, der dem E., ohne ihn zu nennen, beiläufig einen Hieb versetzt (Kalkmann Pausanias der Perieget 167. Berger a. a. O., der auch hier an Artemidor denkti. Gegenüber diesen Tadlern erheben sich bald nach Artemidor wieder Stimmen zu Gunsten des Angegriffenen. Bereits vor Artemidor preist ihn Ps.-Skymnos 112ff. wohl unter dem Einfluß Apollodors gar sehr und nennt ihn unter seinen Gewährsmännern. Einfluß des E. ist bei dem Geschichtsschreiber der Taten des Pompeius, Theophanes von Mitylene, zu verspüren (Berger 530), auch bei Alexandros Lychnos (s. d. Nr. 86). dessen Lehrgedicht noch für den Periegeten Dionysios die wichtigste Quelle gewesen zu sein scheint (s. o. Bd. V S. 920f.). Auch Cicero hatte die Geographie des E. zur Hand genommen (bei dieser Gelegenheit, ad Att. II 4, erfahren wir noch etwas über einen Gegner des E. namens Serapion, vgl. Berger Frg. d. E. 6, 7), aber offenbar wenig [375] von ihm verstanden. Noch weist die glänzende Beschreibung des Himmels, der Gestirne, der Lage der Erde, des Erdbildes und der Erdoberfläche die Grundzüge des Aristotelisch-Eratosthenischen Weltbildes auf (Berger 531), aber Cicero hat diese nicht unmittelbar aus der Quelle geschöpft, sondern aus Poseidonios, dem treuen Vertreter und Erweiterer der Eratosthenischen Geographie, entnommen (Berger 574). In der Homerfrage wich Poseidonios allerdings ab (Berger 576f.); über seine Erdmessung vgl. Berger 577ff. Auch der Mythograph, von dem Diodor IV 40ff. abhängig ist, hat Eratosthenische Angaben benutzt, Strab. VII 298 = Diod. IV 40. 299 = 45, 5 (anderes bei Schwartz De Dionys. Scytobrach. 11). Einflüsse des E. sind anzunehmen bei Varro, der ihn einmal (de r. r. I 2) kurz erwähnt, noch zu erkennen bei Isidor von Charax, der auch wieder den so lange verrufenen Pytheas zu Ehren gebracht hat (Berger 532f.). Daß Strabon der Größe des Mannes gerecht geworden ist, wird man nicht behaupten können (s. o.), trotz der Verteidigung durch Berger 533ff. Die Nachwirkung auf die spätere und späteste Zeit zu verfolgen, erfordert eine besondere Arbeit; hier sei nur hervorgehoben, daß noch bei Marinos-Ptolemaios zahlreiche Spuren der Anordnung in der zweiten Eratosthenischen Sphragis sich zeigen (Berger Gesch. d. Erdk. 629; Frg. d. E. 245f.). Unhaltbar dagegen scheint E. Curtius’ Behauptung, auch Paulus habe sich durch E. beeinflussen lassen (Ges. Abhdl. II 535f.); so populär ist E. niemals gewesen. Die Beurteilung in der Neuzeit schwankt zwischen dem begeisterten, rückhaltlosen Lobe Müllenhoffs (D. A. I 314ff. bes. 316f.) und der kühlen Anerkennung Bergers, zwischen beiden zu vermitteln sucht Nissen a. a. O. 231f. Die Schwierigkeit, dieses Werk richtig zu werten, liegt darin, daß wir über das Verhältnis zu seinem unmittelbaren Vorgänger Dikaiarch nicht ausreichend unterrichtet sind. Mag nun aber auch E. manches von ihm entlehnt haben (über das sog. Diaphragma s. o.), so ist doch ein gewaltiger Fortschritt, vor allem in der Erdmessung zu erkennen, wenn Berger recht hat, daß der bei Kleomedes I 8 (p. 78, 6ff.) kurz angegebene ältere Versuch einer Erdmessung auf Dikaiarch zurückgeht (Frg. d. E. 107. 173f.; Gesch. d. Erdk. 219f. 266f. 370ff.). Man wird ferner die Zeichnung der Breitengrade nach astronomischen Beobachtungen und geographischen Berichten, ferner die Einführung der Sphragiden in den Kartenentwurf als Fortschritte der Methode bezeichnen dürfen. Ein radikaler Neuerer ist E. allerdings nicht gewesen, das zeigt schon die Behutsamkeit, mit der er den alten Pinax, statt ihn zu verwerfen, ,vorsichtig umbildend und ergänzend’ erneut hat (Schwartz Abh. Gött. Ges. d. Wiss. XL 1894, 60). Ganz besonders hervorgehoben zu werden verdienen seine Sagenkritik, seine Wertung der Homerischen Poesie, sein Urteil über die ,Barbaren’. Von seiner Sagenkritik ergibt sich in einem Falle ein ziemlich vollständiges Bild, wenn man Bergers frg. I B 24 = Arrian. anab. V 3, 1–4 mit Ind. 5, 8–13 und Strab. XV 686–688 (vgl. XI 505) zusammennimmt. Mit auffallender Schärfe wird die Umgebung Alexanders d. Gr. kritisiert; nur aus [376] Schmeichelei gegen den König habe sie, um seine Taten ins Ungemessene zu steigern, Sagen von indischen Zügen des Dionysos und Herakles teils frei erfunden, teils nach einheimischen Mythen zurechtgestutzt. E. operiert 1. mit dem Mangel der Übereinstimmung unter den Erzählern, 2. mit dem Fehlen der Beweisstücke bei den Zwischenvölkern, die der Gott und Halbgott bei ihren Inderzügen hätten passieren müssen, 3. mit der Abweichung in Tracht und Brüstung des Herakles (gegen Megasthenes bei Arrian. Ind. 8, 6), vgl. noch v. Wilamowitz Textgesch. d. griech. Lyr. [Abh. d. Gött. Ges. d. Wiss. N. F. IV 3, 1900] 66, 1). Alles dies wurde eingehend bis ins kleinste ausgeführt; der Berg Meru (Meros), hieß es, dürfe nicht mit Dionysos zusammengebracht werden, trotz seines Efeus und der Weinstöcke, denn die Trauben würden nicht reif, sondern fielen zuvor infolge der starken Regengüsse ab. Ferner: die Übertragung des Namens Kaukasos auf den Parapamisos sei reine Willkür, die Makedonen hätten sogar die Höhle des gefesselten und später von Herakles erlösten Prometheus auf ihm wiedererkannt und wiedergefunden usw. In demselben kritisch-nüchternen Geist ist das wörtlich erhaltene Fragment Schol. A Eur. Med. 2 gehalten, in dem E. die Entstehung der Sage von den Symplegaden zu erklären sucht (= frg. III B 81 p. 329 Berg.). Von noch größerer Tragweite ist der im Anfang des ersten Buches ausgesprochene Satz, daß jeder Dichter zu ergötzen (genauer gesprochen zu rühren und leiten), nicht zu belehren trachte (s. o.). Damit wurde die stoische Interpretation Homers aufs allerschärfste getroffen, und wenn man erwägt, daß das Schulhaupt der Stoa, der alte Zenon, nur Lobenswertes an Homer fand und sich gefiel, in breiter Erörterung nachzuweisen, ὅτι τὰ μὲν κατὰ δόξαν, τὰ δὲ κατ’ ἀλήθειαν γέγραφεν (Dio Chrys. LIII 4 = frg. 195 Pears.), wobei die Widersprüche nötigenfalls durch gewaltsame Änderungen (Strab. Ι 41 = frg. 198 P.) ausgeglichen wurden, so fällt auf die oben erwähnte Abneigung des E. gegen Zenon und Genossen von diesem Punkte aus ein Lichtstrahl. Vgl. dazu Lehrs De Aristarch. stud. Hom.² 236ff. bes. 246. K. J. Neumann Herm. XXI 134ff.; über Zenon Krische Die theol. Lehren der griech. Denker 392f. Wachsmuth De Cratete Mall. 22f. Der Satz ist noch in mancher Hinsicht bemerkenswert. Zunächst knüpft E. auch auf diesem Gebiete direkt an Platon an, der die Poesie für ein ,Spiel’ erklärt hatte (de rep. 602 b; Sophist. 234 a; Politic. 288 c), während er in der Terminologie dem Aristoteles (poet. 6) folgt, zugleich aber erteilt er dem (verstorbenen ?) Kallimachos, der so oft die σοφία des Dichters betont hatte (frg. 481; epigr. 7. 46 Wil.; vgl. Anth. Pal. VII 42, 1), eine deutliche Absage. Und wenn die Andeutungen Useners bei Susemihl II 671 das Richtige treffen, so ist infolge dieser objektiven Beurteilung und Schätzung Homers ein vorübergehender Umschlag in Alexandreia eingetreten, aus dem die epische Dichtung des Rhianos hervorging und der in der Erbauung des Homerostempels durch den Schüler des E. Ptolemaios IV. (Aelian. v. h. XIII 22) einen besonders kenntlichen Ausdruck gefunden zu haben scheint. Lange hat diese veränderte Stimmung kaum vorgehalten, [377] und E. selbst huldigt in seinen eigenen Gedichten durchaus den Grundsätzen des Kallimachos (s. u.). Aber sein Urteil über das Wesen der Poesie hat weitergewirkt: nicht nur, daß Agatharchides von Knidos in seiner Dichterkritik (De mar. Erythr. 8, Geogr. gr. min. I 117, 16) es sich völlig zu eigen machte, so haben sich auch Männer wie Aristarch und Apollodoros dazu bekannt und sind in ihrer Homererklärung ganz auf dem Wege des E. fortgeschritten (Lehrs De Arist. stud. Hom.² 246f. W. Bachmann Die ästhet. Anschauungen Aristarchs in der Exegese und Kritik d. hom. Gedichte, Progr. Nürnberg, Alt. Gymn. 1902 I 301, kurze Zusammenstellung; über Apollodor Niese Rh. Mus. XXXII 306f.). Weit über die Schranken der Nationalität erhob sich E. in seinem berühmten Ausspruch (frg. II G 24), man dürfe die Menschen nicht nach Hellenen und Barbaren scheiden, sondern nach dem Vorwiegen der Güte und der Schlechtigkeit. Denn selbst viele Hellenen taugten nichts, dagegen seien viele der Barbaren, z. B. die Inder, Arianer, wohl gesittet, die Römer und Karthager durch ihre Staatsverfassung ausgezeichnet. Der Tadel des E. richtet sich gegen Aristoteles (frg. 658 R.2), der seinem Zögling Alexander den Rat erteilt haben soll, die Hellenen als Freunde, die Barbaren als Feinde zu behandeln. Der schwache Einwurf Strabons ist von Müllenhoff 316 gebührend beurteilt worden. Etwas anders gewandt kehrt dies bei Plut. de fortun. Alex. I 6 (wohl aus einer philosophischen Schrift des E. [s. u.] entnommen) wieder. Man glaubt hier den Einfluß des kosmopolitischen Kynismus zu spüren, der dem Jüngling von seinem Lehrer Ariston gepredigt ist. Vgl. Gomperz Griech. Denk. II 131, der in den Anmerkungen (547) auf Schwartz Rh. Mus. XL 223 und U. Köhler S.-Ber. Akad. Berl. 1891 verweist, ferner Bernays Dialoge d. Aristot. 54f. 155. Mommsen Röm. Gesch. V 562, 1. (über schwache Ansätze Früherer L. Schmidt Eth. d. alt. Griech. II 276. 323, wo noch Alkidamas frg. 1 Sauppe hinzuzufügen ist).

3. Astronomisches. Bearbeiten

Die sog. Katasterismen. Literatur: Robert Eratosthenis catasterismorum reliquiae (Berlin 1878, Hauptwerk), dagegen E. Maass Analecta Eratosthenica (Berlin 1883, Philol. Unters. VI) Cap. I. Für Robert J. Boehme Rh. Mus. XLII 286ff. A. Rehm Mythogr. Unters. üb. griech. Sternsagen. Diss, München (Progr. des Wilhelms-Gymn. 1896) und Herm. XXXIV 251ff. (abgekürzt D. und H.). Neues Material erschlossen durch Maass Aratea Cap. XI (377ff.), neu bearbeitet in den Comment. in Arat. reliq. (Berlin 1898) 134ff. (berichtigt von Rehm H.). Olivieri Stud. Ital. di filol. class. V 1ff., vgl. Riv. stor. II 53ff. Dittmann De Hygino Arati interprete, Diss. Götting. 1900. Boll Sphaera (Lpz. 1903) passim. Pressler Quaest. Ovidian. cap. II (Diss. Halle 1903) 24ff. Die neue Ausgabe der Katasterismen von Olivieri (Lpz. 1897 = Mythogr. Gr. III 1) genügt wissenschaftlichen Ansprüchen nur in bescheidenem Maße, die hsl. Grundlage ist nach dem Funde Rehms (E. cat. fragm. Vaticana, Progr. Ansbach 1899) anders zu beurteilen, s. u. Wegen der astronomischen Bemerkungen noch immer schätzenswert ist die Ausgabe von Schaubach (Götting. 1795). [378]

Über die Tätigkeit des E. auf dem Gebiet der Astronomie läßt sich bedeutend schwerer urteilen (allgemeine Anerkennung z. B. in einer Liste Cramer an. Ox. III 413, 19ff.), da das einzige jetzt sicher bezeugte Werk im ganzen genommen doch nur schwache Spuren hinterlassen hat. Wir besitzen ein autorloses, unter dem Namen θεσίαι ζῳδίων in mehreren Hss. überliefertes Werkchen, in welchem von 44 Sternbildern die daran geknüpften Sagen kurz und trocken berichtet werden; astronomische Angaben, zum Teil recht wunderlicher Art, sind jedem Sternbilde beigefügt. Auf Grund der pinakographischen Notiz bei Suidas ἔγραψε ... ἀστρονομίαν (ἀστροθεσίαν Maass Anal. Er. 4) ἢ καταστηριγμούς (καταστερισμούς Portus) hat man seit Fellus, der Oxford 1672 das Schriftchen zuerst herausgegeben, diesem den Titel καταστερισμοί gegeben. Da nun alle diese mythographischen und astronomischen Angaben in ausführlicherer Fassung und noch vermehrt durch andere gleichartige in den Arat- und Germanicusscholien, namentlich aber bei Hygin de astron., vielfach mit ausdrücklicher Berufung auf E., wiederkehren, so hat Robert auf ein umfangreiches mythographisch-astronomisches Werk des E. geschlossen und eine Rekonstruktion versucht. Auf Grund der Unterschrift im Schol. Hom. Il. XXII 29 vermutete er für die ursprüngliche Schrift den Titel κατάλογοι, für die verkürzte, schon zu einem mythographischen Aratkommentar umgewandelte die Bezeichnung καταστερισμοί, schließlich sei diese zu der erhaltenen dürftigen Epitome zusammengeschrumpft. Dagegen wandte sich Maass, der seinerseits zu dem Ergebnis kam, daß eine namenlose, auch zeitlich nicht näher zu fixierende ältere Sammlung von Sternsagen etwa um 100 n. Chr. von einem Araterklärer erweitert und mit einem Sternenverzeichnis verbunden sei. Aus diesem Kommentar habe um die Wende des 2. und 3. Jbdts. ein Epitomator einen Auszug gemacht mit Unterdrückung aller nacheratoathenischen Zitate, ausgenommen Hipparch, den er verführt durch seine Vorlage (Schol. Arat. 83) für älter als Arat gehalten habe (Anal. Eratosth. 17f., über Nikander vgl. 52f.); das Ganze sei dann mit dem Namen des E. versehen (Anal. Er. 140). Von dieser scharfsinnigen Beweisführung hat sich auch Robert überzeugen lassen (Preller-Robert Griech. Mythol. I 22, 5). Ganz anders Olivieri (zuletzt praef. p. XVIf.), der, wenig wahrscheinlich, an einen kleinen echten (aber nicht Eratosthenischen Kern dachte, der im Lauf der Zeiten durch fremde Zutaten verdeckt und unkenntlich gemacht worden sei. Später fand Maass in zwei Baseler Hss. als Überschrift nachfolgender Sternverzeichnisse Eratosthenis de circa exornatione stellarum et ethymologia de quibus videntur und Eratosthenes de exornatione et proprietate sermonum quibus videntur (das Sternverzeichnis auch griechisch in einem Cod. Laurent., aber ohne Titel), und veröffentlichte sie 1892 in seinen Aratea, später in der Sammlung der Aratkommentare. Wesentliche Berichtigungen gab Rehm H. 252ff. Der Titel hat wohl gelautet: Περὶ τῆς τῶν ἀστέρων διακοσμήσεως καὶ τῆς τῶν φαινομένων ἐτυμολογίας (vgl. zuletzt Boll Sphaera 361, 1). Trotz der Dürftigkeit dieser Angaben fällt [379] von ihnen aus neues Licht auf das erwähnte Schriftchen. Widerspruch gegen Maass hatten zuvor erhoben J. Boehme, der den verdächtigten astronomischen Teil der ,Katasterismen’ als vorhipparchisch zu erweisen versuchte, und A. Swoboda (Quaest. Nigidianae vor seiner Ausgabe P. Nigidii Figuli reliquiae, Wien-Prag-Leipz. 1889), der sich überhaupt ablehnend verhielt. Dann hat Rehm seine Beobachtungen D. 5ff. 11 weitergeführt H. 251ff. und die Reste einer andern Anordnung (Robert 114, 1ff. 138, 1), die genau mit der im neugefundenen Katalog stimmt, dem E. zugewiesen (anders Maass Aratea 381), auch weitere Spuren, namentlich Benützung durch Ovid in den Fasten verfolgt und vor allem richtig betont, daß Sagen und Sternkataloge nicht, wie Maass will, zu trennen sind. Darauf führt schon die Rückübersetzung aus dem barbarischen Latein περὶ τῆς τῶν φαινομένων ἐτυμολογίας (Rehm H. 266f. gegen Maass DLZ 1897, 170f.). Die neuerdings von diesem vertretene Ansicht (Orpheus 134, 14), daß die E.-Zitate bei Hygin immer nur für eine mythologische Variante in Betracht kämen, trifft nicht zu: vgl. namentlich die Epitome des Cod. R Olivieri 13f. = Hyg. II 23 = Schol. Germ. BP 70, 6ff. Breys. Auch für die Abfassung in Alexandreia hat Rehm gewichtige astronomische Gründe ins Feld geführt (H. 268, vgl. Boll Sphaera 169ff. 176, 3). Ferner ist von Dittmann nachgewiesen, daß Eratosthenische Positionsangaben, deren Eigenart bereits Boehme betont hatte, mehrfach bei Hygin vorliegen; ja, er ist geneigt, alle von Arat abweichenden auf jenen zurückzuführen (48ff.). Leider fehlt in dem sicher auf E. zurückgehenden Verzeichnis des Laurent. die Summe der Sterne, die in dem gegen Thieles Verdächtigungen (Antike Himmelsbilder 46, 1) von Rehm (H. 252ff.) und Boll (Bibl. Mathem. 3. Folge Bd. II 185ff.) als echt erwiesenen Katalog Hipparchs hinzugefügt ist. So fehlt uns das wichtigste Hilfsmittel zur Kontrolle der erhaltenen, in der Epitome und sonst vorhandenen Kataloge, die nach dem Hipparchischen Verzeichnis modernisiert worden sind, während z. B. Ovid eine ältere Rezension, wenn auch wohl gerade nicht die Eratosthenische Form (Rehm D. 29; H. 270) benützt hat. Zu Gunsten des E. hat Robert früher (32) noch mit Recht die Fülle der auserlesenen Zitate hervorgehoben, namentlich lassen die ausführlichen Inhaltsangaben der frühzeitig verschollenen Satyrdramen des Sositheos (p. 150 R.) und Philiskos (p. 90) auf einen zeitlich nahestehenden Verfasser schließen. So wird Robert mit seiner Zurückführung auf eine echte Schrift des E. schließlich doch recht behalten; dieser Ansicht scheint neuerdings u. a. Boll zuzuneigen, wenn er auch die Frage der Verfasserschaft nicht für endgültig geklärt hält (Sphaera 97, 2). Auf den Titel muß man allerdings verzichten; weder κατάλογοι noch die neugewonnene, überaus schwerfällige Bezeichnung dürften das Richtige treffen, der erstere deshalb nicht, weil die gerade durch ihn bezeugte Erigonesage für die ,Katasterismen’ nicht nachweisbar ist. Den Namen Katasterismen hat Portus sicher richtig in dem Reste des Schriftenkatalogs bei Suidas wiederhergestellt (die gleiche Korruptel Suid. s. Ἵππαρχος. Westermann Biogr. 426, 20); er begegnet [380] auch Schol. Arat. 134, leider ist das Zitat zu kurz, so daß man nicht mehr erkennen kann, ob es auf Epit. p. 84, 18ff. (= Comment. in Arat. reliq. 202 b 3–6) geht. Neben der Kollektivbezeichnung αστρονομία. (vgl. Hygins Schrift) behält er sein Recht und ist aus praktischen Gründen zu empfehlen (vgl. auch Plin. ep. V 17, 2). Schwierigkeiten macht das Zitat Ἐ ἐν τῷ Καταμερισμῷ) Achill. Isag. 24 (p. 55, 10 Maass), das sich inhaltlich mit den Zeugnissen bei Robert 198 deckt. Die naheliegende, längst gemachte und auch von Robert gebilligte Änderung καταστερισμῷ befriedigt nicht (trotz Hiller Er. carm. reliq. 67), man erwartet den Plural; Maass (Orpheus 134; Comm. in Arat. reliq. 55) und neuerdings Dittmann, der lebhaft gegen die Bezeichnung καταστερισμοί ankämpft (48ff.), wollen die Überlieferung halten. Aber als Titel eines Buches wäre diese Benennung trotz Dittmanns Erklärungsversuchs (53) mindestens höchst seltsam. Es liegt also wohl eine Korruptel vor, sei es, daß sie durch eine Lücke im Text, sei es, daß sie durch flüchtiges Exzerpieren des (von Aratscholien abhängigen, Dittmann a. a. O.) Kompilators entstanden ist. Die Schwierigkeiten häufen sich durch das folgende Zitat (55, 15) aus E. für eine von Robert ins ,Katasterismen’buch gesetzte Sagenvariante, die E. außerdem noch in seinem Gedichte ,Hermes’ (s. u.) behandelt zu haben scheint (frg. 2 Hill. Robert 6; vgl. Rehm H. 267). Da ferner die in jenem Buche geschilderten Taten des Hermes (Robert 196) sich offenbar mit den Frg. 15. 17. 18. 19 aus dem Hermes nahe berühren, so hat Rehm angenommen, daß E. in den ,Katasterismen’ auf dieses sein Gedicht verwiesen habe, und sucht vermutungsweise das prosaische Buch zwischen ,Hermes’ und ,Erigone’ einzureihen. Ob diese Annahmen das Richtige treffen, steht dahin; man wird ebensogut und vielleicht mit größerem Recht an diesen und ähnlichen Stellen gewaltsame Eingriffe und Änderungen der Bearbeiter vermuten dürfen, denen das Buch im Laufe der Jahrhunderte anheimgefallen ist, bis es in zunehmender Verdünnung auf die uns noch vorliegende Epitome reduziert wurde. Aus der Überschrift ἀστροθεσίαι ζῳδίων hat Maass (Tagesgötter 124f. 129f.) auf Entstehung in den Kreisen der jüngeren Stoa geschlossen; das mag für diese Bearbeitung zutreffen. Die seltsamen Schicksale des mit Vorbehalt dem E. zuzuweisenden Buches erklären sich vielleicht aus seinem ursprünglichen Charakter. Während es als astronomische Leistung nur unbedeutend gewesen zu sein scheint (Rehm H. 267), bot es in seiner reichen Sammlung aller möglichen Sternsagen ein ungemein schätzbares Material, das die Folgezeit nach Kräften ausgebeutet hat. Neue ,Auflagen’ und Bearbeitungen erschienen, die astronomischen Angaben wurden modernisiert, die Reihenfolge geändert, verschiedene Zusätze gemacht, das Ganze auf einen Aratkommentar zugeschnitten. Über diese Form werden wir, abgesehen von ein paar Einzelheiten, schwerlich jemals hinaus kommen: schon dem ältesten Benützer, Ovid in den Fasten, scheint die ursprüngliche, d. h. Eratosthenische Form nicht mehr vorgelegen zu haben, wie im Anschluß an die sorgfältigen Zusammenstellungen Olivieris neuerdings [381] Pressler 35ff. wahrscheinlich gemacht hat. Auf diesem von Rehm und Pressler mit Erfolg eingeschlagenem Wege gilt es weiterzuarbeiten, da Ovid sicher die ,Katasterismen’ weit ausgedehnter benützt hat, als man anzunehmen pflegt. Weitere Spuren der Benützung bis auf Avien (Robert 26f.) sind durch Robert sichergestellt; sogar Clemens Rom. hom. V 17 (p. 68, 26ff. Lag.) hatte noch eine etwas ausführlichere Fassung vor Augen (v. Wilamowitz Comm. gramm. II 16: [Greifsw. Lektverz. 1880/81], über Tatian vgl. noch Maass An. Er. 54). Dringend erwünscht ist eine neue Ausgabe der gesamten Überlieferung in ihrer Filiation auch nach der trefflichen Behandlung des sagengeschichtlichen Materials durch Robert, da mancherlei Neues (der sog. Aratus latinus, aus derselben Recensio stammend wie der von Rehm entdeckte Vatic.) hinzugekommen ist. Man wird allerdings erst die verheißene kritische Ausgabe der Astronomie Hygins’ abwarten müssen. Auch die mehrfach mit Leidenschaft erörterte Frage nach der Illustration der Grundschrift ist noch nicht geklärt, vgl. Thiele Antike Himmelsbilder 154ff., in Einzelheiten verbessert von Rehm H. 276ff. und Bethe Rh. Mus. LV 415ff. Dittmann 52. Rehm Berl. phil. Woch. 1904, 1041f.; zuletzt Boll 119, der sehr skeptisch darüber urteilt.

Sicher ein Pseudepigraphon ist die w:Isagoge zu Arat (Comm. in Arat. 102), die in den Hss.: Ἐρατοστένους, ἐν ἄλλῳ δὲ Ἱππάρχου betitelt wird.

4. Chronographisches. Bearbeiten

Χρονογραφίαι und Ὀλυμπιονῖκαι. Literatur: Bernhárdy 238–262, im ganzen besser geordnet als bei C. Müller (App. ad Herodotum, Ctesiae et chronographorum frg. p. 182–204). B. Niese Die Chronographie des E., Herm. XXIII 92–102, teilweise widerlegt von Wachsmuth De E., Apollodoro. Sosibio (Leipzig. Univ.-Progr. 1891/2) 3–18 (deutsch; verkürzt wiederholt Einleit. z. alt. Gesch. 127ff.). Schwartz Die Königslisten des E. und Kastor (Abh. d. Gött. Ges. d. Wiss. 1894) 60ff. Jacoby Apollodors Chronik (Phil. Unters. XVI, Berlin 1902) von S. 11 an passim (für Einzeldaten sehr wichtig). Die Angaben des E. über Euripides hat Mendelssohn Quaestiones Eratosth. (Act. soc. phil. Lips. II 1872, 182f.) scharfsinnig, aber unrichtig behandelt, vgl. Jacoby 57ff. Auszuscheiden sind frg. 6. 11. 12. 13. 14. 15. 16 B. (vgl. Niese 92, 2), hinzuzufügen, wie es scheint, ist Diog. Laert. VIII 47 (von Bernhárdy den Olympioniken zugeteilt) und Quintilian. inst. or. XI 2. 14 (vgl. zuletzt Jacoby 201, 5).

E. hat auch die Chronographie als wissenschaftliche Disziplin zuerst begründet (Wachsmuth 3) und die einschlägigen Fragen in einem eigenen Buche erörtert. Niese glaubt, gestützt auf Harpokration s. Εὔηνος (frg. 8 B. Ἐ. ἐν τῷ περὶ χρονογραφιῶν), daß es wenig umfangreich, vielleicht sogar ein μονόβιβλον, gewesen sei, und daß in ihm nur die Frage behandelt war, wie man eine Chronographie abfassen solle. Dagegen nimmt Wachsmuth, der auch den Titel Χρονογραφίαι festgestellt hat, mit Recht eingehende Behandlung chronologischer Fragen an, worauf mehrere von den spärlichen Fragmenten führen. Die Fixpunkte für die griechische Geschichte gibt der Überblick bei Clem. Alex. strom. [382] I 21 (frg. 2 B.): er begann mit der Zerstörung Troias, ein für ihn geschichtlich bezeugtes Ereignis, das er sogar auf den Tag berechnet zu haben scheint (Usener Arch. f. Relig. VII 313), und ging bis zum Tode Alexanders d. Gr. Damit war nach oben eine feste Grenze geschaffen und den phantastischen Anschauungen Früherer, die mit der deukalionischen Flut begannen, ein Ziel gesetzt. Die Wichtigkeit der Liste der Olympioniken hatte bereits Timaios erkannt, nach seinem Vorgange verwandte sie E. als die festesten Stützen des Aufbaus. Nicht ohne Grund vermutet Wachsmuth 12f., daß er nicht nur die einzelnen Olympiaden, sondern auch innerhalb jedes Olympiadenzyklus wieder die einzelnen Jahre gezählt hat (vgl. frg. 5). Außer diesen Verzeichnissen benützte E. noch eine Menge andrer chronologischer Aufzeichnungen (Wachsmuth 15f.), z. B. die spartanischen Königslisten (über ihren relativen Wert Jacoby 88ff.). Seine Rechnung in ihre einzelnen Posten aufzulösen hat Schwartz 60ff. in weit ausgreifender Untersuchung versucht, doch stimmt seine eigene Rechung nicht zu der ausdrücklichen Zahlenangabe Censorins 21 = frg. 2 (Jacoby 77). Als Hilfsmittel für die Stützpunkte der Literaturgeschichte, die bei E. wie später bei Apollodor einen breiten Raum eingenommen zu haben scheint, dienten vielfach synchronistische Bezüge, die auch bei Timaios beliebt waren. Von Einzelheiten verdient Erwähnung, daß er aus den alten Annalen der Stadt Samos die samische Sibylle ans Tageslicht gezogen hat (Varro bei Lactant. inst, I 6, 9. Maass De Sibyll. indic. [Greifsw. Diss. 1879] 28. Jacoby 270). Wie weit die nichthellenische Chronologie berücksichtigt worden ist, steht dahin; jedenfalls hat E. keinenfalls die Gründung Roms berechnet, wie aus Dion. Hal. arch. I 74 fälschlich geschlossen worden ist (Wachsmuth 3ff. Jacoby 26ff.). Ebenso muß die aus ägyptischen Tempelurkunden angeblich auf königlichen Befehl von E. übersetzte thebanische Königsliste (Synkell. 171ff. Ddf. – Ps.-Apollod. frg. 117 Jac.) als ein spätes, auf den Namen der beiden großen Chronographen E. und Apollodor getauftes Machwerk bezeichnet werden (Wachsmuth 6f. [mit Angabe der umfangreichen Literatur]. Jacoby 19ff.). Diese grundlegende und sicher in echt wissenschaftlichem Geiste verfaßte Schrift ist später durch die bequemere Darstellung in Apollodors Chronik in den Schatten gestellt worden; den Anteil des E. an dieser nützlichen Arbeit zu bestimmen, reichen die Fragmente nicht aus, doch wird man ihn nicht gering veranschlagen dürfen (vgl. Jacoby 35ff.).

Die Ὀλυμπιονῖκαι in mehreren Büchern (Buch I von Athen. IV 154 a zitiert, die Buchziffer ist ausgefallen in dem neuen Bruchstück aus Oxyrhynchos), vielleicht nach dem Vorbilde der Pythioniken des Aristoteles verfaßt, behandelten nicht nur chronologische Fragen. Auch diese Schrift hat Apollodor benützt (frg. 22 B. – Apollod. chron. frg. 43. Jacoby 274f.). Fragmente: Bernhardy 248-256. Müller frg. 20-24 (das letzte gehört nicht in diese Schrift). Neu hinzu kommt eine Notiz über den Sieg des Pankratiasten Astyanax von Milet (s. d.) bei Grenfell-Hunt Oxyrhynch. Pap. in nr. 409. [383]

Endlich gab es eine besondere Schrift des E. περὶ τῆς ὀκταετηρίδος (Bernhardy 262), die zweimal erwähnt wird: von Geminos 8, 24 (p. 110 Man.) über die Lage des Isisfestes und von Achill. Isag. 19 (Comm. in Arat. p. 47), wo die bemerkenswerte Angabe steht, daß E. die gleichnamige Schrift des Eudoxos (der Titel ist vorher zu ergänzen) für unecht erklärt habe (die bisher verderbte Stelle von Maass Arat. 14 aus dem Cod. Vatic. verbessert).

5. Literargeschichtliche und grammatische Werke. Bearbeiten

Hauptschrift περὶ ἀρχαίας κωμῳδίας; die zahlreichen Fragmente nach Bernhardy (203–237) sorgfältig gesammelt von Strecker De Lycophrone, Euphronio, E. comicorum interpretibus (Diss. Greifswald 1884), der das Material vermehrt hat, wobei allerdings manches Unsichere mit unterläuft. Zu streichen ist Bernhardy frg. 50 (Lex. Seg. p. 215, 19 Bekk.) nach Droysen Herm. XVIII 312ff.

Dieses Werk, dessen Verlust für die Literaturgeschichte besonders beklagenswert ist, wird bis zum 12. Buch zitiert. E. scheint nicht dem chronologischen Faden gefolgt zu sein, sondern in freierer Form seine Beobachtungen sachlicher und sprachlicher Art an die einzelnen Stücke der alten Komiker angeknüpft zu haben. Dabei bot sich ihm nicht selten die Gelegenheit, die kindlichen Erklärungsversuche Lykophrons, auch wohl seines Zeitgenossen Euphronios zu widerlegen. Auch sonst fehlte es nicht an Polemik, wie gegen Duris (frg. 48) und Kallimachos (frg. 97 mit Benützung der Didaskalien). Die besten Hilfsmittel, wie die Didaskalien (frg. 38. 97), wurden herangezogen; die Pflanzengeschichte Theophrasts ist mehrfach benützt, so frg. 16 (von Berger unrichtigerweise unter die geographischen Fragmente gesetzt) hist. pl. III 16, 3. Zu frg. 81 vgl. Meineke Hist. crit. 11 (von Strecker übersehen). Ausgebreitete Belesenheit in den Dichtern nimmt bei E. nicht wunder, bemerkenswert ist die Sorgfalt, mit der er dem Verfasser des im Schol. Arist. nub. 967 angeführten Liedes nachgegangen ist. Auf Grund eines Zeugnisses des Komikers Phrynichos fand er ihn in einem gewissen Lamprokles (frg. 101, dazu v. Wilamowitz Textgesch. d. griech. Lyriker 84f. mit Verbesserung des Textes). Neben Spuren von Textkritik (frg. 149) finden wir, daß auch Fragen der höheren Kritik mit gesundem Urteil behandelt waren (Strecker p. 16f.); namentlich handelte es sich um die wirklichen Verfasser der Komödien, deren Namen E. auf Grund genauer Erforschungen ihrer Aufführungszeiten festzustellen versuchte. Ein besonders wichtiges Bruchstück (frg. 3) über die älteste attische Bühne ist von v. Wilamowitz Herm. XXI 597f. besprochen worden. Über die sorgfältige Beobachtung des Wortschatzes und der komischen Wortbildung steht ein allgemeines Urteil bei Galen XIX 65 K. Das Werk ist im Altertum viel gelesen und stark benützt worden. Gegen einen Ausschreiber, den Arzt Andreas (s. d. Nr. 11), hat sich noch der Verfasser selbst in scharfen Worten gewandt (Etym. M. 198, 20 s. Βιβλιαίγισθος, vgl. Strecker 19), von späteren Benutzern ist besonders Didymos (Strecker 20) hervorzuheben. Für historisch-topographische Fragen hat es Apollonios von Tyros (s. d. Nr. 94), [384] der Geschichtsschreiber der Stoa, verwertet, vielleicht ist es sogar noch von Galen gelesen worden (Ilberg Rh. Mus. LII 619).

Wahrscheinlich zu trennen von diesem Werk ist der Σκευογραφικός, der noch zu Pollux’ Zeiten als Sonderschrift vorhanden war (X 1). Es scheint eine Art Reallexikon gewesen zu sein; wohl ein Unterteil war der Ἀρχιτεκτονικός (Schol. Apoll. I 566 [benützt von Asklepiades von Myrleia, Athen. XI 474 f]. III 252 = Pollux I 252). Strecker hat die wenigen Zitate nach dem Vorgange Bernhardys in der Schrift περὶ ἀρχαίας κωμῳδίας, wenn auch nicht ohne Bedenken, untergebracht.

Gegen die schwächste Seite des Buches, die Kenntnis der attischen Altertümer, richtete der Perieget Polemon seine Angriffe (s. o.) in einer eigenen Schrift (περὶ τῆς Ἀθήνησιν Ἐρατοσθένους ἐπιδημίας) von mindestens zwei Büchern (Schol. Ar. av. 11). Leider reichen die wenigen Fragmente D (p. 85ff. Preller) nicht aus, um eine Vorstellung von seiner Polemik zu erhalten (am deutlichsten noch frg. 48 Erat. frg. 80), doch darf man wohl annehmen, daß nicht nur die Abneigung des mit eigenen Augen forschenden στηλοκόπας gegen den bücherschreibenden Stubengelehrten zur Geltung kam, sondern auch schon der Gegensatz zwischen der alexandrinischen und pergamenischen Philologie hineingespielt hat (Susemihl I 671).

Außerdem verfaßte E. eine grammatische Schrift in zwei Büchern, Γραμματικά. (Clem. Alex. strom. I 365 Pott.; γραμματικὰ συχνά bei Suid.). Diese Angabe ist seit Bernhardy (p. X. XIV) immer wieder verdächtigt worden (Susemihl I 329, 6. 422, 68, doch vgl. II 672), weil sie zusammen mit der andern auftritt, E. habe zuerst den Namen γραμματικός geführt. Doch gibt sich diese Notiz nur als die Ansicht ,einiger’ und findet ihre Korrektur in der von dem Gewährsmann des Clemens an die Spitze gestellten Bemerkung, Antidoros von Kyme (bei Clemens verderbt zu Apollodoros) sei der erste gewesen, dem man diese Bezeichnung beigelegt habe (s. Usener bei Susemihl II 664f.). Ferner kommt Praxiphanes von Milet (Susemihl I 145) in Frage, den Clemens mit besonderer Hervorhebung an E. anreiht (wobei der Ausdruck wὡς νῦν ὀνομάζομεν wohl aus seiner Quelle stammt). Übrigens hatte Phavorin die Frage in seiner Παντοδαπὴ ἱστορία erörtert (Gell. XIV 6, 3). Jedenfalls kannten die Leute, welche E. die Ehre zuweisen wollten, eine Schrift Γραμματικά, und man hat angesichts dieser auserlesenen Notizen keinen Grund, an ihrer Existenz zu zweifeln. Die Definition der (höheren) Grammatik als ἕξις παντελὴς ἐν γράμμασι (Schol. Dion. Thr. p. 725 Bekk. = 160, 10 Hilgard) paßt sehr gut dazu. Da ferner die eine Wurzel der Philologie die gelehrte Beschäftigung mit Homer ist (Usener a. a. O.), so dürften einige sonst schwer unterzubringende Zitate in dieser gestanden haben, Athen. I 16 d, wo zu Od. IX 6 eine ganz abweichende Lesart mit Begründung angeführt wird (von Bernhardy 34 den Geographica zugewiesen, dagegen Berger 20; von Nauck bezweifelt), Schol. A Il. XXII 282 über den Gebrauch des Dualis (Ἐρατοσθένης καὶ Κράτης, Hecker schreibt ohne Grund Ἀριστοφάνης), endlich Schol. Apoll. I 482 (von Bernhardy 39f. [385] ebenfalls den Geographika zugewiesen) über die Abstammung der Aloaden (Hom. Il. V 385–391). Vielleicht handelte E. in diesem Werke auch über die Akzentlehre: seine Bemerkung über den Circumflex steht auf dem ,inhaltreichsten Blatt aus der Geschichte der antiken Philologie’ (Usener S.-Ber. Akad. Münch. 1892, 633), dem durch den Donatkommentar des Sergius aufbewahrten Abschnitt aus der Geschichte der Akzentlehre in Varros Buch de sermone Latino ad Marcellum, dessen Quelle Tyrannion gewesen zu sein scheint. Γραμματικός heißt E. übrigens bei Ps.-Lucian. macrob. 27 und Tatian. ad Graec. 48. Um die Vielseitigkeit seiner wissenschaftlichen Bestrebungen auszudrücken, soll er sich andererseits einen Philologen genannt haben (Suet. de gramm. 10 philologi appellationem assumpsisse videtur ... E., qui primus hoc cognomen sibi vindicavit). Auch das muß unentschieden bleiben, da er in Andromachos, dem Gatten der Dichterin Moiro, einen Konkurrenten hat (s. im allgemeinen Lehrs’ bekannte Abhandlung hinter Herodiani scripta tria min. p. 379–401).

6. Philosophische und vermischte Schriften. Bearbeiten

Bernhardy 186-202 (mangelhaft). Susemihl I 410f. 421ff. Hirzel Dialog I 402-410.

Auch in der Philosophie hat sich E. versucht, er ist aber, wenn man seinem Gegner bei Strabon (I 15) trauen darf, in seinen Abhandlungen über den Dilettanten nicht hinausgekommen. Als Beleg für diese Behauptung wird die Schrift περὶ ἀγαθῶν καὶ κακῶν angeführt, aus der wir noch zwei Bruchstücke (frg. 7 und 8 B.) besitzen. Da gerade die ethischen Probleme von Ariston mit eindringender Schärfe behandelt waren, so ist es leicht möglich, daß E. sich in dem Sinne seines Lehrers ausgesprochen hat, worauf auch der Zusammenhang bei Strabon deutet (so schon Krische 413, 1. Hirzel 404). Diesem Ariston setzte er in der Schrift gleichen Namens ein Denkmal (Bernhardy, dem Susemihl folgt, wirft sie ohne Grund mit der Abhandlung περὶ ἀγαθῶν καὶ κακῶν zusammen); er scheint den Charakter des Mannes ohne Schönfärberei, aber auch ohne Gehässigkeit geschildert zu haben (vgl. o. Bd. II S. 957). Von der Abhandlung περὶ πλούτου καὶ πενίας, die Bernhardy ohne Not als Unterteil der zuerst genannten ansieht, sind zwei kurze Anführungen erhalten (frg. 10. 11); die hübsche Geschichte von Pyrrhon und dessen Schwester hörte E. wohl während seiner Studienzeit in Athen, Ähnliches berichtet Antigonos von Karystos (p. 39 Wil.). Vielleicht darf man auch die Anekdote über Krates und Hipparchia (Diog. Laert. VI 88) dieser Schrift zuweisen, wie bereits Bernhardy getan (frg. 9). Was es mit den μελέται, die in dem Strabonischen Bericht neben der philosophischen Abhandlung genannt werden, auf sich hat, läßt sich nicht mehr erkennen, jedenfalls dürfen sie nicht ohne weiteres mit den von Suidas erwähnten Dialogen identifiziert werden (Bernhardy 196f.). Von diesen, die zahlreich gewesen sein sollen (Suid.), ist ebensowenig erhalten, wie von den (echten?) Schriften περὶ ἀλυπίας und über die philosophischen Sekten. Es bleiben aber noch einige von Bernhardy an falscher Stelle eingereihte Bruchstücke, die sehr wohl in den Dialogen oder ähnlichen populären Schriften gestanden [386] haben können (Niese Herm. XXIII 92). So ist das ohne Namen des E. bei Plut. de fort. Alex. I 6 überlieferte Urteil über die Barbaren und Hellenen eine reichere und feinere Ausführung des bereits in der Geographie (s. o. S. 377f.) entwickelten Gedankens und mit Recht von Schwartz (Rh. Mus. XL 252f.) als ein besonderes Bruchstück bezeichnet worden (anders Susemihl I 411, 13). Dieses, ferner die bald danach (Plut. a. a. O. 8) folgende Bemerkung des E. über die neuangenommene Tracht des Makedonierkönigs, sowie die Zitate bei Plut. Alex. 3 und 31 (dazu Usener Arch. f. Religionswiss. VII 302) standen wahrscheinlich in ein und derselben Schrift. Die Bemerkungen über Demosthenes (Plut. Dem. 9. 30) sind wohl durch Ariston beeinflußt worden, der kurz vorher oder nachher von Plutarch zitiert wird. Die ganze philosophische Richtung des E. hat v. Wilamowitz (Comm. gramm. II 9 und Antig. von Karyst. 310, 21) als gemäßigten Skeptizismus wohl zutreffend bezeichnet, Hirzel erhebt dagegen Einwände (403, 1) und beruft sich auf Iamblichos bei Stob. ecl. I 39 (p. 378 W.), aus dem hervorgehe, daß mindestens die Psychologie des E. stoisch beeinflußt sei. Allein der von Iamblichos zitierte E. (s. Nr. 6) ist wahrscheinlich nicht der Kyrenaier, sondern eher ein später Neuplatoniker (zu diesen rechnet ihn Wachsmuth vol. II p. 293). Auch die Vermutungen Hirzels (407ff.) über den ps.-Platonischen Dialog Ἀντερασταί, den er als eine aus den Kreisen der Akademie hervorgegangene Streitschrift gegen den ,neuen Platon’ und Πένταθλος betrachtet, sind keineswegs überzeugend; man wird bei der älteren, zuletzt von Christ (s. o. S. 361) vertretenen Ansicht bleiben dürfen. Von kleineren Schriften des E. ist noch bekannt eine nach der Königin Arsinoe benannte, aus der Athen. VII 276 b (p. 197 B.) ein in gefällige Form gekleidetes, kleines Gespräch erhalten hat, das aber nicht ausreicht, den Charakter dieses Werkchens zu bestimmen (Hirzel 404f.). Eine Schrift (Brief?) πρὸς Βάτωνα (Diog. Laert. VIII 89) war, wenn an den Sinopeer (FHG IV 347ff.) gerichtet, wohl geographisch-historischen Inhalts (v. Wilamowitz Antig. v. Kar. 28, 2); aber wahrscheinlich mit größerem Recht denkt Hirzel 410 an den gleichnamigen Komiker, den Freund des Arkesilaos (Meineke Hist. crit. 480), der die philosophische Richtung des E. geteilt zu haben scheint.

Endlich werden zweimal Briefe des E. angeführt: bei Athen. X 418 (p. 199 B., Ausspruch eines Prepelaos [Heerführers des Kassandros? vgl. Diod. XX 102 u. ö.], dessen Namen Kaibel Herm. XXII 500f. wiederhergestellt hat) und XI 482 a (= Macrob. Sat. V 21. 10) an den Lakonier Agetor, antiquarischen Inhalts. Die ἱστορίαι (Suid.) gehören dem gleichnamigen Geschichtschreiber (Nr. 5) an.

7. Gedichte. Bearbeiten

Literatur: E. carm. reliq. ed. E. Hiller (Lpz. 1872), angez. von O. Schneider Jahrb. f. Philol. CVII (1873) 217ff. Susemihl I 427f. Zu den einzelnen Gedichten: 1) Anterinys oder Hesiodos, Bergk Opusc. II 211–219. Friedel Jahrb. f. Philol. Suppl. X 235–278. 2) Erigone, veraltet Osann De E. Erigona, Götting. 1846. Bergk Op. II 202–235. Rekonstruiert von Maass Anal. Eratosth. 59–138. [387] 3) Hermes, Bergk Op. II 235–238. 4) Epithalamium, Bergk Op. II 210,4. 237. Reitzenstein Herm. XXXIV 96, 1.

Selbst auf dem Gebiete der Dichtkunst hat sich der vielseitige E. betätigt, und zwar nach dem Urteil der Alten (Strab. XVII 838. Ps.-Lucian. macrob. 27) mit ausgesprochener Begabung; ποιήματα verzeichnet der von Suidas ausgeschriebene Katalog. In der ,Anterinys’ oder dem ,Hesiodos’ – diesen Doppeltitel hat Bergk mit geschickter Kombination der Anführungen Schol. Nik. ther. 400. Athen. IX 376 b und dem von Göttling glänzend verbesserten Zitat im Certam. Hom. et Hesiod. (p. 445, 230 Rz.²) gewonnen – war die Sage vom Tode Hesiods behandelt. Auf die Entdeckung des Mörders durch den Hund des Dichters scheint frg. 24 zu weisen. Spuren der von E. vertretenen Version sind noch bei dem Verfasser der von Pausanias (IX 31, 3) benützten Hesiodbiographie, ferner bei Plut. conv. sept. sap. 19 zu erkennen, aber diese Berichte dürfen nicht ohne weiteres zur Rekonstruktion der Eratosthenischen Dichtung verwandt werden (Friedel 247ff. 260 gegen Nietzsche Rh. Mus. XXV 529). Über die zu Grunde liegende ältere Sagenform vgl. Pallat De fabula Ariadnea (Diss. Berlin 1891) 10ff. und Usener Sintflutsagen 163ff. In welchem Versmaß das Eratosthenische Gedicht geschrieben war, läßt sich nicht mehr feststellen, da die Hexameterreste frg. 22. 23 nur vermutungsweise von Hiller 88 dem ,Hesiod’ zugewiesen sind.

Hochberühmt im Altertum war die ,Erigone’ (διὰ πάντων γὰρ ἀμώμητον τὸ ποιημάτιον Anon. de subl. 33). Die wenigen sicher bezeugten Bruchstücke geben von diesem in Distichen verfaßten Gedichte keine Vorstellung, aber sehr glücklich hat Maass die Hypothesis aus Hygin de astr. II 4 ermittelt und ferner nachgewiesen, daß sie hier verquickt mit einer andern, jüngern Version erscheint, die er auf Hegesianax zurückführt und die noch von Nonnus Dion. XLVII 34ff. befolgt ist. Die von Aitien wimmelnde Erzählung des E. lief auf Katasterismen hinaus: Ikarios wurde als Bootes mit dem Wagen an den Himmel versetzt, Erigone als Jungfrau, der getreue Hund zum Seirios (Prokyon bei dem jüngeren Nachahmer), Dionysos zum Protrygeter. Letzteres hat Maass aus der erfundenen Parallelsage bei Ps.-Plut. par. min. scharfsinnig erschlossen (vgl. Entoria). Im wesentlichen wird diese Rekonstruktion richtig sein; mit seinen sagengeschichtlichen Folgerungen aber schießt Maass über das Ziel. Auch die Annahme, daß E. die alte Erigonesage völlig umgestaltet habe, ist schwerlich haltbar. Allem Anschein nach folgte E. vielmehr einer für uns fast verschollenen Version, von der noch Spuren bei Hesych. s. αἰώρα und ἀλῆτις (= Etym. M. s. ἀλῆτις) vorliegen mögen. Die ,Erigone’ ist viel gelesen worden; die zahlreichen Anspielungen bei den römischen Dichtern hat Maass verzeichnet; neu hinzu kommt Aetna 586f. tu quoque Athenarum carmen, iam nobile sidus Erigone (Sudhaus Aetna S. 207). Das ausführlichste Fragment (34), auch von Maass (112) ohne Bedenken in die Erigone eingereiht, unterliegt trotz seiner guten Bezeugung starken Zweifeln wegen seiner metrischen Besonderheiten (v. Wilamowitz Nachr. d. Gött. Ges. d. Wiss. 1894, 20). [388]

Über den in Hexametern abgefaßten ,Hermes’ läßt sich ebenfalls nur im allgemeinen ein Bild gewinnen, obwohl ziemlich zahlreiche und umfangreiche Fragmente erhalten sind. Behandelt war, wie es scheint, die Jugendgeschichte des Gottes mit ausführlicher Erzählung seiner Jugendstreiche, die Erfindung der Lyra, sein Aufstieg zum Himmel. Der Dichter ließ ihn die Gestirne bewundern und auf die Erdzonen, die näher beschrieben werden, herniederschauen (frg. 19). Das Ganze war wohl ein didaktisches Epos. Den Phantasien Bernhardys, der alle namentlichen E.-Zitate aus den ,Katasterismen’ in dieses Gedicht hineinbringen wollte, hat Hillers nüchterne Kritik den Garaus gemacht. Auch so bleibt noch vieles fraglich. Es scheint, als ob E. die Entstehung der Milchstraße und andres in seinen Sternsagen Verzeichnete in dichterischer Form aufs neue vorgetragen hat, s. o. Einmal ist deutlich Kallimachos nachgeahmt (frg. 14 = Kallim. frg. 37), Berührung mit Arats Kanon (frg. 4 a und 4 b M. Er. frg. 15) wenigstens wahrscheinlich. Das gelehrte, allerdings wohl wenig erfreuliche Gedicht (v. Wilamowitz a. a. O.) fand Leser genug, wie Archytas von Amphissa (s. d.) und Vergil, der Georg. I 233ff. das öfter angeführte frg. 19 frei übersetzt hat. Einen mißbilligenden Seitenblick auf die Himmelfahrt des Hermes wirft Polyb. bei Strab. II 104 (Meineke Vindic. Strab. 11). Kommentiert wurde es von einem gewissen Timarchos, doch macht der Name und selbst die Angabe Schwierigkeiten (Hiller 74f. Strecker 19); der angebliche Kommentar des Parmeniskos ist durch Hiller (75) beseitigt.

Endlich haben wir noch Kenntnis von einem Epithalamium durch ein kurzes Zitat im Etym. M. 170, 47 (auch im Etym. genuinum), von Hiller ohne Grund bestritten. Bereits Bergk, der Catull LXII 49ff. verglich, hat das Richtige gesehen; von Neueren stimmen Reitzenstein a. a. O. und Martini (Parthen. frg. 17) zu. Neuerdings ist aus dem kleinen Traktat des Theodosios περὶ κλίσεως τῶν εἰς ων ὀξυτόνων (hrg. von Hilgard, Progr. Heidelberg 1887) 23 ein Hexameterschluß περιπλέγδην κρεμόνεσσι) zu den Fragmenten der Gedichte hinzugekommen. Auch die Sage vom Διόνυσος κεχηνώς (Aelian. de nat. an. VII 48 = Plin. n. h. VIII 57, von Bernhardy p. 87 in die Geographika gesetzt!) scheint E. dichterisch behandelt zu haben. Daß die von E. befolgte Praxis seiner Theorie über das Wesen der Dichtkunst nicht entsprach, ist oben hervorgehoben worden; auf eine Erklärung dieser Tatsache muß man einstweilen verzichten.

Wenn es nun auch nicht gelingt, ein Gesamtbild des Gelehrten zu zeichnen, da sich selbst im günstigsten Falle die erhaltenen Trümmer niemals lückenlos zusammenfügen, so darf man doch behaupten, daß keiner von den großen Forschern des Altertums dem höchsten Ziele näher gestanden hat, als E. Er verdient mit Recht den Namen ,Philologe’ im umfassendsten Sinne des Wortes.

[Knaack. ]
  1. In der Ausarbeitung dieses Abschnittes sowie in den Fragen der mathematischen Geographie bin ich von meinem Kollegen Prof. M. Graßmann wesentlich unterstützt worden.