Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Dichterin aus Byzanz
Band XV,2 (1932) S. 25122513
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Moiro (mit dem bekannten häufigen Wechsel des οι und υ auch zuweilen Myro geschrieben, doch u. a. stets in der Anth. Pal. Μοιρώ genannt) von Byzanz, Dichterin. Literatur: Susemihl Gesch. der griech. Literatur in der Alexandrinerzeit I 381. v. Wilamowitz Hellenist. Dicht. in der Zeit des Kallimachos I 13. 45. 84. Christ-Schmid Gesch. d. griech. Lit. II 1⁶ 147 (bes. Anm. 9). M., die Gattin des sog. φιλόλογος Andromachos, Mutter des Tragikers Homeros (Suid. s. Μυρώ und Ὅμηρος), aus Byzanz gebürtig oder dort, wo sonst kein wirkliches geistiges Leben heimisch war (v. Wilamowitz 45), lebend, gehört zu jener Zahl von Dichterinnen, die wenigstens durch die Frische ihres Empfindens oder die einfache Anmut ihrer Form so manchem Zeitgenossen der hellenistischen Periode, der sich zum Dichter berufen fühlte, weit überlegen waren, etwa wie die ,echte‘ Sulpicia den anderen Gliedern des tibullischen Corpus. Aber während Anyte und Nossis im Epigramm ihr Genüge finden, ist M. bei weitem vielseitiger, ja nach Erinna und neben Hedyle die vielseitigste dieser poetischen Frauen. Sie hat sich im Epigramm (Anth. Pal. VI 119. 189) versucht, hier freilich nicht ohne Anschluß an Anyte, deren Zeit annähernd die ihrige bestimmt (zweifelnd Reitzenstein Epigramm und Skolion 135, 1), und hier das allerdings leicht verdiente Lob Meleagers gewonnen (Anth. Pal. IV 1, 5f. Μοιροῦς | λείρια); weit bekannter aber waren ihre epischen Gedichte, Elegien (? = Epigramme ?), Μέλη bzw. Hymnen (s. Suid. s. v. Paus. IX 5, 8) und Ἀραί (Parthen. Ἐρωτ. παθ. 27). Erhalten ist von den Epen ein längeres, 10 Verse zählendes Bruchstück der ,Mnemosyne‘, eine Episode aus Zeus' Kindheit auf Kreta darstellend, bei Asklepiades von Myrlea (Athen. 490f.; vgl. Preller-Robert Griech. Myth. I 134, 1), eine von der gewöhnlichen Tradition nicht abweichende Erzählung von Amphion und Hermes (Paus. a. a. O.; s. Robert Griech. Heldens. II 1, 118): einen Hymnus auf Poseidon nennt Eustathios in seinem Kommentar zur Ilias B 711 p. 265, 11 (vgl. auch v. Wilamowitz 84, 1). Einen originellen Eindruck könnte der Titel ihres Gedichtes Ἀραί erwecken, wenn es feststände, daß M. auf diesem Literaturgebiete eine führende Stellung behaupten dürfte. Aber bei der Unsicherheit der Dichter-Chronologie jener Zeit und der Lückenhaftigkeit unserer Berichterstattung läßt es sich nicht einwandfrei feststellen, daß die Dichterin einen Vorgang ans dem wirklichen Leben, die bekannte inschriftliche Fixierung von Flüchen (vgl. z. B. die Inschrift von Teos bei Solmsen Inscript. Graec. ad inlustrandas dialectos selectae n. 45. [2513] Christ-Schmid a. a. O.) zum erstenmale literarisch verwendet hat, also daß die nun konstante Form solcher Fluchgedichte, die in eöischem Aufbau mit einer Menge mythologischer, meist sehr entlegener Beispiele (M.s Mythos von Alkiope ist vereinzelt) prunkt, auf sie zurückginge. – Der Nachruhm der Dichterin war nicht unerheblich, wie die Zitate zeigen; freilich will es nicht viel bedeuten, wenn ein Antipater von Thessalonike sie noch nennt (Anth. Pal. IX 26, 3) – er mußte ja mit seinen Dichterinnen die Zahl der neun Musen füllen!