RE:Duris 3
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Von Samos, vielseitiger Schriftsteller | |||
Band V,2 (1905) S. 1853–1856 | |||
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3) Duris (FHG II 466–488. Susemihl Gr. Litt.-Gesch. I 585–592) von Samos (vgl. z. B. Newton Ancient Greek inscr. III 1 nr. 403, 120) soll, wie sein Bruder Lynkeus, Theophrast gehört haben (Athen. IV 128 a); er hat sicher Agathokles († 289) um ein erhebliches überlebt. Nach Athen. VIII 337 d war er in Samos ,Tyrann‘, vielleicht nicht durch eigene Usurpation, sondern als Erbe seines Vaters Skaios. Auf diese Weise wenigstens lässt sich die verdorbene Stelle Paus. VI 13, 5 am leichtesten in Ordnung bringen; Χιόνιδος δὲ οὐ πόρρω τῆς ἐν Ὀλυμπίαι στήλης Σκαῖος (καὶ ὃς codd.) ἕστηκεν ὁ Δούριος (der Grossvater des bekannten D.) Σάμιος, κρατήσας πυγμῆι παίδας· τέχνη δὲ ἡ εἰκών ἐστι μὲν Ἱππίου τοῦ **, τὸ δὲ ἐπίγραμμα δηλοῖ τὸ ἐπ’ αὐτῶι νικῆσαι [Χιόνιν], ἡνίκα ὁ Σαμίων δῆμος ἕφευγεν ἐκ τῆς νήσου (366/5–322, zum Ausdruck vgl. Dittenberger Syll.² 162. 183), τὸν δὲ Σκαῖον (καιρόν codd.). ⟨τυραννεῦσαι ἐπαναγαγόντα⟩ ἐπὶ τὰ οἰκεῖα τὸν δῆμον, παρὰ δὲ τὸν Τύραννον (Skaios nämlich, wie der Zusammenhang ergiebt) Δίαλλος ὁ Πόλλιδος ἀνάκειται κτλ. Historische Bedeutung scheint diese Tyrannis nicht gehabt zu haben.
D.s Schriftstellerei lässt sich in ihrer Vielseitigkeit am besten mit der des Menaichmos von Sikyon vergleichen; sie ist nicht aus der peripatetischen Doctrin hervorgegangen, aber stark durch sie beeinflusst. Zur Litteratur- und Musikgeschichte gehören: Περὶ τραγωιδίας (Athen. XIV 636f.), nach Lex. Seg. 451, 32 von Aristokles benutzt; Περὶ Εὐριπίδου καὶ Σοφοκλέους (Athen. IV 184 d); Περὶ ἀγώνων (Phot. s.σελίνου στέφανος. [1854] Schol. Lykophr. 614); vielleicht gehört auch Περὶ νόμων (Etym. M. s. θώραξ) hierher. Die durch die Genfer Homerscholien bekannt gewordenen Προβλήματα Ὁμηρικά (ἐν α Π. Ὁ. Schol. Il. XXI 499) zeigen die für die Homerlitteratur des 4. Jhdts. charakteristische Mischung von Sophistik und Glossographie. In der ästhetischen Kritik anticipiert D. das ungünstige Urteil des Kallimachos über die Erneuerung des mythischen Epos durch Antimachos (Procl. in Tim. I p. 90, 25 Diehl): hier liegt der Gegensatz des Peripatos gegen Herakleides Pontikos und indirect gegen Plato zu Grunde. Über die bildende Kunst liegen zwei Titel vor: Περὶ ζωγράφων (Diog. Laert. I 38) und Περὶ τορευτικῆς (Plin. ind. XXXIV). Als Geschichtschreiber versuchte sich D. in verschiedenen Formen. Er bearbeitete die samische Chronik (ἐν β τῶν Ὥρων Schol. Eur. Hek. 934. Diog. Laert. I 119. Porphyr. vit. Pythag. 3); wenn er behauptete, als Abkömmling des Alkibiades im Besitz besonderer Kunde zu sein (Plut. Alkib. 32), so tritt hier schon eine Manier hervor, welche der Kallimacheer Hermippos später besonders ausbildete. Der Historiographie grossen Stils dienen die Ἱστορίαι (so gewöhnlich bei Athenaeus genannt, ferner in dem aus einem Atticisten entlehnten Citat bei Phot. p. 121a 41); von den antiken Philologen (Schol. Dionys. Thr. p. 184, 27. Schol. Apoll. Arg. IV 264. Schol. Eur. Alk. 249; die Citate Athen. IV 167 c. VI 249 c müssen wegen ihrer abweichenden Form von den übrigen, die bei Athenaios sich finden, abgesondert werden; sie gehen vielleicht auf Hegesandros zurück) meist unter dem Titel Μακεδονικά citiert; der diodorische Chronograph (XV 60, 6) überträgt auf sie den von Theopomp und Kallisthenes angewandten Titel Ἑλληνικά. Die höchste Buchziffer, die in den Citaten vorkommt, ist κγ (Athen. XII 546 c); das letzte bestimmbare Ereignis der Tod des Lysimachos 281 (Plin. VIII 143). Zwei Fragmente von κβ (Athen. VI 253 d. XII 535 e; vgl. Plut. Demetr. 40. 41) gehören in das J. 290 (v. Wilamowitz Philol. Unters. IV 241ff. nach Bergk), eins von ις (Schol. Eur. Alk. 249) geht auf die Gründung von Demetrias (nicht vor 293), das andere (Athen. XII 542 c) ist eine Charakteristik des Demetrios von Phaleron, die wohl bei Gelegenheit seiner Flucht nach Ägypten gegeben war (etwa 296, vgl. Diod. XX 45, 4. Strab. IX 398. Hermipp. bei Diog. Laert. V 78). Das Fragment aus ιε (Schol. Apoll. Arg. IV 264) ist unbestimmbar, aber sicher nicht mit Diod. XIX 63 zu combinieren. Das Werk begann nach dem diodorischen Chronographen 370/69, in β (Athen. XIII 560 b) war schon der Anfang des phokischen Kriegs erreicht (356), in ζ (Athen. IV 167 c) kam Alexanders Eroberung von Tyros (332) vor, in θ höchst wahrscheinlich Alexanders Tod (vgl. Athen. XIII 606 d. Suid. s. ὦι το ϊερὸν πῦρ mit Plut. Dem. 27).
Das Gesetz der griechischen Historiographie, dass die Darstellung immer ausführlicher wird, je mehr sie sich der Zeit des Geschichtschreibers nähert, gilt auch für D.: auch er legt den Schwerpunkt seines Werkes in das, was er als Zeitgenosse erzählt. Ein organisches ἕν im Sinne der platonisch-aristotelischen Kunstlehre kann und soll ein solches Geschichtswerk nicht sein; dagegen [1855] fängt D. nicht wie Ephoros und Anaximenes ab ovo an, will auch, wie der selbständig gewählte Anfangspunkt zeigt, nicht ein früheres Werk fortsetzen: ebenso schloss Kallisthenes mit den Hellenika an keinen Vorgänger an (Diod. XIV 117, 8). In der Vorrede (Phot. p. 121 a 41ff.) stand eine scharfe Polemik gegen die Isokrateer Ephoros und Theopomp, die nur die epideiktische Diction gepflegt hätten (αὐτοῦ δὲ τοῦ γράφειν μόνον ἐπεμελήθησαν, vgl. Arist. rhet. III 12 p. 1414 a 18): ihrer Darstellung fehle die künstlerische Nachahmung des Lebens, die Sprache habe keine Anmut (οὐ. . μετέλαβον . . ἡδονῆς ἐν τῶι φράσαι, vgl. Arist. a. a. O. 1414 a 22ff. 1408 a 10ff.; das πρέπον fordert auch Kallisthenes frg. 19). Das ist nichts als die Übertragung der aristotelischen Poetik und Stillehre auf die Geschichtschreibung. Die Geschichte soll das Menschendasein (βίος) schildern wie die Tragödie und wie die Tragödie das πάθος des Hörers und Lesers erregen (D. bei Diod. XX 43, 7. Plut. Per. 28): der epideiktische Stil ist gerade der, welcher am wenigsten geeignet ist, zu rühren und zu erschüttern.
Ein Corollar zu dem grossen Geschichtswerk bildete die Geschichte des Agathokles (ἐν δευτέρωι Τῶν περὶ Ἀγαθοκλέα Athen. XIV 618b, ebenso XII 542 a. Suid. Ἐὐρύβατος; ἐν τῆι τρίτηι τῶν Περὶ Ἀγαθοκλέα ἱστοριῶν Athen. XIII 605 e; schlecht Schol. Arist. Vesp. 1035 ἐν β Λιβυκῶν), von der bis zu vier Bücher citiert werden; in β stand die Expedition nach Africa (310–307), γ reichte mindestens bis 303 (Athen. XIII 605 e = Diod. XX 104), in ι (zur Änderung in δ liegt kein Grund vor) kamen Ereignisse des J. 293 vor (Athen. XII 542 a, vgl. Niese Gesch. der griech. Staaten I 484). Aus diesem Werk hat Diodor in seinen Büchern XIX–XXI die Geschichte des Agathokles excerpiert, und die daraus in XIX. XX erhaltenen Partieen geben wenigstens eine ungefähre Vorstellung von der schriftstellerischen Kunst des D.; vgl. oben S. 687. Zu der dort gegebenen Charakteristik lassen sich noch hinzufügen die Beispiele für die Manier, das Unerwartete, Überraschende eintreten zu lassen (XIX 5. XX 13. 29f. 33f. 43. 61. 65f.), eine Manier, die sorgfältige psychologische Motivierungen und Raisonnements nicht ausschliesst. Ähnlich stehen Orakel und göttliche Vergeltung als tragische Kunstmittel (XIX 2, 2ff. 9. 103, 5. 108. 2. XX 29, 3. 30, 2. 70, 1) neben dem Rationalismus, dem die karthagischen Cultgebräuche curiose νόμιμα der Barbaren sind (XX 14. 33, 2); XX 65 ist beides vereinigt. Anders als Timaios steht D. über der Deisidaemonie; er verwendet sie nicht nur als Reizmittel, sondern auch als psychologisches Motiv (XX 43, 1). erzählt auch ohne Bedenklichkeit, wie Agathokles sie zu Kniffen und Listen gebraucht (XX 7. 11). Die Darstellung soll eben sich der Mannigfaltigkeit des Lebens anschmiegen; die imposante Bosheit des Tyrannen soll ästhetisches Grausen erregen, nicht Hass und Verachtung wie das von Timaios entworfene Zerrbild.
Der Classizismus, der über seiner μίμησις die echte und künstlerische μίμησις vergass und die Kunst des Erzählens verlernt hatte, fällte über D. dasselbe Vernichtungsurteil, wie über die hellenistische [1856] Historiographie überhaupt (Pliot. a. a. O. Dionys. de comp. verb. 4). Aus anderen Gründen hatte ihn die alexandrinische Philologie scharf mitgenommen. Eratosthenes musste die Literaturgeschichte von seinen Erfindungen säubern (Cic. ad Att. VI 1, 18), und Didymos folgt älteren Vorgängern, wenn er ihm scharfe Urteile anhängt, wie in dem neugefundenen Demosthenescommentar (col. 12, 50) ὁ δὲ Δοῦρις, ἔδει γὰρ αὐτὸν κἀμταῦθα τερατεύσεσθαι oder Phot. s. Σαμίων ὁ δῆμος (vgl. Hesych. s. ;Σαμιακὸς τρόπος) τὸ δὲ πλάσμα Δούριδος: auf Didymos geht augenscheinlich auch das zurück, was Plutarch im Perikles (25 Anf. u. Schl. 28 Citat; nicht mehr) aus ihm mitteilt. Das Citat im Lysander (18) stammt aus musik- oder litterargeschichtlicher (vgl. Athen. XV 696 e), nicht aus historiographischer Tradition. Andererseits hat die hellenistische Polyhistorie ihn nicht verschmäht (vgl. Demetrios von Skepsis bei Strab. I 60. Agatharchides bei Athen. IV 155 d); Satyros benutzt ihn eifrig (Plut. Alk. 32; Ages. 3 = Athen. XII 535 d. b); der Versuch, die sieben Weisen zu Barbaren zu stempeln, ein Versuch, der wiederum Tendenzen des Hermippos anticipiert, ist in die Philosophenbiographen hineingelangt (Diog. I 22. 74. 82. 89). Am meisten wurde D. ausgebeutet von den Paroemiographen, da er massenhaft Sprichwörter mit historischen Erklärungen eingestreut haben muss (ein neues Fragment bei Cohn Bresl. philol. Abhdlg. II 2, 80; nach Diog. VIII 47 zu emendieren).
Ob D. die geschichtliche Überlieferung über seine Zeit – nur für diese konnte er als Autorität in Frage kommen – in besonderer Weise bestimmt hat, ist nicht mehr auszumachen; nur nach der negativen Seite hin sind sichere Schlüsse möglich. Wenn Diodor die Geschichte des Agathokles aus D. genommen hat, so hat Trogus es sicher nicht gethan; ferner ist die Diadochengeschichte bei Diodor in so völlig anderem Ton erzählt, dass diese nicht direct aus D. ausgezogen sein kann, trotz der Coincidenz Strab. I 60 = Diod. XIX 44, 5. Plutarch kann ihn natürlich eingesehen haben (vgl. Athen. XII 535 e mit Plut. Dem. 41); das führt aber nicht weiter.