Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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C. M., der römische Feldherr und siebenmalige Konsul 107 v. Chr.
Band XIV,2 (1930) S. 1811
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14) C. Marius cos. 107 usw. s. die Supplem.

Nachträge und Berichtigungen

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Band S VI (1935) S. 283
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C. Marius s. am Ende des Bandes.

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C. M., der röm. Feldherr und siebenmalige Konsul
Band S VI (1935) S. 13631425
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Bd. XIV S. 1811, 34 zum Art. Marius:

14) C. Marius C. f.

I. Quellen.

Von M. wurden bemerkenswerte Aussprüche kolportiert (Plut. Mar. 2, 2. 8, 5. 9, 2. 14, 8. 18, 7f.); auch die von Sallust (Bell. Iug. 85 vgl. Plut Mar. 9, 2f.) dem M. zugeschriebene Rede macht den Eindruck, daß er sie ungefähr so gehalten hat. Geschrieben hat er nichts. Sulla, der nur anfangs in freundschaftlichem Verhältnis zu M. stand (Sall. 96, 4), bald sein Gegner und Feind wurde, hat Denkwürdigkeiten ὐπομνήματα Plut. 35, 4: rerum gestarum libri XXII; vgl. A. Rosenberg Einleitung und Quellenkunde zur röm. Gesch. 88f.) geschrieben, in denen M. nächst dem Verfasser die wichtigste Figur gewesen sein wird (Plut. 25, 6. 26, 5f. 35, 4). Daß Plutarch sie benutzt hat, lehren die genannten Zitate; daß sie für Sallust Quelle waren, beweist die Ausführlichkeit, mit der er Sullas Taten wiedergibt, obwohl er für ihn keine Neigung hat, während sein Heros M. in dem letzten Teil des Bell. Iug. zu kurz kommt. Zweifellos waren Sullas Erinnerungen für alle Historiker, die die Zeit des M. behandelten, eine besonders wichtige Quelle. Zitiert wird noch ein anderer Zeitgenosse, P. Rutilius Rufus, der de vita sua geschrieben hat, τὰ μὲν ἄλλα φιλαλήθης ἀνὴρ καὶ χρηστός, ἰδίᾳ δὲ τῷ Μαρίῳ προσκεκρουκώς (Plut. 28, 8. Rosenberg), woraus [1364] aber nicht geschlossen werden darf, daß alle für M. ungünstigen Nachrichten auf ihn zurückgehen. Ferner hat Q. Lutatius Catulus, Consul des J. 102 und Mitbesieger der Cimbern, einen liber de consulatu et de rebus gestis suis geschrieben; Plutarch hat ihn zitiert gefunden, nicht selbst gelesen (25, 8. 26, 10. 28, 2). In einer Schrift eines sonst unbekannten Gaius Piso war über die letzten Stunden des M. berichtet (Plut. 45, 8). Wenn auch M. Aemilius Scaurus nicht zitiert wird, hat doch Sallust wahrscheinlich seine Bücher de vita sua (sane utiles, quos nemo legit Cic. Brut. 112) für die ersten Vorgänge des Iugurthinischen Krieges herangezogen (vgl. Sall. Iug. 15, 4. 25, 4 u. ö.). Daß C. Fannius eine Hauptquelle für Sallusts bellum Iugurthinum war (Rosenberg 170), ist eine Gleichung mit vielen Unbekannten. Auch L. Cornelius Sisenna (Sall. 95, 2; Bd. IV S. 1512), der historiae der Zeit von 90 ab verfaßt und die Revolution des M. beschrieben hat, bleibt im Halbdunkel. — Gehaltvoll war die Darstellung des Poseidonios, der im J. 87, von Rhodos als Gesandter nach Rom gekommen, M. in seiner letzten Krankheit besuchte (Plut. 45, 7. 1, 1), in seinen umfangreichen ἱστορίαι (Rosenberg 196ff.). Man darf sie trotz mancher hiergegen geäußerter Bedenken immer noch als die Hauptquelle Plutarchs ansehen.

Wichtig ist Cicero als Quelle. Verloren ist zwar das Epos M., das er aus Verehrung für seinen großen Landsmann etwa um 60 (vgl. leg. 1, 4) geschrieben hat. Das Bruchstück de divin. 1, 106 ist historisch bedeutungslos. Aber an vielen Stellen seiner andern Schriften gibt Cicero historisch wertvolle Nachrichten über M. (vgl. Rob. Schütz Ciceros historische Kenntnisse, Gießen 1913).

Es ist trotz allem auf die Quellenfrage in zahlreichen Untersuchungen verwandten Scharfsinns nicht möglich, über die Abhängigkeit der erhaltenen Schriften von den primären Quellen apodiktisch zu urteilen, zumal da zwischen diesen beiden Instanzen noch die kaum erfaßbare jüngere Annalistik liegt (Rosenberg 133ff.), die vor allem auf Livius und die von ihm abhängigen Schriftsteller eingewirkt haben wird. Q. Claudius Quadrigarius hatte im 19. Buch seiner Annalen über M. geschrieben (zwei Zitate bei Gell. X 1, 3. XX 6, 11). Uns liegen Berichte über M. bei folgenden Schriftstellern vor:

1. Sallust als Parteigänger Caesars und der populares stand M. zeitlich und nach politischer Gesinnung am nächsten; bei ihm kann man demgemäß eher Einfühlungsfähigkeit als kühles Urteil erwarten. Für das bellum Iugurthinum hat er mündliche Überlieferung benutzt (conperior 45, 1. 108, 3, parum conperimus 67, 3); für den ersten Teil des Feldzugs kann er Scaurus, für den Metellusabschnitt P. Rutilius Rufus, der zu jener Zeit am Afrikanischen Krieg teilnahm, gelesen haben; der restliche Abschnitt ist dort ausführlich, wo es sich um Sulla handelt, im übrigen dürftig, so daß man hier auf Sullas Erinnerungen als Quelle schließen darf. Es ist aber auch möglich, daß Sallust einer älteren Darstellung, die den ganzen Krieg umfaßte, aber ungleich angelegt war, folgte (Fannius? — Vgl. Lenschau o. Bd. X S. 6. Cambridge Anc. Hist. 115. W. A. Baehrens [1365] Sallust als Historiker, Politiker und Tendenzschriftsteller, in: Neue Wege zur Antike IV). Sallust wollte zeigen, wie M. die Laufbahn betrat, auf der er als Homo novus den Staat aus der Krisis rettete, in die ihn die Unfähigkeit des Adels gebracht hatte, und wie er der mächtigste und schicksalbestimmende Bürger Roms wurde. Bei dieser offenkundigen Tendenz seines Werkes (vgl. 5, 1. 42), ist die Unparteilichkeit, mit der er den Metellus und den M. behandelt, anerkennenswert (44ff. 64, 1; vgl. mit 100); Mißerfolge des M. verschweigt er nicht (93. 94, 7. Kroll Gnom. VIII 323). Angesichts seines starken politischen und personalen Interesses versteht man auch, daß ihm die chronologischen und geographischen Probleme nicht so wichtig waren, daß sie stets mikroskopischer Untersuchung genügen könnten.

2. Von Plutarch liegt eine Biographie des M. vor — in Parallele mit Pyrrhos gesetzt! (recogn. K. Ziegler Lpz. 1915). Sie gibt mit reichem Material ein abgerundetes Bild. Als Quellen nennt er Poseidonios, Sulla, Rutilius Rufus, Gaius Piso in einer Form, daß man nicht so ohne weiteres, wie es beliebt ist, annehmen darf, er habe ihre Namen und Angaben ,Kompendien’ der ersten Kaiserzeit entnommen. Bei Catulus gibt er deutlich zu erkennen, daß er seine Berichte aus zweiter Hand übernimmmt. Daß er verschiedene Schriftsteller vor sich hatte, darf man aus den Anführungen εἰσἶ δ’ οἳ λέγουσιν, ἄλλοι δέ φασιν, ὑπὸ πολλῶν ἱστόρηται, οἱ μὲν λέγουσιν; οἱ δὲ u. a. (11, 6. 13. 13, 2. 21, 6. 25, 2. 27, 3. 5. 6. 28, 2f. 36, 9. 39, 9) schließen (vgl. A. Bauer Philol. XLVII 242ff.). Plutarch bemüht sich, M. gegenüber objektiv zu sein und erkennt sein militärisches Talent und seine Tatkraft ebenso an wie er sein hemmungsloses Benehmen ablehnt. Bemerkenswert ist, daß Plutarch selbst eine Büste des M. in Ravenna gesehen hat oder haben will und sie zu den literarischen Nachrichten über den Charakter in Parallele setzt (2, 1), Die Urteile von Wilamowitz (Arist. u. Athen II 290): ,historisch urteilslos’ und Rosenberg: ,nur ein Zerrbild historischer Vorgänge’ (218) treffen in dieser Härte wenigstens auf die M.-Biographie nicht zu, wenn auch Wunderlichkeiten auffallen (so die Bemerkung zur Herenniusgeschichte 5, 7ff. und der Bericht über Vercellae 25f.; vgl. auch v. d. Mühll De Appuleio Saturnino, Basel 1896, 32).

3. Livius hat die Zeit des M. in den Büchern 62—80 behandelt, die in den Periochae vorliegen. Unter den von Livius abhängigen Schriftstellern ist Orosius besonders beachtenswert. Nachrichten über M. geben ferner L. Annaeius Florus (Bd. VI S. 2761), ed. Rossbach 1896, Eutropius (Bd. VI S. 1521), Festus (Bd. VI S. 2257) und die Schrift De viris illustribus urbis Romae.

Livius Haltung gegen M. ist streng (vgl. Per. 69); aber Zuverlässigkeit der Berichterstattung kann ihm nicht abgesprochen werden. Die zahlreichen Untersuchungen, die über die Abhängigkeit seiner Darstellung und ihren Einfluß auf andere Quellen dieser Epoche angestellt worden sind, haben zu keiner zuverlässigen Beantwortung geführt (vgl. M. Bang Marius in Minturnae: Klio X 178ff. W. Enßlin Appian und die Liviustradition [1366] zum ersten Bürgerkrieg: Klio XX 415ff.).

4. Andere Quellen in lateinischer Sprache: Velleius ist mit berechtigtem Mißtrauen zu lesen; doch finden sich einzelne beachtliche Züge zum βίος des M. nur bei ihm (Fr. Burmeister De fontibus Vellei Pat., Berl. Stud. XV 1894. Wachsmuth Einleitung i. d. Stud. d. a. Gesch. 606ff). Granius Licinianus’ Fragmente enthalten einiges Wichtige. Valerius Maximus ist wegen einiger Exempla heranzuziehen, ebenso Lucius Ampelius’ Liber memorialis.

5. Andere Quellen in griechischer Sprache: Appians Ῥωμαικά aus der Νομαδική sind Auszüge über den Iug. Krieg enthalten; trotz vieler Flüchtigkeiten ist besonders wertvoll das erste der fünf Bücher Ἐμφυλίων. Seine Quellen sind noch nicht sicher bestimmt. Livius ist für ihn Hauptquelle (vgl. Enßlin 415 und die dort genannten Abhandlungen. E. Meyer Kl. Schr. I 399), aber manches wird auf Poseidonios zurückgehen (s. aber Rosenberg 209. Wachsmuth Einl. 601ff. Schwartz Bd. V S, 663). Diodor verarbeitet für die M.-Zeit Poseidonios; sie ist nur in Resten erhalten (Schwartz Bd. V S. 663). Cassius Dio lagen die Probleme der Zeit ganz fern; gegen M. ist er gehässig.

6. Inschriften: Ein Elogium (v. Premerstein Bd. V S. 2440. Rosenberg 219ff.) hat großen Wert: CIL I² 195 (dazu Mommsens Bemerkungen S. 196) = Dess. 59; parallel geht eine Inschrift aus dem Geburtsort des M. (CIL X 5782).

7. Münzen. Die wenigen auf Grund von Vermutungen gewöhnlich auf M. bezogenen Münzen haben meist nichts mit ihm zu tun oder die Beziehungen sind unsicher (S. 1397).

8. Neue Bearbeitungen: M. wurde nur in allgemeinen Geschichtswerken behandelt, von denen hier genannt seien: L. Lange Röm. Altertümer. Th. Mommsen RG II8 138ff. Herzog Gesch. und System der Röm. Staatsverfassung I 1884, 482ff. B. Niese Grundriß d. Röm. Gesch.5 von Hohl 182ff. Vogt Röm. Gesch. 1932, 195ff. Ferrero Grandezza e Decadenza di Roma, übersetzt von Pannwitz-Kapff I 73ff. The Cambridge Ancient History volume IX: The Roman Republic 133/4 B. C. Edited by S. A. Cook etc.; die in Betracht kommenden Kapitel sind verfaßt von Hugh Last, Cambridge 1932. Ausgedehntes Literaturverzeichnis S. 904ff., wo auch nichtdeutsche Werke genannt sind, die ich nicht einsehen konnte: Barbagallo Roma antica I: delle origini alla fine della Republica, Turin 1931. Pais Delle guerre puniche a Cesare Augusto. 2 Bde, Rom 1918. G. Bloch La république Romaine: les conflicts politiques et sociaux², Paris 1922. W. E. Heitland The Roman Republic. 3 Bde, Cambridge 1909, Neudruck 1923. Einzelschriften werden im folgenden zu den einzelnen Punkten genannt: ausführliches Verzeichnis in Cambridge Anc. Hist. IX 906ff.

II. Leben. 1. Name. Gaius M. führte kein Cognomen, worüber sich Plutarch (Mar. 1), auf Poseidonios gestützt, ausführlich äußert und Parallelen gibt (vgl. Ad. Bauer Philol. XLVII 242ff.); an sich hat das Fehlen für diese Zeit nichts Verwunderliches [1367] an sich (Mommsen St.-R. III 208. Mau Bd. IV S. 226, vgl. Bonn. Jahrb. CVII 187. CVIII 193f,).

2. Das Geburtsdatum des M. ist nicht genau bekannt und kann nur aus dem Datum des Todes und den Lebensjahren ungefähr berechnet werden. Gestorben ist M. am 13. Januar (τοῦ πρώτου μηνὸς τῆς ἀρχῆς App. bell. civ. Ι 346; idibus Ιanuariis Liv. per. 80) seines 7. Consulats (ἡμέρας ἑπτακαίδεκα τῆς ἑβδόμης ὑπατείας ἐπιλαβῶν Plut. 45, 7. 46, 6 ,nach eigenster Beobachtung und Kenntnis des Poseidonios‘ Münzer Herm. LXVII 235, 1; vgl. Appian. bell. civ. I 75. Cic. deor. nat. III 81. Vell. II 23, 1. Flor. II 9, 17. Oros. V 19, 23) d. h. im J. 86, und zwar im Alter von 70 Jahren (Plut. 45, 12. CIL I2 195);[1] doch darf man diese Angabe nur als eine Schätzung ansehen, wenn man die ungenaue Zivilstandsbeurkundung im Altertum in Betracht zieht (vgl. Marquardt-Mau Privatleben 86ff. Levison Bonn. Jahrb. CII 1ff., wo auch zu ersehen ist, daß die Ziffern häufig auf durch 10 teilbare abgerundet wurden). Soll er doch schon, als er sich mit Cinna verband (d. h. mitten im J. 87) mehr als siebzigjährig gewesen sein (Plut. 41, 6); auch in einem Bericht von der Übertragung des Kommandos im Mithridatischen Krieg an M., also im J. 88 (vgl. Bd. IV S. 1531ff. und u. S. 1409), wird er als mehr als siebzigjährig bezeichnet (Vell. II 18, 6). M. ist also schwerlich erst 156, wahrscheinlich 157, vielleicht aber auch noch früher geboren.

3. Geboren wurde M., wie es (mit unsicherer Lesung) heißt, ἐν κώμῃ Κιρραιατῶνι τῆς Ἀρπίνης (Plut. 3, 1; vgl. Feldm. 233. CIL X p. 564.[2] Ephem. ep. VIII p. 152), was dem Κερεάται (bei Strab. V 238) und lat. Cereatae entspricht; später erhielt der Ort M. zu Ehren Stadtrecht und wurde Cereatae Marianae genannt (Cernetani [= Cereatini] qui Mariani cognominantur Plin. n. h. III 63; vgl. CIL X p. 564.[2] 5782). Die westlich von Arpino gelegene Abtei S. Giovanni e Paolo di Casamari bewahrt das Andenken an sein Geburtshaus (Jung Geogr. v. Italien 38. Nissen Ital. Landesk. Ι 2, 670. Hülsen o. Bd. III S. 1969. Baedekers Unteritalien14 [1906] 213). Die Angabe, M. sei in Arpinum geboren und erzogen worden (Sall. Iug. 63, 3; vgl. Cic. p. Planc. 20; p. Sulla 23; p. Sest. 50; acad. pr. II 13; leg. 1, 4; de vir. ill. 67, 1) ist ungenau; Cereatae gehörte zum Gebiet von Arpinum.

4. Herkunft. Von den Vorfahren des M. werden nur der gleichnamige Vater (Plut. 3, 1. CIL X 5782;[3] dagegen Μαρίου τὸν πατέρα οὐκ ἴσμεν Ailian. var. hist XII 6. XIV 36, was sich auf die Ignobilität beziehen kann) und seine Mutter Fulcinia genannt; offenbar konnten auch die älteren Geschichtschreiber frühere Glieder der völlig unberühmten Familie nicht nennen (γονέων παντάπασιν αδόξων Plut.; für das Consulat hatte er alles praeter vetustatem familiae Sall. Iug. 63, 2). Die Eltern werden αὐτουργοί und πένητες genannt (Plut.); das braucht ursprünglich nur zu bedeuten, daß sie als Gutsbesitzer bei der Feldbestellung selbst mit anpackten und nicht ,reich‘ waren (vgl. M. Gelzer Nobilität 18. 109), wurde aber von der späteren Auffassung im Sinne von infima plebs (Tac. hist. II 38) gedeutet.

[1368] Über die Gesellschaftsklasse, der M. entstammte, gibt es nämlich zwei Traditionen: Die eine sagt klar und bestimmt, daß er dem Ritterstand entstammte: natus equestri loco (Vell. II 11, 1; equestri ist in agresti verändert worden mit sprachlich unhaltbarer Konjektur, vgl. Thes. l. l. s. v.); seine equestria stipendia vor Numantia werden erwähnt (Val. Max. VIII 15, 7); δοκῶν γεγονέναι δημοσιώνης (Diod. 34f. frg. 38 Dind.), was eine gerade im Ritterstand gebräuchliche Betätigung war. Dem widerspricht nicht, daß er ignotae originis war (Vell. II 12, 8), wenn er als erster seine Familie bekannt gemacht hat (vgl. γονέων ἀγνώστων Plut. vom älteren Cato 1). Eine zweite Tradition spricht in geringschätzigen, aber unbestimmten Ausdrücken: sie läßt M. e plebe infima entstammen (Tac. hist. II 38) γονέων παντάπασιν ἀδόξων (Plut. 3, 1); seine humilitas wird in rhetorischen Gegensatz zu seiner späteren Maßlosigkeit gestellt (l. de Caes. 39, 6; vgl. de vir. ill. 67, 1; παντὸς μὲν τοῦ συρφετώδους, ἀφ’ οὗπερ καὶ ἐπεφύκει, φίλος, παντὸς δὲ τοῦ γενναίου καθαιρέτης. Cass. Dio 89, 2 Boiss. Ailian. var. hist. XII 6. XIV 36). Diese Ausdrücke können aus der Abneigung gegen den Aristokratenfeind M., gelegentlich auch schon als rhetorische Antithese zu den summi honores, zu denen es M. gebracht hat, verständlich werden; übrigens werden solche Beziehungen auch sonst von Männern gebraucht, die dem Ritterstand angehört haben (vgl. bei M. Gelzer Die Nobilität der röm. Republik 1912, 12f.). Die Zeit des Tacitus wird aus den unbestimmten Ausdrücken etwas anderes herausgehört haben als ursprünglich gemeint war (Madvig Kl. philol. Schr. 1875, 526). So schließt auch γονέων αὐτουργῶν καὶ πενήτων (Plut.) wie arator Arpinas (Plin. n. h. XXXIII 150) für die Zeit des M. die Ritterbürtigkeit nicht aus, klingt aber bei den späteren Schriftstellern wie ,armer Ackerer‘.

Ein nicht restlos zu lösendes Rätsel ist der Bericht über ein Klientenverhältnis des M. und seiner Familie zur gens Herennia (Plut. 5): Als M. Praetor geworden war, wird er de ambitu angeklagt; ein nur aus dieser Stelle bekannter C. Herennius, als Belastungszeuge vernommen, will offenbar M. als den Emporkömmling demütigen und verweigert die Aussage, weil es in Rom nicht üblich sei, daß der Patron gegen seine Klienten zeuge; die Eltern des M. und M. selbst seien von alters her Klienten der gens Herennia gewesen. Als die Richter mit der Ablehnung des Zeugnisses einverstanden waren, wendete M. gegen Herennius ein, er sei von der Zeit an, da ihm zum ersten Male ein magistrales Amt übertragen worden sei, aus der Klientel getreten. Dagegen wendet wieder Plutarch ein, das stimme nicht ganz: denn nur ein mit der sella curulis ausgezeichnetes Amt überhebe den Beamten und seine Familie, einen Patron anzuerkennen. – Verständlich ist, daß M. gegen die Aussageverweigerung eines Belastungszeugen Einspruch erhebt, weil er sich dadurch gegen eine Herabsetzung wehrt. Überflüssig ist der Einwand des Schriftstellers, da das, was er spitzfindig vorbringt, auf den Praetor M. zutrifft. Herennius war also über das Klientenrecht nicht gut unterrichtet oder er stellte sich nur so, um M. als obscurus herabzusetzen, und M. wußte damit nicht recht Bescheid, weil er sich offenbar [1369] auf sein Amt als plebeiischer Aedil, nicht als Praetor beruft. Das ist erklärlich, wenn man annimmt, daß die Klientel damals fast verschollen war und daß von Herennius die frühere Stellung der Familie (weshalb auch die Eltern genannt sind) zu polemischem Zweck hervorgezerrt wurde. Man kann auch die Frage aufwerfen, ob Plutarch mit πελάτης den Klienten im älteren Sinne meint; vielleicht ist ein freiwillig eingegangenes Schutzverhältnis gemeint (Jul. Binder Die Plebs [1909] 225ff. Mommsen RF I 365 mit A. 15; St.-R. III 67f. 78, wo die Frage gestellt wird, wie es überhaupt kam, daß die Marier in der Klientel der Herennier standen; Madvig Kl. Schr. 6. 528, 2; v. Premerstein Bd. IV S. 48). Übrigens wird auch ein Verhältnis der Marierfamilie zum Haus der Meteller erwähnt (Κεκιλίου Μετέλλου τὸν οἶκον ἐξ ἀρχῆς καὶ πατρόθεν ἐθεράπευεν Plut. 4, 1).

5. Jugend. Seine Herkunft vom Land und das Landleben, in dem er in seiner Heimat aufwuchs, hat seine Persönlichkeit dauernd beeinflußt. Es verlief in bäurischer, ganz altrömischer Weise (Plut. 1, 3; ex parente meo et ex aliis sanctis viris ita accepi, munditias muliebribus, laborem viris convenire, omnibusque bonis oportere plus gloriae quam divitiarum esse; arma, non suppelectilem decori esse: Sall. Iug. 85, 40; ita a pueritia fui, uti omnis labores et pericula consueta habeam: 85, 7. 18. 100, 5). Im Sinne der zweiten unter 4 gezeichneten Tradition wird sein Schicksal als Bauernknecht gegen Tagelohn ausgesponnen von Iuv. VIII 245; es ist eine Schilderung des gewöhnlichen Loses der Bauernsöhne und steht im rhetorischen Kontrast zu der v. 248ff. geschilderten höchsten Ehrung. M. lernte in der Jugend nicht die Genüsse des Stadtlebens kennen; aber es blieb ihm auch die griechische Bildung durch das ganze Leben fremd (non Graeca facundia neque urbanis munditiis se exercuit Sall. Iug. 63, 3. 85, 32. 35; hirtus atque horridus vitaque sanctus Vell. II 11, 1; rusticanus vir Cic. Tusc. II 52). Erst spät erlebte M. die Stadt und bekam einen Begriff von der städtischen Lebensart (Plut.).

6. Erster Militärdienst. Sobald sein Alter es zuließ, widmete sich M., zum Krieger wie geschaffen, dem Militärdienst (Sall. Iug. 63, 3). Die Kriegskunst hat er nur praktisch gelernt (Cic. Font. 33). Aus der ersten Zeit seines Dienstes ist als einzige sichere Nachricht anzusehen, daß er 133, etwa 23 Jahre alt, gegen die Keltiberer im Felde stand, als nämlich Scipio Africanus Numantia belagerte, und daß er sich unter den jungen Leuten durch Tapferkeit auszeichnete, wie auch durch die bereitwillige Einfügung in die härtere Lebenshaltung, die Scipio dem durch Üppigkeit verweichlichten Heere auferlegte (Plut. 3. Val. Max. VIII 15. 7. Vell. II 9, 4). Übrigens diente sein späterer Gegner Iugurtha mit ihm in Spanien unter Scipio (Vell. II 9, 4). Es wurde auch erzählt, daß M. im Kampf einen Feind vor den Augen des Feldherrn zu Boden gestreckt habe (Plut.). Bei einer Besichtigung soll dann auf Scipio ein besonders gut gehaltenes Pferd und ein Maultier des M. einen nachhaltigen Eindruck gemacht haben (Plut. 13). M. wurde von Scipio wiederholt durch Ehrungen ausgezeichnet. [1370] Eine offenbar post eventum erfundene Anekdote erzählte sogar, daß, als einmal nach der Tafel das Gespräch auf Feldherrn kam und einer zweifelnd fragte, ob das römische Volk je einen dem Scipio gleichwertigen Feldherrn und Schirmer haben werde, dieser dem neben ihm (als Contubernale?) zu Tisch liegenden M. auf die Schulter geklopft und gesagt habe: ,Vielleicht wird der es sein.‘ (Plut.).

Diese Erzählung, die auf M. als μειράκιον in der Nähe des Feldherrn, mit eigenem Pferd und eigenem Saumtier als ritterbürtig hindeutet, wird ausdrücklich bestätigt durch Val. Max. VIII 15, 7 cum apud Numantiam eo (Africano) duce stipendia mereret. Dagegen wird M. in einer anderen Tradition als der manipularis imperator betrachtet, der es bis zum imperator am weitesten hatte, weil er eben zunächst die caliga, den Schuh des gemeinen Soldaten und Centurionen, trug (Sen. benef. V 16; brev. vit. 17. Plin. n. h. XXXIII 159). Auch ohne die Erwägung, daß die Laufbahn eines gemeinen Soldaten, dann Centurionen zur höchsten militärischen und politischen Stellung (trotz Marquardts Annahme, daß Centurionen, die zum Kriegstribunen aufrückten, in den Ritterstand erhöht worden seien), ein sonderbares Unicum wäre, sind diese Stellen als rhetorische Übersteigerungen verdächtig, wie auch Iuv. VIII 247, wo das gewöhnliche peinliche Erlebnis des gemeinen Soldaten, daß der Centurio dem bei der Schanzarbeit Trägen mit der knorrigen vitis über den Kopf schlug, bis sie zerbrach, in starkem Gegensatz zum Ende seiner militärischen Laufbahn steht. Seine grundlegenden militärischen Erlebnisse werden von Sallust ganz anders wiedergegeben (Iug. 85, 29. 30f. 33): er läßt M. aufzählen als seine militärischen Ehrungen hastas, vexillum, phaleras, alia militaria dona (vgl. Steiner Bonn. Jahrb. CXVII), außerdem cicatrices adverso corpore (vgl. das Rühmen vor dem Volke τραύμασιν οἰκείοις Plut. 9, 2); statt griechischer Bildung habe er zum Heil des Staates gelernt hostem ferire, praesidia agitare, nihil metuere nisi turpem famam, hiemem et aestatem iuxta pati, humi requiescere, eodem tempore inopiam et laborem tolerare.

7. Ämterlaufbahn bis zum Consulat. M. wurde durch die Anerkennung des Scipio zu großen Hoffnungen ermutigt. Die Ämter, die Marksteine seiner Laufbahn sind, werden im Elogium (CIL I2 p. 183ff.[4] 195) und einer in Cereatae gefundenen Inschrift (CIL X 5782)[3] in umgekehrter Reihenfolge genannt: Consul VII, Praetor, Tribunus plebis, Quaestor, Augur, Tribunus militum. Er bewarb sich beim Volk um ein Kriegstribunat und wurde durch alle Tribus gewählt, plerisque faciem eius ignorantibus, factis notus (Sall. 63, 4; vgl. Marquardt Staatsverwaltung II2 365f.). Wenig wissen wir von seinem Auguramt (cum in Cappadocia esset, lege Domitia factus est augur Cic. ad Brut. 1, 5). Über seine Quaestur ist nichts bekannt außer der Tatsache, daß er sie bekleidet hat (Elogia in CIL I2 p. 185,[5] 1. 195. X nr. 5782; vgl. Cic. p. Planc. 51f.) und der sehr verdächtigen Notiz bei Val. Max. VI 9, 14: Arpinatibus honoribus iudicatus inferior quaesturam Romae petere ausus (vgl. Münzer Herm. LXVII 234, 1). Wenn es von ihm heißt [1371] ὄρμηοαι πρὸς τὴν πολιτείαν καὶ τυχεῖν δημαρχίας Κεκιλίου Μετέλλου σπουδάσαντος (Plut. Mar. 4, 1), so hatte er doch schon vorher die Quaestur bekleidet. Dann wurde er im J. 119 zum Volkstribun gewählt, in erster Linie, weil sich L. Caecilius Metellus, der Consul des Jahres, für ihn verwandte; seinem Hause waren Marius und sein Vater von jeher zugetan (Plut. 4, 1. M. Ziegler Fasti trib. pl. 180–70, Ulm 1903, 7f. weist darauf hin, daß die Beispiele, wo es besonderer Empfehlungen zur Erlangung des wenig umworbenen Tribunats bedurfte, selten seien, und sucht die Veranlassung der besonderen Empfehlung in den ärmlichen Verhältnissen, aus denen M. herausgewachsen sei). Als Volkstribun brachte M. eine lex Maria de suffragiis ein, quae pontes fecit angustos (Cic. leg. 38. Val. Max. VI 9, 14. Plut.), d. h. er traf Vorkehrungen äußerer Art für die Zugänge, wohl weniger um eine ruhigere Abwicklung des Abstimmungsvorgangs herzustellen, als um Unberufene am Einblick in die Stimmtafeln zu hindern (vgl. Herzog Gesch. u. System d. röm. Staatsverf. I 480. 1123. Mommsen St.-R. III 1, 401f.). Das Gesetz (oder ein zweites de ambitu?) ließ die Deutung zu, daß den Vornehmen jeder Einfluß bei den Gerichten abgeschnitten werden solle. Deshalb trat der andere Consul des Jahres, L. Aurelius Cotta, mit Entschiedenheit dagegen auf und brachte den Senat dazu, das Gesetz zu verwerfen und den M. sogar zur Verantwortung für sein Verfahren vorzuladen. M. trat ohne Furcht und Respekt vor, drohte Cotta und dem dem Kollegen beitretenden Metellus mit Verhaftung, und da diesem keiner der von ihm angerufenen Tribunen zu Hilfe kam, gab der Senat dem Ungestüm des M. nach und nahm seinen Beschluß zurück, so daß M. vor das draußen versammelte Volk wie ein Triumphator trat. Allerdings fügte er sich auch nicht dem Geiste der demokratischen Partei, als eine Getreideverteilung (Steigerung der Getreidespende? Vgl. Mommsen RG II8 128) vorgeschlagen wurde; er blieb bei starrem Widerspruch und setzte sich durch (Plut. 4). Es fragt sich allerdings, ob M. wirklich so massiv gegen L. Metellus aufgetreten ist, wo er doch gerade durch Empfehlung des Metellus sein Amt bekommen hatte, und ob nicht ein aus seiner späteren Feindschaft gegen Metellus gewonnenes Bild vom Berichterstatter vordatiert ist. Es müßte doch schon von da an dauernde Verstimmung zwischen beiden bestanden haben. Kaum verständlich wäre dann die Erwähnung ihrer Freundschaft und ihre Zusammenarbeit im Iugurthinischen Kriege im J. 109 (Sall. 58, 5). Daß M. sich allerdings Feinde zugezogen hatte, zeigen seine Mißerfolge bei den nächsten Bewerbungen, die vielleicht auch die mächtigen Meteller nicht mehr patronisiert, sondern bekämpft haben: denn als sich M. nach Ablauf des Tribunats um die kurulische Aedilität bewarb, fiel er durch; als er sich sofort darauf, am gleichen Tage, um die plebeiische Aedilität bewarb, fiel er wieder durch, weil man sich über sein Verhalten als dreist und anmaßend aufregte (duabus aedilitatibus repulsus Cic. Planc. 51; Cat. 4, 21; Sest. 37f.; Cat. 3, 24; Pis. 43; ad Quir. 9. Plut. 5, 3; mor. 202 a. Diod. XXXIV 38. Val. Max. VI 9, 14). Dementsprechend [1372] fehlt dieses Amt auf den erwähnten Inschriften (vgl. Mommsen St.-R. I3 581, 6. v. Premerstein Bd. IV S. 48. Seidel Fasti aedilicii, Breslau 1908, 90f.).

So niederschmetternd auch eine solche Niederlage war, bewarb sich M. dennoch bald darauf um die Praetur. Beinahe hätte er wieder Mißerfolg gehabt, denn er wurde zwar ernannt (Cic. off. III 79), aber an letzter Stelle, und wurde außerdem wegen Bestechung angeklagt. Namentlich einem sehr guten Freunde des M., Cassius Sabaco, wurde unerlaubte Hilfe zur Last gelegt; er wurde deshalb beim nächsten Census aus dem Senat gestoßen, was doch zu denken gibt. Daß man M. aber auch mit allen Mitteln diffamieren wollte, zeigte das Auftreten des C. Herennius (s. o. S. 1368). Die Sache stand für M. nicht günstig, man erwartete seine Verurteilung; aber schließlich wurde er doch mit Stimmengleichheit freigesprochen (Plut. 5, 3ff. Val. Max. VI 9, 14). Dieses Stimmenverhältnis zeugt für seine Schuld, da der Spruch nicht von Senatoren, sondern von seinen Standesgenossen gefällt wurde (Gelzer 110).

Die Praetur bekleidete M. im J. 115, schon über 40 Jahre alt (vgl. Wehrmann Fasti praetorii 15). Während der Praetur leistete er nichts Besonderes (μετρίως ἐπαινούμενον ἑαυτὸν παρέσχε Plut. 6, 1). Es ist möglich, daß ein Wahlabkommen mit M. Aemilius Scaurus in diese Zeit fällt (Plin. n. h. XXXVI 116. Gelzer 110. Vgl. Bd. I S. 585).

Nach der Praetur fiel dem M. als Propraetor das jenseitige Spanien durchs Los zu (114). Dort soll er mit Erfolg gegen die landesüblichen Räuberbanden vorgegangen sein, so daß er sich durch Herstellung der Ordnung und Sicherheit in der Provinz Ansehen erwarb; auch seine Einfachheit und Rechtlichkeit werden gerühmt (Plut. 6, 1f.; vgl. Cic. Verr. III 209). Einen Beweis für seine gesteigerte Geltung darf man darin sehen, daß er Iulia, eine Frau aus dem angesehenen Haus der Caesaren, eine Schwester von Caesars Vater (vgl. Bd. X S. 892), heiraten konnte (etwa 113); so wird verständlich, daß Caesar, der Neffe der Iulia, M. verehrte und in ihm ein Vorbild sah (Plut. 6, 4; Caes. 1, 2. Suet. Caes. 6). Mit dieser Heirat hatte M. eine weitere Stütze in seinem Streben nach der höchsten politischen Macht, dem Consulat, gewonnen, ad quem capiundum praeter vetustatem familiae alia omnia abunde erant (Sall. 63, 2). Die Schwierigkeiten, die einem Homo novus, was M. war, damals noch in der Beamtenlaufbahn begegneten, waren groß (vgl. Münzer Herm. LXVII 220ff.), namentlich dem Ritterbürtigen beim Werben um das Consulat (Sall. 63, bes. 7: novus nemo tam clarus neque tam egregiis factis erat, quin indignus illo honore et is quasi pollutus haberetur; vgl. Gelzer 27f. 40f. und die dort zitierten Stellen aus Cic. leg. agr. I 27 und II 3). M. konnte keine consularischen Ahnen aufweisen, er konnte nur auf einen Ersatz oder Ausgleich der Nobilitierung durch Leistungen hinarbeiten (Sall. 85, 97). Dieser Kampf wurde ihm nicht leicht gemacht (non mediocribus inimicitiis ac laboribus contendit, ut ad summos honores perveniret Cic. Verr. V 181, wobei besonders auf das Verhalten des Metellus angespielt sein wird, s. u. S. 1377. Vgl. auch off. III 79). [1373] Gelegenheit, sich auszuzeichnen, bot ihm der Iugurthinische Krieg. Nicht nur die damals noch bestehende Freundschaft des Consuls von 109, Q. Caecilius Metellus (Sall. 58, 5), sondern auch die militärische Tüchtigkeit des M. werden veranlaßt haben, daß jener ihn als Legat in diesen Krieg (s. o. Bd. X S. 2ff.) mitnahm.

8. M. als Legat des Metellus im Iugurthinischen Krieg. Der Aufstieg des M. wurde durch den Krieg gegen Iugurtha begründet. M. erscheint als Legat (Sall. Iug. 46, 9. Vell. II 11, 1. Plut. 7) im Heere des Q. Caecilius Metellus (s. Bd. III S. 1218). Der im J. 111 gegen Iugurtha begonnene Krieg in Numidien war ohne Erfolg und erst recht ohne Ehre für die Römer verlaufen. Nach dem für Iugurtha günstigen, für Rom demütigenden Ausgang des vom Propraetor Aulus Postumius Albinus (Sall. 37–39) improvisierten Winterfeldzugs (im Januar 109 v. Chr.) war Metellus mit Iunius 169|M. Iunius Silanus zum Consul, und zwar erst im J. 109 selbst erwählt worden; ihm war die Provinz Numidien, d. h. die Weiterführung des Krieges gegen Iugurtha zugefallen; im Sommer traf er in Afrika ein (Sall. 44, 1. 3). In ihm trat ein unbescholtener und tatkräftiger Führer auf, der zunächst umfangreich und energisch rüstete und das verlotterte römische Heer, das er in Afrika vorfand, in Zucht nahm. Mit seinem Legaten M. arbeitete er einmütig zusammen (45, 2. 46, 7). Aus seiner offiziellen Unterordnung unter Metellus und der Gemeinsamkeit ihrer Maßnahmen erklärt sich, daß in der Einzelgeschichte des Krieges M. nur beiläufig erwähnt wird. Es ist auch nicht festzustellen, wieweit Metellus auf den militärisch ihm wesensverwandten M. eingewirkt oder dieser die eigentliche Trieb- und Organisationskraft war (so die Behauptung in der späteren Agitation: es komme vor, daß einer aus der Nobilitas sumat aliquem ex populo monitorem officii sui; ita plerumque evenit, ut, quem vos imperare iussistis, is imperatorem alium quaerat Sall. 85, 10f.). Ob nun M. nur der willige Gehilfe des Metellus oder der eigentliche Organisator war, das Bild seiner Tätigkeit bleibt dasselbe: die Soldaten wurden in der Art der alten Kriegszucht wieder an Strapazen gewöhnt (44, 3); dabei wurde verfahren temperantia inter ambitionem saevitiamque (45, 1). Eine strenge Lagerdisziplin trat wieder in Kraft; Manöver wurden abgehalten, in denen man die exakte Marschordnung und Verschiebung und Deckung des Lagers übte; bei den Wachtposten machte Metellus persönlich mit seinem Legaten die Runde (45; vgl. dazu 100, 4f.). Bei M. wird ganz allgemein seine Tapferkeit, militärische Befähigung, List, Manneszucht gerühmt, besonders aber die Art, wie er sich den Soldaten in Strapazen und Entbehrungen gleichstellte, sie beriet und für ihr Wohl sorgte (Plut. 7; vgl. Sall. 100). Der Erfolg war: exercitum brevi confirmavit (45, 3). Schon deshalb kann man nicht (mit Mommsen RG II8 146) annehmen, daß die Kriegshandlungen des Metellus, an denen M. beteiligt war, erst 108 begannen. Auch hätte ein langes Hinauszögern des Beginns der Kriegshandlung in Rom, wo man auf einen Umschwung zu Ehren des römischen Volks wartete, bitter enttäuscht (vgl. 43, 5. 44, 3). Iugurtha, der bei Metellus [1374] keinen Erfolg für seine bisherigen Methoden erwartete, bot ihm seine Unterwerfung an; doch war dieser mißtrauisch und zog die Verhandlungen hin, rückte aber zugleich in das wie im Frieden arbeitende numidische Land mit vorsorglich geordnetem Heere: dabei hatte M. den Befehl über die aus der Reiterei gebildete Nachhut (Sall. 46, 7). Als Metellus seine Stellung zu den Friedensanträgen Iugurthas unklar ließ, aber zu gleicher Zeit zum Angriff schritt, indem er die wichtige Handelsstadt Vaga zu seinem Stützpunkt machte, rüstete jener und trat 109 (in der heißen Jahreszeit: Sall. 50, 1) dem römischen Heere entgegen. Der Schlachtort, Nähe des Muthul (s. Bd. XVI S. 937), ist eins der vielen geographischen Probleme in der Berichterstattung (wahrscheinlich Oǔed Mellag: Cambridge Anc. Hist. IX 122 mit Karte 117; dort wird auch ein Aufsatz von Saumagne in der Revue tunisienne, N. S. I 1930, 3f. zitiert, wonach der Oǔed Tessa, östlich des Oued Mellag, gemeint sei, außerdem die Operation des Metellus in der Richtung auf Hippo Regius, die Gleichung Muthul = Oued Bou Namoussa, die Schlacht beim heutigen Orte Combe – gegen Gsell Hist. anc. de l’Afrique du Nord VII 191 – als möglich angenommen; vgl. noch R. Oehler österr. Jahresh. XII 327. XIII 257). Der erbitterte Kampf, in dem M. das Mitteltreffen befehligte (post principia Sall. 50, 2), blieb für Iugurtha trotz seines geschickten Angriffs und des für ihn günstigen Geländes erfolglos (Sall. 49–53). Allerdings war es auch kein durchschlagender Sieg der Römer (Ihne Röm. Gesch. V 142 ist sogar der Meinung, daß Metellus nach dieser Schlacht den Rückzug angetreten habe). In Rom wurde jedoch Metellus wegen seiner Erfolge (erwähnt wird die Disziplinierung des Heeres, der Sieg in advorso loco, die Eroberung des feindlichen Gebietes, die Hoffnungslosigkeit des Königs) gefeiert (senatus ob ea feliciter acta dis immortalibus supplicia decernere, civitas, trepida antea et sollicita de belli eventu, laeta agere, de Metello fama praeclara esse 55, 1, was geraume Zeit vor der 64, 5. 73, 5 und Vell. II 11, 2 geschilderten Stimmung bei M.’ Consulatsbewerbung gelegen haben muß, also wahrscheinlich Ende 109).

Da Iugurtha nicht nachgab und von neuem rüstete, änderte Metellus seine Methode: er begann jetzt einen Krieg der Verwüstung und des Terrors. Iugurtha antwortete mit einem Überfall durch seine bewegliche Reiterei. Darauf ging Metellus mit gesteigerter Vorsicht vor. Zersplitterung der Truppen mied er; immerhin trennte er aus Gründen der Versorgung das Heer in zwei Gruppen, von denen er eine selbst führte, die andere M. anvertraute (Sall. 55, 5). Sie lagerten getrennt, wenn auch nicht weit auseinander, um zu Angriffen gemeinsam vorzugehen; im übrigen führten sie verheerende Streifzüge divorsi aus, mußten aber beide erleiden, daß Iugurtha das Futter und die spärlichen Wasserquellen verdarb und die Nachhut beunruhigte, dagegen aussichtslosen Kämpfen auswich (55). Nun suchte ihn Metellus durch einen Sturm auf das wichtige Zama aus der Reserve zu locken. Als M. mit einigen Kohorten von der Hauptlinie des Vormarsches fort nach Sicca beordert wurde, um Getreide zu [1375] fassen, griff ihn beim Ausrücken aus der Stadt Iugurtha mit auserlesenen Reitern an; die Stadtbewohner drohten schon, M. im Rücken anzugreifen; daraufhin beschleunigte er den Abmarsch, griff die feindlichen Reiter mit Entschiedenheit an, trieb sie auseinander und marschierte nach Zama (Sall. 56). Inzwischen hatte Iugurtha die dortige Besatzung durch Überläufer verstärkt. (Später hat Iugurtha dem Metellus mehr als 3000 Überläufer ausgeliefert: Oros. V 15; vgl. Sall. 62, 6). Trotz genauer Vorbereitung – jedem Legat wurde eine bestimmte Aufgabe zugewiesen – mißlang der Sturm des römischen Heeres (Sall. 57; vgl. Quadrigarius bei Gell. IX 1). Aber auch der gleichzeitige Angriff Iugurthas auf das römische Lager, zuerst erfolgreich und für die Römer sehr gefährlich, wurde gebrochen, indem Metellus die ganze Reiterei und unmittelbar darauf M. mit den Kohorten der Bundesgenossen entsandte, eumque lacrumans per amicitiam'perque rem publicam obsecrat, ne quam contumeliam remanere in exercitu victore neve hostis inultos abire sinat: ille brevi mandata efficit (58, 5). So behaupteten die Römer wenigstens ihr Lager. Der folgende Kampftag verlief ähnlich; M. leitete den Angriff auf die eine Seite der Festung, versuchte dabei, die Verteidiger, die das nahe Gefecht zwischen den Reitern Iugurthas und den das Lager deckenden römischen Reitern aufmerksam beobachteten, durch Zurückhaltung irre zu führen und dann durch schnellsten Vorstoß zu überrumpeln; aber diese List des M. blieb ebenso erfolglos wie das ganze Unternehmen des Metellus (Sall. 58–60).

Die Ereignisse seit der Schlacht am Muthul liegen in der Zeit von der Hitzeperiode des J. 109 (s. o.) bis zum Einrücken in die Winterquartiere Ende 108. Denn die Entwicklung bis zum und im Kleinkrieg bedurfte längerer Zeit; zudem wäre es nicht verständlich, wie M. bei seiner Bewerbung um das Konsulat des J. 107 agitatorisch behaupten konnte, Metellus ziehe den Krieg absichtlich in die Länge (Sall. 64, 5, Vell. II 11, 2), wenn in Rom das Dankfest für die Taten des Metellus erst ein Vierteljahr vorher stattgefunden hätte (Mommsen II 146 z. T. anders. Weitere Literatur und Erörterung bei Meinel Zur Chronologie des Iug. Krieges, Progr. Augsburg 1883. Cambridge Anc. Hist. IX 124). Ein Zeichen des geringen Erfolges des Metellus ist es auch, daß er für den beginnenden Winter 108/07 Besatzungen nur in den numidischen Städten, quae satis munitae loco aut moenibus erant zurückließ und das übrige Heer in der angrenzenden römischen Provinz unterbrachte (61, 1f.). Bezeichnend ist, daß ein numidisches Korps zwischen römischen Winterlagern stand, um Verwüstungen des Landes zu verhüten (70, 4). Armis bellum parum procedebat (61, 3): auf Grund dieser Erkenntnis versuchte jetzt Metellus, sich des Iugurtha durch Verrat zu bemächtigen. Durch einen von Metellus gewonnenen Verwandten bearbeitet, erklärte sich dieser zur bedingungslosen Unterwerfung bereit; ein von Metellus einberufener Kriegsrat, in dem auch M. eine wichtige Stimme hatte, stellte schwerste Bedingungen. Iugurtha erfüllte sie, wurde aber bedenklich als er sich selbst stellen sollte, rüstetete von neuem und trat wieder in den Kampf ein (Sall. 62).

[1376] Inzwischen hatte der Senat bei der Beratung über die Provinzen dem Metellus (für 107) die Provinz Numidien, also die Fortführung des Krieges übertragen. Iugurtha nahm ihn noch im Winter (68, 2) wieder mit Tatkraft auf. Es gelang ihm, die römische Besatzung von Vaga zu vernichten; doch Metellus nahm die Stadt wieder ein und bestrafte sie für ihren Abfall empfindlich. Der römische Stadtkommandant T. Turpilius Silanus hatte sich dadurch verdächtig gemacht, daß ihm allein die Numidier nichts getan hatten. Als die Stadt wieder im Besitz der Römer war, wurde er von Metellus zur Verantwortung aufgefordert. Es war peinlich, daß ein römischer Offizier als einziger die Katastrophe überlebt hatte (vgl. Sall. 67. 99); zudem konnte ihre Erklärung als ,Verrat‘ die Beklommenheit der Heeresleitung und des Senats lösen. Trotz oder gerade wegen der alten Verbundenheit mit der Familie des Turpilius konnte Metellus sein Los nicht erleichtern, da M. leidenschaftlich den Kriegsrat zur härtesten Auffassung drängte, und sah sich gegen seinen Willen gezwungen, jenen zum Tode zu verurteilen und ihn als einen Latiner enthaupten zu lassen. Später stellte sich seine Unschuld heraus (wie nur Plut. 8 berichtet): M. soll sich über die Trauer des Metellus gefreut, sich als Urheber der Tat bezeichnet und sich gerühmt haben, daß er dem Metellus als dem Mörder eines Gastfreundes die rächende Furie auf den Hals gehetzt habe.

Doch Iugurtha durch Verrat seiner Umgebung in seine Gewalt zu bekommen, gelang Metellus nicht. Er rüstete deshalb mit neuem Eifer zum Kriege; auf die freudige Mitarbeit des M. mußte er allerdings verzichten (73, 2), da dieser sein ganzes Sinnen darauf richtete, das Consulat für 107 zu erobern (s. u.). Deshalb hielt Metellus ihn nicht länger von der Fahrt nach Rom zur Bewerbung um das Consulat zurück. Gegen den unsicher gewordenen Iugurtha hatte er einige Erfolge, aber ohne durchschlagende Kraft, darunter die schwierige Eroberung von Thala (57f.). Die Lage wurde sogar für Metellus noch schwieriger durch den Eintritt des Königs Bocchus von Mauretanien in den Krieg und die Bedrohung der Stadt Cirta, die schon als Materiallager für die Römer wichtig war (80f.). Doch ist es bei der flüchtigen Schilderung des Sallust kaum möglich, ein sicheres Urteil über die Kriegslage zu fällen. Da Iugurtha Ost- und Mittelnumidiens beraubt war, sei seine Unterwerfung nur eine Frage der Zeit und der Aktivität des Metellus gewesen, urteilt Cambridge Anc. Hist. IX 125. Schließlich wurde Metellus durch die Nachricht, die Provinz sei ihm entzogen und dem M. übertragen worden, verbittert und gelähmt (82. 83, 1 s. u.); er beschränkte sich auf Unterhandlungen mit Bocchus, so daß bei der Ankunft des M. der Krieg wieder versumpft war: tempus procedere et ex Metelli voluntate bellum intactum trahi (83, 3).

9. M.’ Bewerbung um das Consulat 107. Der Gegensatz zwischen Metellus und M., der durch diese Erzählung scharf hervorgehoben wird, bestand seit langem und ist schon daraus verständlich, daß hier zwei Männer mit starkem und leidenschaftlichem Willen bei ihrer Zusammenarbeit in der Heeresleitung naturgemäß [1377] auch rivalisieren. Den Gegensatz mußte verschärfen, daß Metellus kastenmäßig befangener Aristokrat war (Sall. 64, 1), dem man wohl mit Recht nachsagte, daß er die Legaten aus alter Familie vor M. bevorzugte (Diod. XXXV frg. 38 Dind.), daß anderseits M. vom Soupçon des Emporkömmlings besessen war. Die Schärfe des Gegensatzes trat schroff zutage, als M. sich missio erbat, um sich um das Consulat für 107 zu bewerben. Als M. in Utica (Ende 108, s. o. S. 1376) den Göttern ein Dankopfer brachte, hörte er vom Haruspex, was er in diesem Augenblick an Ermunterung und Aussicht auf künftige Größe brauchte (Sall. 63, 1. Plut. Mar. 8, in der Zeitangabe abweichend). Illum iam antea consulatus ingens cupido exagitabat; die erforderlichen Eigenschaften traute er sich mit Recht zu, er hatte sich in den Ämtern bewährt; doch er war ein Homo novus (s. o.). Dadurch hatte er sich bisher gehemmt (indignus illo honore et quasi pollutus) gefühlt: consulatum adpetere non audebat: etiam tum alios magistratus plebs, consulatum nobilitas inter se per manus tradebat (Sall. 63, 7). Seine Bitte, ihm petundi gratia Urlaub zu gewähren, nahm der über dem Durchschnitt seiner Standesgenossen tüchtige, aber in ihren Einschätzungen befangene Metellus mit Befremden auf und nahm zur Ablehnung den Ton überlegenen freundschaftlichen Rates zu Hilfe. Aber M. beharrte auf seiner Bitte; Metellus suchte die Angelegenheit zu vertagen, indem er ihm den Urlaub für den Zeitpunkt zusagte, in dem es der Staatsdienst erlaube. In der letzten Zeit durch die Turpiliussache mit M. offen verfeindet (Plut. Mar. 8, 6) habe er dem immer von neuem bohrenden M. ins Gesicht gesagt – so wurde wenigstens erzählt (fertur: Sall. 64, 4) – er solle mit der Abreise nicht so eilen; er werde sich noch zeitig genug mit seinem Sohne ums Consulat bewerben. Dabei war dieser ungefähr 20, M. ungefähr 50 Jahre alt (Sall. 64, 2. Plut. Mar. 8, 6. Cass. Dio frg. 89, 3 Boiss.). Metellus erreichte so das Gegenteil: M. strebte nur noch hartnäckiger zur höchsten Würde und schürte die Erbitterung über Metellus bei sich und möglichst bei anderen. Hemmungslos sagte und tat er alles, was ihm Anhänger gewinnen konnte: die Soldaten, die er im Winterlager kommandierte, hielt er laxer, die zahlreichen Großkaufleute und Ritter, die sich in Utica aufhielten, konnten von ihm großsprechende und über den Oberfeldherrn perfide Reden hören: mit der Hälfte des Heeres würde er, M., in ein paar Tagen den Iugurtha gefangen haben; der Imperator schleppe den Krieg schon ins dritte Jahr (Vell. II 11, 2) und zwar absichtlich hin, weil der eitle Mann am Imperium klebe. M. wandte sich also damit gerade an die Kreise, die im Krieg Vermögensverluste erlitten hatten und sich ein baldiges Kriegsende, nach dem Numidien für den Handel wieder eröffnet wäre, gern vorspiegeln ließen. Einem geistesschwachen, von Metellus gekränkten numidischen Prinzen bot M. sich als Rächer an und machte ihm Aussicht auf die Nachfolge Iugurthas, wenn er Konsul würde. So skrupellos bearbeitete M. alle, und ihre Briefe an ihre Angehörigen in Rom arbeiteten auch dort gegen Metellus und warben leidenschaftlich für M. Diese [1378] Propaganda traf in Rom auf eine günstige Stimmung, weil gerade der Adel durch die Lex Mamilia eine Niederlage erfahren hatte und das Volk sich bemühte, homines novi hoch zu bringen (Sall. 40. 65. 73, 3ff.). Die Volkstribunen erregten die Masse noch mehr durch Angriffe auf Metellus und Verherrlichung des M. (Sall. 73, 5). So war schließlich eine ganze Volksbewegung für M. in Szene gesetzt: die Handwerker ließen ihr Geschäft im Stich, die Landleute ihre Arbeit (es war also der Winter zu Ende) und strömten ohne Rücksicht darauf, wovon sie nun leben sollten, M. zu, um an seiner Erhebung beteiligt zu sein. Diese geschickte Agitation, die die politische Fähigkeit der Nobilität in Mißkredit brachte, erschütterte die Stellung des Adels. Dem M. hatte Metellus endlich Urlaub gegeben, da er von dem widerwilligen und erbitterten Mann doch nichts hatte (s. o. S. 1376), aber erst im letzten Augenblick, 12 Tage vor der Wahl, von denen er 2 Tage und eine Nacht für den Weg vom Lager bis Utica, 4 Tage für die Überfahrt nach Rom bei günstigem Wind brauchte (Plut. 8, 8. Plin. XI 198, vgl. Sall. 63, 1). Ein Tribun führte ihn sofort vor das versammelte Volk, das ihn in freudiger Spannung erwartete; er sprach scharf gegen Metellus, was gewiß viele als Treubruch tadelten; so empfand es auch noch Cicero (Q. Metellum, cuius legatus erat, summum virum et civem, cum ab eo, imperatore suo, Romam missus esset, apud populum criminatus est. Itaque factus est ille quidem consul, sed a fide iustitiaque discessit off. III 79); er, der erfahrene Soldat, versprach Iugurtha das Leben oder die Freiheit zu nehmen (Plut. 8, 9). So wurde dem Homo novus das ehrenvollste Amt, das Consulat, übertragen.

Der nächste Schritt war, daß ihm, ein Ergebnis der Einmischung des Volkes, auch der Krieg gegen Iugurtha übertragen wurde, obwohl der Senat erst kurz vorher dem Metellus Numidien, d. h. die Weiterführung des Krieges übertragen hatte (Sall. 73. 62, 10, vgl. Cic. Balb. 61; epist. fam. I 7, 10). Er hat den Krieg extra sortem geführt (so das Elogium CIL I2 p. 195),[1] d. h. die Provinz Numidien ist ihm auf Anfrage des Volkstribuns Manlius Mancinus durch Plebiscit übertragen worden (Sall. 73, 7, vgl. Mommsen RG II8 152).

Den M. stimmte die Niederlage des Adels und die Übernahme des höchsten Amts durchaus nicht versöhnlich; sondern er verfolgte den geschlagenen Feind unerbittlich, vielleicht weil der lang gehegte Groll durch das feindliche Verhalten des Metellus aufgepeitscht worden war. Die Gegner des M., die nicht an seinen weiteren Erfolg beim Volk glauben wollten (s. u. S. 1379), hatten nicht in Rechnung gestellt, welche werbende Kraft von dem Volksmanne ausging. Er riß das Volk durch seine Reden in einen Taumel hinein, indem er die schon wankende Autorität der Staatsträger mit gehässigen Redewendungen gänzlich zerbröckelte und dem Volk eine Selbstherrlichkeit einredete, die doch nur Vorspiegelung war, denn der Inhalt des Volksdenkens war Abklatsch von des Agitators Denken und Wollen (vgl. Sall. 40, 5 zur lex Mamilia): jetzt sei die Herrschaft der Vornehmen und Begüterten, die nur Merkmale der Degeneration (μαλακία Plut. [1379] 9, 2) aufwiesen, zu Ende, jetzt beginne der wahre Staat: die Aufgabe sei nun, den ganzen Staat zu verwalten, was ein schwieriges Werk sei, insbesondere für den Homo novus, der den Adel der Leistungen aufweisen müsse, so wie er ihm, M., zur zweiten Natur geworden sei; er werde einen gemeinnützigen, bürgerfreundlichen Oberbefehl ausüben: quam ob rem vos, quibus militaris aetas est, adnitimini mecum et capessite rem publicam; egomet in agmine aut in proelio consultor idem et socius periculi vobiscum adero; omnia matura sunt, victoria praeda laus (Sall. 85, 47f. Plut. 9. Val. Max. II 3, 1. Flor. I 36, 13. Cic. off. III 79).

10. M. als Oberführer im numidischen Krieg. M.’ agitatorisches Talent kam auch der Vorbereitung des neuen Krieges zugute: quae bello opus erant, prima habere (84, 2). Er hielt also den weiteren Krieg durchaus nicht für eine leichte Sache und verließ sich auch nicht darauf, Iugurtha durch diplomatische Ränke in seine Gewalt zu bekommen. Er verlangte Auffüllung der Legionen, was der Senat ihm nicht zu ungern bewilligte, weil sich nach seiner Meinung M. durch Truppenaushebungen unpopulär machen würde, vielleicht aber die Mittel zum Kriege überhaupt nicht zusammenbrächte. Die Gegner des M. hatten nicht mit seiner die Masse fortreißenden Leidenschaft gerechnet: bald war jeder überzeugt, mit Sieg und Beute zurückzukehren (s. o. S. 1378f.). M. brachte sogar eine weit größere Truppenmenge zusammen, als ihm bewilligt war (86, 4), weil er aushob non more maiorum ex classibus, sed uti cuiusque lubido erat, capite censos plerosque (86, 2), eine Maßregel von größter Bedeutung (s. S. 1421). Ob diejenigen recht hatten, die daraus auf Mangel an Tauglichen schlossen, falls M. das alte Rekrutierungssystem angewandt hätte, oder ein bewußtes Hinarbeiten des M. auf die Ergebenheit derer, die nichts zu verlieren hatten und in Abenteuern alles gewinnen konnten (86, 3; vgl. 73, 6): M. wurde so ein Feldherr neuen Stils und zu einer so noch nicht bekannten persönlichen Macht befähigt. Übrigens hatte er außerdem Hilfstruppen von Völkern und Fürsten aufgerufen, aus Latium und dem Bundesgenossengebiet besonders tapfere, ihm persönlich gerühmte oder gar von ihm persönlich im Krieg beobachtete Männer und durch persönliches Zureden Ausgediente gewonnen (84, 2). Erst schickte er seinen Legaten A. Manlius mit einer Transportflotte für Proviant, Sold, Waffen usw. nach Africa (86, 1). Dann fuhr er mit den Truppen ab und landete nach wenigen Tagen in Utica. Der Legat P. Rutilius Rufus übergab ihm das Heer; Metellus sparte sich den Anblick des verhaßten Mannes, dem er nach seiner übersteigerten Behauptung so gut wie nichts mehr gegen Iugurtha zu unternehmen übriggelassen habe (Plut. 10, 1; dazu Sall. 82f.). M. füllte zunächst die Truppenkörper an. Dann begann er sein Erziehungswerk am Heer mit der Schule des kleinen Kriegs; erst zog er nur in fruchtbare Gegenden und überließ den Soldaten, um sie an sich zu fesseln, alle Beute; dann kamen leichtere militärische Aufgaben daran: Angriffe auf Kastelle und schlechtverteidigte Siedlungen, viele unbedeutende Gefechte, die keinen Erfolg versprachen und brachten [1380] außer dem wichtigen, daß die Neulinge allmählich Erfahrung gewannen und mit den älteren Soldaten eine Einheit bildeten. Die Könige hatten sich bei der Ankunft des M. in schwierigeres Gelände zurückgezogen und warteten auf die Gelegenheit, ihre Guerillatechnik anzuwenden (87). Aber M. war auf der Hut vor ihren Schlichen, beobachtete ihre Märsche und Absichten und ließ sie nicht zur Ruhe kommen, griff auch Iugurtha, der Beutezüge in das Gebiet der socii wagte, an und jagte ihm selbst in der Nähe von Cirta die Waffen ab. Daß aber so keine Entscheidung herbeigeführt wurde, sondern die bisherigen Kriegsereignisse, nur mit lebhafterer Methode, repetiert wurden, sah er selbst (88, 4). Jetzt ging er darauf aus, die Basisplätze, die durch Lage und Besatzung für ihn ebenso wichtig werden konnten wie sie es für den Feind waren, systematisch einen nach dem anderen metu aut praemia ostentando zu nehmen und Garnisonen hinzusetzen (was er in größerem Umfang als Metellus konnte, da er mehr Truppen hatte), auch um Iugurtha zu schwächen und zu einer entscheidenden Schlacht zu nötigen. Bocchus hatte ihm übrigens wiederholt freundliche Neutralität zugesichert, womit aber noch nicht sicher war, an wem nun der König zum Verräter würde. Aber auch diese Methode versagte. Iugurtha blieb enttäuschend fern und sogar aliis negotiis intentus, während es für M. Zeit wurde maiora et magis aspera aggredi (89, 3): mußten doch die Hoffnungen seines Consulates erfüllt werden. Von ihm wurde darum die Eroberung der Stadt Capsa offenbar als Gegenstück zur Eroberung von Thala durch Metellus unternommen und zugleich als der große Schlag des Jahres; denn es war schon Spätsommer 107 geworden (89, 6. 90, 1). Die schwierige Unternehmung gelang M. durch seinen Wagemut und seine Verschleierungstaktik schließlich in einem Handstreich. Die Einwohner ergaben sich, aber ihre Stadt wurde niedergebrannt, die Waffenfähigen getötet, die anderen versklavt, die Beute an die Soldaten verteilt: id facinus contra ius belli non avaritia neque scelere consulis admissum, sed quia locus Iugurthae opportunus, nobis aditu difficilis, genus hominum mobile infidum, ante neque benificio neque metu coercitum, fügt der Berichterstatter entschuldigend hinzu (vgl. Cic. off. I 82. Flor. I 36, 14); in der Tat war der fernabliegende Platz militärisch nicht haltbar, die Expedition wahrscheinlich militärisch ohne Bedeutung; aber auf die Afrikaner wirkte der Terror, und das Prestige des M. beim Heer und in Rom war gewahrt und wunderbar gestiegen. Seine Soldaten hatten ohne allen Verlust gekämpft, empfanden das Kommando des M. als maßvoll, waren reich beschenkt, verhimmelten den Feldherrn, dem bald Freund und Feind göttliche Eingebung andichteten, zumal da omnia non bene consulta in virtutem trahebantur (92, 1f.). Auf dieser Bahn des Glücks und Ruhms ging M. rücksichtslos gegen viele andere Bollwerke der Afrikaner vor, soweit sie nicht nur infolge der Angst vor dem Terror leere, zum Niederbrennen geeignete Häusergruppen waren: luctu atque caede omnia complentur (92, 3). Der Bericht ist sehr summarisch; Namen werden nicht genannt.

[1381] Eine weitere schwierige Unternehmung gegen ein Kastell am Mulucha wird schon in das J. 106 zu setzen sein, für welches Jahr dem M. das Imperium jedenfalls verlängert wurde. Winterquartier erwähnt Sallust nicht, was kein zwingender Grund ist, eine zeitweilige Einstellung der Feindseligkeiten abzustreiten (Cambridge Anc. Hist. IX 127). Es ist nicht gut möglich, daß M. nach der im Spätsommer vollzogenen Expedition nach Capsa noch einen Zug in das westliche Numidien bis zur Grenze von Mauretanien, mehr als 1000 km von Capsa weg, unternommen hat (Cleß in Langenscheidts Bibl. zu Sall. bell. Iug. 92. Meinel 22). Der (von Sall. 92, 6. 97, 1 angegebene) Grund für den harten Kampf um diesen Platz: quod ibi regis thesauri erant, wird nicht der einzige gewesen sein: es wurde dadurch Iugurtha aus einem großen Teil seines Reiches verdrängt, der zweideutige König von Mauretanien eingeschüchtert; so konnte der Krieg schneller beendigt werden. Das Unternehmen drohte aber zu scheitern, der Mut der römischen Truppen sank; M. multis diebus et laboribus consumptis anxius trahere cum animo suo, omitteretne inceptum, quoniam frustra erat; quae cum multos dies noctisque aestuans agitaret – bringt ihm ein sonderbarer, ganz unmilitärischer Zufall (ein ligurischer Soldat entdeckt auf der Suche nach Schnecken einen Zugang zur Festung) Rettung: sic forte correcta Mari temeritas gloriam ex culpa invenit (Sall. 92–94. Frontin. III 9, 3. Flor. I 36, 14).

Daß der Feldzug zum Mulucha ein Glied in einer größer angelegten Operation war, darf daraus geschlossen werden, daß der Quaestor L. Cornelius Sulla cum magno equitatu im Lager eintraf, für M. angesichts der großen numidischen Reiterei (Oros. V 15) eine willkommene Verstärkung, wenn er auch von Sulla, den er für verweichlicht hielt, damals noch keine hohe Meinung hatte (Val. Max. VI 9, 6). M. hatte ihn in Rom zurückgelassen, um diese Reiterei in Latium und bei den Bundesgenossen mobil zu machen (95, 1). Da die Überfahrt des M. mit seinem Heere erst tief im J. 107 vor sich gegangen sein kann (s. S. 1380), ist es nicht zu auffallend, wenn Sulla mit der Reiterei im J. 107 nicht rechtzeitig nach Afrika gelangen konnte, um noch in den Krieg einzugreifen, und erst 106 die Überfahrt ausführen konnte. Es ist auch möglich, daß M. von dem südlichen Numidien aus, wo er im Herbst 107 stand, im Frühjahr 106 direkt nach Westnumidien zog (Meinel nach Marcus Parallèle entre les opérations militaires de Metellus et Marius contre Iugurtha, les premières invasions des Arabes et les exploits des Français dans l’Algérie 765), während Sulla von den Küstenstädten aus einen nördlichen Weg nahm, so daß sie sich erst in Westnumidien vereinigen konnten. – Sulla gewann in kurzer Zeit durch sein Benehmen M. und die Soldaten (Sall. 96, 4). Trotz des Vorstoßes des M. bis an die Grenze von Mauretanien gelang es Iugurtha, Bocchus zu bewegen, mit einem ansehnlichen Heere zu ihm zu stoßen. Daß Bocchus sich für den Krieg entschloß, wird nicht nur auf die eindringliche Mahnung des Iugurtha und die Bestechung der Leute um Bocchus zurückgehen, auch nicht auf das Versprechen, ihm ein Drittel Numidiens zu [1382] geben, wenn die Römer aus Afrika verdrängt würden oder beim Kriegsabschluß wenigstens sein Gebiet ungeschmälert bliebe (Sall. 97, 2). Daß Sulla nach seiner Ankunft am Mulucha Gelegenheit hatte, in operibus, in agmine atque ad vigilias multus adesse und in kurzer Zeit sehr kriegskundig wurde (96, 1ff.), läßt auf weitere Züge in jenen Gegenden schließen, und zwar auch gegen Bocchus: er ließ nicht zu, daß M. den Teil Numidiens verwüstete, aus dem er, Bocchus, den Iugurtha einmal vertrieben hatte – offenbar dasselbe Stück Numidien, das dem Bocchus in friedlicher Vereinbarung zu überlassen Iugurtha nunmehr bereit war (vgl. Sall. 102, 13. Appian. Num. 3). Als M. auf dem Rückweg zum Winterquartier (106/05) begriffen war, wurde er von dem vereinigten Heer überfallen. M. geriet in eine bedrohliche Lage; er griff persönlich in den Kampf ein; Tatkraft und Disziplin brachten wieder den Sieg und große Beute an Waffen und Feldzeichen (Sall. 97ff.). M. nahm darauf den Marsch zu den Winterquartieren mit größter Vorsicht wieder auf; es kam zu einer blutigen Schlacht nicht weit von Cirta, die zeitweise für die Römer ungünstig stand, namentlich als Iugurtha dem römischen Fußvolk auf lateinisch zurief, die Römer kämpften vergebens, er habe eben den M. mit eigener Hand getötet, und ein blutiges Schwert zeigte. Doch endete der Kampf durch entscheidendes Eingreifen des Sulla und des M. mit einer blutigen Niederlage der Afrikaner (101). M., haud dubio iam victor, gelangte nach Cirta, das damit wiedergewonnen wurde, falls es verlorengegangen war (vgl. Cass. Dio frg. 89, 5. Oros. V 15, 10. Cambridge Anc. Hist. a. O.).

Die Wichtigkeit der Schlacht wird durch die Tatsache bestätigt, daß Bocchus wenige Tage nachher M. um die Entsendung zweier zuverlässiger Unterhändler bat. Er sandte sofort Sulla und A. Manlius; Sulla führte geschickt das Wort. Inzwischen unternahm M. vom Winterlager aus mit leichtbewaffneten Cohorten und einem Reitertrupp einen Zug nach einem Kastell in der Wüste. Als er abwesend war, gelangten fünf Gesandte des Bocchus ins Winterlager, wo sie Sulla, von M. pro praetore zurückgelassen, gütig empfing. Sie teilten ihm die Botschaft des Bocchus mit: sie sollten mit Genehmigung des M. nach Rom zu Unterhandlungen gehen, die dem Krieg auf jede mögliche Art ein Ende machen sollten; Sulla möchte ihnen als fautor consultorque beistehen. Sulla belehrte sie, was sie M. und später dem Senat vortragen sollten. Aber erst nach ungefähr 40 Tagen kehrte M. von seinem erfolgreichen Zug zurück; er entbot die Gesandten, ferner Sulla, den Praetor L. Bellienus und alle Männer senatorischen Ranges zu sich. M. erteilte den Gesandten Befehl, nach Rom zu gehen; inzwischen sollte ein Waffenstillstand in Kraft treten. Die Antwort des Senats war kühl, aber doch für Bocchus, wenn er wollte, ermutigend. Er bat den M. in einem Schreiben, Sulla mit unbeschränkter Vollmacht zu ihm zu schicken. Nicht ohne Gefährdung gelangte Sulla zu Bocchus. Als dieser nur bewaffnete Neutralität für den weiteren Krieg zwischen Rom und Iugurtha anbot (110), erklärte Sulla das Angebot für unzureichend und drängte ihn, Iugurtha auszuliefern. Bocchus lud Iugurtha [1383] zu sich, schwankte aber lange, bis er zuletzt dem Rat des Sulla folgte (113, 4). Iugurtha ging in die Falle: Sullae vinctus traditur et ab eo ad Marium deductus est (113, 7). So war der Krieg gegen Iugurtha beendet, aber schließlich doch nur durch Verrat, wenn auch der Verräter unter dem Eindruck der römischen Eroberungszüge stand. Und diese Auslieferung Iugurthas war durch Sullas Geschicklichkeit herbeigeführt worden – ein Grund zur Verfeindung von Sulla und M., zumal da Sulla sein Verdienst sogar prahlerisch betonte: so ließ er sich einen Siegelring anfertigen, auf dem die Auslieferung des Iugurtha durch Bocchus an ihn dargestellt war, trug ihn beständig und gebrauchte ihn zum Siegeln (Plut. Mar. 10, 8; Sulla 3; mor. 806 d. Val. Max. VIII 14, 4). Natürlich dachten auch die aristokratischen Gegner des M. das Stichwort aus, daß die ersten und wichtigsten militärischen Erfolge Metellus, den diplomatischen Endeffekt und damit das Ende des Krieges Sulla erzielt habe (Plut. Mar. 10, 9).

Am Ende des J. 105 kehrte M. aus Afrika zurück (Sall. 114, 3); er war abwesend zum zweitenmal zum Consul gewählt worden trotz der Opposition, die sich auf das Gesetz berief (Plut. 12, 1), und zwar nach der Niederlage des Servilius Caepio (s. u. S. 1384), d. h. nach dem 6. Oktober (Plut. Lucull. 27. Vell. II 12, 2. Eutrop. 5, 1) und nach Eintreffen der Nachricht, daß Iugurtha in Fesseln auf dem Weg nach Rom sei. Am 1. Januar 104, am 1. Tage seines 2. Consulats hielt M. mit großem Glanz seinen Triumpheinzug in Rom (Elogium a. O. Sall. 114, 3. Plut. 12. Vell. II 12, 2.). Das Prunkstück war neben dem erbeuteten Gold und Silber der vor dem Wagen des M. mit zwei Söhnen einhergeführte Iugurtha, der angeblich während des Aufzugs den Verstand, nach ein paar Tagen recht unköniglicher Behandlung das Leben verlor. Nach dem Aufzug versammelte M. den Senat auf dem Kapitol; über den Inhalt des Aktus wird nichts berichtet; aber der Senat nahm es M. übel, daß er aus Unachtsamkeit oder τῇ τύχῃ χρώμενος ἀγροικότερον im Triumphkleide auftrat, was allerdings noch kein Triumphator getan hatte; als er merkte, daß der Senat daran Anstoß nahm, ging er hinaus und kam in der purpurverbrämten Toga zurück (Plut. Mar. 12, 7. Liv. per. 67). Die Betonung der Formfrage oder vielmehr der obersten staatlichen Autorität durch den Senat läßt erkennen, daß das gläubige Urteil über M.: ea tempestate spes atque opes civitatis in illo sitae (Sall. 114, 4) nicht das der Senatskreise war (Cic. p. lege Man. 60 hat nur rhetorischen Wert).

11. M. im Germanenkrieg.

a) Bis zur Schlacht bei Aquae Sextiae.

Fast gleichzeitig mit der Freudenbotschaft von der Gefangennahme Iugurthas traf in Rom die Nachricht von dem drohenden Einfall der in ungeheurer Stärke anrückenden Cimbern und Teutonen ein (Plut. Mar. 11. 12. Strab. VII 293. Vgl. zum Folgenden Camille Jullian, Histoire de la Gaule III 53ff. Koepp in Gebhardt Handb. d. deutschen Gesch.7 1930, 44ff.). Diese Gefahr sollte M. vor eine noch größere Aufgabe stellen als er schon erfüllt hatte. So nahe war die Gefahr und so groß die Erregung in Rom bisher nicht gewesen. [1384] Zuerst waren die Cimbern in Illyricum plündernd aufgetaucht und hatten den Consul des J. 113 Cn. Papirius Carbo bei Noreia vernichtend geschlagen (Liv. per. 63. Tac. Germ. 37. Vell. II 12, 2. Eutrop. IV 25. Flor. I 38. Obsequens 98. Jullian a. O. 59). Dann hatte der Consul des J. 109 M. Iunius Silanus in Gallien gegen die Cimbern mit Mißerfolg gekämpft; der Senat hatte die Forderung der Cimbern, ihnen Wohnsitz und Felder zur Siedlung zu überlassen, abgewiesen (Liv. per. 65. Flor. I 38, 2). Schlimmer, gefahrdrohend und entmutigend war die Lage im J. 105 geworden. Erst hatten die Cimbern den Legaten M. Aurelius Scaurus geschlagen, gefangen genommen und umgebracht; dann waren der Proconsul Q. Servilius Caepio und der Consul Cn. Mallius am 6. Oktober 105 in der Nähe von Arausio unter erschütternden Verlusten besiegt worden, was den Römern so nahe ging, daß sie dem angeblich unbesonnenen Caepio zur Strafe das imperium nahmen und die Güter konfiszierten (Liv. per. 67. Sall. 114, 1. Vell. II 12, 2. Oros. V 16. Ihm o. Bd. III S. 2548. Münzer Röm. Adelsfamilien 288). Jetzt drohte der Einbruch der Sieger, angeblich 300 000 waffenfähige Männer, die Hunger nach Land und Siedlungen hatten, den nach dem Vorgang der Gallierinvasion das mit Zerstörung bedrohte Rom stillen sollte (Plut. Mar. 11, 3. 14. Sall. bell. Iug. 114, 4. Cic. Pomp. 60; prov. cons. 32).

In diesem Augenblick gab es für Rom stimmungsgemäß wie rein sachlich kaum eine andere Entscheidung als M. dem Feind entgegenzustellen. Nur von ihm konnte man erwarten, daß er ein hinreichend großes Heer aufstellen würde. So wurde er abwesend ohne sein Zutun (Liv. per. 67. Vell. II 12, 2; de vir. ill. 67), zusammen mit C. Flavius Fimbria zum Consul gewählt mit Dispensation von dem Gesetze, daß niemand das Consulat mehr als einmal übernehmen dürfe, nicht ohne Widerspruch, natürlich der nobiles, der aber vom Volk zurückgewiesen wurde: das Wohl des Staates sei mehr wert als die Satzung; es liege auch ein Präzedenzfall vor, da Scipio gesetzwidrig Consul geworden sei zur Zerstörung Karthagos, nicht einmal bei so unmittelbarer Gefahr für die Hauptstadt (Liv. per. 67. Vell. II 12, 1. Cic. Pomp. 60; Flor. I 38, 5; de vir. ill. 67, 2. Plut. Mar. 12, 1; vgl. Mommsen Staatsr. I 521, 1). So wurde M. Gallien als Provinz zugewiesen. Aus Afrika zurückgekehrt bemühte er sich, ein starkes Heer aufzustellen. Es setzte sich nicht, mindestens nicht im wesentlichen, aus Bestandteilen des von ihm in Afrika geführten Heeres zusammen, sondern aus den Überresten der bei Arausio geschlagenen, aber schon vom Consul des J. 105 P. Rutilius Rufus wieder in Zucht genommenen Legionen (Veget. de re milit. 3, 10. Frontin. IV 2, 2; dementsprechend kämpfte Sertorius bei Arausio mit und stand dann im Heere des M.: Plut. Sert. 3). Im übrigen werden ligurische Hilfstruppen genannt (Plut. Mar. 19, 5); für ein großes Aufgebot von Auxilia zeugt, daß M. im Auftrag des Senates sogar den König Nikomedes von Bithynien um Hilfe bemüht haben soll (Diod. XXXVI 3, 1 Dindorf). Ein Zeugnis dafür, daß M. im J. 104 an einer Umgestaltung des Heerwesens gearbeitet hat, ist die Nachricht, daß Romanis eam [1385] (aquilam) legionibus C. Marius in secundo consulatu suo proprie dedicavit (Plin. n. h. X 16. Marquardt Staatsverw. II2 354). Im besonderen hielt M. es für nötig, die Truppen vor einem Kampf mit den Feinden erst gründlich auszubilden; es ging diese Arbeit jedoch nicht nur, wie Plutarch (Mar, 13, 1) sagt, καθ’ ὁδόν vor sich, sondern, weil die Feinde nicht sobald erschienen, ebenso wie der ganze apparatus belli (Vell. II 12, 3) durch die Jahre bis zum Entscheidungskampf fort (Plut. Mar. 14, 1). Zunächst stählte er die physischen Kräfte der Truppen durch Laufübungen aller Art, lange Märsche, Gepäcktragen, Selbsthilfe in der Verpflegung, so daß sie fügsam und schweigend die Befehle ausführten; deshalb nannte man sie oder sie sich selbst auch Marianische Esel. Die Bezeichnung war aber offenbar als Soldatenscherz nicht eindeutig; sie wurde auch einer großen Holzgabel beigelegt, auf der die Soldaten ihr Gepäck bequemer verteilt tragen sollten (Frontin. strat. IV 1, 7. Fest. p. 149). Ferner ließ M., um die Soldaten während der sich ausdehnenden Erwartung eines feindlichen Angriffs zu disziplinieren, am Unterlauf der Rhone einen Kanal bauen. Denn zweifellos sorgte er nicht erst, als die Feinde tatsächlich anrückten, für die Öffnung eines kürzeren und schnelleren Zufuhrwegs durch das Rhonedelta. Diese Nachricht ist von Plutarch (Mar. 15, 2) an den Bericht angeschlossen, daß M. in das Sperrfort an der Rhone einen reichen Vorrat von Lebensmitteln habe bringen lassen, bezieht sich aber auf die vorhergehende Zeit: er läßt τὸν στρατὸν σχολάζοντα den Kanal bauen (15, 4), und die murrenden Soldaten nennen ihre Leistungen, nämlich τάφρους ὀρύσσειν καὶ πηλόν ἐκκαθαίρειν καὶ ποταμούς τινας παρατρέπειν die Prunkstücke seiner Consulate (τῶν ὑπατειῶν 16, 8). Es hatte sich offenbar gezeigt, daß die Zufuhr für das an der Rhone stehende Heer umständlich und kostspielig war, weil für die Proviantschiffe infolge der Verschlammung des Rhonedeltas die Fahrt vom Meere her nur schwierig und langsam vor sich ging. Dem half M. ab, indem er vom Heere von Arelate bis Massilia einen großen Kanal ausheben ließ; in das Bett leitete man einen Teil der Rhone. Der Kanal mündete noch östlich vom Os Massilioticum mit tiefem, gegen Wind und Wellen geschützten, auch für große Schiffe geeigneten Ausfluß. Damit hatte der Praktiker M. eine für die Kriegsführung höchst wichtige Vorarbeit geleistet und zugleich als kluger Zuchtmeister seine Leute tüchtig herangeholt. Der Kanal wurde nach M. benannt ( ἔτι ἄπ' ἐκείνου τὴν ἐπωνυμίαν φυλάττει Plut. a. O. 15; fossae ex Rhodano, C. Mari opere et nomine insignes Plin. n. h. III 34). Er schenkte ihn später den Massilioten als ἀριστεῖον κατὰ τὸν πρὸς Ἄμβρωνας καὶ Τωυγενοὺς πόλεμον (Strab. IV 183; vgl. Möllenhoff Deutsche Altertumsk. II 296, 1). Sein Bett ist unter dem Namen Marais de la Foz teilweise noch vorhanden (Forbiger Handb. d. alten Geogr. III 2, 90. Desjardin Géogr. de la Gaule 1169ff. 199ff. Ihm o. Bd. VII S. 75).

Es ist sehr fraglich, ob M. diese Aufstellung und Ausbildung des Heeres gelungen wäre, wenn die Cimbern und Teutonen die günstige Gelegenheit zu einem sofortigen Vorstoß nach Italien und [1386] Rom ausgenutzt hätten. Ein großer Glücksfall war es für M., daß die Germanen aus undurchsichtigen Gründen zunächst nicht vorwärtsfluteten, sondern erst das Gebiet zwischen Rhone und den Pyrenäen verwüsteten und dann nach der iberischen Halbinsel zogen (Liv. per. 67. Obsequ. 43). Aber M. war auf ihre Wiederkehr gefaßt. So benutzte er die Zeit, die Truppen nicht nur weiter körperlich zu schulen, sondern auch seelisch zu festigen und selbst mit ihnen zusammenzuwachsen (Plut. Mar. 14, 1; woraus ebenfalls hervorgeht, daß nicht etwa sein im Iugurthinischen Kriege gebildetetes Heer für den Germanenkrieg bei den Fahnen blieb). Die Soldaten gewannen Verständnis für seine unerbittliche Strenge, weil er auch unparteiisch war, und sahen in seinem martialischen Auftreten eine Chance für ihren Sieg über den in der Vorstellung des Heeres martialischen Feind (Plut. Mar. 14, 2). Sie erklärten auch, nur unter M. fechten zu wollen, was dazu beitrug, ihm für die nächsten drei Jahre 103–101 das Consulat zu verschaffen (ei propter metum Cimbrici belli continuatus per complures annos consulatus: Liv. per. 67. Eutrop. V 1, 3). Das zweite Consulatsjahr war verstrichen, ohne daß die Germanen erschienen. Es scheint, daß die Wahlen erst spät stattfanden. Man wählte M. als den einzigen Mann, dem man das Kommando gegen die im nächsten Frühjahr zu erwartenden Germanen anvertrauen konnte, zum dritten Male, und zwar in seiner Abwesenheit (Plut. Mar. 14, 9. Liv. per. 67) zum Consul, zusammen mit Lucius Aurelius Orestes. Stimmung machte für ihn, daß er sich bei einem peinlichen Vorfall einem Offizier gegenüber gerecht zeigte, der einen Neffen des M., C. Lusius, in der Notwehr getötet hatte (Plut. Mar. 14, 3ff. Cic. Mil. 9).

Die Germanen erschienen aber auch im J. 103 noch nicht; sie haben offenbar in diesem Jahre den Zug nach Nordgallien unternommen und sich dort mit den Teutonen vereint (und zwar im Gebiet der Veliocasser, nach einer annehmbaren Konjektur Mommsens zu Liv. per. 67), auch größere Kämpfe ausgefochten (Caes. bell. Gall. II 4. 29). So ging für M. auch das dritte Consulatsjahr in apparatu belli consumptus (Vell. II 12, 3) ohne besondere Ereignisse vorüber, und bei den Wahlen des Jahres war die Situation für ihn im wesentlichen unverändert. Sein Kollege war gestorben. M. ließ den Legaten Manius Aquilius beim Heer und begab sich nach Rom, um die Consularcomitien zu halten. Er fand zahlreiche beachtliche Mitbewerber vor. Der Demagoge L. Appuleius Saturninus agitierte für die Wahl des M. Dieser war seines Erfolgs nicht ganz sicher; so verstand er sich zu der Komödie, zum Schein die Wahl abzulehnen (dissimulanter captans consecutus est Liv. per. 67): er begehre das Amt nicht; worauf ihn Appuleius als ,Vaterlandsverräter‘ ,brandmarkte‘, weil er in der kritischsten Lage des Staates sich von der obersten Heeresleitung drücke. So wurde dem Volk klar gemacht, daß die Lage gebieterisch nach der Tüchtigkeit und dem Glück des M. rief; er wurde zum vierten Male Consul, zusammen mit Q. Lutatius Catulus (Plut. 14, 11ff. Cic. Arch. 5).

Wenn man die Meinung Delbrücks (Kriegskunst 435), daß sich alle Einzelheiten des Germanenkrieges, [1387] die berichtet werden, bei näherer Betrachtung als Wachtstubengeschichten und Adjutantenklatsch erweisen, als in der Skepsis übersteigert ablehnt, so ergibt sich von den Vorgängen folgendes Bild: Es war dafür gesorgt, daß M. über die Bewegungen der Feinde auf dem laufenden gehalten wurde (vgl. Plut. Sert. 3, wo wir einen Einblick in die Spionage bekommen). In Rom lief die Nachricht ein, daß die Feinde im Anmarsch seien (vgl. zum Folgenden Jullian III 69–93. Clerc La Bataille d’Aix, 1906. Kurt Weikelt Die Schlacht bei Aquae Sextiae, Lpz. 1928; dort s. auch weitere Literatur). Die Cimbern und Teutonen werden sich nicht vor Frühjahr 102 aus Nordgallien in Bewegung gesetzt haben. Auf die Nachricht hin ging M. eilig über die Alpen und legte an der Rhone, wo die Isara einfließt (Oros. V 16, 9; anders Jullian und andere, die an die Durancemündung denken), ein befestigtes Lager an als Waffenplatz und als Proviantmagazin. Er ließ reichlich Lebensmittel (χορηγίαν ἄφθονον) hineinschaffen als eine Art ,eiserner Bestand‘, damit er seine Entschlüsse über den für eine Schlacht günstigen Zeitpunkt ohne Rücksicht auf die Ergänzung der Heeresverpflegung fassen konnte, wobei ihm zugute kam, daß er für Öffnung eines kürzeren und schnelleren Zufuhrweges gesorgt hatte (s. o.). Ein neuer für M. glücklicher Zufall war es, daß die Germanen sich in zwei Gruppen teilten; ob Uneinigkeit der Stämme oder ihrer Führer der Grund war oder ob die Germanen glaubten, sie könnten sich diese Erleichterung des Marsches erlauben, weil sie die Römer oft genug besiegt hatten (so Delbrück Weltgesch. I 483), ist undurchsichtig. Die Cimbern übernahmen es, von Nordosten her über die Alpen nach Italien vorzudringen; die Abwehr im Etschtal fiel dem Consul des J. 102 Q. Lutatius Catulus zu. Die Teutonen und Ambronen hingegen planten, διὰ Λιγύων ἐπὶ Μάριον παρὰ θάλατταν anzurücken – eine Angabe, die in ihrer Unbestimmtheit nicht dazu zwingt, den Anmarsch der Germanen von Norden her und die Anlage des großen Lagers an der Isère durch M. abzustreiten (vgl. Mommsen RG II8 184). Da die Cimbern für ihren Zug geraume Zeit mehr brauchten, als sie angenommen hatten, und die Teutonen nicht warteten – ob aus Mangel an strategischer Besonnenheit bei Führer und Heer oder aus anderen Gründen, ist nicht klar –, so gestaltete sich für M. der ganze Feldzug noch günstiger. Es erschienen die Teutonen und Ambronen (nach Oros. V 16, 14: die Tiguriner und Ambronen; die Teutonen und Cimbern seien über die Alpen gezogen, vgl. Strab. IV 183; dagegen das Elogium: IV cos. Teutonorum exercitum delevit: V cos. Cimbros fudit) mit ungeheurem Getöse in der Rhoneebene, lagerten sich und suchten den M. zur Schlacht zu reizen. Dieser brauchte oder wollte sich aber den Zeitpunkt zur Schlacht nicht aufzwingen zu lassen, blieb gelassen, hielt das Heer im Lager fest und führte strenge Zurückhaltung durch, weil er sich der großen Verantwortung bewußt war und die Schwierigkeit der Aufgabe sah, ὅπως νέφος τοσοῦτον πολέμου καὶ σκηπτὸν ὠσάμενοι διασώσουσι τὴν Ἰταλίαν; so konnte er auch die zum hitzigen Losschlagen drängenden höheren Offiziere hart anfassen und sogar, wohl [1388] um ihr Drängen scharf abzuweisen, als Vaterlandsverräter bezeichnen (Plut. 16, 1. 2. Flor. I 38, 5. Polyain. VIII 10, 1).

Die Unzufriedenheit der Truppenbefehlshaber mit dem zaudernden Verhalten des M. braucht nicht auf die Truppen übergesprungen zu sein, sondern ihr rebellierendes Schimpfen ist als eine Art Schützengrabenstimmung auch ohnedies verständlich. Er gab auch ihnen strenge Verweise, wenn sie zuviel Kühnheit und Kampflust zeigten. Sein Verhalten erscheint nicht rätselhaft, wenn man annimmt, daß er nach all dem Unglück, das die römischen Heere bisher im Kampf mit den Germanen hatten, sein Heer zum entscheidenden Schlag noch nicht für hinreichend geschult hielt. Vor allem erzog er die Soldaten methodisch zur Gewöhnung an den Feind, und diese Schulung wird er noch weiter bis zur Entscheidungsschlacht für notwendig gehalten haben. Die Truppen wurden abteilungsweise auf den Lagerwall kommandiert und hatten Auftreten, Bewegung, Rüstung der Feinde zu beobachten, so daß für sie die fremde Art schließlich nichts Befremdliches und Einschüchterndes an sich hatte. Natürlich war es ihnen unerträglich, daß die Feinde großsprecherische Aufforderungen herüberriefen, die ganze Gegend ausplünderten und sogar Angriffe auf die Verschanzungen unternahmen, während sie untätig zusehen mußten. Aus dieser Überreizung ist der Spott der Soldaten über M. zu verstehen: sie hatten am Kanalbau geschuftet und waren militärisch geschliffen worden; sie fühlten sich und ihren Feldherrn erhaben über die früher im Rhonegebiet besiegten römischen Heere und Feldherrn; so mußte ihnen selbst ein unglückliches Vorgehen erträglicher erscheinen (παθεῖν τι δρῶντες ὡς ἐκεῖνοι κάλλιον) als die Untätigkeit (Plut. 16).

M. war großzügig genug, sich über diese Ungeduld der Heißsporne, die sich durch Knurren und Schimpfen Luft machte, sogar zu freuen. Er versicherte ihnen zur Beruhigung, daß seine Handlungsweise nicht Ausfluß eines Mißtrauens gegen sie sei, sondern er warte die günstige Zeit und den günstigsten Ort ab auf Grund von Orakeln, wie er hinzufügte (Plut. Mar. 17, 1. Val. Max. I 3, 4. Frontin. strat. I 11, 12). Dabei war und ist es nicht klar, ob er sich nur auf sie berief, um die Soldatenseele gefügig zu machen, oder ob er selbst an sie glaubte. Das ist bei dem Bauernsohn doch als sehr wahrscheinlich anzunehmen; zudem hatte seine Frau die besonderen Fähigkeiten einer Syrerin Martha erprobt und M. in ihren magischen Kreis gedrängt und ihn sogar zu ihren Bewunderern gemacht. Daher folgte diese dem Heer des M. und trat bei den Opfern, die er nach ihrem Ermessen vollzog, mit mystischem Brimborium auf, worüber die Skeptiker (man darf annehmen, daß hier Sullas Aufzeichnungen reden) sich ärgerten und fragten, ob M. hier nur Betrogener oder auch Betrüger sei (Plut. 17).

Die Zurückhaltung des M. zwang die Teutonen in die Stellung des Angreifers: Marius summa vi oppugnata a Teutonis et Ambronibus castra defendit (so Liv. per. 68; stärker als Plut. 18, 1); Teutones continuo triduo circa Romanorum castra pugnarunt (Oros. V 16, 9): sie wurden vom Wall herab mit Wurfgeschossen empfangen und erlitten [1389] Verluste. Aus den Quellen wird es nicht begreiflich, wie sie sich entschließen konnten, ohne sich um die römische Befestigung zu bekümmern, nunmehr den Vormarsch über die Alpen an einer anderen Stelle zu versuchen. Vermutlich lag die römische Befestigung so, daß die Teutonen nicht das Isartal hinauf zu marschieren wagten; sie zogen also nach Süden, um dann in der Gegend der Durance nach Osten abzubiegen (Flor. I 38, 6). Sie sollen sechs Tage lang dicht an der Befestigung mit Spottreden vorbeigezogen sein. M. nutzte diese Gelegenheit zum Kampf nicht aus, weshalb nicht, ist unklar; er mag seinen Soldaten den Erfolg doch noch nicht zugetraut haben (vgl. non ausus congredi statim Flor. I 38, 5). Er folgte vorsichtig und lagerte stets in der Nähe der Feinde, aber in möglichst gesichertem Lager.

b) Die Schlacht bei Aquae Sextiae. Als die Teutonen in die Gegend von Aquae Sextiae kamen, beschloß M., ihnen den Eintritt in die Alpen mit Gewalt zu wehren. Er hatte sie offenbar durch eine schnelle Bewegung überholt, so daß er in der Nähe der Vorhut der Teutonen stand (Plut. Mar. 18, 6; mor. 202 c. Frontin. II 7, 12. Flor. I 38, 7. Weikert 31. 36. Zur Topographie und zum Verlauf der Schlacht vgl. Kaufmann Deutsche Altertumskunde I 23. Jullian III 71, 6. Weikert 33ff.). Während die Feinde in dem Flußtal lagerten, baute M. auf höherem Gelände eine Stellung aus, die militärisch sehr günstig war. Der ἰσχυρὸς τόπος (Plut. 18), ein collis, qui campo et fluvio imminebat (Oros. IV 16, 10) ist der südlich des Arc sich hinziehende, allmählich bis 100 m über das Flußbett ansteigende Montaignet; die Feinde lagerten in der Ebene nördlich vom Fluß bei Aquae Sextiae, das etwa 2 km vom Fluß ablag. Durch diese Stellung des M. war den Feinden die Möglichkeit genommen, ohne Kampf durch das ostwärts nach Fourrières sich erstreckende Défilé weiterzuziehen (vgl. Kromayer-Veith Schlachtenatlas, röm. Abt. Blatt 13 und die Diskussion über die topographischen Fragen bei Weikert 35ff.). In Anbetracht der Vorzüge dieser Stellung schlug er Wasserknappheit gering an; daß er den in dieser Hinsicht mangelhaften Platz wählte, um den Soldaten den Platz unleidlich und die befreiende Entscheidung besonders begehrenswert zu machen, ist als Lagerklatsch zu werten, der sich aus einer charakteristischen Äußerung des M. (,Dort am Fluß ist Wasser für Blut zu haben‘) entwickelt haben kann. Ebenso ist die Nachricht von der imprudentia metatorum (Frontin. II 7, 12) und das Bedenken consultone id agerit imperator an errorem in consilium verterit (Flor. I 38, 8) zu werten. Das Wasser war so knapp, daß die Troßknechte ohne Erlaubnis, mehr mit Eimern als Waffen versehen, zum Flusse liefen. Dort trafen sie zunächst auf nur wenige Feinde, da die meisten gerade die Gelegenheit ergriffen hatten, die warmen Bäder zu benutzen, oder nach dem Bad frühstückten. Es entstand allmählich Lärm und Geplänkel. Die Soldaten, die um das Schicksal der Troßknechte besorgt waren, konnte oder wollte M. nicht zurückhalten. Inzwischen waren die besonders streitbaren Ambronen (sie hatten im J. 105 den Römern unter Mallius und Caepio die große Niederlage beigebracht), [1390] angeblich 30 000, zu den Waffen gelaufen und rückten, satt gegessen und durch den Genuß des unverdünnten Weines in aufgeräumter Stimmung, mit Schlachtruf, taktmäßigem Zusammenschlagen der Waffen und gleichem Schritt vor. Den Angreifern standen die ligurischen Hilfstruppen am nächsten: sie stießen, ohne den Befehl des M. abzuwarten, erregt mit gleichem Kampfgeschrei wie die Ambronen zum Tal vor und trafen auf den Teil der Ambronen, der über den Fluß gegangen und noch nicht zum Kampf geordnet war. Es kam sofort zu einem Handgemenge. Andere römische Truppen kamen den Ligurern zu Hilfe; von dem höheren Gelände aus anstürmend brachten sie die Ambronen zum Wanken. Zusammendrängung am Fluß und Gemetzel folgte; dann gingen die Römer hinüber. Im Kampfe wurden die Germanen bis zur Wagenburg gedrängt, wo die germanischen Weiber, auch gegen die zurückweichenden Ambronen gewandt, in das Handgemenge eingriffen. Bei einbrechendem Abend zogen sich die Römer in ihr Lager zurück (Plut. Mar. 19. Liv. per. 68. Vell. II 12, 4. Flor. I 38, 7. Oros. V 16, 10. Eutrop. V 1, 4).

So war das von M. nicht geplante Treffen zu seinen Gunsten ausgefallen. Trotzdem verbrachte er im nur schwach befestigten Lager die Nacht in Besorgnis vor einem unübersichtlichen Nachtgefecht gegen die gereizten und aufgeregt lärmenden Feinde, die in der Hauptmasse noch gar nicht in den Kampf eingetreten waren. Der folgende Tag ging mit Vorbereitung der Schlacht auf beiden Seiten hin: M. gelang es, in das waldige Berggebiet, das die Stellung der Teutonen in ihrem Rücken beherrschte, den Legaten Claudius Marcellus mit 3000 Mann zu Fuß am Abend unbemerkt einrücken zu lassen (Plut. Mar. 20, 5. Polyain. VIII 10, 2). Dann rangierte er den Angriff gutdurchdacht. Er stellte die wohlausgeschlafenen Soldaten bei Tagesanbruch (des dritten Tages: Plutarch; des vierten: Orosius) vor dem Lager auf und schickte die Reiterei in die Ebene vor. Die Feinde stürmten hitzig die Abhänge hinan, während die Römer, gemäß dem durch die Offiziere weitergegebenen Kommando und der vorbildlichen Haltung des M., ruhig warteten, bis sie mit Erfolg die Pila schleudern konnten; dann arbeiteten sie im Nahkampf mit Schilden und Schwertern. So konnten die Teutonen keinen festen Fuß fassen und waren gezwungen, sich zur Ebene zurückzuziehen, um sich neu zu ordnen. Da griff Marcellus, der die Lage zur rechten Zeit erfaßt hatte, vom Rücken her im Laufschritt ein. Unordnung verbreitete sich bei den in die Zange genommenen Kämpfern; sie flohen. Es ist durchaus glaublich, daß die ungewohnte Hitze die Teutonen lähmte und daß die Römer sie wie fast wehrlose Schlachtopfer niedermachten (Oros. V 16, 11) und den Rest des geschlagenen Feindes in der Nacht und am folgenden Tage nicht zur Ruhe kommen ließen (Frontin. II 9, 1). Die Zahl der Gefallenen, die Plutarch nennt, 100 000, wurde nach seinem eigenen Bericht von anderen Geschichtsschreibern bestritten (Mar. 21, 6). Umstritten war auch schon, ob die Soldaten, im Besitz von Zelten, Wagen und der Habe der Geschlagenen, beschlossen, dem M. die Beute (nach Abzug der schon unterschlagenen Stücke) zu widmen, [1391] was er für keine ausreichende Anerkennung seiner Leistung angesehen habe; ein bedenklicher Bericht, da die Kriegsbeute von Rechts wegen nicht den Soldaten zufiel (Marquardt Staatsverw. II2 282ff.). Eher wird zutreffen, daß M. den Soldaten, um sie zu belohnen und aufzumuntern, die Beute verkauft habe, und zwar sehr billig; es sollte nur nicht der Schein erweckt werden, als ob er sie ihnen ganz schenke (Dio frg. 92, 1 Melb.).

Ein scheinbar genaues Datum der Schlacht gibt die Nachricht, daß M. bei der Siegesfeier die Botschaft erhielt, er sei für 101 zum Consul erwählt worden. Wenn auch der Bericht, die Botschaft sei ausgerechnet im programmäßig geeignetsten Augenblick der Feier eingelaufen (s. u.), nach Konstruktion aussieht, so wird man doch annehmen dürfen, daß die Nachricht um die Zeit der Feier eintraf. Demnach fand die Schlacht im Spätherbst statt. Zu dieser Jahreszeit paßt gut, daß die Hitze erst um Mittag eintrat (Oros. V 16, 11). Was die Stärke der Heere angeht, so gibt Plutarch für die nordländischen Kämpfer die Zahl 300 000 (Mar. II, 3): im einzelnen nennt er 30 000 Ambronen als geschlagen, 100 000 in der Hauptschlacht bei Aquae Sextiae, 180 000 bei Vercellae getötet oder gefangen. Velleius (II 12, 4), Orosius (V 16, 15) und Livius (per. 68) haben für Aquae Sextiae sogar die Ziffern 150 000, 283 000, 290 000. Hier ist schärfste Kritik geboten, wenn es auch angesichts der Vorsicht und Behutsamkeit, mit der M. seine Truppen einsetzt, unwahrscheinlich ist, daß sein Heer viel größer als das seiner Feinde war (wie Delbrück Kriegskunst II 309 annimmt). Sein Heer betrug bei Vercellae 32 000 Mann (nach Plut. 25, 6); vermutlich war es bei Aquae Sextiae höchstens ebenso groß. Man muß eher auf eine kleinere Zahl schließen, wenn man bedenkt, daß er dem Claudius Marcellus für die wichtige Umgehungsbewegung nur 3000 Mann zur Verfügung stellte (Plut. Mar. 20, 5).

Nach der Schlacht ließ M. die Prunkstücke der Beute vorsorglich für den Triumphzug ausscheiden. Darauf soll sich ein Schauspiel ereignet haben, das schwerlich die Wirklichkeit so theatralisch aufgebaut hat: die übrigen Beutestücke zur Verbrennung aufgehäuft; großes Opfer; das Heer mit Waffen und Kränzen im Umkreis; M., mit purpurbesetztem Kleid, hält mit beiden Händen die Fackel zum Himmel, bereit, sie dann in den Scheiterhaufen zu stoßen; plötzlich Reiter, Freunde; gespannte Erwartung des Kreises; sie springen von den Pferden, grüßen M. und melden, daß er zum 5. Male zum Consul ernannt ist; Übergabe der offiziellen Briefe; großes Jubelgeschrei und Waffengetöse, die höheren Offiziere binden dem M. neue Lorbeerkränze; er zündet den Scheiterhaufen an und vollzieht das Opfer (Plut. Mar. 22).

c) Von Aquae Sextiae bis Vercellae. Wenige Tage nach der Siegesfeier erreichte den M. die Nachricht seines Mitconsuls Catulus vom unaufhaltsamen Vormarsch der Cimbern in die Poebene. Es muß spät im Jahre gewesen sein, denn als die Cimbern durch die Alpen zogen, lag bereits Schnee (Flor. I 38, 11. Plut. Mar. 23, 3. Oros. V 16, 14. Zur Chronologie des Krieges [1392] vgl. von der Mühll De L. Appuleio Saturnino tr. pl., Basel 1906, 53ff.). Catulus hatte darauf verzichtet, die Alpenpässe zu verteidigen, wobei der Brennerpaß, vielleicht noch der Jaufenpaß in Betracht kommen, auch wohl die Radstädter Tauern und der Katschberg, falls die Cimbern durch Noricum zogen (Plut. Mar. 15, 5, was nicht, wie Müllenhoff II 141 meint, im Widerspruch zu 23, 2 steht). Seine Kräfte wären, heißt es, durch die Verteilung an die einzelnen Stellen nicht stark genug gewesen. Diese Nachrichten beschönigen wohl einen militärischen Mißerfolg (vgl. Frontin. I 5, 3) und stammen, wie viele Züge der Überlieferung, aus dem apologetischen Bericht des Catulus (Müllenhoff II 139, der übrigens die Erzählung des Florus vorschnell auf die Seite schiebt). Er hatte sich dann an der Veroneser Klause festgesetzt. Ob das so falsch war und er besser die Kelten bei ihrem Debouchement in die Ebene gefaßt hätte (so Cambridge Anc. Hist, IX 149), bleibe dahingestellt. Es ist gelegentlich mit Recht darauf hingewiesen worden, daß es im J. 1226 n. Chr. den Veronesern gelang, durch Sperrung der Klausen den Anmarsch König Heinrichs aus Deutschland zur Unterstützung Friedrichs II. zu verhindern. In ähnlicher Lage hat 1797 bei Rivoli Napoleon mit Masséna den Sieg über die Österreicher erfochten. – Es gelang Catulus (oder seinem Legaten Sulla, s. Bd. IV S. 1526) schließlich nicht, diese Stellung zu halten, nicht nur, weil die Cimbern die Stellung vielleicht umgehen konnten, sondern weil sie rücksichtslos angriffen und die Römer ausrissen. (Eingehende Untersuchung der topographischen Fragen und der möglichen Erklärungen von E. Sadée B. J. 118, 100ff. Vgl. auch Capelle Die Germanen im Frühlicht der Geschichte; Erbe d. A. II 15). Nur einen Teil der zurückflutenden Truppen hatte Catulus in der Hand behalten können; ein Teil, der eine Befestigung östlich der unteren Etsch besetzt hielt, hatte ehrenvoll kapituliert und dann offenbar Catulus eingeholt (Liv. per. 68, verstümmelt; vgl. Müllenhoff II 141f.). Die Reiterei soll sogar bis nach Rom geflohen sein (Val. Max. V 8, 4. de vir. ill. 72, 10. Ampel. 19, 10). Darauf hatten sich die Cimbern (etwa im Frühwinter 102; Anfang 101 nach v. d. Mühll 53) ohne Widerstand in die Ebene ergossen und das Land verwüstet (Plut. Mar. 23; mor. 202 d. Flor. I 38, 11. Oros. V 16, 14). Aber auch dieses Mal kam es nicht zu einem Marsch nach Rom: nicht nur das milde Klima Venetiens verlockte sie zum Bleiben, sondern auch die vorgefundene materielle Kultur; insbesondere die üppigere Ernährung verweichlichte sie schnell (Flor. I 38, 13. Oros. V 16, 14. Dio frg. 94, 2 Melb.).

Es mag M. nicht unwillkommen gewesen sein, daß Catulus, dem er als Kollegen des J. 102 den Krieg gegen die Cimbern hatte überlassen müssen, nichts erreicht hatte (vgl. Ihne RG V 189). Da die Cimbern es sich zunächst in Venetien bequem machten, liegt kein Grund zu der Annahme vor, M. habe zunächst mit den schwachen Kräften des Catulus ihren Übergang über den unteren Lauf des Po zu verhindern gewußt (wie Müllenhoff II 143 behauptet). Auf die Nachricht von Catulus’ Versagen nach Rom gerufen, zog M. nicht, wie jedermann erwartete, im Triumph ein, [1393] trotzdem der Senat ihm diesen ohne weiteres bewilligt hatte, sondern verschob ihn, am ehesten, weil er nicht mit seinen Soldaten einziehen konnte und er ihre Freude an den Ehrungen nicht enttäuschen wollte; vielleicht auch, was aber gesuchter klingt, weil er dem Volke Mut machen wollte, wenn es als selbstverständlich hingestellt wurde, daß ein zweiter großer Sieg den Triumph steigern werde (Plut. Mar. 14. Liv. per. 68). Allerdings wird angesichts der neuen Gefahr nicht die rechte Stimmung dagewesen sein, wie er gewiß empfunden hat (διαλεχθεὶς τὰ πρέποντα τῷ καιρῷ). Er begab sich zu Catulus, ermutigte ihn und ließ sein eigenes Heer aus Gallien anrücken. Nach Vereinigung der Heere (Liv. per. 68; in Placentia, mutmaßt Müllenhoff II 143) ging er über den Po und versuchte den Feind, der offenbar wieder in Bewegung gekommen war, vom weiteren Vorrücken nach Italien abzuhalten. Es hat, wie es scheint, lange Präliminarien gegeben. Die Cimbern wichen einer Schlacht aus. Es stellte sich heraus, daß sie auf die Teutonen warteten; sie schenkten den Boten, die offenbar im Auftrag des M. ihnen die Geschehnisse an der Rhone mitteilten, keinen Glauben oder sie taten so, mißhandelten sie und schickten umgekehrt an M. Gesandte mit der Forderung, ihnen und ihren „Brüdern‘ an Land und Ortschaften zu geben, was sie nötig hätten. Die Antwort soll ihnen M. in einer dramatischen Szene gegeben haben, die nicht von Poseidonius [= Plutarch] erfunden sein muß, sondern nur mit besonderer Liebe betont zu sein braucht: um ihre Brüder, die Teutonen, sollten sie sich keine Sorge machen, die hätten schon Land bekommen und sollten es ewig behalten. Die Gesandten hätten, empört über den bitteren Hohn, die Rache der Cimbern und der herannahenden Teutonen angedroht; worauf M. erwidert habe: sie seien schon da, und es wäre unhöflich von ihm, die Gesandten weggehen zu lassen, ohne daß sie ihre Brüder begrüßt hätten; darum habe er ihnen die Fürsten der Teutonen, die auf der Flucht von den Sequanern abgefangen waren, gefesselt vorführen lassen (Plut. Mar. 24. Flor. I 38, 10. Eutrop. V 1, 4. Oros. V 16, 12).

d) Schlacht bei Vercellae. Da M. die Forderung der Cimbern ablehnte, waren sie entschlossen, ihren Willen durchzusetzen, indem sie dem Kampf nicht länger auswichen, sondern gegen das römische Heer heranrückten. M. blieb wieder abwartend in seinem Lager. Er soll damals sogar für eine Neuerung Zeit gefunden haben, die ein Ergebnis aus den Kämpfen mit den Teutonen gewesen sein kann: das Speereisen sollte am Schaft künftig nicht mehr durch zwei eiserne, sondern durch einen Eisen- und einen Holznagel befestigt werden, so daß dieser beim Eindringen des Speeres in den Schild zerbrechen konnte und der Schaft, am Schild herunterhängend, nachgeschleppt werden mußte. – Schließlich kam der Cimbernkönig Boiorix mit kleinem Gefolge angeritten und forderte M. auf, Tag und Ort für den Entscheidungskampf zu bestimmen. M. antwortete mit Humor, noch nie hätten die Römer ihren Feind zur Beratung über eine Schlacht herangezogen; aber er wolle den Cimbern den Gefallen tun; übermorgen bei Vercellae solle der Kampf stattfinden. Diese Erzählung enthüllt eine naive [1394] Denkungsart der Cimbern; aber darum ist sie noch nicht unglaublich (wie Ihne RG V 190 will). Es hatte sich also M. aus nicht durchsichtigen Gründen im Westen der Poebene festgesetzt und die Cimbern zum Anrücken in die von ihm ausgesuchte Gegend und jetzt sogar an einen bestimmten, ihm zweifellos besonders günstigen Ort veranlaßt: in patentissime, quem Raudium vocant, campo (Flor. I 38, 14. circa Alpes Vell. II 12, 5. de vir. ill. 67). So fand geradezu programmgemäß in der Frühe des 30. Juli 101 (Plut. Mar. 26, 4. Μommsen RG II8 186, vgl. Nissen Rh. Mus. XI. 331) der Aufmarsch zur Schlacht statt. Die Römer wollten dem Feind durch überraschend frühen Aufmarsch zuvorkommen: M. und Catulus Hannibalis secuti ingenium in nebula disponere pugnam, in sole pugnarunt (Oros. V 16, 14), und zwar stand Catulus mit seinen 20 300 Mann im Zentrum, eingerahmt von den auf die Flügel verteilten 32 000 Mann des M.: nach dem Bericht des Sulla, der in der Gruppe des Catulus an dem Kampf teilnahm, hoffte M., daß die Flügel den Hauptangriff auf sich ziehen und infolgedessen seine Soldaten als die Sieger erscheinen würden, während die Gruppe des Catulus zurückbleiben sollte und weder angegriffen würde noch selbst angreifen könne. Wieweit diese böse Deutung des Sulla zutrifft, ist nicht mit voller Sicherheit zu entscheiden (vgl. Fröhlich Bd. IV S. 1526, der Sullas Bericht ablehnt). Beachtenswert ist, daß auch Catulus darüber in demselben Sinne schrieb und die κακοήθεια des M. gegen ihn unterstrich.

Das cimbrische Fußvolk rückte gemächlich aus den Verschanzungen und schob sich in einem ungeheuren Quadrat von je 5 km Seitenlinien vor; es ist natürlich unglaublich, daß es sich in solcher Tiefe für die Schlacht aufgestellt hat, wenn man überhaupt die angegebene Größe des Quadrats gelten lassen und annehmen will, daß M. die Cimbern schon geordnet und angriffsbereit vorfand (vgl. Müllenhoff II 145 A 1, 14). Die glänzend ausstaffierte Reiterei, 15 000 Mann, machte eine Rechtsschwenkung, um die Römer zwischen sich und das Fußvolk zu locken. Mit dem Bericht über diesen klugen Plan (Plut. Mar. 26, 1) läßt sich ein anderer Bericht (Oros. V 16, 15) nicht recht vereinigen, nach dem die Cimbern einen Schreck bekamen, weil sie die geordnete römische Schlachtlinie erst bemerkten, als sie mit ihr zusammenstießen; die Reiter seien unter Verlusten auf die noch ungeordnete Masse zurückgeworfen worden und hätten sie in Verwirrung gebracht. – Nach Plutarchs Erzählung hätten M. und Catulus den Versuch der Überflügelung wohl bemerkt; aber die Soldaten hätten die Schwenkung der Reiterei als Flucht gedeutet und seien nicht mehr zu halten gewesen. Bei Annahme dieser Darstellung überrascht es, daß M. – wie auch Catulus –, als schon das cimbrische Fußvolk heranwogte, eine Opferceremonie abhielten, bei der jeder der beiden ein votum für die Götter aussprach; M. soll bei der Opferschau gerufen haben: Mein ist der Sieg! Das haben die Aufzeichnungen des Sulla offenbar mit Behagen hervorgehoben und es mit der taktischen Leistung des M. kontrastiert: er habe, zur Verfolgung aufgebrochen, die feindliche Linie infolge des dichten [1395] Staubes verfehlt und sei mit seinen Truppen eine Zeitlang zwecklos in der Ebene umhermarschiert. Den Anlaß zu dieser hämischen Darstellung könnte ein Ablauf der Kampfhandlung gegeben haben, dem die dürftigen Quellen wenigstens nicht widersprechen: der linke Flügel, wo ja die Hälfte der M.-Truppen stand, rückte gegen die cimbrischen Reiter vor und warf diese zurück (so berichtet ja Oros. V 16, 15), stieß aber dann zunächst ins Leere, wie es bei einer Umgehungsbewegung vorkommen kann; dann darf man weiter vermuten, daß auch der rechte M.-Flügel eine entsprechende Bewegung machte, wodurch die beiden Flügel eher zum Lager kamen und die χρήματα erbeuteten, während den Soldaten des Catulus mehr die Waffen, Feldzeichen und Heerhörner zufielen (Plut. Mar. 27, 6; vgl. 23, 7. Müllenhoff II 146. 150). Denn es wälzte sich das cimbrische Fußvolk auf Catulus, dem so gegen den Willen des M. der Hauptkampf zufiel. Die Schlacht stand bald zugunsten der Römer, vielleicht schon ohne ihre für eine sichere Beurteilung nicht ausführlich genug berichtete taktische Kunst; M. hatte wahrscheinlich mit Vorbedacht das Schlachtfeld so gewählt, daß die Cimbern die Sonne im Gesicht hatten, und auch der Wind und der Staub wehte ihnen entgegen, was M. (trotz Flor. I 38, 15) nicht geplant haben kann. Deshalb hielten sie oft die Schilde vors Gesicht (vgl. Frontin. II 2, 8). Durch ihren Frühlings- und Sommeraufenthalt in der Poebene schon verweichlicht (s. o.; Flor. I 38, 13 mit Beziehung auf die Schlacht), litten sie am Tage der Schlacht auch schwer unter der Schwüle und dem Schweiß, während die Römer, abgehärtet und an Sonnenbrand gewöhnt, selbst beim Sturmangriff nicht ins Keuchen oder Schwitzen kamen.

Der Kampf gegen den größten und streitbarsten Teil der Feinde war nun doch dem Catulus zugefallen: dimicatum est a Catuli parte felicius (Eutrop. V 1, 2). Aber es muß doch als wahrscheinlich angenommen werden, daß M. durch die seitliche Umfassung (s. o.) das Hauptheer der Cimbern erschütterte und so dem Catulus die Aufgabe erleichterte. Des Catulus Truppen trieben die Cimbern, so weit diese nicht niedergemacht wurden, bis zu den Verschanzungen zurück, wo sie bei den τραγικωτάτοις πάθεσιν Zeugen wurden, für die Selbstvernichtung der Frauen, die auch die Männer und Kinder in den Tod schickten, um sie nicht den Römern zu überlassen. Trotzdem wird eine große Anzahl von Gefangenen, über 60 000, und doppelt soviele Tote, ja sogar noch mehr, angegeben (Plut. Mar. 27. Oros. V 16, 21; dagegen Vell. II 125: caesa aut capta amplius centum milia hominum), während jedes der beiden römischen Heere nur 300 Mann verloren habe (Eutrop. V 2, 27. Flor. I 38, 14. minima Romanorum clade Oros. V 16, 16).

Der Streit darüber, welchen Anteil M. und Catulus am Erfolg habe, begann schon auf dem Schlachtfelde. Als Schlachtenbummler waren gerade einige Gesandte aus Parma da, und sie mußten bestätigen, daß die meisten gefallenen Cimbern von Wurfspeeren, auf deren Schaft der Name des Catulus eingeritzt war, getötet waren (Plut. Mar. 27, 7). Wenn man übrigens wirklich eine derartige Feststellung hat machen können, [1396] kann die Zahl der Toten nicht die berichtete phantastische Größe gehabt haben. Von den 33 Feldzeichen der Cimbern waren, wie es heißt, von den Truppen des Catulus 31, von denen des M. ganze zwei erbeutet worden (Eutrop. V 3, 2).

e) Der Erfolg des M. Wie auch ein Schiedsspruch auf Grund sachlicher Feststellung lauten konnte, das Volk schrieb M. den Erfolg zu und mit Recht, nicht nur weil er schon einmal gesiegt hatte und der erste Sieg die Voraussetzung des zweiten war, sondern auch deshalb, weil er das höhere Amt des Consuls bekleidete, dem gegenüber Catulus, der nur pro consule gewirkt hatte, in der Vorstellung des Volkes zurücktrat; zweifellos hätte ja Catulus ohne die Truppen und das Eingreifen des M. keinen Sieg von diesem Umfang erringen können. Im ganzen gesehen hatte wirklich M. Rom von der Germanengefahr befreit (actum erat, nisi Marius illo saeculo contigisset Flor. III 3. solus trepidantem protegit urbem Iuv. 8, 250). Deshalb wurde er vom dankbar bewegten Volke als ,der dritte Gründer Roms‘ gefeiert, seine Tat, Roms Rettung vor den Germanen, incredibile facinus et nunquam antea Romanis cognitum (Oros. V 16, 22) der sagenhaften Rettung Roms von der gallischen Gefahr durch Furius Camillus (Münzer Bd. VII S. 330) gleichgesetzt. Bei den Siegesfeiern in den Häusern brachten ihm die Bürger, schwärmerisch hingerissen, zugleich mit den Göttern das erste Trankopfer dar (Val. Max. VIII 15, 7. Plut. Mar. 27, 9. Cic. p. Rab. perd. 27).

Auch die ihm, dem so hoch gestiegenen homo novus nicht gewogenen vornehmen Kreise erkannten an, daß er den Staat gerettet habe (Liv. per. 68; vgl. Cic.: patrem patriae, parentem vestrae libertatis huiusque rei publicae: pro Sest. 37; spes subsidiumque patriae 38). Die Bürger trugen ihm sogar an, er solle beide Triumphe allein halten. Wenn M. diese ihm angebotene Ehre ablehnte und nur einen Triumph, und zwar mit Catulus zusammen abhielt, so war er gewiß von der Besorgnis bewogen, daß die Soldaten sich der Ausschließung des Catulus widersetzen und dann auch ihm keinen Triumph gönnen würden; doch machte M. sogar aus der Not eine Tugend: er machte den Grundsatz geltend oder ließ ihn geltend machen, daß er im Rausch des großen Erfolgs Mäßigung zeigen müsse. So feierte er den Triumph gemeinsam mit Catulus (Plut. Mar. 27, 10. 44, 8. Cic. Tusc. V 56; prov. consul. 26): dieser triumphierte über die Cimbern, M. über die Ambronen, Teutonen und Cimbern (Fasti Capitol. CIL I² p. 177. 195 XVIII. Liv. per. 68. Oros. V 16, 22. Eutrop. V 2, 2. Val. Max. III 6, 6 (= Plin. n. h. XXXIII 150]. IV 9, 4. VIII 15, 7. IX 12, 4. Iuv. 8, 253. de vir ill. 67, 2. Plut. Caes. 6; de fort. Rom. 4 p. 318 c. Diod. XXXVIII 4, 2). Wie Catulus sich aus der Cimbernbeute einen Porticus errichtete (Cic. Verr. II 4, 126; Cael. 78; Att. IV 2, 4. 3, 2; dom. 102. 114; ad Quint. III 1, 14) so wurde jetzt zu Ehren des M. auch, wie schon früher beim Triumph über Iugurtha, ein Siegesdenkmal errichtet (cuius bina tropaea in urbe spectantur Val. Max. VI 9, 14; von Sulla zerstört, von Caesar wieder aufgerichtet: Suet. Caes. 11; vgl. Jordan-Hülsen Topogr. I 3, 348. Hülsen Röm. Mitt. XIV 1889, 255). M. selbst [1397] ließ einen Tempel errichten: de manubiis Cimbricis et Teutonicis aedem Honori et Virtuti victor fecit (CIL I2 p. 195[1] XVIII; dazu Mommsen: vielleicht am clivus Capitolinus; Fest. p. 344. Vitruv. III 2, 5. VII praef. 17. monumentum Marii Cic. div. 159; Planc. 78; Sest. 116; vgl. Jordan Topogr. I 2, 44. Richter Topogr. 89. Wissowa Religion 136).

Man hat auch einige Münzen auf diesen Triumph des M. bezogen. Auf Quinaren des C. Ergatuleius und T. Cloulius (Coins Rep. I 164f.), bald nach 103/2 geprägt, zeigt die R. Victoria und Tropaeum mit gallischen Waffen (carnyx). Es ist eine Vermutung Lenormants, freilich begründet auf der irrigen Interpretation Q(uaestor) statt Q(uinarius), daß mit dem gallischen Sieg der Sieg des M. gemeint sei. – Ferner findet sich auf Denaren des C. Fundanius eine Quadriga mit Triumphator, auf Quinaren desselben Münzmeisters eine Victoria mit Tropaeum (carnyx), Gefangener knieend (Coins Rep. I 231–233. Babelon Monnaies de la rép. Rom. I 515). Diese Münzen wurden von Cavedoni und Borghesi auf den Triumph des M. von 101 bezogen. Als Prägezeit ist aber nach Stil und Fundumständen etwa das J. 89 anzunehmen. Mattingly Roman coins (London 1929) 78, Abb. Plate XVIII 9 hat gegen die Beziehung offenbar keine Bedenken; Gruber, der keine andere Interpretation gibt, hält auch bei diesem Datum einen Hinweis des Fundanius auf frühere Teilnahme am Feldzug für möglich.

12. Das sechste Consulat. Versagen in der Politik. Am Ende des J. 101 stand M. auf der Höhe seiner militärischen Laufbahn. In Rom war das Militärische jahrelang so wichtig gewesen, daß das Politische zurücktrat. Gerade die Anhänger des M. hatten beim Volke dafür gesorgt, daß der militärische Gesichtspunkt als der durch die Notlage der Zeit herrschende betont und die politischen Entscheidungen von ihm aus gesehen wurden. Das wichtigste Ereignis in dieser Ausnutzung des militärischen Übergewichts zugunsten der politischen Macht der Popularen war wohl das Vorgehen des Volkstribunen Manlius Mancinus im J. 107 gewesen (s. o. S. 1378), nämlich der Bruch mit der Praerogative des Senats, die militärischen Kommandos bestimmen zu können. Die Volkspartei hatte es damals ausgenutzt, daß gerade der Feldherr M. als Kandidat bereitstand und das Bewußtsein der Masse so sehr beherrschte, daß ihm ein Plebiszit das militärische Kommando übertrug. Wenn sich Demokratie und Militärgewalt, tribunicische Gewalt und militärisches Imperium dauernd verbünden konnten, war die Senatherrschaft gebrochen, wie es später Pompeius, Caesar und Octavian bewiesen (vgl. K. J. Neumann in Gercke-Norden III 493).

M. gelang diese Verbindung auf die Dauer nicht. Es ist sogar überraschend und zunächst kaum begreiflich, daß nach dem großen militärischen Triumph von 101 der Umschlag in der Macht und die Isolierung des M. so schnell eintrat. Bei dieser Rätselhaftigkeit lassen sich die immer erneuten Versuche verstehen, aus dem dürftigen Quellenmaterial unter dem Hochdruck subtilster Interpretation eine pragmatische Darstellung des entscheidenden Jahres 100 zu geben (E. [1398] Bardey Das sechste Konsulat des M., Rostock 1884. F. von der Mühll De Appuleio Saturnino tr. pl. Basel 1906. F. W. Robinson Marius, Saturninus und Glaucia = Jenaer hist. Arbeiten III 1912; vgl. auch Klebs Bd. II S. 261ff., der mit Recht die Schwierigkeit betont, bei der einseitig optimatisch abgestimmten Überlieferung Appuleius – dasselbe gilt von M. – gerecht zu werden). Es können hier nicht alle aufgestellten Vermutungen wiedergegeben und erörtert werden; es muß hier in den Vordergrund treten, was tatsächlich in den Quellen angegeben und was als entscheidend anzusehen ist.

Vorausgenommen sei, daß der politische Bankerott des M. zu Ende des J. 100 unzweifelhaft war: staatsmännisch als unfähig erwiesen, ist er der Geringschätzung ,wie eine Waffe in Friedenszeit‘ verfallen (πολιτικαῖς χρείαις ἑτέρων λειπόμενος, ὤσπερ ὄργανον πολεμικὸν ἐπ' εἰρήνης παρημελεῖτο Plut. Mar. 32, 2). Der Zusammenbruch war klar, als M. sich auch die Feindschaft der Popularen, nicht nur die schadenfrohe Geringschätzung der Senatspartei zugezogen und damit überhaupt die politische Basis verloren hatte: äußerlich auch dadurch, daß er sich von Rom nach Asien begab (im J. 99; s. u.). Der Tiefstand in der Einschätzung war mit dem Ende des Consulats eingetreten.

Die politische Hilfsbedürftigkeit und Unzulänglichkeit des M. ist summarisch von Plutarch motiviert (Mar. 28). Seine geistige Haltung war durch eine dämonische Machtgier bestimmt. Er konnte es nicht ruhig hinnehmen, nachdem die Germanengefahr nicht mehr für ihn wirkte und die Waffen schwiegen, einen anderen, etwa gar Metellus, als den Herrn der Geschicke anzusehen. In seiner Ehrsucht brachte er es nicht über sich, zu entsagen und den Schritt in die Leerheit eines Lebens ohne Macht zu tun (was wohl als Mangel an Charaktergröße zu deuten ist). Deshalb strebte er nach dem 6. Consulat ὡς οὐδ’ εἷς πρώτης ὠρέγετο. In den Mitteln war er nicht wählerisch. Wenn er das Consulat von neuem bekleiden wollte, ohne daß eine große kriegerische Aufgabe dominierte, wenn er sich also rein politischen Ruhm erwerben und auch im Frieden der angesehenste Mann sein sollte, so mußte er beherrscht vom staatsmännischen Denken und auch wendig sein in der Auffassung, in der rednerischen Äußerung und im ganzen Auftreten. Diese Eigenschaften besaß er aber offenbar nicht. Wenn er trotzdem um der Macht willen nach der Macht strebte, war er in Gefahr, als Politiker charakterlos zu werden und ständig hin und her zu pendeln.

Ein Fall, in dem er Sicherheit und Überlegenheit zeigte, wird geradezu als Ausnahme berichtet, und es spricht auch in ihm mehr der Feldherr als der Politiker: es kam nämlich zur Sprache, daß er nach der Schlacht von Vercellae tausend Camerinern als Anerkennung für ihre Tapferkeit aus eigener Machtvollkommenheit das Bürgerrecht erteilt hatte. Den Vorwurf der Ungesetzlichkeit parierte er mit der Antwort, er habe vor dem Geräusch der Waffen das Gesetz nicht vernehmen können (Plut. Mar. 28, 3; mor. 202 c. Val. Max. V 2, 8. Über die Schenkung des Bürgerrechts durch Feldherren s. Mommsen St.-R. II 891; Ges. Schr. VI 30. M. hatte also das Recht [1399] für den Cimbernkrieg erhalten und auf Grund desselben ganzen Abteilungen von Nichtbürgersoldaten das Bürgerrecht als Siegesbelohnung verliehen; die Verleihung an die Cameriner wurde nur insofern beanstandet, als ihr deren Bündnisvertrag im Wege stand; Cic. Balb. 46f. o. Bd. III S. 1429).

Schon bei der Bewerbung um das Consulat des Jahres 100 hatte M. trotz des noch nicht lange zurückliegenden Triumphs (dieser und die Wahlen müssen zwischen dem 30. Juli und dem Spätherbst stattgefunden haben) und der enthusiastischen Feier durch die Bürger Schwierigkeiten zu überwinden. Die nobiles feindeten ihn heftig an; man kann wohl annehmen, daß schon damals Catulus mit der Kritik nicht zurückhielt, vielleicht auch sein liber de consulatu herausgab (Müllenhoff II 138), und ebenso wird Sulla scharfe Kritik geübt haben. Mitbewerber war aber wieder Q. Caecilius Metellus, der stärkste Charakter der politischen Gegenseite, sein alter, von ihm gefürchteter Gegner (μάλιστα ὀρρωδῶν τὸν Μέτελλον Plut. Mar. 28, 6), der das besaß, was M. nicht hatte: Charakterfestigkeit und geringschätzende Gleichgültigkeit gegenüber Volksgunst. M. haßte ihn wohl auch aus schlechtem Gewissen, weil er den Metellus, seinem ersten Gönner, das Eintreten für ihn mit Undankbarkeit und Feindschaft gelohnt hatte (s. o. S. 1378). M. mußte sich dessen bewußt sein, daß er mit ihm als Kollegen nicht fertig werden könnte.

M. siegte; er bekam einen Valerius Flaccus ,mehr zum Lakaien als Kollegen' (ὑπερέτην μᾶλλον ἢ συνάρχοντα τῆς ὐπατείας Plut. Mar. 28, 8). Es wurde behauptet, daß M. das neue Consulat per tribus sparsa pecunia gekauft habe (Liv. per. 69): die Nachricht geht auf P. Rutilius Rufus zurück und wird selbst von Plutarch mit Zurückhaltung wiedergegeben, da Rutilius mit M. persönlich verfeindet gewesen sei (Mar. 28, 8), ist aber durchaus glaublich und widerspricht auch dem nicht, daß er das Consulat meritorum veluti praemium (so Vell. II 12, 6) erhalten habe. Daß er Soldaten dazu anstiftete, sich in die Bürgerversammlungen zu verteilen, und so dem Metellus Abbruch tat, war ein anderes Mittel des politischen Erfolgs.

Immerhin ist weder Belohnung des M. noch Bestechung oder Einschüchterung des Volkes mit Sicherheit als Voraussetzung der 6. Consulwahl anzunehmen. Ganz wesentlich für den Erfolg des M. war aber sein politisches Bündnis mit L. Appuleius Saturninus und C. Servilius Glaucia. Es war aber auch verhängnisvoll, daß er sich diese unruhigen und gerissenen Agitatoren und Drahtzieher des Volksteils, der nichts zu verlieren und von Unruhen nur zu gewinnen hatte, gewann oder wiedergewann. Appuleius war aus Erbitterung über die ihn entehrende Entziehung der procuratio frumentaria durch den Senat (im. J. 104) zur Volkspartei übergegangen und zum ersten Male im J. 103 Volkstribun geworden (was sich aus Plut. Mar. 14, 6ff. und Appian. bell. civ. I 126f. erschließen läßt; vgl. Ziegler Fasti trib. pl. 12) und hatte auf Veranlassung des M. oder aus freien Stücken, um sich seine und seiner Soldaten Gunst zu sichern, den Gesetzvorschlag gemacht, daß jeder seiner Veteranen 100 Morgen [1400] Land in Afrika bekommen sollte (de vir. ill. 73, 1). Sodann hatte er sich für die Wahl des M. zum Consul des J. 102 eingesetzt in nicht gerade fairem, mit M. abgekartetem Spiel (s. o. S. 1386). Ob diesem Bericht nicht nur boshafter Optimatenklatsch zugrunde liegt, hat man sich wohl gefragt; aus dem Charakter des M. und des Appuleius läßt sich aber kaum ein Gegenbeweis ableiten.

Die Vorgeschichte der Unruhen des J. 100 datiert Appian (bell. civ. I 126) von daher, daß den Senatsmitgliedern Glaucia und Appuleius, Q. Caecilius Metellus als Censor (im J. 102) bei der lectio senatus ihre Würde nehmen wollte, weil sie einen unpassenden Lebenswandel führten (αἰσχρῶς βιοῦντας), was vielleicht mit den Augen des politischen Gegners beobachtet war, besonders falls es zutrifft, daß bei der Censorenwahl Appuleius einen Volksauflauf gegen Metellus veranlaßt hatte (censorem creatum obsedit Oros. V 17, 3). Metellus drang allerdings nicht durch, weil sein Amtsgenosse und Vetter, C. Caecilius Caprarius, sich wiedersetzte.

Daß ,nicht lange nachher‘, nämlich im 6. Consulate des M. (Appian. bell. civ. I 127 mit P. Vierecks Anm. Robinson 94ff.: Oktober 101?) Glaucia als Praetor die Tribunenwahlen zu leiten hatte, ist zwar unwahrscheinlich; sicher aber bewarb sich Appuleius zum zweitenmal um das Tribunat. Nach dieser Macht strebte er, um die Oberhand über Q. Caecilius Metellus zu bekommen und sich an ihm zu rächen. Als Mitbewerber trat der angesehene, freimütig sich äußernde Nonius auf. Glaucia und Appuleius schickten einen aufrührerischen Volkshaufen gegen ihn und ließen ihn niederstechen (Appian. a. O. Plut. Mar. 29. Liv. per. 69. Val. Max. IX 7, 3. de vir. ill. 73, 5. Flor. II 4, 1. Oros. V 17, 3). Nach Livius geschah das adiuvante Mario per milites (vgl. tantum animorum viro Marius dabat Flor.; fraude G. Marii consulis Oros.; πολλὰ συνεξαμαρτάνων τοῖς περὶ τοῦ Σατουρνῖνον Plut.). Wieweit aber die Hilfe der Soldaten oder die Billigung ihres Auftretens durch M. wirklich ging, wird nicht gesagt. – Während das erregte Volk zusammenlief, wählten die Anhänger des Glaucia den Appuleius zum Volkstribunen (tribunus pl. per vim creatus: Liv. per. 69; zum zweitenmal: Appian. a. O.). Gegen den gewalttätigen Mann, der übrigens jetzt als schon gewählter Beamter sacrosanct war, eine Untersuchung wegen der Ermordung des Nonius einzuleiten wagte oder wollte man nicht. – Nach Appian zogen Glaucia und Appuleius erst nach dieser Revolte den M. auf ihre Seite, und zwar weil sie ihn als ἐχθρὸν ἀφανὴ (ἐμφανῆ?), im Innersten dauernden Feind des Q. Caecilius Metellus kannten (vgl. erat autem res [Metello] cum exercitu C. Mari invicto, habebat inimicum C. Marium conservatorem patriae; res erat cum L. Saturnino iterum tribuno pl. usw. Cic. pro Sest. 37) und sie Metellus, d. h. die Macht des Senats beseitigen wollten. Das ist der gemeinsame Plan der Drei (so auch, vielleicht übertreibend, Oros. V 17, 4: Marius et Glaucia et Saturninus conspiraverunt Metellum in exilium quacumque vi agere; vgl. Klebs a. O.). Dazu stimmt, daß Livius dem M. die aktivere Rolle gibt (seditionis auctor), was besonders auf die gewaltsame Durchsetzung [1401] der lex agraria zu beziehen ist. M. wird also als Mitschuldiger oder gar Anstifter des Appuleius bezeichnet, von dem es mit Bezug darauf, daß er durch einen Mord zu seinem zweiten Tribunat gelangt war, heißt: non minus violenter tribunatum, quam petierat, gessit.

Die lex agraria (so Liv. per. 69. Plut. Mar. 29, 1. Cic. de leg. II 6, 14. III 11, 26; de vir. ill. 73) sollte die Veteranen des M. gewinnen und die Macht des M. verstärken. Er hatte den Cimbern Ländereien abgenommen, die sie in Gallia Transalpina (vgl. Robinson 67) besetzt hatten, und das Land recht naiv den Römern zugeeignet. Appuleius brachte das Gesetz auf Verteilung dieser Ländereien ein (διαδάσασθαι γῆν Appian. bell. civ. I 130). Ferner schlug Appuleius eine lex de coloniis zugunsten des M. vor, ut in singulas colonias ternos civis Romanos facere posset (Cic. Balb. 49): auch damit war ein Unternehmen großen Umfanges geplant, das dem M. langdauernde Tätigkeit und ihm als Leiter größte Macht bringen sollte.

Das Agrargesetz enthielt die Klausel: wenn das Volk es bestätige, müsse der Senat (innerhalb 5 Tagen: Appian) die Befolgung des Gesetzes beschwören (schärfere Klausel bei Plutarch: der Senat sollte schwören, alles zu genehmigen, was das Volk beschließen würde, und sich in keinem Punkte zu widersetzen: ἐμμενεῖν οἷς ἂν ὁ δῆμος ψηφίσαιτο καὶ πρὸς μηδὲν ὑπεναντιώσεσθαι). Wer es nicht beschwöre, verliere seinen Sitz im Senat und verfalle in eine Strafe von 20 Talenten (gleich 500 000 Sesterzen). Nach den übereinstimmenden Berichten von Appian und Plutarch sollte mit der Forderung des Eides dem Metellus eine Schlinge gelegt werden: man erwartete, daß Metellus seiner Gesinnung gemäß ihn nicht leisten würde, und wußte, daß der charaktervolle Mann niemals von der öffentlich ausgesprochenen Verweigerung des Eides abgehen würde: die Folge sollte die Abneigung des Volkes gegen ihn sein. Nach Abfassung des Gesetzes bestimmte Appuleius den Tag der Vorlage. Er war besorgt, daß das stadtrömische Volk gegen das Gesetz sein könnte, weil es die ,Italiker‘ begünstigte. Darum schickte er Boten zu solchen Landleuten, die unter M. gedient hatten; auf sie setzte er das größte Vertrauen. Der Entscheidungstag verlief unruhig. Die Volkstribunen erhoben Einspruch gegen das Gesetz und wurden mißhandelt; die Volksmenge aus der Stadt schrie dagegen, es habe während der Versammlung gedonnert. Wegen solch ungünstiger Auspizien war ein Beschluß unerlaubt. Trotzdem trat die Partei des Appuleius weiter gewalttätig auf, bis das Stadtvolk, mit Knütteln bewaffnet, die Landleute auseinandertrieb, und dann wieder diese, von Appuleius gesammelt, zu Knütteln griffen; sie bekamen schließlich die Oberhand und bestätigten das Gesetz (Appuleius legem agrariam per vim tulit. Liv. per. 69. Appian. bell. civ. I 129ff. Plut. Mar. 29, 2).

Das Gesetz wurde vom Consul M. dem Senate zur Beratung vorgelegt und zur Erfüllung der Eidesklausel. Dabei hielt M. eine Rede, die entweder den Metellus in eine Schlinge drängen sollte – er griff die Klausel, die den Senat entmündigen sollte, verstellterweise (προσποιούμενος Appian. a. O.) heftig an – oder sie zeigt, daß M. [1402] schwankte und von Appuleius abbiegen wollte. Er erklärte nämlich, er würde diesen Eid niemals freiwillig schwören (soweit Appian und Plutarch, dann Plutarch:) und, wie er hoffe, auch sonst kein verständiger Mann: denn wenn auch das Gesetz an sich nicht nachteilig wäre, so sei es doch eine Beschimpfung für den Senat, daß er es nicht mit Überlegung und freiwillig, sondern gezwungen genehmigen solle. Die Rechnung, wenn es wirklich eine kühle Rechnung war, stimmte: Metellus erklärte seine Übereinstimmung mit der Meinung des Consuls; dieser hob die Sitzung auf, und damit ging der Senat auseinander. Aber während Metellus ein Mann war, der fest und unabänderlich bei dem blieb, was er bedacht und gesagt hatte, ,sah M. das Lügen für Tüchtigkeit und Gewandtheit an‘ (so Plut. Mar. 29, 5) und war gesonnen, sich an die im Senate abgegebene Erklärung weiter nicht zu binden. Er wartete mit der Einberufung einer neuen Sitzung 4 Tage lang; am 5. Tage, nach dem Gesetz dem äußersten Termin für die Eidesleistung, berief er (nach Plutarch Appuleius) sie und erklärte bei allgemeiner Spannung: er habe keinen so breiten Nacken (d. h. er könne nicht solche Lasten auf sich nehmen), daß er über eine so wichtige Sache mit einem Male abzusprechen sich getraue (eine in ihrer drastischen Form zweifellos authentische Äußerung); er wolle schwören und dem Gesetze gehorsam sein. Nach Plutarch setzte er diese Worte schlau hinzu, um seine Schande zu verdecken (τοῦτο προσέθηκε τὸ σοφὸν ὥσπερ παρακάλυμμα τῆς αἰσχύνης). Nach Appian sagte er ausführlicher: er fürchte das Volk, das auf das Gesetz versessen sei (also die Landleute); er sehe darin einen künstlichen Ausweg, daß man beschwöre, das Gesetz zu befolgen, sofern es Gesetz sei. Das wird aber wohl nur eine Deutung der Überlegung des M. sein wie erst recht der darauf folgende Satz, den M. öffentlich zu äußern schwerlich naiv genug war: für den Augenblick werde man das Landvolk los, das noch auf der Lauer liege; später beweise man, daß ein mit Gewalt und unter Donner gegen die alte Sitte bestätigtes Gesetz kein Gesetz sei.

M. wartete den Beschluß nicht ab. Der Ablauf des Termins ließ niemand Zeit zur Besinnung, wie auch M. keine Zeit ließ: er ging in den Saturntempel zur Schwurleistung und schwur zuerst mit seinen Freunden unter jubelndem Beifall des Volkes. Klebs (266) nimmt an, der Senat sei freudig gefolgt, da er der augenblicklichen Bedrängnis enthoben war und für die Zukunft freie Hand hatte. Anders die Überlieferung: die Patricier sahen das Vorgehen des M. als Hinterlist an und waren sehr niedergeschlagen. Aber außer Metellus hatte niemand den Mut, sich gegen die Brutalisierung durch Appuleius und gegen die Kniffe des M. zu wehren; während die anderen in ihrer Angst, auch vor der angedrohten Strafe, nur empört waren gegen M., beharrte Metellus ohne Furcht bei seinem Entschluß und schwur nicht (unus in legem per vim latam iurare nolebat Cic. pro Sest. 37, 101). Darauf bewirkte Appuleius, daß die Acht über Metellus verhängt wurde; er ging nach Rhodos in die Verbannung. Wenn Appian (bell. civ. I 140) über die Promulgation nur berichtet: τὰ ἐν τῷ ψηφίσματι Μάριος [1403] ἐπεκήρυττεν (vgl. profecto C. Marius aqua et igni interdixit Liv. per. 69) – so müßte doch irgendwie irgendwo betont sein, daß M. umgefallen sei, wenn dieses Verhalten nicht auf derselben Linie gelegen hätte wie das am Tag vorher, so daß also seine Rede im Senat nicht als Ausfluß einer Ehrlichkeit fast wider Willen anzusehen ist, sondern als Berechnung, die auf Knebelung des Senats und Unschädlichmachung des Metellus abzielte.

Wenn die hier vorgetragene Ansicht vom Hergang der Ereignisse und dem Verhalten des M. zutrifft, so mußte einerseits der Senat höchst empört gegen M. sein und andererseits Appuleius und Glaucia der Überzeugung sein, sie hätten M. ins Schlepptau genommen. Weder das eine noch das andere kann M. recht gewesen sein; weder Metellus noch Appuleius sollte der Machthaber sein.

Die nächste Aufgabe des M. war es, die beschlossenen Gesetze durchzuführen. Aus dieser Aufgabe hätte er sich sogar ein ,langjähriges Imperium‘, eine Monarchie auf Lebenszeit (Mommsen RG II 202) aufbauen können, wenn die Entwicklung nicht gehemmt wurde. Da er die Vollmacht hatte, einigen Bundesgenossen das Bürgerrecht zu verleihen, ist es ganz natürlich, daß er als alter Soldat fortissimum quemque (Cic. Balb. 47f.) auswählte. Die Gesetze fanden scharfe Opposition bei den besitzenden Klassen; Senat und Ritterstand wurden so wieder zueinandergedrängt (vgl. Plut. Mar. 30, 4), und die Bürgerschaft sah den Aufstieg der Italiker ungern (vgl. Mommsen RG II 204ff.).

Wie M. zwischen den Gegensätzen schwankte, wurde in einer Anekdote karikiert (Plut. Mar. 30, 3): Die angesehensten Männer der Stadt kamen nachts zu ihm, um sich über Appuleius zu beklagen; diesen ließ er durch eine andere Tür herein, ohne daß jene es merkten. Dann lief er zwischen ihnen hin und her, indem er sich hüben und drüben mit Durchfall entschuldigte.

Appuleius und Glaucia waren darum besorgt, wenn nötig, auch ohne M. mächtig und geschützt zu sein, wozu ihnen Magistratsposten – dem Appuleius das Tribunat, dem Glaucia das Consulat – verhelfen sollten. Das konnte nicht ohne Verletzung der Gesetze geschehen (vgl. Bd. II S. 867). Appuleius erlangte das Tribunat; der Mitbewerber des Glaucia, L. Memmius, wurde während der Abstimmung von ihren Banden erschlagen. Darauf erging am 10. Dezember, dem Tag des Amtsantritts der Tribunen, fremente pro tantis reipublicae malis senatu populoque Romano (Oros. V 17, 6) ein Senatusconsultum, das die Consuln aufforderte, dafür zu sorgen, ut imperium populi Romani maiestasque conservaretur (Cic. p. Rabir. perd. 7. de vir ill. 73, 10). M. war in einer peinlichen Lage (vgl. Ihne RG V 234f.), der Entscheidung konnte er aber nicht ausweichen. Wenn er eine Zeitlang dem Appuleius freie Hand gelassen hatte, so schämte er sich jetzt vor den Aristokraten, wollte aber auch die Gunst des Volkes behalten (vgl. Robinson 99). So spielte er jetzt dem Appuleius selbst gegenüber, der seine Dreistigkeit und Gewalttätigkeit ungeniert fortsetzte, eine ebenso zweideutige und treulose Rolle: nachdem er ihn gehoben und benutzt hatte, ließ er ihn fallen und opferte ihn, [1404] als ihm die Verbindung gefährlich zu werden drohte. Er wechselte jetzt offen zum Senat hinüber (accomodato ad tempus ingenio consensui bonorum se inmiscuit commotamque plebem leni oratione sedavit Oros.). Nicht nur die Senatoren und Ritter bewaffneten sich, sondern auch ein großer Teil des Volkes: M. verteilte selbst Waffen unter das Volk (Cic.). In den folgenden Kämpfen auf dem Kapitol eingeschlossen, ergaben sich Appuleius und seine Freunde, nachdem M. (oder andere, während er noch zauderte: Appian. a. O.) die Wasserleitungsrohre hatte durchschneiden lassen (Oros. V 17, 7), freiwillig, indem sie auf den Beistand des M. hofften: Appuleius palam clamitans, Marium auctorem esse omnium molitionum suarum, contestatus est! (Oros. V 17, 8). Wie es scheint, sicherte M. ihnen Straflosigkeit zu, wozu er allerdings ohne Senats- oder gar Volksbeschluß nicht berechtigt war (fidem Saturnino C. Marius dedit, idemque violavit, si in fide non stetit Cic. a. O. 28; vgl. Bd. II S. 268). Er tat alles, um sie zu retten, konnte es aber nicht durchsetzen. Wenigstens ließ er sie in die Curia sperren, obwohl allgemein ihre sofortige Hinrichtung verlangt wurde: er suchte Tumult und Lynchjustiz auszuschalten, indem er betonte, daß gesetzmäßig verfahren werden solle. Damit wollte er wohl Zeit gewinnen; so faßte es das Volk auf (πρόφασιν τοῦτ’ εἶναι νομίσαντες Appian. bell. civ. I 145. Plut. Mar. 30, 4f.). Voll Ungeduld warf man die Gefangenen mit den Dachziegeln der Curia tot.

M. ist nicht dem Lob optimatisch eingestellter Berichterstattung entgangen (Glauciae Saturninique Appulei furorem consul armis compescuit hominesque exitiabilis in Hostilia curia morte multavit Vell. II 12, 6). Im ganzen gesehen war für M. dieses Ende seiner alten Verbündeten, von ihm selbst geduldet und gefördert, ein unsagbar schmachvolles Ereignis. Das böse Urteil über seinen Charakter, das Livius bei dieser Gelegenheit gibt, wird das allgemeine gewesen sein: homo varii et mutabilis ingeni consiliique semper secundum fortunam (per. 69).

13. Nach dem sechsten Consulat. Bundesgenossenkrieg. Daß der politische Kredit des M. gefallen war, zeigte sich, als sich ihm die Gelegenheit bot, für das Ehrenamt der Censur zu kandidieren: man erwartete, er werde sich bewerben; doch er hatte trotz seiner sechs Consulate Angst durchzufallen und ließ zu, daß man geringere Männer wählte. (So interpretiert Plut. Mar. 30, 5 seinen Verzicht.) Um eine Ausrede war er nicht verlegen: er wolle sich nicht durch strenge Untersuchung von Lebenshaltung und Sitten viele Feinde machen. (Die Geschichte von der mißratenen Bewerbung hält von der Mühll 40 für eine Erfindung zu Ungunsten des M. Aber es wäre auffallend, wenn der ehrgeizige Mann, nachdem er sechsmal Consul gewesen wer, nicht nach der Censur gestrebt hätte.)

Ein weiterer Mißerfolg des M. war es, daß er sich vergeblich gegen den Antrag des Calidius stemmte, Metellus aus der Verbannung zurückzuberufen (mit Hilfe des Volkstribunen P. Furius im J. 99? Appian. bell. civ. I 147. Dio frg. 93, 2, 3. Oros. V 17, 11. v. d. Mühll 40); denn das Volk nahm den Antrag freundlich auf (Plut. [1405] Mar. 31, 1. Appian. bell. civ. I 147. Cic. post red. ad Quir. 6. 9. II; ad sen. 37ff.; Planc. 69. Vell. II 15, 4. de vir. ill. 62, 3. Val. Max. IV 1, 13. V 2, 7). Verärgert entzog er sich der festlichen Rückkehr seines nach Charakter ihm weit überlegenen und allgemein anerkannten Gegners (sie fand wahrscheinlich noch im J. 99 statt: τοῦ δ’ ἐπιόντος ἔτους ἡ κάθοδος ἐδόθη, d. h. nach der Verbannung: Appian. bell civ. I 148f.; im J. 98: Ziegler Fasti tr. pl. 15).

M. begab sich nach Kappadokien und Galatien, angeblich, um der Göttermutter gelobte Opfer darzubringen. In der Tat soll er sich bemüht haben, neue kriegerische Unternehmungen anzufachen, um dann von Rom mit der Führung eines Krieges betraut zu werden und wieder als Feldherr glänzen zu können. Er stachelte insbesondere Mithridates an, der ihm mit Höflichkeit und Ehrungen auswich, aber von M. eine gebieterische Sprache zu hören bekam (vgl. Th. Reinach Mithradates 9, 1). Erreicht hat M. aber nichts. Er kam 97 nach Rom zurück und baute sich ein Haus nahe am Forum, angeblich, um seinen Besuchern einen weiten Weg zu sparen. Er wollte nicht übersehen werden, war aber nicht geschickt genug, seine Besucher noch für sich zu interessieren (Plut. Mar. 32, 1f.).

Unter seinen Konkurrenten auf der politischen Laufbahn war ihm Sulla besonders unangenehm. Wenn übrigens Plut. Mar. 32, 3 diesen charakterisiert als ἐκ τοῦ πρὸς ἐκείνον αὐξανόμενος φθόνου τῶν δυνατῶν καὶ τὰς πρὸς ἐκεῖνον διαφορὰς ἀρχὴν πολιτείας ποιούμενος, wird man sich stets bedenken müssen, die für M. ungünstigen Urteile des Plutarch als optimatisch gefärbt zurückzuschieben. Den Anlaß zu einer nicht nur mit Worten scharfen Auseinandersetzung zwischen M. und Sulla drohte ein Geschenk des inzwischen zum römischen Bundesgenossen aufgerückten Königs Bocchus von Numidien zu bieten: er hatte auf dem Capitol trophäenhaltende Siegesgöttinnen aufgestellt und daneben vergoldete Reliefbilder, die darstellten, wie er Iugurtha an Sulla auslieferte. M. deutet diese Aufstellung dahin, daß Sulla sich als Helden dieser Taten aufspielen wolle, und traf Anstalten, die Denkmäler mit Gewalt zu zerstören, wogegen sich wieder Sulla zur Wehr setzte. Die Zuspitzung zu handgreiflichen Auseinandersetzungen wurde abgebogen durch den überraschenden Ausbruch des Bundesgenossenkrieges noch im J. 91 (Plut. Mar. 32. Sulla 6, 1. 2. Flor. III 18, 8).

In diesem langwierigen Krieg, in dem die Römer auf der Gegenseite überraschende Zähigkeit und tüchtige Führer zu spüren bekamen, ist M. auffallend wenig hervorgetreten. Es heißt, Sulla habe in diesem Krieg ebensosehr zugenommen an Macht und Ansehen wie M. abgenommen habe (Plut. Mar. 33, 1). Andere allgemeinere Urteile sind freundlicher: a Romanis bene contra eos (Picentes et Marsos) pugnatum est a C. Mario et a Cn. Pompeio, maxime tamen a L. Cornelio Sulla (Eutrop. V 3, 3). Das weniger günstige Urteil über M. wird man als begründet betrachten, wenn man, allerdings auf Grund dürftiger Berichte, seine Taten überschaut. Als im J. 90 beide Consuln, L. Iulius Caesar und P. Rutilius Rufus, mit dem römischen Heere gegen [1406] die Aufständischen anrückten, standen ihnen die tüchtigsten Männer als Legaten zur Seite, in großer Zahl wegen der vermuteten Zahl der Kriegsschauplätze berufen, und zwar war dem Rutilius M. beigesellt, außerdem vier andere, darunter C. Perpenna (Appian. bell. civ. I 179). Jedem war eine bestimmte Gegend zugewiesen; der Consul reiste zur Oberaufsicht umher. Perpenna wurde von einem bundesgenössischen Heere unter großen Verlusten geschlagen, der dem Tod entgangene Teil seines Heeres entwaffnet. Darauf enthob ihn der Consul Rutilius der Führung und wies den Rest des Heeres M. zu (Appian. bell. civ. I 183). Rutilius und M. schlugen in einiger Entfernung voneinander Brücken über den Tolenus (Ovid. fast. VI 565. Oros. V 18, 13. Appian. bell. civ. I 191 nennt den Liris; vgl. Marcks Die Überlieferung des Bundesgenossenkrieges 91–89 v. Chr., Marburg 1884, 50 A 1), um gegen Vettius Scato, einen der sechs Praetoren des Marserbundes, vorzugehen. Dieser stand der von M. geschlagenen Brücke näher als der von Rutilius geschlagenen, griff aber überraschend gerade diesen beim Übergang an; in dem für die Römer ungünstigen Gefecht wurde Rutilius tödlich verwundet. M. ahnte, als Leichen an ihm vorbeitrieben, was vorgefallen war, raptis continuo copiis victores insperatus oppressit, octo milia et ipse Marsorum interfecit (Oros. V 18, 13). Nach dem Bericht des Appian stieß M. über den Fluß vor und bemächtigte sich des schwach geschützten Lagers des Scato (nach Ovid am 11. Juni 90; vgl. auch Marcks 38ff.); dieser übernachtete deshalb auf dem Kampfplatz und zog sich am nächsten Morgen zurück, da ihm mit dem Lager die Lebensmittel genommen waren (Appian. bell. civ. I 191ff.). Das Heer des Rutilius übernahmen auf Weisung des Senats M. und Q. Servilius Caepio; als dieser, in eine Falle und zu einem Gefecht verlockt, fiel, bekam M. auch den Rest dieses Heeresteiles (Appian. bell. civ. I 198).

Eine weitere Tat des M. im Bundesgenossenkrieg wird an einer im Text verdorbenen Stelle Appian. bell. civ. I 201 erwähnt: zusammen mit einem anderen Feldherrn von den Marsern angegriffen, verfolgte er sie, bis er die Verfolgung abzubrechen für gut hielt; und gerade diese fliehenden Marser, heißt es, habe Sulla aufgefangen und empfindlich geschlagen. Ob sich auf diesen oder andere Kämpfe die Nachricht bezieht: C. Marius proelio Marsos fudit Herio Asinio, praetore Marrucinorum, occiso (Liv. per. 73) und die andere, daß er in einer großen Schlacht gesiegt und 6000 Feinde getötet habe (Plut. Mar. 33, 3), ist angesichts der trümmerhaften Überlieferung nicht zu entscheiden. Der berichtete Erfolg würde das Urteil verständlich machen: Pompeio Sullaque et Mario fluentem procumbentemque rem populi Romani restituentibus (Vell. II 16, 4). Ganz isoliert steht auch der weitere Bericht: C. Marius cum Marsis dubio eventu pugnavit (Liv. per. 74). Immerhin wird man daraus, daß M. dem Rutilius Hinauszögern des Kampfes, bis die Rekruten im Lager ausgebildet seien, anriet (Oros. V 18, 11) und selbst bemüht war, den Feinden nicht die geringste Blöße zu bieten, daß er sich im Lager einschließen und durch keinen Hohn zum Kampf reizen ließ, schließen dürfen, daß er für die im [1407] Kampf gegen die italischen Bundesgenossen erforderliche Art von Feldzug methodisch zu schwerfällig oder an Entschlußkraft nicht mehr elastisch genug war. Charakteristisch ist dafür die Anekdote, daß er dem größten Feldherrn der Gegenseite auf die Aufforderung: ,Wenn du ein großer Feldherr bist, so komm herab und kämpfe‘ antwortete: ,Wenn du einer bist, so zwinge mich gegen meinen Willen zum Kampfe‘. Noch bezeichnender ist, daß er dem P. Rutilius Lupus geraten hat, den Krieg hinauszuziehen; dann würden die Feinde am Mangel an Lebensmitteln zusammenbrechen (Dio frg. 96, 2). Mit diesen Hemmungen war der römischen Sache nicht gedient; die Zeit arbeitete nicht für Rom. Gerechterweise darf man aber nicht außer acht lassen, daß M. offenbar kein von ihm selbst lange geschultes Qualitätsheer zu führen hatte und daß das Kriegsziel die Truppen nicht in Schwung bringen konnte: waren die Feinde doch homines eiusdem et generis et sanguinis (vgl. Vell. II 15, 2. Diod. XXXVII 15. Plut. Mar. 33, 4ff.).

Im ganzen gesehen wurde ihm Langsamkeit in seinen Unternehmungen und übergroße Bedenklichkeit offenbar mit Recht zum Vorwurf gemacht. Dabei wird betont, daß er ja schon über 65 Jahre alt war und, nach seiner eigenen Behauptung krank und unbeholfen, nur mitgegangen sei, um sich nicht schämen zu müssen. Außerdem wird an sich dieser Krieg nicht geeignet gewesen sein, sein Temperament anzustacheln und sein Phlegma zu überwinden. Es mußten schon ehrgeizige Regungen hinzukommen: persönliche Motive vermutete Rutilius hinter dem Rat des M., den Kampf zu verzögern (dolo id eum agere ratus Oros. V 18, 12); den obenerwähnten Rat soll er Lupus gegeben haben, weil er hoffte, zu gelegener Zeit der Sache eine glückliche Wendung geben und infolgedessen für sich das 7. Consulat beanspruchen und erreichen zu können – was zu dem Charakterbild, das die nächsten Jahre enthüllten, durchaus paßt: als er wieder größere Ziele vor sich sah, konnte er sich aus seinem Erlahmen mächtig aufreißen; zunächst aber legte er verdrossen das Kommando nieder und entschuldigte sich mit körperlicher Schwäche (Plut. Mar. 33, 6. Kiene Bundesgenossenkrieg, 1845, 241ff. sieht in diesen Berichten ,die fälschende Hand des Parteihasses, des Neides und der Schmeichelei, welche sich nach Sullas Endsieg der Zeitgeschichte bemächtigt hat‘ und nimmt an, M. sei nach Rom gegangen, um sich um das Consulat zu bewerben, und, als ihm dies mißglückte, sei er aus Verdruß in Rom und dem Kriegsschauplatz fern geblieben, vielleicht auch, um seine Bewerbung für das nächste Jahr noch nachdrücklicher betreiben zu können. Vgl. auch u. S. 1408).

14. Kampf um das Imperium im Kriege gegen Mithridates. Währenddessen hielt Sulla durch und schloß den Krieg ab (Plut. Sulla 6, 3ff. Eutrop. V 3, 3. Vell. II 17, 1), zugleich bestrebt, das Heer zu gewinnen, um M. auszuschalten, wenn über das Kommando im Kriege gegen Mithridates entschieden würde (Plut. Sulla 6, 17). Denn als der Krieg gegen die Bundesgenossen abflaute, war in Rom schon der Wettbewerb um das Kommando im Krieg gegen Mithridates im Gange. Der letzte große Vorstoß des [1408] Königs von Pontus war die Vertreibung der Könige Ariobarzanes und Nikomedes aus ihren Reichen, Kappadokien und Bithynien, und die Besetzung der Provinz Kleinasien (im J. 89) gewesen (Appian. bell. civ. I 241; Mithr. 56f. Liv. per. 76; vgl. Niese Bd. II S. 833. Reinach Mithradates2 126). Um das Kommando in Asien zu erhalten, bedienten sich beide Bewerber der Hilfe der Demagogen. Ein Teil des Volkes trat für M., ein Teil für Sulla ein. Die Gegner des M. benutzten seine eigenen Äußerungen über seinen von Alter und Krankheit geschwächten Körper, um ihn als körperlich der Sache nicht gewachsen hinzustellen: nicht auf den Kriegsschauplatz, sondern in die Bäder von Baiae solle er gehen; dabei wurde sein Leben auf seinem Landhause bei Misenum als luxuriös und für einen alten Haudegen unpassend durchgehechelt. Mit den angeblichen Äußerungen des M. waren wohl die gemeint, mit denen er sich im Bundesgenossenkriege krank gemeldet hatte. Er bemühte sich nun, schleunigst den Gegenbeweis gegen die Behauptung der Vergreisung anzutreten. Alle Tage übte sich der wohlbeleibte, schwerfällige alte Herr auf dem Marsfelde inmitten der jungen Leute. Daraus wurde ein Schauspiel, das man gesehen haben mußte, und man staunte oder lachte. Man deutete sein krampfhaftes Bemühen als krankhafte Ruhmbegierde und Gewinnsucht, die nach dem Reichtum des Mithridates und der asiatischen Städte griff (τὸν πόλεμον εὐχερῆ καὶ πολύχρυσον ἡγούμενος εἶναι Appian; bell. civ. I 242); anders verstand man nicht, daß er sich in seinen alten Tagen, nach so großen Erfolgen, in denen er sich sonnen konnte, in Kappadokien und Pontus mit Satrapen des Mithridates herumschlagen wollte. Der Grund, den er angab: er wolle seinen Sohn im Kriegswesen ausbilden, überzeugte niemanden (Plut. Mar. 3, 4. Diod. XXXVII 29. Flor. II 9, 6).

Sullas letzte Siege und das Wohlwollen der Optimaten verschafften diesem (zusammen mit Q. Pompeius Rufus) das Consulat des J. 88 und den Oberbefehl gegen Mithridates, den er ebenso heiß begehrt hatte wie M. Charakteristisch für die Rivalen ist, daß sich jetzt Sulla zur Abwicklung des Kriegs ins Lager begab, während Μ. οἰκουρῶν ἐτεκταίνετο τὴν ὀλεθριωτάτην ἐκείνην καὶ ὅσα σύμπαντες οἱ πολέμιοι τὴν Ῥώμην οὐκ ἔβλαψαν ἀπειργασμένην στάσιν (Plut. Sulla 7, 3. Das Folgende, soweit es Sulla betrifft, ausführlicher Bd. IV S. 1532ff.). Sulla war noch in Rom, als M. ihm den Oberbefehl abzujagen begann. Als Helfer gewann er den Volkstribun P. Sulpicius Rufus ὑποσχέσεσι πολλαῖς (Appian. bell. civ. I 242, vgl. εὐφυέστατον εὑρόντος ὄργανον Μαρίαν πρὸς τὸν κοινὸν ὄλεθρον τὸ Σουλπικίου θράσος Plut. Mar. 35, 1; vgl. causam bello civili C. Marius dedit Eutrop. V 4. de vir. ill. 67, 4). M. wiederholte hier den Versuch aus dem J. 101, sich durch Vermittlung eines einflußreichen Tribunen auf das Volk zu stützen, wie auch Sulpicius ein Bewunderer und bewußter Nachahmer des Saturninus war, den er aber in Kühnheit und Schnelligkeit des Vorstoßes noch übertreffen wollte (vgl. hier und zum Folgenden Münzer in Bd. IV A S. 846ff.). Als stets einsatzbereites politisches Machtmittel hatte er ein Privatheer von 3000 mit Dolchen bewaffneten Leuten und eine Leibgarde [1409] von 600 Mann aus dem Ritterstande um sich, den ,Gegensenat‘ (Plut. Sulla 8, 3). Auctore Mario (Liv. per. 77) stellte er mehrere Anträge (perniciosas leges Liv. per. 77. Vell. II 18, 6): zunächst auf Rückberufung der Verbannten, nämlich derjenigen, die der Förderung des Bundesgenossenkriegs bezichtigt worden waren, Verteilung der neuen Bürger und Freigelassenen in alle Tribus, wodurch die Neubürger die Überzahl über die alten bekommen hätten und in den Comitien alles, was M. und Sulpicius wollten, dankbar hätten durchsetzen können. Da die alten Bürger im zweiten Gesetz die Gefahr ihrer Machtverringerung, wenn nicht sogar die Auflösung der altrömischen Republik erkannten, widersetzten sie sich seiner Durchführung und bewaffneten sich, um Widerstand zu leisten. Die Consuln wußten sich nicht anders zu helfen, als daß sie die Abstimmung über die Anträge durch formale Hemmungen abbogen, indem sie eine mehrtägige Feier ansagten, mit der das iustitium, die Sistierung aller öffentlichen Handlungen, verbunden war (vgl. Mommsen St.-R. 262f. o. Bd. X S. 1339). Daraufhin besetzte Sulpicius mit seinen bewaffneten Anhängern das Forum, protestierte gegen die Feier, da sie gesetzwidrig sei, und verlangte von den Consuln ihre Aufhebung, damit seine Anträge bestätigt würden. Der Lärm und die Bedrohung der Consuln unterstützten die Forderung. Der Consul Pompeius entfloh; sein gleichnamiger Sohn wurde jedoch gepackt und, wie eine Menge anderer Leute, getötet. Sulla verstand es, sich zurückzuziehen. Seine Gegner erzählten, er sei, ohne daß einer es ahnte, in das Haus des M. hineingeschlüpft, habe die Verfolger vorbeirennen lassen, sei von M. zur andern Tür sicher hinausgelassen worden und in sein Lager entkommen. Indessen bestritt er später in seinen Erinnerungen, daß er in das Haus des M. geflohen sei. Er behauptete vielmehr, man habe ihn mit Gewalt weggedrängt zur ,Beratung‘ über die Anträge, zu deren Annahme ihn Sulpicius habe nötigen wollen; mit gezückten Schwertern habe man ihn umringt und in das Haus des M. getrieben, bis er auf das Forum hinausgegangen sei und nach ihrem Begehren das iustitium aufgehoben habe (Appian. bell. civ. I 248. Plut. Mar. 35, 4). Darauf begab er sich sofort nach Nola (so Plut. Sulla 8, 8; vgl. Vell. II 184; bei Appian. bell. civ. I 248 ist Capua genannt, irrig statt Campanien; vgl. Enßlin Klio 1926, 419f.), um mit dem dort stehenden Heere nach Asien überzusetzen. Diese Gelegenheit benutzten M. und Sulpicius zum Vorstoß gegen Sulla, der glauben mochte, daß sein Oberbefehl jetzt nicht mehr gefährdet sei (Appian. bell. civ. I 248. Eutrop. V 4). Sulpicius rückte jetzt mit dem dritten Gesetz heraus und ließ es von den umgestalteten Comitien bestätigen: er nahm Sulla zwar nicht das Consulat, aber den Oberbefehl gegen Mithridates und übertrug diesen durch Volksabstimmung dem M. (Oros. V 19. Liv. per. 77. Vell. II 18. Eutrop. V 4. Val. Max. IX 7 mil. Rom I. über diesen Beschluß und seine Bedeutung s. Bd. IV S. 1533L und Bd. IV A S. 848). Dieser machte schon Anstalten abzureisen und schickte zwei Tribunen nach Nola, die im Namen des Volkes das Heer übernehmen und dem M. zuführen sollten. Sulla aber sträubte sich [1410] und behielt dabei die Gunst der Soldaten: sie brannten darauf, den beuteverheißenden Feldzug in Asien zu führen und befürchteten, M. würde andere Truppen dazu bestimmen. Sie steinigten die Tribunen und verstanden Sulla, als er sich über das gewalttätige Verfahren des Sulpicius und M. gegen ihn beklagte, schon richtig: sie erklärten sich, anders als fast alle höheren Offiziere, freiwillig bereit, gegen Rom zu ziehen, um so nach Asien zu kommen. Mit sechs Legionen zog er gegen M. auf die Hauptstadt los (Appian. bell. civ. I 250ff.). Dieser hatte inzwischen, als Rache für die Steinigung der von ihm beauftragten Tribunen, in Rom viele Freunde des Sulla, soweit ihnen nicht die Flucht ins Lager des Sulla geglückt war, umbringen und ihre Häuser plündern lassen. Der Senat hatte nur den Befehlen des M. und Sulpicius entsprochen. Als er dem anrückenden Sulla vergebens durch zwei Praetoren Halt gebieten ließ und diese sogar mißhandelt und entehrt zurückkehrten, war zum allgemeinen Entsetzen die Lage klar. Nichts von Bereitschaft zum Kompromiß verriet auch die Antwort des Sulla an immer wieder zu ihm geschickte Gesandte. Eine Gesandtschaft, die ihn zur Einstellung des Vormarsches aufforderte, bis der Senat über die Lage beraten habe, war vielleicht nicht aufrichtig gemeint, weil M. und Sulpicius Zeit zu Rüstungen gewinnen wollten: wenigstens faßte Sulla die Sendung als List auf oder tat später, als ob er sie so aufgefaßt habe; er stimmte dem Begehren zu und rückte trotzdem sofort weiter vor.

Er ließ mit einer Legion das esquilinische Tor (Plut. Sulla 9, 10. Appian. bell. civ. I 257. Jordan Topogr. Roms II 221) und den anschließenden Mauerteil besetzen, während Pompeius mit einer Legion das collinische nahm, eine dritte zur Holzbrücke vorrückte (vgl. O. Richter Die Befestigung des Janiculum, Progr. Berlin 1882, 21) und eine in Reserve blieb. Mit den zwei übrigen Legionen rückte Sulla ein. Den Widerstand der Anwohner bändigte er. M. und Sulpicius traten ihm am esquilinischen Forum (bei S. Maria Maggiore) mit eiligst bewaffneten Leuten entgegen. Es kam zu einem kriegsmäßigen Gefecht. Sulla zog, als seine Truppen wankten, seine Reserven heran und schickte eine andere Abteilung durch die Subura, um M. zu umzingeln. Dieser konnte den Kampf gegen die frischen Kräfte nicht durchhalten, fürchtete auch die Einschließung und wich bis zum Tempel der Tellus zurück (Plut. Sulla 9, 14. Gilbert Topogr. I 193ff. III 356). Vergebens hatte er die von den Häusern aus kämpfenden Bürger zusammengerufen und sogar den Sklaven, die sich ihm anschließen würden, die Freiheit versprochen; alles blieb erfolglos: es hätten sich, heißt es, ganze drei Sklaven bereitgefunden. Nach kurzem, tapferem Widerstand gab er die Hoffnung auf Sieg auf und entfloh aus der Stadt; seinem Beispiel folgten die Angesehenen unter seinen Anhängern (Appian. bell. civ. I 257–263. Plut. Mar. 35, 7f.; Sulla 9. Diod. XXXVII 2, 12. Liv. per. 77. Oros. V 19, 6. Flor. II 9, 6ff. Eutrop. V 4).

Sulla war Herr der Stadt und hob sofort als ungesetzlich auf, was Sulpicius nach der Verkündung der Geschäftsferien bestimmt hatte (Appian. [1411] bell. civ. I 268). M. und seine wichtigsten Anhänger, im ganzen zwölf, an erster Stelle der Tribun Sulpicius, wurden als Staatsfeinde erklärt, da sie die Revolte veranlaßt, gegen die Consuln gekämpft und die Sklaven zur Treulosigkeit aufgereizt hätten. Wer M. oder die anderen traf, durfte sie töten oder sollte sie den Consuln ausliefern; auf den Kopf der Geächteten setzte er einen Preis; ihr Vermögen wurde beschlagnahmt. Den ausgesandten Häschern fiel Sulpicius in die Hände; er fand schnellen Tod (Appian. bell. civ. I 27 1f.; vgl. Mar. Sulla 10, 2. Oros. V 19, 6. Cic. Brut. 168).

15. Die Flucht des M. Die Flucht des M. ist als Sturz des Großen ins Elend (acerbissima fuga Cic. de or. 8; vgl. in Pis. 43) offenbar gern erzählt und im einzelnen abenteuerlich ausgeschmückt worden (vgl. M. Bang Klio X 178ff., wo die Quellenfrage eingehend untersucht wird; dazu Enßlin Klio XX 429). Livius (per. 77) gibt den glaubwürdigen Kurzbericht: C. Marius pater cum in paludibus Minturnensium lateret, extractus est ab oppidanis, et cum missus ad occidendum eum servus natione Gallus maiestate tanti viri perterritus recessisset, impositus publice navi delatus est in Africam. Gibt diese Erzählung schon Rätsel auf, insbesondere wie der Umschlag in der Stimmung zwischen der beabsichtigten Hinrichtung und der Deportierung nach Afrika möglich war, so noch mehr die genauen Darstellungen. Der ausführliche Bericht Plutarchs (Mar. 35, 8ff. 36ff.) ist im ersten Teil einfach und ohne Widersprüche. Sobald M. die Stadt hinter sich hatte, zerstreuten sich seine Begleiter im Dunkeln. Er fand Zuflucht auf seinem Landgut im ager Solonius. Seinen Sohn, der bei ihm war, schickte er auf die nahen Güter seines Schwiegervaters Mucius, damit er sich mit dem Nötigen versehe. M. gelangte trotz der umherschweifenden Reiter, die ihn suchten, nach Ostia, wohl am Morgen nach dem Aufbruch von Rom. Dort hielt ihm ein Freund, Numerius, schon ein Schiff bereit. Er fuhr ab, ohne noch lange auf seinen Sohn zu warten, also wohl kaum mit dem Nötigsten versehen, wurde aber von seinem Stiefsohn Granius begleitet. Bei zunächst günstigem Winde fuhr er die Küste entlang nach Süden, wollte aber um Terracina einen großen Bogen machen, um nicht von einem dort wohnenden Gegner, Geminius, bemerkt zu werden. Starker Wind von der See her trieb jedoch das Schiff mit dem von der Seekrankheit heftig mitgenommenen M. zum Strand des circaeischen Vorgebirges, wo er und seine Begleiter ausstiegen, um dem anwachsenden Sturm zu entgehen und sich Lebensmittel zu verschaffen. Sie stießen gegen Abend auf ein paar Hirten, die ihnen nichts geben konnten als den guten Rat, sich schleunigst fortzumachen, da sie kurz vorher einen Trupp Reiter auf der Suche nach M. gesehen hätten. Da also schon von M. und seiner Flucht ein Gerücht umging, ist es denkbar, daß die Hirten in dem flüchtigen Mann M. erkannten. Die Nacht brachte er mit seinen ausgehungerten Gefährten kümmerlich in einem Gebüsch zu. Am nächsten Tage wanderten sie hungernd an der Küste hin; vom Schiff des Numerius ist nicht mehr die Rede. Den Rest von Kraft stachelte M. bei sich und seinen Begleitern mit [1412] der fanatisch zuversichtlichen, auf alte Orakel gestützten Behauptung auf, das Schicksal habe ihm noch ein siebentes Consulat bestimmt. Etwa drei Kilometer vor Minturnae sahen sie in der Ferne Reiter auf sie zuhalten. Wenn der Bericht des Plutarch fortführe, daß sich M. jetzt versteckte, in einen Sumpf geriet, herausgezogen und nach Minturnae gebracht wurde, müßte man ihn in diesen Zügen als unverdächtig ansetzen (vgl. Liv. per. 77. de vir. ill. 67, 4). Dazu gibt auch der Parallelbericht: cum persequentum instantia circum saeptus esset, in Minturnensium paludibus se abdidit (Oros. V 19, 7) eine gute Motivierung. Diese fehlt bei Plutarch: bei ihm gerät M. eigentlich nur durch Tücke des Schicksals in den Sumpf, und zwar nach einem märchenhaft klingenden Abenteuer: M. und seine Begleiter erblickten die heransprengenden Reiter und zugleich zwei Frachtschiffe, die an der Küste entlang fuhren. Man rannte zum Strande hinab und schwamm auf die Schiffe zu. Granius erreichte das eine und gelangte so nach Aenaria (Ischia), überließ also M. seinem Schicksal. Dieser kam im Schwimmen nicht vorwärts; er war zu schwer und unbeholfen. Zwei Sklaven, offenbar aus seinem Gefolge, hoben ihn mit Mühe über den Wasserspiegel und trugen ihn zum anderen Schiffe. Trotzdem sich dieser Vorgang nicht schnell abgespielt haben kann, sollen erst jetzt die Reiter am Strand angelangt sein. Sie galoppierten aber nicht in die See hinein, in die soeben die Sklaven mit ihrer Last weit hineingewatet waren, sondern schrieen hinüber, die Schiffer sollten anlegen oder M. über Bord werfen. Die Schiffer schwankten, ließen sich aber durch die Bitten und Tränen des M. bewegen, ihn nicht preiszugeben. Doch als jene wütend schon fortgeritten waren, wurden die Schiffer wieder ängstlich, fuhren zur Mündung des Liris (Garigliano), warfen Anker und redeten M. ein, es sei besser, er gehe zunächst wieder ans Land, nehme dort Nahrung zu sich und ruhe sich aus, bis der erwartete günstige Wind vom Lande her ihnen gestatten würde, mit ihm abzufahren. M. ging darauf ein, was doch recht verwunderlich ist, und legte sich ganz erschöpft ins Gras, bis er verblüfft sah, daß die Schiffer ihn hatten liegen lassen. Schließlich raffte er sich auf und arbeitete sich durch die Rinnen und den Schlamm des Lirisdeltas weiter, bis er auf die Hütte eines alten Mannes stieß, der in den Sümpfen sein Fischerhandwerk trieb. Diesen, den sozial am kümmerlichsten gestellten gebrechlichen Mann, bittet M., der stolze Sieger, der sechsmal römischer Consul war, knieend um Hilfe und Rettung und verspricht ihm eine jede Erwartung übersteigende Belohnung, wenn er ihm aus der augenblicklichen Lage heraushelfe. Der Greis – ob er nun M. von früher her wiedererkennt oder ihn der Blick des Befehlsgewaltigen bannt – antwortet, zum Ausruhen reiche sein Hüttchen hin, zum Versteck vor Verfolgern könne er ihm anders einen sicheren Ort zeigen: er steckt ihn in eine Höhle am Fluß und verdeckt diese mit Schilf und Gesträuch.

Inzwischen hat Geminius von Terracina aus die Verfolgung aufgenommen; einige der Verfolger kommen zufällig zur Hütte des alten Sumpfbewohners und schüchtern ihn ein durch ihr drohendes Geschrei und ihre Behauptung, er [1413] habe einen Feind der Römer aufgenommen und versteckt; womit sie also fast wirklich ,auf den Busch geklopft‘ hätten. M. hört den Lärm, zieht die Kleider aus und springt in den Sumpf. In dem dicken, schlammigen Wasser wird er bald entdeckt. Nach Livius (per. 77) haben ihn aber nicht Terraciner, sondern Minturner herausgezogen, und diese Nachricht wird dadurch bestätigt, daß M. (auch nach Plutarchs Bericht) nach Minturnae gebracht wurde. Also stimmt die vorausgehende Erzählung des Plutarch nicht; übrigens auch schwerlich die Erzählung von dem Transport des M. auf das Schiff und aus dem Schiffe ans Land. Vielmehr wird sich die Flucht in den Sumpf infolge der Einkreisung durch die Reiter und die Auffindung durch die Leute von Minturnae an die Begegnung mit den Hirten am circaeischen Vorgebirge angeschlossen haben.

M. wurde also oculis tantummodo ac naribus eminentibus extractus arundineto circum paludem Maricae (Vell. II 19, 2) ab oppidanis (sc. Minturnensibus, Liv. per. 77), nackt und schlammbedeckt iniecto in collum loro (Vell.) turpi spectaculo (Oros.) nach Minturnae geführt und contrusus in carcerem (Oros. Vell.) iussu duumviri (Vell.). Auch diese Episode wird (besonders bei Plut. 38, 3ff.) durchsetzt mit Zügen, die an Tausendundeine Nacht erinnern. In privata domo clausus (Val. Max. II 10, 6; ἐν οἴκῳ ζοφώδει Appian. bell. civ. I 273) konnte er ausruhen; es war das Haus der Fannia. Sie kannte M., und sie hätte eigentlich erbittert gegen ihn sein müssen; denn er hatte in seinem letzten Consulat zwar ihren geschiedenen Mann dazu verurteilt, die Mitgift herauszugeben, weil dieser sie trotz ihres begründeten und ihm bekannten schlechten Rufes geheiratet hatte; aber als iudex de moribus hatte er in salomonischer Weisheit auch der Frau eine Strafe auferlegt, wenn auch eine lächerlich geringe (inpudicitiae sestertio nummo damnavit Val. Max. VIII 2, 3. Plut. a. O.; vgl. Girard Gesch. u. System des röm. Rechts II [1908] 1047f.). Fannia nahm ihn gegen Erwarten ohne Empfindlichkeit auf und unterhielt sich freundlich und tröstend mit ihm. Er versicherte ihr, er sei ganz ruhig und erzählte ihr ein kleines Erlebnis von bester Vorbedeutung, das er gerade vor dem Hause gehabt habe (vgl. Val. Max. I 5, 5). Nach der Unterhaltung äußerte er, der Gefangene, den Wunsch, zu ruhen, und befahl, das Zimmer zu verschließen!

Der Rat von Minturnae hatte schon den allgemein verbreiteten Befehl erhalten, den M. als Staatsfeind zu verfolgen und zu töten, und beschloß dem Ächtungsbefehl entsprechend die Hinrichtung; aber kein Bürger verstand sich zu der Tat, weil der Nimbus des Feldherrn und des sechsmal zum Consul Gewählten abschreckte (Appian. bell. civ. I 273). Sie schickten deshalb einen Mann vor, den die Quellen verschieden bezeichnen: als Γαλάτην ἄνδρα ἐπιδημοῦντα (Appian. a. O.; δήμιον nach L. Mendelsohns Konjektur; de vir. ill. 67, 5), servus natione Gallus (Liv. per. 77), ἱππεὺς Γαλάτης τὸ γένος ἢ Κίμβρος· ἀμφοτέρως γὰρ ἰστορεῖται (Plut. 39, 2); das seltsame Zusammentreffen, daß ein Cimber der Henker des M. sein soll, wird anderswo sogar novellistisch und mit ἀναγνώρισις gegeben: servus publicus natione Germanus, qui forte ab imperatore eo bello Cimbrico [1414] captus erat (Vell. II 19, 3), servus publicus natione Cimber (Val. Max. II 10, 6; vgl. Enßlin Klio 1926, 428). Man wird also annehmen dürfen, daß er ein Gallier war, vielleicht ein Kriegsgefangener.

An dem historischen Kern der dramatischen Scene, die sich dann entwickelte, wird man nicht zweifeln können, wenn auch das Schweigen Ciceros auffällig ist. Als der Scherge mit einem Schwert in den dunklen Raum eintrat, in dem M. verweilte, hatte er, ,wie erzählt wird‘ (Plut.) den Eindruck, als ob die Augen des M. eine starke Flamme ausströmten, und eine laute Stimme habe aus dem Dunkel gerufen: οὐ τολμᾷς κτεῖναι Γάιον Μάριον. Der Mann flüchtete sogleich, warf das Schwert nieder, ließ die Tür offen und lief aus dem Hause mit dem Rufs: οὐ δύναμαι κτεῖναι Γάιον Μάριον (Appian. bell. civ. I 273f. Plut. Mar 39, 3f.; vgl. servus maiestate tanti viri perterritus recessit Liv. per. 77. magno eiulato expromens indignationem casus tanti viri abiecto gladio profugit carcere Vell. II 19, 3; ähnlich mit Ausschmückung und Reflexion Val. Max. II 10, 6).

Dieses Verhalten des eingeschüchterten Galliers soll die Minturner zur Besinnung und zum Umschlag der Stimmung gebracht haben; soll doch auch der frühere Beschluß nicht ohne Bedenken gefaßt worden sein. Und offenbar hatte doch ein Daimon aus dem Gallier gesprochen; daß M. noch ein siebentes Mal Consul werden sollte, stand ja durch Wunderzeichen fest (Appian. bell. civ. I 275f.). Man sah, daß man nahe daran gewesen, den Retter Italiens mit höchstem Undank zu belohnen (vgl. Cic. Pis. 43). Es fand sich der Ausweg, ihn abzuschieben, ἄπορον καὶ γυμνόν. Gar so schlimm soll es aber nicht geworden sein: die Menge drang ins Haus, umringte ihn, versah ihn mit allerlei Dienlichem (Cic. Planc. 26. viatico conlataque veste Vell. II 29, 4) und führte ihn zum Meer, durch den ἄλσος der Marica, der schnellen Rettung zuliebe alten Brauch verletzend. Ein gewisser Belaeus stellte ein Schiff; später soll er sogar einen Pinax mit der Darstellung der Geschehnisse in dem genannten Heiligtum geweiht haben (Plut. Mar. 39, 5–40, 1). – Von diesem feierlichen Geleit schweigt Appian (bell. civ. I 277), bringt aber dafür hier die Geschichte von dem alten Fischer in angepaßter Variante vor (vgl. Enßlin Klio 1926, 426ff.).

Die ganze Erzählung von dem Stimmungsumschlag kann zu einer Zeit erfunden sein, als es den Minturnern peinlich war, sich an M. vergriffen zu haben. Es ist ja auch sehr sonderbar, daß von einer Bestrafung der Minturner durch Sulla nichts gemeldet wird (das fiel auch Mommsen RG II8 258 auf; er meint, Sulla habe vielleicht seinem Glücksstern auch dafür gedankt, daß es ihm erspart blieb, den Cimbernsieger zu töten! Ähnlich Ihne RG V 351, 3). Schlackenfrei scheint der tatsächliche Verlauf bei Orosius (V 19, 7f.) sichtbar zu sein: Marius percussorem ad se missum solo vultu exterruit; deinde lapsus vinculis in Africam transfugit (vgl. Gran. Licin. 23 Bonn.). Diese Flucht wird von seinen Anhängern, besonders den kleinen Leuten, unterstützt (vgl. ad infimorum tenuissimorum hominum Minturnensium misericordiam confugit Cic. Sest. 50; ad Quir. 20, wo allerdings auch an den alten Fischer [1415] gedacht werden kann; auch die Fanniaepisode könnte in diesen Zusammenhang gehören; vgl. Cic. Planc. 26). Aber auch die Stadtbehörde hat die Flucht wohl nicht ungern gesehen oder sogar begünstigt (impositus publice navi Liv. per. 77); kam sie doch damit aus einem bösen Dilemma heraus. Zu passender Zeit konnte diese Duldung in ein Eintreten für M. umgedeutet werden, so in einer Lobrede Ciceros (Planc. 26).

Das Schiff, in das M. stieg, kam mit günstigem Winde zur Insel Aenaria (Ischia), wo er Granius und seine übrigen Freunde antraf. Mit ihnen fuhr er nach Afrika ab. Unterwegs liefen sie aus Wassermangel die Westküste von Sicilien nahe beim Eryx an; die Ausgestiegenen wurden von einer römischen Wachmannschaft überfallen, sechzehn Mann getötet, M. beinahe gefaßt. Er schiffte sich schleunigst wieder ein und fuhr weiter nach Süden zur Insel Meninx (heute Djerba) in der kleinen Syrte, wo er durch die Nachricht aufgerichtet wurde, daß sein Sohn glücklich entkommen und zum Numiderkönig Hiempsal unterwegs sei, um Hilfe zu erbitten. (Nach Vell. II 19, 4 traf er seinen Sohn schon bei der Insel Aenaria.) Zuversichtlicher fuhr er auf Carthago zu. Von dem Praetor Sextilius, der in Afrika stand (Wehrmann Fasti praet. 26), erwartete er eine wohlwollend neutrale Haltung. Kaum war er aber gelandet, da schickte ihm der Praetor das Verbot, Afrika zu betreten; widrigenfalls werde er ihn gemäß den Senatsbeschlüssen als Feind der Römer behandeln. M. soll vor Schmerz und Gemütsdruck nicht haben sprechen können und den Boten finster angeblickt haben, bis dieser fragte, was er dem Praetor sagen solle. Da habe M. seufzend geantwortet: ,Melde, daß du den Gaius Marius verbannt auf den Ruinen Carthagos sitzen sahst‘ – οὐ κακῶς ἅμα τήν τε τῆς πόλεως ἐκείνης τύχην καὶ τὴν ἑαυτοῦ μεταβολὴν ἐν παραδείγματος λόγῳ θέμενος (Plut. Mar. 40, 9). Man wird nicht mit Sicherheit entscheiden können, ob damit ein Ereignis oder eine aus Reflexion entstandene Anekdote berichtet ist (vgl. inopem vitam in tugurio ruinarum Carthaginiensium toleravit, cum Marius aspiciens Carthaginem, illa intuens Marium, alter alteri possent esse solacio Vell. II 19, 4). Die Situation der Erzählung: der Praetor, der M. ausweist, statt ihn zu verhaften und zu töten (woran Ihne RG V 352, 1 mit Recht Anstoß nimmt), dann der auf Antwort (was für eine eigentlich?) wartende Bote – ist zu künstlich: aber ein solcher Ausspruch des trübgestimmten M., wenn er in einer elenden Hütte zwischen den Trümmern Carthagos hauste und die Erinnerung an Rom und an den Glanz der Consulatsjahre in ihm aufstieg, war, falls er etwas Sinn für Symbolik hatte, fast unvermeidlich (vgl. die Stufen in der Erniedrigung des M. bei Iuv. 10, 276: exilium et carcer Minturnarumque paludes et mendicatus victa Carthagine panis; dazu die Scholien).

Nach einer anderen Nachricht (Appian. bell. civ. I 279f. Plut. Mar. 40, 10f.) soll M., weil ihm die Landung nicht gestattet wurde, den Winter (Ende des J. 88) auf dem Meere an der Grenze von Numidien zugebracht haben (was aber nicht bedeuten kann, daß er ständig auf See gewesen ist; vgl. Plut. Mar. 40, 13). Mehrere der mit [1416] ihm Verurteilten, auch sein Sohn, trafen ihn dort. Wo und mit wem er auch zusammenkam, zutreffend ist sicher, daß er mit seinen Schicksalsgenossen Pläne zum Sturz von Sulla schmiedete und auf eine günstige Gelegenheit zur Durchführung lauerte (Appian. bell. civ. I 281). Der Sohn des M. war aus Numidien entkommen, obwohl ihn König Hiempsal in zweideutiger Haltung zurückzuhalten suchte (vgl. Utica, ubi in custodia observabatur Oros. V 19, 8). Sie fuhren gemeinsam in einem Fischerkahn hinüber zur Insel Kerkina (jetzt Gherba), nahe bei dem Festland, und entgingen so noch gerade den heraneilenden Reitern Hiempsals (Plut. Mar. 40, 14).

16. Rückkehr des M. Nach der Flucht des M. war Sulla trotz der schwierigen Lage im Osten noch in Rom geblieben, weil er die Wahl der Consuln nach seinem Sinne lenken wollte. Das gelang ihm indes nicht ganz: die Wahl fiel auf Cn. Octavius, einen Aristokraten viel zu sanften Charakters für diese Zeiten, und den fanatischen Demagogen L. Cornelius Cinna. Die einzelnen Geschehnisse dieser Zeit gehören zum Teil zur Geschichte des Sulla und des Cinna (s. Bd. IV S. 1537ff. 1283ff.). Ehe sich Sulla nach Amtsantritt der Consuln auf den östlichen Kriegsschauplatz begab, ließ er sich von Cinna das eidliche Versprechen geben, nichts gegen die bestehende Ordnung zu unternehmen. Als sich aber der Kampf der Alt- und Neubürger erneuerte, unterstützte Cinna die Forderung der von den Verbannten gestützten Neubürger, unter alle alten Tribus verteilt zu werden. Das war im Sinne des M. und ein προοίμιον τῆς αὐτοῦ τε Μαρίου καὶ τῶν ἄμφι τὸν ἄνδρα καθόδου (Appian. bell. civ. I 287): legem de exulibus revocandis ferens (de vir. ill. 69, 2) dokumentierte er, daß er der unterdrückten Partei des M. aufhelfen wollte (Plut. Sert. 4). Octavianus, der andere Consul, hielt es dagegen mit den dieser Forderung widerstrebenden Altbürgern. Er brachte es fertig, seinen Amtsgenossen unter blutigen Kämpfen aus der Stadt zu drängen und ihm durch den Senat das Consulat zu nehmen. Cinna war es aber schon gelungen, latinische Städte, die kürzlich das Bürgerrecht erhalten hatten, zum Abfall zu bringen; er gewann das bei Capua stehende Heer, vergrößerte es durch Aushebungen unter den Italikern und zog mit ihm gegen Rom. Dann nahm er die Verbindung mit M. auf (opus erat partibus auctoritate, cuius augendae gratia C. Marium cum filio de exilio revocavit quique cum iis pulsi erant Vell. II 20, 5. 21, 6. Dio frg. 100, 8. Liv. per. 79. de vir. ill. 67, 6).

M. fuhr sofort ab, als er Nachricht, ob nun vom Vorrücken des Cinna gegen Rom (Appian. bell. civ. I 305) oder die erwähnte Einladung (deren es bei M. nicht bedurfte; Ihne RG V 353, 1) bekommen hatte, offenbar gegen Ende des J. 87. Er nahm Flüchtlinge aus Italien und mauretanische Reiter mit, im ganzen kaum tausend Mann (so Plut. und Gran. Licin. 23 Bonn. Appian gegen 500; er nennt aber nicht die afrikanischen Reiter. Die Zahl ist rätselhaft hoch; vgl. Ihne RG V 353, 2). Als er in Telamon (heute Castello di Talamone, zwischen Grosseto und Orbetello) gelandet war, lief eine Menge Landleute und Hirten ihm zu, auch Sklaven, denen er die Freiheit [1417] versprochen hatte, so daß er in wenigen Tagen eine ansehnliche Macht zusammenbrachte; außerdem rüstete er vierzig Schiffe aus. M. scheint es sich (wie auch Sertorius) trotz des Eintretens des Cinna für seine Sache erst überlegt zu haben, welchem Consul er sich anschließen solle, an Octavius, dem man nur rechtmäßige Handlungen zutraute, oder an Cinna, der mit Sulla nicht harmonierte und seine Verfassung stürzen wollte: er entschied sich für Cinna und ordnete sich ihm als Consul unter. Cinna war erfreut und erkannte ihn als Proconsul an, in Wirklichkeit aber als Leiter der Operationen. Die übersandten Insignien lehnte M. jedoch ab, weil der Schmuck nicht zu seiner Lage passe: er gefiel sich darin, wie ein Verurteilter schlecht gekleidet, mit langem Haar und Bart, die er sich während der ganzen Flucht nicht hatte scheren lassen, als mitleiderweckender, den Undank seiner Mitbürger anklagender Greis langsam einherzugehen; aber er war durch sein Unglück gewachsen und fühlte sich in der Tat animo confirmato et renovato (Cic. ad Quir. 19. Flor. II 9, 10); seine erschreckende Miene verriet sein verbittertes Gemüt. In den Städten sprach er öffentlich, stellte seine Siege über die Cimbern und seine sechs Consulate ins rechte Licht und versprach den Hörern das von ihnen gewünschte Stimmrecht (Gran. Licin. 23 Bonn. Plut. Mar. 41, 6. Appian. bell. civ. I 305f.). Man schenkte ihm Vertrauen; 6000 Etrusker folgten ihm zu Cinna, ἀσμένως αὐτὸν ἐπὶ κοινωνίᾳ τῶν παρόντων δεχόμενον (Appian. a. O.) trotz der von Sertorius geäußerten Bedenken (Plut. Sert. 5; Mar. 41).

Nach der Verbindung mit Cinna ad profligandam universam rempublicam (Oros. V 19, 9) übernahm er das Kommando einer der vier Heeresgruppen, die drei Legionen umfaßte. Er ging sofort energisch vor: er bemächtigte sich mit seiner neugeschaffenen Flotte der Proviantschiffe, die nach Rom fuhren, und der Küstenstädte, schließlich auch Ostias (durch Verrat: Plut. Mar. 42, 3. Gran. Licin. 25 Bonn.; durch Gewalt: Oros. V 19, 17), wo er große Summen herausholte und viele Einwohner hinrichten ließ. Er schlug eine Brücke über den Tiber und schnitt den Feinden die Zufuhr von der Seeseite völlig ab. Das Janiculum, das er zusammen mit Cinna eroberte, konnte er nicht behaupten (vgl. Münzer Bd. IV S. 1284f.). Es gelang ihm, die Streitkräfte der Samniter, die als letzte Kämpfer des Bundesgenossenkriegs noch gegen ein senatorisches Heer unter Caecilius Metellus (dem Sohne) im Felde standen, für sich zu gewinnen, indem er ihnen alle Forderungen bewilligte, die sie dem Metellus gestellt hatten (vgl. Dio frg. 100, 7 Melber. Gran. Licin. a. O.). Die Nachricht über einen Kampf bei Ariminum ist rätselhaft; sie bezieht sich vielleicht auf M. den Sohn (Gran. Licin. 25 Bonn.; vgl. Münzer a. O.). Darauf durchstreifte M. plündernd und mordend die Städte im Südosten von Rom, um der Hauptstadt auch von dort die Zufuhr abzuschneiden. Ehe von anderer Seite Lebensmittel hereinkommen konnten, stieß er auf der Via Appia gegen Rom vor und lagerte mit Cinna nicht 20 km vor der Stadt. Da inzwischen der Senat die Forderung der Italiker erfüllt und ihnen das gleiche Stimmrecht in allen Tribus erteilt hatte, gab es nur mehr einen Grund zum Kampfe zwischen Optimaten [1418] und Popularen: der persönliche Haß und der Wunsch, den Gegner zu vernichten. Metellus versuchte friedliche Verhandlungen mit Cinna anzuknüpfen: M. vereitelte sie (Diod. frg. XXXVIII 2, 1). Der Senat mußte schließlich bei der zweideutigen Haltung der Befehlshaber und der Neigung der Truppen, zur Gegenseite überzulaufen, auf Widerstand verzichten und schickte Gesandte an Cinna und M. mit der Bitte, die Bürger der Stadt zu schonen. Cinna versprach, daß er niemanden werde mit Absicht töten lassen: Μάριος δ’ αὐτῷ παρεστὼς ἡσύχαζε μέν, ἐδήλου δὲ τῇ δριμύτητι τοῦ προσώπου, πόσον ἐργάσεται φόνον (Appian. bell. civ. I 322). Der Senat konnte nicht mehr anders als M. und Cinna zum Einzug einzuladen. Während Cinna einzog, blieb M. im Tore stehen und machte höhnisch lächelnd darauf aufmerksam, daß Verbannte die Stadt ja nicht betreten dürften; wenn man seine Anwesenheit für nötig erachte, müßte erst das Verbannungsurteil durch ein neues Gesetz aufgehoben werden – als ob die Abstimmung der eingeschüchterten Bürger mehr hätte sein können als eine leere Formalität. Eiligst wurde eine Volksversammlung (nicht der Senat: Cic. post red. in sen. 38) zur Aufhebung des Verbannungsgesetzes einberufen. Es wird einerseits von einem von den Volkstribunen veranlaßten förmlichen Beschluß der Aufhebung berichtet (Appian. bell. civ. I 324. prior ingressus Cinna de recipiendo Mario legem tulit; Vell. II 21, 6); andererseits behauptet eine Überlieferung, noch ehe mehr als ein paar Tribus gestimmt hätten, sei M. schon rücksichtlos an der Spitze einer mordbereiten Leibwache von Sklaven eingezogen, was durchaus glaublich ist, da es M. nicht darauf ankam, das positive Ergebnis der Abstimmung entgegenzunehmen (Plut. Mar. 43, 4). Wenn auch nicht alle Berichte über den pestifer civibus suis reditus (Vell. II 22, 1) des M. die Farben gleich stark auftragen und die ausdrücklich genannten Namen von wichtigen Personen nicht zahlreich sind, so variieren sie doch stets alle den Satz: Cinna et Marius in urbem recepti velut captam eam caedibus ac rapinis vastaverunt Cn. Octavio consule occiso et omnibus adversae partis nobilibus trucidatis (Liv. per. 80). Die Banditen töteten auf Befehl oder bloßen Wink des M. eine Menge Bürger, hieben den gewesenen Praetor Q. Ancharius (Wehrmann Fasti praet. 27. Klebs Bd. I S. 2102) nieder, dessen Gruß M., der übrigens gerade auf dem Kapitol opfern wollte, nicht erwiderte, und brachten nach demselben Kennzeichen viele Männer der Gegenpartei um. Nach so vielen Hinrichtungen war Cinna bald des Mordens satt; die Rache des M. soll sich fünf volle Tage und Nächte in Proscriptionen ausgetobt haben, bis alle Versteckten aufgespürt und alle Verdächtigen vernichtet waren. Bei solcher Gründlichkeit muß es allerdings auffallen, daß der junge M. später eine Nachlese halten konnte (Ihne RG V 362, 2). Die Sklavenhorde benahm sich besonders bestialisch und niederträchtig, bis endlich Cinna und Sertorius zusammen sie niederhauen ließen (Plut. Mar. 44, 10; Sert. 5). Sulla wurde als Feind des Vaterlandes erklärt, seine Freunde wurden umgebracht, seine Gesetze aufgehoben, sein Haus wurde zerstört, sein Vermögen eingezogen; seine Frau und seine Kinder entkamen [1419] (Plut. Mar. 43ff. Appian. bell. civ. I 325ff. Dio frg. 100, 8ff. Melb. Liv. per. 80. Flor. II 9, 12ff. Oros. V 19, 17ff.). Nachdem schon viele Morde ohne Urteil und Recht geschehen waren, wollte man der Gewalt den Anschein der Gesetzmäßigkeit geben und bestellte öffentliche Ankläger, so gegen Q. Lutatius Catulus. Aber da er auf die Verbannung des M. gedrungen hatte, konnte er, belli Cimbrici gloria, quae illi cum Mario communis fuerat, celeberrimus (Cic. Tusc. 5, 56. Plut. Mar. 44, 8) auf keine Gnade hoffen; als M. nur ein moriatur für ihn hatte, erstickte er sich mit Kohlendunst – maximus Marianae gloriae rubor (Val. Max. IX 12, 4, vgl. Cic. nat. deor. III 80. Diod. XXXVIII 4).

17. Siebentes Consulat und Ende. Nach den blutigen Tagen kam ein Rückschlag, eine βραχεῖα ἐπίσχεσις καὶ παῦλα ὀλίγη ἀφάτων κακῶν (Plut. Mar. 45, 2), die Folge einer äußeren und inneren Ermüdung des Μ. (τοῖς τε πόνοις ἀπειρηκὼς καὶ ταῖς φροντίσιν οἷον ὑπεράντλος ὣν καὶ κατάπονος Plut. Mar. 45, 4), aber schwerlich der törichten Gerüchte von Sullas drohendem Aufbruch nach Rom. Unter dem Druck solcher Befürchtungen bei den Bürgern und der tatsächlichen Machtverhältnisse war es nicht anders möglich, als daß M., wenn er nur wollte, zum siebenten Male zum Consul ernannt wurde; für ihn war es die Erfüllung eines dauernd gehegten Wunsches. So erklärten sich M. und Cinna eigenmächtig für das folgende Jahr als Consuln (citra ulla comitia Liv. per. 80; doch sind die Bedenken Ihnes RG V 302, 4 beachtlich; im übrigen vgl. Münzer Bd. IV S. 1286), und so trat er am 1. Januar 86 nochmals ein Consulat, sein siebentes, an: post LXX annum patria per arma civilia expulsus armis restitutus VII consul factus est (Elog.). Daß er an diesem Tage bei seinem ersten Auftreten den Senator Sextus Licinius vom tarpeischen Felsen herabstürzen ließ, wurde – doch wohl von noch vorhandenen Gegnern – als unheilvolles Symbol für seine Partei und für Rom gedeutet (Liv. per. 80. Plut. Mar. 45, 3). Vermutlich in den ersten Tagen des J. 86 führte er seinen Neffen C. Iulius Caesar in das öffentliche Leben ein, indem er und Cinna ihn zum Priester des Iuppiter, flamen Dialis, wählen ließen (Vell. II 43, 1. Suet. Caes. 1. Drumann-Groebe Gesch. Roms2 III 127). – Das damalige Leben des M. wurde als körperlich und seelisch gequältes Dasein in Einzelheiten so geschildert, wie es einem verhaßten Tyrannen gern nachgesagt wird: quälende Erinnerung an die Abenteuer seiner Flucht, schreckliche Ratlosigkeit, Angstzustände natürlich beim Gedanken an Sulla: δειvαὶ γὰρ κοῖται καὶ ἀποιχομένοιο λέοντος klang ihm im Traum in die Ohren. In seiner Angst vor den schlaflosen Nächten suchte er sich durch Trinken zu betäuben. In diesem überreizten Zustand genügte zur Krise eine Pleuritis, wie Poseidonios, selbst in den letzten Tagen als Gesandter (aus Rhodos) Gast bei M., aufzeichnete. Ist diese letzte Tatsache also gut bezeugt, so läßt die Erzählung von den Ängsten und ihrer Betäubung doch den herabsetzenden Ton des Sullakreises erkennen. Der M. unfreundliche Gewährsmann des Diodor berichtet sogar, er habe sich freiwillig aus dem Leben gestohlen in Voraussicht [1420] des von Sulla her drohenden Krieges (frg. XXXVII 29, 4; ähnlich, aber zurückhaltend de vir. ill. 67, 6); aber andere M. nicht freundliche Autoren wissen nichts davon (sera tandem morte praereptus Oros. V 19, 23; morbo oppressus discessit Vell. II 23, 1). Cicero sagt sogar: feliciter septimum consul domi suae senex est mortuus nat. deor. III 81, wo er allerdings das feliciter gut brauchen kann: improbis optime evenit).

Zweifellos hat M. den unvermeidlichen Kampf gesehen (πολλὰ καὶ δεινὰ εἰς Σύλλαν ἐπινοῶν Appian. bell. civ. I 346 von den letzten Tagen des M.). In der Tat stand aber die Rückkehr Sullas durchaus nicht nahe bevor; kämpfte er doch erst vor Athen und hatte er doch noch den Hauptteil seiner Aufgabe vor sich. Man wird im Gegenteil M. eher gerecht, wenn man annimmt, daß er in seinem ehrgeizigen Drange die Absicht hatte, Sulla das Heer zu nehmen und selbst, wie vormals in Afrika und Europa, so auch in Asien als der große Feldherr aufzutreten, der die Entscheidung bringt. Deshalb hat mehr innere Wahrscheinlichkeit der auf C. Piso zurückgehende Bericht über seine letzten Tage: M. habe sich bei einem Abendspaziergang mit seinen Freunden über seine Erlebnisse von frühesten Zeiten und das Auf und Ab in seinem Leben unterhalten und gesagt, ein weiser Mann dürfe sich nicht länger auf das Glück verlassen: das heißt also, daß er jetzt wieder einen Rückschlag erwartete. Dann habe er sich verabschiedet und sei nach siebentägigem Krankenlager gestorben. In diesen letzten Tagen (τινές φασιν) tobte sich seine Ehrsucht noch einmal wie im Wahnsinn aus: er glaubte gegen Mithridates zu kommandieren, nahm entsprechende Haltungen ein und schrie Kommandos und Kampfrufe, wie er es früher in den Schlachten getan hatte (Plut. Mar. 45). – Der Todestag ist der 13. Januar 86 (s. o. S. 1367; Liv. per. 80. Flor. II 9, 17. Nach Plut. Mar. 46, 6 starb M. am 17. Januar. Von der Bestattung spricht Cic. Sex. Rosc. 33. Val. Max. IX 11, 2).

III. Marius und das Heer.

Daß M., der von der Pike auf gedient hatte, den Kriegsdienst und die Manneszucht gründlich verstand und deshalb, als die Germanen drohten, in der Aufstellung und Ausbildung eines disziplinierten und leistungsfähigen Heeres ein Meisterwerk vollbrachte, ist aus allen Quellen zu ersehen.

Die Mängel des bisherigen Heerwesens bestimmten ihn aber auch, wichtige organisatorische Eingriffe zu vollziehen. Von einer durch ihn vollzogenen Reform des Heerwesens kann gesprochen werden, wenn auch nirgends ausdrücklich davon berichtet wird (doch vgl. Sall. Iug. 86, 2f. Gell. XVI 10, 14. Plut. Mar. 9, 1f. Flor. I 36, 13. Val. Max. II 3, 1; Lyd. de mag. I 48. Quintil. decl. III 5. W. Votsch Cajus Marius als Reformator des römischen Heerwesens 1886. Marquardt Staatsverw. II 430ff. Delbrück Gesch. d. Kriegsk. I 415. 439ff. Kromayer-Veith Heereswesen und Kriegsführung 379. 439. Lammert N. Jahrb. V 186f. und o. S. 1379. 1385. Bd. V S. 591ff. VI S. 1599). Der dilectus nach dem Census war schon in einzelnen Fällen umgeändert worden, weil es mehrfach notwendig wurde, auch die ärmere Bevölkerung zum Kriegsdienst heranzuziehen, [1421] zumal da die Begüterten immer verdrossener wurden (cogere ad militiam eos, quos nolis offendere, asperius est: M. bei Sall. Iug. 85, 3). Das Gesetz wurde nicht geändert, offenbar auch in M.s Zeit nicht, wohl aber die Praxis. M. brach im J. 107 mit dem alten Brauch und hob meist Soldaten aus der untersten, nach Köpfen, nicht nach Vermögen geschätzten Bürgerklasse aus. Daß M. damals auch Sklaven ausgehoben habe, wird man als verfrühten Bericht ansehen dürfen (mit Marquardt; vgl. Plut. Mar. 41, 3; Sulla 19, 14. Flor. II 9, 11). Damit war das Bürgerheer zum Berufsheer, aber auch proletarisiert worden; die Soldaten mußten sich mehr dem Feldherrn als dem ihnen ferner liegenden Staat verpflichtet fühlen (homini potentiam quaerenti egentissimus quisque opportunissimus Sall. Iug. 86, 3; vgl. Appian. bell. civ. V 68). Trotzdem wird man diese Umwandlung der Miliz in ein Söldnerheer mehr als sozialpolitische Maßregel zur Entlastung des vor dem Ruin stehenden besitzenden Bauernstandes durch Heranziehung des besitzlosen zum Kriegsdienst als die Absicht der Herstellung eines Instruments des persönlichen Ehrgeizes ansehen dürfen (so Kromayer-Veith 411).

Diese summarische Methode der Aushebung brachte es mit sich, daß auf Differenzierung der Legionssoldaten kein Wert mehr gelegt werden konnte. Die velites werden zuletzt im Iugurthinischen Krieg erwähnt (Sall. Iug. 46, 7. 105, 2); in Caesars Heer fehlen sie. Je mehr die leichtbewaffneten beweglichen auxilia herangezogen wurden, desto entbehrlicher waren jene, und es war praktisch, sie ganz zu Hopliten zu machen, wobei die Rüstung der Hopliten (pilum – Plut. Mar. 25, 2 – und scutum) erleichtert wurde (falls nicht hier die Rücksicht auf körperliche Leistungsfähigkeit des einzelnen Mannes und ein Nachgeben gegenüber seinem persönlichen Geschmack vorliegt, in das wir uns, die Uniform des Soldaten gewohnt, nur schwer hineindenken können; vgl. Kromayer-Veith 410). Damit hat die Legion, zumal da statt der nationalrömischen und der bundesgenössischen Reiterei immer mehr fremde Reiterschwadronen eingesetzt wurden, aufgehört ein Verband gemischter Waffen zu sein, was die Stoßkraft des Heereskerns erhöhte. Mit der Vereinheitlichung des Heeres hing es zusammen, daß die Legion, für die M. eine Sollstärke von 6200 Mann festsetzte (Fest. p. 336. Nissen Bonn. Jahrb. CXI 38), nicht mehr nach Manipeln, sondern nach Kohorten aufgestellt wurde. Wahrscheinlich wirkten auch die Erfahrungen in dem Cimbernkriege mit (vgl. Marquardt Staatsverw. II 436): die Aufstellung in Manipeln wird zuletzt im Iugurthinischen Kriege, als Metellus kommandierte, erwähnt (Sall. Iug. 49, 6). Die gleichmäßig bewaffnete Kohorte konnte als stärkerer taktischer Körper auftreten. Als Zeichen der Neuordnung ist auch die Neuerung zu betrachten, daß M. im J. 104 der ganzen Legion ein gemeinsames Feldzeichen, den Adler, verlieh (Plin. n. h. X 16: s. Bd. II S. 317 und v. Domaszewski Die Fahnen des röm. Heeres; dazu Mommsen Ges. Schr. VI 134. Delbrück Ant. Kriegsk. I 436ff. Kromayer-Veith a. O.). Für den Marsch der übermäßig schwer bepackten Soldaten schuf M. eine Erleichterung, [1422] indem er das Gepäck auf einem hölzernen Gerüst bequemer verteilte (s. o. S. 1385); doch mag diese Maßregel nur eine Entlastung des Trosses und größere Unabhängigkeit der Truppe von ihm bezweckt haben (Fest. p. 149. Frontin. strat. IV 1, 7). Auch auf die Entwicklung der Castrametation scheinen die Reformen des M. Einfluß gehabt zu haben (vgl. Nissen a. O.).

M. war nicht mehr Vorkämpfer und Feldherr zugleich; er trug ehrenvolle Narben; aber sie stammten kaum aus seiner Feldherrnzeit (Kromayer-Veith 439). Mit Beginn des Bürgerkriegs setzte sich das Berufsfeldherrntum durch; die Persönlichkeit konnte sich freier ausleben. ,M. war der letzte große Feldherr alten Stiles; mochte er politisch gelegentlich frondieren, als Soldat hat er sich stets als Werkzeug der Staatsgewalt gefühlt und benommen.‘ (Kromayer-Veith 463.) Als M. starb, war Rom politisch ein Chaos, das Heerwesen aber auf neuer Grundlage geordnet und gefestigt (Kromayer-Veith 376; anders, Augustus zuliebe, Mommsen, der meint, zur definitiven Gestaltung bei der Reorganisation des Heeres sei ,weder die rohe Hand des M. noch Sullas leichtfertiger Griff‘ gelangt: Hist. Ztschr. N. F. XXXVIII [1877] 3; vgl. Gardthausen Augustus 629ff.).

IV. Persönliches.

1. Äußeres und Benehmen. Die Quellen sagen fast nichts über seine Gestalt und seine Physiognomie. Während von Sulla hervorgehoben wird, daß er blaue Augen und blondes Haar gehabt habe (s. o. Bd. IV S. 1523), wird bei M. nur der imperatorius ardor oculorum (Cic. Balb. 21) erwähnt, die in Minturnae den Henker durch ihr Leuchten im dunkeln Raum abgeschreckt haben sollen (s. o. S. 1414). Plutarch (Mar. 2, 1) hat in Ravenna einen Marmorkopf des M. gesehen, der ganz der ihm zugeschriebenen Unfreundlichkeit und Härte entsprochen habe. Dieser Ausdruck war offenbar zur Zeit seiner Rückkehr aus dem Exil ins Furchtbare gesteigert und ließ auf eine Niedergeschlagenheit und ein im Unglück verdüstertes Gemüt schließen (s. o. S. 1417). Die auf M. angewandten Begriffe hirtus atque horridus (Vell. II 11), ,struppig und zottig‘, werden im übertragenen Sinne als ,nachlässig im Äußern und ungehobelt im Wesen‘, allenfalls als ,rauh und schlicht‘ zu deuten sein. Zur Zeit seiner Verbannung wird sein gewollt vernachlässigtes Äußeres, langes Haar und Bart, hervorgehoben: es war also sonst anders, d. h. er trug, wie es bei den vornehmen Römern der Zeit üblich war, keinen Bart. Er betonte, daß er Narben auf der Brust habe (Sall. Iug. 85, 29). War er in seiner Soldatenzeit abgehärtet, so hatte er sich doch später eine luxuriöse Lebensart angewöhnt, die ihm nicht nur das erheiratete Vermögen gestattete, sondern auch die bei den Feldherrn übliche Bereicherung in den Kriegen. Diese Herkunft seines späteren Reichtums muß geschlossen werden aus der Parallele mit Sulla (Bd. IV S. 1552) wie daraus, daß M. seinem Helfer Sulpicius Belohnung aus der erhofften Beute des asiatischen Krieges versprach (Appian. bell. civ. I 242; Bd. IV A S. 846). Sein Körper wurde in den späteren Jahren schwer und unbehilflich; aber er suchte sich wieder durch Training zu verjüngen, [1423] um die Berechtigung zur Übernahme des Kommandos im mithridatischen Krieg zu beweisen (o. S. 1408). M. hat auch die Leiden der Flucht und Verbannung überstanden. Er litt an Krampfadern, die ihm beide Beine entstellten; er ließ einst das eine Bein operieren, ohne daß es abgebunden war, und hielt die Schmerzen mit ruhiger Miene aus; das andere Bein gab er dem Arzt nicht her: er fand, daß die Ausbesserung die Schmerzen nicht lohne (Plut. Mar. 6, 5ff.). Beim alternden M. stellte sich Rheuma ein (a. O. 34, 2); Todesursache war eine Rippenfellentzündung (a. O. 45, 7).

Durch Porträtstatuen sind wir über M.’ Gestalt und Physiognomie nicht unterrichtet. Wenn das Volk ihm als seinem Abgott gewiß solche noch zu Lebzeiten gesetzt hat, so hat sie Sulla nach seiner Rückkehr gründlich ausgemerzt: ließ er doch sogar seine Asche in den Anio streuen (Val. Max. IX 2, 1; Licinian. 43 Bonn.). Doch Caesar holte Bilder des M. aus dem Hause der Witwe beim Leichenbegängnis der Iulia hervor: er wollte die Erinnerung an den demokratischen Führer erneuern (Plut. Caes. 5). Falls Caesar in Rom neue Denkmäler setzen ließ, waren sie zur Zeit Plutarchs schon verschwunden, da er sich auf ein Stück in Ravenna beziehen muß (s. o.). – Die Stücke, die heute als M.-Bilder bezeichnet werden, sind ohne Beglaubigung und schließen sich meist gegenseitig aus. Bernoulli (Röm. Ikonogr. I 76ff.) bringt die Abbildung einer in Palestrina gefundenen, von Visconti publizierten Glaspaste mit der Inschrift C. MARIVS VII COS; höchst verdächtig. Auch alle anderen Stücke (a. O. 80ff.) sind sicher falsch bezeichnet oder ganz unbeglaubigt. Nach physiognomischer Deutung hält Bernoulli einige Stücke als Porträts des M. für möglich: eine Marmorbüste der Münchener Glyptothek nr. 216 (Abb. S. 82), ähnlich Uffizien nr. 270; zwei Stücke aus dem Museo Chiaramonti, eins davon ein ,treffendes Bild eines etwas galligen Alten‘ (Burckhardt Cicerone9 I 165. Bernoulli Abb. S. 83. W. Helbig Führer I3 58f. Amelung Skulpturen des Vatik. Museums I Taf. 69 u. S. 646ff.); ferner das an sich ausgezeichnete Porträt in der Glyptothek in München nr. 172 (Abb. Bernoulli 85. P. Wolters Illustr. Katal. 53 und Taf. 63 = Furtwängler Beschr. d. Glypt. 324; 100 Tafeln nach Bildwerken der Glyptothek Taf. 74 = Arndt Griech. u. röm. Porträts 27. 28).

2. Charakter. Aus den genannten Stellen ergibt sich schon, daß M. eine eiserne Natur besaß. Sein Wille war stark. Gegen Schmerz und Rührung war er unzugänglich (s. auch Cic. Tusc. II 15. 53). Er war ,ein Bauernkerl, aber ein ganzer Kerl‘ (rusticanus vir, sed plane vir Cic. 53). Römische Bauernart bewies die schlichte und sittenstrenge Lebenshaltung (vita sanctus Vell.; vgl. Sall. b. I. 85, 39ff.; Lusius und Fannia o. S. 1386. 1413). Wie er von Jugend auf, hart erzogen, von sich alles verlangte, so auch von andern. Das berief ihn zum Soldaten und Soldatenerzieher. Während Sulla eine überlegen leichte Art hatte, zu leben, zu kommandieren und zu regieren (vgl. Berve Neue Jahrb. VII 673ff.), ist M. mehr der Troupier (so Delbrück 402), eine ,spezifische Kommißbegabung‘ (Gerh. Günther Ztschr. Dtsch. Volkst. [1424] 1931, 754), die bei ihm stärker war als die strategische Begabung. Wenn er auch nicht so wie Sulla vom Glück begünstigt war, sondern sich erst mühsam emporrang, so hatte er doch als Feldherr das Glück, daß die Cimbern und Teutonen ihm Zeit ließen, seine Truppen zu schulen, und daß sie es ihm möglich machten, auf der inneren Linie zu operieren und die nicht miteinander verbundenen Heere getrennt zu schlagen; dazu kam als günstiger Umstand ihre taktische Unbeholfenheit, so daß die altrömische disciplina siegte. Später hatte er im Bundesgenossenkrieg allerdings geringen Erfolg; doch lag das wohl auch an der herrschenden Partei, die ihn nicht mehr hochkommen lassen wollte.

M. war ein Mann mit ,natürlichem Menschenverstand‘, wie auch zahlreiche der von ihm volkstümlich anschaulich geformten Aussprüche zeigen. Ihn durch die modische Bildung zu schleifen lehnte er ab. Er war Verächter der griechischen Bildung, weil sie ihm nicht lag, suchte aber Deckung im Herrenstandpunkt: die griechische Wissenschaft werde ja von Sklaven gelehrt – womit er in der Tat ins Nebensächliche geflüchtet war (Plut. Mar. 2, 3f.). Es wirkte wohl auch ein gewisser Trotz gegen die Aristokraten mit, denen gegenüber er mit zynischer Haltung seine Abkunft zur Schau trug (vgl. bes. Sall. bell. Iug. 85. Plut. Mar. 9); hat er sich doch durch den ihn stimulierenden Gegensatz erst zu Metellus, dann zu Sulla, emporgearbeitet. Er hatte auch keine Bedenken, sein Heer mit Leuten aus den untersten Volksklassen zu füllen, und sogar, um seine Pläne durchsetzen zu können, mit Sklaven. Er besaß aber auch Schlauheit als Erbmasse (omnium perfidiosissimus Cic. nat. deor. III 80), hatte sie wohl auch in dem Kampf um sein Ziel schätzen und ausbilden gelernt, wie sein Verhalten gegen Metellus im J. 100 zeigt – was nicht hindert, daß er selbst im Laufe des Jahres von Schlaueren gefangen wurde.

Der alte Römer wird auch in M.’ Glaube an Magie und Dämonie sichtbar; darin ist er Sulla gleich. Aus diesem Reich holt er sich an den entscheidenden Punkten seines Lebens den Glauben an seine Berufung. So trug er die Vorbedingungen für einen großen Charakter in sich, wenn sich nicht sein Ehrgeiz und sein Machthunger übersteigert hätten. War dieser Trieb als Anlage in ihm, so wurde er durch den Druck, unter dem er in der ersten Hälfte seines Lebens stand, die Reibung mit den Aristokraten, die ihn erst geringschätzig behandelten und auch später nicht anerkennen wollten, verstärkt (immodicus gloriae, insatiabilis Vell.). Die militärischen Erfolge sollten das Sprungbrett für die politischen werden. Aber er führte den Beweis, daß die militärischen Gaben ohne die Stütze politischer Klugheit nicht die Suprematie verleihen. M. war nicht Caesar, der für beide Betätigungsgebiete geniale Anlage besaß. Er wollte die res publica meistern und führen, war aber der Aufgabe nicht gewachsen (s. o. S. 1397f.; vgl. impotens semperque inquietus Vell. a. O. Liv. per. 79. Plut. Mar. 2, 2). Im Bewußtsein seiner staatsmännischen Unzulänglichkeit und Charakterlosigkeit (ὑπὲρ τοῦ μέγιστος γενέσθαι τὸ βέλτιστος εἶναι προιέμενος Plut. Mar. 28, 5) griff er nach demagogischen Künsten, indem [1425] er sich gefällig vom Volkswillen bestimmen ließ und das Volk durch Liebenswürdigkeiten zu gewinnen suchte. Er setzte damit nicht nur sein Amt herab, sondern auch sich selbst, da diese Fügsamkeit und geschmeidige Popularitätshascherei im Grunde seinem herben, hochstrebenden Charakter widersprach. So unerschrocken und in sich selbst gefestigt er im Felde und so groß er durch seine praktische militärische Tüchtigkeit war, so erschien er in nicht militärischen Dingen, im Kampffeld der Politik unsicher und ängstlich (ὑπὸ φιλοδοξίας ἀτολμότατος Plut. Mar. 28, 12), verlor in der Öffentlichkeit schon durch ein kleines Lob wie auch leisen Tadel das Gleichgewicht, erst recht durch das Lärmen versammelter Massen. Es fehlte ihm also die aus dem geschlossenen Charakter stammende Unerschütterlichkeit und Gleichgültigkeit gegenüber Kritik, so daß ein Fall, in dem er durch eine die innere und äußere Überlegenheit verratende Antwort die Kritik ablehnte, als Ausnahme erscheint (o. S. 1398). Seine schwache Haltung bei politischen Fragen machte ihn bei den Aristokraten naturgemäß verächtlich und, da er doch die Macht auszuüben sich anmaßte, verhaßt, wie er selbst ihnen gegenüber das Gefühl der Minderwertigkeit hatte, das sich in Gehässigkeiten entlud.

So wird man – trotz allem Mißtrauen gegen das Bild der Quellen, das von der Parteien Gunst und Haß, namentlich von aristokratischer Auffassung, verzerrt sein könnte – den Satz in der lapidaren Charakteristik des Velleius verstehen: quantum bello optimus, tantum pace pessimus (II 11, 1; vgl. II 23, 1). Sallust freilich, sein Parteigänger, spricht von dem animus belli ingens, domi modicus (Iug. 63, 2), was sich aber auf die Zeit vor dem ersten Consulat bezieht. Auch Cicero, sein Landsmann und entfernter Verwandter, als solcher vermutlich voreingenommen, spricht meist freundlich von ihm, nennt ihn einmal sogar divinus vir (Sest. 50); doch das gehört mehr zum Problem Cicero (Stellen bei Orelli VII 384f.).

Man darf indessen die Eroberung der Macht in den letzten Monaten seines Lebens nicht ohne weiteres als die Befriedigung der fixen Idee eines Greises auffassen – er war doch im Unglück gewachsen, allerdings auch in der Härte und Grausamkeit. Zu zeigen, ob er im Kampf gegen Sulla Herr bleiben und den Staat in gerader Linie zu Caesar führen konnte, hat ihm das Schicksal nicht Zeit gelassen. So bleibt er, nach dem Höhepunkt seines Wirkens eingeschätzt, der Sieger über Cimbern und Teutonen, der den Andrang der germanischen Völker zu einer Zeit, als Gallien, Hispanien und Nordafrika noch nicht latinisiert waren und für den germanischen Einfluß offen standen, mit allen weltgeschichtlichen Folgen vom Imperium abgewiesen hat.

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Band R (1980) S. 162
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Marius

14) C. M., der röm. Feldherr und siebenmalige Konsul. S VI 1363.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. a b c Corpus Inscriptionum Latinarum I, 195.
  2. a b Corpus Inscriptionum Latinarum X, 564.
  3. a b Corpus Inscriptionum Latinarum X, 5782.
  4. Corpus Inscriptionum Latinarum I, 183.
  5. Corpus Inscriptionum Latinarum I, 185.