Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Hilfstruppen
Band II,2 (1896) S. 26182622
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Auxilia. Neben dem Aufgebot der römischen Bürger steht im römischen Heere das Aufgebot der Bundesgenossen, auxilia Hülfstruppen genannt. In der republicanischen Periode bestehen die A. aus dem Aufgebote jener Gemeinden, welche auf Grund des Bundesvertrages (foedus) zur Waffengemeinschaft mit Rom zugelassen sind. Den ältesten Bestandteil der Bundesgenossen bildet das nomen latinum, der latinische Bund. Die militärische Ordnung, wie sie vor Auflösung des Bundes bestand, ist in der tendenziös gefärbten Überlieferung gänzlich verschollen. Mit der Ausdehnung der römischen Herrschaft über die italische Halbinsel sind auch die stammfremden Gemeinden Italiens in die Waffengemeinschaft mit Rom eingetreten. Doch werden sie als socii regelmässig dem nomen Latinum gegenübergestellt, als demjenigen Bestandteil der italischen Wehrgenossenschaft, welcher mit den Römern gleicher Nationalität ist, so dass die stehende Formel für die italischen auxilia lautet: nominis Latini et socii. Die allmähliche Latinisierung der italischen Bundesgenossen findet ihren Ausdruck in der Formel [2619] des römischen Staatsrechtes, CIL I 200, 21. 50 sociis nominisve Latini, quibus ex formula togatorum milites in terra Italia imperare solent, worin die Erstreckung der nationalen Tracht der Römer und Latiner auf alle Wehrpflichtigen des italischen Landheeres ausgesprochen ist. Die socii navales, d. h. die zum Seedienst hülfspflichtigen Städte Italiens, vorzugsweise griechischer Nationalität, sind in dem allgemeinen italischen Heerbanne mit einbegriffen. Vgl. Mommsen Röm. St.-R. III 607–715.

Das normale Contingent jeder italischen Gemeinde ist durch den Bundesvertrag festgesetzt gewesen (Liv. XXVII 10, 3. XXIX 15, 12. XLI 8, 8. Cicero Verr. V 49), aber auch die Überschreitung dieser Stellungspflicht bis zum Gesamtbetrag der Wehrkraft der Bundesgenossen kann vom römischen Staate verfügt werden. Es erhellt dies besonders aus dem Berichte über den italischen Heerbann des J. 225 v. Chr. (vgl. Mommsen Röm. Forsch. II 383f.). Demnach bestimmen in jedem Jahre die Oberfeldherrn des Staates, die Consuln, nach vorhergehender Vereinbarung mit dem Senate, von welchen Gemeinden und in welcher Stärke die Contingente zu stellen sind (Mommsen Röm. St.-R. III 1077f. Polyb.VI 21, 4). Die Gesamtstarke des Contingentes der A. ist für das Fussvolk dem Jahresheere der römischen Bürger von 4 Legionen annähernd gleich; für den Reiterdienst werden dagegen die Bundesgenossen normalmässig in dreimal so starker Zahl ausgehoben als die Bürger (Polyb. VI 26, 7). Die Aushebung und Vereidigung der Contingente ist den Socii überlassen, und nur der Ort und der Termin der Einstellung wird durch das Edict der Consuln angesetzt (Polyb. VI 21, 4). Den Führer sowie den Zahlmeister des Contingentes bestimmt die foederierte Gemeinde selbst. Im Verbande des römischen Heeres bilden diese Contingente Cohorten Fussvolks und Turmen der Reiterei. Diese cohortes und turmae der A. werden in unserer Überlieferung stets nach den Städten und Stämmen der italischen Symmachie benannt (Marcks De alis 16). Es ergiebt sich daraus die Geschlossenheit der Contingente der foederierten Gemeinden. Ob eine gleiche Normalstärke für jede Cohors und Turma anzunehmen ist, bleibt unbekannt, ebenso die tactische Gliederung der Cohorte (die Gliederung des römischen Fussvolks überträgt Nissen Templum 34 und ebenso Mommsen St.-R. III 674, 3 auf die A. ohne Beweis; dagegen v. Domaszewski Die Fahnen 16). Aus den A. wird ein Fünftel des Fussvolks und ein Drittel der Reiterei als extraordinarii ausgeschieden (Polyb. VI 26, 7). Entsprechend der Gliederung des römischen Jahresheeres von vier Bürgerlegionen in zwei consularische Heere zerfällt der Rest der A. in zwei Hälften, die ala dextra und die ala sinistra, so genannt nach ihrer Stellung an den Flügeln der römischen Schlachtlinie (Polyb. VI 26, 9. Gell. XVI 4, 1). Jede ala wird von sechs praefecti socium befehligt, die aus den römischen Bürgern, wie die Tribunen der Legionen aus dem Ritterstand, von den Consuln bestellt werden (Polyb. VI 26, 9. Liv. XXXIII 36, 5. XL 31, 3 u. sonst. Mommsen R. St.-R. III 675). Nach den livianischen Schlachtberichten werden die socii eines consularischen Heeres in [2620] dem Falle, dass die Consuln getrennt operieren, wieder in eine ala dextra und eine ala sinistra geschieden (Marcks De alis 11f.). Aber es ist fraglich, ob diese Bezeichnung nicht ein Missverständnls der späteren Annalistik ist. Vgl. im allgemeinen E. Marcks De alis quales in exercitu Romano tempore liberae rei publicae fuerint, 1886. Die Contingente der ausseritalischen, durch ein foedus zum Waffendienst verpflichteten Gemeinden heissen ebenfalls socii, ohne jedoch in die italische Wehrgenossenschaft einzutreten (sie sind gemeint Polyb. VI 31, 9 τοῖς ἀλλοφύλοις καὶ τοῖς ἐκ καιροῦ προςγινομένοις συμμάχοις). In diesem erweiterten Sinne umfassen die socii alle von Rom abhängigen Städte und Staaten, also auch die Clientelfürsten.

Als die Italiker im Socialkriege das Bürgerrecht gewannen, bestand nur diese zweite Klasse der socii weiter. Das Fussvolk der Bürgertruppe war nun durchweg schwerbewaffnet, die Bürgerreiterei ging völlig ein, so dass das leichte Fussvolk und die Reiterei nur aus diesen socii gebildet werden konnte. Aber in der Übergangszeit zur Monarchie ist der römische Staat zu einer organischen Ausbildung der neuen Institution nicht mehr vorgeschritten. Überdies liegt bei dem Zustand unserer Überlieferung das Einzelne völlig im Dunkeln. Die unentbehrlichste dieser Waffen, die Reiterei, musste regelmässig formiert werden. Da sie ihre Stellung immer an den Flügeln der Schlachtlinie hatte, so ging der Name ala, welcher die Gesamtheit der A. bezeichnet hatte, auf die Reiterregimenter über. In caesarischer Zeit ist er bereits technisch (bell. Afr. 78, 7. Cicero de off. II 45). Für die Formationen des Fussvolkes blieb der alte Name cohortes bestehen, die jetzt als cohortes alariae bezeichnet werden (Caes. b. c I 73, 2. 83, 1. II 18, 1). Der grosse Fortschritt in der Technik des Kriegswesens führte auch zur Bildung besonderer Cohorten der funditores und sagittarii (Caes. b. c. III 4. 6. b. Afr. 20). Alle diese Formationen sind römisch organisiert und stehen unter dem Commando von Praefecti aus dem Ritterstande; vgl. Fr. Fröhlich Das Kriegswesen Caesars 1891, 32–42. Die Reiterei und vielleicht auch die Specialwaffen der Schützen und Schleuderer sind schon am Ausgange der Republik gleich den Legionen des Bürgerheeres zu stehenden Truppen geworden. Es tritt dies noch hervor in dem Heere, das von Augustus nach der Schlacht bei Actium aufgestellt wurde. Auch die alae des caesarischen Heeres sind wie die Legionen an dem Tierbilde des Stieres kenntlich, dass sie an der Fahne tragen (Bonn. Jahrb. XCIII 187 ala Longiniana), und es ist wahrscheinlich, dass alle jene Alen, welche ihren Namen nach einem Officiere führen, wie die Longiniana, aus der Zeit des Bürgerkrieges stammen. Dagegen sind die cohortes der auxilia von Augustus im wesentlichen neu gebildet worden. Es ist hier zu unterscheiden, ob die Formierung im Unterthanengebiete erfolgte, oder ob es Contingente foederierter Gemeinden sind. Erstere führen ihren Namen nach den Provinzen, wie cohors Gallorum, letztere nach den Gemeinden, wie cohors Helvetiorum oder cohors Tyriorum; ebenso bei den Alen. Auch das alte Princip der Republik, die Grenzverteidigung in den überseeischen Gebieten durch die Zone [2621] der foederierten Gemeinden zu führen, welche dem eigentlichen Unterthanengebiete vorgelagert sind, ist in der Kaiserzeit in angemessener Weise weitergebildet worden. In den kriegstüchtigen Landschaften des Occidents liegen die Legionen in dem Gebiete der foederierten Stämme an der Reichsgrenze. Diese Stämme sind zum Milizdienst verpflichtet und unterstehen den praefecti civitatium (Neue Heidelb. Jahrb. I 190f). Als die Föderationen aufgehoben wurden, an der Donau schon unter Augustus, am Rheine unter Vespasian, dauerte die Milizpflicht der Grenzstämme fort (Mommsen Herm. XXII 549). Die aus den Unterthanen und Foederierten gebildeten Alae und Cohortes treten als stehende Formationen in den Verband des exercitus provinciae ein, und innerhalb des exercitus zählen Alae und Cohortes gleicher Herkunft fortlaufend, z. B. cohors I, II, III Alpinorum in Illyricum. Durch die Verwendung der A. ausserhalb den Provinzen, in welchen sie ursprünglich gebildet wurden, entstand jene bunte Mischung in den exercitus der Provinzen, wie sie deutlich in den Militärdiplomen hervortritt. Die Anzahl der Auxiliarformationen in jeder Provinz bestimmt sich nach dem Bedürfnis der Grenzverteidigung. In den Provinzen, in welchen mehrere Legionen als Besatzungen stehen, sind jeder Legion eine Anzahl Auxiliarcohorten zugewiesen, die mit ihr in einem engeren Verbande stehen (Marquardt St.-V. II 458, 2). Die Alae dagegen stehen direct unter den Commandanten des exercitus. Die Organisation der Alae und Cohortes ist durchaus römisch und die Bewaffnung, wie die Grabsteine lehren, einheitlich. Sie bilden die levis armatura. Zu den Specialwaffen der funditores und sagittarii treten in der Kaiserzeit noch alae der contarii und catafractarii; erstere mit Stosslanzen bewaffnet, letztere im Harnisch, der den ganzen Körper einhüllt. Diese neue Wehrgenossenschaft der Provincialen erzeugte in langsamer Entwicklung dieselbe Wirkung wie der alte Waffenbund der Italiker. Sie führte zur völligen Assimilierung der A. an den miles Romanus der Legionen. Im Oriente setzte die geringere kriegerische Tüchtigkeit und die nationale Starrheit der Semiten der Entwicklung gleichartiger A. einen unüberwindlichen Widerstand entgegen. Nur die cohortes sagittariorum sind im ganzen Reiche überwiegend Orientalen, die andern A. selbst im Oriente Occidentalen. Wo die Voraussetzungen für die Aufnahme in den römischen Waffendienst bei den Provincialen gänzlich mangeln, wie in den barbarischen Districten des nördlichen Britaniens, des nordöstlichen Spaniens, in Dacien und in manchen Teilen des Orientes, bilden die Unterthanen im 1. Jhdt. national organisierte Truppenkörper; es sind die nationes der Lagerbeschreibung des Hyginus, welche den socii der exterae nationes unter der Republik verglichen werden können. Die fortschreitende Romanisierung auch dieser Völker, sowie die Umwandlung der Auxiliarcohorten in schwere Infanterie führte unter Hadrian zur Einreihung der nationes als leichtbewaffneter Infanterie mit römischer Organisation; es sind die numeri (West. Zeitschr. XIV 50, 213; vgl. über die Numeri Mommsen Herm. XIX 219). Der Sieg des Orientes unter Septimius Severus lähmte die Entwicklung des Heeres im nationalen [2622] Sinne und endete mit der Renationalisierung der A. wie des ganzen Heeres. Vgl. im allgemeinen Marquardt St.-V. II 401. 441. 462.