RE:Bithynia
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Landschaft im nordwestl. Kleinasien | |||
Band III,1 (1897) S. 507 (IA)–539 (IA) | |||
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Landschaft.
Bithynia (Βιθυνία) ist der Name einer Landschaft im nordwestlichen Kleinasien, die zu verschiedenen Zeiten ein verschieden grosses Gebiet umfasste. Für die geographische Betrachtung wird es sich empfehlen, auf diese Grenzverschiebungen, die sich nicht einmal immer fest bestimmen lassen, nicht Rücksicht zu nehmen, sondern ein bestimmtes Gebiet zu Grunde zu legen, und zwar dasjenige, das im Westen vom Rhyndakos und der Propontis, im Osten vom Parthenios, im Süden vom mysischen Olymp und der Sangarioslinie begrenzt wird. Hier herrscht der Gebirgscharakter vor; an der centralen Hochebene hat es keinen oder nur sehr geringen Anteil, die Gebirgsketten laufen in der Hauptsache parallel der Küste. Grössere Ebenen sind die von Brussa, die Ak-Ova am unteren Sakaria (Sangarios), die von Düsdsche am Melen-tschai (Hypios), die von Boli (Claudiopolis). Die Küste ist teils gebirgig, teils flach und besitzt am Pontos keinen einzigen guten Hafen (Black sea pilot und Dardanelles, Marmorasea and Bosporus von der englischen Admiralität). Der Hauptstrom ist der Sakaria, er allein kommt aus dem Innern der Halbinsel; alle anderen, z. B. der Filios (Billaios) und der Melen gehören völlig in die Zone der Randgebirge. Der Waldreichtum, der schon im Altertum gerühmt wurde (Xen. anab. VI 4, 4. Plin. n. h. XVI 197. Plin. ep. ad Trai. 41 [50]), besteht noch jetzt. Vom Bartintschai (Parthenios) an zieht sich nach Südwesten fast ununterbrochen bis zum Sangarios ein ungeheurer Wald hin (v. Diest Petermanns Mitt. Erg.-Heft 94, 55ff. Anton ebd. Erg.-Heft 116, 79ff. 88. 92. Perrot Exploration de la Galatie etc. 20ff. 42. 56. 61. Schwarz Quer durch Bithynien. v. Tschihatscheff Petermanns Mitt. Erg.-Heft 20, 42. 45). Weiter westlich wird der Wald lichter und wechselt [508] mit Buschwald und waldfreiem Gebiet ab (v. d. Goltz München. Allg. Ztg. Beil. 1891 nr. 225ff. 1892 nr. 83ff. Naumann Vom gold. Horn z. d. Quellen d. Euphrat 15ff.). Die Wälder bestehen aus Eichen, Platanen, Buchen, Tannen und Fichten. Der Ölbaum kommt am Pontos nicht oder kaum vor, wie es schon Xenophon bemerkt hat (anab. VI 4, 6. v. Tschihatscheff a. a. O. 42. 44).
Das Land war von einem Strassennetz durchzogen, dessen Hauptpunkte im Westen Prusa, Nicaea, Nikomedien, im Osten Dusae, Claudiopolis, Heraklea waren. Von Prusa führten Strassen 1) am apollonischen See nach Miletopolis (Tab. Peut. IX 4), 2) nach Apamea; hierzu gehört wohl der verschleppte Meilenstein CIL III 347[WS 1] (= Le Bas III 1119) und CIL III Suppl. 6996 aus der ersten Hälfte des 3. Jhdts. n. Chr. und vielleicht noch nr. 6993 aus dem J. 78 n. Chr., der allerdings auch ebensogut von der dritten Strasse nach Cius stammen kann (Tab. Peut., auf der Prusa zweimal angegeben ist).
Von Nicaea gingen folgende Strassen aus: 1) nach Apamea, sie wurde 58/59 von Nero restauriert nach einer Inschrift am Südufer des askanischen Sees (CIG 3743. CIL III 346). Hierher gehört auch die Inschrift bei Cichorius Athen. Mitt. XIV 240 nr. 9 aus der Mitte des 2. Jhdts. n. Chr.; 2) nach Pronektos am astakenischen Meerbusen (Tab. Peut.); 3) über Eribolum nach Nikomedien (Tab. Peut. Itin. Ant. 140. Itin. Hieros. 573). Spuren davon sind gefunden von Perrot a. a. O. I 9; 4) über Tataion Iuliopolis nach Ancyra (Tab. Peut. Itin. Hieros. 574ff.). Spuren zwischen Nicaea und dem Sangarios bei v. d. Goltz a. a. O. 1891 nr. 225. Dann folgte sie offenbar dem grossen vielbenützten Karawanenweg über Tarakly (hier Pflasterreste, Anton a. a. O. 111ff.), Torbaly, Nallykhan nach Angora, von Torbaly führte vermutlich eine Strasse nach Mudureu, von der eine Brücke über den Gönüsu und eine Strecke Pflaster erhalten ist (Anton a. a. O. 109); 5) über Agrilion nach Dorylaeum (Tab. Peut.), hierher werden die Reste einer alten Strasse und Brücke gehören, die v. d. Goltz a. a. O. nr. 229 in der Nähe von Lefkeh fand.
Durch Nikomedien ging die grosse Strasse von Constantinopel nach Bithynion und Gangra (Tab. Peut., für den ersten Teil Itin. Ant. 139. 230. Itin. Hieros. 571ff.). Von Nikomedien ging sie am Südufer des Sabandschasees hin (über Reste vgl. v. Diest a. a. O. 97. v. Tschihatscheff a. a. O. 43) und weiter über die Brücke Iustinians. Weiter nach Osten am Südrande der Ebene von Düsdsche (v. Diest a. a. O. 88ff.) hin nach Boli. Zwischen beiden Orten hat Ker Porter (Travels in Georgia, Persia etc. II 725) Reste eines alten Weges gefunden, ebenso zwischen Boli und Kerede (Itin. Ant. 200. v. Diest a. a. O. 63. Perrot a. a. O. I 56). Bei Tatlar, nordöstlich von Boli führt eine antike Brücke über den Fluss (Anton a. a. O. 80). Der Meilenstein CIL III 345[WS 2] gehört hierher. Beim Tschagagöl vereinigte sich mit dieser Strasse eine von Süden kommende (Anton a. a. O. 95). Die Erklärung, die Ramsay Asia minor 65 von dem ersten Teil dieser Strasse Nikomedia-Sangarios giebt, ist völlig unhaltbar. Die Entfernungsangaben bis Dusae pros Olympum stimmen vortrefflich, wenn man Dusae mit v. Diest [509] in der Ebene von Düsdsche sucht. Die Zeichnung des Sangarios auf der Tab. Peut. hat keine Bedeutung; er ist zweimal angegeben, das zweitemal (IX 4) stimmt zum Itinerar.
An der Küste des Pontos ging eine grosse Strasse nach Heraclea Pontica, Tium, Amastris (Tab. Peut.), aber nicht direct am Meer, sondern etwas mehr landeinwärts (v. Diest a. a. O. 71). Von der Strasse Nikomedia–Dusae zweigten sich zwei Strassen nach Kassaba ab, die eine westlich über Gümüschabad (v. Tschihatscheff a. a. O. 44), die andere ging am Westrand der Ebene von Düsdsche hin und überschritt auf einer teilweise erhaltenen Brücke (v. Diest a. a. O. 89) den Melentschai (Hypios). Dann scheint sich diese noch einmal geteilt zu haben, indem sie einerseits von Kassaba in nördlicher Richtung zum Meer (v. Diest a. a. O. 84) oder im Thal des Kütschük-Melentschai aufwärts (v. Diest 83) vielleicht nach Heraclea führte. Dann würde man zu dieser letzteren die Strasse rechnen können, deren Spuren Ainsworth (s. Ritter Erdkunde XVIII 719) im Lykosthal, oberhalb Heraclea, gefunden hat. Der Hauptzugang von der Küste führte im Thal des Filios (Billaios) aufwärts und teilte sich unterwegs mehrfach, eine unbedeutende Strasse ging ins Thal des Ulutschai (Anton a. a. O. 89); oberhalb Devrek bei Gerze sind die Reste einer alten Brücke und einer südwestlich gerichteten Strasse, die entweder nach dem Mengensu oder nach der Strasse im Alapli-(Eulaios-)Thal geführt haben wird (v. Diest a. a. O. 80. Anton a. a. O. 85); ein Arm ging erst östlich im Thal des Mengensu aufwärts, dann teils südlich nach Kerede (v. Diest a. a. O. 64ff. 73. Anton a. a. O. 93), teils östlich weiter (Anton a. a. O. 93), der andere direct nach Boli (Anton a. a. O. 80ff. 82ff.). Diese letztere Strasse setzte sich dann weiter fort nach Mudurlu (v. Diest 57. 59) und wird auf die Strasse Nicaea-Ancyra getroffen sein. v. Diest 86 erwähnt noch eine directe Verbindung zwischen Düsdsche und Mudurlu, von der aber keine Spur mehr erhalten wäre, und nach Perrot (a. a. O. I 44) führte wahrscheinlich von Boli noch direct eine Strasse nordwärts zum Meer; vielleicht hängt hiermit die auf der Tab. Peut. zwischen Bithynion (Boli) – der Name fehlt zwar, ist aber unbedingt so zu ergänzen – und Artane angegebene Verbindung zusammen.
Das Gebiet von B. ist noch wenig genau erforscht, manche Strecken sind fast ganz unbekannt; vermessen sind – von Kleinigkeiten abgesehen – nur die Küsten von der englischen Admiralität (Admirality Catalogue nr. 224. 1198. 2238. 2286. 2214, allerdings sind sie nicht immer zuverlässig, v. Diest a. a. O. 77 und Erg.-Heft 116, 116), der Bosporus von Moltke (s. u. Bosporos), und dann die Linie der anatolischen Bahn, aber nur diese (v. Diest Erg.-Heft 116, 26. 116). Von modernen Reisenden sind vor allem zu nennen die schon viel erwähnten v. Tschihatscheff, Perrot, v. Diest, ferner Hommaire de Hell Voyage en Turquie. Die ältere Reiselitteratur findet man bei Ritter Erdkunde XVIII im Auszug mitgeteilt; die moderne bei G. Hirschfeld Geogr. Jahrb. X 437ff. XII 301ff. XIV 175ff. Karten: Kiepert Specialk. d. westl. Kleinasiens II. III. V. VI; Ergänzungsbl. [510] (mit den Begleitworten), und Forma orbis IX. v. Diest a. a. O. Erg.-Heft 94. v. Diest und Anton Erg.-Heft 116 Bl. II.
Bevölkerung.
Auf der asiatischen Seite des Bosporos gebietet in der Argonautensage der Bebrykerkönig Amykos (dessen Mutter Melie daher Apoll. Rhod. II 4 als bithynische Nymphe bezeichnet, was bei Apollod. I 9, 20 falsch als Eigennamen Bithynis gefasst wird). Dass hier wie am asiatischen Ufer des Hellesponts wirklich der phrygische Volksstamm der Bebryker gesessen hat, wird dadurch bestätigt, dass an beiden Stellen (s. u.) der Gott Priapos verehrt wird; derselbe ist also eine bebrykische Gottheit. In geschichtlicher Zeit sind die Bithyner (neben denen mehrfach die Thyner genannt werden) oder ‚Thraker in Asien‘ an ihre Stelle getreten. Denn dies ist bei den Schriftstellern des 5. und 4. Jhdts. der ständige Sprachgebrauch: Herodot sagt III 90 nur θρήικες οἱ ἐν τῇ Ἀσίῃ; VII 75 (s. u.) fügt er hinzu, dass sie in Asien den Namen Bithyner erhielten; in der ohne Grund für interpoliert erklärten Stelle 128 sagt er: θρήικες οἱ Θυνοί τε καὶ Βιθυνοί; Thukydides schreibt IV 75 διὰ Βιθυνῶν Θρᾳκῶν οἵ εἰσι πέραν ἐν τῇ Ἀσίᾳ. Xen. Hell. Ι 3, 2 εἰς τοὺς Βιθύνους Θρᾷκας. III 2, 2 εἰς τὴν Βιθυνίδα Θρᾴκην; in der Anabasis sagt er vorwiegend Θρᾴκη VI 2, 17f., oder Θρᾴκη ἡ ἐν τῇ Ἀσίᾳ VI 4, 1; daneben Βιθυνοί VI 2, 17. 4, 1. Skylax peripl. 92 hat Θρᾷκες Βιθυνοὶ ἔθνος. Ebenso noch Diodor XIV 38 (Ephoros) Θρᾷκες οἱ περὶ Βιθυνίαν τότε κατοικοῦντες. Dass bei Arrian. anab. I 29, 5 der Sangarios διὰ τῆς Θρᾳκῶν τῶν Βιθυνῶν χώρας ἐξίησιν, ist dagegen wohl Archaismus. Dieser Sprachgebrauch beweist, dass die Bithyner thrakische Sprache und Art unverfälscht und deutlich erkennbar bewahrt haben müssen, und zeigt zugleich, dass ihr Name damals den Griechen noch nicht recht bekannt war.
Wann und von wo sie nach Asien gekommen seien, wird verschieden angegeben. Nach Herodot VII 75, der die einheimische Tradition geben will, hätten sie ursprünglich am Strymon gewohnt und Strymonier geheissen; schon vor den Τρωικά seien sie von den Teukrern und Mysern bei ihrem fabelhaften Zuge nach Europa (vgl. VII 20. V 13) aus ihrer Heimat verdrängt worden. Nach Arrian frg. 37 (FHG III 593, aus Eustath. zu Dion. per. 322) wären sie dagegen zur Zeit des Kimmeriereinfalls unter Führung des Pataros hinübergegangen und hätten die Kimmerier aus dem späteren B. verdrängt. Dieser Pataros erscheint als ihr Führer auch in Demosthenes Epos Bithyniaka, wo er Paphlagonien erobert und die Stadt Tios gründet und ἐκ τοῦ τιμᾶν τὸν Δία benennt (Steph. Byz. s. Τίος). Eine vermittelnde Ansicht gab Eusebius Chronik (nur bei Synkellos und Hieronymus erhalten) unter dem J. 1045 Abr. = 972 v. Chr. Θρᾷκες ἀπὸ Στρύμονος διαβάντες κατέσχον τὴν νῦν Βιθυνίαν, τότε δὲ Βεβρυκίαν καλουμένην. Der Ursprung des Datums ist nicht klar; Thraemer Pergamos 329, 1 will es aus einer Combination des Kimmerierzugs mit den Ansätzen für Homer erklären.
Auch Arrians Angabe ist schwerlich Überlieferung, aber vielleicht geschichtlich richtig. Denn als die Milesier zuerst in diese Gebiete kamen und die Argonautensage sich fixierte, müssen noch Bebryker am Bosporos gesessen haben; vor 700 sind [511] die Bithyner also schwerlich nach Asien gekommen (vgl. E. Meyer Gesch. d. Alt. II 293).
Nach seiner Gewohnheit häuft Plinius V 143 eine Reihe angeblicher alter Namen für B.: ea appellata est Cronia, dein Thessalis, dein Malianda (Tomaschek will das in Marianda corrigieren und ‚Meerland‘ erklären, mit Unrecht; der Name ist mythisch, wenn auch unerklärt) et Strymonis. hos Homerus Halizonas dixit, quando praecingitur gens mari. Diese Etymologie und Idealisierung der Halizonen kehrt bei Arrian frg. 45 (Eustath. ad Il. II 857) wieder. Eine andere Combination bei App. Mithr. 1 lässt die Thraker des Rhesos nach dessen Tode teils ins Bebrykerland, teils ins Gebiet der bithynischen Thraker, oberhalb von Byzanz, flüchten, von wo sie infolge einer Hungersnot nach Bebrykien zurückkehren. Der Name stamme entweder von einem Fluss Bithyas oder sei aus Bebrykien entstellt [!] (Bithynia quam veteres dixere Mygdoniam, Ammian XXII 6, 14 versetzt den Namen von Mygdonien am Rhyndakos an den Bosporos). Endlich werden bei Paus. VIII 9, 7 die Bithyner um des Antinoos willen zu Ἀρκαδές τε καὶ Μαντινεῖς τὰ ἄνωθεν gemacht, da dieser in Mantinea einen Tempel erhält.
Eine andere Combination lässt vor den Bithynern Myser im Lande wohnen. Sie beruft sich auf den Namen mysischer Bosporos, den nach Dionysios von Chalkis die Strasse von Byzanz früher geführt haben soll (Strab. XII 566; aus derselben Quelle Arrian frg. 35 bei Eustath. ad Dion. perieg. 140 und Schol. Apoll. Rhod. II 168). Aber das kann wenig beweisen; nachweisbar sitzen die Myser nur unmittelbar südlich vom Bosporos auf der Arganthoniosakte und bei Kios und am askanischen See (dass Strabon [aus Apollodor?] auch diese Thatsache heranzieht, hat für das alte B. gar keine Bedeutung; für das durch Prusias hinzugekommene Land dagegen ist sein Satz ὁτι ἦν κατοικία Μυσῶν ἡ Βιθυνία natürlich richtig). Auch von diesen Mysern nehmen die Homerexegeten auf Grund von Il. XIII 5 an, dass sie aus Thrakien gekommen seien; so auch Strabon VII 295ff. XII 541f. 564, der dann selbst auch für die Bebryker, Mariandyner u. a. thrakischen Ursprung vermutet (weiteres über diese Controverse, die bei Porphyrios u. a. dazu geführt hat, umgekehrt die Thraker von Il. XIII 4 für asiatische Bithyner zu erklären, s. bei Thraemer Pergamon 277. 286ff., dem ich aber nicht überall beistimmen kann). Wegen der Nachbarschaft mit den Mysern am Arganthonios sind bei Arrian. frg. 40 (Eustath. ad Dion. perieg. 809; vgl. frg. 36 ebd. 322) Mysos und Thynos Söhne der Nymphe Arganthone (die auch zur Gemahlin des Rhesos gemacht wird) von Zeus; ebenso offenbar Bithynos; denn nach einer weiteren Angabe Arrians frg. 41 (Eustath. ad Dion. 791) sind Thynos und Bithynos Brüder, die Phineus, der König des Bosporos, adoptiert; sein echter Sohn ist Paphlagon (vgl. Phineus König von Paphlagonien, Hellanikos frg. 38 bei Schol. Apoll. Rhod. II 178. Pherekydes frg. 68 ebd. 181). Schol. Apoll. Rhod. II 140. 181 heissen Phineus Söhne Mariandynos und Thynos. Diese Genealogie ignoriert also den europaeischen Ursprung. Eine andere macht Bithynos oder Bithys zum Sohn des Zeus und der Thrake, die von Kronos einen Sohn Dolonkos hat (App. Mithr. 1. Steph. Byz. s. Βιθυνία. Δόλογκοι). [512] Noch andere machten nach Arrian. frg. 46 den Thynos und Bithynos zu Söhnen des Odryses.
Als Beweise für den thrakischen Ursprung der Thyner und Bithyner beruft sich Strabon XII 541 auf das Vorkommen eines Stammes Bithyner in Thrakien (wo?) und auf den Namen des Vorgebirges Thynias zwischen Apollonia und Salmydessos (vgl. VII 319. [Skymn.] perieg. 728. Mela II 23. [Arrian.] peripl. Ponti 36. Anon. peripl. Ponti 87. Ptolem. III 11, 4, vgl. auch Hekataios frg. 140; wohl identisch mit der Stadt Thynias bei Plin. IV 45). Die Heimat der Bithyner wäre nach Herodot in der Strymongegend zu suchen; dazu stimmt der Volksname Μαιδοβιθυνοί in der Nachbarschaft Makedoniens, Steph. Byz. s. Μαιδοί. Strab. VII 295 (die Maider sitzen am obern Strymon); Plinius IV 41 nennt Thyni im Gebiet der Rhodope und des Hebros (vgl. auch den thrakischen Stamm Βιθύαι, Steph. Byz. s. v.). Andererseits scheint die Verbindung mit den Dolonkern die Bithyner in die Nachbarschaft des Chersones zu verweisen, und hier nennt Mela II 24 an der Propontis eine Stadt Bithynis zwischen Perinthos und Bisanthe. Doch ist aus solchen Notizen allzuviel nicht zu gewinnen. Im allgemeinen vgl. Tomaschek Die alten Thraker I, Ber. Akad. Wien CXXVIII 1893, 63ff. (die Bithyner, welche nach Phylarch frg. 10a Leibeigene der Byzantier sind, sind wohl die Bewohner ihrer asiatischen Besitzungen).
Sicher ist dagegen, dass Thyner auch in historischer Zeit noch auf der europaeischen Seite des Bosporos im Hinterlande von Byzanz sassen: Maisades, der Vater des Seuthes, herrscht über die Melandeptai, Thynoi und Tranipsai (Xen. anab. VII 2, 32 = Λαδεψοὶ καὶ Τρανιψοί, ἔθνη Θυνῶν· Θεόπομπος ὀγδόῃ Ἑλληνικῶν [frg. 18] Steph. Byz.), und Seuthes führt die Kyreer gegen die Thyner (anab. VII 4). Ebenso sitzen die Thyner in Asien im Küstenland am Pontos (Plin. V 150 tenent oram omnem Thyni, interiora Bithyni) bis an und über die Sangariosmündung ([Skymn.] perieg. 976ff.). Schol. Apoll. Rhod. II 794 wird die Θυνία bis zum Hypios ausgedehnt. Arrian. frg. 41 bei Eustath. zu Dion. perieg. 793 bezeichnet als Thynergebiet die bergige Küstenlandschaft vom Fluss Rhebas unweit des Bosporos bis zu dem kleinen Fluss Kales (Thuk. IV 75. Diod. XII 72. Memnon 22. Marcian. epit. Menipp. 8. Arrian. peripl. Pont. 18. Anon. peripl. 9) zwischen dem Hypios und Heraklea. Den oft genannten Küstenfluss Psilis zwischen Rhebas und Sangarios scheint dagegen eine wohl nicht ganz genaue Notiz bei Steph. Byz. als Grenze zwischen Thynern und Bithynern zu bezeichnen (Ψίλιον, ποταμὸς μεταξὺ Θυνίας καὶ Βιθυνίας). Dies Küstengebiet ist die Θυνιακὴ Θρᾴκη, Memnon hist. Heracl. 17 (Θυνία Steph. Byz.). Vor ihr liegt die kleine Insel Thynias (jetzt Karpe), westlich von der Sangariosmündung (Skylax 92. Apoll. Rhod. II 350. 673 mit Schol. Strab. XII 543. Marcian. epit. Menipp. 8. Steph. Byz.), mit einem Hafen, nach Skylax von den Herakleoten besetzt. Wenn daher nach Memnon 16 die Herakleoten im J. 279 ausser Kieros und Tios auch τὴν Θυνίδα γῆν gegen eine Geldsumme zurückgewinnen, so wird damit vor allem diese Insel gemeint sein. Die Argonauten weihen sie dem Apollon Ἑῷος und errichten hier diesem sowie der Homonoia Altäre (Apoll. Rhod. II 672ff. Herodoros [513] in den Schol. zu 684). Daher erklärt es sich, dass sie später gelegentlich Apollonia genannt wird (Plin. VI 32. [Arrian.] peripl. Ponti 18. Anon. peripl. Ponti 6, der sie daneben wie Ptol. V 1, 15 Daphne oder Daphnusia nennt [vgl. Art. Apollonia Nr. 14 Bd. II S. 115]). Nach dem Anonymos liege darauf eine von Herakleia gegründete Stadt Thynias. Sehr merkwürdig ist die Notiz des Schol. Apoll. Rhod. II 673: Καλλισθένης (frg. 39 Müller, der mit andern vorschlägt, dafür Kallistratos einzusetzen) ἐν τῷ Περίπλῳ ὑπὸ μὲν Ἑλλήνων φησὶ προσαγορεύεσθαι τήν τε χώραν καὶ τὴν νῆσον Θυνιάδα, ὑπὸ δὲ τῶν βαρβάρων Θυνίαν; letzteres hat R. Unger mit Recht in Βιθυνίαν geändert auf Grund der deutlich aus dieser Notiz entstandenen Angabe des Plinius VI 32 insulae in Propontide (sic!; dass es dieselbe Insel ist, die er nachher VI 12 im Pontos anführt, weiss er nicht) .. deinde ultra Heracleam adversa Bithyniae Thynias, quam barbari Bithyniam vocant. Weiter entstellt ist die Angabe Mela II 98 Thynias, Mariandynorum finibus proxima, urbem habet quam quia Bithyni incolunt Bithynida appellant.
Schliesslich sei bemerkt, dass Apoll. Rhod. die europaeische Küste, das Reich des Phineus, Θυνὶς γαίη nennt II 460. 485. 548, die asiatische Βιθυνίς 177. 347. 619; das entspricht dem Sprachgebrauch bei Xenophon. Doch scheint gelegentlich in den Hss. Confusion eingetreten zu sein; die Schol. Laurent. lesen II 177 γαίῃ Θυνηίδι für Βιθυνίδι, und geben dann an (ebenso zu 347), es gebe zwei B., das europaeische bei Salmydessos und das asiatische, dazu drittens die Insel Βιθυνία; hier ist natürlich überall Θυνία zu corrigieren.
Die Thyner sitzen also zu beiden Seiten des Bosporos an der Küste des Pontos. Schwerlich sind sie, auch wenn der Kimmerierzug den ersten Anlass gab, durch eine grosse Völkerbewegung nach Asien getrieben, sondern sie haben sich allmählich auf die gegenüberliegende Küste ausgebreitet. Das gleiche wird von den Bithynern gelten. Dabei haben sie ihre Vorgänger, die Bebryker, allmählich aufgesogen. Denn in historischer Zeit sind die Bebryker verschwunden (Plin. V 127. Schol. Apoll. Rhod. II 2); es ist nur falsch angebrachte Gelehrsamkeit, wenn Ptolemaios V 1, 13 die bithynischen Binnenstädte als πόλεις μεσόγειοι τῶν Βεβρύκων bezeichnet. Der Hauptteil der Thyner und Bithyner mag immer in Thrakien geblieben und hier allmählich in andere Stämme aufgegangen sein, falls nicht Nachschübe nach Asien stattfanden: jedenfalls werden auch die Thyner in Europa in späterer Zeit nicht mehr als existierendes Volk erwähnt.
Die Annahme, dass der Name Bithyner eine Weiterbildung von Thyner, beide Stämme also wesentlich oder sogar vollständig identisch seien, liegt nahe. Nennt doch Xenophon (s. o.) gerade die Bewohner des asiatischen Küstengebiets (bei Kalpe) Bithyner; er kennt Thyner nur in Europa. Auch Kallisthenes Angabe, dass der Name Thynias für Land und Insel nur hellenisch sei, könnte darauf hinweisen. Vielleicht haben die beiden Namen lediglich geographische Bedeutung. Jedenfalls hat der Bithynername sich das Übergewicht erhalten und wird namentlich politisch immer allein zur Bezeichnung des Gesamtvolkes gebraucht.
Die Grenzen B.s haben sich infolge der Eroberungen [514] seiner Könige ausserordentlich erweitert: Teile von Mysien, Phrygien, Paphlagonien, das alte Mariandynergebiet sind ihm einverleibt worden. Unsere Karten pflegen hier wie immer die Verhältnisse der römischen Kaiserzeit zu Grunde zu legen. Vor dem J. 201 v. Chr. hat das B., welches sie darstellen und welches auch in der obigen Schilderung beschrieben wird, nicht existiert. Vor und in der Perserzeit beschränkt sich das Gebiet der Bithyner auf die vom schwarzen Meer und dem Golf von Nikomedien (Olbia) begrenzte Landzunge Byzanz gegenüber und das östlich anschliessende Land bis zum Sangarios (so Strab. XII 543. 563) oder höchstens bis zum Hypios und Kales (vgl. o.). Zwischen Hypios und Sangarios liegt die Grenze zwischen Mariandynern und Bithynern nach Skylax; ebenso Xen. anab. VI 4, 1 ἀρξαμένη δὲ ἡ Θρᾴκη αὕτη ἐστὶν ἀπὸ τοῦ στόματος τοῦ Πόντου μέχρι Ἡρακλείας. Die Grenze gegen die Myser der Arganthoniosakte liegt nach Skylax im Winkel des olbianischen Golfes, wie sich von selbst versteht. Nach diesen Daten ist es unmöglich, dass das Hinterland von Herakleia, die salonische Ebene am Billaios mit der Stadt Bithynion, in alter Zeit zu B. gehört oder gar den Hauptsitz des Volkes gebildet hätte.
Geschichte.
An den Küsten des Bosporos, in Chalkedon (zu dem Chrysopolis gehört, Xen. hell. I 1, 22; anab. VI 6, 38), und in der Südecke des Golfs in Astakos haben sich megarische Colonisten angesiedelt, Astakos gegenüber, an der Stelle des späteren Nikomedien, Ionier in Olbia. Nach dieser fast verschollenen Stadt (Meyer Gesch. d. Alt. II 288 Anm.) wird der Golf in älterer Zeit (Skylax. Mela I 100) der olbianische genannt. Dagegen blieb die Nordküste B.s unbesiedelt; hier sind an der Grenze des Thynerlands Kieros am Hypios, etwa drei Meilen von der Küste, und dann Herakleia im Mariandynergebiet die ersten Griechenstädte. Der Versuch Xenophons, mit den Kyreern inmitten der Bithynerküste in Kalpe eine Colonie zu gründen, ist an der Abneigung der Mannschaften und vor allem an der Opposition der Spartaner gescheitert (anab. VI).
So kommt es, dass von griechischem Einfluss auf die Bithyner nicht viel zu spüren ist; sie bleiben unabhängig und kriegerisch, aber roh wie ihre Stammgenossen in Europa. ‚Wer von den Griechen in ihre Hände fällt, sei es verschlagen, sei es auf andere Weise, den sollen sie aufs ärgste misshandeln,‘ sagt Xenophon anab. VI 4,2 – ähnlich wie die Thraker des Salmydessos auf der europaeischen Seite Strandräuber waren, ebd. VII 5, 12. Ihre Rüstung beschreibt Herodot VII 75: Fuchsbälge auf dem Kopf, am Leib Röcke mit bunten Oberkleidern, an Füssen und Schienen Sandalen von Hirschfell, als Waffen Speere, Schilde und kleine Dolche. Dass die Bithyner ehemals ναυτικώτατοι gewesen seien (Eustath. ad Dion. 795, wohl aus Arrian), dass die Thyner die Schiffbrüchigen freundlich aufnahmen und die unfreiwillig zu ihnen kommenden Fremden hoch ehrten, während sie die absichtlich kommenden bestrafen (Nic. Dam. parad. 127, FHG III), sind spätere Erfindungen.
Mit den Griechen mögen sich die Bithyner vielfach herumgeschlagen haben: Astakos hatte schwer durch sie zu leiden (Memnon 20). Im [515] J. 416 verbanden sich Byzanz und Chalkedon, von europaeischen Thrakern unterstützt, zu einem grossen Raubzug gegen sie, bei dem sie alle Gefangenen niedermetzelten (Diod. XII 82). Den Lydern sind sie unterthan gewesen (Herod. I 28) – die Stadt Alyatta in B., die Alyattes gegründet haben soll (Steph. Byz. s. v.), liegt freilich weit ausserhalb desselben, an der späteren Grenze zwischen Phrygien und Galatien (Liv. XXXVIII 18, 3) –, dann den Persern, wo sie zur dritten Satrapie gehören (Herod. III 90). Von den grossen Weltereignissen werden sie wenig berührt; im peloponnesischen Krieg werden sie genannt, als Lamachos im J. 424 auf der Rückkehr von einer verunglückten Seeexpedition gegen Herakleia zu Lande durch ihr Gebiet nach Chalkedon ziehen muss (Thuk. IV 75, danach Diod. XII 72. Iust. XVI 3), und als Alkibiades gegen Chalkedon kämpft und sie zwingt, die Habe herauszugeben, die die Chalkedonier bei ihnen in Sicherheit gebracht haben (Xen. hell. I 3, 2f. Plut. Alk. 29). Indirect hat sie die Colonisation von Astakos durch die Athener im J. 435 berührt (Memnon 20. Diod. XII 34 mit der Emendation Ἀστακόν für Λετανόν, vgl. Toepffer Astakos, Hermes XXXI 124ff.). Zur Zeit des Rückzugs der Kyreer sind sie dem Pharnabazos unterthan und operieren mit ihm zusammen (Xen. anab. VI 4, 24ff. VII 8, 25). Aber sonst gehorchen sie schlecht und kämpfen oft gegen ihn; und so ist es dem Pharnabazos ganz recht, wenn Derkyllidas im J. 398 ihr Gebiet verwüstet, wobei er von den Odrysen des Seuthes unterstützt wird (Xen. hell. III 2, 2ff. Diod. XIV 38).
Wie andere Völkerschaften auf gleicher Kulturstufe, z. Β. die Paphlagoner, standen auch die Bithyner zur Perserzeit unter einheimischen Häuptlingen. Mit dem Verfall des Perserreichs gelangten dieselben zu steigender Bedeutung. Ihre Liste seit dem Ende des 5. Jhdts. ist uns bei Memnon c. 20, der jedenfalls aus Nymphis schöpft, im Anschluss an die Geschichte von Astakos-Nikomedien erhalten. Zur Zeit der Besiedelung von Astakos durch die Athener im J. 435 ‚hatte Doidalses die Herrschaft über die Bithyner‘ (daraus falsch zusammengezogen Strab. XII 563 Ἀστακὸς πόλις, Μεγαρέων κτίσμα καὶ Ἀθηναίων καὶ μετὰ ταῦτα Δοιδαλσοῦ; zur Namensform CIG 3779 und die Inschrift bei Mordtmann Athen. Mitt. XIV 250, wonach Τoepffer a. a. O. 124, 1 zu berichtigen ist). Ihm folgte Boteiras, der 76 Jahre alt wurde, diesem Bas, der 50 Jahre, 377/6–328/7, regierte und 71 Jahre alt wurde. In seine Zeit fällt Alexanders Eroberung; es gelang ihm, einen Angriff des Satrapen Kalas, dem Alexander das hellespontische Phrygien und die Nachbargebiete zugewiesen hatte (Arrian. I 17. II 4, 2. Curt. III 1, 24. IV 5, 13, wonach er Paphlagonien unterwirft), in einer Feldschlacht abzuwehren. Seinem Sohn Zipoites (regierte 48 Jahre, 327/6–280/79, alt 76 Jahre) gelang es, die ererbte Stellung in den Wirren der Diadochenkriege zu behaupten und zu erweitern. Zwar als er im J. 315 Astakos und Chalkedon angriff (vgl. Plut. qu. gr. 49), zwang ihn Antigonos Feldherr und Neffe Ptolemaios davon abzustehen; in der Form eines Bündnisses, das durch Geiseln gesichert wurde, machte er ihn wie die beiden Städte von sich abhängig (Diod. XIX 60). Aber bald hatten die Machthaber wichtigeres zu [516] thun, als sich um B. zu kümmern. Als nach der Schlacht bei Ipsos der Hauptteil Kleinasiens an Lysimachos kam, 301, machte dieser den Versuch, B. zu unterwerfen. In diesen Kämpfen wird er Astakos zerstört haben (Strab. XII 563). Aber Zipoites schlug zwei seiner Feldherren – einer fiel im Kampf – und schliesslich den König selbst (Memnon 20). Nach einem dieser Siege wird es gewesen sein, dass Zipoites den Königstitel annahm; denn mit dem Herbst des J. 297 beginnt die Aera der bithynischen Könige, die auf den Münzen Nikomedes II. und seiner Nachfolger erscheint und dann von Mithradates Eupator von Pontos und seinen Nachfolgern im Bosporos übernommen ist (diese Thatsache ist von Th. Reinach Trois royaumes de l’Asie mineure 131ff. = Rev. num. 3 sér. V 1887 definitiv erwiesen worden). Auch eine Stadt Zipoition ‚am Berge Lyperos‘ hat er gegründet (Memnon 20. Steph. Byz. s. v.) deren Lage gänzlich unbekannt ist.
Als die Herrschaft über Kleinasien nach Lysimachos Untergang (282) auf Seleukos und nach dessen Ermordung 281 auf Antiochos I. überging behauptete Zipoites seine Stellung. Er griff Herakleia an, das seine Freiheit wiedergewonnen hatte und, freilich vergeblich, bei Seleukos Anschluss suchte (Memnon 10); wahrscheinlich damals hat er ihm Tios, Kieros und die thynischen Besitzungen (s. o.) entrissen (Memnon 16). Schliesslich brachte er Antiochos Feldherrn Patrokles eine totale Niederlage bei, in der dieser selbst fiel (Memnon 15, vgl. 20; wahrscheinlich noch 280). Kurz darauf muss er gestorben sein. Sein Sohn Nikomedes I. sicherte sich gegen den zu erwartenden Angriff des Antiochos I. durch ein Bündnis mit Herakleia dem er die entrissenen Gebiete gegen eine Geldentschädigung zurückgab (Memnon 16 – das hatte einen schweren Krieg Herakleias mit Zipoites, dem Statthalter des thynischen Gebiets, zur Folge, einem rebellischen Bruder des Nikomedes, ebd. 17). Auch unterstützte er Antigonos Gonatas gegen Antiochos (279/8). Antiochos versuchte einen Angriff auf B., gab aber den Kampf auf, ohne dass es zur Schlacht kam (Memnon 18), ebenso wie er mit Antigonos Frieden schloss. B. hatte seine Unabhängigkeit definitiv behauptet.
Nikomedes I. lag mit seinen drei Brüdern in Zwist – ihren Henker nennt ihn Memnon 20 –, namentlich mit dem oben genannten Zipoites. Gegen diesen nahm er im J. 277 (Paus. X 23, 14) einen gallischen Haufen, der unter Lonorios oder Leonnorios vor Byzanz erschienen war, in Sold – einen Auszug aus dem abgeschlossenen Vertrage, der auch den befreundeten Städten Herakleia mit Tieion und Kieros, sowie Chalkedon und Byzanz ihre Hülfe zusagte, hat Memnon bewahrt – und unterwarf mit ihnen ganz B. Gleichzeitig war ein anderer gallischer Heerhaufen unter Lutarios über den Hellespont gegangen; beide vereinigt warfen sich alsbald plündernd auf alle kleinasiatischen Landschaften, bis sie im Centrum der Halbinsel feste Wohnsitze gewannen.
Wenn die bithynischen Könige im Kampf mit den griechischen Städten und den makedonischen Machthabern standen, so konnten sie sich doch seit ihrem Eintritt in die Welthandel dem griechischen Einfluss nicht mehr entziehen. Schon Zipoites hatte sich nach neuer Weise eine Stadt [517] auf seinen Namen gegründet; mit seinem Sohne, dem ersten Bithynerkönig mit griechischem Namen, hält auch das Griechentum seinen Einzug in B. Die Zerstörung von Astakos durch Lysimachos machte eine Schöpfung von ganz anderer Bedeutung möglich; ihm gegenüber am Nordufer der Ecke des Golfs, also an der Stelle des alten Olbia, gründete der König um das J. 264 die Stadt Nikomedia (Strab. XII 563. Memnon 20. Euseb. a. Abr. 1752 u. a. Hist. Aug. Gallien. 4 Astacum quae Nicomedia postea dicta est; confus Paus. V 12, 7, wonach Nikomedes Astakos umnennt, τὰ δὲ ἐξ ἀρχῆς αὐτῇ Ζυποίτης ἐγένετο οἰκιστής, Θρᾷξ γένος εἰκάζοντί γε ἀπὸ τοῦ ὀνόματος). Die Reste der Astakener wurden hierher verpflanzt; rasch wurde die Stadt eine der Hauptstädte des neuen Hellenismus. Auch sonst erscheint Nikomedes wie ein griechischer Fürst: er zuerst hat Münzen geprägt, nach attischem Fuss, seine Elfenbeinstatue befand sich in Olympia (Paus. a. a. O.).
Auch nach Osten und Süden hat gewiss bereits Nikomedes sein Reich erweitert. Nach seinem Tode (um 260) hat sein Sohn Ziaëlas Ζιαηλας (so auf einer Bronzemünze, ferner als Personenname auf einer Inschrift bei Mordtmann Ath. Mitt. XIV 315; CIG 3808 Ζιαιλις; bei den Schriftstellern schwankt die Form), nachdem er im Kampf gegen seine vom Vater zu Erben eingesetzten Stiefbrüder (zu denen der später nach Makedonien geflüchtete Tiboites, Polyb. IV 50f., gehört) die Krone gewonnen hatte, diese Eroberungen fortgesetzt. Er hat die Stadt Kresa in Paphlagonien, d. i. wahrscheinlich Krateia, später Flaviopolis, erobert, und eine Stadt Zeïla ‚in Kappadokien‘ gegründet (Steph. Byz. s. Ζῆλα. Κρῆσσα [aus Demosthenes Bith.]; vgl. Meyer Gesch. d. Kgr. Pontos 49f.). Von seinen Eroberungen (vgl. Arrian. frg. 74) hatte auch Trogus erzählt; daher bei Iustin. XXVII 4 der rex Bithynus Eumenes, in dem er mit den Pergamenern Eumenes und Attalos zu einer Person verschmolzen ist. Seine Tochter heiratete Antiochos Hierax, um an ihm (wie an den Königen von Pontos und Kappadokien) einen Halt zu gewinnen (Euseb. chron. I 251 Schoene). Seine Kriege führte er mit gallischen Truppen; von deren Häuptlingen ist er um 235, als er sie bei einem Gelage aus dem Wege räumen wollte, erschlagen worden (Phylarch. frg. 32. Trogus prol. 27). Durch ihn hat B. wahrscheinlich seine spätere Ausdehnung nach Osten gewonnen, durch die das mariandynische Hinterland und phrygische und paphlagonische Grenzdistricte mit B. verbunden wurden. Offenbar wurden diese Gebiete von den Bithynern colonisiert und ihrer Nationalität gewonnen: die Stadt Bithynion wird damals entstanden sein. Bei Arrian fand sich im fünften Buch, in dem er die Gründung Nikomediens erzählte (frg. 28. 29 bei Steph. Byz. s. Νικομήδειον u. Μεγαρικόν), auch das Wort Βιθυνιαπολίτης (frg. 27 bei Steph. Byz. s. Βιθυνόπολις, was die Herausgeber fälschlich in Βιθυόπολις corrigieren), von einer sonst unbekannten Stadt Bithynopolis, die vielleicht mit Bithynion identisch ist. Die Vermutung liegt nahe, dass dort von ihrer Besiedelung die Rede war.
Ziaelas Sohn Prusias I. (Strab. XII 563. Steph. Byz. s. Προῦσα; danach ist der ungenaue Auszug aus Arrian [frg. 75] Tzetz. Chil. III 950 und Etym. Μ. s. Ἀπάμεια zu corrigieren) hat die [518] Politik seiner Vorfahren fortgesetzt. Aus seinen ersten Jahren erfahren wir nur wenig: er unterstützt Rhodos nach dem Erdbeben (Polyb. V 90); er macht einen Galaterhaufen nieder, der die Städte von Troas heimsucht (216; Pol. V 111); er unterstützt die Rhodier, als sie im J. 220 Byzanz angreifen und zur Aufhebung des Sundzolles im Bosporos zwingen, weil er sich von Byzanz geringschätzig behandelt fühlt – sie haben ihm die versprochenen Statuen nicht errichtet und schicken zu den von ihm gefeierten Σωτήρια keine Festgesandtschaft (Pol. IV 49). Im Frieden muss er aber die ihnen an der asiatischen Küste des Bosporos (Hieron) und in Mysien abgenommenen Orte wieder herausgeben (Pol. IV 50–52). Grössere Erfolge brachte ihm seine Vermählung mit Apama, der Schwester Philipps V. von Makedonien. Er unterstützte diesen im ersten Krieg mit Rom, den Aitolern und Attalos und wurde deshalb auch in den Frieden von 205 eingeschlossen (Liv. XXVII 30. XXVIII 7. XXIX 12). Dafür zog Philipp, als er 202 den Angriff gegen die asiatischen Besitzungen der Ptolemaeer unternahm, vorher gegen die Griechenstädte an den Grenzen des bithynischen Reichs; ein Conflict, den Prusias mit Kios provociert hatte, bot dazu den Vorwand. Philipp eroberte und zerstörte Chalkedon, Kios, Myrlea, trotz ihres Bundes mit Aitolien. Namentlich in Kios hauste er aufs grausamste. Die Ruinen überwies er dann seinem Schwager. Dieser hat Kios unter dem Namen Prusias am Meer (vgl. die Inschrift von Kios Bull. hell. XVII 1893, 542 βασι]λεὺς Καλλίνεικος κτ[ίσ]της τῆς πόλεως; ebd. eine lange, sehr verstümmelte Inschrift aus der Zeit der Königsherrschaft), Myrlea als Apamea – nach seiner Gemahlin – wieder aufgebaut (Polyb. XV 22, 2. 23, 8–10. XVIII 4, 5. 5, 4 = Liv. XXXII 14. Strab. XII 563. Steph. Byz. s. Μύρλεια [fehlerhaft]. Προῦσα. Hermipp. frg. 72, FHG III 51 aus Etym. M. s. Ἀπάμεια). Dadurch wurde das Land bis zum Rhyndakos und zum mysischen Olymp bithynisch. Auch Chalkedon hat Prusias sich angeeignet. Im zweiten Krieg Philipps mit den Römern hielt er sich zurück, so dass im Frieden von 197 nur ausgemacht wurde, Flamininus solle über Kios an Prusias schreiben (Polyb. XVIII 44, 5 = Liv. XXXIII 30), natürlich eine völlig illusorische Bestimmung. Prusias hat diese Zeit benützt, einmal um den Pergamenern das abwechselnd ihnen und den Seleukiden unterthänige phrygische Binnenland am oberen Sangarios mit Aizanoi, Kotyaeion, Dorylaeion, Nakoleia, die spätere Phrygia Epiktetos (zum Umfang Strab. XII 571. 576), abzunehmen, sodann um Herakleia dasselbe Schicksal zu bereiten, wie den andern Griechenstädten. Er eroberte Kieros, das er in Prusias am Hypios verwandelte, und Tieion, und hätte auch Herakleia genommen, wenn ihm nicht beim Sturm ein Steinwurf das Bein zertrümmert hätte (Memnon 27). So behauptete Herakleia seine Unabhängigkeit bis zum dritten mithradatischen Krieg; aber sein ganzes Gebiet hatte es verloren.
Im Krieg des Antiochos gegen Rom hatte Prusias zuerst daran gedacht, ihn zu unterstützen; im J. 190 gewannen ihn die Scipionen für Rom, indem sie ihm die Integrität seines Gebiets in Aussicht stellten (Polyb. XXI 11 = Liv XXXVII [519] 25. App. Syr. 23). Es war das klügste, was er thun konnte. Aber seine Erwartung wurde nur teilweise erfüllt. In den von der Senatscommission im J. 188 über Kleinasien getroffenen Bestimmungen heisst es, dass von Antiochos Besitzungen in Asien ‚Phrygien am Hellespont, Grossphrygien, das Myserland, welches König Prusias besetzt hatte (Mysiam, quam Prusia rex ademerat, Liv. XXXVIII 39, bei Polyb. XXI 40, 10 verschrieben Μυσούς, οὓς πρότερον αὐτὸς παρεσκευάσατο)‘ dem Eumenes zufallen sollte. Um die Ausführung der Clausel haben sich die Römer freilich nicht viel gekümmert; so kam es darüber zum Krieg. Bekanntlich führte in demselben Hannibal die bithynischen Truppen, vor allem die Flotte. Auch Philipp von Makedonien unterstützte den Prusias (Polyb. XXIII 1, 4. 3, 1f. = Liv. XXXIX 46). Aber Eumenes hatte an Rom einen festen Halt; so war das Ergebnis des im J. 184 (Polyb. XXII 20, 8) geschlossenen Friedens, dass Prusias die Eroberungen am Sangarios, seitdem Φρυγία ἡ ἐπίκτητος genannt, abtreten musste (Strab. XII 563; die ausser bei Nepos Hannibal 10f. sehr dürftige Überlieferung über den Krieg findet sich Polyb. III 3, 6. Liv. XXXIX 51, 1. Trog. prol. 32. Iustin. XXXII 4). Dem Hannibal verdankt Prusias auch die Anlage der Stadt Prusa am Olympos, die bis auf den heutigen Tag seinen Namen trägt (Plin. V 148 Prusa ab Hannibale sub Olympo condita. Tzetz. Chil. III 964 [Arrian. frg. 75] Προυσίου τοῦ κτήτορος τῆς πόλεως Προύσης τῆς παρ’ Ὀλύμπῳ. Strab. XII 564 κτίσμα Προυσίου τοῦ πρὸς Κροῖσον πολεμήσαντος enthält einen alten Fehler, den schon Steph. Byz. s. Προῦσα .. κτίαμα Προυσίου τοῦ πρὸς Κῦρον (sic) πολεμήσαντος vorgefunden hat; vgl. Droysen Hellenismus III 2, 258f.). Die Folge des Kriegs mit Eumenes war, dass im J. 183 Flamininus nach B. ging und Hannibals Auslieferung forderte. Prusias wagte nicht, ihn zu schützen; wie sich Hannibal in Libyssa den Tod gab, ist allbekannt. Bald darauf muss Prusias I. gestorben sein (Strab. XII 564 sagt ausdrücklich, dass er es war, den Hannibal aufnahm; meine Behauptung Gesch. d. Kgr. Pontos 75, 2 ist falsch). Den Umfang, den B. unter ihm gewonnen hat, hat die Landschaft dauernd behalten, auch als römische Provinz.
Ihm folgte sein Sohn Prusias II. ‚der Jäger‘ (Proxeniedecret von Aptera auf Kreta für βασιλέα Προυσίαν βασιλέως Προυσίου Bull. hell. III 425). Waren die älteren Herrscher B.s zwar skrupellose, aber energische Persönlichkeiten, die Bedeutendes geleistet haben, so war dieser ein jämmerlicher, verweichlichter Feigling (Polyb. XXXVII 7 = Diod. XXXII 19; vgl. Nikander von Chalkedon FHG IV 462 bei Athen. XI 496 d; er hat eine Becherform erfunden), recht geeignet für die Zeit, wo die Römer die Zügel ihrer Herrschaft immer fester zogen. Seine Neigungen gingen gegen die Pergamener und somit auch gegen Rom; aber er konnte nicht wagen, ihnen nachzugeben. Wodurch er veranlasst ist, gegen Pharnakes von Pontos, der sich in diesem Kriege (182–179) vorübergehend Tieions bemächtigte (Diod. XXIX 23), auf seiten des Eumenes zu kämpfen, wissen wir nicht (Polyb. XXV 2, 3. 7). Er heiratete Perseus Schwester und wäre in dessen Krieg mit Rom gern neutral geblieben, schickte aber den Römern doch Schiffe [520] (Liv. XLII 12. 29. XLIV 10. Appian. Mithr. 2). Als es den Römern schlecht ging, versuchte er wie die Rhodier eine Friedensvermittelung (Liv. XLIV 14), die er nach der Schlacht bei Pydna durch kriechende Servilität bei einem Besuch in Rom auszugleichen suchte (Polyb. XXX 19. Liv XLV 44. Diod. XXXI 15. App. Mithr. 2. Dio Cass. frg. 68 Melber). Nach dem Kriege schlug die römische Politik um; die alten Günstlinge Pergamon und Rhodos wurden zurückgesetzt, die kleineren Staaten, voran B. und Thrakien, mit dessen König Diegylis Prusias verschwägert war (Appian. Mithr. 6), gegen sie begünstigt. So konnte Prusias erfolgreich gegen Eumenes schüren und die Galater gegen ihn hetzen (Polyb. XXXI 6. 9. XXXII 3 = Diod. XXXI 7, 2. Liv. ep. 46). Endlich im J. 156 schlug er gegen Attalos II. los und brachte ihn in schwere Bedrängnis. Die Römer hätten gern für ihn Partei ergriffen, wie er mit Sicherheit erwartete, hätte er nicht den Krieg gar zu frivol begonnen und zu brutal geführt. So zwangen sie ihn schliesslich 154 zum Frieden, in dem er die Kriegskosten zahlen und Attalos 20 Kriegsschiffe ausliefern musste; der Besitzstand vor dem Kriege wurde dagegen nicht geändert (Polyb. III 5, 3. XXXII 27f. XXXIII 1, 9. 12f., und aus ihm Trog. prol. 34. Diod. XXXI 35. App. Mithr. 3. Steph. Byz. s. Βοὸς Κεφαλαί). Einige Jahre darauf, als Prusias seinen in Rom befindlichen Sohn Nikomedes – der in Rom beliebt war, wie die Kronprinzen meistens – zu Gunsten seiner Kinder zweiter Ehe beseitigen wollte, benützte Attalos die Gelegenheit zur Rache. Er erkannte den Prinzen, der rechtzeitig gewarnt war, als König an, gab ihm die Möglichkeit, in B. einzubrechen, wo alles dem beliebten Thronfolger zufiel, und vor allem, er wusste Prusias den Halt in Rom zu entziehen – bei dieser Gelegenheit schickte der Senat die von Cato verspottete Gesandtschaft, quae nec caput nec pedes nec cor habuit. Prusias, von den Bithynern seit langem gründlich gehasst und verachtet und jetzt von allen verlassen, fand schliesslich in Nikomedien seinen Tod, 149 v. Chr. (Polyb. XXXVII 6. 7, und aus ihm Appian. Mithr. 4ff. Diod. ΧΧΧII 19–21. Iustin. XXXIV 4. Liv. ep. 50. Zonar. IX 28).
Nikomedes II., βασιλεὺς Ἐπιφανὴς Νικομήδης, wie er sich auf seinen Tetradrachmen nennt (nur eine Golzmünze hat βασ. Νικ. επιφ.), d. h. der plötzlich wie ein Gott aus der Verborgenheit in die Erscheinung getretene König, war ein besserer Mensch als sein Vater – nach Licinianus p. 36 Bonn. erhielt er wegen seines humanen Regiments den Beinamen Euergetes –, aber eine andere Politik konnte er nicht einschlagen. Er blieb der getreue Vasall der Römer, mit der Hoffnung, gelegentlich einigen Gewinn dafür zu erhalten beim Aristonikoskriege, wo er die alten bithynischen Ansprüche auf Phrygien erneuerte. Bekanntlich überbot ihn aber der pontische König und erhielt von M.’ Aquillius Grossphrygien zugesprochen, bis C. Gracchus es auch diesem abnahm (Oros. V 10. Eutrop. IV 20. Gell. XI 10). Auf Kos wird dem Nikomedes ein Opfer eingerichtet als einem Gott (Bull. hell. V 221), auf Delos wird im J. 107 ὑπὲρ τοῦ δήμου τοῦ Ἀθηναίων καὶ ὑπὲρ βασιλέως Νικομήδου der Isis Nemesis ein Tempel errichtet (Bull. hell. VI 337. VIII 104), bald darauf wird [521] seinem Sohn hier eine Statue errichtet (ebd. IV 188) – darin spiegeln sich die Handelsbeziehungen mit Delos wieder, denen auch die Inschrift der καταπλέοντες εἰς Βιθυνίαν ἔμποροι καὶ ναύκληροι von Delos für Μελέαγρος Ζμερτομάρου aus Nikaia ebd. IV 222 Ausdruck giebt. Aber das Land wurde von den römischen Capitalisten so ausgesogen und ausgeraubt, dass Nikomedes beim Cimbernkriege im J. 104 die höhnende Erklärung wagen konnte, er sei ausser stande, den vertragsmässigen Zuzug zu stellen, da die tüchtigen Leute fast alle als Sclaven fortgeschleppt seien – das gab den Anstoss zum zweiten sicilischen Sclavenkrieg (Diod. XXXVI 3). Richtig war die Behauptung nicht, denn in derselben Zeit war der König dabei, sich im Osten in Unternehmungen zur Erweiterung seines Reichs einzulassen. Wahrscheinlich im J. 105 fiel er mit Mithradates zusammen in Paphlagonien ein und teilte es mit ihm: dem remonstrierenden Senat gegenüber gab er einen seiner Söhne für den rechtmässigen Thronerben Pylaimenes aus (Iustin. XXXVII 4). Bald darauf versuchte er sich Kappadokiens zu bemächtigen und drängte sich der Regentin Laodike zum Gemahl auf; aber Mithradates schlug ihn zum Lande hinaus (Iustin. XXXVIII 1). Weiter auf diese Händel einzugehen ist hier unnötig. Das Resultat war, dass beide Könige auf Befehl des Senats Kappadokien wie Paphlagonien herausgeben mussten (um 95 v. Chr.).
Bald darauf starb Nikomedes II.; ihm folgte sein Sohn Nikomedes III. Philopator (so bei den Schriftstellern Appian. Mithr. 7. Licinian. p. 34 Bonn. Capitolin. Chronik CIG 6855 – auf seinen Münzen hat er wie sein Bruder Kopf und Namen seines Vaters beibehalten; über seine Abstammung differieren die Berichte Memnon 30. Licinian. a. a. O. Iustin. XXXVIII 5, 10). Gegen diesen trat sein Stiefbruder Sokrates ὁ χρηστός auf und bemächtigte sich, von Mithradates unterstützt, als Nikomedes IV. des Thrones (91 v. Chr.) – er ist wahrscheinlich der Nikomedes, dem das unter Skymnos Namen gehende geographische Lehrgedicht gewidmet ist (Reinach Trois royaumes 120). Im J. 90 erzwang eine Gesandtschaft unter M.’ Aquillius die Rückkehr Philopators, und Mithradates schaffte den Sokrates beiseite (Iustin. XXXVIII 3, 4. 5, 8. Appian. Mithr. 10f. 13. 57. Memnon 30. Liv. ep. 74). Wie Aquillius dann Nikomedes zwang, Mithradates anzugreifen (89), und dieser infolge dessen den Krieg gegen Rom begann (88), ist bekannt. Während des Kriegs war B. in Feindeshand, der Friede von Dardanos 84 führte Philopator auf den Thron zurück, den er jetzt bis an seinen Tod Ende 74 behauptete. In seinem Testament vermachte er sein Reich den Römern (Appian. Mithr. 71. Liv. ep. 93. Arrian. frg. 24 u. a.), da er seinen Sohn von der kappadokischen Prinzessin Nysa, die von Sokrates vor seiner Usurpation verklagt und deshalb hingerichtet war (Licinian. p. 36), nicht als legitim anerkannte (Sallust. hist. II 57. IV 20, 9 Kritz – seine Schwester Nysa Suet. Caes. 49). Ein Sohn dieses Sohnes (nicht er selbst, wie Reinach meint) erscheint mit dem Königstitel in einer Inschrift unter seiner Statue aus dem Gymnasion von Delos CIG 2279 βασιλέως Νικομήδ[ου] τοῦ ἐ[γ]γόνου βασιλέως Νικομήδοῦ Ἐπιφάνου (sic) [Διοσ]κουρίδης Διοσκουρίδου [522] Ῥαμνούσιος γυμνασιαρχ[ῶν. Nach einer sehr scharfsinnigen Vermutung Reinachs (Trois royaumes 135ff.) ist er identisch mit dem vornehmen Bithyner aus kappadokischem Königsgeschlecht Lykomedes (mit leichter Namensänderung), dem Caesar, der bekanntlich mit seinem Grossvater Nikomedes III. Philopator eng liiert gewesen war, das Priestertum von Komana pontica und den Königstitel verlieh (bell. Alex. 66. Appian. Mithr. 121 vgl. Strab. XII 558. 560). Seine Tochter Orodaltis erscheint auf Münzen als Herrscherin von Prusias am Meere. Aus der unbestimmten Kunde hiervon dürfte Appians vor Reinachs Entdeckung ganz rätselhafte Angabe Mithr. 7 hervorgegangen sein, dass ein Enkel des Nikomedes III. Philopator (υἱωνὸς τοῦδε ἕτερος Νικομήδης) den Römern sein Reich vermacht habe.
Appians Angabe Mithr. 2, es hätten 49 Könige über B. geherrscht, ist corrupt; dagegen die des Dionys von Halikarnass bei Synkell. p. 525. 593 Bonn., dass über B. acht Könige 213 Jahre geherrscht hätten (von Synkellos seltsamerweise in die J. 233–21 v. Chr. gesetzt), ist richtig, wenn wir die Jahressumme in 223 corrigieren (297/6–75/4 v. Chr.); die Könige sind Zipoites, Nikomedes I., Ziaelas, Prusias I., Prusias II., Nikomedes II. Epiphanes, Nikomedes III. Philopator, und dazwischen der Usurpator Nikomedes IV. Sokrates Chrestos.
Die zahlreichen Colonien, welche die bithynischen Könige bis auf Prusias I. gegründet haben, haben zwar zweifellos eine Mischbevölkerung mit einem starken griechischen Elemente enthalten, aber auch zahlreiche bithynische Bestandteile; namentlich in Nikomedien treten diese noch in den späteren Inschriften stark hervor, und auch in Chalkedon dringen sie ein. Offenbar war die bithynische Nationalität kräftiger und selbstbewusster als die ihrer schon stark zersetzten Nachbarn, und daher diesen gegenüber noch längere Zeit im Vordringen begriffen, wenn sie sich auch äusserlich hellenisierte; vgl. Polyb. XXXVII 7 ‚dass die Könige feige und weibisch an Körper und Geist sind, hat niemand gern, am wenigsten aber das Bithynervolk‘. Noch in den nicht sehr zahlreichen Inschriften (im CIG und verstreut in den Athen. Mitt., Bull. bell. III 425 u. a., einzelne auch bei Le Bas), die durchweg aus römischer Zeit stammen, zeigen die vielen echt thrakisch-bithynischen Eigennamen wie Δοιδαλσος, Δινδιπορις, Μοκαπορις, Παπιας, Ζιαιλις, Σευθης u. a. im Stammland und seiner nächsten Nachbarschaft, dass die alte Nationalität noch nicht völlig untergegangen war. Die annectierten Gebiete an der Propontis dürfen dabei natürlich nicht berücksichtigt werden.
Institutionen
Von bithynischen Institutionen kennen wir nicht viel. Nach Arrian frg. 37 scheint wie bei den Thrakern ursprünglich Polygamie geherrscht zu haben. Recht gesprochen wird unter freiem Himmel, zur Sonne gewandt (Arrian. frg. 33 Βιθυνοὶ δίκας ἐδίκαζον καθεζόμενοι ἀντίοι τοῦ ἡλίου, ὡς ἂν ὁ θεὸς ἐποπτεύοι). Das Königtum war ursprünglich wohl ein vielfach gebundenes Volksherzogtum; später ist es ein Fürstentum geworden wie andere hellenistische auch. Damals hat sich das Land auch sonst cultiviert; Arrian rühmt seine Fruchtbarkeit, seine Steinbrüche und [523] Krystalle (frg. 44). In den Städten erhoben sich Kunstwerke, vor allem in Nikomedien (Arrian. frg. 44), die Könige legten Interesse für Gemälde an den Tag (Plin. VII 127. XXXVI 21), dem Prusias II. wird vorgeworfen, dass er ganz ungebildet ist (Polyb. XXXVII 7).
Religion
Über die bithynische Religion gewähren uns Schriftsteller und Inschriften einigen, wenn auch dürftigen Aufschluss, der durch die im Florentiner Hemerologium und sonst überlieferten Monatsnamen (am besten bei Ideler Handb. d. Chronol. I 421) ergänzt wird, in denen sich wie gewöhnlich makedonische, griechische und einheimische Namen mischen: es sind mit der Herbstnachtgleiche beginnend Ἡραῖος (oder Πραίσης), Ἑρμαῖος, Μητρῷος, Διονύσιος, Ἡράκλειος, Δῖος, Βενδίδαιος, Στράτειος, Περιέπιος (oder Πρήστιος), Ἄρειος (oder Ἀρράριος), Ἀφροδίσιος, Δημήτριος. Den Himmelsgott (Zeus) rufen die Bithyner auf den Berggipfeln unter den Namen Papas und Attis an, sagt Arrian frg. 30. Papas ist offenbar der einheimische Gottesname, von dem der in B. häufige Personenname Παπίας (CIG 3794. Le Bas 1126; Παπιά fem. Athen. Mitt. XVIII 28; Παπιανός, -νή Le Bas 1171. 1178) stammt; vgl. Παπια Διι σωτηρι in einer Inschrift aus Dorylaeion in Phrygien CIG 3817. Attis wird der mit ihm identificierte phrygische Gott sein, der Liebling der Göttermutter (bei Diod. III 58 in der albernen rationalistischen Erzählung von Kybele erhält Attis den Beinamen Papas). Daneben verehren sie den von den Bebrykern übernommenen Priapos, oder wie Arrian frg. 32 schreibt, Πρίεπος – nach ihm heisst der Monat Π[ε]ριέπιος. Nach Arrian ist er ein Sonnengott διὰ τὸ γόνιμον; Lucian. de salt. 21 erzählt als bithynischen Mythos, dass Priapos, ein kriegerischer Gott (er hält ihn für einen Titanen oder Daktylen), von Hera den jungen Ares zur Erziehung erhält und ihn zuerst tanzen lehrt; zum Lohn wird ihm für alle Zeit der Zehnte der von Ares gewonnenen Beute zugesprochen – das mag also bithynischer Brauch gewesen sein. Den Kult des Ares zeigt der Monat Ἄρειος (Ἀρράριος), den der Göttermutter der Μητρῷος. Dass die thrakische Bendis in B. verehrt wurde, beweist der Name Βενδίδαιος. Die sitzende Göttin auf den Münzen Nikomedes I., in kurz geschürztem Gewand, in der Rechten zwei Lanzen, in der Linken ein kurzes Schwert, zur Seite den Rundschild, ist wahrscheinlich die Bendis δίλογχος (Kratin. frg. 80 Kock bei Hesych. s. δίλογχον; die Deutung stammt von Froelich, vgl. Reinach Trois royaumes 99). Die späteren bithynischen Königsmünzen zeigen meist einen Zeus. Bendis ist vielleicht auch mit der Artemis der Weihinschrift von Sabandja östlich von Nikomedien CIG 3768 gemeint. Ob der Sabazios, dem Maximus, Sohn des Mucianus, im J. 206 n. Chr. in Kartal östlich von Chalkedon einen Altar errichtete (CIG 3791 Θε[ω Σ]αβα[ζ]ιω παν[κο]ιρανω), einheimisch oder aus Phrygien importiert ist, ist nicht zu sagen (vgl. Arrian. frg. 31 über Dionysos am Sangarios). Die Himmelsgötter der Inschriften Διι επιδημιω und Διι Βαληω (wozu Höfer Jahrb. f. Philol. CLIII 1896, 472 Et. magn. Βαλίαι … καὶ τὸν Διόνυσος Θρᾷκις vergleicht) Athen. Mitt. XIX 372f. gehören nach Paphlagonien, nicht wie der Herausgeber R. Förster meint, nach [524] B., so gut wie der benachbarte Διι επικαρπιω Bull. hell. XIII 310. Echt kleinasiatisch ist Διι Ολυμπιω και αστραπταιω και Δημητρι καρποφορω Bull. hell. XVII 540 aus der Nähe von Kios. Die Kulte der griechischen und hellenistischen Städte können hier natürlich nicht berücksichtigt werden.
Litteratur.
Wie über alle Länder und Städte der Welt hat es auch über B. in hellenistischer und römischer Zeit eine ziemlich umfangreiche Litteratur gegeben. Wir kennen Βιθυνιακά von Asklepiades von Myrlea (FHG III 300) in mindestens zehn Büchern, aus denen Steph. Byz. eine Anzahl Fragmente bewahrt hat, von Demosthenes dem Bithyner (FHG IV 384), eine Geschichte seiner Könige (περιπέτειαι oder συμπτώματα) von Nikanor von Chalkedon (FHG IV 462), ferner natürlich eine Schrift über B. von Alexander Polyhistor (FHG III 232), endlich Arrians 8 Bücher Βιθυνικά, die bis zum Tode des Nikomedes III. hinabreichten. Aus ihnen haben uns Stephanos von Byzanz und vor allen Eustathios in seinen Commentaren zu Dionysios Periegetes und zu Homer zahlreiche Bruchstücke bewahrt, leider meist über Sagen, homerische Geographie u. a. Photius cod. 93 hat sich begnügt, den Inhalt der Vorrede mitzuteilen. Zu dem Werk vgl. den Art. Arrianos Bd. II S. 1235f. Ergänzend kommen die Schriften über die Nachbargebiete hinzu, namentlich über Herakleia; unter diesen vor allem das Werk des Nymphis und das auf ihm beruhende des Memnon dem wir durch Photius Vermittlung den Hauptteil unserer Nachrichten über das bithynische Reich verdanken.
Bithynien als römische Provinz.
Nach dem Testament des letzten Königs, Nikomedes Philopator, der gegen Ende des J. 74 v. Chr. starb (Th. Reinach Mithradates Eupator S. 313 d. deutsch. Übers.), fiel das Königreich B. als Erbe den Römern anheim, die denn sofort sich anschickten, durch den Statthalter von Asia, M. Iuncus, das Land als römische Provinz einrichten zu lassen. Nikomedes Reich umfasste das Land zwischen dem Unterlauf des Rhyndakos, der es gegen die römische Provinz Asia schied (Plin. n. h. V 142. Ptolem. V 1), und der Mündung des Sangarios (Strab. XIII 541. 542), während weiter flussaufwärts B. über den Sangarios hinausgriff und die Städte Prusias, Bithynion, Krateia in sich schloss und an Paphlagonia grenzte. Im Norden war der Pontos Euxeinos, im Süden der Olymp und die Landschaften Phrygia und Galatia die Grenze. Durch diesen Zuwachs an Land wurden die Römer unmittelbare Nachbarn des Mithradates von Pontos zu dessen Reich die Küste östlich vom Sangarios mit Ausnahme des Freistaates Herakleia gehörte, und zugleich gewannen sie eine Küstenstrecke am schwarzen Meere, woran ihnen um so mehr liegen musste, als sie dadurch zu Herren des Bosporos wurden und durch Sperrung desselben den pontischen Handel brach legen konnten. Mithradates beantwortete den Versuch, B. zu einer römischen Provinz zu machen, mit einem im Frühjahr 73 v. Chr. unternommenen Einfall, der fast das ganze Land in die Gewalt des Königs brachte und die Römer zwang, mit den Waffen dasselbe sich erst zu erobern.
Die Wechsel und den Verlauf dieses sog. dritten [525] mithradatischen Krieges zu erzählen, ist hier nicht der Ort. An eine Einrichtung und regelmässige Verwaltung ihrer Erbschaft konnten die Römer vorderhand nicht denken; erst nach Mithradates völliger Vernichtung constituierte Pompeius B. als romische Provinz. Gleichzeitig wurde aber auch der Umfang der neuen Provinz grösser als das Reich des Nikomedes gewesen war. Nach den Untersuchungen von Niese Herm. XIII 39; Rh. Mus. XXXVIII 567 kam nicht blos die Küste vom Sangarios bis zum Halys, wie man bisher annahm, sondern der ganze Pontos, also das Land östlich vom Halys hinzu, das Pompeius mit Ausnahme des dem Deiotarus von Galatia verliehenen Küstenstriches von Pharnakeia und Trapezus bis Kolchis und der am Unterlauf des Halys südlich vom Gebiet der Amisener gelegenen Landschaft Gadilonitis zu B. schlägt. Fortan bilden das politische Reich des Mithradates und das bithynische des Nikomedes eine Provinz, die den Namen Pontus et Bithynia führt (so meist; CIL X 6659. III 384; Suppl. 6813. 7339; griechisch: Πόντος καὶ Βειθυνία Papers of Am. School III 532. Bull. hell. XIV 643). Dagegen wurde das paphlagonische Binnenland, das wenigstens zum Teil dem Mithradates botmässig war, einheimischen Fürsten aus dem alten Stamm der Pylaimeniden verliehen und nach dem Aussterben derselben bald vor Beginn der christlichen Zeitrechnung von Augustus eingezogen und der Provinz Galatia zugeteilt. Daher kommt Paphlagonia häufig auf Inschriften vereint mit Galatia vor (Papers of Am. School III 532. CIL III Suppl. 6819. 6813).
Aber diesen Umfang behielt die Provinz nicht lange. Die von Antonius im Pontos getroffenen Einrichtungen, so vorübergehend sie auch an sich waren, blieben doch von bleibender Wichtigkeit für die Provinz Pontus et Bithynia. Antonius setzte den Polemo zum König über das Land, welches Pompeius dem Deiotarus verliehen hatte, ein und vergrösserte dasselbe durch Phanaroia, durch Zelitis und Megalopolitis – also dass Polemo und nach ihm seine Nachfolger mit Ausnahme von Komana, wo ein Priesterkönig herrschte, ungefähr das Land vom Iris und Skylax bis nach Armenien und Kolchis besassen, worüber Strabon XII cap. 3 genaue Auskunft giebt. Im J. 63 n. Chr. fiel auch dies Königreich an Rom und wurde der Provinz Kappadokia zugeteilt. Der nicht zu Polemos Reich gehörige Pontos, also etwa das Land zwischen Halys und Iris mit Skylax, kam durch Antonius gleichfalls an ein Fürstengeschlecht und wird mit Ausnahme von Amisos (vgl. u.) im J. 2 v. Chr. römische Provinz; in diesem Jahre beginnen die Aeren von Amaseia (Imhoof-Blumer Griech. Münzen 560) und Sebastopolis (Inschrift des Flavius Arrianus Revue arch. XXXIII 200 = Journal of Phil. XI 154). Aber dieser Landstrich wird der Provinz Galatia zugeteilt, daher Pontus Galaticus. Im 1. Jhdt. n. Chr. gehörte Amaseia zu Galatia – das beweist der dort gefundene Meilenstein, der durch den Legaten Galatias Pomponius Bassus gesetzt ist (CIL III Suppl. 6896. 6897); man vgl. noch die Inschrift des Sospes (CIL III Suppl. 6818), wonach der Pontus Galaticus zu Galatia gehört. Im 2. Jhdt. wird er erst Kappadokia zugeteilt. So war der Umfang, den Pompeius der Provinz [526] gegeben, nur von kurzer Dauer; seit Antonius umfasst Pontus et B. – dieser Name der Provinz ist auch in der Kaiserzeit der übliche – ausser B. im engeren Sinne noch die Küstenlandschaft vom Sangarios über den Halys hinaus bis Amisos. Dass diese letztere Stadt zur Provinz Pontus et B. gehörte – abgesehen von der Zeit des Pharnakes, der sie eroberte, und der folgenden Zeit, wo Tyrannen sie beherrschten (Strab. XII cap. 3), aus deren Gewalt sie im J. 31 v. Chr. wieder unter die römische Botmässigkeit trat –, folgt für die republicanische Zeit aus den dort geschlagenen Münzen mit den Köpfen der Proconsuln C. Papirius Carbo aus dem J. 59 v. Chr. (Revue numism. V 363) und C. Caecilius Cornutus aus dem J. 56 v. Chr. (Wroth Coins of Pontus 21 nr. 82f.). für die Kaiserzeit, jedenfalls für das 1. und den Anfang des 2. Jhdts., aus Plinius Correspondenz mit Traian (ep. 92). Plinius als kaiserlicher Statthalter von B. hatte in Amisos, trotzdem dies eine urbs libera et foederata war, Geschäfte, und von ihren finanziellen Angelegenheiten nahm er gerade so gut wie von denen anderer Städte Einsicht. Von den übrigen Städten dieser Küste liegt nur für Sinope ein ausdrückliches Zeugnis vor, dass es zu Traians Zeiten zur Provinz Pontus et B. gehörte (Plin. ep. ad Traian. 90). Dasselbe folgt für die Zeit des Marc Aurel auch für Abonuteichos aus Lukian (Pseudom. 57), der wegen des in Abonuteichos gegen ihn von Alexander unternommenen Mordversuchs eine Klage anstellen will, aber der Statthalter von Pontus et B. Avitus – derselbe ist inschriftlich für das J. 165 n. Chr. bezeugt –, bei dem Lukian seine Klage anbringt, weiss ihn aus Freundschart für Rutilianus, den Schwiegersohn des Alexander, davon abzubringen, denn er könne den Alexander καὶ εἰ φανερῶς λάβοι ἀδικοῦντα nicht strafen. Hiernach gehörte Abonuteichos zum Verwaltungsbezirk B. Ptolemaios (V 1) rechnet unter der Überschrift Πόντου καὶ Βιθυνίας θέσις, was den Eindruck macht, als ob er in diesem Kapitel die römische Provinz behandelte, Amastris zu B., dagegen Abonuteichos Sinope Amisos (V 4, 2) zu Galatia. Hiernach scheint also die Provinz nach 165 n. Chr. abermals an Umfang kleiner geworden zu sein, indem nach Osten zu Amastris ihre äusserste Stadt war. Von neueren Änderungen in den Grenzen hören wir nach Ptolemaios nichts bis in die Zeiten nach Diocletian. Wie anderswo so wird auch hier die alte Provinz Pontus et B. geteilt und zwar in die Provinzen B. und Honorias, die beide zur Dioecesis pontica gehören (Veroneser Verzeichnis in Abh. Akad. Berl. 1862 und Polemii Silvii Laterculus vom J. 449 in Mommsens Chronica minora I 541). B. umfasst im grossen Ganzen das immer im engeren Sinne so genannte Land, also vom Rhyndakos bis zum Sangarios, Honorias schliesst folgende Städte in sich: Claudiopolis, Prusias, Herakleia, Tion, Krateia, Hadrianopolis (Hierokles ed. Burckhardt p. 31. Basilii notitia episcop. in Gelzers Georgii Cyprii descriptio orbis Rom. p. 14f.). Die Grenze zwischen beiden ist der Sangarios. Die früher immer zur alten Provinz Pontus et B. gehörende Stadt Amastris gehört fortan zur Provinz Paphlagonia (Hierokl. p. 31. Basilius not. episc. p. 5).
Diese innerhalb der eben umschriebenen, allerdings [527] wechselnden Grenzen liegenden Länder bildeten einen Verwaltungsbezirk und unterstanden einem Statthalter. Der Name dieser Provinz ist immer Pontus et B. geblieben, obwohl auch häufig genug B. allein dafür sich findet (CIG 2590. Bull. hell. XI 212 nr. 1. Museo Italiano III 702). Aber im engeren Sinne war B. das Land vom Rhyndakos bis zum Sangarios, Pontus das Land vom Sangarios ostwärts; das geht aus Strabons Worten hervor (XII 541): καταλυθέντων δὲ τῶν βασιλέων ἐφύλαξαν οἱ Ῥωμαῖοι τοὺς αὐτοὺς ὅρους (nämlich wie sie zu Mithradats und Nikomedes Lebzeiten gewesen) ὥστε τὴν Ἡράκλειαν προσκεῖσθαι τῷ Πόντῳ, τὰ δ’ ἐπέκεινα Βιθυνοῖς προσχωρεῖν vgl. mit XII 543: ἡ δὲ πόλις (nämlich Herakleia) ἐστὶ τῆς Ποντικῆς ἐπαρχίας τῆς συντεταγμένης τῇ Βιθυνίᾳ. Diesen beiden administrativ mit einander verbundenen Ländern nahm man ihre innere Selbständigkeit nicht; dies kommt darin zum Ausdruck, dass man zwei Landtage hier findet, den einen für B. im engeren Sinne, den anderen für Pontus, worüber das Nähere weiter unten sich findet.
An der Spitze der Verwaltung stand ein Propraetor, in der Kaiserzeit ein praetorischer Proconsul, dem ein Quaestor und ein Legat zugeteilt war. Bei der Teilung der Provinzen zwischen Augustus und dem Senat im J. 27 v. Chr. wurde B. Senatsprovinz und blieb es bis tief ins 2. Jhdt. n. Chr. hinein. Allerdings nimmt O. Hirschfeld (S.-Ber. Akad. Berl. 1889, 420) an, dass B. im 1. Jhdt. n. Chr. vorübergehend dem Senat genommen und durch kaiserliche Procuratoren verwaltet sei. Als solche procuratorische Statthalter führt er an: im J. 48 und 49 Iunius Cilo, im J. 57 und 58 C. Iulius Aquila und im J. 78 L. Antonius Naso. Man beachte aber, dass in demselben Jahre (49 n. Chr.), in welchem Iunius Cilo als procurator Ponti (d. h. natürlich Ponti et Bithyniae, vgl. Cass. Dio LX 33) von Tacitus (ann. XII 21) erwähnt wird, auch ein Proconsul von B., Cadius Rufus, von der Provinz repetundarum angeklagt und verurteilt wird (Tac. a. a. O. 22). Cadius Rufus war natürlich vor 49 Proconsul, aber Cilo war auch mehr als zwei Jahre Procurator (Dio a. a. O.). Hirschfelds Annahme, dass Iunius Cilo als procuratorischer Statthalter dem Proconsul Cadius Rufus gefolgt sei, ist um so unwahrscheinlicher, als wir 10 Jahre später dasselbe beobachten, dass nämlich in B. ein Proconsul und ein Procurator zeitlich so nahe zusammenfallen wie Cadius Rufus und Iunius Cilo, nämlich M. Tarquitius Priscus, der bald vor 61 Proconsul B.s war, weil er im J. 61 von der Provinz repetundarum angeklagt und verurteilt wird (Tac. ann. XIV 46), und C. Iulius Aquila, dessen bithynische Procuratur für 58 bezeugt ist (CIL III 346[WS 3] = CIG 3743). Aber zwischen Iunius Cilo und Iulius Aquila fällt noch das Proconsulat des Attius Laco, das auf Münzen mit den Bildern Neros und Agrippinas vorkommt, also zwischen 54/59 n. Chr. fällt (Wroth Coins of Pontus etc. 154 nr. 16). Und ebenso findet sich vor L. Antonius Naso noch das Proconsulat des M. Plancius Varus, welches Pick Wien. numismat. Ztschr. ΧΧΙII 76, gewiss richtig, ins Jahr 70/71 setzt. Von Claudius bis Titus giebt es auf Münzen noch viele Proconsuln B.s, deren Jahr aber nicht feststeht. Das Gesagte wird aber genügen, um darzuthun, dass bei Ηirschfelds [528] Annahme ein unaufhörlicher Wechsel der Verwaltung in dieser Provinz und ein fortwährender Übergang derselben aus den Händen des Senats in diejenigen des Kaisers stattgefunden haben müsste, so dass in der Zeit von Claudius bis Vespasian dem Proconsul ein procuratorischer Statthalter, dem letzteren wieder ein Proconsul folgte. Ein solcher Wechsel widerspricht jeder Verwaltungsmaxime und entbehrt für die römische Kaiserzeit jeder Analogie. Nach meiner Meinung waren Iunius Cilo, C. Iulius Aquila und L. Antonius Naso Finanz- nicht Praesidialprocuratoren; auch in der Senatsprovinz Asia finden sich schon im 1. Jhdt. derartige kaiserliche Procuratoren für die Hebung der Gefälle. Eins scheint mir noch erwähnenswert. Sowohl C. Iulius Aquila (CIG 3743 = CIL III 346) als L. Antonius Naso (CIL III Suppl. 6993) führen im Auftrag ihres Kaisers, der erstere einen Strassenbau, der zweite irgend einen anderen Bau in der Provinz aus. Daraus, dass der Kaiser durch seinen Procurator in B. eine Strasse bauen lässt, folgt nicht, wie Hirschfeld meint, dass die Provinz in kaiserlicher Verwaltung war; in Asia haben wiederholt die Kaiser selbst Strassen gebaut (CIL III Suppl. 7206. 7203. 7192. 7168 u. ö.); ob derjenige, der dieselben in ihrem Auftrag baut, genannt ist oder nicht, scheint mir nicht von grosser Bedeutung zu sein. B. war demnach das 1. Jhdt. hindurch Senatsprovinz. Etwas Besonderes und Abweichendes finden wir zuerst unter Traian, auf dessen Veranlassung, aber auf Beschluss des Senats der jüngere Plinius als ausserordentlicher Commissar nach B. geschickt wurde. Als Zeit dieser Verwaltung B.s durch Plinius hat Mommsen (Herm. III 55) die J. 111/113 n. Chr. ermittelt, und der Grund zu dieser ausserordentlichen Sendung eines Consulars lag in den schlechten Zuständen, sowohl in administrativer als namentlich in finanzieller Hinsicht, die bei den einzelnen Städten der Provinz sich fanden. Hierüber geben die in dieser Zeit und aus diesem Wirkungskreise geschriebenen Briefe des Plinius an Traian genügende Auskunft. Plinius führt als ausserordentlicher Commissar den Titel legatus pr. pr. provinciae Ponti et Bithyniae, dass aber gleichwohl die Provinz Senatsprovinz geblieben und nicht im eigentlichen Sinne dadurch zu einer kaiserlichen ward, lehrt der auf obigen Titel folgende Zusatz: consulari potestate in eam provinciam e[x s. c. ab] imp. Nerva Traiano Aug. Germ. [missus] (CIL V 5262) oder: ex s. c. pro[consulis loco in prov. Ponto] et Bithynia (CIL VI 1552; die Ergänzungen rühren von Mommsen Ephem. epigraph. VII 444 her; Bormann Arch.-epigr. Mitt. XV 37, der zuerst das Fragment CIL VI 1552 auf Plinius bezog, ergänzt: ex s. c. pro[consulari potestate in prov. Ponto] et Bithynia). Wäre die Provinz schon unter Traian aus einer Senatsprovinz zu einer kaiserlichen geworden, bedürfte es des Zusatzes ex s. c. nicht; die Sendung des Plinius nach B. beruht auf einem Compromiss zwischen Kaiser und Senat und ist eine ausserordentliche Commission, ohne dadurch die bisherige Verwaltungsart B.s als Senatsprovinz zu ändern. Unter Traian findet sich nun noch C. Iulius Cornutus Tertullus als legatus pro praetore divi Traiani [Parthici] provinciae Ponti et Bith[yniae] (CIL XIV 2925)[WS 4]; auch er war [529] wie Plinius Consular in dieser Stellung und ebenfalls sicher ein ausserordentlicher Commissar des Kaisers, obwohl wir weder die Zeit noch den Grund seiner Sendung nach B. kennen. Wir werden aber nicht fehl gehen, wenn wir uns den Tertullus mit einer ähnlichen Aufgabe, wie diejenige des Plinius war, betraut nach B. geschickt denken. Später hat nochmals Hadrian den P. Severus als διορθωτὴν καὶ λογιστήν dahin gesandt (CIG 4033 = Arch.-epigr. Mitt. IX 118, vgl. dazu Cass. Dio LXIX 14); dieser Severus hatte also jedenfalls mit der Ordnung der finanziellen Verhältnisse der Städte zu thun und war ein ausserordentlicher Commissar. Bei Plinius ist bemerkt worden, dass die Provinz Senatsprovinz blieb und als solche finden wir sie noch in antoninischer Zeit von Proconsuln verwaltet. Die gewöhnliche Annahme, dass Hadrian etwa um J. 135 Pontus et Bithynia gegen Lykia-Pamphylia vertauscht, ersteres also seit dieser Zeit eine kaiserliche Provinz war, stützt sich auf Cass. Dio LXIX 14: τῇ δὲ δὴ βουλῇ καὶ τῷ κλήρῳ ἡ Παμφυλία ἀντὶ τῆς Βιθυνίας ἐδόθη; aber erstens ist diese Nachricht dem Xiphilin, den wir hier haben, fremd und stammt aus des Konstantinos Porphyrogennetos Excerpten (bei Valesius p. 714), und zweitens ist sie unvereinbar mit den uns erhaltenen inschriftlichen Monumenten, ist also wohl an falscher Stelle eingefügt und gehört, wie ich glaube, nicht in die Erzählung von Hadrians, sondern von Marc Aurels Regierungszeit. In den letzten Jahren Hadrians bis zum Ende der Regierung des Pius finden wir noch folgende Proconsuln in B.: 1) Q. Voconius Saxa Fidus (Bull. hell. XIV 643). Derselbe war von 142–149 kaiserlicher Legat von Lykia und Pamphylia (Reisen im südwestlichen Kleinasien II 124. 131), vorher aber Proconsul von B. Sein Proconsulat fällt also in die letzten Jahre des Hadrian oder in die ersten des Pius. 2) L. Coelius Festus (CIL XI 1183 = Dessau 1079). Derselbe war erst leg. imp. Antonini Aug. Asturiae et Callaeciae, worunter ich mit Dessau den Antoninus Pius verstehe, dann praefectus aerari Saturni und dann Proconsul von B. Seine Zeit ist durch die Erwähnung des Antoninus Pius gegeben. 3) Ein Ungenannter (Papers of the Am. School III nr. 532). Er war erst leg. Aug. pr. pr. von Galatia Pisidia Paphlagonia, dann Proconsul von B. Ein Terminus post quem liegt darin, dass Lykaonia, das hier bei Galatia fehlt, wozu es früher gehörte (Athen. Mitt. VI 147. CIL III Suppl. 6818), unter Pius mit Kilikia eine Provinz Bildet (Papers of the Am. School III nr. 189. 190). 4) Ein Ungenannter (CIL III 254). Derselbe war erst proconsul Ponti et Bithuniae, dann leg. Augustorum pr. pr. provinc. Galat(iae) item provinc. Ciliciae. Die beiden Augusti sind meines Erachtens Marc Aurel und Verus, nicht wie man gewöhnlich annimmt, Septimius Severus und Caracalla, weil unter diesen beiden Kaisern keine Proconsuln von B. sich mehr finden.
Allem Anscheine nach muss in den ersten Jahren des Marcus die Provinz Pontus et Bithynia aus den Händen des Senats in kaiserliche Verwaltung übergegangen sein. Denn wir finden im J. 165 n. Cor. zuerst einen kaiserlichen Statthalter, einen leg. Aug. pr. pr. in der Person des Lollianus Avitus [530] (CIG 4152 d, verbessert bei G. Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berl. 1888, 875. Lukian Pseudom. 58. Digest. L 2, 3, 2). Zu dem auf dieser Inschrift vorkommenden Jahr θκσ = 229 von Amastris, welches nach pompeianischer Aera (= 64 v. Chr.) berechnet das J. 165 n. Chr. ergiebt, vgl. auch Imhoof-Blumer Griech. Münzen 586. Seit dieser Zeit sind die Statthalter B.s, soweit wir es beobachten können, legati Augusti pr. pr., so unter Commodus Didius Iulianus (CIL IV 1401), so unter Severus oder Caracalla L. Fabius Cilo (CIL VI 1408. 1409); Septimius Antipater (Philostr. v. soph. 265); Claudius Demetrius (CIG 3771); L. Egnatius Victor Lollianus (Arch.-epigr. Mitt. VII 171) und unter den folgenden Kaisern andere. Zu bemerken ist noch, dass diese legati Augusti pr. pr. Consulare sind, während die früheren Proconsuln aus der Reihe der Praetorier genommen zu werden pflegten, s. Brandis Herm. XXXI 161. Nach der Teilung der Provinz Pontus et B. in B. und Honorias steht erstere unter einem Consularis, letztere unter einem Praeses (Notitia dign. or. VI 7).
Bei der Constituierung der Provinz Pontus-B. durch Pompeius gab es an der Küste Städte, das ganze Binnenland aber hatte deren nur wenige und zeigte überhaupt geringe Spuren griechischer Kultur. Für den Pontus ist es ausdrücklich bezeugt, dass Pompeius hier elf Stadtgebiete (πολιτεῖαι Strab. XII cap. 3; vgl. Appian. Mithr. 117) schuf, indem er nicht blos bereits bestehende Städte, wie die königlichen Residenzen Amisos, Sinope und Amaseia zu griechisch geordneten Gemeinwesen umschuf, sondern auch aus den grösseren Dörfern überhaupt erst Städte machte. Unter diese 11 Städte verteilte er das Gebiet; die neu geschaffenen Stadtgebiete sind: Nikopolis, in Klein Armenien, an der Stelle, wo Pompeius im J. 66 v. Chr. den Sieg erfocht, Eupatoria (Magnopolis), Kabeira (Diospolis), Zela, Megalopolis (später Sebasteia), Phazemon (Neapolis) und Pompeiopolis. Zu diesen sieben kam ausser den schon genannten Amaseia, Amisos und Sinope noch Amastris hinzu. So schlecht wir auch über diese ganzen Gegenden unterrichtet sind, so darf doch nicht unbeachtet bleiben, dass später auf diesem Wege, den Pompeius einschlug, um griechische Kultur auszubreiten, fortgefahren wurde. Um von Herakleia Pontica, das einst ein blühender griechischer Freistaat, im mithradatischen Kriege zerstört wurde, das aber schon in Antonius Zeit soweit wieder hergestellt war, dass es neben der griechischen Stadt eine römische Colonie aufnahm, zu schweigen, so dürfen hier Sebastopolis am Skylax und Komana Pontica genannt werden, von denen das erstere wohl überhaupt erst nach Pompeius, unter dessen 11 πολιτεῖαι es fehlt, gegründet und als Stadt constituiert, das letztere, zu Pompeius Zeit und noch später ein Priesterstaat, im Laufe der Zeit zu einem griechisch geordneten Gemeinwesen wurde (s. die Inschrift in Revue des études grecq. VIII 86 nr. 31 mit ὁ Κομανέων δῆμος). Das eigentliche B. war nach Plinius (n. h. V 143) in 12 civitates eingeteilt, eine Einteilung, die sicher wie diejenige des Pontus ursprünglich auf Pompeius zurückgeht. Ausdrücklich nennt Plinius von diesen 12 Stadtgemeinden nur zwei nämlich Iuliopolis (früher Gordiukome) und Daskylion, [531] die übrigen zehn sind aber wohl folgende: 1. Germanicopolis, wohl dasselbe wie das auf Münzen der Kaiserzeit vorkommende Kaisareia Germanike, 2. Apameia, 3. Prusias ad mare (Kios), 4. Prusa, 5. Nikaia, 6. Prusias ad Hypium, 7. Nikomedeia, 8. Chalkedon, 9. Bithynion = Claudiopolis und 10. die Agrippenses, wofür meines Wissens der Stadtname nicht erhalten ist. Allerdings kann es keinem Zweifel unterliegen, dass Iuliopolis, Germanicopolis, Claudiopolis und der Ort, dessen Ethnicon Agrippenses ist, ihre Namen der nachpompeianischen Zeit verdanken, und wohl auch ihre Stadtrechte; in diesem Falle hat Pompeius B. eben in weniger als zwölf Stadtgebiete geteilt, gerade wie das bei Plinius fehlende Kreteia-Flaviopolis ersichtlich einem der Flavier seine Erhebung zur Stadt verdankt. Mag auch dieser Einteilung des pontischen und bithynischen Landes in Stadtgemeinden der Gedanke zu Grunde liegen, hierdurch die Hellenisierung zu fördern und leichter in bisher derselben verschlossene Gebiete zu leiten, so darf doch nicht ausser acht gelassen werden, dass diese Einrichtungen auch administrativ von Bedeutung waren. Der Steuererhebung sowohl als der statthalterlichen Jurisdiction kamen sie zu gute, obwohl nicht jedes Stadtgebiet zugleich Gerichtsbezirk war. Denn Prusa am Olymp, schon in vorrömischer Zeit eine πόλις (Strab. XII 564. Plin. n. h. XXXII 43), hat sicher von Anfang an zu den von Plinius erwähnten civitates gehört, und doch wurde es erst unter Traian zu einem Gerichtsbezirk (conventus, διοίκησις), wofür ich neben Plinius des Jüngeren Brief an Traian (81) vor allem auf Dio Chrysostomos, der daher stammte, verweise, der wiederholt dieses den Prusanern jüngst verliehene Privileg erwähnt (or. 44 p. 117; or. 48 p. 142 D.). Wie viele Conventus es in Bithynien gab, ist unbekannt; ausser Prusa finde ich ausdrücklich als solchen noch Nikaia erwähnt (Dio Chrys. II 76 D. Plin. ep. ad Traian. 81).
Unter diesen Stadtgemeinden gab es nur wenige, die mit dem Privileg der Freiheit ausgestattet waren. Prusias ad mare (früher Kios) hatte nach Strabon (XII 564) wegen seines Wohlverhaltens gegen die Römer die ἐλευθερία bekommen; wie lange sie dieselbe behielt, ist nicht bekannt; später findet sich keine Erwähnung davon. Chalkedon wird von Plinius (n. h. V 149) urbs libera genannt ebenso wie Amisos (n. h. VI 6), dem Caesar die Freiheit verliehen hatte (Cass. Dio XLII, 48). Auf den Münzen findet sich Ἀμίσου ἐλευθέρας (Imhoof-Blumer Griech. Münzen nr. 32f.), während Plinius der Jüngere (ep. ad Traian. 92) diese Stadt civitas libera et foederata nennt, und auf einer Inschrift (Bull. hell. XVIII 216) es heisst: Ἀμίσου ἐλευθέρας καὶ αὐτονόμου καὶ ὁμοσπόνδου Ῥωμαίοις. Damit ist wohl gesagt, dass Amisos nicht blos in ihren inneren Angelegenheiten autonom (vgl. des Plinius Brief an Traian und des letzteren Antwort 92. 93), sondern auch steuerfrei war. Byzantium dagegen, das, obwohl auf der europäischen Seite des Bosporos gelegen, doch zur Provinz B. gehört (Plin. ep. ad Traian. 43. 44. 77. 78), wird urbs libera genannt (Plin. n. h. IV 46, womit Dio Chrysost. p. 621 R. übereinstimmt), ist aber tributpflichtig (Tac. ann. XII 62), Septimius Severus nimmt Byzanz dieses Privileg der Freiheit (Herod. III 6, 9. Cass. Dio LXXIV 14). Von [532] den römischen Colonien stehen an erster Stelle die beiden, welche iuris Italici waren (Digest. L 15, 1) und also Steuerfreiheit genossen. Es sind Apameia, colonia Iulia Concordia Apamea (Strab. XII 564. CIL III 335; Suppl. 6992) und Sinope, colonia Iulia Felix Sinope (Plin. n. h. VI 6. Plin. ep. ad Traian. 90. 91; wegen der Münzen s. Head HN 435). Beide, Apamea und Sinope, verdankten dem Dictator Caesar das Recht der Colonie. Ausserdem werden als Colonien noch erwähnt Herakleia und Nikomedeia. Herakleia war nach Strab. XII 542 römische Colonie; aber unmittelbar vor der aktischen Schlacht überfiel und tötete Adiatorix, den Antonius mit dem Teil Herakleias, der nicht römische Colonie war, belehnt hatte, die Römer. Es scheint, dass später keine neue Colonie dahin geschickt worden ist. Nikomedeia wird erst auf einer Inschrift aus dem J. 294 n. Chr. colonia Nicomedensium genannt (CL III 326); es scheint, dass sie dies Privileg erst sehr spät erhalten und wohl nicht lange behalten hat; vorher wie nachher findet man keine Spur weiter davon.
Über die der Provinz auferlegten Steuern erfahren wir nichts Näheres; einzelne uns überlieferte hierauf bezügliche Notizen sind zu dürftig, um ein anschauliches Bild daraus zu gewinnen. Aus Ciceros am 1. Januar 63 v. Chr. gehaltener Rede de lege agraria II 50 und 51 wissen wir, dass im eigentlichen B. sowohl als auch in Paphlagonia und im Pontos die ursprünglich königlichen Besitzungen zum Ager publicus gemacht und dass die aus ihnen fliessenden vectigalia an publicani verpachtet wurden – das letztere bezeugt Cicero zwar nur für B.; dass es aber in Paphlagonia und im Pontos nach der Einrichtung dieser Landschaften zur Provinz, die im Augenblick, als Cicero seine Rede hielt, noch nicht vollendet war, ebenso gehalten worden ist, unterliegt keinem Zweifel. Und ebenso erwähnt Cic. ad fam. XIII 9 eine societas Bithynica, an deren Spitze ein magister steht; das kann sehr gut die Gesellschaft jener publicani sein, die, wie wir gesehen haben, die Gefälle des ager publicus gepachtet hatten. Gewöhnlich bezieht man auch die socii scripturae, deren promagister Cic. ad fam. XIII 65 erwähnt, auf B. und nimmt dementsprechend für diese Provinz Abgaben von den pascua an; aber Ciceros Brief ad fam. XIII 65) bezieht sich nicht auf B., sondern auf Asia, wie das aus dem Briefe selbst, wo von Ephesos, namentlich aber aus dem vorhergehenden Brief, wo von Nysa und Alabanda die Rede ist, und aus ad Att. XI 10 hervorgeht. So erfahren wir ausdrücklich nur von vectigalia, die aus dem ager publicus nach Rom flossen, und durch Strabon (XII 562) von Revenuen aus den bei Pompeiopolis gelegenen Bergwerken, die ebenfalls an Pächter, publicani, δημοσιῶναι, verpachtet waren. Dass aber ausserdem noch andere Steuern der Provinz auferlegt wurden, kann an sich keinem Zweifel unterliegen und wird bestätigt durch das, was wir aus der Kaiserzeit über die bithynischen Steuerverhältnisse erfahren. Dass die auch in B. erhobene Erbschaftssteuer (proc. Augustor. ad vectig. XX her. per Pontum et Bithyniam et Pontum mediterraneum et Paphlagoniam CIL X 7583. 7584) erst der Kaiserzeit angehört, ist bekannt; dagegen steht nichts der Annahme entgegen, dass der in Geld zu zahlende [533] Tribut, die Zölle und die Freilassungssteuer schon in republicanischer Zeit erhoben sind, wenngleich statt des Geldtributs anfänglich wie in Asia der Zehnte vom Provincialboden eingezogen sein mag. Schon unter Augustus zahlte die Provinz einen Tribut in Geld (s. Cass. Dio LVII 7: καὶ χρήματα τοῖς μὲν [den asiatischen und bithynischen Städten] ἐπέδωκε, τοῖς δὲ ὑπὲρ τὸν φόρον ἐσενεγκεῖν προσέταξεν), der auf die einzelnen Städte repartiert von den kaiserlichen Procuratoren gehoben und abgeführt wurde. Diese Finanzprocuratoren finden wir schon im 1. Jhdt. in B., wie das oben gezeigt ist; unter ihnen stehen Unterprocuratoren, die Freigelassene sind, wofür ich auf Plinius Briefe an Traian (27. 28. 84. 85 u. ö.) verweise. Neben diesen allgemein procuratores Aug. prov. Ponti et Bithyniae, griechisch ἐπίτροποι Σεβαστοῦ Πόντου καὶ Βειθυνίας (Paton et Hicks Inscriptions of Cos nr. 112) genannten Beamten finden sich dann noch Specialprocuratoren und zwar ein procurator XXXX, also für Hebung der Zölle (Henzen 5530 = Wilmans 1293) und ein procurator XX libertatis also zur Hebung der Freilassungssteuer (CIL III Suppl. 6753). Wenn sich nun noch ein procurator prov. Bithyniae Ponti Paphlagon. tam patrimoni quam rat(ionum) privatar(um) (Henzen 5530 = Wilmans 1293) findet, der die Verwaltung des Krongutes und des kaiserlichen Privatgutes besorgte, so ist wohl die Vermutung gestattet, dass die ursprünglich königlichen Besitzungen des Nikomedes und des Mithradat, die bei der Einrichtung der Provinz, wie wir oben sahen, die Republik zum ager publicus gemacht hatte, unter dem Principat Krongut – patrimonium – wurden. Wie in anderen Provinzen finden sich in B. in der Kaiserzeit auch δεκάπρωτοι, die in den einzelnen Städten die Eintreibung und richtige Ablieferung des auf ihre Stadt entfallenden Teils des Tributums zu besorgen hatten, so z. Β. in Claudiopolis (Athen. Mitt. XII 180 nr. 10), so in Prusias ad Hypium (Le Bas 1176. 1178. Athen. Mitt. XII 177 nr. 7. 8 u. ö.).
Die ursprüngliche Entstehung der Provinz aus zwei verschiedenen Ländern findet auch darin ihren Ausdruck, dass es nicht einen Landtag für die ganze Provinz, sondern deren zwei gab, und zwar das κοινὸν τῶν ἐν Βειθυνίᾳ Ἑλλήνων für das eigentliche B., und der pontische Landtag (der volle griechische Ausdruck ist nicht überliefert, hat aber wohl κοινὸν τῶν ἐν Πόντῳ Ἑλλήνων gelautet, wofür kurz κοινὸν Πόντου sich findet auf Münzen von Neokaisareia, s. Imhoof-Blumer Griech. Münzen 579f., gerade wie statt des volleren κοινὸν τῶν ἐν Βειθυνίᾳ Ἑλλήνων kurzweg κοινὸν Βειθυνίας sich findet CIG 1720. 3428). An der Spitze des pontischen Landtags steht ein ἀρχιερεὺς τοῦ Πόντου, der sich auf Schriften aus Amastris (CIG 4149 = G. Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berl. 1888, 877 nr. 28), aus einem Ort östlich von Amastris, dessen antiker Name nicht erhalten ist (Hirschfeld a. a. O. nr. 61), aus Komana Pontica (Revue des études grecq. VIII 86 nr. 31) und aus Sebastopolis findet (Foucart Comptes rendus de l’Académie des Inscript. et belles lettres 1892, 33). Foucart giebt leider nicht den griechischen Text, sondern eine Übersetzung, die so lautet: M. Aurelius Rufus [534] … grand-prêtre de la province du Pont à Neocésarée métropole de la province. Darnach hat also dieser Rufus, der aus Sebastopolis am Skylax offenbar stammte, in Neokaisareia seine Functionen als Provincialoberpriester ausgeübt. Diese Inschrift ist umso wichtiger, als sie die frühere Annahme, dass das κοινὸν Πόντου seinen Sitz in Amastris hatte, wofür kein Zeugnis beigebracht werden kann, zerstört und dafür als Sitz dieses Landtags Neokaisareia (das alte Kabeira), wo auch nach den Münzen die von diesem κοινόν gegebenen Spiele stattfanden (s. Imhoof-Blumer Griech. Münz. 579f.), uns nachweist und zugleich damit das alte mithradatische Reich in seiner ganzen Ausdehnung als am pontischen Landtage teilnehmend uns vermuten lässt. Mit dieser Vermutung stimmt vollkommen, dass Pontarchen in Sebastopolis (Röhl Programm v. Joachimsthalsch. Gymn. 1876 p. 18 nr. 5. CIG 4183), in Amisos (Arch.-epigr. Mitt. XVIII 230), in Sinope (CIG 4157), in Amastris (Perrot Mémoires d’archéol. 167. G. Hirschfeld a. a. O. nr. 61) und einmal in Prusias ad Hypium (Le Bas 1178) sich finden. Über diese in Prusias gefundene Inschrift vgl. weiter den Art. Bithyniarches. Zwar gehören alle die erwähnten Inschriften dem 2. bezw. 3. Jhdt. n. Chr. an, sie beweisen aber doch, dass der pontische Landtag über den Halys hinaus tief in das Gebiet des eigentlichen Pontos hineingriff – ein Gebiet, das nur in der Zeit von Pompeius bis Antonius mit dem an B. grenzenden westlich des Halys gelegenen Küstenstrich einen Verwaltungsbezirk bildete, so dass hierfür auch ein Landtag gebildet werden konnte. Ich glaube, dass nur Pompeius als Schöpfer des pontischen Landtags in dem Umfang, wie er thatsächlich noch viele Jahrhunderte später existierte, gedacht werden kann. Dass schon zu Antonius Zeit das κοινὸν Ἀσίας existierte und dasselbe nicht erst von Augustus geschaffen ist, wissen wir jetzt (Class. Rev. 1893, 477). Und hätte Augustus oder einer seiner Nachfolger das κοινὸν Πόντου ins Leben gerufen, so bliebe doch rätselhaft, wie Amastris, Sinope, Neokaisareia und Sebastopolis als Teilnehmer daran erscheinen können – Städte, die damals zu verschiedenen römischen Provinzen gehörten, aber nur unmittelbar nach Pompeius administrativ zusammengehörten. Für das eigentliche B. bestand das κοινὸν τῶν ἐν Βειθυνίᾳ Ἑλλήνων, das eine vom pontischen κοινόν abweichende Organisation insofern zeigt, als es einen ἀρχιερεὺς Βειθυνίας nicht gegeben zu haben scheint, wenigstens ist bis jetzt keine Inschrift mit einem bithynischen Provincialoberpriester gefunden, dagegen aber mehrfach die Würde des Landtagspraesidenten mit ἄρξαντα τοῦ κοινοῦ τῶν ἐν Βειθυνίᾳ Ἑλλήνων wiedergegeben (Perrot Exploration de la Bithynie p. 32 nr. 22. Athen. Mitt. XII 175 nr. 7. 177 nr. 8). Dagegen dürfen wir nicht mit G. Hirschfeld a. a. O. zu nr. 14 annehmen, dass von den auf der a. a. O. publicierten Inschrift sich findenden δὶς ἄρξαντα καὶ πρῶτον ἄρχοντα das δὶς ἄρξαντα sich auf die Bekleidung des Landtagspraesidiums bezöge, also soviel wäre wie das oben angeführte ἄρξαντα τοῦ κοινοῦ τῶν ἐν Βειθυνίᾳ Ἑλλήνων. In Β. ist es das gewöhnliche, dass an der Spitze der Communen mehrere Archonten stehen, von [535] denen der dem Range nach am höchsten stehende, also der Vorsitzende des Archontencollegiums, πρῶτος ἄρχων heisst. Darnach ist also ein Mann, der als δὶς ἄρξαντα καὶ πρῶτον ἄρχοντα charakterisiert wird, zweimal einfacher Archont gewesen und war, als die Inschrift gesetzt wurde, πρῶτος ἄρχων d. h. Vorsitzender dieses Collegiums. Auf einer anderen Inschrift aus Prusias (Le Bas 1176) heisst es τὸν δὶς ἄρχοντα καὶ πρῶτον ἄρχοντα, d. h. also, der Mann war zum zweitenmal Archont und zum erstenmal πρῶτος ἄρχων. Steht dies ἄρχοντα oder ἄρξαντα nicht in unmittelbarer Nähe des πρῶτον ἄρχοντα, woraus seine Bedeutung klar wird, so pflegt wohl ἄρξαντα τὴν μεγίστην ἀρχήν gesetzt zu werden (Nikaia CIG 3749; Prusias ad Hypium Le Bas 1177. 1178. Perrot Explor. 21). Unter den städtischen Ämtern ist das Archontat die μεγίστη ἀρχή. Und dass diese μεγίστη ἀρχή nicht etwa auf die Landtagsvorstandschaft bezogen und mit dem ἄρξαντα τοῦ κοινοῦ τῶν ἐν Βειθυνίᾳ Ἑλλήνων identificiert wird, heisst es auf einer entfernt von Amastris gefundenen Inschrift: ἄρξας τὴν μεγίστην ἀρχὴν τῆς λαμπροτάτης Ἀμαστριανῶν πόλεως (Hirschfeld a. a. O. nr. 61). Eines solchen Zusatzes wie hier τῆς λαμπρ. Ἀμαστριανῶν πόλεως bedarf es natürlich nicht, wenn von derselben Stadt, wo der Mann die μεγίστη ἀρχή bekleidete, die Inschrift ausgeht. Der bithynische Landtag versammelte sich in Nikomedeia, wo auch der Provincialtempel für den Kaiserkult war (Cass. Dio LI 20. CIG 1720. 3428). Verbunden mit den jährlichen Versammlungen des κοινόν waren Spiele, sowohl musische als gymnische (CIG 1720. 3428). Wie in der Provinz Asia der ἀρχιερεὺς Ἀσίας zugleich Landtagspraesident war, so wird wohl in B. der ἄρξαντα τοῦ κοινοῦ τῶν ἐν Βειθυνίᾳ Ἑλλήνων zugleich Provincialoberpriester gewesen und die Vorstandschaft des Provincialtempels und die Ausführung der jedem Provincialoberpriester obliegenden religiösen und kultlichen Handlungen gehabt haben. Jedenfalls ist, wie gesagt, bis jetzt kein ἀρχιερεὺς Βειθυνίας gefunden. Die einzelnen Städte der Provinz schickten zum Landtag ihre Vertreter oder Delegierte, die hier βιθυνίαρχαι heissen. Über die Bithyniarchen s. den Artikel: Bithyniarches. Es ist ja bekannt, dass nicht unerhebliche Competenzen dem Landtage zustanden, dass er über den Statthalter hinweg an den Kaiser und an den Senat Gesandte schicken, Beschwerde führen und im Interesse der Provinz mancherlei Beschlüsse fassen konnte; wir kennen vier Fälle, wo der bithynische Landtag von seinem Beschwerderecht Gebrauch machte, indem er gegen die Statthalter Cadius Rufus (Tac. ann. XII 22), Tarquitius Priscus (ebd. XIV 46), Iulius Bassus (Plin. epist. IV 9) und Varenus Rufus (Plin. ep. VI 13) Anklage beim Senat erhob. Im letzten Falle brachte eine neue Gesandtschaft ein neues decretum concilii, wonach von der Anklage des Varenus Rufus Abstand genommen werden sollte, wogegen die zuerst geschickte Gesandtschaft, welche die Anklage erhoben hatte, Protest einlegte, nachdem sie schon vorher gegen die Massnahmen des Senats bei den Consuln und dann selbst beim Kaiser Protest erhoben hatte. Aber leider erfahren wir nichts über den schliesslichen Ausgang dieser Sache. Übrigens ist für uns dieser Fall des Varenus Rufus doch sehr lehrreich, denn offenbar [536] dürfen wir aus ihm auf Parteien im Schosse des Landtages schliessen, von denen die eine den Proconsul verurteilt, die andere dagegen freigesprochen wissen wollte, und von denen jede, je nachdem sie Oberwasser hatte, einen ihr günstigen Beschluss der Versammlung zu veranlassen wusste. Ob Dio Chrysostomos diesen spiellen Fall im Auge hatte oder nicht, ist hier gleichgültig, aber jedenfalls hat er recht, wenn er behauptet, dass der ewige Zwist und Hader zwischen zwei solchen Städten wie Nikomedeia und Nikaia auch ungerechten und schlechten Statthaltern Gelegenheit giebt, sich der verdienten Strafe zu entziehen: ἢ γὰρ τῇ Νικαέων ἑταιρείᾳ προστίθεται καὶ τὸ μέρος ἐκείνων ἔχει βοηθοῦν ἢ τοὺς Νικομηδεῖς ἑλόμενος ὑφ’ ὑμῶν σώζεται .... ἀδικῶν δὲ σώζεται διὰ τοὺς μόνους οἰομένονς ὑπ’ αὐτοῦ φιλεῖσθαι (or. 38, 147 R.). Von diesem Zwist und Hader der einzelnen Städte, worüber Dio so oft spricht, bleibt auch die Provincialversammlung nicht verschont; denn hier suchen sie sich Verbündete und setzen, je nachdem ihnen dies gelingt oder nicht, ihre Wünsche durch und ihren Hader fort. Und doch wäre ungerechten Statthaltern gegenüber Eintracht und Einigkeit, aber keine Parteiungen am Landtag notwendig gewesen.
Aber wie in anderen Provinzen der Kaiserkult nicht blos Sache der Provinz war, sondern auch die einzelnen Städte derselben ihn bei sich einführten, so finden wir auch in Pontos-B. neben dem provincialen Kaiserkult, der dort in Neokaisareia, hier in Nikomedeia seinen Provincialtempel hatte, vielfach einen städtischen. So gab es in Sebastopolis einen Oberpriester des Hadrian (Comptes-rendus de l’Académie des inscript. 1892, 33); in Sinope einen sacerdos imp. Caesaris n(ostri) CIL III 6980; in Amastris einen Divi Augusti perpetuus sacerdos CIL III Suppl. 6983; in Herakleia eine ἀρχιέρεια θεοῦ Ἀντωνείνου (sicher des Caracalla; Hommaire de Hell Voyage en Turquie IV 339); in Prusias ad Hypium und in Nikomedeia einen ἱερεὺς τῶν Σεβαστῶν (Hirschfeld a. a. O. nr. 14. Bull. hell. XVII 536 nr. 7); in Prusias ad mare einen Priester des Hadrian (CIG 3725). Und schliesslich gehört hierher auch das Beispiel des Claudius Polyaenus in Prusa, der dem Kaiser Claudius sein Haus vermacht iussitque in peristylio templum ei fieri (Plin. ep. ad Traianum 78).
Über die communalen Verhältnisse sind wir in B. besser unterrichtet als es sonst wohl der Fall zu sein pflegt in irgend einer anderen Provinz. Dio Chrysostomos aus Prusa am Olymp hat in 14 sei es in seiner Vaterstadt sei es in anderen bithynischen Städten gehaltenen Reden ein reiches Material zur Erkenntnis der städtischen Einrichtungen uns hinterlassen, und Plinius der Jüngere, der als ausserordentlicher Statthalter von Traian in diese Provinz geschickt war, hat in seinen Briefen an den Kaiser über die Verhältnisse der Provinz sowohl als namentlich der Städte derselben sorgfältig berichtet, und mit seinen Berichten und Anfragen sind uns gleichzeitig die Antworten und Entscheidungen des Kaisers erhalten. Die städtischen Einrichtungen beruhten auf der lex provinciae, die Pompeius gegeben hatte. Im allgemeinen liess man den Städten Freiheit in ihrer inneren Verwaltung und änderte [537] nicht den Namen ihrer althergebrachten legislativen und executiven Organe, so dass also nach wie vor die βουλαί ἐκκλησίαι ἄρχοντες und andere Magistrate fortbestanden; aber man führte doch Beschränkungen ein, die den Verfassungen einen wesentlich timokratischen Charakter gaben und den Städten das Aufsichtsrecht des Statthalters recht fühlbar machten. Die βουλή bestand fort, aber die Buleuten durften nicht wie anderswo vom Volke gewählt, sondern mussten durch Censoren, τιμηταί, berufen werden, und zwar hatten die abgetretenen Magistrate in erster Linie und erst, wenn mehr Stellen im Rat zur Besetzung standen als es gewesene Magistrate gab, auch andere Leute Anspruch auf Berücksichtigung. Natürlich hatten die Censoren auch das Recht Buleuten aus dem Senat zu removieren. Für die Bekleidung der Magistratur und auch für die Berufung in den Senat hatte die Lex provinciae als Mindestalter das 30. Jahr vorgeschrieben – ein Alter, das dann durch eine Verfügung des Augustus auf das 22. Jahr herabgesetzt war. Leute, die ohne vorherige Bekleidung eines Gemeindeamtes in den Senat kamen, sollten nach einer Entscheidung des Traian auch fernerhin das 30. Jahr erreicht haben (s. Plin. ep. ad Traian. 79. 80. 114). Censoren, τιμηταί, sind inschriftlich aus Prusias ad Hypium (Le Bas 1176. Hirschfeld a. a. O. nr. 14. Athen. Mitt. XII 177 nr. 8) und aus Prusa (Le Bas 1111) überliefert, aber sicher in allen Städten der Provinz in Thätigkeit gewesen. Hiermit steht keineswegs in Widerspruch die in der 45. Rede des Dio (p. 207 R.) erwähnte Wahl von Senatoren, die in Prusa vorgenommen wurde; denn hier handelte es sich um 100 Senatoren, die supra legitimum numerum durch Traians Gnade in den Senat aufgenommen wurden. Wenn Traian den Prusanern erlaubte, dass sie 100 Senatoren mehr als bisher haben durften, so wird er ihnen auch die Wahl derselben gestattet haben, ohne damit für die regelmässige Besetzung der vacanten Stellen im Senat einen anderen Modus als den der Berufung durch Censoren zugestanden zu haben. In der Kaiserzeit wurde es in B. wie in anderen Provinzen üblich, dass neu ernannte Buleuten wie neu gewählte Magistrate eine Geldspende gaben, eine Sitte, die noch in Traians Zeit jedenfalls bei den durch die Censoren berufenen Senatoren durchaus nicht überall feststehend und überall gleichmässig im Gebrauch war (Dio Chrys. or. 48. Plin. ep. ad Traian. 113. 114). Über die Volksversammlungen, ἐκκλησίαι, berichtet Plinius nichts; aber aus Dio (or. 48, vgl. or. 45 p. 211 R.) geht hervor, dass der Statthalter zur Abhaltung der ἐκκλησία seine Erlaubnis zu geben hatte. Auch in Bezug auf die Aufnahme neuer Bürger in den Gemeindeverband enthielt die lex Pompeia die Bestimmung: permissum Bithynicis civitatibus adscribere sibi quos vellent cives dum ne quem earum civitatum quae sunt in Bithynia. Die Bestimmung kam später ausser Gebrauch; Dio von Prusa z. B. war Bürger von Nikomedeia (or. 38) und von Apameia (or. 41), in anderen Städten waren Mitglieder des Senats so viele Bürger anderer Städte, dass an ihre Ausstossung nicht gedacht werden konnte, ohne das ganze Gemeindewesen zu erschüttern, und Traian auf Plinius Bericht sich begnügen musste, für künftig nur bei [538] Aufnahme neuer Bürger die Beachtung der pompeianischen Bestimmung einzuschärfen (Plin. ep. ad Traian. 114. 115). Die Beamten, welche mit der Führung der Bürgerlisten beauftragt waren, hiessen πολειτογράφοι; inschriftlich finden wir sie m Prusias ad Hypium (Athen. Mitt. XII 175 nr. 7. Perrot Exploration de Bithynie et Galatie 32 nr. 22. Le Bas 1178).
Dass von Anfang an dem Statthalter in den nicht privilegierten Städten auch das Recht ihre Finanzen zu überwachen zustand, ist nicht zu bezweifeln; aber erst seit Traian finden wir öfter Beweise, dass dies Recht auch wirklich ausgeübt wurde. Denn gerade im städtischen Finanzwesen hatten sich durch eine zu geringe Controlle der senatorischen Statthalter im Lauf der Zeit Missstände entwickelt, denen Plinius als ausserordentlicher legatus Augusti pr. pr. abhelfen sollte. Rationes autem in primis tibi rerum publicarum excutiendae sunt: nam et esse eas vexatas satis constat schreibt Traian an ihn (Plin. ep. 18). Unter Hadrian wirkte P. Severus in Bithynien als λογιστὴς καὶ διορθωτής (CIG 4033 = Arch. epigr. Mitt. IX 118. Cass. Dio LXIX 14); offenbar war Severus Logist der ganzen Provinz, später gegen Ende des 2. Jhdts. und im 3. finden wir Logisten der einzelnen Städte, so von Nikomedeia den Claudius Candidus (CIL II 4114) und den Caesernius Statianus (CIG 3771), so von Nikaia den Sallius Antoninus (CIG 3747), so von Kios (Prusias ad mare) T. Ulpius Aelianus Antoninus (Le Bas III 1178). Unser Material ist zu lückenhaft, aber es scheint doch, dass seit Hadrian es immer mehr in Gebrauch kam, für die einzelnen Städte Logisten zu ernennen, um so eingetretene Übelstände zu beseitigen; ob dieselben aber nur je nach Bedarf und je nach den Umständen oder aber dauernd in den Städten ernannt wurden, kann nicht entschieden werden. Dass daneben die städtischen Finanzbeamten fortbestanden, ist selbstverständlich; die Logisten hatten nur die Oberaufsicht über das Finanzwesen derjenigen Stadt, in die sie geschickt wurden; so finden wir in Nikomedeia und Nikaia vornehme Römer, in Kios einen Mann aus Prusias ad Hypium als Logisten thätig.
Von der äusseren Geschichte und den äusseren Schicksalen der Provinz ist nicht viel zu sagen; bis auf die Nordseite, wo der Pontos Euxeinos sie begrenzte, den aber auch die Römer beherrschten, rings von römischem Gebiet umgeben, blieb B. unberührt von den Kriegen, die im Osten gegen die Reichsfeinde geführt wurden und genoss eines langen Friedens. Dass dagegen im Innern der Städte oft Unfriede herrschte, dass hier Parteien sich bitter befehdeten, dass auch ganze Städte mit einander, oft aus recht nichtigen Gründen, wie um das Recht, sich πρώτη zu nennen, in langer erbitterter Fehde lagen, erfahren wir aus Dios bithynischen Reden – aber die Zeit, wo derartiger Streit und Hader mit Waffengewalt entschieden wurde und deshalb die Städte mit einander Krieg führten, war vorüber. Mochten auch Nikomedeia und Nikaia oder Prusa am Olymp und Apameia sich noch so feindlich gegenüberstehen, auf den Gang der grossen Ereignisse hatte das keinen Einfluss. Nach der Incorporierung der Reiche des Mithradates und Nikomedes schien einen Augenblick die Erhebung des Pharnakes [539] nach der Besiegung des Domitius bei Nikopolis Ende 48 v. Chr. der römischen Herrschaft gefährlich zu werden; er verwüstete den Pontos und war auf dem Vormarsch nach B. begriffen, aber die Nachricht vom Abfall seines bosporanischen Statthalters Asander zwang ihn zur Rückkehr. Wie er dann von Caesar bei Zela geschlagen und vernichtet wurde, ist bekannt. Die Bürgerkriege brachten, obgleich B. nicht Schauplatz des Krieges war, den Einwohnern doch genug Schaden aller Art; in Pompeius Heer bei Pharsalos fochten auch Bithyner (Appian. b. c. II 71), und der beim Tode Caesars fungierende Statthalter L. Tillius Cimber musste auf Cassius und Brutus Betrieb Gelder eintreiben und ein Heer ausheben; dies sind offenbar die drei Legionen, die der darauf folgende Statthalter Marcius Crispus im nächsten Jahre nach Syrien führte und dem Cassius übergab (Appian. b. c. III 2. 77 = IV 58). Auch auf dem Zuge von Cassius und Brutus nach Philippi blieb B. nicht unberührt von den Drangsalen, die untrennbar sind von Heereszügen. Nach ihrer Niederlage stand B. unter der Botmässigkeit des Antonius, der auch hier Soldaten aushob und Contributionen erhob. Erst das Kaiserregiment gewährte wie den benachbarten Provinzen so auch B. Ruhe und Frieden, und in dieser Zeit blühte der Handel, der Wohlstand wuchs und die Kultur konnte sich auch in die östlicheren Gegenden ausbreiten, unterbrochen wurde diese lange Friedenszeit durch den Krieg zwischen Septimius Severus und Pescennius Niger, zu dessen Schauplatz B. zum Teil wurde. Nach dem Kampfe bei Kyzikos zog sich der Krieg nach B., wo bei Nikaia eine Schlacht geschlagen wurde. Erst der Abzug der beiden Heere nach Kilikien befreite die Provinz von den Schrecken eines Krieges. Im 3. Jhdt. richteten sich die skythischen, von der Nordküste des Pontos Euxeinos ausgehenden Raub- und Plünderzüge, auch nach B., wo Kalchedon, Nikomedeia, Kios, Apameia, im Binnenlande Nikaia und Prusa in die Gewalt der Feinde gerieten und Nikomedeia und Nikaia niedergebrannt wurden; beladen mit den Schätzen des reichen Landes und seiner ansehnlichen Städte fuhren die Barbaren heim (Mommsen Röm. Gesch. V 223). Mochte auch in den folgenden Jahrhunderten die Ruhe des Landes nicht wieder gestört werden und äussere Feinde ihm fern bleiben, dem allgemeinen Ruin, dem Asia durch die schwachen Regierungen, durch eine übergrosse, bestechliche Beamtenschaft und durch Bedrückung und Aussaugung der Unterthanen entgegenging, sollte auch B. nicht entgehen.
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- S. 523, 57 zum Art. Bithynia:
Baumcultus in Bithynien und ein Fest des Kalathos der Artemis (Bendis) am Rhebas, zu dessen Zeit man 50 Tage lang keine Reise unternehmen darf, weist Usener Rh. Mus. L 1895, 145 aus der Vita des Abtes Hypatios (unter Arkadios) nach. – Die Z. 70 angeführte Altarinschrift lautet nach A. Koerte Athen. Mitt. XXIV 425 richtig Θεω Σαβαζιω Παυσαγανω, enthält also einen einheimischen, wahrscheinlich von einem Ortsnamen abgeleiteten Beinamen des Sabazios.
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Bithynia
Landschaft im nordwestl. Kleinasien. (K) (L) S I (252,56 lies: ›Z. 60‹); vgl. III 2902.