RE:Ager
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Ländergebiet, zu einem Staatswesen gehörig | |||
Band I,1 (1893) S. 780 (IA)–793 (IA) | |||
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Ager.
I. Im völkerrechtlichen Sinne bezeichnet ager das zu einem Staatswesen gehörige Ländergebiet, seine ‚Mark‘: in diesem Sinne spricht beispielsweise Livius von agri Albanus, Atinatium, Capenas, Corinthius, Crustuminus, Falernus, Paelignus, Pellenensis, Romanus, Volscus u. s. w. Der Begriff terra ist dem a. übergeordnet, er bezeichnet den trockenen Boden überhaupt und kann viele jener Eigentumsbezirke umfassen. Synonyma sind insbesondere der umschreibende Begriff fines, ferner territorium (Pompon. Dig. L 16, 239, 8), auch wohl, soweit das gesamte römische Reichsgebiet in Betracht kommt, imperium, und entsprechend der Vorstellung der Kaiserzeit, dass die dominierende Stellung Roms keine andere selbständige Herrschaft auf Erden dulde, orbis terrarum (CIL XII 4333 VIII k. Octobr., qua die eum [n. Augustum] seculi felicitas orbi terrarum rectorem edidit und VII quoq. Idus Ianuar., qua die primum imperium orbis terrarum auspicatus est, vgl. Augustus monum. Ancyr. Überschrift: rerum gestarum divi Augusti, quibus orbem terra[rum] imperio populi Rom. subiecit), orbis (namentlich auf Münzen, deren Legenden seit dem Ende des 2. Jhdts. den Kaiser als rector oder restitutor orbis feiern, vota orbis für ihn aussprechen, seine Verdienste um die securitas orbis preisen u. s. f.), orbis Romanus (Ulp. Dig. I 5, 17).
Aus diesem Gebrauche entwickelte sich die Anwendung des Terminus ager Romanus, aber mit der Beschränkung auf eine alte, zeitlich nicht genau zu fixierende Gebietsausdehnung des königlichen Rom (Grenzen: Ovid. fast. II 677 zu den Terminalia am 6. Milliensteine der Via Laurentina. Strab. V 230 zu den Ambarvalien bei Festi. Festus p. 213 s. Pectuscum. Liv. I 23, 3), die auch späterhin im Gegensatze zu dem neu erworbenen Boden als allein für gewisse sacrale und staatsrechtliche Functionen (z. B. Abhaltung der Curiat- oder Centuriatcomitien, Einholung der Auszugsauspicien, Ernennung eines Dictators) geeignet angesehen wurde, wobei freilich nicht übersehen werden darf, dass sie eigentlich nur an dem städtischen Gebiete innerhalb dieses a. R. haften; darum konnte Livius z. B. XLIV 18, 6 zum J. 169 v. Chr., also zum 227. Jahre nach der vollständigen Einverleibung der veientischen Mark in Roms Landgebiet, schreiben, dass ein Prodigium angemeldet worden sei in Romano agro, simul in Veienti. Diese Begriffseinschränkung behielt auch die Augurallehre bei: ut nostri augures publice disserunt, agrorum sunt genera quinque: Romanus, Gabinus, peregrinus, hosticus, incertus Varro de l. l. V [781] 33, vgl. Festus p. 245. 253 und Trebatius de religionibus VII bei Serv. Aen. XI 316, wo Trebatius, um mit Servius’ Worten zu sprechen, ‚antiquum‘ agrum Romanum cogit intellegi. Durch Fiction kann auch ein ausserhalb des a. antiquus gelegener Boden in a. Romanus umgewandelt werden, um z. B. die Feldzugsauspicien zu erneuern: postquam [im]perium (Mommsen St.-R I³ 100, 3) longius (n. über die Grenzen von Italien hinaus) prolatum est, ne dux ab exercitu diutius abesset, si Romam ad renovanda auspicia de longinquo revertisset, constitutum, ut unus locus de captivo agro Romanus fieret in ea provincia, in qua bellabatur, ad quem, si renovari opus esset auspicia, dux rediret; für die frühere Zeit setzt er die Rückkehr nach Rom als notwendig voraus. Andererseits wird die Ansicht Romanum agrum in Italia terminari (Liv. XXVII 5, 15) in dem Streite zwischen dem Senate und dem Consul M. Valerius Laevinus (210 v. Chr.) über die Ernennung eines Dictators vom Senate als Dogma aufgestellt; dazu stimmt, dass 208 v. Chr. nach dem Tode des einen Consuls der andere, der an einer Wunde totkrank zu Capua lag, ersucht wurde, si ad comitia venire Romam non posset, dictatorem in agro Romano diceret comitiorum causa (XXVII 29, 5). Man wird nur zur Annahme berechtigt sein, dass auch in diesem Falle eine Fiction zur Schaffung des a. R. innerhalb Italiens zulässig erschienen sei, nicht aber, dass der a. publicus in Italien überhaupt als a. R. aufgefasst werden konnte. Diese Behauptung scheint ein Niederschlag der die republicanischen Parteien beherrschenden Anschauung zu sein, dass römisches Bodenrecht ausserhalb Italiens nicht zur Anwendung gelangen könne, dass vielmehr der überseeische Boden peregriner Acker sei (s. den folgenden Absatz). Die Ausdehnung des Ausdruckes a. R. über den geringen Umfang der alten römischen Mark hinaus auf den überhaupt zu quiritarischem Bodenrechte befähigten kommt so gut wie gar nicht vor (vgl. Mommsen St.-R. III 824, 2. 825, 4 zu Varro de l. l. V 32. 55; de r. r. I 10, 1). Becker Handb. I 83ff. Mommsen St-R. III 824ff. Humbert bei Daremberg et Saglio I 138ff. Beloch Der Ital. Bund unter Roms Hegemonie, Leipzig 1880, 43ff.
Alles Land, das nicht zum Gebiete des römischen Staates gehört, zerfällt, je nachdem es zu Rom in einem fest umschriebenen Vertragsverhältnis (foedus) steht oder nicht, in a. peregrinus und a. hosticus. Den verschiedenen Abstufungen der ältesten politischen und sacralen Verträge, die zwischen Rom und seinen Bundesgenossen geschlossen worden waren, sucht das oben angeführte Auguralschema dadurch gerecht zu werden, dass es den a. Gabinus, der rechtlich zum a. peregrinus gehört und füglich die latinischen Gemeinden überhaupt exemplificiert, eximiert (Varro de l. l. V 33: peregrinus ager pacatus, qui extra Romanum et Gabinum, quod uno modo in heis feruntur auspicia. dictus peregrinus a pergendo, id est a progrediendo, eo enim ex agro Romano primum progrediebantur; quocirca Gabinus quoque peregrinus, sed quod auspicia habet singularia, ab reliquo discretus; auch Livius XLIII 13, 6 bezeichnet ein 169 [782] v. Chr. aus der latinischen Colonie Fregellae gemeldetes Prodigium als in loco peregrino geschehen; s. Peregrinus). Die wichtigsten praktischen Consequenzen dieses Verhältnisses Rom gegenüber sind die Autonomie der Gemeinden, die Geltung des heimischen Rechtes und also auch dessen Anwendung auf den Boden, die politische Unverletzlichkeit derselben, das Exilrecht und das Postliminium (s. das Nähere, auch über die Wandlungen in diesen Rechten, bei Foedus). Die übliche Formel der Anerkennung des a. peregrinus geben die von der römischen Regierung an bereits reichsunterthänige Gemeinden oder an solche Staaten, die zwar nicht de iure, wohl aber factisch in die Machtsphaere Roms einbezogen werden, verliehenen Freiheitsbriefe; allerdings wird in dieser Gattung von Privilegien nicht sowohl Bodeneigentum im römischen als im peregrinen Sinne gewährt (Mommsen Ephem. epigr. I S. 293; Staatsrecht III 687, 4) und dort, wo an stipendiäre Gemeinden eine nominelle, jederzeit widerrufliche Autonomie gewährt wird, die Widerruflichkeit auch dieser Verfügungen über das Bodeneigentum ausdrücklich erklärt; vgl. beispielsweise den Volksbeschluss für die Freistadt Termessos in Pisidien vom J. 71 v. Chr. Z. 18ff. ea omnia habere possidere utei frueique liceto, und das Senatusconsultum über die seither stipendiären Thisbaeer in Boeotien vom 12. October 170 v. Chr. (Eph. epigr. I p. 280), oder das Edict des Statthalters des jenseitigen Spanien vom 19. Januar 189 v. Chr. utei quei Hastensium servei in turri Lascutana habitarent, leiberei essent; agrum oppidumq(ue), quod ea tempestate posedissent, item posidere habereque iousit, dum poplus senatusque Romanus vellet (CIL II 5041).
Das Übergewicht Roms, die zahlreichen Übergriffe der römischen Verwaltung und Justiz in die durch das foedus privilegierten Rechte der verbündeten autonomen Staaten und dessen immer energischer betonte Unterordnung unter die Centralregierung vernichtete die Souveränität der ‚freien Bundesgenossen‘ und würde damit den Begriff des a. peregrinus noch viel rascher dem römischen Rechte entfremdet haben, wenn nicht eine weitere Schranke zu beseitigen gewesen wäre. Die nationale Politik des Freistaates hatte nämlich, um Italien die führende Stellung im Reiche zu sichern und um die Schaffung vollberechtigter Bürgergemeinden italischen Rechts ausserhalb Italiens zu verhindern, den Grundsatz ausgesprochen, dass nur auf einen in Italien gelegenen Boden quiritarisches Eigentumsrecht anwendbar sei. Aus diesem Grundsatze folgte, dass Handlungen, die auf dem a. Romanus vollzogen werden müssen, wie die Ernennung eines Dictators, nur in Italien erfolgen konnten: eum in Italia terminari (Liv. XXVII 5, 15; vgl. Mommsen St-R. II³ 152, 2); desgleichen war er weder zur Consecration nach römischem Recht geeignet (Traian beruhigt die Zweifel des Plinius, ob es verstattet sei, den in der reichsunterthänigen Stadt Nicomedia geweihten Tempel der Magna Mater salva religione posse transferri: nec te moveat quod lex dedicationis nulla reperitur, cum solum peregrinae civitatis capax non sit dedicationis quae fit nostro iure epist. X 50), noch konnte seine Erweiterung ein Vorschieben des Pomerium zur [783] Folge haben (Seneca de brev. vitae 13, 8 citiert quemdam referentem: Sullam … protulisse pomerium, quod numquam provinciali, sed Italico agro adquisito proferri moris apud antiquos fuit, vgl. Mommsen St.-R. III 735, 1). Das diesem Grundsatze zuwider laufende Streben der Popularpartei, Ackeradsignationen auf Provincialboden durchzuführen, hat aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zum Ziele geführt; selbst in Narbo, wohin 118 v. Chr. eine römische Colonie deduciert worden war, dürfte italisches Bodenrecht nicht gegolten haben (Mommsen III 736, 1), also Privateigentum quiritarischen Rechtes nicht bestanden haben, und folgerichtig die an der Nutzniessung des ager publicus populi Romani haftende Verpflichtung zur Entrichtung des Bodenzinses (vectigal) nicht aufgehoben worden sein. Durchbrochen wurde die Schranke, welche die Schaffung quiritarischen Bodenrechts in überseeischem Gebiete hindern sollte, zunächst wohl durch die für die Iterierung der Auspicien nötigen Terminationen eines a. Romanus (Serv. Aen. II 178, s. o. S. 781; vgl. auch Dio XLI 43 über die Vorgänge im pompejanischen Regierungslager zu Thessalonica); Gaius II 7 bespricht bereits ganz allgemein die Möglichkeit einer Consecration von Provincialboden ex auctoritate populi Romani: in provinciali solo placet plerisque solum religiosum non fieri, quia in eo solo dominium populi Romani est vel Caesaris, nos autem possessionem tantum vel usum fructum habere videmur; utique tamen, etiamsi non sit religiosus, pro religioso habetur: item quod in provinciis non ex auctoritate populi Romani consecratum est, proprie sacrum non est, at tamen pro sacro habetur. Ferner ist in der Kaiserzeit einer Anzahl von ausseritalischen Gemeinden italisches Recht verliehen worden, und basieren, wie die Terminationscippen andeuten, die Erweiterungen des stadtrömischen Pomerium durch Claudius (CIL VI 1231 auctis populi Romani finibus pomerium ampliavit terminavitq. Notizie degli scavi 1885, 475) und durch die Samtregenten Vespasian und Titus (CIL VI 1232. Hermes XXII 1887, 622) auf ausseritalischen Bodenerwerbungen. Mommsen St.-R. III 830ff. 733ff. Ruggiero Diz. epigr. I 356.
A. hosticus ist, da der peregrine Boden als ager pacatus (Varro de l. l. V 33) d. h. im Vertragsverhältnis zu Rom stehend bezeichnet wird, alles Land, das mit Rom keinen Vertrag geschlossen hat, also noch keine Rechtsgemeinschaft besitzt oder vertragsbrüchig geworden ist (vgl. Hostis). Das Kriegsceremoniell erforderte es, dass der Pater patratus an der Grenze des feindlichen Landes sein carmen sprach und hastam ferratam aut praeustam sanguineam (Liv. I 32, 12. Marquardt-Wissowa 422, 3) hinüberwarf. Denique cum Pyrrhi temporibus adversum transmarinum hostem bellum Romani gesturi essent nec invenirent locum, ubi hanc solemnitatem per fetiales indicendi belli celebrarent, dederunt operam, ut unus de Pyrrhi militibus caperetur, quem fecerunt in Circo Flaminio locum emere, ut quasi in hostili loco ius belli indicendi implerent. denique in eo loco ante [a]edem Bellonae consecrata est columna (Serv. [784] Aen. IX 53); also wurde durch Fiction (in übrigens juristisch nicht zu rechtfertigender Art, da ‚ein römisches Bodenstück dadurch das römische Bodenrecht nicht verlor, dass ein des Commercium entbehrender Ausländer dasselbe kaufte‘ Mommsen III 831, 1) innerhalb des a. Romanus Feindesland geschaffen, wie sonst (s. o. S. 781) im Feindesland a. Romanus zu sacralen Handlungen, die die Kriegsführung erheischte, durch Fiction gewonnen werden konnte. Diese Sitte (Ovid. fast. VI 205. Fest. ep. p. 33. Dio L 4, 5) ist noch unter Marcus nachzuweisen (Dio LXXI 33, 3 τὸ δόρυ τὸ αἱματῶδες παρὰ τῷ Ἐνυείῳ ἐς τὸ πολέμιον δὴ χωρίον, ὥς γε καὶ τῶν συγγενομένων αὐτῷ ἤκουσα, ἀκοντίσας ἐξωρμήθη, 178 n. Chr.).
Incertus is ager, qui de heis quatuor (n. Romanus, Gabinus, peregrinus, hosticus) qui sit ignoratur Varro de l. l. V 33.
II. Im staatsrechtlich-gromatischen Sinne: agrorum qualitates sunt tres: una agri divisi et adsignati (Privateigentum), altera mensura per extremitatem comprehensi (Eigentum einer Gemeinde), tertia arcifinii qui nulla mensura continetur (Eigentum der römischen Gemeinde), Frontinus Feldmesser 1, 3ff.
[WS 1]Der ager divisus et adsignatus setzt die agrimensorische Grenzfeststellung (agrum mensura per extremitatem comprehendere) und Aufteilung des vom Staate zu freiem Privateigentum abgegebenen Landgebietes in gleiche oder gleichwertige Parcellen oder Parcellencomplexe (divisio) und die magistratische Zuweisung sowie die grundbuchliche Einzeichnung (adsignatio) der Eigentümer und ihrer Teilstücke in der Flurkarte (forma, aes) voraus. Die divisio erfolgte nach einfachen Grundschemen. Mit dem groma, einem Felddiopter, wurde als erste Hauptlinie, decumanus, die Linie Ost-Westen bestimmt, diese hierauf durch eine Senkrechte, mit welcher die Himmelsachse (cardo) bezeichnet wurde, also durch eine Linie Nord-Süd geschnitten; von wesentlicher Bedeutung war die Herstellung der im rechten Winkel sich kreuzenden Hauptlinien des Kreuzes (tetrans); hingegen konnte, wo die Terrainverhältnisse die Anlage eines decimanus in der Richtung von Ost nach West nicht empfahlen, oder aus ‚religiösen‘ Gründen (Hyginus Feldmesser 169f.), dieser (und damit auch der cardo) zweckentsprechend verschoben werden (s. Groma, Cardo, Decimanus, Templum und Limitatio). Die weitere Ackerteilung ging dann entweder so vor sich, dass zu beiden Hauptlinien Parallelen gezogen wurden, die das gesamte Gebiet in Quadrate oder Rechtecke zerlegten (a. centuriatus oder limitatus), oder dass sei es durch Längslinien, sei es durch Querlinien längliche Streifen als Parcellen oder Parcellencomplexe gebildet wurden (a. per scamna et strigas divisus adsignatus). Entwicklung und Bedeutung beider Kategorien ist verschieden.
a) a. centuriatus (so genannt, weil er zumeist in quadratische Flächen mit 20 actus à 120 pedes Seitenlänge zerfiel, welche folglich 400 Quadratactus = 200 iugera = 100 heredia enthielten, sich also als Centurien von Ackerlosen darstellten) oder (Fest. ep. p. 116) a. limitatus (weil die die Centurien oder Multipla der [785] Centurien scheidenden Linien als limites benutzt wurden). Ausgeschlossen blieben zunächst die zwischen den Grenzen des in vollen Centurien aufgemessenen Landes und der Territorialgrenze gelegenen Flächen (ager extra clusus, loca relicta; vgl. Front. Feldmess. 55f. loca relicta et extra clusa non sunt nisi in finibus coloniarum, ubi adsignatio pervenit, usque qua cultum fuit, quatenus ordinatione centuriarum intermissa finitur. ultra autem silvestria fere fuerunt et iuga quaedam montium quae visa sunt finem coloniae non sine magno argumento facere posse … haec loca, quod adsignata non sint, relicta appellantur; extra clusa, quod extra limitum ordinationem sint et tamen fine cludantur); desgleichen konnten in die Limitation nicht einbezogen werden jene innerhalb der Centurien gelegenen Flächen, deren volle Aufteilung als Ackerland ein bestimmtes Object, z. B. ein Teich oder ein Sumpf, nicht zuliess (subsiciva ea dicuntur, quae adsignari non potuerunt: id est, cum sit ager centuriatus, aliqua inculta loca, quae in centuriis erant, non sunt assignata. haec ergo subsiciva aliquando auctor divisionis aut sibi reservavit aut aliquibus concessit aut rebus publicis aut privatis personis Hygin. 132f.; s. Subseciva); beide Kategorien gehörten dem ager arcifinius an. In dem zur Parcellierung gelangenden Ackerboden wurden die Compagnielose durch limites lineares geschieden; jeder fünfte (quintarius) in bedeutenderer Breite (non minus quam qua vehiculo iter agi posset Hygin. Feldm. 120; Näheres unter Quintarius) als actuarius angelegt; durch die actuarii decimani und durch die actuarii cardines wurden grössere Flächen, saltus = 25 centuriae, begrenzt (Siculus Flaccus, Feldmesser 158); hingegen kennt Varro de r. r. I 10 nur saltus in der Grösse von 4 Centurien: quattuor centuriae coniunctae, ut sint in utramque partem binae, appellantur in agris divisis viritim publice saltus (vgl. Hultsch Metrologie² 85, 3). Dabei sind Abweichungen in der Bemessung des Flächeninhalts der Centurie und selbst ein Abgehen von der quadratischen Grundform derselben nicht ausgeschlossen; centuriae non per omnes regiones ducenta iugera obtinent, in quibusdam ducentena dena (also Rechtecke von 21×20 actus), quadragena (24×20 actus) Siculus Flaccus 159, 9ff., der auch eine nichtquadratische (25×16 actus) Aufteilung des Ackerbodens in Beneventano, und zwar trotz Einhaltung des Normalmasses bezeugt, was auch der Liber coloniarum 210, 1 berichtet; vgl. Mommsen Hermes XXVII 1892, 80f. Die quadratische centuriatio oder limitatio kommt von Rechts wegen dem italischen Colonialboden und dem zu vollem quiritarischen Bodeneigentum viritim ausgeteilten Lande zu, thatsächlich auch dem italischen a. municipalis (Mommsen a. O. 84. 110f.; das iulische Ackergesetz von 49 v. Chr. befiehlt: qui hac lege coloniam deduxerit, municipium praefecturam forum conciliabulum constituerit, in eo agro, qui ager intra fines eius coloniae municipii fori conciliabuli praefecturae erit, limites decimanique ut fiant terminique statuantur curato Bruns fontes iuris⁵ 95), nicht dem Domanialgebiete des Staates, das gegen ein vectigal verpachtet oder zu Erbbesitz [786] ausgegeben wurde; debet [enim aliquid] interesse inter [agrum] immunem et vectigalem; nam quemadmodum illis condicio diversa est, mensurarum quoque actus dissimilis esse debet; nec tam anguste professio nostra concluditur, ut non etiam per provincias (denn fast nur in ihnen war damals Boden, der nicht zu quiritarischem Bodenrecht erworben werden konnte) pr[opri]as limitum observationes dirigere possit (Hygin. 205, 4ff. mit Mommsens Emendation a. O. 85, 3). Warum gelegentlich das Rechteck angewendet worden ist (z. B. Suessa, Benevent, Velia, Vibo, Cremona), wissen wir nicht; aber diese Fälle werden von den Gromatikern als Ausnahmen angesehen (die Parcellierung nach scamna oder strigae, die die Colonialbücher wiederholt für coloniale Adsignationen behaupten, will Mommsen a. O. 85, 2 als Fälschung ablehnen). Dass andererseits die Parcellierung more colonico per centurias auch auf Boden erstreckt wurde, an dem der Private kein quiritarisches Eigentum erwerben konnte, bezeugt und tadelt Hygin. a. O. 205, 1ff.
b) a. per scamna (Bänke) et strigas (Streifen) adsignatus: strigatus ager est, qui a septentrione in longitudinem in meridianum decurrit; scamnatus autem, qui eo modo ab occidente in orientem crescit (Hygin. 110, 1ff.), bezw. da von der Ost-West-Richtung des decimanus abgegangen werden konnte und abgegangen worden ist: quidquid in longitudinem est delimitatum, per strigas appellatur; quidquid per latitudinem, per scamna (Front. 3, 2ff. Hygin. 207, 1f.); die grössere Seite des Rechteckes ist dimidio longior sive latior (206f.). Abgegrenzt wird per proximos possessionum rigores (Front. a. O.); Balbus 98, 9ff.: decumanus est longitudo rationalis, itemque cardo, constitutis in unum binis rigoribus singulis spatio itineris interveniente (d. h. sie sind Strassen, eingesäumt von zwei rigores). nam quidquid in agro mensorii operis causa ad finem rectum fuerit, rigor appellatur; quidquid ad horum imitationem in forma (Flurkarte) scribitur, linea appellatur. Daneben wird rigor auch als Synonymum von iter verwendet.
Nach dem von den augusteischen Militärcolonien (secundum legem et constitutionem divi Augusti) genommenen Schema Hygins (206f.) hat der decimanus maximus 40 Fuss Breite, der cardo maximus 20 Fuss Breite, 12 Fuss die actuarii, und zwar ebensowohl die zum cardo parallel gezogenen limites transversi, inter quos bina scamna (unten im Plane z. B. α und ε) et singulae strigae (θ) interveniunt, als die dem decumanus parallelen limites prorsi, inter quos scamna quat[erna] (α, β, γ, δ) strigae[ve senae] (θ bis ν) (auch so versucht Mommsen vermutungsweise die verderbte Überlieferung zu emendieren, a. O. 101, 1), die übrigen rigores linearii erhalten 8 Fuss; ähnliches bestimmt die lex agrorum ex commentariis Claudii Caesaris Feldm. 207, 7. Zum besseren Verständnis dieses wiederhole ich den von Mommsen S. 100 gegebenen Plan (andere Combinationen S. 103), der im wesentlichen richtig ist: [787]
[787.18] Durch die Strigation und Scamnation entstand ein wesentlich anderes Bild der Acker- und Wegeeinteilung als durch die Centuriation, bei der allein die strenge Durchführung des gromatischen Schemas denkbar ist. Jenes Verfahren stellt nur eine Varietät dieses dar und geht so gut wie dieses antiquo more vor sich (Front. 3, 7), nur dass danach in provinciis arva publica coluntur (4, 1), d. h. zu Frontins Zeit, der offenbar deshalb nur des Provincialbodens gedenkt, weil damals gleichartiger Boden in Italien so gut wie gar nicht vorhanden war. Denn aus der oben bereits teilweise angeführten Hyginstelle (205f.) wird es klar, dass die Adsignationen per limites und per rigores nicht blos formell sich unterschieden, sondern dass sie der Ausdruck zweier verschiedener Bodenrechte waren. Hygin tadelt es, dass den ager arcifinius vectigalis viele Mensoren more colonico decimanis et kardinibus diviserunt, hoc est per centurias, sicut in Pannonia; denn debet [aliquid] interesse inter [agrum] immunem et vectigalem; nam quemadmodum illis condicio diversa est, mensurarum quoque actus dissimilis esse debet. Er verlangt besonders vorsichtiges Vorgehen beim Vermessen des a. vectigalis: propter quod huius agri vectigalis mensuram a certis rigoribus comprehendere oportet ac singula terminis fundari … omnium rigorum latitudines velut limitum observabimus interstitione limitari; mensuram per strigas et scamna agemus. Also wurde in strigae und scamna solcher Boden zerschnitten, an dem nicht quiritarisches Eigentum erworben werden konnte, sondern auf dem ein an den Staat als den Eigentümer zu entrichtender Bodenzins (vectigal) lastete, sei es als voller Pachtbetrag, sei es auch nur als symbolischer Ausdruck der Anerkennung des staatlichen dominium. Hiemit sind die Linien für die Entwicklung der beiden agrimensorischen Hauptformeln auch in einer Zeit, die vor der Abfassung der in den gromatischen Digesten vorliegenden Schriften lag, angedeutet. Weber röm. Agrargeschichte 26ff. Mommsen Hermes XXVII 86. 99ff.
Über die Anwendung der agrimensorischen Formen bei der Colonieanlage und beim Abstecken des Lagers s. Colonia und Lager; über die Art der Aufteilung der centuria und die Setzung der Marksteine s. Centuria.
Anhang: Im gromatisch-technischen Sinne unterscheidet man vom Standpunkte des [788] Vermessenden sowohl nach rechts und links, als nach vorn und hinten Hälften des templum: durch die Querarme (cardo maximus, transversi limites) des Kreuzes, in dessen Mittelpunkt jener steht, zerfällt es in die pars citrata (pars antica) vorn, und hinten die pars ultrata (pars postica); durch den Längsbalken (decimanus maximus, limites prorsi) in die pars dextrata und pars sinistrata; die Anfangsbuchstaben C, V, D und S sind als Siglen dieser Ausdrücke üblich. Durch Combination beider Teilungen entstehen vier Viertel: dextrata citrata (CD), sinistrata citrata (SC), dextrata ultrata (DV) und sinistrata ultrata (SV); cardines und decimani werden vom Schnittpunkte der beiden Hauptlinien, dem groma, aus gezählt: k(ardo) m(aximus) oder K • I, dann K • II, K • III u. s. f., d(ecumanus) m(aximus) oder D • I, dann D • II, D • III u. s. f.; dementsprechend die dem groma nächsten Centurien etwa in folgender Weise:
[788.40] Die Siglen sind leicht aufzulösen, z. B. links oben s(inistra) d(ecimanum secundum) u(ltra) k(ardinem secundum), oder rechts unten d(extra) d(ecumanum secundum) c(itra) k(ardinem secundum). Rudorff Feldm. II 341ff. 353f. Mommsen Hermes XXVII 90ff. Zu den Berichten der antiken Feldmesser ist nun auch ein geringer Bruchteil einer antiken Flurkarte getreten, um dessen Erklärung sich Mommsen (zu CIL XII 1244 und Hermes a. O. 103) besondere Verdienste erworben hat; diese Fragmente sind in Arausio (heute Orange) gefunden und von O. Hirschfeld ausser CIL XII 1244 und p. 824 auch im Arch. Jahrbuch 1892, Anzeiger 125 in guter Photozinkographie, sowie von Weber Röm. Agrargeschichte Tfl. I (vgl. dazu Text S. 279ff.) nach einer Handzeichnung in übersichtlicher Gruppierung abgebildet.
Ager est mensura comprehensus, cuius modus universus civitati est adsignatus, sicut in Lusitania Salmanticensibus aut Hispania citeriore Palantinis et compluribus provinciis tributarium solum per universitatem populis est definitum (Hygin. 4, 3). Bei dieser Kategorie ist blos die äussere Flurgrenze abgesteckt, nicht aber divisio und adsignatio eingetreten. Da aber bei der Übereignung von Provinzboden aus römischem Dominium an Provinzgemeinden nicht leicht an die Schaffung peregrinen oder [789] an die italischen Bodenrechtes gedacht werden kann, so scheint der a. mensura comprehensus nur eine Species des a. arcifinius gewesen und bei der Einführung der Grundsteuerhebung durch die Gemeinden geschaffen worden zu sein; ‚es lag nahe, der betreffenden Gemeinde unter Auflage einer mehr oder minder fixierten Fruchtquote oder Geldsumme das Bodeneigentum für ihre Territorien unveräusserlich zu überweisen, wodurch sie berechtigt wurde, von den einzelnen Inhabern Grundsteuer zu erheben‘ (Mommsen a. O. 89).
Ager est arcifinius (Nebenform arcifinalis), qui nulla mensura continetur (d. h. unvermessenes Land). finitur secundum antiquam observationem fluminibus, fossis, montibus, viis, arboribus ante missis, aquarum divergiis, et si qua loca a vetere possessore potuerunt optineri (somit eingeschlossen durch unregelmässige, natürliche und willkürlich gezogene Grenzen, deren Anerkennung auf Grund des Völkerrechtes in Friedensschlüssen und Staatsverträgen erfolgt ist; das Formular solcher Territorialgrenzbücher können wir uns nach dem Excerpt bei Hygin. 114, 16ff. oder nach dem Schiedsspruche in den Grenzstreitigkeiten zwischen den Genuaten und den Vituriern CIL V 7749 vom J. 117 v. Chr. reconstruieren); nam ager arcifinius, sicut ait Varro, ab arcendis hostibus est appellatus (ähnlich 369, 16; 138, 8. 284, 8 aber arcendo vicinum; also ‚innerhalb des Grenzfriedens‘ gelegener Acker); qui postea interventu litium per ea loca quibus finit terminos accipere coepit (Front. 5f.). Ursprünglich deckt er sich mit dem a. occupatorius, d. h. quibus agris victor populus occupando nomen dedit (Siculus Flaccus 138, 3, vgl. 284, 7ff.), der von der Gemeinde besetzten Mark; seinen Namen hat er von den kriegerischen Bollwerken an der Grenze, den arces. Verringert wird er durch die adsignatio um die zu vollem privaten Bodeneigentum ausgegebenen Landstriche; er umfasst daher die subsiciva, wofern sie nicht durch Singularconcession in privaten Acker verwandelt worden waren, und das der Limitation und Adsignation nicht unterzogene Staatsgebiet, und ist daher auch mit dem ager publicus überhaupt identisch und dem a. adsignatus entgegengesetzt (Feldmesser 24, 4. 43, 21. 178, 9. 179, 17). Wird er aus praktischen Gründen limitiert (vgl. z. B. Feldm. 204ff. oder das Ackergesetz von 111 v. Chr.), so sind mit diesem agrimensorischen Vorgange keineswegs die rechtlichen Folgen der Adsignation verbunden (vgl. Siculus Flaccus 138, 11ff.), wie denn überhaupt diese nur als magistratischer Akt, jene als technische, aber juristisch indifferente Leistung zu betrachten ist.
Litteratur: A. Rudorff Gromatische Institutionen (in Schriften der röm. Feldmesser, hrsgg. und erkl. von Blume, Lachmann und Rudorff, Berlin 1852 II 227ff.). Max Weber Die röm. Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht, Stuttgart 1891. Th. Mommsen Zum römischen Bodenrecht, Hermes XXVII 1892, 79ff.
III. In privatrechtlicher Beziehung unterscheidet man den a. publicus, a. privatus und a. publicus privatusque. In älterer Zeit sind blos a. privatus und a. publicus einander entgegengesetzt, [790] als Eigentum des Einzelnen und der Gemeinde; sie summieren sich zur Gesamtheit des staatlichen Territoriums. Der a. publicus ist das Prius, aus ihm geht durch Schenkung oder Verkauf der a. privatus hervor. Übrigens reicht auch dieser Gegensatz allem Anscheine nach nicht in die Anfänge Roms zurück. Der eigentlichen Form des privaten Bodeneigentums geht wohl das Geschlechterbodeneigentum voraus; ja dieses wäre älter als der übliche Begriff des Gemeindelandes, wenn der römische Staat durch die Vereinigung von Geschlechtern entstanden sein sollte. Lange Zeit erscheint Privateigentum an Immobilien nicht möglich gewesen zu sein, und blos bewegliches Eigentum Gegenstand des commercium gebildet zu haben, insbesondere Menschen und Tiere (familia, pecunia). Aber jeder Geschlechtsgenosse muss ein Anrecht darauf gehabt haben, nach bestimmter Ordnung einen Streifen des seinem Geschlechte zu eigen gehörigen Bodens zur Bebauung zu empfangen. Das private Bodeneigentum des Einzelnen erscheint von diesem Standpunkt aus als eine höhere Entwicklungsstufe jenes Anrechtes; stirbt der Bodeneigentümer ohne berechtigte Leibeserben zu hinterlassen, so fällt sein Grundbesitz sowie sein bewegliches Gut an die Geschlechtsgenossen zurück. Die Erwerbung neuer Territorien durch den Staat dürfte in älterer Zeit hauptsächlich zur Erweiterung der Gentilfluren geführt haben; wie die Neubürger minderer Gattung einem patricischen Geschlechte in Clientel gegeben wurden, so mag auch ihr Bodenbesitz, sei es ungeschmälert oder beschränkt, der betreffenden Gens attribuiert worden sein. Die Steigerung der Individualrechte überhaupt verringerte die Macht der gentilicischen Verbände. So löste sich auch der Geschlechtergrundbesitz auf in patricisches und plebejisches Privateigentum. Damit wurden auch neue Formen für die Behandlung des durch die Mitwirkung aller, durch die kriegerische Kraft des Staates neugewonnenen Landes nötig.
So oft der Staat ein neues Gebiet seinem Territorium angliedert, ist dieses (ager occupatorius Feldm. 2, 20 = 115, 4. 5, 22. 138, 3; vgl. oben S. 789) von Rechts wegen in seiner ganzen Ausdehnung so lange Gemeindeeigentum, bis ein Gemeindebeschluss ihn ganz oder teilweise entweder den früheren Eigentümern, die in den Schutz der Gemeinde aufgenommen worden sind, restituiert, oder bis die Gemeinde sich seiner anderweitig durch Schenkung oder Verkauf entäussert. Am ehesten dürften jene Flurteile, welche direct Eigentum der unterworfenen Gemeinden gebildet hatten, aus wirtschaftlichen Gründen zu gleichem Zwecke römisches Gemeindeland geblieben sein. Die zahlreichen glücklichen Kriege Roms führten zu bedeutender Erweiterung seines Gemeindelandes, da die Römer gewöhnlich einen Teil des unterworfenen Landes für sich einzogen: meist ein Drittel, so schon Romulus (Dionys. Halic. II 35. 50), aber auch die Hälfte (Dionys. II 54. Liv. XXXVI 39, 3), oder zwei Dritteile (von den Hernikern Liv. II 41, 1; von den Privernaten VIII 1, 3), ja selbst das ganze Gebiet (Capua Liv. XXVI 16, 8) wurde den Besiegten abgenommen[WS 2] (zahlreiche Beispiele bei Schwegler [791] Röm. Gesch. II 404; vgl. Appian. b. c. I 7. Pompon. Dig. XLIX 15, 20, 1). Derjenige Teil des römischen Territoriums, der nicht Staatseigentum ist, ist volles Eigentum einzelner Individuen (Bürger oder Bundesgenossen) und juristischer Persönlichkeiten (Vereinigungen, Gemeinden). Überseeische Landerwerbungen werden vollends als quiritarischen Privateigentums unfähig angesehen und gelten durchaus als Staatsdomäne (Gai. II 7 in eo solo dominium populi Romani est vel Caesaris); allerdings nicht von vorneherein, sondern erst seit dem von C. Gracchus 122 v. Chr. eingebrachten Gesetze de Asia provincia (Cicero Verr. III 12. Fronto ad Verum II 1); vordem wurde, beispielsweise in Sicilien, auch stipendiären Gemeinden, sofern nicht zur Strafe die Expropriation vollzogen wurde, das alte Bodenrecht gelassen (Cic. Verr. II 13. III 12. Mommsen St.-R. III 729ff.).
Der a. publicus ist ein wichtiger Teil des fruchtbringenden staatlichen Vermögens, die Methode seiner Benutzung eine eminent wichtige politische Frage (s. Leges agrariae):
a) Er wird optuma lege durch Adsignation in Privateigentum verwandelt: allgemein ager datus adsignatus (s. Adsignatio und o. S. 784). Sofern diese Adsignation mit der Gründung eines neuen Gemeinwesens mit römischem Bürgerrecht zusammenhängt, wird er als a. colonicus (Feldm. 35, 14. 62, 20. 264, 13) bezeichnet (über die vermögensrechtliche Gliederung desselben s. Colonia); ohne diesen Zusammenhang a. viritanus (Fest. 373. Feldm. 154, 12. Varr. de r. r. I 2, 10; vgl. die Formel Feldm. 239, 5 (Volturni) ager in nominibus villarum et possessorum est adsignatus, ebenso 238, 5. 18. 239, 2. 12); mit dem a. in privatum commutatus wurde der expropriierte Eigentümer eines etwa bei Anlegung einer Colonie gerade unentbehrlichen Feldstückes entschädigt (Ackergesetz von 111 v. Chr. Z. 27 [quei ager publicus populi Romani in terra Italia P. Mucio L. Calpurnio cos. fuit, de eo agro loco, quem agrum locum populus ex publico in privatum c]ommutavit, quo pro agro loco ex privato in publicum tantum modum agri loci commutav[it: is ager locus do]mneis privatus ita, utei quei optuma lege privatus, esto; über die agri concessi, agri redditi commutati pro suis s. Rudorff II 388ff.; Ztschr. f. gesch. Rechtsw. X 58f.). Diesem a. optimo iure privatus kommt soweit, wie überhaupt dem Privatvermögen jedweder Art, völlige Verfügungsfreiheit seitens des Eigners zu; er unterliegt aber ebensosehr auch der Schatzungspflicht (censui censendo est Fest. ep. p. 58) und dem Tributum; daher ist er, seit das Tributum factisch aufgehört hat, gänzlich steuerfrei.
b) Er wird zur Nutzniessung an Private und Gemeinden, auch an stipendiarii (Lex agrar. CIL I 200 Z. 77. 80. Appian. Pun. 135) gegen eine Abgabe (vectigal), also zu jederzeit widerruflichem Besitze (s. Possessio) überlassen; das Ausmass des dem Einzelnen zur occupatio und possessio zuzugestehenden Fruchtgenusses am a. publicus bildet eine der wichtigsten römischen Agrarfragen (s. auch Leges agrariae). Das Ackerland wird dabei entweder einfach freigegeben: a. occupatorius (in anderem Sinne wie [792] o. S. 789; vgl. Feldm. 137, 19. 284, 9ff.; das Ackergesetz von 111 v. Chr. verwandelte solche Possessionen in Privatland und verbot Z. 25 weitere Occupationen), aber so, dass nicht durch usucapio Eigentumsrecht daran für den Privaten entstehen konnte, oder es wurde an ihm (a. privatus vectigalisque) contractlich Erbpacht und eine (eventuell nur nominelle) Abgabepflicht festgesetzt (CIL I 200 Z. 31f. 49. 66). Auch in letzterem Falle behält der Staat das Eigentumsrecht, wobei er übrigens auf die Rückforderung bedingten Verzicht leistet (ut quam diu inde vectigal pendatur, neque ipsi conductori neque heredi eius praedium auferatur Gai. III 145. Paul. Dig. VI 3, 1) oder (bei Concessionen an stipendiäre Gemeinden) unbedingt verzichtet. Diese Kaufäcker heissen, da neben den Censoren auch die Quaestoren in hervorragender Weise mit dem Verkaufe der dem Staate gehörenden Immobilien betraut worden zu sein scheinen (Liv. XXVIII 46, 4. Hygin. Feldm. 115, 17. Siculus Flaccus 152, 24), agri quaestorii (Feldm. 115, 15. 125, 19. 139, 11. 136, 16 u. s.). Rudorff Feldm. II 315ff. Mommsen St.-R. II³ 459ff.; s. Decuma, Stipendium, Vectigal. Über die agri vectigales der Municipien und die aus ihr entstandene Emphyteuse s. d.
c) Er wird verpachtet und bildet die wichtigste Einnahmequelle des Staates: Kulturland (z. B. der ager Campanus seit Capuas Vernichtung, Liv. XXVII 3, 4. XXVIII 46, 4. XLII 1, 19. Cic. de leg. agr. II 81), Weideland (ager compascuus Cic. Top. 12. Fest. ep. p. 40. Isidor. orig. XV 13, 9; pascua silva, saltus, z. B. in Sabinis in monte Mutela Frontin Feldm. 21, 3), schlagbare Wälder (silvae caducae); ferner wurden die Pechhütten in den Staatsforsten (picariae), der Bergbau (metalla), die Salzgewinnung (salinae), der Fischfang (Polyb. VI 17, 2. Fest. p. 191 s. lacus Lucrinus. Serv. Georg. II 161. Ulp. Dig. XLIII 14, 1, 7. Marcian. Dig. I 8, 4, 1 flumina paene omnia et portus publica sunt) verpachtet; die Abgabe heisst allgemein vectigal, die für das Weideland auch scriptura (daher scripturarius ager Fest. p. 333), für das Ackerland auch decuma (daher ager decumanus Cic. Verr. III 13. 103. CIL II 1438 vom J. 49 n. Chr.; agri decumates innerhalb des germanischen Limes Tac. Germ. 29). Von der Verpflichtung zur Steuerabgabe rührt der Name a. vectigalis her (Cic. Verr. III 103. Paulus Dig. VII 3, 1. Feldm. 116, 5. 125, 19. 204, 16. 205, 5. 9 u. s.). In republicanischer Zeit umfasste man alle Gattungen des vom Staate in Pacht ausgethanen a. publicus wegen des Überwiegens der Weidewirtschaft auf ihm mit dem Ausdrucke pascua (Plin. n. h. XVIII 11 etiam nunc in tabulis censoriis pascua dicuntur omnia, ex quibus populus reditus habet, quia diu hoc solum vectigal fuerat). S. die einzelnen Schlagwörter und Vectigalia publica.
In den ältesten Zeiten verfügt der König über den a. publicus, wie der Hausvater über sein Hauswesen. Im Freistaate concurrieren die den Staat constituierenden Gewalten hierin der Art, dass das Eigentumsrecht des Volkes anerkannt ist und insbesondere bedeutendere Liberalitätsakte auf Kosten der Staatsländereien ohne Geheiss des Volkes theoretisch unzulässig sind, der [793] Senat vorzugsweise über die Administration disponiert, diese selbst aber von den Beamten (Consuln, Censoren; über directen Auftrag des Senats auch von den Quaestoren) besorgt wird; die magistratischen Rechte auf diesem Gebiete, die unzweifelhaft im Beginn des Freistaates sich der königlichen Gewalt sehr genähert haben, verkümmern immer mehr. Der Senat, der dann zunächst bei unbedeutenderen Veräusserungen von Staatseigentum das Volk zu befragen unterliess, gelangt durch die sullanische Verfassungsreform dazu, unumschränkt über die Staatsdomäne zu verfügen; Cicero bringt beispielsweise seinen Antrag auf Adsignation von Staatsländereien an die Veteranen im Senate vor (Phil. V 53). Bei der Teilung der Provinzen zwischen Senat und Kaiser (27 v. Chr.) wurde dem Kaiser das Bodeneigentum der Gemeinde an oder in den kaiserlichen Provinzen abgetreten; Mommsen (St.-R. II³ 1089, 1) schlägt vor, für diese erste auf zehn Jahre gültige Abtretung die Form einer fiduciaren Übereignung anzunehmen. Die Staatsrechtslehrer der Kaiserzeit formulieren dann das zu ihrer Zeit bestehende Verhältnis: in eo (nämlich provinciali) solo dominium populi Romani est vel Caesaris Gai. II 21. Da die Fiscalprovincialen mit einer directen Vermögenssteuer (tributum) belastet wurden, unterschied man den in einer kaiserlichen Provinz gelegenen a. tributarius vom a. stipendiarius auf senatorischem Provinzialboden: (praedia) stipendiaria sunt ea, quae in his provinciis sunt, quae propriae populi Romani esse intelleguntur, tributaria sunt ea, quae in his provinciis sunt, quae propriae Caesaris esse creduntur Gai. II 21. Ausserdem steht dem Kaiser das bereits von den Ausnahmsgewalten der letzten Jahrzehnte des Freistaates gehandhabte Recht der freien Adsignation wo immer belegenen staatlichen Ackerlandes zu, ein Recht, von dem hauptsächlich für die Ansiedlung und Altersversorgung der Veteranen Gebrauch gemacht wurde; die einzige Ausnahme, von der wir hören, gehört einer Zeit an, in der man wieder einmal die Herstellung der republicanischen Ordnungen anzubahnen suchte (Nervas lex agraria Callistratus Dig. XLVII 21, 3, 1). Zu jeder Art der magistratischen Judication und Termination des gesamten Gemeindelandes ist der Kaiser befähigt, sobald er das Amt eines Censors ausübt, also seit Domitian (84 n. Chr.) überhaupt; unter den früheren Kaisern aber waren derlei Akte am Gemeindeboden in Italien und in den senatorischen Provinzen noch oft ex senatus consulto erfolgt: so durch curatores locorum publicorum iudicandorum ex s. c. CIL VI 1266 (2 n. Chr.). 1267 (6 n. Chr.), oder durch kaiserliche Amtshandlung ex s. c. (CIL VI 1236 im J. 7/6 v. Chr.). Näheres bei Mommsen St.-R. III 1111ff. II³ 992ff. 1087ff.; s. Terminatio.
Litteratur: Blume, Lachmann, Rudorff Schriften der röm. Feldmesser, Berlin 1848. 1852. Mommsen St.-R. (vgl. im Index ‚Gemeindeland‘) und die einschlägigen Partieen in Marquardts St.-V. II². Weber Röm. Agrargeschichte (s. oben S. 789).
A. regius (s. auch Τέμενος), Campanus, Martius, Gallicus u. ä. s. unter Regius, Campanus, Martius, Gallicus u.s.w.