RE:Adsignatio
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
---|---|---|---|
| |||
Abgabe von Gemeindeland an Private | |||
Band I,1 (1893) S. 426 (IA)–428 (IA) | |||
Bildergalerie im Original | |||
Register I,1 | Alle Register | ||
|
Adsignatio (publica). Gemeindeland kann Privaten oder Gemeinden zu vollem Eigentum oder blos zu Besitz- und Nutzniessungsrecht überlassen werden. Es ist gewiss richtig, wenn die Tradition den Königen als den Trägern der Souveränität das Recht der A. zuerkennt (Dionys. II 7; Romulus, II 62 und Cic. de rep. II 26: Numa; Dionys. III 1: Tullus, Cic. de rep. II 33: Ancus; Liv. I 46 und Dionys. IV 13: Servius). Im republicanischen Rom, wenigstens dem der späteren Zeit, ist die Anschauung geltend, dass den Magistraten kein Anrecht auf einen Liberalitätsakt auf Kosten des Gemeindelandes zustehe (treffender Vergleich mit dem Verhältnis des Vormunds zum Vermögen des Mündels bei Mommsen St.-R. I³ 240); vielmehr mussten diese u. zw. zunächst auf Geheiss des Senats (der erste Fall einer gegen den Willen des Senats erwirkten Ackerbill war die Lex Flaminia 522 = 232) in den Comitien ein Specialgesetz zu diesem Zwecke erwirken, durch das die Ausdehnung und die Modalitäten des Liberalitätsaktes festgestellt und, seit nicht mehr die ständige Oberbehörde die A. vornahm, also etwa seit den Samniterkriegen (Ausnahme [?] Liv. XXXII 1, 6 im J. 555 = 199; vgl. Mommsen a. O. 627, 3), die Einsetzung und Competenz der durch Volkswahl zu bestellenden Specialcommissäre normiert wurden. Derlei Ackergesetze (leges agrariae, s. d.) sind uns vielfach bezeugt, auch beziehen sich jene Commissäre in ihrem Titel wiederholt genau auf das Bestallungsgesetz (Cicero de lege agr. II 31 tresviri lege Sempronia; CIL VI 1312 wird Livius Drusus genannt Xvir a(gris) d(andis) a(dsignandis) lege sua, eodem anno Vvir a. d. a. lege Saufeia; in der Lex Mamilia Roscia Peducaea Alliena Fabia von 695 = 59 c. 55 curatoris qui hac lege erit). Diese [427] Specialbeamten (viri agris dandis adsignandis oder dandis oder dividendis, auch dandis adtribuendis iudicandis, auch blos agrarii genannt) sind in 3, 5, 7, 10, 15 oder 20gliedrigen Collegien vereint (nur das Ackergesetz von 643 = 111 Z. 57 nennt II viri) und konnten ebensowohl aus Privaten als aus den amtierenden Magistraten bestellt werden. Wenn es sich nicht um dare d. i. Übereignen, sondern um blosses adsignare d. i. Überweisung handelte, wenn also das Eigentumsrecht der Gemeinde nicht aufgehoben wurde, war der Volksbeschluss nicht nötig, und es genügte die Anweisung des Senats an einen Oberbeamten, dem eventuell eine Senatscommission zur Unterstützung zugewiesen werden konnte. So wurden 574 = 180 Ligurer auf dem Gebiete von Taurasia durch die Feldherrn angesiedelt (über das besitzrechtliche Verhältnis dieser Ansiedelung s. Mommsen St.-R. II³ 625, 2; dort wohl besser als CIL IX p. 125), die jenes Volk unterworfen hatten (agro dividendo dandoque iidem qui traduxerant … praepositi, postulantibus tamen ipsis Vviri ab senatu dati, quorum ex consilio agerent Liv. XL 38).
Selbst sehr geringfügige Schenkungen von Gemeindeacker erheischten noch um den Anfang des 2. Jhdts. v. Chr. neben dem Senatsbeschluss auch einen Volksbeschluss; vgl. die Aufschrift des Grabes an der Kreuzung der via del Marforio und des Macel dei corvi CIL I 635 = VI 1319 senatus consulto populique iussu locus monumento, quo ipse postereique eius inferrentur, publice datus est; aber der wachsende Einfluss des Senats auf die Vermögensgebarung sowie das Bedürfnis, die Volksversammlungen zu entlasten, führten dazu, dass in solchen Fällen der Senatsbefehl genügte (so schon 171 v. Chr. Liv. XLIII 3; 169 XLIV 16, 7; 168 Cic. d. n. II 6. III 13 vgl. Val. Max. 18, 1; Ackergesetz von 111 v. Chr., Z. 93 .… is ager ex s. c. datus adsignatus est), und vollends in späterer Zeit, nach der sullanischen Reform, steht dem Senate überhaupt das Assignationsrecht zu (vgl. Willems le sénat II 348, 2. Mommsen III 1119. Cic. ad fam. XI 20, 3; Phil. V 53 u. s.); fraglich ist (Willems a. O. 347ff. Mommsen III 1118, 2), wie weit ältere Fälle, z. B. Dionys. V 35 und Vict. de viris ill. 18, 5, auf Glaubwürdigkeit Anspruch erheben können. Die constituierenden Gewalten, welche zur Monarchie überleiten, sehen, wenn es ihnen so beliebt, bei der unentgeltlichen Ackeranweisung von der Mitwirkung des Senats und des Volkes ganz ab, knüpfen also auch hier an das königliche Recht an. Ebenso fällt die A. in der Kaiserzeit, in der sie, insbesondere für die Veteranen, eine wichtige Rolle spielt, ganz in die Competenz des Princeps. Nur Nerva hat, soviel wir sehen (Callistratus Dig. XLVII 21, 3, 1), für eine Ackerverteilung sich einer lex agraria bedient. Der Unterschied zwischen den vom Senate, bezw. von den republicanischen Gewalten, und von den durch über der Verfassung stehende Gewalten vorgenommenen A. kommt gelegentlich bei den Schriftstellern zum Ausdruck, am deutlichsten bei Vell. I 14, 1, der die iussu senatus ausgeführten Colonien (auch diese beruhen ja auf Assignation) den militares entgegenstellt, deren causae et auctores ex ipsarum praefulgent nomine.
[428] Die A. kann im Principe jedem Bürger, aber auch den Bundesgenossen (Liv. XLII 4, 4. Serv. Aen. I 12) zu gute kommen. Die Anzahl der Teilnehmer und die Qualification für den Landempfang sowie die Grösse der Ackerlose (sors, accepta, s. d.; ehedem waren bina iugera = 0,504 ha. das übliche Ausmass, und zwar angeblich seit Romulus, Fest. ep. p. 53 centuriatus ager. Varro r. r. I 10, 2. Plin. n. h. XVIII 7; auch sonst wird für die A. der älteren Zeit dies bescheidene Ackermass bestätigt oder vorausgesetzt, z. B. Siculus Flaccus p. 153. Iuv. XIV 163. Plut. Popl. 21. Liv. VI 36, 11) werden immer speciell durch die betreffende lex agraria festgestellt; so durch die vom J. 554 = 200, dass die Teilnehmer an den Kämpfen in Spanien und Africa beteilt werden sollten und zwar mit so vielmal zwei Iugera, als jeder Veteran Jahre gedient habe (Liv. XXXI 49). Selbstverständlich können nicht blos einzelnen Privaten, sondern auch anderen juristischen Personen, z. B. Gemeinden, Teile des ager publicus verliehen werden, insbesondere Wälder und Weiden (vgl. Rudorff Feldm. II 396ff.).
Die A. führt (s. u. Ager) entweder a) zum vollen Eigentumsrecht optimo iure, sei es nach römischem sei es nach latinischem Rechte, so dass diese Äcker den für den ager privatus geltenden Bedingungen unterworfen sind, aber auch vererbt, verkauft, cediert u. s. w. werden können (in uneigentlichem Sinne), oder b) lediglich zur possessio, so dass der Staat jederzeit den Acker wieder einziehen kann, ager occupatorius (s. u. Attributio), oder c) zur bedingten oder unbedingten Verzichtleistung des Staates auf die Einziehung, wobei indes sein Eigentumsrecht gewahrt bleibt, ager publicus privatusque. Über die Eignung des Bodens für die A. s. Ager.
Von staatsrechtlichen Folgen ist nur die a. coloniaria, die mit der Gründung einer neuen Gemeinde oder Ergänzung einer bestehenden verbunden ist, begleitet (s. Colonia und Deductio), nicht aber die a. viritana, die nicht notwendig den Beteilten zum Wohnungs- und Gemeindewechsel führt; vgl. über diese Mommsen CIL I p. 88; St.-R. II³ 636. Ruggiero Diz. epigr. I 106f. Litteratur: In den Handbüchern des röm. Staatsrechts, bes. bei Mommsen, dann Ruggiero Diz. epigr. I 103ff.; agrariae leges in der Enciclop. giuridica Italiana § 71–77. Rudorff gromat. Institutionen in Feldm. II 323ff.