Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Vertrag zu pax, amicitia und societas
Band VI,2 (1909) S. 28182825
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Foedus. Das antike Völkerrecht unterscheidet sich dadurch von dem modernen, daß nach moderner Anschauung der Friede, nach antiker dagegen der Krieg das normale Verhältnis der Völker zueinander ist. Daraus erklären sich die uns so fremdartig anmutenden Friedensschlüsse auf dreißig oder fünfzig Jahre u. ä. Soll zwischen zwei Völkern kein Kriegsverhältnis bestehen, so muß es formell ausgeschlossen sein. Diese Ausschließung kann auf drei verschiedene Arten erfolgen, von denen die zweite die erste und die dritte die beiden ersten in sich begreift und voraussetzt: die erste ist der Friede, die pax; die zweite die Freundschaft, die amicitia, die dritte das Bündnis, die societas. Die amicitia setzt den Frieden voraus und steigert ihn durch die Gewährung des privatrechtlichen Schutzes, des commercium, während die societas sowohl den Frieden, wie die amicitia in sich schließt und durch die Verpflichtung zu gegenseitiger Waffenhilfe über beide hinausgeht. Der Vertrag, der solche Verhältnisse herbeiführt, ist dann ein foedus, wenn Execrationseide der paziszierenden Teile den Zorn der Gottheit auf den Teil herabbeschwören, der das Abkommen brechen sollte. Nicht nur der Bündnisvertrag ist dann ein foedus, sondern ebenso der Friedensschluß und der Freundschaftsvertrag. Vgl. Varro de l. l. V 86 ut foedere fides pacis constitueretur. Beim Ausbruch des Hannibalischen Krieges sagt Cato orig. IV 10 p. 20 Jordan von den Karthagern: Karthaginienses sextum de foedere decessere, und die ältesten römisch-karthagischen Verträge waren nur Freundschaftsverträge; erst der Pyrrhusvertrag (über ihn zuletzt K. J. Neumann Lit. Zentralbl. 1897, 1289 und A. Klotz Berl. phil. Wochenschr. 1908, 443ff.) ging weiter. Der Ausdruck des Juristen Proculus Dig. XLIX 15, 7, 1 populus ... aequo foedere in amicitiam venit ist also nicht anzufechten. Über den etymologischen Zusammenhang von foedus mit fido vgl. A. Walde Lateinisches etymologisches Wörterbuch (1906) 233. 222. Varro de l. l. V 86 foedus quod fidus Ennius scribit dictum.

Eine Sammlung der Staatsverträge des Altertums hat R. v. Scala unternommen; Teil I 1898, reicht bis 388 v. Chr. Die amici populi Romani stellt V. Ferrenbach zusammen. Die amici populi Romani republikanischer Zeit, Straßburger Diss. 1895. In der Kaiserzeit tritt zu der fortbestehenden amicitia populi Romani [2819] (Res gestae divi Augusti 5, 41) die amicitia principis: 5, 17 Germanorum populi per legatos amicitiam meam et populi Romani petierunt. Nostra amicitia 5, 41 bezw. amicitia nostra 6, 5 ist doppeldeutig. Über die Verträge mit den Gliedern des Italischen Bundes handelt Beloch Der Italische Bund unter Roms Hegemonie, 1880. Den civitates (sine foedere) liberae et immunes stehen die civitates foederatae und die reges socii gegenüber.

Foedera regum vel Gabiis vel cum rigidis aequata Sabinis (Hor. ep. II 1, 24) meinte noch die Zeit des Augustus in ihrem Wortlaute zu besitzen. Nach Liv. I 24, 4 wäre das älteste foedus, von dem sich die Erinnerung erhalten, das vor dem Kampfe der Horatier und Curiatier unter Tullus Hostilius geschlossene; er will damit sagen, das älteste, dessen Wortlaut bekannt sei, denn I 23, 7 hat er ja selbst ein älteres f. Roms mit Alba erwähnt, nach I 19, 2 hat Numa societas und foedera mit allen Nachbarvölkern geschlossen; I 14, 3 nach dem Tode des Titus Tatius foedus inter Romam Laviniumque urbes renovatum est; I 13, 4 f. zwischen Romulus und den Sabinern; nach I 9, 2 schickt Romulus Gesandte zu den vicinae gentes um societas und conubium; nach I 1, 8 hat bereits Aeneas ein f. mit Latinus geschlossen, und (I 1, 9) durch die Verheiratung seiner Tochter mit Aeneas hat Latinus domesticum publico foedus hinzugefügt. Der wirklichen Geschichte aber gehört nicht einmal das F.-Formular bei Liv. I 24 an, sondern nur der Fall Albas im Kampfe mit Rom, und zwar einem etruskischen Rom. 1811 sagte Niebuhr in der ersten Ausgabe seiner Römischen Geschichte ,Alles deutet bey Rom auf etruskischen Ursprung‘, hat aber diese Hypothese in der Folge aufgegeben. Die sprachlichen Untersuchungen von Wilhelm Schulze Zur Geschichte lateinischer Eigennamen, Abh. der Gött. Ges. der Wiss., philol. histor. Kl., N. F. V 5, 1904 nötigen indessen, zu ihr zurückzukehren, mit anderer Begründung. Wir kennen kein älteres Rom als das der Tities Ramnes Luceres, und Tities Ramnes Luceres sind etruskisch. Längst bestanden, natürlich latinische, dörfliche Siedelungen auf den Hügeln am linken Ufer des Tiber (Monumenti antichi XV 1905), sie gehen in das achte und neunte Jhdt. v. Chr. zurück, aber sie waren keine Einheit und kein Staat. Eine solche sind sie erst durch das Vorrücken der Etrusker nach Süden, über den Tiber hinaus, geworden: Stadt und Staat Rom sind etruskische Gründung. Andere als etruskische Könige hat Rom schwerlich jemals besessen. Diese Begründung der etruskischen Stadt Roma ist natürlich erheblich älter als die einige Jahre vor 506 v. Chr. erfolgte Vertreibung der etruskischen Dynastie, aber wohl jünger als 700 v. Chr. Dieser Zeit gehört Hesiod an, und nach Theog. 1013–1016 gebieten Agrios (Atrios?) und Latinos fern im Winkel der heiligen Inseln über alle Tyrsener. Diese ,heiligen Inseln‘ zeigen uns, daß für die Kenntnis der Zeit Hesiods sich die Küsten des Mittelmeeres noch ebenso wenig geschlossen hatten, wie für die homerische, während im Frauenkatalog, in den der Hesiodischen Schule angehörigen Eboien, sich diese Küsten bereits zu schließen beginnen: Hesiod. rec. Rzach, [2820] 1902, frg. 63 (87) und 64 (88). Die Erwähnung der Tyrsener gehört demnach unzweifelhaft dem Hesiod selber, also der Zeit um 700 an. Gewiß haben die Latiner niemals über alle Tyrsener geherrscht, aber in der Zeit des siegreichen Vorstürmens der Etrusker über faliskisches und latinisches Gebiet in Südtoskana und über den Tiber hinüber war ein solcher Irrtum ganz unmöglich. Mit diesem siegreichen Vorrücken der Tyrsener nach Süden aber hängt die Gründung der Stadt und des Staates Rom zusammen. Zur Zeit Hesiods war dieser Staat noch nicht begründet. Vor den Zeiten der Republik, gegen das königliche Rom ist Alba gefallen: dieses Rom aber war etruskisch, der Fall von Alba muß als der größte Erfolg der Etrusker bei ihrem Vorrücken nach Süden gelten. Nunmehr erklärt sich auch die eigentümliche Stellung Roms gegenüber Latium und den latinischen Gemeinden. Mit Recht hat Mommsen wiederholt bemerkt, für uns sei keine Zeit erreichbar, in der Rom einfach eine der vielen latinischen Gemeinden gewesen wäre; vielmehr steht Rom immer der Gesamtheit dieser latinischen Gemeinden, dem Latinischen Bunde, gegenüber. Wir begreifen das jetzt ohne weiteres. Diese Sonderstellung erklärt sich daraus, daß der Staat Rom in seinem Ursprunge etruskisch war.

Diese Bemerkungen sind für die Auffassung desjenigen f. unentbehrlich, mit dem für uns die Kenntnis der römischen foedera beginnt, das des Sp. Cassius mit den Latinern. Die Annalistik setzt diesen Vertrag in das J. 493 v. Chr.; nach Liv. II 33, 4 war er nur von dem einen Consul abgeschlossen, nur der Name des Sp. Cassius hat in der Urkunde gestanden. Da Sp. Cassius aber dreimal Consul war, 502, 493 und 486 v. Chr., so war, da Iterationsbezeichnung noch jahrhundertelang den Urkunden fern blieb, aus der Urkunde selbst nicht zu erkennen, aus welchem Consulat des Sp. Cassius er stammte. Das f., das zwischen Rom auf der einen Seite, der Gesamtheit der latinischen Städte auf der andern geschlossen war, setzte zunächst (Dionys. Hal. VI 95) Frieden fest, solange Himmel und Erde sich hielten. Über die pax geht der Vertrag hinaus, indem er den privatrechtlichen Schutz des Commercium und den Prozeß dafür normiert: es ist der Inhalt der amicitia. Aber auch dabei bleibt das f. nicht stehen, sondern fordert gegenseitige Waffenhilfe und begründet demnach societas. Auch darin, daß die Teilung der Beute zu gleichen Hälften angesetzt wird, zeigt das f. sich als ein foedus aequum. Diesem Vertrage soll nichts hinzugefügt und nichts soll aus ihm gestrichen werden, falls es nicht den Römern und der Gesamtheit der Latiner so gut schiene. Wenn das latinische Recht späterer Zeit außer dem commercium allgemein das conubium mit Rom einschließt, so ist zu sagen, daß von einem allgemeinen conubium zwischen Römern und Latinern unmöglich zu einer Zeit die Rede sein konnte, wo ein solches noch nicht einmal in Rom selbst bestand, also vor dem Plebiscitum Canuleium. Damit soll aber nicht die Möglichkeit bestritten werden, daß ein bedingtes latinisch-römisches conubium unter Wahrung der Standesverhältniese älter ist. Ob im J. 358 v. Chr. das alte foedus Cassianum einfach erneuert oder in [2821] wieweit es modifiziert wurde (vgl. Scala nr. 180 S. 178), steht dahin.

Das f. mit Ardea vom J. 444 v. Chr. ruht allein auf Licinius Macer; Liv. IV 7, 12. Die Fasten dieses Jahres aber sind, wie in meinen Untersuchungen über Decemvirat, Consulartribunat und Consulnliste zu zeigen ist, vollständig gefälscht, nicht nur die der Consules suffecti, sondern auch die der angeblich ersten Consulartribunen. Licinius Macer hat das Unglück gehabt, bei der Fabrikation seines foedus Ardeatinum gerade ein gefälschtes Jahr der Consulnliste zugrunde zu legen und für den Text dieses f. zu benützen. Mommsens Verdacht gegen Licinius Macer (Röm. Chronol.2 93ff.) läßt sich heute beweisen; hier ist, ein seltener Fall, A. v. Gutschmid (Kl. Schriften V 531ff.) einmal nicht mißtrauisch genug gewesen. Sicheren Boden haben wir dagegen bei den römisch-karthagischen Verträgen (Polyb. III 22ff.), deren erster dem J. 348 v. Chr. angehört und, vor allem in Verbindung mit dem zweiten, uns über die Beziehungen Roms zu Latium unmittelbar vor Ausbruch des Latinerkriegs in erschreckender Weise aufklärt.

Der privatrechtlichen sponsio (s. d.) entsprechend wird das f. durch Frage und Antwort abgeschlossen. In dem F.-Formular I 24 läßt Livius freilich gerade das weg, was für die Form des F.-Abschlusses das Wichtigste ist; der ad sanciendum foedus bestellte pater patratus erfüllt seine Aufgabe multis verbis, quae longo effata carmine non operae est referre, Liv. I 24, 6. Wir können uns die Form aber vorstellen nach Analogie der formula deditionis bei Liv. I 38, wo die deditio durch Frage und Antwort zustande kommt, ebenso wie der Friedensvertrag bei Gaius III 94 si imperator noster principem alicuius peregrini populi de pace ita interrogat: pacem futuram spondes? Genaue Darlegungen der Formalitäten bei Lange Röm. A. I³ 325ff. und bei Wissowa Religion u. Kultus der Römer 476ff. Der zum Pater patratus (s. d.) geweihte Fetialis (s. d.) begab sich mit dem verbenarius, einem andern Fetialen, der die heiligen Gräser trug, dahin, wo der Vertrag abgeschlossen werden sollte; diese heiligen Kräuter (sagmina) sollten auch im fremden Lande gegen jede Verletzung schützen (Wissowa a. a. O. 477), das Gras war hier wie anderswo ein Zeichen der Unverletzlichkeit (Pischel Ins Gras beißen, S.-Ber. Akad. Berl. 1908, 462). Die Bedingungen des f. wurden schriftlich fixiert und ex tabulis cerave rezitiert. Auch den Execrationseid leistete der Pater patratus. Jedenfalls in späterer Zeit hat der Abschluß des f. die vorherige Genehmigung von Senat und Volk zur Voraussetzung; das verlegt das F.-Formular bei Liv. I 24 insofern in die Urzeit, als der Fetialis vom römischen König den Befehl zum f. ferire einholt. Die erste sichere Verwerfung eines Vertrages erfolgte 236 v. Chr. M. Claudius Clineas (?, s. o. Bd. III S. 2696 Nr. 115), der Legat des Consuls C. Licinius Varus, hat auf eigene Hand mit den Korsen Friede geschlossen. Der Senat verwarf den Vertrag und lieferte den Claudius den Korsen aus, die ihn aber nicht annahmen. Die Verwerfung erfolgte hier, weil Claudius gar nicht Träger des höchsten Imperium [2822] und also zum Abschluß des Vertrages nicht befugt gewesen war, die eben dem Träger des höchsten Imperium reserviert war (Liv. V 49, 2); der Vertrag ist nicht etwa darum verworfen worden, weil er iniussu populi geschlossen war. Aber daß der Schuldige ausgeliefert wird, damit der andere Teil sich an ihn halte, ist für das Verfahren bei Verwerfung von Verträgen vorbildlich geworden. Die Verwerfung des vom Proconsul Q. Pompeius (Real-Enc. Bd. V S. 1844ff.) 139/138 v. Chr. mit den Numantinern geschlossenen Friedens durch den Senat gibt zu staatsrechtlichen Erwägungen insofern keinen Anlaß, als Pompeius den Abschluß des Friedens geleugnet hat. Aber der 137 v. Chr. ebenfalls mit den Numantinern vom Consul C. Hostilius Mancinus geschlossene Friede ist in der Tat im folgenden Jahr 136 v. Chr., nach Ablauf des Consulates des Mancinus, vom Senat verworfen worden; vgl. darüber den berühmten Aufsatz von H. Nissen Der Caudinische Friede, Rh. Mus. N. F. XXV 1870, 1–65, bes. 50ff. Der Consul Mancinus schloß das f., und da die Numantiner, nach ihren Erfahrungen mit Q. Pompeius, ihm nicht trauten, so verbürgten sich für seine Einhaltung noch eine Anzahl seiner Offiziere als Sponsoren, darunter sein Quaestor Ti. Gracchus. Nach der Verwerfung des Friedens durch den Senat ist Mancinus den Numantinern dediert, aber von ihnen nicht angenommen worden. Die Sponsoren wurden nicht ausgeliefert, da Gracchus mit dem Hinweis auf den Befehl des Consuls durchdrang. Daß der Bericht über den Friedensschluß nach der caudinischen Katastrophe und seine Verwerfung von der Geschichte des Hostilius Mancinus aus verfälscht sei, hat Nissens oben erwähnter Aufsatz in glänzender Ausführung nachgewiesen.

Der Bericht der Quelle Diodors über die caudinische Katastrophe ist nicht erhalten. Nach der älteren Überlieferung, die sich bis auf Claudius Quadrigarius (Liv. IX 5, 2) verfolgen läßt, war es ein f. gewesen, das die Römer zur Rettung des Heeres eingegangen waren; nach Livius dagegen ist die pax Caudina nur per sponsionem zustande gekommen, als ob, wenn auch die Execrationseide bei ihr fehlen, nicht auch die sponsio den Staat verpflichtete, wie der Samnite bei Liv. IX 11, 10 mit Recht annimmt: in civitatem obligatam sponsione. Es seien 20 Sponsoren gewesen, die beiden Consuln an der Spitze. Im nächsten Consulatsjahr, 320 v. Chr., wird der iniussu populi geschlossene Vertrag, der nach dieser römischen Auffassung den populus nicht bindet, vom Senat verworfen, die Sponsoren werden den Samniten ausgeliefert, aber von ihnen nicht angenommen. Der Krieg beginnt aufs neue. Nach Liv. IX 5. 5 hatten die Samniten sich von den Römern 600 Reiter als Geiseln stellen lassen, qui capite luerent, si pacto non staretur. Nach Wiederaufnahme der Feindseligkeiten ziehen die Römer nach Luceria in Apulien, ubi equites Romani obsides ad Caudium dati custodiebantur, Liv. IX 2, 9.

Nach Liv. IX 9, 10ff. fragt der Consul Postumius: Wie war es möglich, daß ich ohne Auftrag den Vertrag schloß, daß die Samniten darauf eingingen und das römische Heer aus der Hand [2823] gaben? Er gibt darauf die Antwort: Wir waren beide verrückt, dii immortales et vestris et hostium imperatoribus mentem ademerunt. In Wirklichkeit wären nur die Samniten verrückt gewesen, wenn sie ohne genügende Sicherung das römische Heer aus ihrer Hand gaben, nicht die Römer. Aber waren sie es wirklich? Nissen hat darauf hingewiesen, daß die Samniten sich sehr wirksam gesichert hatten, nämlich erstlich durch die Geiselstellung der 600 Reiter und sodann durch die Forderung der Übergabe von Fregellae: erst nach der Besitznahme von Fregellae hätten sie wohl die 600 Reiter zurückgegeben. Erst nach der Rückgabe der Geiseln hätten die Römer dann die Nichtratifizierung des Vertrags wagen können: aber starken Gewinn hätten die Samniten aus dem Vertrag doch gezogen, eben Fregellae. Daß der Vertrag überhaupt kassiert worden sei, glaubt Nissen nicht bezweifeln zu sollen, weil bereits in den Diskussionen des J. 136 über Hostilius Mancinus und Numantia auf den Präzedenzfall von Caudium hingewiesen worden sei, Plut. Ti. Gracch. 7. Appian. Iber. 83.

Aber falls, was durchaus nicht sicher steht, wirklich bereits im J. 136 auf Caudium hingewiesen worden sein sollte, so würde sich damit nur das Alter des Berichts, noch nicht seine Richtigkeit ergeben. Längst hatte der Senat die Magistratur, die Präsidenten der Republik, gebeugt und zu instruierten Geschäftsführern des Senats hinabgezwungen: mit diesen Anschauungen und dieser Praxis des Senats vertrug sich nicht mehr der Abschluß eines Vertrages einfach durch den höchsten Träger des Imperium. Auslieferung eines unbefugten Paziszenten war 236 v. Chr. unzweifelhaft vorgekommen. So mochte denn auch die Neigung entstehen, die Schmach der furculae Caudinae nachträglich wenigstens in gewisser Weise theoretisch auszulöschen. Der Bericht über die Verwerfung der pax Caudina ist nachweisbar durch Numantia und Mancinus bestimmt worden. Es scheint möglich, daß auch der Gedanke der Ungültigkeitserklärung selber erst von dort aus in die Geschichte des Samniterkrieges hineingetragen worden ist. Diese Vermutung ist darum garnicht abzuweisen, weil nach der besten Quelle, nach Diodor, der Krieg zwischen Samniten und Römern erst 316 und 315 v. Chr. wieder beginnt. Unmittelbar vorher, seit 318 v. Chr., sind die Römer wohl in Apulien kriegerisch tätig, aber nicht den Samniten gegenüber. Die Samniten, nicht die Römer, sind es, die die Feindseligkeiten wieder aufnehmen, 316 durch das Bündnis mit dem von Rom abfallenden Nuceria Alfaterna, 315 in offenem Angriff. Mit Recht betont C. P. Burger Der Kampf zwischen Rom und Samnium, Amsterdam 1898, 24ff., es werde den Samniten nicht eingefallen sein, nach der Auslieferung von Fregellae die 600 Geiseln zurückzugeben. Und solange diese in den Händen der Samniten waren, hätten die Römer ihrerseits den Krieg mit den Samniten nicht beginnen können, ohne die Geiseln zu opfern. Die pax Caudina ist nicht für ungültig erklärt worden, sondern hat von 321–316 v. Chr. bestanden. Die Römer führten wohl auch schon vor 316 wieder Krieg, aber in Apulien, nicht direkt mit den Samniten. Und als diese selbst, wohl besorgt wegen der römischen Erfolge in [2824] Apulien, dann wieder losschlugen, hatten nicht die Römer die pax gebrochen, die Geiseln waren also nicht gefährdet.

Wenn Diodor XIX 10, 1 unter dem J. 317 v. Chr. bemerkt, Ῥωμαῖοι μὲν ἔννατον ἔτος ἤδη διεπολέμουν πρὸς Σαυνίτας, so ist auch bei ihm die Kunde von dem Frieden, der von 321–316 zwischen Römern und Samniten bestanden hat, bereits geschwunden, aber sein Kriegsbericht weiß auch seit 318 nicht von Kriegstaten von Belang und vor 316 bezw. 315 von Krieg nur in Apulien zu berichten. Die beiden geschiedenen Samniterkriege, den von 326–321 und den von 316–304 zur Einheit zusammenzufassen, wird auch dadurch erleichtert worden sein, daß man nicht scharf genug zwischen den Kämpfen in Apulien und einem Krieg mit den Samniten selber schied.

Den Druck auf die Erhaltung des Friedens übten die Samniten durch die römischen Geiseln, die 600 equites, aus. Was waren das für so bedeutsame Leute? Nissen 60 meint, es sei die Reiterei eines consularischen Heeres von zwei Legionen. Aber es waren ja beide Consuln zugegen, es war also ein doppeltes consularisches Heer, wie auch Appian. Samn. 4, 6 voraussetzt; vgl. Mommsen R. St.-Ρ. Ι³ 248, 3. Zu einer ganz anderen Auffassung der 600 Reiter führt die Betrachtung der militärisch-politischen Verfassungsentwicklung Roms.

Daß das bekannte Schema der 193 Centurien mit ihren Geldansätzen aus der Zeit von 268–217 v. Chr. stammt, haben vor zwei Menschenaltern Boeckhs Metrologische Untersuchungen dargetan, deren Tragweite bereits der junge Mommsen zu würdigen wußte. Wenn neuerdings Francis Smith Die römische Timokratie, Berlin 1906, und Hans Delbrück König Servius Tullius und das römische Wahlrecht, Preuß. Jahrb. CXXXI 1908, 87–102, dieses Schema an die Maßnahmen der Censoren von 179 v. Chr. anschließen, so liegt bei beiden eine falsche Interpretation von Liv. XL 51, 9 zugrunde. Im J. 268 v. Chr. lag indessen kein Anlaß zu einer großen militärischpolitischen Neuerung vor: damals können lediglich die Geldansätze dem neuen Münzfuß angepaßt, umgerechnet und angemessen abgerundet worden sein. Eingeführt müssen die Geldansätze aber sein, als man die Verbindung von örtlicher Tribus und Grundeigentum löste, also durch Appius Claudius. Damals bestand auch bereits die römische Münze, die mindestens 100 Jahre jünger ist als das Decemvirat. Das Schema der 193 Centurien mit Geldansätzen muß demnach auf die Censur des Appius Claudius vom J. 310 v. Chr. [Diodor; 312 Livius[1] ] zurückgeführt werden, wir besitzen sein Centurienschema, nur umgerechnet in den Münzfuß von 268 v. Chr. Die ältere Centurienordnung ruhte auf dem freien Grundeigentum und der örtlichen Tribus, die Leute der classis bestanden aus den Vollhufnern, die zwei Morgen Haus, [2825] Hof und Feldgarten, vierzehn Morgen Anteil an der Flur und ein Nutzungsrecht an der Almende, dem ager compascuus, besaßen. Daß der springende Punkt für das Verständnis der ursprünglichen Servianischen Verfassung ihre Abhängigkeit von der Bodentribus und der Begründung der ländlichen Tribus ist, habe ich bereits 1900 und 1901 ausgesprochen (Bauernbefreiung 19 und L. Iunius Brutus, der erste Consul, Straßburg. Festschr. zur 46. Philologenverslg. 323). Über die Reform des Appius Claudius s. Bauernbefreiung 26, vor allem aber Lit. Zentralblatt 1900, 1053: ,im J. 312 hat Appius Claudius durch seine Reform der sog. Servianischen Centurienordnung den Römern ein neues Heer geschaffen‘; Straßb. Festschr. 323: ,Von Appius Claudius rührt die Loslösung der Servianischen Centurienordnung vom Grundeigentum und der Bodentribus her; von ihm ihre Umbildung in die Form der 193 Centurien und der fünf Stufen; er hat das Heer geschaffen, das die Unterwerfung Italiens vollendet hat‘. Denn seine neue Heeresordnung nahm die nicht grundeigentumbesitzenden Bürger in das Heer auf und bedeutete eine große Heeresverstärkung, wie man ihrer zur Entscheidung des Samniter- und Etruskerkriegs bedurfte.

In dem Schema der 193 Centurien finden sich 18 Reitercenturien, 6 davon bis auf die Reform des C. Flaminius von 220 v. Chr. rein patrizisch; die Tities Ramnes Luceres priores und posteriores. Diese 6 bestanden längst vor Appius Claudius, die 12 anderen sind vorher wenigstens nicht sicher nachzuweisen. Sehr wohl konnte wohlhabenden Plebeiern längst gestattet sein, equo privato zu dienen, ehe plebeische Centurien von equites equo publico begründet wurden.

Jetzt sieht man, worin die kolossale Bedeutung der 600 römischen equites lag, die sich die Samniten im J. 321 v. Chr. als Geiseln stellen ließen: es waren die sechs alten Reitercenturien, rein patrizisch, es war die Gesamtheit der patrizischen Jugend. Sehr möglich, daß es im J. 321 v. Chr. nach der damaligen Centurienordnung andere Reitercenturien als diese sechs noch gar nicht gab. Auch Appian. Samn. 4, 4 bezw. seine Quelle scheint an diese patrizischen Centurien gedacht zu haben, wenn bei ihm der Samnite sagt: τῶν τε ἱππέων ἐπιλέξομαι τοὺς ἐπιφανεστάτους ὅμηρα τῶνδε τῶν συνθηκῶν. Unter den 18 Centurien, die er infolge der üblichen Chronologie der Servianischen Ordnung natürlich alle auf die Königszeit zurückgeführt hat, waren sie die ἐπιφανέσταται.

Ins J. 310 v. Chr. fällt meines Erachtens die große Heeresreform des Appius Claudius; es erscheint nun nicht mehr als Zufall, wenn im Jahr darauf bestimmt wird, ut tribuni militum seni deni in quattuor legiones a populo crearentur. Die Tribunen der Legion waren ursprünglich alle sechs von den Feldherren ernannt worden, dann wurden diejenigen gewählt, drei, vier oder sechs, die als Consulartribunen Präsidenten der Republik werden sollten. Als die Präsidentschaft wieder zur Zweistelligkeit in der Form des Consulates zurückgekehrt war, wurde, seit 362 v. Chr. die Wahl von soviel Tribunen, wie bisher eventuell zu Consulartribunen gewählt werden konnten, also von sechs, dem Volke gelassen; jetzt, seit 309 [2826] v. Chr., werden für jede der vier consularischen Legionen vier Tribuni militum vom Volke gewählt, während je zwei der consularischen Ernennung überlassen blieben. Nach Liv. IX 30, 3 ist das durch ein Plebiscit der Volkstribunen L. Atilius und C. Marcius geregelt worden. Ein L. Atilius steht unter den gefälschten angeblich ersten Consulartribunen des J. 444 v. Chr. Aber in der Tat ist ein L. Atilius einer der ersten Plebeier gewesen, die zur Präsidentschaft der Republik gelangten, der Consulartribun der J. 399 und 396 v. Chr.

Demselben Jahre wie die Bestimmung über die Wahl der Militärtribunen gehört die Bestellung von duoviri navales an. Auch hierin äußert sich die Wirkung der Koalition der Etrusker mit den Samniten, wie sie sich 310 v. Chr. vollzogen hatte und in Rom den Anlaß zu den großen Reformen gab, zu der Neuordnung des Heeres und, wie man nunmehr sieht, auch der Flotte.

Soviel über die pax Caudina und im Anschluß an sie. Verwerfung eines f. durch den Senat, weil es iniussu populi geschlossen sei, ist also zum erstenmal im J. 136 v. Chr. vorgekommen, die Theorie ist aber möglicherweise etwas älter und in der Zeit der vollen Senatsherrschaft entstanden. Die erste Auslieferung eines Paziszenten, der auf eigene Hand gehandelt hatte, allerdings nicht sowohl iniussu populi, als iniussu consulis, geschah im J. 236 v. Chr.

Daß die Begründung der Plebs auf ein mit den Patriziern oder allen Römern geschlossenes foedus zurückgehe, ist, wie Mommsen R. St.-R. II 13 287ff. mit Recht bemerkt, eine Fiktion der plebeisch gesinnten römischen Staaatsrechtslehrer. Sie knüpft noch dazu an die spätere Legende von der secessio plebis in montem sacrum an, nicht an die wirkliche Entstehung des Volkstribunates im Zusammenhange mit der Begründung der städtischen Tribus.

Wenn im weiteren Sinne alle Verträge ein f. sind, die dauernde pax, amicitia oder societas begründen, so ist f. im engeren Sinne nur der die societas begründende Akt; aber die Latiner werden, wegen ihrer engeren Zugehörigkeit, darum doch nicht als foederati bezeichnet, und für die italischen Bundesgenossen wird der Name socii (s. d.) gebraucht: vgl. SC. de Bacchan. 7 ne quis ... ceivis Romanus neve nominus Latini neve socium quisquam gegenüber der allgemeinen Bezeichnung a. a. O. 2 de Bacanalibus quei foideratei esent ita exdeicendum censuere. Mit der Auflösung des Italischen Bundes und der Neuordnung Italiens nach dem Bundesgenossenkriege gehen die latinischen Gemeinden und die socii Italiens im neuen Municipalrecht auf: es werden römische Bürgergemeinden mit lokaler Autonomie. Die Bündnisse aber bestehen weiter auf dem außeritalischen Reichsboden mit den der Provinzialverwaltung eximierten civitates foederatae, die sich von den civitates sine foedere liberae et immunes weniger durch den Inhalt ihrer Rechte und Pflichten, als durch deren Grundlage unterscheiden, die nicht ein f., sondern ein Senatusconsult oder Gesetz ist, deren Rechtsstand also einseitig von Rom aus verändert werden kann; sie bestehen weiter mit den reichsangehörigen reges socii, die ebenfalls durch ein f. mit Rom [2827] verbunden sind, die der Sprachgebrauch aber auch nicht foederati nennt. Mit Augustus geht die Befugnis, pax und f. abzuschließen, auf den Princeps über, und dies Recht des F.-Abschlusses ist den Kaisern regelmäßig verliehen worden; SC. de imperio Vespasiani 1: foedusve cum quibus volet facere liceat ita, ut licuit divo Aug(usto) Ti. Iulio Caesari Aug(usto) Tiberioque Claudio Caesari Aug(usto) Germanico. Auch die alte Form des f. hat sich in die Kaiserzeit hinein erhalten, Suet. Claud. 25. Dieser Form bedient der Princeps sich aber nur den reichsangehörigen Staaten gegenüber, nicht für die Verträge mit dem Ausland.

Anmerkungen Bearbeiten

  1. Die Censur des App. Claudius folgt bei Diodor, der für uns maßgebend sein muß, im J. 310 v. Chr. auf das Consulat des C. Iunins vom J. 311; es war sein drittes Consulat. Bei Livius folgt sie dem zweiten Consulate des C. Iunins vom J. 313; so ist sie versehentlich ins J. 312 v. Chr. gekommen.