69) L. Cornelius Balbus. Hauptquelle für sein Leben sind die Schriften Ciceros, die im folgenden ohne Autornamen angeführt werden, B. = oratio pro Balbo, A. = epistulae ad Atticum. Die Vaterstadt des Balbus war Gades, eine seit dem hannibalischen Kriege mit Rom verbündete Stadt (B. 5. 6. 43 und öfter; A. VII 7, 6. Tac. ann. XI 24. Plin. n. h. V 36. VII 136. Dio XLVIII 32, 2; vgl. die Darstellung des Hercules und seiner Attribute auf den Münzen des Balbus als Anspielung auf den Hauptcult von Gades); er
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stammte aus angesehener Familie (B. 6. Hist. Aug. Balbin. 7, 3). Phoinikische Herkunft wird für ihn gewöhnlich angenommen (z. B. von Mommsen R. G. III 490), und sein einheimischer Name, den er mit einem ähnlich klingenden bekannten römischen Cognomen vertauschte, wird aus dem Punischen zu erklären gesucht (vgl. Baal = Hercules; Balbus, Berg bei Karthago, Liv. XXIX 31, 7 nach den schlechteren Hss.); Beweise dafür giebt es nicht, und das Schweigen der Autoren spricht eher dagegen, während Bezeichnungen wie Tartesius (A. VII 3, 11) und Hispanus (Vell. II 51, 3) die Annahme iberischer Abstammung zu empfehlen scheinen. Der Vater des Balbus heisst in den Fasten (CIL I² p. 60. 64) Lucius, wurde also mit ihm zusammen römischer Bürger und starb erst nach 682 = 72. In römische Dienste trat Balbus als junger Mann während des sertorianischen Krieges und war den Gegnern des kühnen Parteigängers vielfach von Nutzen. Hauptsächlich schloss er sich an C. Memmius an, der 675 = 79 als Quaestor des Q. Metellus Pius nach Spanien kam und anscheinend später unter Cn. Pompeius in ähnlicher Stellung weiterdiente; Balbus machte in seiner Begleitung die Schlachten am Sucro und an der Turia mit und blieb bei Pompeius bis zur Beendigung des Krieges 682 = 72 (B. 5f., vgl. Jullien 9). In diesen Kämpfen ist er zum Manne gereift und zum Römer geworden; er empfing nun als Lohn für seine Dienste das römische Bürgerrecht auf Grund des Rechtes, das die Lex Gellia Cornelia von 682 = 72 dem Pompeius verliehen hatte (B. 6. 19. 38. Plin. n. h. V 36. Hist. Aug. Balbin. 7, 3, vgl. Mommsen St.-R. III 135). Mit ihm erhielten alle die Seinigen das Bürgerrecht; da sowohl er, wie sein Neffe Nr. 70, der allein von diesen näher bekannt ist, später dem L. Cornelius Lentulus Crus (Nr. 218) durch Freundschaft besonders verbunden und durch Wohlthaten verpflichtet erscheinen, so hat die schon von Manutius aufgestellte, von Jullien 15f. wiederaufgenommene Vermutung am meisten für sich, dass dieser L. Cornelius, der damals in Spanien gedient haben kann, den Balbus zur Civität empfahl, und dass der neue Bürger sich zum Danke nach ihm nannte (vgl. über die späteren Beziehungen A. IX 7 b, 2. VIII 15 a, 2. Vell. II 51, 3). Der neue Römer gehörte zunächst einer der geringeren städtischen Tribus an, bis ihm eine erfolgreiche Anklage de ambitu den Eintritt in die angesehenere Clustumina verschaffte (B. 57, vgl. Mommsen St.-R. III 175, 2. 184); die Aufnahme in den Ritterstand dankte er seinem von jeher bedeutenden Vermögen. Schon früh trat er in Beziehungen zu C. Iulius Caesar (B. 63), vermutlich während dieser als Quaestor 686 = 68 in Hispania ulterior weilte und sich längere Zeit in Gades aufhielt (vgl. Suet. Caes. 7). 693 = 61 kehrte Caesar als Propraetor in dieselbe Provinz zurück und ernannte Balbus zu seinem Praefectus fabrum: seitdem schenkte er dem Gaditaner unbedingtes Vertrauen (B. 63f.) und begünstigte ihm zu Liebe auch seine Vaterstadt auf jede Weise (B. 43), die dafür wieder ihrerseits den ehemaligen Mitbürger zum Patron wählte (B. 41f., vgl. Mommsen Röm. Forsch. I 334). Mit Caesar kam Balbus nach Rom und bemühte sich eifrig um das Zustandekommen des
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Triumvirats; er gab dem Cicero im December 694 = 60 im Auftrag seines Gebieters die bestimmte Versicherung, dieser werde sich nach Möglichkeit in die Wünsche des Cicero und des Pompeius schicken und eine Versöhnung zwischen Crassus und Pompeius herbeizuführen suchen (A. II 3, 3). Und wie damals die Machthaber durch Familienverbindungen ihr Bündnis stärkten, so thaten auch ihre Diener; Balbus, der Günstling Caesars, liess sich von dem Geschichtschreiber Theophanes von Mytilene, der von Pompeius das römische Bürgerrecht erhalten hatte und zu dessen treuesten Anhängern gehörte, in aller Form adoptieren. Cicero sagt darüber 698 = 56 B. 57: et adoptatio Theophani agitata est (von den Gegnern des Balbus), per quam Cornelius nihil est praeterquam propinquorum suorum hereditates adsecutus, und Anfang 704 = 50 A. VII 7, 6: annorum enim decem imperium et ita latum placet: placet igitur etiam me expulsum et agrum Campanum perisse et adoptatum patricium a plebeio, Gaditanum a Mytilenaeo et Labieni divitiae et Mamurrae placent et Balbi horti et Tusculanum. Diese Äusserungen, die nach der Zeit, der Stimmung und den Zeitverhältnissen so verschieden sind, lassen ahnen, dass diese Adoption einerseits dem Balbus materiellen Vorteil brachte, andererseits nicht der politischen Bedeutung entbehrte. Sie war freilich nicht von Dauer, denn der Bürgerkrieg, in welchem Theophanes und Balbus auf verschiedenen Seiten standen, löste das künstliche Band zwischen ihnen, und nur der spätere Kaiser Balbinus erinnerte sich ihrer, indem er seinen Ahnherrn Cornelius Balbus Theophanes nannte und rühmte (Hist. Aug. Balbin. 7, 3). Im J. 696 = 58 ging Cicero in die Verbannung und Caesar als Statthalter nach Gallien; damals erwies sich Balbus jenem gefällig, indem er seine Angehörigen unterstützte (B. 58); von diesem erhielt er aufs neue die Stelle des Praefectus fabrum (B. 63f.). Aber mehr als in Gallien war er in Rom für diesen thätig und wusste aus seiner Vertrauensstellung auch für sich Vorteil zu ziehen. Von seinem Verhältnis zu Caesar sagt Cicero B. 63: fuit hic multorum illi laborum socius aliquando, est fortasse nunc nonnullorum particeps commodorum, und von dem zu Pompeius später A. IX 13, 8: cui Gnaeus noster locum, ubi hortos aedificaret, dedit, quem cui nostrum non saepe praetulit? In der Anlage jener Gärten und in der Erwerbung des tusculanischen Gutes von Q. Metellus (s. o.) documentierte sich der Reichtum des Balbus aufs glänzendste und erweckte vielen Neid (B. 56f.). Auf ihn bezieht sich jedenfalls auch Val. Max. VII 8, 7: L. Valerius, cui cognomen Heptachordo fuit, togatum hostem Cornelium Balbum expertus, utpote opera eius et consilio compluribus privatis litibus vexatus ad ultimumque subiecto accusatore capitali crimine accusatus, praeteritis advocatis et patronis solum heredem reliquit, was zu combinieren sein dürfte mit Schol. Bob. p. 228 Or.: Decimus Laelius repetundarum reum (L. Valerium) Flaccum fecerat subscribentibus L. Balbo et Apuleio Deciano. L. Valerius Flaccus war nämlich 685 = 69 Quaestor in Spanien (Cic. Flacc. 6) und kann dort ebensowohl in unfreundliche Beziehungen zu dem
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reichen Provincialen gekommen sein, wie sein Nachfolger Caesar in freundliche; dass der Spitzname Heptachordus sonst nicht überliefert ist, hat nichts Auffälliges (vgl. den Spitznamen des C. Antonius Hybrida, den nur Plin. n. h. VIII 213 angiebt [o. Bd. I S. 2577] u. a.), und es steht demnach nichts im Wege, in unserem L. Cornelius Balbus den einen Mitankläger des L. Valerius Flaccus 695 = 59, den Cicero in seiner Verteidigungsrede für Flaccus wohl absichtlich nicht nennt, und den Erben seines Gegners zu sehen. Mitten in seinem Glück sah sich Balbus von einer grossen Gefahr bedroht; seine ganze Existenz stand auf dem Spiele (vgl. die B. 5 angeführten Worte des Pompeius; dazu Plin. n. h. VII 136), als die Anklage wegen widerrechtlicher Anmassung des Bürgerrechts gegen ihn erhoben wurde. Von dem Kläger erfahren wir nur, dass er ein Gaditaner von ziemlich schlechtem Ruf war (B. 25). Er konnte nicht bestreiten, dass Balbus das Bürgerrecht in aller Form von Pompeius erhalten habe, aber er bestritt principiell: ex foederato populo quemquam potuisse, nisi is populus fundus factus esset, in hanc civitatem venire (B. 19, vgl. Mommsen St.-R. III 698). Diese rechtliche Grundlage der Anklage stand auf schwachen Füssen, und es hätte vielleicht schon das Zeugnis der Gaditaner, die eine eigene Gesandtschaft für den Angegriffenen schickten (B. 41ff.), genügt, um sie zu entkräften. Es ist daher kein Zweifel, dass der Process einen politischen Hintergrund hatte, und dass man in Balbus vielmehr seine Gönner, zugleich Caesar und Pompeius, treffen wollte (vgl. B. 6–8. 58ff. und die Schlussworte der ganzen Rede). Dass die Verhandlung ins J. 698 = 56 gehört, steht sicher fest (Drumann G. R. II 598, 37); dass sie nach der Zusammenkunft der Triumvirn in Luca im April stattfand, ist gleichfalls zweifellos, aber wäre damals erst die Anklage erhoben worden (so Lange R. Altert. III 335), so wäre es eine zwecklose Demonstration gewesen. Daher trifft Jullien 64ff. jedenfalls das Richtige mit der Annahme, es sei zwischen der Erhebung der Anklage und der Verhandlung darüber eine längere Frist verstrichen; die Gegner der Triumvirn wollten deren Zwist zu einem kräftigen Schlage benutzen, aber inzwischen erfolgte die Aussöhnung der drei Gewaltigen, und der Schlag ging fehl. Caesar, der fern von Rom weilte, trat nicht direct als Beschützer des Balbus auf, aber seine beiden Genossen übernahmen persönlich die Verteidigung; zuerst sprach Pompeius für den Angeklagten (B. 2. 5. 17. 59), dann Crassus (B. 17. 50) und als dritter Cicero, der sich in seiner noch erhaltenen Rede (vgl. über deren Disposition Hoche 10–16) als gefügiges Werkzeug der Triumvirn zeigte. Balbus wurde natürlich freigesprochen. In der Praefectura fabrum wurde ungefähr um dieselbe Zeit Mamurra sein Nachfolger, aber er selbst blieb Caesars vertrautester Agent und war abwechselnd in Rom und in Gallien unermüdlich für ihn thätig. Wie geschäftig er ihm Freunde warb und wie er durch das liebenswürdigste Entgegenkommen namentlich Cicero sich zu verpflichten suchte, zeigen die Briefe, die dieser in den J. 700 = 54 und 701 = 53 nach Gallien an Caesar (ad fam. VII 5, 2; ad Caes. frg. I 2
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bei Non. p. 287, 25 [von Gurlitt in einem mir nicht zugänglichen Programm anders bezogen, vgl. Groebe bei Drumann G. R. I² 427]), an seinen Bruder Quintus (ad Q. fr. II 10, 4. III 1, 9. 12) und an C. Trebatius Testa (ad fam. VII 6, 1. 7, 1. 8, 2. 9, 1. 16, 3. 18, 3) richtete. In Rom hatte Balbus damals grossen Einfluss; er konnte im J. 703 = 51 dem Consul Metellus Scipio Vorwürfe über dessen Antrag machen, die Verhandlung über die gallischen Provinzen auf den 1. März des folgenden Jahres festzusetzen (Cael. ad fam. VIII 9, 5), und im April 704 = 50 in Caesars Namen den Tribunen Curio bewegen, seinen Widerspruch gegen die Supplicationen für Cicero fallen zu lassen (ebd. 11, 2). Aus der ersten dieser Stellen und der gleich zu erwähnenden A. VII 3, 11 hat O. E. Schmidt (Briefwechsel des Cicero [Leipzig 1893] 177) geschlossen, dass Balbus damals schon Senator gewesen sei, aber ein bestimmter Beweis für diese Meinung ist aus ihnen nicht zu entnehmen, während Tac. ann. XII 60 entschieden für das Gegenteil spricht. Vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges suchte Balbus im November 704 = 50 durch schmeichelhafte Briefe Cicero auf Caesars Seite zu ziehen, aber der Redner war damals bereits misstrauisch gegen seine Liebenswürdigkeit geworden (A. VII 3, 11); gleichzeitig unterhandelte Balbus noch einmal als der Bevollmächtigte Caesars mit dem des Pompeius, dessen Schwiegervater Metellus Scipio (A. VII 4, 11). Als die Würfel gefallen waren, der Krieg nicht mehr aufzuhalten, da zeigte er eine würdige und tactvolle Haltung, indem er von Caesar die Gunst erbat und erhielt, nicht das Schwert gegen alte Freunde und Wohlthäter ziehen zu müssen, sondern in Rom für ihn thätig sein zu dürfen, wobei er gleichzeitig jenen während ihrer Abwesenheit nützen konnte (A. IX 7 b, 2). In den nächsten Monaten, Anfang 705 = 49, unterhielt Balbus einen lebhaften Briefwechsel mit Cicero, – um den unentschlossen Schwankenden zu gewinnen. Zuerst erwähnt der Redner am 17. Februar einen Brief des Balbus (A. VIII 2, 1), dann einen zweiten am 25. Februar, worin ihm jener Caesars Friedensliebe so überschwänglich anpries, dass der Empfänger sich des Misstrauens nicht erwehren konnte (A. VIII 9, 4). Am 3. März schickte er an Atticus das Schreiben des Balbus, A. VIII 15 a, worin ihn dieser dringend bittet, alles zur Herbeiführung einer Versöhnung der Gegner aufzubieten, worin er sich über den Consul Lentulus beklagt, der gegen seinen Rat Rom verlassen habe, und worin er ihm endlich Caesars Milde bei Corfinium als Beweis für dessen versöhnliche Gesinnung vor Augen stellt. Cicero begleitet freilich die Zusendung dieses Briefes an seinen Freund mit der bittern Bemerkung, Balbus wolle seiner spotten (A. VIII 15, 3), und äusserte auch einige Tage später, dass jener ihn täusche (A. IX 5, 3). Ein Brief des Balbus, den er am 11. März erwähnt, meldete nur, dass Lentulus Italien den Rücken gekehrt habe (A. IX 6, 1). Aber inzwischen hatte Caesar nach der Einnahme von Corfinium (20. Februar) an seine Vertreter in der Hauptstadt, Balbus und C. Oppius, eine Kundgebung gerichtet, worin er im Einvernehmen mit ihnen die Schonung und Versöhnung der Gegner als seinen ersten Grundsatz bekennt (A. IX 7 c),
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und beide beeilten sich, vor allem Cicero davon in Kenntnis zu setzen. In einem von ihnen gemeinsam abgefassten Schreiben baten sie den Redner eindringlich, neutral zu bleiben, da Caesar den grössten Wert auf Wiederherstellung des Friedens legte (A. IX 7 a). Kurz darauf wiederholte Balbus allein unter Beilegung von Caesars Brief, dass sein Gebieter die freundschaftlichsten Gesinnungen für Cicero hege, und dass er persönlich diesem unbedingt ergeben sei (A. IX 7 b). Am 24. März schickte Cicero an Atticus einen Brief Caesars aus dem Lager bei Brundisium, wonach Caesar noch einmal mit Pompeius Verhandlungen angeknüpft hätte; Balbus hatte dem Cicero diese wenigen Zeilen zugehen lassen und dazu bemerkt, wie sehr er selbst von dem Wunsche nach einer friedlichen Lösung beseelt sei und unter den gegenwärtigen Verhältnissen litte (A. IX 13 a, 2). Cicero konnte sich nicht enthalten, eine ironische Bemerkung zu diesem Schlusse zu machen (A. IX 13, 8), und mit Recht kam er am nächsten Tage darauf zurück (A. IX 14, 2), da die inzwischen eingetroffene Meldung von Pompeius Übergang nach Griechenland jede Möglichkeit der friedlichen Lösung vernichtet hatte, wie er auch am 3. April ziemlich geringschätzig von den Vermittlungsversuchen des Balbus, ohne diesen zu nennen, spricht (A. X 1, 2, vgl. O. E. Schmidt a. O. 166f.). In der folgenden Zeit blieb Cicero noch in Italien und dachte daran, auf Malta die Entwicklung der Dinge abzuwarten; als er den Balbus durch Atticus darüber ausforschen liess, riet Balbus freundlich, doch entschieden davon ab (A. X 18, 2); indessen schliesslich ging Cicero doch zu Pompeius über. Während Caesar in diesem und den nächsten Jahren im Felde stand, waren Balbus und Oppius, die einfachen römischen Ritter ohne Amt und Stellung, in Rom thatsächlich die Regenten (Tac. ann. XII 60), so dass man wohl mit bitterem Hohn von der königlichen Macht des Balbus sprach (A. XII 12, 1; ad fam. IX 19, 1; vgl. Mendelssohn z. d. St.). Chiffrierte Depeschen vermittelten regelmässig den Verkehr des Dictators mit seinen Stellvertretern in der Hauptstadt (Gell. XVII 9, 1), und was sie verfügten, wurde von ihm gutgeheissen (ad fam. VI 8, 1). Sie waren es daher auch, an die sich Cicero wandte, als er nach der Schlacht bei Pharsalos nach Italien zurückkehrte und Caesars Gnade erbat (A. XI 6, 3. 7, 5. 8, 1f. vom Ende 706 = 48). Seine Unruhe und Aufregung machte sich öfter in Klagen über sie Luft, die kaum gerechtfertigt waren (A. XI 9, 1 vom 3. Januar 707 = 47: quotidie iam Balbi ad me litterae languidiores; XI 14, 2 vom 25. April; XI 18, 1 vom 19. Juni), bis er am 1. September von Balbus beruhigende Versicherungen erhielt (A. XI 22, 1) und bald darauf wirklich heimkehren durfte. Über die Beziehungen zwischen Cicero und Balbus in der nächsten Zeit sind wir gut unterrichtet und können daher wenigstens vermuten, welche bedeutende Stellung Balbus und Oppius damals einnahmen. 708 = 46 verwendete sich Cicero bei ihnen für die Rückkehr anderer Pompeianer, des A. Caecina (ad fam. VI 8, 1), Q. Ligarius (ebd. 14, 3 ohne Namen), T. Ampius Balbus (ebd. 12, 2), P. Nigidius Figulus (ebd. IV 13, 5), und 709 = 45 rühmt er sich des ausgezeichneten Verhältnisses
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zu ihnen (ad fam. VII 24, 1; A. XII 13, 2. XIII 49, 2). Namentlich mit Balbus stand er in regem Briefwechsel (A. XII 19, 2. 44, 3. XIII 21, 6. 45, 1. 50, 3) und ausserdem in geschäftlicher Verbindung (A. XII 12, 1. 47, 1. XIII 37, 4. 45, 3. 46, 3); er erfuhr von ihm alle wichtigeren Nachrichten (ad fam. IX 17, 1) und war ihm vielfach verpflichtet, wenn er auch gelegentlich eine boshafte Bemerkung über ihn nicht unterdrückte (ebd. 19, 1f.). Auch sein Verkehr mit Caesar wurde durch dessen Stellvertreter vermittelt. So schickten sie im Juni 709 = 45 dem Dictator Ciceros Rede für Ligarius nach Spanien, weil sie mit den hier ausgesprochenen Ansichten teilweise übereinstimmten (A. XIII 19, 2). Etwa um dieselbe Zeit übergab Balbus einmal dem Cicero einen Brief des Caesar und übermittelte diesem eine Antwort des Redners, worin die beiden grossen Meister des Stils Complimente über die Form ihrer Flugschriften für und wider den jüngeren Cato wechselten (A. XIII 46, 2. 50, 1). Doch als Cicero den beiden Regenten den Entwurf einer Denkschrift über die politische Lage für den Dictator vorlegte (A. XII 51, 2. XIII 1, 3), verhehlten sie ihm ihre Bedenken nicht (A. XIII 27, 1), so dass er in seiner bekannten Empfindlichkeit den Plan aufgab (A. XIII 28, 2. 31, 3). Balbus war in diesen Jahren wiederholt leidend (A. XIII 47 b, 1; ad fam. VI 19, 2. XVI
23, 1), aber entfaltete offenbar eine bedeutende Thätigkeit. Seine geschäftlichen Beziehungen zu Cicero beweisen, dass ihm vornehmlich die Sorge für die Finanzen übertragen war (A. XIII 52, 1), doch hatte er ohne Zweifel auch an anderen Zweigen der Reichsverwaltung bedeutenden Anteil. Man kann dies daraus entnehmen, dass ihn Cicero längere Zeit vor der Veröffentlichung der Lex Iulia municipalis um Auskunft über eine Einzelheit in dem Gesetzentwurf bat (ad fam. VI 18, 1; vgl. Mommsen bei Bruns Fontes iuris Romani⁶ I 104, 1). Bei allem Einfluss blieb Balbus ein einfacher Privatmann, der dem Senat nicht angehörte, welche Deutung man auch der Äusserung Ciceros A. X 11, 4 geben mag: etiamne Balbus in senatum venire cogitat? (vgl. darüber Willems Le sénat de la rép. rom. I 608 Anm. O. E. Schmidt Briefwechsel des Cicero 173f.). Dem Neide und Hasse vermochte der glückliche Emporkömmling trotzdem nicht zu entgehen; das beweist das gehässige Gerücht, dass er den Caesar veranlasst habe, den Senat Ende 709 = 45 einmal sitzend zu empfangen, was viel böses Blut machte (nur von Suet. Caes. 78. Plut. Caes. 60, 1 als Klatsch verzeichnet), und das zeigte sich noch mehr nach Caesars Ermordung. An Antonius, mit dem er schon bei den Lebzeiten des Herrschers nicht gut gestanden hatte, mochte sich Balbus nicht anschliessen (A. XII 19, 2); er nahm zunächst eine abwartende Stellung ein, so schwer auch die Ungewissheit und Unthätigkeit auf ihm lastete, und war darin völlig einverstanden mit A. Hirtius, mit dem er damals in engster Verbindung stand (A. XIV 20, 4. 21, 2). Es ist daher nicht sicher, dass er bei der Beratung der Caesarianer am 16. März im Gegensatz zu Hirtius für den Kampf gegen die Mörder des Dictators stimmte, um sowohl dessen Tod zu rächen, wie seinen Anhang sicherzustellen; diese
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Nachricht hat Schwartz (Herm. XXXIII 184) durch Conjectur gewonnen, indem er bei Nic. Damasc. v. Caes. 27, 6 Βάλβος für das überlieferte ἄλλος einsetzte. Aber als am 18. April Octavian nach Neapel kam, traf Balbus am nächsten Morgen zu seiner Begrüssung hier ein (A. XIV 10, 3). Am Nachmittag besuchte er Cicero auf dessen Gut bei Cumae und verweilte hier zusammen mit Hirtius und Pansa auch am nächsten Tage, während Octavian in nächster Nachbarschaft bei seinem Stiefvater L. Marcius Philippus war (A. XIV 11, 2). Er hat sich jedenfalls schon in dieser Zeit bestimmt für den Anschluss an den jungen Caesar entschieden, begleitete ihn nach Rom und sandte von hier aus in der nächsten Zeit dem Redner wiederholt Berichte über die Lage der Dinge (A. XIV 4, 5. 5, 2. 6, 4. 8, 1. 9, 1). Über den Zweck eines Aufenthalts in Aquinum, den Balbus gemeinsam mit Hirtius machte, konnte Cicero nichts Bestimmtes erfahren (ad fam. XVI 24, 2); er traute anfangs dem Balbus nicht ganz, aber bat ihn im Juli um Hülfe in seinen financiellen Nöten (A. XVI 3, 5) und empfing auch während seiner Abwesenheit von Rom im November Nachrichten von ihm (A. XVI 11, 8).
[1] Leider fehlen weitere Notizen über die Dienste, die Balbus dem Erben Caesars leistete, aber sie können nicht gering gewesen sein, da er, der unter dem Dictator kein Amt bekleidet hatte, im J. 714 = 40 zum Consulat befördert wurde. Es ist eine Controverse, ob er vorher unter dem Triumvirat zu einem andern Amt gelangt ist. Velleius II 51, 3 schliesst eine Stelle, die sich unzweifelhaft auf Cornelius Balbus Minor (Nr. 70) bezieht, mit der Angabe, er sei ex privato consularis geworden, und man hat vermutet, dass hier eine Verwechslung von Oheim und Neffe stattgefunden habe, und diese eine Angabe auf den älteren Balbus bezogen werden müsse (vgl. Willems Le sénat de la rép. rom. I 608 Anm. Jullien 143); in diesem Falle würde es nicht angehen, die Münzen des Triumvirs Octavian, die auf der Rückseite die Keule des Hercules und die Inschrift Balbus pro pr(aetore) aufweisen, für ihn in Anspruch zu nehmen, wie es meistens geschehen ist (vgl. Mommsen Münzwesen 659 A. 563; Ztschr. f. Numism. XI 75). Aber die Behauptung des Velleius kann sehr wohl für den jüngeren Balbus gelten (vgl. Mommsen R. G. V 631 Anm.), und wenn jene Münzen, wie Mowat (bei Jullien 141) urteilt, spanischer Prägung sind, also Balbus Statthalter von Spanien war, so darf man vielleicht hierher die Notiz des Appian bell. civ. V 54 ziehen, es hätten in der ersten Hälfte des J. 714 = 40 Q. Peducaeus und ein Λούκιος in Octavians Auftrage die beiden Spanien verwaltet. Demnach wäre Balbus von dem Sohne seines alten Herrn in seinem eigenen Vaterlande als Statthalter eingesetzt worden, dann zwar mit seinem Collegen Peducaeus zunächst nominell dem L. Antonius unterstellt, aber bald darauf abberufen worden. Gegen das Ende des Jahres starb nämlich L. Antonius, und an seine Stelle trat Cn. Domitius Calvinus, der damals Consul war; diesen selbst ersetzte als Consul suffectus L. Cornelius Balbus (f. augur. f. Colot. f. Biond. CIL I² p. 61. 64. 65. Dio XLVIII 32, 2. Plin. n. h. VII 136), so dass er und Calvinus gewissermassen ihre Plätze vertauscht hätten, was
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bei der willkürlichen Stellenbesetzung in dieser Periode nichts Auffälliges hat (anders über die spanische Statthalterschaft Groag u. Nr. 70). Balbus war der erste Ausländer, der zu der höchsten Würde im römischen Staate gelangte; während seiner und seines Collegen P. Canidius kurzer Amtsführung feierten glänzende Feste die Wiederherstellung des Friedens zwischen Antonius und Octavian (Dio XLVIII 32, 4). In oder nach seinem Consulat wählten die Capuaner ihn zu ihrem Patron (CIL X 3854: L. Cornelio L. [f.] Balbo cos. patr[ono] d. c. d. = de conscriptorum decreto); 722 = 32 wurde er von seinem alten Freunde Atticus an dessen Sterbebett gerufen (Nep. Att. 21, 4). Wie lange er ihn überlebte, ist unbekannt; bei seinem Tode hinterliess er jedem römischen Bürger 25 Denare (Dio XLVIII 32, 2), ein Drittel von dem, was Caesar hinterlassen hatte (gegen 22 Mk.). Sein fürstliches Vermögen scheint auch er, freilich nicht in dem Masse wie sein Neffe, für Bauten verwendet zu haben (vgl. A. XII 2, 2; Zusendung eines Architekten an Cicero A. XIV 3, 1), doch mehr Neigung als für Kunst hatte er für Litteratur. Ausser mit Cicero und Atticus stand er mit M. Varro in freundschaftlicher Verbindung (ad fam. IX 6, 1). Ciceros fünftes Buch de finibus las er im Concept vor der endgültigen Ausarbeitung (A. XIII 21, 4. 22, 3), und seinen Freund Hirtius veranlasste er in den ersten Monaten nach Caesars Tode, dessen Commentarien de bello Gallico das achte Buch hinzuzufügen (vgl. die Praefatio des Hirtius). Er selbst wird als historiae scriptor bezeichnet (Hist. Aug. Balbin. 7, 3), und Balbi ephemeridem führt Apollinaris Sidonius ep. IX 14 unter den Quellenwerken für Caesars Geschichte auf, womit er aber nach Teuffel-Schwabe I 379 § 196, 1 das achte Buch de bello Gallico meint. Dagegen beruft sich Sueton Caes. 81 für ein Vorzeichen des Todes Caesars auf Cornelius Balbus familiarissimus Caesaris, was schwerlich mit Peter (Hist. Rom. fragmenta XXI) auf die Ἐξηγητικά des jüngeren Balbus (Macrob. sat. III 6, 16) bezogen werden darf (vgl. Teuffel-Schwabe I 384 § 197, 4). Sonst ist nichts über die litterarische Thätigkeit des Balbus bekannt, und auch über den Umfang und die Bedeutung seiner politischen können wir uns trotz der häufigen Erwähnungen des Mannes bei seinem Zeitgenossen Cicero kein bestimmtes Urteil erlauben, weil ihr Schauplatz hinter den Coulissen lag. Ein unbedeutender Mann war der sicher nicht, der bei Caesar eine ähnliche Stellung einnahm, wie Maecenas bei Augustus. Über sein Leben bis zu der Freisprechung im J. 698 = 56 handelt Hoche De L. Cornelio Balbo I., Halle 1882, ohne viel über Drumann G. R. II 594 hinauszukommen, über sein ganzes Leben sorgfältig, aber oft allzu breit Jullien De L. Cornelio Balbo maiore, Paris 1886; über den Stil der erhaltenen Briefe des Balbus vgl. Jullien a. O. 96ff. Hellmuth Über die Sprache der Epistolographen Ser. Sulpicius Galba und L. Cornelius Balbus, Progr. Würzb. 1888 (mir nur bekannt durch Eussner Berl. philol. Wochenschr. VIII 1594–1600).