99) Q. Caecilius Metellus Pius Scipio ging durch Adoption aus der Familie der Scipionen in die der Meteller über. Für seine verwandtschaftlichen Beziehungen zu den hervorragendsten römischen Geschlechtern ist die Hauptstelle Cic. Brut. 211f., wonach sich das in dem Stammbaum S. 1225f. dargelegte Bild ergiebt
(vgl. dazu noch Cic. de dom. 123; ad Att. VI 1, 17. Dio XL 51, 3, ungenau Eutrop. VI 23, 2). Vor der Adoption, die vielleicht testamentarisch war, führte er den Vornamen P., mit dem er auch später bisweilen genannt wird (Cic. Verr. IV 79; de domo 123. Liv. ep. CXIII. CXIV. Val. Max. IX 5, 3. Ascon. Cornel. p. 66. Suet. Tib. 4); Appian nennt ihn meistens fälschlich Lucius. Das Cognomen Nasica hat Cic. ad Att. II 1, 9. Als junger Mann wird er zuerst im J. 676 = 78 erwähnt (Cic. Cornel. bei Ascon. p. 66), dann 684 = 70 als einer der Verteidiger des Verres (Cic. Verr. IV 79ff.). Er heiratete eine Aemilia Lepida, die mit Cato verlobt war; dafür rächte sich dieser an ihm durch Spottgedichte (Plut. Cat. min. 7, 1, vgl. o. Bd. I S. 591 Nr. 166). In der Nacht zum 21. October 691 = 63 kam er mit M. Crassus und M. Marcellus zu Cicero, um ihn vor dem Anschlage der
[1225]Catilinarier gegen sein Leben zu warnen (Plut. Cic. 15, 1, vgl. Crass. 13, 4). 694 = 60 wurde er zum Volkstribunen für das nächste Jahr gewählt, von seinem Mitbewerber M. Favonius wahrscheinlich de ambitu belangt und von Cicero verteidigt (Cic. ad Att. II 1, 9). 697 = 57 gab er Fechterspiele zu Ehren seines Adoptivvaters (Cic. Sest. 124. Schol. Bob. z. d. St. p. 306) und erscheint in demselben Jahre als Pontifex (Cic. de domo 123; har. resp. 12; Brut. 212. Suet. Tib. 4), welche Würde er kaum vor dem Tode jenes 691 = 63 erlangt haben wird (Bardt Priester der vier grossen Collegien 16). Die Praetur verwaltete er spätestens 699 = 55, denn 701 = 53 bewarb er sich um das Consulat. Scipio und P. Plautius Hypsaeus traten damals als Candidaten der Volkspartei gegen Milo in die Schranken (Liv. ep. CVII. Ascon. Milon. p. 26. 29. 37. Schol. Bob. Mil. p. 281; aer. al. Mil. p. 341. Schol. Gronov. p. 443. Plut. Cato min. 47, 1. Dio XL 53, 1), doch keiner von ihnen wurde gewählt, sondern sie alle später wegen Wahlumtrieben vor Gericht gestellt. Vor der Verurteilung bewahrte den Scipio das ungesetzliche Einschreiten des Cn. Pompeius, der zum alleinigen Consul für 702 = 52 ernannt worden war und sich bald darauf mit seiner Tochter Cornelia vermählt hatte (Plut. Pomp. 55, 1ff. Dio XL 51, 2ff. 53, 2. App. b. c. II 24. Val. Max. IX 5, 3. Vell. II 54, 2 falsch datiert). In einer Senatssitzung im Februar war Scipio gegen Milo und seine Beschützer aufgetreten (Ascon. Milon. p. 30f.). Für die letzten fünf Monate des Jahres nahm ihn sein Schwiegersohn zum Collegen im Consulat an (Tessera glad. Eph. epigr. III p. 204. Cassiod. Idat. Chron. pasch. Dio a. O. u. XL ind. Plut. Pomp. 55, 5. App. II 25). Natürlich spielte er neben Pompeius eine ganz untergeordnete Rolle; nur beantragte er, den Censoren die ihnen von Clodius entzogenen Rechte wiederzugeben (Dio XL 57, 1–3); im übrigen machte ihn sein Verkehr mit verrufenen Wüstlingen berüchtigt (Val. Max. IX 1, 8). Vielleicht stellte er als Consul auf dem Capitol die Bronzestatuen seiner Vorfahren auf, die zwei Jahre später Cicero den Anlass gaben, über seine ἀνιστορησία zu spotten (ad Att. VI 1, 17). Als entschiedenster Anhänger des Pompeius forderte er am 1. September 703 = 51, die Beratung über Caesars gallische Statthalterschaft auf
[1226] die Tagesordnung für den 1. März des nächsten Jahres zu setzen (Cic. fam. VIII 9, 5); in dem Senatsbeschluss, der am 29. September in dieser wichtigen Frage gefasst wurde, ist er als Zeuge verzeichnet (a. O. 8, 5f.). Im April 704 = 50 widersetzte er sich den zu Ehren Ciceros beschlossenen Supplicationen (a. O. 11, 2). In der Neujahrssitzung des Senats 705 = 49 gab er, nachdem der Consul L. Lentulus Caesars Ultimatum abgelehnt hatte, im Namen seines abwesenden Schwiegersohns die entscheidende Erklärung ab, Pompeio esse in animo, rei publicae non deesse, si senatus sequeretur (Caes. b. c. I 1, 4. 2, 1. 6, 1), und stellte den Antrag, dass Caesar bis zu einem bestimmten Tage sein Imperium niederzulegen und sein Heer zu entlassen habe, widrigenfalls er als Feind des Vaterlandes betrachtet würde (a. O. 2, 6f. Plut. Caes. 30, 3). Durch die Erhebung dieses Antrags zum Beschluss war der Krieg erklärt. Gewiss richtig urteilt bei dieser Gelegenheit der Gegner (Caes. b. c. I 4, 3): Scipionem spes provinciae atque exercituum impellit, quos se pro necessitudine partiturum cum Pompeio arbitratur, simul iudiciorum metus (vgl. Cic. ad Att. IX 11, 4), adulatio atque ostentatio sui et potentium, qui in re publica iudieiisque tum plurimum pollebant. Scipio erhielt Syrien als Provinz (Caes. b. c. 6, 5. Cic. ad Att. IX 1, 4. Plut, Pomp. 62, 2). Er kämpfte mit den Parthern am Berge Amanus und nahm den Imperatortitel an (Caes. b. c. III 31, 1); diesen führt er auf seinen wenig später in Pergamon geschlagenen Münzen (Pinder Cistophoren 570. Catal. of greek coins, Mysia p. 126) und in der Inschrift einer ihm daselbst gesetzten Statue (Dittenberger Syll. 264 = Inschriften von Pergamon II 411). Den jüdischen Thronpraetendenten Alexander liess er als Anhänger Caesars hinrichten (Joseph. ant. Iud. XIV 125. 140; bell. Iud. I 185. 196). Im übrigen suchte er in Syrien (Caes. III 31, 2–4) und in der Provinz Asia, wo er den Winter zubrachte, möglichst viel Geld zu erpressen (a. O. 32, 1–6) und seine unzufriedenen Legionen durch reiche Geschenke bei guter Laune zu erhalten (31, 4). Nach der etwas tendenziösen Darstellung Caesars (33, 1ff.) rettete den ephesischen Artemistempel vor Plünderung nur das Eintreffen der Nachricht, der Feind stehe bereits in Epirus. Scipio ging mit
[1227] zwei Legionen nach Europa über, wo ihn Pompeius schon seit einiger Zeit erwartete (4, 3). Er marschierte zunächst gegen den in Makedonien stehenden Cn. Domitius Calvinus, machte dann plötzlich eine Schwenkung und wandte sich nach Thessalien gegen L. Cassius Longinus (36, 1), der sich vor ihm in südwestlicher Richtung zurückzog. Er brach die Verfolgung ab auf die Kunde, dass Domitius sein mit geringer Bedeckung am Haliakmon zurückgelassenes Gepäck bedrohe (36, 3–8), und nahm gegenüber diesem gleichstarken Gegner auf dem anderen Flussufer Stellung (37, 1ff.). Beide hielten sich einen Teil des Monats Mai 706 = 48 hindurch auf diese Weise im Schach, bis Mangel an Vorräten den Legaten Caesars nötigte, in der Richtung auf die Hauptarmee langsam zurückzugehen (38, 1–4); sie blieben einander gegenüber, bis der Hauptschauplatz des Krieges im Juli nach Thessalien verlegt wurde (79, 3, vgl. Plut. Pomp. 66, 4; Caes. 39, 5. App. II 65). Abweichend berichten über diese Operationen Dio XLI 51, 2, doch auch nicht ungünstiger für die Caesarianer, und App. II 60, schwerlich zuverlässiger, vgl. Glöde Caesars histor. Glaubwürdigkt. (Kiel 1871) 19. Stoffel Hist. de Jules César II 236. In dieser Zeit seiner Bedrängnis bei Dyrrhachion wandte sich Caesar an Scipio mit der Bitte, den Frieden zu vermitteln (Caes. III 57, 1ff.); anfangs schien dieser dazu geneigt, doch auf Drängen der Kriegspartei wies er den Boten ab (57, 5, vgl. 90, 2). In Larissa vereinigte er sein Heer mit dem des Pompeius (80, 4. 81, 2), der mit ihm die Ehre des Oberbefehls teilte (82, 1). Damals, als die Optimaten schon um das Fell des Löwen stritten, den sie noch erlegen sollten, beanspruchte auch Scipio wie andere die Würde des Pontifex Maximus, die Caesar inne hatte (83, 1. Plut. Pomp. 67, 6; Caes. 42, 1, vgl. App. II 69). In der Schlacht bei Pharsalus am 9. August führte er das aus seinen syrischen Legionen gebildete Mitteltreffen gegen Calvinus (Caes. III 88, 1. App. II 76. Plut. Pomp. 69, 1; Caes. 44, 2); nach deren unglücklichem Ausgang floh er über Kerkyra (App. II 87) nach Africa (a. O. Plut. Cat. 56, 3). Die Macht, die hier dem pompeianischen Statthalter Attius Varus und dem König Iuba von Numidien zur Verfügung stand, schien den Flüchtlingen von Pharsalus die sicherste Gewähr für die erfolgreiche Wiederaufnahme des Krieges, und während Caesar im Orient weilte, steigerte sich ihre Kraft und Zuversicht. Auf das Obercommando erhoben der Statthalter Scipio und der hochmütige König Anspruch; die Soldaten wünschten Cato zum Feldherrn, doch dieser lehnte ab, wies den Numider in seine Schranken zurück und übertrug das Imperium dem Scipio, obwohl er bisher mit ihm verfeindet war, als Consularen und ehemaligem Mitfeldherrn des Pompeius (Liv. ep. CXIII. Vell. II 54, 4. Auct. de vir. ill. 80, 3. App. II 87. Plut. Cato 57, 1. Dio XLII 57, 1–4). Scipio galt nun den Seinen als unus imperator populi Romani (b. Afr. 4, 4) und setzte den Imperatortitel auf die Münzen, die er damals prägte (Babelon Monnaies de la rép. rom. I 278). Es ging die Rede, dass ein Scipio in Africa nicht besiegt werden könne (Dio XLII 57, 5), doch der Gewählte war so untüchtig, dass er überhaupt in den Berichten über den Krieg kaum hervortritt.
[1228] Selbst Cato bereute, sich ihm so bereitwillig untergeordnet zu haben; zwar gelang ihm noch, die Zerstörung Uticas zu verhindern (Plut. Cato 58, 1), doch sah er später nach Caesars Landung im December 707 = 47 seine guten Ratschläge schnöde zurückgewiesen (a. O. 58, 3f.). Auch mit dem tüchtigen Labienus war der neue Oberfeldherr nicht immer einig (Val. Max. VIII 14, 5); hingegen scheinen die Angaben über seine allzugrosse Nachgiebigkeit gegen Iuba, dem er das Recht, allein im Purpurmantel zu erscheinen, eingeräumt (b. Afr. 57, 5) und das ganze römische Africa versprochen habe (Dio XLIII 4, 4f.), ebensowenig unparteiisch, wie die von seiner Härte gegen gefangene Caesarianer (b. Afr. 28, 4. 44, 3ff., vgl. Val. Max. III 8, 7). Der Winter verging mit kleineren Unternehmungen (ausführliche Darstellung b. Afr., vgl. App. II 95f. Dio XLIII 4, 4ff.); Scipio wusste die anfangs schwierige Lage des Gegners nicht zu benützen, sodass dieser seine Veteranenlegionen aus Italien an sich ziehen und zahlreiche Überläufer gewinnen konnte. Als er sich gegen Thapsus wandte, war Scipio gezwungen, zum Schutz der wichtigen Stadt am 6. April 708 = 46 die Schlacht unter ungünstigen Bedingungen anzunehmen (b. Afr. 79, 2. 80, 1ff. Plut. Caes. 53, 1. Dio 8, 1), seine vollständige Niederlage war die Folge (b. Afr. 82, 1–86, 1. Dio a. O. Liv. ep. CXIV. Vell. II 54, 2. Suet. Caes. 35. 37. 59. Auct. de vir. ill. 78, 8). In der Schlacht selbst wird der Oberfeldherr kaum einmal genannt; er entkam und wollte mit einigen Gefährten nach Spanien flüchten, da Cato vor einer Landung in Utica warnte (Plut. Cato 58, 5. 60, 3. 62, 1). Er wurde nach Hippo Regius verschlagen und dort von den Schiffen des caesarischen Parteigängers P. Sittius umzingelt; als er keine Rettung mehr sah und die Feinde nach ihm, dem Imperator, suchten, durchbohrte er sich mit den Worten: Imperator se bene habet (Liv. ep. CXIV. Val. Max. III 2, 13. Sen. ep. III 3, 10f.) und liess sich ins Meer sinken (App. II 100f. Dio 9, 5; b. Afr. 96, 1ff. Cic. fam. IX 18, 2. Schol. Bob. p. 306 Or. Eutrop. VI 23, 2. Ampel. 24). Höchstens sein Tod rechtfertigt Ciceros späteres Lob (Phil. XIII 29): clarissimus vir maiorumque suorum simillimus und das günstige Urteil des Livius (Tac. ann. IV 34). Er verstand satis bene et loqui et dicere (Cic. Brut. 212) und schrieb eine Schmähschrift gegen Cato nach 698 = 56 (Plut. Cat. 57, 7; Fragmente Plin. n. h. VIII 196. XXIX 96). Über sein Landgut bei Tibur Cic. Phil. V 19; fam. XII 2, 1; über seine Geflügelzucht Varro de r. r. III 10, 1 (auch 2, 16? vgl. I 13, 7. Plin. n. h. X 52, Gemüsesorten nach einem Caecilius Metellus benannt Colum. X 182). Einem sonst nicht bekannten, jung verstorbenen Sohn gehört vielleicht das Fragment einer Grabschrift mit [Met]ellus Scip[io] an (CIL I p. 13 = XIV 3589).
99) (Zu S. 1226, 28) Er wurde gegen Mitte Februar von Pompeius nach Brundisium mit zwei Cohorten vorausgeschickt (Cic. ad Att. VIII 3, 7, vgl. 14, 3) und ging wahrscheinlich bald darauf nach Asien ab.
(Zu S. 1228, 32) Seine Papiere fielen in die Hände Caesars, wurden aber von diesem ungelesen verbrannt (Plin. n. h. VII 94).