Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Priesterschaft in Rom
Band II,2 (1896) S. 14631486
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Arvales fratres. Die Priesterschaft der fratres Arvales wird in der Litteratur der voraugusteischen Zeit nur ein einzigesmal erwähnt von Varro de l. l. V. 85: fratres Arvales dicti qui sacra publica faciunt propterea ut fruges ferant arva, a ferendo et arvis fratres arvales dicti (die Worte a ferendo – dicti tilgt A. Spengel sehr mit Unrecht); sunt qui a fratria dixerunt: fratria est graecum vocabulum partis hominum ut Neapoli etiam nunc. Dass das Priestertum zur Zeit der Abfassung dieser Schrift noch bestanden hätte und in Wirksamkeit gewesen wäre, folgt aus den Worten nicht, der Mangel jeder sonstigen Erwähnung in litterarischen und monumentalen Quellen (denn die von Borghesi Oeuvres I 376 angenommene Beziehung des Ährenkranzes auf den Münzen des D. Postumius Albinus Bruti f. und des L. Mussidius Longus [Babelon Monn. consul. II 241f. 385] auf dieses Priestertum ist ganz unsicher) macht es unwahrscheinlich. Das Auffallendste war dem Varro, wie uns, die Bezeichnung der Priester als Brüder, die in der römischen Sacralordnung ganz vereinzelt dasteht (vgl. auch Mommsen zu Borghesi Oeuvres III 414, 1; die von O. Hirschfeld Gött. gel. Anz. 1869, 1499f. versuchte Heranziehung der germani luperci bei Cic. Cael. 26 beruht auf falscher Auffassung der Stelle, vgl. Mommsen bei Henzen Acta p. I n. 6) und ausserhalb Roms eine Analogie nur in den frater Atiieđiur der Tafeln von Iguvium (auf diese wies M. Bréal Les tables Eugubines 218 hin) findet. Wenn Varro in der Verzweiflung zu der tollen Etymologie fratres a ferendo griff und andre an einen Zusammenhang mit φρατρία dachten, fand unter Tiberius der höfische Jurist Masurius Sabinus eine viel elegantere Erklärung des Brudernamens (Gell. VII 7, 8. Plin. n. h. XVIII 6; vgl Fulgent. de abstrus. serm. p. 560 Merc.): anknüpfend an die jüngere Version der Acca-Larentia-Fabel (s. darüber Mommsen Röm. Forsch. I 18f. und o. Bd. I S. 133) wusste er zu erzählen, dass Romulus, nachdem seine Nährmutter Acca Larentia einen ihrer zwölf Söhne durch den Tod verloren habe, an dessen Stelle getreten sei und mit seinen Milchbrüdern zusammen das Collegium der 12 Ackerbrüder gebildet habe. Diese Hypothese, welche Em. Hoffmann Die Arvalbrüder, Breslau 1858 (erweiterter Abdruck aus Verhandl. d. Bresl. Phil. Versamml. 1857, 67ff.) unter völliger Verkennung ihres wahren Charakters als vermeintlich uralte Sage zur Grundlage seiner geradezu [1464] bodenlos willkürlichen und verkehrten Constructionen (ähnlich auch E. Bährens Jahrb. f. Philol. CXXXI 1885, 785ff.) über die fratres Arvales genommen hat, konnte nur entstehen zu einer Zeit, wo der Kaiser als neuer Romulus selbst regelmässig den Arvalpriestern angehörte und sich in diesem vornehmen Collegium mit den Ersten seines Hofes als ,Brüdern‘ umgab; in die Zeit des Romulus werden die Verhältnisse zurückgespiegelt, unter denen die Priesterschaft der fratres Arvales in der Kaiserzeit bestand.

Dass wir diese Verhältnisse so eingehend kennen, wie keine andre sacrale oder profane Institution des römischen Staates, verdanken wir den umfassenden Inschriftenfunden, die seit dem 16. Jhdt. an der Stelle gemacht worden sind, an der sich die Arvalbrüder alljährlich zu ihrem Hauptfeste vereinigten. Im J. 1570 grub man etwa eine deutsche Meile vor Porta Portese an der am rechten Tiberufer nach der päpstlichen Villa La Magliana führenden Strasse (Situationsplan Ephem. epigr. VIII p. 341), auf einem Terrain, das den noch heute bestehenden Namen Affoga l’asino (,ersäuf den Esel‘) führte, in der Vigna Galletti (nachmals Vigna des Stefano Ceccarelli, jetzt Vigna Vignoli) Reste eines Gebäudes aus, von dem noch eine Grundrisszeichnung und ein restaurierter Aufriss von der Hand des Silvestro (oder Sallustio) Perruzzi (Sohnes des Baldassare Perruzzi) in Florenz existiert (am besten publiciert Ephem. epigr. VIII Taf. II und von Hülsen ebd. p. 343ff gegen die Zweifel von Henzen Acta p. XXIIIf. gesichert; Erwähnung der Funde auch bei Flaminio Vacca Memorie nr. 99 bei Schreiber Ber. sächs. Gesellsch d. Wiss. 1881, 82); in der halbrunden Apsis dieses Gebäudes standen die Statuen von neun Kaisern, die alle durch den Ährenkranz als Arvalbrüder bezeichnet waren, auf Inschriftbasen, von denen eine (CIL VI 1012 M. Aurel) noch im Original, sechs andere durch eine alte Abschrift bekannt sind (CIL VI 968. 1000. 1021. 1026. 1053. 1093), während der Verbleib der Statuen sich nicht nachweisen lässt; diese Ehrendenkmäler galten den Kaisern von Hadrian bis Gordian und waren ihnen, gewöhnlich bald nach ihrem Regierungsantritt, in ihrer Eigenschaft als Arvalbrüder von diesen gesetzt. Bei derselben Gelegenheit kamen auch die ersten Fragmente von Protokollen des Collegiums – 19 an der Zahl – zu Tage, die von Fulvius Ursinus (Notae ad M. Catonem, M. Varronem, L. Columellam de re rustica, Romae 1587 p. 213ff.) veröffentlicht wurden; zwei weitere grosse Tafeln wurden im J. 1699 an derselben Stelle gefunden, und im Laufe des 18. Jhdts. tauchten an verschiedenen Orten Roms und der Umgebung eine so grosse Zahl verschleppter Stücke (Übersicht der Fundorte bei Henzen Acta p. XX; vgl. auch die Angaben der Fundorte bei Hülsen Ephem. epigr. VIII p. 316ff zu nr. 1. 2. 4. 5. 13. 15) auf, dass die erste Gesamtpublication, welche im J. 1795 G. Marini veranstaltete und mit einem reichen Commentare versah (Gli atti e monumenti dei fratelii Arvali, Roma 1795), nicht weniger als 47 Stücke umfasste. Aber obwohl eine der zuerst gefundenen Tafeln (CIL VI 2107, 3. 14) als Ort des Arvalenheiligtums ausdrücklich angab via Campana apud lap(idem) (quintum), suchte man [1465] dasselbe doch auf Grund einer falschen Angabe, die Philipp della Torre über den Fundort der 1699 gefundenen Stücke gemacht hatte, anstatt vor der porta Portuensis vielmehr an der via Ostiensis, also am linken Tiberufer, bis im J. 1858 Giov. Batt. de Rossi (Ann. d. Inst. 1858, 54ff.), gestützt auf die alten Ausgrabungsberichte und neue Funde, die Lage des Ortes überzeugend nachwies. Als nun im J. 1866 an derselben Fundstelle in der Vigna der Brüder Ceccarelli (heute Vigna Jacobini) bei zufälligen Grabungen eine grosse Platte mit den Protokollen der J. 58/59 n. Chr. (CIL VI 2041) zum Vorscheine kam, gab dies den Anstoss zu systematischen Ausgrabungen, welche mit Unterstützung des Königs und der Königin von Preussen vom deutschen archaeologischen Institute in den J. 1867–1871 ausgeführt wurden und den Bestand an Arvalmonumenten mindestens verdoppelten. Um die Zusammensetzung und Ergänzung der Fragmente erwarb sich, unterstützt von Th. Mommsen und E. Bormann, W. Henzen die allergrössten Verdienste, der die bis zum Juni 1868 gemachten neuen Funde veröffentlichte in dem Buche: Scavi nel bosco sacro dei fratelli Arvali... Relazione pubblicata da Guglielmo Henzen, Roma 1868, mit Nachträgen (die Funde bis zum Sommer 1869 umfassend) im Bull. d. Inst. 1869, 81ff. Ausführliche Referate über diese Publication, vielfach mit eigenen Beiträgen zur Erklärung, gaben u. a. [R. Schoell] Grenzboten 1869 III 481ff. A. Klügmann Philologus XXVIII (1869) 469ff. O. Hirschfeld Gött. gel. Anz. 1869, 1495ff. Th. Mommsen Grenzboten 1870 I 161ff. W. Henzen selbst hat dann den Gesamtbestand der Arvalinschriften noch zweimal bearbeitet, mit musterhaftem Commentar in dem Buche: Acta fratrum Arvalium quae supersunt, Berolini 1874, und ohne Erläuterungen im CIL VI p. 159ff. nr. 2023–2119 (1876); die seitdem gefundenen und einzeln veröffentlichten Bruchstücke (bis 1892) hat Hülsen Ephem. epigr. VIII p. 316ff. vereinigt. Die Mehrzahl der Fragmente befindet sich jetzt in Rom in dem neuen Museum der Diocletiansthermen, vgl. D. Vaglieri Notiz. d. Scavi 1892, 267ff. Proben der Schrift bei Henzen Relazione Taf. I–III. E. Hübner Exempla scripturae epigraphicae p. 343–358; über die namentlich in den späteren Protokollen vielfach stark verwilderte Orthographie und Grammatik vgl. Mommsen Ephem. epigr. I p. 77ff. Jordan Krit. Beitr. z. Gesch. d. lat. Sprache 51. 190ff. 277ff.

Unter den im Bezirke der Arvalbrüder gefundenen Inschriften befinden sich Bruchstücke eines von einem Vorsteher der Arvalen dem Dienste des Collegiums gewidmeten Festkalenders (Henzen Acta p. CCXXXIIIff. CIL VI 2295. I² p. 214f.), der sich, abgesehen von den auffallend zahlreichen Tilgungen und Nachträgen späterer Hand, von den sonst erhaltenen Festkalendern des julianischen Jahres nicht wesentlich unterscheidet (vgl. dazu Mommsen Ephem. epigr. I p. 33ff. Jordan ebd. p. 229ff.) und jedenfalls noch zu Lebzeiten des Augustus aufgestellt wurde (Mommsen CIL I² p. 206), sowie von Magistratsfasten, welche zu jedem Jahre ausser den Consuln (einschliesslich der suffecti) auch den Praetor urbanus und peregrinus mit Namen verzeichnen und die J. 752 = 2 v. Chr. bis 790 = 37 n. Chr. umfassen (Henzen [1466] Acta p. CCXLIIff.; CIL I² p. 70f.); sie haben wahrscheinlich weiter hinauf gereicht, die Einmeisselung der Namen ist nicht gleichzeitig, sondern Jahr für Jahr erfolgt (über Kalender und Magistratsverzeichnis s. Näheres unter Fasti). Die ganz überwiegende Mehrzahl der Bruchstücke aber gehört Protokollen über die Amtshandlungen der fratres Arvales an, welche diese in aussergewöhnlicher Munificenz (Henzen Acta p. IX) nicht, wie andre Priester, in commentarii niederschrieben, sondern alljährlich auf Marmortafeln einmeisseln liessen: dies geschah in der Regel im April oder Mai für das ganze vorangegangene Jahr, die Protokolle verzeichnen seit dem J. 81 an dem Tage, an dem das Eisen zum Einmeisseln der Schrift in den heiligen Bezirk hereingebracht, und an dem Tage, an dem es wieder entfernt wurde, regelmässig je ein Sühnopfer (Henzen Acta p. 128ff.). Daraus, dass für den Anlass dieses Sühnopfers der vollständige Ausdruck lautet ob ferrum inlatum in aedem (bezw. ob ferrum de aede elatum) scripturae caussa (CIL VI 2059, 21. 25), hat Hülsen (Ephem. epigr. VIII p. 350) mit vollem Recht geschlossen, dass die Protokolltafeln im Innern des Tempelgebäudes angebracht waren, und damit ist der Ansicht von R. Lanciani (bei Henzen Relazione p. 106f., vgl. Henzen Acta p. XXII) der Boden entzogen, nach welcher sie die äussere Bekleidung des Stylobaten eines Rundgebäudes bildeten, welches Lanciani (a. a. O. Taf. IV. V) nach den vorgefundenen Resten restauriert und für den Tempel der dea Dia, der Göttin der Arvalen, erklärt hat: minutiöse Untersuchungen der erhaltenen Fragmente, wie sie ausser Hülsen D. Vaglieri a. a. O. sowie E. Hula und E. Bormann (Arch.-epigr. Mitt. XVII 1894, 67ff.) angestellt haben, haben die völlige Unmöglichkeit ergeben, die Tafeln auf der gebogenen Fläche eines solchen Rundtempelstylobaten unterzubringen, und es wahrscheinlich gemacht, dass sie an einer geraden, durch starke Vorsprünge gegliederten Wandfläche angebracht waren. In der älteren Zeit erfolgte die Aufzeichnung in der Weise, dass man das Protokoll eines Jahres auf derselben Platte auf das des nächstvorangehenden folgen liess und erst, wenn die Tafel gefüllt war, auf eine neue überging, gleichviel ob mit dieser ein neues Jahresprotokoll begann oder nicht; seit Domitian beginnt mit wenigen Ausnahmen mit jedem Jahre eine neue Tafel, wobei es zuweilen vorkommt, dass auf einer Tafel zwei Columnen neben einander angeordnet werden (CIL VI 2065. 2068), oder dass die Zeilen eines Protokolls über zwei benachbarte Tafeln durchlaufen (CIL VI 2067); vgl. Henzen Acta p. X. Hülsen a. a. O. p. 348f. Am Ende des 2. Jhdts. muss die verfügbare Wandfläche gefüllt gewesen sein, denn eine Reihe von Protokollen zeigen durch Verschiedenheit der äusseren Disposition, dass sie nicht in dieselbe monumentale Anordnung gehören; das Protokoll des J. 183 (CIL VI 2099) ist in drei Columnen auf einer Tafel von grösserer Breite als Höhe eingetragen, das vom J. 218 (CIL VI 2104) gar auf Vorder- und Rückseite einer Marmorplatte; die Acten der J. 213 und 219 sind aus Raummangel auf die frei gebliebenen Teile älterer Partien, unterhalb der Protokolle des J. 155 (CIL VI 2086) bezw. 90 (ebd. 2067) aufgezeichnet [1467] worden. Das letzte datierbare Fragment gehört ins J. 241, also unter Gordian, und da auch die jüngste der im Arvalenbezirk gefundenen Kaiserstatuen eben den Gordian darstellte (s. o. S. 1464, 45), so hat wahrscheinlich die Aufzeichnung der Protokolle, sowie die ganze opulente Kultgebarung der Arvalen nicht über diesen Kaiser hinaus gedauert, vielleicht weil die folgenden Kaiser ihr Interesse ganz den orientalischen Kulten zuwendeten (R. Schoell a. a. O.), vielleicht auch, weil Kaiser Phlippus, dem man christliche Neigungen nachsagte (vgl. de Rossi Ann. d. Inst. 1858, 72f.), den Dienst der Arvalen direct aufhob; dass es im 3. Jhdt mit der Stellung der Arvalen, die noch Minuc. Fel. 25, 12 unter den vornehmen Priestertümern neben Pontifices, Saliern, Vestalinnen und Augurn nennt, nicht mehr so glänzend bestellt war, zeigt das letzte erhaltene Protokoll, vom J. 241 (CIL VI 2114, 22), laut dessen damals die übliche sportula von 100 Denaren auf den vierten Teil herabgesetzt war; das ist offenbar der Vorläufer der Entziehung des Staatszuschusses und damit des Endes. Auf jeden Fall aber hat der Tempel der dea Dia und überhaupt der Denkmälercomplex des Arvalenbezirkes noch geraume Zeit weiter ungeschädigt bestanden; denn in den aus vorconstantischer Zeit stammenden Katakomben der Generosa (De Rossi Roma sotterranea III 689ff.), die nördlich unmittelbar an den Arvalenbezirk anstossen, findet sich keine Verwendung von Steinen des letzteren, auch nicht in dem naheliegenden, von Papst Damasus zu Ehren der Märtyrer Simplicius, Faustinus und Viatrix (Beatrix) errichteten Oratorium; erst bei einem ärmlichen christlichen Begräbnisplatze des 5. oder 6. Jhdts. hat man sich der Marmorplatten der Arvalprotokolle zu Bedeckung der Grabstätten bedient (Henzen Acta p. XVIf. XXV).

Wichtig für die Geschichte der Priesterschaft ist die Frage nach dem Jahre des Beginnes der protokollarischen Aufzeichnungen. Denn auch wenn man annehmen wollte, dass das Priestertum der Arvalbrüder am Ende der Republik nicht in Verfall und Auflösung gewesen wäre, sondern von den ältesten Zeiten an bis auf Gordian ununterbrochen bestanden hätte (so mit unzureichenden Gründen H. (Oldenberg De sacris fratrum Arvalium quaestiones, Diss. Berol. 1875, 26), würde doch immer soviel feststehen, dass der sicher in die Zeit des Augustus fallende Beginn der monumentalen Aufzeichnung der Acten einen wichtigen Wendepunkt in der Geschichte des Collegiums bezeichnen und mit irgend einer tiefgreifenden inneren Reform desselben zusammenhängen muss. Darum ist völlig unabweisbar und überzeugend die Vermutung Mommsens (Res gestae D. Aug.² p. 38f., vgl. (Schoell a. a. O. 486), dass Augustus bei seiner Fürsorge für die Wiederherstellung der verfallenen alten Religionseinrichtungen (Suet. Oct. 31 nonnulla etiam ex antiquis caerimoniis paulatim abolita restituit) auch das Arvalenpriestertum neu begründet habe; nur so ist es zu erklären, dass von nun an in diese Brüderschaft, von der wir während der Zeit der Republik nie etwas hören und der damals wahrscheinlich nie ein hervorragender Mann angehört hat, die ersten Männer des Staates eintreten und die Kaiser selbst regelmässig ihre Mitglieder, oft ihre Vorsteher sind. [1468] Für den Zeitpunkt dieser Reorganisation ergiebt sich ein fester Terminus ante quem daraus, dass die im Arvalenhain gefundenen Bruchstücke von Magistratsverzeichnissen bis zum J. 752 = 2 v. Chr. hinaufreichen: denn offenbar haben diese Beamtenfasten mit dem Jahre der Reorganisation begonnen, diese fällt also (da wir nicht den Anfang der Fastenaufzeichnung haben) jedenfalls vor 752 = 2. Die sehr naheliegende Vermutung (O. Hirschfeld a. a. O. 1500f.), dass die Übernahme des Oberpontificates durch Augustus diesem wie zu andern religiösen Reformen so auch zur Neubegründung der Arvalbruderschaft Gelegenheit geboten habe und darum diese nicht früher als 742 = 12 anzusetzen sei, musste Beifall finden, solange die datierbaren Fragmente, von denen damals das älteste (CIL VI 2023 a) ins J. 14 n. Chr. gehörte, dem nicht widersprachen. Neuerdings aber ist es durch E. Hula (Arch.-epigr. Mitt. XV 1892, 23ff.) in hohem Masse wahrscheinlich gemacht worden (trotz der von Mommsen Ephem. epigr. VIII p. 303ff. zusammengestellten Bedenken), dass ein im J. 1880 gefundenes Bruchstück (Ephem. epigr. VIII p. 316 nr. 1) nicht mit Henzen (Bull. d. Inst 1882, 201ff.) ins J. 28 n. Chr., sondern vielmehr in die J. 733. 734 = 21. 20 v. Chr. zu setzen ist. Danach müsste die Reorganisation der fratres Arvales schon in das erste Jahrzehnt der Regierung des Augustus fallen, ein Ergebnis, das durchaus nicht der inneren Wahrscheinlichkeit entbehrt; denn die im J. 726 = 28 von Augustus auf Senatsbeschluss hin unternommene Wiederherstellung der verfallenen Heiligtümer (Mommsen Res gestae D. Aug.² p. 86) und die Erneuerung der verschollenen Caerimonie des augurium Salutis im J. 725 = 29 (Cass. Dio LI 20, vgl. Suet. Oct. 31) beweisen, wie sehr dem Kaiser schon damals die sacrale Reform am Herzen lag.

Organisation des Collegiums.

Dass die Arvalbruderschaft zwölf Mitglieder zählte (Mommsen Grenzboten 1870 I 165 leitet die Zahl von der der Monate des Jahres her), steht durch das völlig einwandfreie Zeugnis des Masurius Sabinus (bei Gell. VII 7, 8; vgl. Plin. n. h. XVIII 6) fest, und die Protokolle widersprechen dem nicht. Allerdings besitzen wir keinerlei Reste von Mitgliederverzeichnissen der Arvalbrüder, wie sie von verschiedenen andern Priesterschaften auf uns gekommen sind (CIL VI p. 141ff. nr. 1976ff.), und da das schwerlich ein Werk des Zufalls sein kann, müssen wir wohl annehmen, dass die in den Protokollen von Anfang an regelmässig gemachten Eintragungen über Neuaufnahmen die Aufstellung besonderer Mitgliederlisten entbehrlich erscheinen liessen. Für uns bietet einen Ersatz für die fehlenden Listen der Umstand, dass die Protokolle bei jeder Zusammenkunft und jedem Opfer der Arvalbrüder am Schlusse die Namen der anwesenden Mitglieder verzeichnen; ihre Zahl schwankt sehr, in der Regel sind nur 6–9 verzeichnet, da meist mehrere durch Abwesenheit, Krankheit oder Gleichgültigkeit fern gehalten wurden oder auch erledigte Stellen nicht immer sofort wieder besetzt wurden (vgl. Oldenberg a. a. O. 7); in dem Revolutionsjahre 69 hat sogar mehrere Monate lang ein einziger Arvale L. Maecius Postumus als (wahrscheinlich selbst bestellter) Promagister allein [1469] alle Amtshandlungen des Collegiums mit grosser Promptheit vollzogen (CIL VI 2051 I 76–II 13); jedenfalls aber steigt die Zahl der als gleichzeitig dem Collegium angehörig nachweisbaren Mitglieder nie über zwölf (einige durch falsche Einreihung von Bruchstücken entstandene Schwierigkeiten beseitigt E. Hula Arch.-epigr. Mitt. XVII 1894, 71ff.), und wenn CIL VI 2039, 1ff. im J. 57 einmal zwölf Arvalen als anwesend verzeichnet sind ohne den Kaiser Nero, dessen Zugehörigkeit zum Collegium sicher steht, so widerspricht das dem nicht, da wir auch aus andern Beispielen (z. B. Dessau Ephem. epigr. III p. 206f.) wissen, dass die Angehörigen des kaiserlichen Hauses supra numerum in die Priestercollegien eintreten konnten. Die Wiederbesetzung durch den Tod erledigter Stellen erfolgte durch Cooptation, und zwar wie es scheint der Form nach aus freier Wahl des Collegiums, wobei der Kaiser nur seine Virilstimme hatte, die er, wenn er nicht erschien, wie jedes andere Mitglied auch schriftlich abgeben konnte (per tabellas cooptare CIL VI 2023 a 15. 24); seit Caligula aber verfolgen die Cooptationen teilweise (nicht sämtlich, wie A. Gemoll De cooptatione sacerdotum Romanorum, Diss. Berol. 1870, 17ff. ohne Grund annimmt) ex tabella (oder ex litteris) imperatoris, in der Weise, dass der versiegelt eingesandte Stimmzettel des Kaisers nach Prüfung des Siegels erbrochen und verlesen wird (ausführliche Beschreibung CIL VI 2078 I 30ff. II 39ff. 2080, 24ff.: ibique tabulae apertae signo signatae quod exprimit [ca]put Aug(usti), in quibus scriptum fuit: imp(erator) Ca[e]sar Traianus Hadrianus Aug(ustus) fratribus Arvalibus collegis s[ui]s salutem . in locum Q. Bitti Proculi collegam nobis mea sententia coopto P. Manlium Carbonem), wobei dann die Abstimmung wohl nur durch Acclamation erfolgte (Mommsen St.-R. II² 1057f.). Das Ergebnis wurde dann durch den Vorsteher verkündigt (magister cooptavit heisst es in den älteren, fratres Arvales per magistrum cooptarunt in den jüngeren Protokollen, Henzen Acta S. 152f.), und zwar in feierlicher Formel (habita sollemni precatione), die in dem Protokoll von 218 (CIL VI 2104 b 21ff.) im Wortlaut mitgeteilt wird; daran schloss sich die Einführung des Neugewählten (ad sacra vocavit), der am Schlusse des Protokolles der Aufnahmesitzung bereits als Mitglied aufgeführt wird. Von besonderen Vorbedingungen der Wählbarkeit erfahren wir nichts, Marinis (Atti p. XVII) Annahme, dass nur Patricier Zutritt gehabt hätten, ist von Mommsen (Röm. Forsch. I 79) und Dessau (Ephem. epigr. III p. 218, 6) mit Recht zurückgewiesen worden; doch zeigen die Protokolle, dass ausser den Kaisern, welche, soweit sie nicht schon vorher Arvalbrüder waren, gleich nach ihrem Regierungsantritt dem Collegium beitraten (nach Henzen Acta S. 154 auf Grund eines Senatsbeschlusses, s. dagegen Mommsen St.-R. II² 1050), nur Männer der vornehmsten Gesellschaft Aufnahme fanden (Zusammenstellung der bekannten Arvalbrüder bei G. Gatti in E. Ruggieros Dizionario epigr. I 683ff.); in der älteren Zeit, bis etwa auf Nero, wird teilweise in den Protokollen auf den Rang der Mitglieder in der Weise Rücksicht genommen, dass bei der Aufzählung der Anwesenden auf den Vorsteher und die Mitglieder [1470] der kaiserlichen Familie erst die Consulare, an ihrer Spitze ein etwa vorhandener consul designatus, dann die Praetorier folgen; später aber herrscht völlige Willkür (E. Hula a. a. O. 73f. Mommsen Ephem. epigr. VIII p. 307ff.). Das Abzeichen der Arvalbrüder war, wie Masurius Sabinus bezeugt, ein durch weisse Binden zusammengehaltener Ährenkranz (spicea corona quae vitta alba colligaretur Plin. n. h. XVIII 6; spicea corona et albae infulae Gell. VII 7, 8), dessen auch die Protokolle bei der Festfeier gedenken (coronae spiceae vittatae oder vittae spiceae, Henzen Acta S. 24f.). Das Collegium besass zwei Beamte, einen magister und einen flamen (Henzen Acta p. IVff.): beide wurden alljährlich am zweiten (Haupt-)Tage des Maifestes der Arvalen gewählt, und zwar ex Saturnalibus primis ad Saturnalia secunda, d. h. für das Geschäftsjahr des Collegiums, das von den Saturnalien (17. Dec.) bis zu den nächsten Saturnalien lief (s. u.). Der magister, der bei allen Amtshandlungen der Priesterschaft den Vorsitz führt und in dessen Hause sich die Brüder am ersten und am dritten, sowie am Nachmittage des zweiten Tages ihres Maifestes vereinigen, giebt dem Jahre den Namen (auf die Consulnamen folgt in den Protokollen die Datierung nach dem magister, gewöhnlich in der Form z. B. magisterio C. Matidi Patruini); starb er vor Ablauf des Jahres, so erfolgte eine suffectio, ohne dass jedoch die Benennung des Jahres verändert wurde (CIL VI 2056, 28). Wiederwahl zu dem Amte war möglich, sogar mehrmals (z. B. Ti. Iulius Candidus Caecilius Simplex war Magister 106, 119, 139). Der Flamen stand dem Magister namentlich bei den Opferhandlungen des Hauptfesttages zur Seite; sowohl als Magister wie als Flamen haben mehrfach die regierenden Kaiser gewirkt (Zusammenstellungen bei Gatti a. a. O. 387f.). Für den Magister sowohl wie für den Flamen tritt im Behinderungsfalle ein promagister oder proflamen (auch vice fungens magistri oder flaminis) ein, den der zu Vertretende selbst und zwar wohl nur von Fall zu Fall, nicht auf bestimmte Frist ernennt (daher heisst er nicht promagister collegi fratrum Arvalium, sondern z. B. CIL VI 2060, 35. 41 promag(ister) C. Iuni Mefitani, d. h. des Magister; abweichend Ephem. epigr. VIII p. 325 Z. 3. 11. 20 [pro]magistro magisterii [P. Memmi Reg]uli). Ausserdem gehörten zu dem Collegium als Bedienstete eine Anzahl von Staatssclaven (publici), die ihm durch kaiserliches Rescript (CIL VI 2074 II 5ff.) aus der familia publica zugewiesen (adlecti ad fratres Arvales, CIL VI 2065 II 14) und je nachdem auch wieder in andre Posten befördert wurden (CIL VI 2086, 64ff.); der einmal erwähnte aedituus (CIL VI 2068 II 27) war wohl ein Sclave des Collegiums. Ausserdem hatte jedes Mitglied einen Pedellen (kalator), den es aus der Zahl der eigenen Freigelassenen bestellte und der bei seinem Eintritt eine Summe an die Kasse des Collegiums zahlen musste (CIL VI 2080, 45ff.; vgl. Henzen Acta p. VIII). Die kleineren Sühnopfer lässt der Magister meistens durch seinen Kalator unter Assistenz der publici ausführen (Henzen Acta S. 132f. 139), in ihrer Gesamtheit gingen die Kalatoren wahrscheinlich dem Zuge der Arvalbrüder am Feste vorauf, um Platz zu machen (Marquardt Staatsverw. III² [1471] 455, 3); von den publici hat einer die Sorge für die Schriftführung gehabt, er heisst publicus a commentariis fratrum Arvalium (CIL VI 2103, 4. 11. 2104 b 30; vgl. 2105, 18). Endlich werden in den Festprotokollen noch erwähnt die pueri ingenui patrimi et matrimi senatorum filii, vier an der Zahl, zum Teil Söhne der Arvalbrüder; sie sind nicht Opferdiener (camilli), sondern nehmen altem Brauche folgend (Tac. ann. XIII 16. Suet. Claud. 32), auf Stühlen am Fussende der Triclinia sitzend, mit ihren Vätern an der Mahlzeit teil und thun dabei bestimmte Handreichungen (Mommsen Grenzboten 1870 I 172. Henzen Acta S. 15).

Der Dienst der Arvalbrüder.

Mit immer steigender Ausführlichkeit verzeichnen die Protokolle die Amtshandlungen der Priesterschaft. Während in der ältesten Zeit ausser den Cooptationen von regelmässig wiederkehrenden Anlässen nur die Ankündigung des Maifestes, nicht aber dieses selbst, und ebensowenig die regelmässigen Vota der Priesterschaft im Protokoll ihre Stelle fanden (E. Hula Arch.-epigr. Mitt. XV 23f.), werden etwa seit der Zeit der flavischen Kaiser (vgl. A. Klügmann Philol. XXVIII 481) die Acten zu vollständigen Verzeichnissen aller Zusammenkünfte und Festlichkeiten der Brüder, und in demselben Masse wächst auch die Ausführlichkeit in der Beschreibung der einzelnen Verhandlungen und Caerimonien. Mit grosser Deutlichkeit heben sich in den Aufzeichnungen zwar nicht äusserlich, aber der Sache nach zwei verschiedene Gattungen von Kulthandlungen der fratres Arvales von einander ab; auf der einen Seite alle Functionen, die sich auf den Dienst der von alters her von den Arvalen verehrten Göttin dea Dia beziehen, also Ankündigung und Feier ihres Festes und Reinhaltung ihres Heiligtums durch die gebotenen Sühnopfer bei bestimmten Anlässen, auf der andern Seite die zahlreichen Äusserungen weitgehender Loyalität gegen das regierende Haus, die sich in Gelübden und Opfern für das Wohlergehen des Kaisers und bei den verschiedenartigsten Vorkommnissen, die zu Dank oder Fürbitte Gelegenheit bieten, kundgiebt. Zwischen beiden Arten von Amtshandlungen besteht kein innerer Zusammenhang, und man sieht deutlich, dass dem Kaiser Augustus bei seiner Reorganisation des Collegiums die Wiederbelebung des halbvergessenen Dienstes der dea Dia nur ein Mittel zum Zwecke und die sacrale Verherrlichung des Kaiserhauses durch die mit besonderem Ansehen bekleidete Priesterschaft die Hauptsache war; es ist sehr bezeichnend, dass bei den alljährlich am 3. oder 4. Januar für das Wohl des Kaisers vorgenommenen Götteranrufungen nur in den beiden ältesten erhaltenen Beispielen (CIL VI 2024, 29ff. vom J. 27 und 2028, 13 vom J. 38) dea Dia hinter den capitolinischen Gottheiten erscheint, später aber die Arvalbrüder bei den Acten des Kaiserkultes ihrer eigenen Göttin nicht mehr gedenken. Darum hat auch nur der Kaiserkult der Arvalbrüder seine Geschichte und Entwicklung (s. u.), während sich der Dienst der dea Dia offenbar von Augustus bis auf Gordian stets in denselben versteinerten Formen vollzogen hat; wir dürfen also für diesen die ausführlicheren Berichte der späteren Protokolle ohne weiteres auch als für die frühere Zeit gültig ansehen und sind damit über das alte Ritual, das [1472] Augustus bei seiner Reform des Arvalcollegiums noch vorfand und vor dem Untergange rettete, vollkommen unterrichtet; fraglich bleibt es aber, ob dieses durch die augusteische Neugründung fixierte Ritual noch das vollständige der Arvalbrüder der ältesten Zeit war; manche Spuren weisen darauf hin, dass zu Augustus Zeit manche Teile desselben schon rettungslos verloren waren, manches Fehlende auch vielleicht bei der Reorganisation mit gutem Willen aber mangelhaftem Verständnisse ergänzt wurde.

Dass der Gottesdienst der fratres Arvales die Fürbitte für das Gedeihen der Flur zum Zweck hatte, besagt ihr Name; dass er in die älteste Vorzeit zurückreicht, lehrt nicht die ,Überlieferung‘ ihrer Einsetzung durch Romulus, aber eine Menge rudimentärer Züge im Ritual; das den Tanz der Brüder am Maifeste begleitende uralte Festlied (s. u.), der Ausschluss des Eisens vom Heiligtume, der auf die vor der Einführung dieses Metalles liegende Zeit weist (Henzen Acta S. 132. Helbig Italiker in der Poebene 80f.), die eigentümliche, von den Arvalen selbst kaum mehr verstandene Rolle, welche irdene, ohne Anwendung der Drehscheibe roh mit der Hand geformte Töpfe (ollae), wie sie auch im Arvalenhaine selbst (M. St. de Rossi Giornale arcadico LVIII 1868, 136 Taf. IV) sowie in Rom im Hause der Vestalinnen (Jordan Tempel der Vesta 67) gefunden worden sind, im Festcaerimoniell spielten (Henzen Acta S. 30 und s. u.), die Beschaffenheit der bei den grossen Piacularopfern zur Anrufung kommenden Götterreihen (s. u.), vor allem die Göttin selbst, der ihr Dienst gilt. Den Namen der dea Dia (s. d. und vorläufig Th. Birt in Roschers Lex. I 963ff.) nennt ausser den Arvalacten kein Schriftsteller und keine Urkunde; er ist seiner Bildung nach kein Eigenname, sondern eine Attributsbezeichnung, stammt also aus der entlegenen Zeit, wo man nicht selten aus begreiflicher Scheu (an die Saatgottheiten, deren Namen man nach Plin. n. h. XVIII 8. Macrob. S. I 16, 8 nicht aussprechen durfte, erinnert passend Oldenberg a. a. O. 3, 2) den Eigennamen der Gottheit durch eine Qualitätsbezeichnung wie bona dea, dea tacita, deus patrius und ähnliche ersetzte, durch die der Eigenname ganz zurückgedrängt und oft in Vergessenheit gebracht wurde. Wenn die Bezeichnung dea dia zu einer der aus dem ältesten römischen Festkalender bekannten Gottheiten (di indigetes) gehört, so kann es nur eine der beiden Göttinnen sein, die man gemeinsam nach beendeter Aussaat im Januar durch die feriae sementivae (Ovid. fast I 671ff.) und im April, wenn alle Saaten in der Erde liegen und für ihr Gedeihen des Segens besonders bedürfen, durch die eng zusammenhängenden (Wissowa De feriis anni Roman. vetust. p. VIII) Feste der Fordicidia und Cerialia (Mommsen CIL I² p. 315) feiert, Tellus und Ceres (d. h. die altitalische, was Marquardt Staatsverw. III² 451 verkennt); denn an dieselben Festzeiten knüpft sich der Gottesdienst der Arvalbrüder. Dass das Jahr der Priesterschaft mit den Saturnalia beginnt und schliesst (s. o. S. 1470, 16), kann seinen Grund nur darin haben, dass die Feldbruderschaft zum Saatengotte Saturnus in enger Beziehung stand (Henzen Acta S. 34); gewiss hat sie in früherer Zeit die Saturnalia, das [1473] Neujahr ihres Collegiums, festlich begangen, und wenn dies seit der augusteischen Reform nicht mehr geschieht, so ist das gewiss einer der Fälle, wo sich alte Bräuche in das Ritual des neubegründeten Collegiums nicht hinübergerettet haben. Das Hauptfest der Arvalbrüder aber fällt in den Mai und schliesst die Reihe der für das Gedeihen der Feldfrucht gefeierten Frühlingsfeste (Fordicidia, Cerialia, Robigalia, dazu wahrscheinlich ein altes Florafest). Wie viele der vom Stande der Feldarbeit abhängigen Feste war es seit alter Zeit ein Wandelfest, dessen Termin alljährlich im ersten Monate des Arvalenjahres, und zwar zwischen den Nonen und Idus des Januar (Henzen Acta S. 5. Oldenberg a. a. O. 4ff.) durch den Magister in Gegenwart der Brüder in feierlicher Form angekündigt wurde (z. B. CIL VI 2068 I 28ff.: magister fratrum Arvalium manibus lautis velato capite sub divo columine contra orientem deae Diae cum collegis sacrificium indixerunt: quod bonum faustum felix fortunatum salutareque sit imp(eratori) Caesari Domitiano Aug(usto) Germanico pontif(ici) maxsimo et Domitiae Augustae coniugi eius totique domui eorum populo Romano Quiritibus fratribusque Arvalibus mihique, sacrificium deae Diae hoc anno erit folgen die Tage). Dieser Termin war aber ein wandelbarer nur innerhalb enger Grenzen, das Fest gehörte zu denjenigen feriae conceptivae, quae quotannis concipiuntur in dies certos (Macrob. S. I 16, 6): es findet in der Regel abwechselnd am 17. 19. 20. und 27. 29. 30. Mai statt und zwar in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle so, dass der erstgenannte Termin in den geraden, der letztgenannte in den ungeraden Jahren varronischer Zählung Platz greift. Doch hat diese Regel nicht nur in neronischer Zeit eine dauernde Störung erlitten (Henzen Acta S. 3f.), sondern gerade die ältesten Beispiele stimmen nicht zu ihr; im J. 734 = 20 v. Chr. scheint das Fest am 1. 3. 4. Juni (jedenfalls zwischen Kalenden und Nonen des Juni) stattgefunden zu haben (Ephem. epigr. VIII p. 316 nr. 1), im J. 21 n. Chr. nicht am 17. 19. 20. Mai, sondern in den letzten Tagen des Monats (Ephem. epigr. VIII p. 318 nr. 2), im J. 40 nicht am 27. 29. 30. Mai, sondern vor dem 24. Mai (Ephem. epigr. VIII p. 324 nr. 6); diesen drei Ausnahmen, zu denen bis zum Beginne der Regierung Vespasians fünf weitere kommen, in denen die Regel geradezu umgekehrt ist (58, 59, 63, 66, 69), stehen bis zur gleichen Zeit nur zwei Fälle gegenüber, in denen die Regel zutrifft (38 und 43), während von Vespasian an der regelmässige Wechsel nur noch einmal (im J. 90 am 25. 27. 28. Mai, CIL VI 2067, 46ff.) eine Ausnahme erfährt. Daraus ergiebt sich, dass sich gegenüber früherer grösserer Freiheit der feste Wechsel erst im Laufe der Zeit eingebürgert hat (E. Hula Arch.-epigr. Mitt. XV 26. Hülsen Ephem. epigr. VIII p. 321), und damit wird die schöne Hypothese Mommsens (Röm. Chronol. 70ff.), dass das Fest in republicanischer Zeit auf bestimmte Tage des eudorischen Kalenders fixiert und nur in Beziehung auf den bürgerlichen Kalender ein Wandelfest gewesen sei, hinfällig. Der Haupttag des Festes war der mittlere, wie schon daraus hervorgeht, dass nur er im Heiligtume der dea Dia festlich begangen wird und dass die knapper gefassten Protokolle der früheren Zeit [1474] nur diesen Tag erwähnen. Zwischen dem zweiten und ersten Tag liegt, uralter Regel entsprechend (vgl Mommsen CIL I² p. 288), ein festfreier Tag, so dass beide Festtage auf ungerade Monatstage fallen; wenn der dritte Festtag sich dieser Regel nicht fügt, so hat das nichts zu bedeuten, da er gar nicht mehr zur eigentlichen Feier gehört und nur durch einen Schmaus im Hause des Magister begangen wird. Auch die den ersten Tag füllenden vorbereitenden Handlungen und ebenso der Festschmaus, der am Spätnachmittag des zweiten Tages die Feier beschliesst, finden domi apud magistrum statt, wobei zuweilen, offenbar aus äusseren Gründen, an die Stelle des Hauses des Magister das eines andern Mitgliedes (Henzen Acta p. V n. 4), dreimal (Ephem. epigr. VIII p. 331 nr. 15 Z. 24. CIL VI 2087, 4. 2104 a 6) die Örtlichkeitsbezeichnung in Palatio in aede Divorum eintritt. Dagegen wird die Hauptfeier am zweiten Tage in luco begangen, in dem Haine der dea Dia, der am 5. Meilensteine der aus der porta Portensis längs des Tiber nach dessen Mündung führenden Strasse gelegen war (s. o. S. 1464f.). Wie sich aus den Protokollen ergiebt, lag der Hain auf einem Hügel, auf dem bei den Ausgrabungen des J. 1868 ein wahrscheinlich dem Genius loci geweihter Rundaltar (abgebildet bei Henzen Relazione Taf. V 5) gefunden worden ist; auf demselben Hügel in oder vor dem Haine muss auch die aedes deae Diae gelegen haben; denn zu den im Tempel vorzunehmenden Handlungen steigen die Arvalbrüder in den Hain hinauf (lucum adscenderunt) und nach ihrer Beendigung aus ihm wieder herunter (desciderunt lucum). Gewöhnlich gilt für den Tempel der dea Dia das alte Rundgebäude, auf dessen Überresten das Winzerhäuschen der Vigna der Brüder Ceccarelli erbaut ist (Lanciani bei Henzen Relazione 105ff. und Taf. IV. V); aber Hülsen (Ephem. epigr. VIII p. 350; vgl. Henzen a. a. O. XI) hat dagegen mit Recht das in den Protokollen des J. 183 (CIL VI 2099 I 22) erwähnte Prodigium eines in fastigio aedis deae Diae gewachsenen Feigenbaums geltend gemacht, da beim Rundtempel doch ein fastigium ausgeschlossen ist. Eher kann man diesen Rundbau für das Caesareum halten, vor welchem die Arvalen bei den grossen Piacularopfern den Divi opfern (Henzen Acta S. 148) und in welchem sie auch einmal (im J. 81) vor dem Opfer zum Kosten des Opferfleisches und nachher zur Mahlzeit sich versammeln (CIL VI 2060, 15. 17). Da dies letztere sonst in einem als Tetrastylum bezeichneten und häufig erwähnten Gebäude geschieht (Henzen Acta S. 20f.), so hält Mommsen (Grenzboten 1870 I 167 Anm.) beide Gebäude für identisch; doch erheben sich dagegen nicht unerhebliche Bedenken (Henzen a. a. O. XXIf.), und der Name tetrastylum würde vielmehr vortrefflich auf das im J. 1570 ausgegrabene Gebäude passen, das Silv. Perruzzi zeichnete (Ephem. epigr. VIII Taf. II, s. o. S. 1464); dass das Tetrastylum ebenso wie dieses Gebäude in der Niederung am Fusse des Hügels lag, geht aus den Protokollen mit Sicherheit hervor. Über die Lage des ebenfalls zum heiligen Bezirke gehörigen Circus (Henzen a. a. O. XXI) lässt sich zur Zeit keine Sicherheit gewinnen; eine in einiger Entfernung aufgedeckte Badeanlage hat man mit Unrecht den Baulichkeiten [1475] der Arvalen zugerechnet (Mommsen Grenzboten 1870 I 172 Anm. Hülsen Ephem. epigr. VIII p. 347). Erwähnt mag bei dieser Gelegenheit werden, dass in Rom die Arvalen ein eigenes Versammlungslocal nicht besitzen; ihre geschäftlichen Sitzungen zur Indiction des Festes, zur Cooptation neuer Mitglieder und bei sonstigen Anlässen halten sie unter den iulischen Kaisern in den verschiedensten Sacralgebäuden ab, im J. 14 in der Regia (CIL VI 2023 a 9. 18), 38 in aede Iovis Statoris (2028, 32), 59 in Pantheo (2041, 50), 63 im Tempel der Concordia (2043, 7), 69 ebenda und in aede divi Iuli (2051 I 55), seitdem aber regelmässig in aede Concordiae oder, wie es seit dem J. 87 offenbar ohne Änderung der Bedeutung heisst, in pronao aedis Concordiae; wahrscheinlich also hat Vespasian den Brüdern diesen Tempel, den sie vorher schon hin und wieder benützt hatten, zum ständigen Versammlungslocal angewiesen. Zu den Opferhandlungen des Kaiserkultes versammeln sich die Arvalen naturgemäss vor denjenigen Tempeln, deren Inhabern die Opfer oder Gelübde gelten (s. u.).

Das Caerimoniell des Maifestes.

Das Caerimoniell des Maifestes kennen wir namentlich aus den ausführlichen Protokollen der späteren Zeit, insbesondere dem des J. 218 (CIL VI 2104) bis in alle Einzelheiten (vgl. Henzen Acta S. 10ff.). Am ersten Tage des Festes versammeln sich die Brüder bei Tagesanbruch im Hause des Magister (Ausnahmen s. o. S. 1474, 13ff.), nach einem Opfer von Weihrauch und Wein fruges aridas et virides, d. h. vorjährige und diesjährige Ähren, sowie lorbeerbekränzte Brote (mit Lorbeer zubereitete Brote, wie sie Cato de agr. 121 beschreibt, können unmöglich panes laureati heissen) durch Berührung zu weihen und das Bild der Göttin zu salben, Handlungen, die zur Vorbereitung der Caerimonien des zweiten Tages dienten, bei denen sowohl die am ersten geweihten fruges (so richtig Oldenberg a. a. O. 9f.) wie die panes laureati eine Rolle zu spielen bestimmt sind. Damit ist der officielle Teil beendet, die Brüder legen die Praetexta, die sie bei allen Amtshandlungen tragen, ab und erscheinen nachmittags, nachdem sie das übliche Bad genommen, in bequemer Kleidung zum Festmahle, an dem auch die pueri ingenui patrimi et matrimi teilnehmen. Ehe der Nachtisch aufgetragen wird, erhält die Göttin das gebräuchliche Tischopfer in Gestalt von Wein und Weihrauch, das durch die pueri auf ihren Altar gesetzt wird, unter die Brüder selbst werden Kränze, lose Rosen und die Näschereien des Nachtisches verteilt, sie nehmen auch Salben (die Ergänzung [ungu]enta wird durch das Fragment Ephem. epigr. VIII p. 336 A gegeben, vgl. Henzen Röm. Mitt. II 142; früher las Henzen [pulm]enta, Marini [frum]enta) in Servietten eingepackt, nachdem sie sie geweiht (contigerunt), mit und gehen, nachdem sie ihre sportula, ein Geldgeschenk im Betrage von 100 Denaren pro Mann, empfangen haben, mit dem Gesegnetemahlzeitwunsche felicia auseinander. Die Haupthandlung des zweiten Tages ist das Opfer eines gemästeten Schafes (agna opima) im Tempel der dea Dia, das vom Magister und Flamen gemeinsam in Anwesenheit aller Brüder unter Beobachtung des feierlichsten Caerimoniells vollzogen wird. Vorher aber opfert der Magister allein im Haine der [1476] Göttin am Altar zwei Ferkel (porcae piaculares) und an einem Opferherd (foculus) eine weisse Kuh; die Ferkel sollen als Sühnopfer dienen luci coinquendi et operis faciundi, d. h. für das Beschneiden der Bäume, das wahrscheinlich um diese Zeit ausgeführt wurde, und die verschiedenen im Haine bei Gelegenheit des Festes vorzunehmenden Arbeiten (Jordan Krit. Beitr. zur Gesch. d. latein. Sprache 288f.), die Kuh wird als vacca honoraria bezeichnet, d. h. im Gegensatze zu den Sühnferkeln als freiwillige Opfergabe (Mommsen Ephem. epigr. VIII p. 270); nachdem die im Amtshause der Arvalen, dem Tetrastylum, untersuchten exta der Tiere auf Altar bezw. Herd niedergelegt sind und der Magister das Protokoll unterschrieben (in codice cavit), ist dieser Act seiner Thätigkeit beendet, er legt die Praetexta ab und zieht sich für eine Weile in einen für ihn reservierten Pavillon zurück. Gegen Mittag versammeln sich die Brüder im Tetrastylum, wo sie Platz nehmen, ihre Namen zum Beweise ihrer Teilnahme an der heiligen Handlung ins Protokoll einzeichnen und das Opferfleisch der Ferkel verzehren (dass sie dies in der Praetexta gethan hätten, wie das Protokoll von 218 [CIL VI 2104, 21] im Widerspruche mit allen übrigen angiebt, ist sicher ein Irrtum). Dann legten sie die feierliche Amtstracht an, die Praetexta mit über dem Hinterkopfe in die Höhe gezogenem Zipfel (capite velato) und die Ährenkränze mit weissen Binden, und zogen unter Vortritt der Kalatoren (summoto) hinauf zum Haine, um im Tempel dem Opfer des Schafes beizuwohnen und selbst vor dem Tempel eine Spende von Weihrauch und Wein darzubringen (über den Ort der Handlungen Oldenberg a. a. O. 14–19), dann nehmen sie im Tempel auf einem Opfertische unverständliche Handlungen mit Töpfen vor (sacrum fecerunt ollis), während der Magister und Flamen vor dem Tempel auf dem Rasen irgend einen heiligen Gebrauch vollziehen, darnach erscheinen auch die Brüder wieder draussen, legen einen Geldbeitrag auf den Altar (thesauros dederunt, von Birt in Roschers Lex. I 972 auf eine Übergabe des Tempelschatzes gedeutet, was ganz unmöglich ist; vgl. auch Gatti a. a. O. 699f.) und stellen sich, nachdem Magister und Flamen nochmals Wein und Weihrauch geopfert, vor der Thür des Tempels auf. Zwei Brüder steigen hinunter (zum Tetrastylum), um unter Assistenz der publici die am vorhergehenden Tage geweihten dürren und frischen Ähren herbeizuholen, die dann im Kreise der Brüder so herumgereicht werden, dass jeder sie mit der linken Hand empfängt und mit der rechten weitergiebt, bis sie zu den publici zurückgelangen. Darauf gehen sie wieder ins Innere des Tempels, richten ein Gebet an die Töpfe (etwas anderes kann ollas precantur trotz Marquardt Staatsv. III 456, 4 nicht heissen; dass die Töpfe mit Mehlbrei gefüllt waren, scheint aus dem Protokoll von 219 [CIL VI 2067, 66] hervorzugehen, wo hinzugefügt ist [ollas pre]cati sunt, cum pultes conteger(unt), et precati sunt) und werfen diese dann aus der geöffneten Thür des Tempels über den zum Haine hinaufführenden Weg hinunter. Dann nehmen sie im Tempel auf Marmorsesseln Platz, lassen durch die publici die schon am Tage vorher geweihten panes laureati (unter sich, nicht unter die Zuschauer, wie [1477] Birt a. a. O. 973 richtig hervorhebt) verteilen (wahrscheinlich um sie zu verzehren), empfangen die ganz rätselhaften lumemulia cum rapinis (zur Deutung s. Bücheler Arch. f. Lexikogr. I 109ff.) und salben ,die Göttinnen‘ (zur Erklärung der Mehrzahl d. h. doch wohl Zweizahl sei an das oben über Tellus und Ceres Gesagte erinnert; Henzen Acta S. 32 denkt an Iuno deae Diae neben dea Dia selbst, Birt a. a. O. sicher unrichtig an Adolenda Coinquenda). Hierauf müssen alle Anwesenden mit Ausnahme der Brüder, also namentlich die publici, den Tempel verlassen, der nun verschlossen wird, die Brüder schürzen ihr Gewand, nehmen die Textbücher in die Hand und tanzen im Dreischritt zum Rhythmus eines uralten Liedes (carmen descindentes tripodaverunt), dessen Text das Protokoll von 218 aufbewahrt hat (CIL I 28. Schneider Exempla nr. 392 mit Litteraturangaben. Buecheler Anthol. epigr. nr. 1); der sicher den singenden Brüdern nicht viel weniger als uns unverständliche Text lässt soviel erkennen, dass sich die Bitten der Priester namentlich an die Lases, d. h. die Laren, und an Mars richteten; für die Form (s. auch Usener Altgriech. Versbau 77f.) ist vor allem charakteristisch, dass entsprechend dem begleitenden Dreischritttanze jede Reihe dreimal wiederholt ist. Nach Beendigung des Tanzes werden die publici wieder eingelassen, um den Brüdern die Textbücher abzunehmen, die Brüder stellen sich wieder vor der Thür auf und lassen sich jeder durch seinen Kalator einen Kranz bringen, mit dem das Bild der Göttin geschmückt wird; dann folgt die Wahl des Magister und Flamen für das nächste Jahr und nach einem allgemeinen Glückwunsche (felicia) steigt man aus dem Haine hinab und die Feierlichkeit ist beendet. Nachdem man die Praetexta mit leichterer Gewandung vertauscht, findet man sich im Tetrastylum beim Magister, welcher Gastgeber ist, zum Mahle zusammen, wobei die Verteilung von Rosen und sportulae und der Schlusswunsch felicia wie tags vorher eigens erwähnt werden. Nach dem Mahle geht es in den Circus, wo der Magister in eleganter Festtracht mit Purpurmäntelchen (ricinium), Sandalen (gewöhnlich soleatus, in dem Fragment Ephem. epigr. VIII p. 336 A gallicatus, vgl. dazu Henzen Röm. Mitt. II 143) und Rosenkranz unter Vortritt des Kalator über den carceres Platz nimmt und den quadrigae und desultores (im J. 219 auch bigae) das Zeichen zum Beginn giebt, ebenso wie er am Schlusse den Siegern die aus Palmen und silbernen Kränzen bestehenden Preise überreicht; dann kehrt man nach Rom zurück, wo eine Mahlzeit im Hause des Magister, die sich unter denselben Formen wie die des ersten Tages vollzieht, den Schluss macht. Am dritten Tage endlich versammelt man sich wieder beim Magister, um das Opferfest zum Abschlusse zu bringen (ad consummandum oder peragendum sacrificium deae Diae), und zwar geschieht das wiederum durch ein Festmahl, welches sich von den früher beschriebenen nur dadurch unterscheidet, dass als Tischopfer die fruges libatae, d. h. die am ersten Tage geweihten, am zweiten durch die Hände der Brüder gegangenen Ähren (so richtig Oldenberg a. a. O. 19f.) der Göttin auf den Altar gesetzt werden; ausserdem wird noch erwähnt, dass die Brüder tuscanicae weihten (Vermutungen [1478] über die Bedeutung bei Henzen Acta S. 44) und durch die Kalatoren nach Hause schickten. Das Hoch auf den Kaiser (acclamatio), das wohl regelmässig den ganzen Act beschloss, teilt das Protokoll vom J. 213 (CIL VI 2086, 16ff.) in seinem ganzen schwülstigen Wortlaute mit.

An dem hohen Alter des Festes und seiner Bräuche lässt die Beschaffenheit dieser letzteren keinen Zweifel zu, ebensowenig kann man über seine Bedeutung im unklaren sein; die fruges aridae et virides, die an allen drei Festtagen eine Rolle spielen und gewissermassen das verbindende Element darstellen, zeigen, dass es ein Opfer pro frugibus ist, wobei die dürren vorjährigen und die noch grünen diesjährigen Ähren in demselben Sinne zusammen genommen werden, wie bei den vota annua des neuen Jahres die Losung der alten mit der Concipierung der neuen Gelübde, der Dank für die im abgelaufenen Jahre bewiesene Gnade mit der Bitte um deren Fortdauer im neuen Jahre vereinigt wird. Für ein solches Fest ist die Zeit unmittelbar vor dem Beginn der Ernte, wo Hoffnungen und Befürchtungen des Landmanns am höchsten stehen, die passendste, und darum verzeichnen auch die Bauernkalender (CIL I² p. 280) gerade im Mai: segetes lustrantur. Auch wo uns die Daten von Saatfesten einzelner italischer Gaue bekannt sind, fallen sie in diese Zeit, so in Campanien auf den 1. Mai (CIL X 3792), in Tolentinum auf den 11. Mai (CIL IX 5565), bei dem Alpenvolke der Anauni noch im J. 393 n. Chr. auf den 28. Mai (Acta SS. Mai VII 43), in Benevent auf den 5. Juni (CIL IX 1618). Da nun bei dieser lustratio pagi, ebenso wie bei der privaten lustratio agri (Cato de agric. 141), die Hauptcaerimonie die ist, dass das Opfertier bezw. die Opfertiere um das zu lustrierende Gebiet herumgeführt werden (Grom. lat. p. 164, 25ff.), so steht sie auf gleicher Stufe mit demjenigen römischen Staatsfeste, welches davon genannt ist, quod arva ambiat victima (Serv. Ecl. 3, 77; vgl. 5, 75), nämlich den Ambarvalia (s. d.). Von diesem Feste aber können die fratres Arvales schon um des Namens willen nicht getrennt werden, und wenn bei Fest. ep. p. 5 ambarvales hostiae erklärt werden quae pro arvis a duobus fratribus sacrificabantur, so ist die von Ant. Augustinus vorgeschlagene Besserung a duodecim fratribus (O. Hirschfeld Gött. gel. Anz. 1869, 1501f. schreibt pro arvis ac novis frugibus nach Macrob. S. III 5, 7 ambarvalis hostia est, ... quae rei divinae causa cirum arva ducitur ab his, qui pro frugibus faciunt; aber vgl. dazu Varro de l. l. V 85 fratres arvales .. sacra faciunt propterea, ut fruges ferant arva) um so evidenter, als ja eigentlich der im römischen Sacralwesen völlig singulär dastehende Titel fratres für sich schon genügen würde, die Beziehung auf die Arvalbrüder zu sichern. Daraus folgt, dass auch das Maifest der Arvalbrüder mit den alten Ambarvalia in engem Zusammenhange stehen muss, und dass Mommsen (Röm. Tribus 17; Röm. Chronol. 70, 99a; Grenzboten 1870 I 166), Henzen (Acta S. 46ff.), Jordan (Röm. Topogr. I 1, 389; Krit. Beitr. 200ff.), de Rossi (Roma sotterranea III 690f.), Usener (Philos. Aufs. f. E. Zeller 282 = Religionsgeschichtl. Unters. I 298) in der Hauptsache recht haben, wenn sie die Identität beider [1479] Feste gegen Marini (Atti pref. p. XXIX), Huschke (Röm. Jahr 63), O. Hirschfeld (a. a. O.), Oldenberg (a. a. O. 20ff.) verfochten haben. Für die Zeit der Ambarvalienfeier besitzen wir kein Zeugnis, aber ihre Bestimmung und der unlösbare Zusammenhang mit den privaten und dörflichen Lustrationen verweisen sie in dieselbe Zeit, so dass von da aus der Gleichsetzung mit dem Maifeste der Arvalen nichts im Wege steht. Aber derselbe Zusammenhang mit der lustratio agri (sowie weiterhin mit der Lustration der Bürgerschaft beim Census und der lustratio exercitus) stellt es sicher, dass das Opfer aus Suovetaurilia bestand und dem Mars galt, und der Name besagt, dass es um die arva d. h. um die römische Ackerflur herumgeführt wurde wie sonst um das Privatgrundstück, um die Bürgerschaft oder das Heer; die Feier der Arvalen entspricht hier in allen drei Punkten nicht, und der Versuch Henzens, das Opfer der porcae piaculares, der vacca honoraria und der agna opima als eine Art weiblicher Suovetaurilia darzustellen, ist von Oldenberg und Jordan mit vollem Rechte zurückgewiesen worden, weil diese drei Opfer gar nicht zusammengehören und nur die agna opima das eigentliche Festopfer darstellt. Aber dass die Ambarvalia später nicht mehr waren, was ihr Name besagt, ein Umgang um die römische Feldflur, bezeugt Strabon V 230, der zwischen dem 5. und 6. Meilensteine einen τόπος Φῆστοι (?) erwähnt, der die Grenze des ehemaligen römischen Gebietes bezeichne: denn an dieser Stelle und an mehreren andern verrichteten die Pontifices an demselben Tage ein Opfer als an Grenzorten; dieser Tag heisse Ἀμβαρουία (lies Ἀμβαρουάλια). Mag dieser rätselhafte τόπος Φῆστοι mit der Stelle des Arvalenhaines identisch sein oder nicht, jedenfalls haben wir hier einen einwandfreien Zeugen dafür, dass man den Grenzumgang auflöste in Einzelopfer an einer Reihe von Stellen der Grenze, und zwar der Grenze des ager Romanus antiquus, den man sich nach den verschiedenen Seiten verschieden weit um die Stadt reichend dachte (s. o. Bd. I S. 780); ähnlich ist es ja mit den Terminalia gegangen, die doch ursprünglich sicher ein Fest des Grenzbeganges waren, in der augusteischen Zeit aber nur an einem Punkte der Grenze des ager Romanus antiquus, am 6. Meilensteine der via Laurentina (Ovid. fast. II 679ff.) gefeiert wurden, und auch die Robigalia, später im Haine des Robigus am 5. Meilensteine der via Claudia (Mommsen CIL I² p. 316f.) gefeiert, waren von Haus aus wahrscheinlich ein schützender Umgang um die ganze Flur. Es haben sich also die fratres Arvales, nachdem der Flurumgang an den Ambarvalia in eine Anzahl von Grenzopfern aufgelöst worden war, an einem Punkte dieser Grenzlinie (ihr Heiligtum liegt ebenso zwischen dem 5. und 6. Meilensteine wie der τόπος Φῆστοι und die Feststätten der Terminalia und Robigalia) fest niedergelassen, und der Kult der Göttin dea Dia, die sie früher neben und hinter Mars für das Gedeihen der Saaten anriefen, trat dadurch so in den Vordergrund, dass Mars nur noch in dem aus der ältesten Zeit stammenden Kultgesange zu Ehren kam. Den Beweis dafür, dass dies der Hergang war, geben die Sühnungen grösserer Prodigien, wie sie die Acten der J. 183, 218 und [1480] 224 verzeichnen (s. u.). Diese Caerimonien, welche als lustrum missum bezeichnet werden (CIL VI 2107, 7. 2110, 10), also als ausserordentlicher Act der regelmässigen lustratio der Ambarvalia genau entsprechen, beginnen mit einem Opfer von suovetaurilia maiora, dann folgt die Darbringung zweier Kühe an dea Dia und daran schliessen sich die übrigen Opfer; der Empfänger der Suovetaurilia, der nicht genannt wird, kann nach altrömischem Ritus kein anderer als Mars gewesen sein (so richtig Oldenberg a. a. O. 42ff.), und daraus ergiebt sich, dass ursprünglich auch beim Jahresfeste die Anordnung die gleiche war; mit dem Flurumgange fiel auch das Opfer der Suovetaurilia, dessen Herumführung dem Feste den Namen gegeben, weg und dea Dia rückte an die erste Stelle. Diese Umwandlung ist sicher nicht erst, wie Jordan (Krit. Beitr. 201f.) meint, bei der augusteischen Reorganisation erfolgt, denn die Unmöglichkeit, die Ambarvalia als wirklichen Umgang um die Stadtflur zu feiern, muss sich schon viel früher herausgestellt haben, und wie man dazu gekommen wäre, eine verschollene Göttin wie dea Dia an Stelle des Mars zu setzen, wäre in der Zeit des Augustus vollkommen unbegreiflich.

Piacularopfer.

Wie sich in dem eben erwähnten Falle im Ritual des Sühnopfers noch Spuren der ältesten Ordnung des Arvalendienstes erhalten haben, die in der Festordnung verloren gegangen sind, so bieten überhaupt die in den Acten wiederholt erwähnten Piacularopfer uraltes Caerimoniell. Die aus der römischen Sacralverfassung auch sonst wohl bekannte Bestimmung (Henzen Acta S. 132), dass alles Eisen vom Gottesdienst und Tempel fern zu halten sei (s. o. S. 1472), musste alljährlich übertreten werden, wenn es galt, das Protokoll des Vorjahres in die Tempelwand einzuhauen: dadurch wurde die Darbringung der Sühnopfer nötig, die jedesmal vor und nach der Begehung des piaculum, d. h. beim Einführen und beim Hinausbringen der verpönten Eiseninstrumente (ob ferrum inlatum bezw. elatum scripturae et scalpturae), erfolgte. Ferner galt für den Arvalenhain dasselbe, was uns z. B. für den heiligen Hain bei Spoletium aus alter Zeit inschriftlich (E. Bormann Miscellanea Capitolina 5ff. E. Schneider Exempla nr. 95) bezeugt ist, dass nicht nur jede Verletzung des Hains, sondern auch jede Entfernung von zum Haine gehörigen Dingen streng verboten und das Fällen von Bäumen nur am Tage des Jahresfestes zum Opferfeuer gestattet war (honce loucom nequ[i]s violatod neque exvehito neque exferto quod louci siet, neque cedito nesei quo die res deina anua fiet; eod die quod rei dinai causa [f]iat, sine dolo cedre [l]icetod). Machte nun der Fall eines Baumes oder Astes, der wegen Alters oder bei Unwetter oder auch durch Blitzschlag geschah, die Entfernung aus dem Haine unvermeidlich, so war auch hier ein Sühnopfer notwendig, falls nicht etwa das Holz beim Maifeste innerhalb des Hains zum Opferfeuer verwendet werden konnte (so im J. 14 CIL VI 2023 a, wo kurz vor der Maifeier ein Baum vor Alters zusammenbricht und die Arvalen beschliessen ut [in luc]o ad sacrificium consumeretur neve quid [ligni] exportaretur; ein piaculum findet nicht statt; durch diese Auffassung erledigen sich die Zweifel von J. Weisweiler Jahrb. f. Philol. CXXXIX 1889, 46). [1481] Diese kleineren Sühnopfer werden sämtlich ohne Zuziehung der Brüder im Haine der dea Dia durch den Magister oder meistens in dessen Auftrage durch seinen Kalator unter Assistenz der publici dargebracht, sie gelten der dea Dia allein und bestehen aus porca und agna opima, wozu das ebenfalls uralte (Gell. X 15, 14) Kuchenopfer von strues und ferta kommt (Zeugnisse bei Henzen Acta S. 128ff.). Während diese Sühnopfer mit dem Opfer der porcae piaculares auf einer Stufe stehen, das der Magister am Morgen des Hauptfesttages luci coinquendi et operis faciundi darbringt (s. o. S. 1476), wird bei aussergewöhnlichen Veranlassungen ein viel grösserer Apparat in Thätigkeit gesetzt. Zwei der späteren Protokolle geben genaue Beschreibungen von grossen Sühnungen, zu denen im J. 183 die Veranlassung war quod in fastigio aedis deae Diae ficus innata esset, eruendam et aedem reficiendam (CIL VI 2099 I 21f.), im J. 224 quod vi tempestat(is) ictu fulmin(is) arbor(es) sacr(i) l(uci) d(eae) D(iae) attact(ae) arduer(int) ear(um)q(ue) arbor(um) eruendar(um) ferr(o) [f]endendar(um) adolendar(um) commolendar(um) item aliar(um) restituendar(um) (CIL VI 2107, 4ff.), während von einem dritten Protokoll gleicher Art vom J. 218 nur Fragmente erhalten sind, die den Anlass nicht erkennen lassen (CIL VI 2104 a 1ff,). In diesen Fällen findet im Haine ein wirkliches lustrum d. h. eine feierliche Entsühnung statt und zwar zweimal, bei Beginn (operis inchoandi causa) und Schluss (operis perfecti causa) der Arbeit, beidemal ganz übereinstimmend; hier versammeln sich die Arvalen selbst im Haine, und der Magister bringt eine lange Reihe von Opfern dar, welche mit suovetaurilia maiora und dem Opfer von zwei Kühen an dea Dia beginnt (s. o. S. 1480) und mit einem Hammelopfer an die divi imperatores vor dem Caesareum endet (im J. 224 wird auch dem Genius des regierenden Kaisers ein Stier geopfert; die Zahl der divi wird genau vermerkt, 16 im J. 183, 20 im J. 218 und 224, ebenso gross ist die Zahl der geopferten Hämmel). Zwischen diesen beiden Opfern, dem alten an Mars und dea Dia und dem jungen an die Divi, werden eine lange Reihe anderer Gottheiten aufgezählt, welchen an im Haine selbst errichteten provisorischen Altären (arae temporales; vgl. Lübbert Commentat. pontificales 90f.; im J. 224 wird das für die unter Benützung von Eisenwerkzeugen erfolgende Renovierung dieser Altäre nötige Sühnopfer mit dem grossen Lustrum verbunden) Opfer dargebracht werden; die Tiere, zwei für jede Gottheit, sind sämtlich dem ovillum genus entnommen und zwar in der Weise, dass Ianus und Mars Widder, sonst alle männlichen Gottheiten Hämmel, die weiblichen Schafe erhalten; bei dem Opfer sive deo sive deae, wo das Geschlecht des Gottes unbekannt war, scheint man sich durch Abwechslung geholfen zu haben, denn die Acten von 183 und 218 verzeichnen oves II, die von 224 verb(eces) II. Die angerufenen Gottheiten sind (von kleinen Abweichungen der Reihenfolge abgesehen) in allen drei Protokollen dieselben, ausnahmslos solche des ältesten Kreises der di indigetes (es genügt hervorzuheben, dass die capitolinische Trias fehlt). Die Reihe wird von Ianus eröffnet, von Vesta geschlossen, entsprechend altem Sacralgesetze (Cic. de nat. deor. II 67), auf [1482] Ianus folgen Iuppiter und Mars (wenn er im Protokoll von 224 Mars pater ultor heisst, so ist der Beiname ultor sicher eine Zufügung, die dem alten Formular fremd ist); der dritte Gott, den wir nach Analogie der ältesten Ritualformeln (bei den Saliern, Serv. Aen. VIII 663; bei den Fetialen, Polyb. III 25, 6; im carmen devotionis Liv. VIII 9, 6; in der lex spoliorum opimorum Fest, p. 189. Plut. Marc. 8. Serv. Aen. VIII 860; vgl. auch v. Domaszewski Westd. Zeitschr. XIV 1895, 118f.) hier erwarten, Quirinus, fehlte gewiss im ursprünglichen Formular nicht, wird aber früh in Vergessenheit geraten sein, da auch Cato (de agric. 141) bei der lustratio agri nur noch Ianus, Iuppiter und Mars nennt. Dann folgt Iuno dea Diae, weiter die unbekannte Gottheit, die etwa einen Rechtsanspruch auf ein Piacularopfer haben könnte (sive deo sive deae), dann die weiblichen und männlichen Gottheiten untergeordneten Ranges, die als Virgines divae und Famuli divi bezeichnet werden, ferner die Lares als Götter der Flur samt ihrer Mutter, der mater Larum, der unbekannte Schutzgeist des Haines (sive deo sive deae in cuius tutela hic lucus locusve est), Fons und Flora, sämtlich Gottheiten, die entweder als die leitenden der altrömischen Religionsordnung (Ianus, Iuppiter, Mars, [Quirinus], Vesta) oder in ihrer engen Beziehung zu dem Dienste circum arva pro frugibus verständlich sind; rätselhaft bleibt die am Schlusse neben Vesta mater noch erwähnte Vesta deorum dearumque, die offenbar auch von den Arvalen nicht mehr verstanden wurde, wie daraus hervorgeht, dass die Acten vom J. 183 statt zwischen Vesta mater und Vesta deorum dearumque vielmehr unsinnig zwischen Vestaund Vesta Mater unterscheiden. Im Protokoll von 224 ist in diese Reihe vor Vesta noch Summanus eingefügt, der Gott des nächtlichen Himmels und der bei Nacht fallenden Blitze (Fest. p. 229. Plin. n. h. II 138), offenbar weil der zu sühnende Blitzschlag ein nächtlicher gewesen war. Er ist also der obligatorischen Götterreihe um des speciellen Anlasses willen hinzugefügt, wie dies ebenso von einigen Gottheiten gilt, die, durch die Anfügung mit item von den übrigen Göttern deutlich abgehoben, hinter Vesta (vor dem Opfer an die Divi) folgen; in den Acten von 183 sind es Adolenda Commolenda Deferunda, in denen von 224 Adolenda Coinquenda, und da in den zwei genannten Protokollen die vorgenommene Handlung ausdrücklich bezeichnet wird als earumq(ue) arborum adolefactarum et coinquendarum, so ist ein Zusammenhang dieser numina mit den zu sühnenden Acten zweifellos, es handelt sich im J. 183 um das Herabnehmen (deferre), Zerstückeln (commolere) und Verbrennen (adolere) des auf dem Dache des Tempels gewachsenen Feigenbaumes, im J. 224 um das Zerhacken (coinquere) und Verbrennen (adolere) der Überreste der vom Blitze getroffenen Bäume (über die Namen s. Jordan Krit. Beitr. 279ff.); die Reihenfolge der numina ist nicht nach der Zeitfolge der entsprechenden Handlungen geregelt, sondern scheint die alphabetische. Mit vollem Recht haben sich die Neueren (z.B. Henzen Acta S. 147f. Oldenberg a. a. O. 45f. R. Peter in Roschers Lex. II 189f. u. a.) der Ansicht von Marini (Atti S. 381f.) angeschlossen, der diese Göttinnen mit der bekannten Sitte der Römer zusammenbringt, [1483] eine Handlung in eine Anzahl von Einzelacten zu zerlegen und für jeden derselben eine eigene göttliche Kraft anzurufen (wie z. B. beim Beginne der Aussaat der Flamen der Tellus und Ceres opfert, aber dabei für die verschiedenen Thätigkeiten der Feldarbeit zwölf verschiedene numina anruft, Serv. Georg. I 21); da aber immerhin die Summe des deferre, commolere, adolere nur eine Handlung darstellt, so erhalten auch Deferenda, Commolenda, Adolenda zusammen nur wie Flora oder Vesta ein Paar Schafe zum Opfer, nicht drei Paar, ohne dass man darum sagen dürfte (wie Henzen a. a. O. es thut), es sei nur ein numen; denn diese Art Gottheiten ist überhaupt nur begrifflich, nicht persönlich gedacht, und statt in zwei oder drei Teile hätte die Handlung ebenso gut in deren sieben oder zehn zerlegt werden können. Die Namen müssen dann activisch aufgefasst werden (vgl. Larunda neben Larenta u. a., Litteratur darüber bei R. Peter a. a. O. 190). Wenn neuerdings J. Weisweiler (a. a. O. 37ff.) ausgehend von vorwiegend formalen Bedenken den Versuch gemacht hat, sie als wirkliche passive Futurparticipien zu erklären und das Opfer aufzufassen als dargebracht der zu verbrennenden, zu zermalmenden, herunterzuholenden Baumseele, so scheitert derselbe daran, dass ein Baumkultus dieser Art den Römern durchaus fremd ist und ferner man unter keinen Umständen nach Vollziehung der betreffenden Handlungen (arbore adolefacta u. s. w.) ein Opfer bringen konnte arbori adolendae.

Die verhältnismässig geringste Ausbeute für die Geschichte des Arvalencollegs und seinen Gottesdienst giebt die räumlich weitaus umfangreichste dritte Art protokollarischer Aufzeichnungen, welche die Acte des Kaiserkultes betrifft und für die Kenntnis der Zeitgeschichte von hervorragender Wichtigkeit ist (ausser Henzen Acta S. 49–126 s. die Übersicht bei Gatti a. a. O. 702ff.). Wenn wir erfahren, dass im J. 724 = 30 angeordnet wurde τούς τε ἱερέας καὶ τὰς ἱερείας ἐν ταῖς ὑπέρ τε τοῦ δήμου καὶ τῆς βουλῆς εὐχαῖς καὶ ὑπὲρ ἐκείνου (Augustus) ὁμοίως εὔχεσθαι (Cass. Dio LI 19), so geben die Arvalacten dazu die beste Illustration. Wie alle Beamten und Priesterschaften legten auch die Arvalen regelmässig am Anfange des neuen Jahres (erst am 4., seit dem J. 38 am 3. Januar, s. Mommsen St.-R. II² 785; CIL I² p. 305. Marquardt Staatsverw. III 266f.) Gelübde für das Wohl des Herrschers und seines Hauses ab, die im nächsten Jahre erfüllt und erneuert wurden; Protokolle aus der Zeit Domitians (CIL VI 2065 I 1ff. 2067, 5ff.) berichten genau über den Hergang, wie der Magister in einer in der Vorhalle des capitolinischen Tempels abgehaltenen Festsitzung beantragt, da die Götter die Gebete des Vorjahres erhört, die gelobten Opfer darzubringen und neue zu geloben, wie er dann, nachdem die Brüder demgemäss beschlossen, auf dem Platze vor dem Tempel erst Weihrauch und Wein und dann mola cultroque die Opfertiere darbringt und dann unter Assistenz der Brüder in feierlicher Gebetsformel (über diese Formel vgl. Mommsen Ephem. epigr. IV p. 225f. Jordan a. a. O. 290), die für jede beteiligte Gottheit wörtlich wiederholt wird, die neuen Gelübde pro salute et incolumitate imperatoris ablegt; Gegenstand des [1484] Gelübdes sind eine Reihe von Opfern, in älterer Zeit auch mehrfach ein Geschenk von 25 Pfund Gold und 4 Pfund Silber (Henzen Acta S. 101; vgl. Mommsen Ephem. epigr. IV p. 226). Die Götter, denen das Opfer gebracht wird, sind zunächst immer Iuppiter, Iuno, Minerva, denen ja auch die regelmässigen Gelübde der Consuln für das Staatswohl am Neujahrstage gelten (Mommsen St.-R. I² 594), ferner Salus publica; dazu kommen in den ältesten Protokollen vom J. 27 und 38 noch dea Dia (vor Salus), der man wegen der localen Entfernung des Hains das gelobte Opfer nicht gleichzeitig mit dem capitolinischen, sondern erst einige Tage später darbringen konnte (CIL VI 2028 a 16ff.), und bis auf die flavischen Kaiser die consecrierten Mitglieder des iulischen Hauses (im J. 38 nur divus Augustus), denen man in templo novo, d. h. in dem von Caligula eingeweihten Augustustempel am Palatin opferte. In ganz entsprechender Weise wurden von den Arvalen beim Regierungsantritte eines Kaisers Gelübde dargebracht, und zwar in der späteren Zeit zugleich als vota annua und vota decennalia (Henzen Acta S. 107, vgl. Marquardt a. a. O. 268), und unter Domitian und Commodus noch ein zweites, von einem andern Anfangstage an laufendes Jahresgelübde pro salute imperatoris (Henzen S. 109ff.), welches sich nur insofern unterscheidet, als unter Domitian das Opfer dem Iuppiter O. M. allein gilt, während unter Commodus zu dem Verein von Iuppiter, Iuno, Minerva, Salus noch Providentia und wahrscheinlich Mars (CIL VI 2100 II 6 ist nur das Opfertier taurum, nicht der Name der Gottheit erhalten; das Opfertier lässt die Wahl zwischen Genius imperatoris und Mars [s. u.], Henzen ergänzt ersteres, aber da der Genius imperatoris bei den Jahresvoten nie vorkommt, ist Mars vorzuziehen) hinzutreten. Diese Abwandlung des einfachen Schemas durch Hinzufügung verschiedener Götter zu dem stehenden Formular ist die Regel bei denjenigen Gelübden, die aus ausserordentlicher Veranlassung einmal concipiert werden (Henzen Acta S. 114ff.), für Genesung des Kaisers und Entbindung der Kaiserin, für Entdeckung von Verschwörungen, für glückliche und siegreiche Rückkehr des Kaisers aus dem Feldzuge u. s. w., sowie bei den Opfern, die bei ausserordentlichen Anlässen der gleichen Art ohne vorheriges Gelübde dargebracht werden (Henzen a. a. O. 77ff.). Hier ist der Grundstock der mit Opfern bedachten Gottheiten immer derselbe wie bei den Jahresgelübden der gleichen Zeit, die capitolinische Trias mit Salus, dazu vor Vespasian auch die Divi; aber der jeweilige Anlass führt die Zufügung weiterer Gottheiten herbei, vielfach namentlich solcher von symbolischer Bedeutung z. B. Felicitas, Providentia (bei Entdeckung von Verschwörungen), Victoria, Fortuna redux, Pax u. a.; aber auch Götter wie Iuppiter Victor, Mars Ultor (in foro Augusti), Genius populi Romani, schliesslich der Genius des Kaisers und die Iuno der Kaiserin erscheinen in diesem Zusammenhange. Bei besonders hervorragenden Anlässen, wie bei dem Gelübde beim Auszuge Traians zum dakischen Feldzuge (CIL VI 2074 I 32ff.) und bei dem Dankopfer für den Alemannensieg Caracallas (CIL VI 2086, 22ff.), wachsen die Götterreihen zu ganzen Litaneien an; in diesen [1485] beiden Fällen sind es je zwölf Götter (die man aber nicht mit Mommsen Grenzboten 1870 I 174 für einen festen Zwölfgötterkreis halten darf, sondern für eine durch den zufälligen Anlass gebotene Auswahl), wobei es besonders auffällt, dass neben Iuppiter optimus maximus der Iuppiter Victor, neben Mars pater der Mars Ultor erscheint: die Litanei macht den Eindruck, als sei sie aus verschiedenen älteren Gebetsformeln willkürlich zusammengestellt. Eine andre Art von Opfern endlich sind diejenigen, die, ohne auf regelmässig erneuertem oder einmaligem Gelübde zu beruhen, von den Arvalen nicht nur ausserordentlicherweise, sondern alljährlich dargebracht wurden (Henzen Acta S. 49ff.), insbesondre zur Feier der Geburtstage von Mitgliedern des Kaiserhauses, zur Erinnerung an den Regierungsantritt sowie an die Übernahme der einzelnen Würden (Tribunicia potestas, Consulat, Oberpontificat u. s. w.) seitens des regierenden Kaisers, auch zum Andenken an den Begründer der Monarchie, den divus Augustus, dem nicht nur am Feste der Augustalia (12. October) in seinem Tempel auf dem Palatin zusammen mit den sonstigen divi und divae seines Hauses geopfert wird, sondern dessen Geburtstag auch nach seinem Tode noch durch ein zweitägiges Fest am 23. und 24. September begangen wurde (Henzen S. 51). Die Zahl von Festlichkeiten dieser Art hat unter den einzelnen Kaisern gewechselt, von denen auch jeder wieder besondere Feiern hinzu fügte; so wurde unter Claudius der Tag der Consecration der Livia durch ein Opfer an Augustus und Livia im templum novum begangen (Henzen S. 59) und unter Nero auf dessen Anordnung ein jährlich wiederkehrendes Opfer in sacra via ante domum Domitianam zur Erinnerung (ob memoriam) an seinen Vater Cn. Domitius Ahenobarbus (Henzen S. 61f.); da dieser nicht consecriert war, so kann nicht er selbst der Empfänger des Opfers gewesen sein (auch nicht sein Genius, da er verstorben war), vielleicht galt das Opfer den Penaten der domus Domitiana, wie dasjenige, welches im J. 59 pro salute et reditu des Nero ante domum Domitianam dargebracht wurde (CIL VI 2042, 38). Mit dem Regierungsantritte Vespasians fallen alle die Geburtstagsopfer weg, die Feier des Regierungsantrittes und der Gedenktage der Übernahme der Tribunicia potestas u. s. w. findet sich noch im J. 81, dann aber scheidet diese ganze Klasse von Opfern aus dem Programm der Arvalbrüder aus, und es bleiben von regelmässigen Jahresopfern nur die mit vota verbundenen bestehen. Die Opfertiere für alle Kulthandlungen der Kaiserverehrung, gleichviel ob es sich um gelobte oder andere Opfer, um regelmässige oder ausserordentliche, handelt, werden dem bovillum genus entnommen und zwar in der Weise, dass alle männlichen Gottheiten Ochsen, alle weiblichen Kühe erhalten, das Opfer eines Stieres aber dem Mars, dem Genius des Kaisers sowie dem Genius des römischen Volkes, ferner den Lares (militares und Lar vialis), Neptunus und Hercules (Victor) vorbehalten bleibt; dass die Penaten im J. 59 ein Kuhopfer erhalten (CIL VI 2042, 38) erklärt sich vielleicht daraus, dass die domus Domitiana weibliche Gottheiten (etwa Fortuna u. s. w.) als Penaten verehrte, das Kuhopfer an Honos im J. 66 (CIL VI 2044 I c 5) ist eine noch unerklärte Ausnahme [1486] (vgl. Oldenberg a. a. O. 35ff.). In der Regel erhält jede Gottheit ein Opfertier, eine Verdoppelung der Tiere tritt bei den vota annua zuweilen dann ein, wenn das Gelübde dem Wohlsein zweier Personen des kaiserlichen Hauses gilt (Henzen Acta S. 104; vgl. 125).

Von sonstigen kleineren Notizen der Protokolle soll hier nur am Schlusse noch die Angabe über die den Arvalbrüdern durch Titus im neuen Amphitheatrum Flavium angewiesenen Platze erwähnt werden, die sich im Protokoll des J. 81 (CIL VI 2059, 25ff.) findet und neuerdings auf Grund eines vervollständigten Textes (vgl. auch E. Bormann Arch.-epigr. Mitt. XVII 70) durch Hülsen eine vortreffliche Erläuterung erhalten hat (Bull. com. XXII 1894, 312ff.).