Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Sternkunde
Band II,2 (1896) S. 18281862
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Astronomie (ἀστρονομία, ἀστρολογία).

1. Um einen kurzen Überblick über die griechische A. zu geben, liegen geeignete Vorarbeiten bei weitem nicht in dem Umfange vor, wie für die Geschichte der alten Arithmetik und Geometrie (s. diese Artikel). Die anfängliche Entwicklung der A. war bei den Griechen eng mit der Philosophie verknüpft. Daher ist die älteste Überlieferung über Astronomisches mit enthalten in den Schriften des Platon und Aristoteles und in den fragmentarischen Nachrichten über frühere Philosophen. Dabei konnte aber der A. nicht das Recht werden, [1829] das sie als eine von allen philosophischen Speculationen unabhängige Wissenschaft zu beanspruchen hat. Auf diesem Gebiete wird also noch manche, lediglich vom historisch-astronomischen Standpunkte ausgehende Einzeluntersuchung zu führen sein, ehe zu einer encyklopädischen Darstellung des gesamten Materials geschritten werden kann. Vorderhand jedoch bieten S. Günther in den der A. gewidmeten Abschnitten seines Handbuches der mathematischen Geographie, Stuttgart 1890, und des Abrisses der Gesch. der Math. und Naturw. im Altertum (Iw. Müllers Handb. der klass. Altertumswiss. V 1²), sowie P. Tannery Pour l’histoire de la sciene hellène, Paris 1887, und Recherches sur l’histoire de l’astronomie ancienne, Paris 1893, so vortreffliche Vorarbeiten, dass der Versuch gewagt werden durfte, an das von den Genannten geschaffene Gesamtbild eine quellenmässige Übersicht über die Entwicklung der alten A. anzuschliessen. Zuverlässige und durch treffliche Inhaltsverzeichnisse zugänglich gemachte Materialien boten vor allen die Doxographi Graeci von H. Diels, Berlin 1879, und die Commentare des Simplikios zu Aristoteles περὶ οὐρανοῦ als 7. Band der Commentaria in Aristotelem Graeca im Auftrage der Berliner Akademie herausg. von J. L. Heiberg, Berlin 1894. Auch die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung dargestellt von E. Zeller hat sich besonders für den Überblick über die älteste A. ungemein förderlich erwiesen. Die Geschichte der A. von R. Wolf, München 1877, ist berücksichtigt worden, soweit nicht das von Susemihl Litt.-Gesch. I 765, 268 hervorgehobene Bedenken entgegenstand.

2. Die Sternkunde, d. i. die Wissenschaft von den Bewegungen und, soweit dies im Altertum zu erkennen möglich war, von den Entfernungen, der Gestalt und der Grösse der Gestirne, ist von den Griechen ἀστρονομία oder ἀστρολογία benannt worden, und ebenso erscheinen ἀστρολόγος neben ἀστρονόμος, ἀστρολογεῖν neben ἀστρονομεῖν u. s. w. Als Aristophanes seine Wolken aufführte, waren ἀστρονομεῖν und ἀστρονομία in Athen bereits volkstümliche Ausdrücke geworden (nub. 194. 201). Xenophon hat ἀστρολόγος und ἀστρολογία neben ἀστρονομία ohne wesentlichen Unterschied angewendet (comm. IV 2, 10. 7, 4f.). Auch bei Späteren erscheinen beide Ausdrücke neben einander. Aristoteles scheint nur ἀστρολογία und ἀστρολογικός gebraucht zu haben (Bonitz Ind. Aristot. u. d. W.; dagegen ἀστρονόμος in den ps.-aristotelischen προβλήματα 18, 6). Eudemos, der Schüler des Aristoteles, betitelte sein astronomisches Werk ἀστρολογικὴ ἱστορία (Simplic. in Arist de caelo 488, 20 Heiberg). Ausschliesslich ἀστρολόγος, bezw. ἀστρολογία, ἀστρολογεῖν finden sich bei Archimedes (aren. 244, 4. 8. 248, 4. 7. 288, 5 Heib.), Polybios (IX 14, 5. 19, 5. 20, 5), Hipparchos (88, 14 in einem Citate aus Attalos. 90, 7. 184, 25. 270, 17 Manit). Nur ἀστρονομία, ἀστρονομεῖν, ἀστρονομικῶς gebraucht Pappos (synag. 474, 2. 3. 532, 7. 1022, 16 Hu.), gewiss nach dem Vorgange früherer Mathematiker, welche diese Wortform bevorzugen mussten, seitdem ἀστρολογία und die verwandten Bildungen mehr und mehr in dem Sinne von Sterndeutung, d. i. Weissagung aus dem jeweiligen Stande der Gestirne, verwendet [1830] wurden (s. Astrologie). Die römischen Schriftsteller von Cicero bis Columella nannten nach dem Vorgange Hipparchs den Astronomen astrologus und seine Wissenschaft astrologia; Seneca, der Zeitgenosse Columellas, hat astronomia bevorzugt (ep. 95, 9), und dann wiederholen sich dieses Wort und verwandte Bildungen bei Späteren. Simplikios (6. Jhdt. n. Chr.) gebraucht in seinem Commentare zu Aristoteles περὶ οὐρανοῦ, der Nomenclatur der von ihm benützten, weit älteren Schriftsteller folgend, sowohl ἀστρολόγος, ἀστρολογικός als ἀστρονόμος, ἀστρονομικός (s. Index von Wellmann in Simplicii in Arist. de caelo comm. ed. Heiberg). Charakteristisch unterscheiden sich bei ihm ἀστρολογικὸς σκοπός 509, 13 und ἀστρονομικὰ θεωρήματα 464, 21, ἀστρονομικαὶ ὑποθέσεις 36, 27, ἀπορίαι 510, 24. Den ἀστρονομικαὶ ὑποθέσεις entsprechen 36, 29 αἱ τῶν ἀστρονόμων ὑποθέσεις, aber 505, 24 heisst es mit Bezug auf Aristoteles in den Φυσικὰ προβλήματα (frg. 211 Rose) προσαπορῶν ταῖς τῶν ἀστρολόγων ὑποθέσεσιν.

Die Annahme von Tannery Rech. sur. l’hist. de l’astron. 1ff., dass die Himmelskunde zuerst ἀστρονομία, dann ἀστρολογία und zuletzt μαθηματική benannt worden sei, findet im Sprachgebrauche der griechischen Mathematiker und Astronomen keine ausreichende Bestätigung. Höchstens kann man unterscheiden, dass ἀστρονομία als der engere Begriff ursprünglich nur diejenige Wissenschaft bedeutete, die den Gesetzen der Bewegungen der Gestirne nachforscht, während es Aufgabe der ἀστρολογία war, sowohl diese Gesetze als alles übrige, was zur Himmelskunde gehörte, zu erforschen. Im Sprachgebrauche jedoch haben, wie gesagt, beide Ausdrücke nahezu gleiche Geltung gehabt und diese auch so lange behalten, als nicht ἀστρολογία zu dem Begriffe der Sterndeutern herabgesunken war. Nach Ptolem. syntax. I 3ff. Halma zerfällt das μαθηματικὸν γένος in ἀριθμητική, γεωμετρία und ἡ τῶν οὐρανίων θεωρία (I 5 Ha.) oder ἡ περὶ τὰ θεῖα καὶ οὐράνια θεωρία (I 3), d. i. Astronomie, und so sagt er IX 115, 6 μαθηματικοί für Astronomen, wie auch Pappos synag. VI 556, 8 Hu. Letzterer nennt die σύνταξις des Ptolemaios (so von diesem bezeichnet I 5. II 65. XIII 432 Ha., und vgl. ἡ σύνταξις τῶν ε’ πλανωμένων IX 114, ἡ περὶ τῶν πέντε πλανωμένων σύνταξις XIII 367, ἐν τοῖς πρὸ τούτου συντεταγμένοις III 149. VII 1, ἐν τῷ πρὸ τούτου συντάξαντες IV 211, während erst in späteren Schriften des Ptolemaios dasselbe Werk als μαθηματικὴ σύνταξχις citiert wird) gelegentlich auch μαθήματα. Hultsch Index zu Pappos 100. Boll Jahrb. f. Philol. Suppl. XXI 66.

3. Zu Anfang seines Commentars zum ersten Buche der Elemente Euklids giebt Proklos (38, 2–42, 8 Friedl.) aus der Schrift des Geminos über die Anordnung des mathematischen Wissensstoffes (Pappos 1026, 8, vgl. C. Tittel De Gemini studiis math., Inauguraldiss. Leipzig 1895, 7ff. 46ff. 79ff.) eine Übersicht περὶ τῶν τῆς μαθηματικῆς μερῶν. Hier werden zunächst die abstracte und die angewandte Mathematik unterschieden. Zu der letzteren gehört die ἀστρολογία, περὶ τῶν κοσμικῶν κινήσεων διαλαμβάνουσα καὶ περὶ μεγεθῶν καὶ σχημάτων τῶν οὐρανίων σωμάτων καὶ φωτισμῶν καὶ ἀποστάσεων τῶν ἀπὸ γῆς καὶ τῶν τοιούτων [1831] ἁπάντων (41, 19–24, vgl Ptolem. tetrab. praef. Anonym, bei Hultsch praef. zu Papp. Bd. III S. XVII und oben Astrologie S. 1802f.). Diesen Aufgaben würde aber die A. nicht genügen können, wenn sie nicht in engster Verbindung mit Arithmetik und Geometrie sich erhielte. Während nun das rechnerische Element erst später den ihm gebührenden Einfluss gewonnen hat, so hat die Geometrie seit frühester Zeit gleichsam als Schwester der A. gegolten. Die auf der Erde gewonnenen Masse und die Theorie des rechtwinkligen Dreieckes wurden auf die Himmelskunde angewendet und dadurch die Ergebnisse gewonnen, welche bei Proklos a. a. O. der astronomischen Wissenschaft zugeordnet werden. So finden wir zusammengestellt ἀστρονομία und γεωμετρία bei Aristoph. nub. 201f., γεωμέτρης und ἀστρολόγος bei Xenoph. comm. IV 2, 10, γεωμετρία und ἀστρολογία oder ἀστρονομία ebd. IV 7, 2ff., ἀστρολογία καὶ γεωμετρία, ἀστρολογεῖν καὶ γεωμετρεῖν bei Polyb. IX 14, 5. 20, 5, geometria et astronomia bei Senec. ep. 95, 9, endlich, damit auch der rechnenden A. ihr Recht werde, γεωμετρία καὶ ἀριθμητικὴ καὶ ἀστρονομία bei Pappos 1022, 16; vgl. auch Cic. off. I 19: ut in astrologia C. Sulpicium audivimus, in geometria Sex. Pompeium ipsi cognovimus. Das gesamte der astronomischen Forschung unterliegende Gebiet wird von Pappos 474, 3 als ἀστρονομούμενος τόπος zusammengefaßt. Seitdem es üblich geworden war, die σύνταξις des Ptolemaios durch das Epitheton μεγάλη hervorzuheben, wurde ihr als μικρὸς ἀστρονομούμενος oder μικρὸς ἀστρονόμος eine Sammlung der kleineren astronomischen Schriften von Autolykos, Eukleides, Aristarchos, Theodosios u. a. zur Seite gesetzt (Hultsch zu Papp. 475. 1143. Susemihl Litt.-Gesch. I 760. Tannery Rech. sur l’histoire de l’astron. 35ff.).

4. Die Geschichte der griechischen A. nimmt ihren Anfang mit Thales von Milet, der in Ägypten arithmetische und geometrische Kenntnisse sich erworben hatte. Dort war ihm auch die Kunde geworden, dass die Wiederkehr von Sonnen- und Mondfinsternissen nach einer bestimmten Reihe von Jahren mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, und darauf hin sagte er für das J. 585 v. Chr. eine Sonnenfinsterniss an, die in der That am 28. Mai eingetreten ist. Herod. I 74. Eudemos bei Clem. Al. strom. I 302 A, bei Diog. Laert. I 23 und bei Procl. in I. Eucl. elem. libr. 65, 7 Friedl. Derkyllidas (unter Berufung auf Eudemos) bei Theo Smyrn. 198, 16 Hiller. Cantor Vorles. über Gesch. d. Mathem. I² 124ff. Günther Gesch. der Mathem. und Naturw.² 276. Tannery Rev. philos. 1880, 299ff.; Hist. de la science hellène 60ff.; Rech. sur l’hist. de l’astron. 21f. Zeller Philos. der Griechen I a⁵ 183ff. Gelzer Rh. Mus. XXX 264ff. Mahler S.-Ber. math.-naturw. Cl. Akad. Wien XCIII 2 (1886) 455ff. Dass Thales in Ägypten sich aufgehalten und dort wissenschaftlichen Studien obgelegen hat (ἐφιλομάθησε), wird, abgesehen von anderen zuverlässigen Nachrichten, auch durch Iambl. in Nicom. arithm. 10, 8 Pistelli bestätigt. Die dort dem Thales zugeschriebene, aus Ägypten stammende Definition der Zahl als eines μονάδων σύστημα ergiebt sich als eine notwendige Consequenz aus der eigentümlichen Gestaltung der ägyptischen [1832] Zahlenreihe. Hultsch Abh. Ges. d. Wiss. Leipz., philol.-hist. CL., XVII nr. 1, 16ff.

Aber auch den Voraussetzungen, auf denen Sonnen- und Mondfinsternisse beruhen, hat Thales nachgeforscht. Dass die Erde von der Sonne beleuchtet wird, lehrte die tägliche Erfahrung; es bedurfte also nur des so nahe liegenden Analogieschlusses, dass auch die wechselnde Beleuchtung des Mondes von der Sonne herrühre, um weiter die Mondphasen auf verschiedene Stellungen des Mondes zur Erde und zur Sonne zurückzuführen. Also muss Thales auch eine angenäherte Vorstellung sowohl von der Bewegung des Mondes um die Erde als von der scheinbaren Bewegung der Sonne um die Erde gehabt haben, womit zugleich die Möglichkeiten von Verfinsterungen der Sonne durch Dazwischentreten des Mondes, oder des Mondes durch Dazwischentreten der Erde gegeben waren. Auch Beobachtungen über die Aufgänge von Gestirnen und im Zusammenhange damit die Auffassung des Himmelsgewölbes als einer Hohlkugel werden ihm glaubhaft zugeschrieben. Aet. plac. in Doxogr. Graeci 353f. 358. 360 Diels. Zeller a. a. O. 184. Sartorius Die Entwicklung der A. bei den Griechen, Inauguraldiss. Bresl. 1883, 20f. 22 (wiederholt in Zeitschr. für Philosophie und philos. Kritik, N. F. LXXXII 212f. 214). Nicht wahrscheinlich ist es jedoch, dass er bereits die Lage der Ekliptik bestimmt und die Himmelskugel in die bekannten fünf Zonen eingeteilt habe. Aet. a. a. O. 340. Tannery Hist. de la sc. hell. 69.

5. Von den astronomischen Ansichten der ionischen Philosophen kann hier nur weniges erwähnt werden. Es überwiegt bei ihnen die vorzeitige, nicht hinlänglich auf Beobachtungen gestützte und deshalb meist irrtümliche Speculation. Was aber doch teilweise als richtige Erkenntnis zu Grunde liegt, muss in jedem Falle durch besondere Untersuchung festgestellt werden, Anaximander (vgl. Bd. I S. 2085) hat sich die Erde freischwebend im Mittelpunkte des Weltalls vorgestellt, betreffs ihrer Gestalt wohl aber nur die Krümmung der Oberfläche in der Richtung von Nord nach Süd erkannt (denn so mag es zu verstehen sein, wenn er sich die Erde walzenförmig, κυλινδροειδής dachte). Auch über die Stellung von Mond, Sonne und Planeten, über die Grösse von Mond und Sonne und die Dimensionen ihrer Bahnen hat er Vermutungen aufgestellt, die zwar noch weit von der Wirklichkeit entfernt waren, aber doch die Anschauung eines Weltsystems anbahnten, in dessen Mitte die Erde stand, während die übrigen Himmelskörper in verschiedenen Entfernungen und in kreisförmigen Bahnen sich um die Erde bewegten. Auch die Benützung eines Gnomon in Gestalt eines verticalen, den Sonnenschatten auf eine horizontale, mit concentrischen Kreisen versehene Platte werfenden Stiftes wird ihm zugeschrieben. Aet. plac. 345. 351. 355. 376 Diels. Ps.-Plut. bei Euseb. praep. ev. I 8, 2. Zeller I a⁵ 223ff. Wolf Gesch. der Astron. 24. Tannery Hist. de la sc. hell. 82ff. 90f. 92. Sartorius Entwickl. der Astron. 25ff. (Ztschr. für Philos. LXXXII 217ff.). Über den Gnomon vgl. auch Günther Handb. der math. Geogr. 78ff.

6. Das unbestreitbare Verdienst der Pythagoreer ist es, die Kugelgestalt von Erde, Mond [1833] und Sonne erkannt und die Bewegungen des Mondes, der Sonne, der Planeten und der Fixsternsphaere in ein festes System gebracht zu haben. Wie für die erstgenannten Himmelskörper und für das Weltganze die Kugelform, als die vollkommenste körperliche Bildung, so wurde für die Bahnen der Gestirne die Kreislinie als notwendig vorausgesetzt. Zunächst der Erde bewegt sich der Mond, dann die Sonne, weiter der Reihe nach die Planeten Mercur, Venus, Mars, Iuppiter, Saturn, zuletzt der Fixsternhimmel. Zu der Himmelsachse sind die Ebenen der Bahnen der Planeten (einschliesslich Mond und Sonne) schief geneigt. Da Mond und Sonne nahezu in der gleichen Bahnebene sich bewegen, so ist damit zugleich eine Erklärung der Mond- und Sonnenfinsternisse gegeben (wie schon Thales sie vorgeahnt hatte). Allein mit diesen Sätzen (die, abgesehen von der Verlegung der Mercur- und Venusbahn ausserhalb der Sonnenbahn, im ptolemaeischen Systeme wieder erscheinen) war das Weltsystem der Pythagoreer noch nicht abgeschlossen. Es widerstrebte ihnen, die Erde ruhend im Mittelpunkte des Weltganzen sich vorzustellen. Wie der Fixsternhimmel und die Planeten musste auch sie ihre eigene Bewegung haben (somit reihte sich an die Forderungen der Kugelform für die Himmelskörper und der Kreislinie für ihre Bahnen als drittes Axiom die Bewegung aller Himmelskörper). Freilich reichten die damaligen Beobachtungsmittel keineswegs aus, um die Bewegung der Erde richtig in das Weltsystem einzuordnen. Da die Sonne nur als ein Trabant der Erde galt, so wurde ein Centralfeuer (ἡγεμονικὸν ἐν τῷ μεσαιτάτῳ πῦρ Philolaos bei Aet. plac. 332, 19 Diels, ἐπὶ μέσου πῦρ Arist. de cael. II 293 a 21) angenommen, um welches sich nicht nur die Erde und die für uns sichtbaren Himmelskörper, sondern auch eine Gegenerde (ἀντίχθων) bewegten, welche letztere das Centralfeuer für den bewohnten Teil der Erde stetig verdeckte. Auf dieser Anschauung, die, wie es scheint, besonders von Philolaos ausgebildet worden ist, konnten freilich die späteren astronomischen Untersuchungen nicht weiter bauen; es blieb keine andere Wahl, als entweder die Erde oder die Sonne in den Mittelpunkt des Weltganzen zu stellen, eine Alternative, die aus den noch anzuführenden Gründen zu Gunsten des geocentrischen Systems entschieden worden ist. Arist. de cael. II 13 und dazu Simplic. 511–516 Heiberg, vgl. ebd. 471, 5. 536, 19. 548, 26. Aet. plac. 332. 336f. 340f. 349. 354. 360. 377f. Diels. Gemin. introd. in phaenom. 1 (S. 9 Halma). Zeller I a⁵ 414ff. Martin Bulletino di bibl. e di storia delle scienze matem. e fis. V 99ff. 127ff. Wolf 26ff. (eine in allen Hauptzügen abweichende Darstellung des pythagoreischen Systems entwirft Sartorius Ztschr. für Philos. u. philos. Kritik, N. F. LXXXIII 5ff.).

Die Anordnung der Bahnen der sog. unteren Planeten Mercur und Venus ausserhalb der Sonnenbahn ist von den Pythagoreern auf Platon und Spätere übergegangen. Nur langsam hat sich die relativ richtigere Anordnung ,Mond, Mercur, Venus, Sonne, dann die drei oberen Planeten‘ Bahn gebrochen. Dass die letztere seit ältesten Zeiten bei den Babyloniern üblich gewesen ist, beweist die Reihenfolge der Wochentage. Jede Stunde [1834] (die Zeit von einem Sonnenaufgang bis zum andern zu 24 Stunden gerechnet) war einem Planeten geweiht, und indem die Reihe, vom Saturnus anfangend, immer wiederholt, jeder Tag aber nach dem Planeten der ersten Tagesstunde genannt wurde, folgte auf den Tag des Saturnus (Samstag) der Tag der Sonne, der des Mondes u. s. f., Tannery Hist. de l’astron. 261. C. v. v. Jan Philol. LII 13. Die pythagoreische Reihe ist insofern mit der im alten Ägypten üblichen verwandt, als auch dort die Planeten eine Gruppe für sich, ausserhalb von Mond und Sonne bildeten; doch hatte Mars seine Stellung nicht zwischen Venus und Iuppiter, sondern zwischen diesem und Saturnus. Auch soll die Sonne der Erde näher als der Mond gedacht worden sein. Brugsch Aegyptologie 335ff. Jan a. a. O. 14. Über das weit jüngere, sog. ägyptische System des Macrobius s. u. § 23. Nach Platon, Eudoxos und Aristoteles kam hinter Mond und Sonne zunächst die Venus, dann der Mercur, dann die übrigen Planeten. Tannery a. a. O. Jan 17ff.; vgl. unten § 8. 10.

7. Übereinstimmend mit den Pythagoreern hat der Eleate Parmenides die Kugelgestalt der Erde angenommen (Theophr. bei Diog. Laert. IX 21, vgl. Doxogr. Gr. 166. 492, 8 Diels), dagegen das Centralfeuer (wenn anders diese Hypothese schon vor Philolaos, zu Anfang des 6. Jhdts., aufgestellt worden war), zurückgewiesen. In die Mitte des Weltganzen versetzte er die Erde selbst (Theophr. bei Diog. a. a. O.). Also ging die durch Beobachtung gefundene Achse, um welche der Fixsternhimmel scheinbar sich dreht, durch das Centrum der Erde, und im rechten Winkel zu dieser Achse konnte durch das Centrum eine Ebene gelegt werden, welche die Oberfläche der Erde im ἰσημερινὸς κύκλος (Aequator) und auch die Himmelskugel in einem entsprechenden grössten Kreise schnitt. Damit waren die ersten Voraussetzungen gegeben, um auf der Erde fünf Zonen abzuteilen. Nach Aet. plac. 377 hat Parmenides zuerst die bewohnbaren Zonen der Erde von der tropischen Zone geschieden. Dies wurde ihm möglich auf Grund der geocentrischen Weltanschauung. Denn da die Pythagoreer die Erde um ein künstlich construiertes Centrum sich bewegen liessen, so konnten sie nach dem damaligen Stande astronomischer Kenntnisse nicht an eine Identität der Erdachse mit der Weltachse denken, mithin auch nicht Erdaequator und Himmelsaequator zu concentrischen Kreisen machen (die Überlieferung bei Aet. plac. 378f., dass schon Pythagoras die fünf Zonen abgeteilt habe, ist deshalb zurückzuweisen). Sowie aber Parmenides die Erde ruhend in das Centrum des Kosmos versetzt und nach der Weltachse den Aequator bestimmt hatte, bedurfte es nur noch der Annahme von vier parallel zum Aequator auf der Erdoberfläche zu ziehenden Kreisen. Aus der Schrift des Theodosios περὶ οἰκήσεων, die ebenso wie dessen Sphaerik auf sehr alten Quellen beruht, lässt sich zurückschliessen, dass Parmenides als mittlere Erdzone diejenige bezeichnete, in welcher wenigstens einmal im Jahre die Sonne im Scheitelpunkte steht, so dass dann der Gnomon (§ 5) keinen Schatten wirft. Das war der Erdgürtel zwischen den Wendekreisen des Krebses und des Steinbocks (in die Überlieferung bei Plut. plac. philos. III 11, 4 = Aet. [1835] 377, 18 hat sich der Fehler ὑπὸ ταῖς δυσὶ ζώναις ταῖς τροπικαῖς statt τῆς ζώνης τῆς ὑπὸ τοῖς δυσὶ τροπικοῖς eingeschlichen). Dagegen gab es zwei andere Kreise, die später sog. Polarkreise, innerhalb deren die Sonne wenigstens an einem Tage des Jahres sich nicht über den Horizont erhebt. Zwischen je einem Wendekreise und einem Polarkreise liegt eine bewohnbare Zone, innerhalb deren die Sonne an keinem Tage des Jahres unter dem Horizonte bleibt, aber auch an keinem Tage im Zenith steht. Sätze des Theodosios περὶ οἰκήσεων herausgegeben von Eyssenhardt Jahrb. f. Philol. 1868, 243f. (die ausführlichen Beweise, ohne welche diese Propositionen schwerverständlich bleiben, sind noch nicht ediert). Günther Handb. der math. Geogr. 244ff.

Nachdem so der Aequator und vier Parallelkreise desselben bestimmt worden waren, ist es dem Geometer Oinopides von Chios, der um weniges jünger als Anaxagoras war und gegen Ende des 5. Jhdts. blühte, gelungen, die zur Weltachse schiefe Lage der Ekliptik (λόξωσις τοῦ ζῳδιακοῦ) genauer zu bestimmen, als es nach pythagoreischer Lehre möglich gewesen war. Daher ist die aus der Astrologie des Eudemos geflossene Überlieferung, Oinopides habe diese Feststellung als seine Erfindung in Anspruch genommen, gewiss nicht unbegründet, Eudemos bei Prokl. in I elem. 66, 2 Friedl. und in den Auszügen aus Derkyllidas bei Theo Smyrn. 198, 14 Hiller, vgl. mit Aet. plac. 340f. Diels. Günther a. a. O. 70f. Tannery Hist. de l’astron. 33f.

8. Platon ist der erste Grieche, aus dessen noch heute erhaltenen Schriften ein in sich geschlossenes astronomisches System zusammengestellt werden kann. Er fusste in vielen Punkten auf den Anschauungen der Pythagoreer, hat aber den Fortschritten, welche unabhängig von jenen durch genauere Himmelsbeobachtungen bis zu seiner Zeit gemacht worden waren, Rechnung getragen. Das Weltganze hat die vollkommenste aller Gestalten, die Kugelform. Die Sphaere der Fixsterne bewegt sich in der Richtung von Ost nach West um eine in ihrer Lage unveränderliche Achse; jedes einzelne Gestirn beschreibt also mit jeder Umdrehung eine Kreislinie. Die Erde hat ebenfalls Kugelform. Sie steht in der Mitte des Weltalls; die Weltachse geht durch ihr Centrum, aber an der Umdrehung der Fixsternsphaere nimmt sie keinen Teil. Die Planeten Mond, Sonne, Venus, Mercur, Mars, Iuppiter und Saturnus haben gemeinschaftlich mit den Fixsternen die Umdrehung von Ost nach West, ausserdem aber eine eigene Bewegung in umgekehrter Richtung. Die augenscheinlichen Unregelmässigkeiten im Laufe der Planeten Venus bis Saturnus erklären sich, wenn man ihre Bahnen als Spirallinien sich denkt. Die Zeiteinteilung ist durch den Lauf der Gestirne gegeben. Eine Umdrehung der Fixsternsphaere um ihre Achse bildet den Zeitabschnitt, den man als Tag und Nacht zusammenzufassen pflegt, ein Umlauf des Mondes um die Erde heisst ein Monat, ein Umlauf der Sonne ein Jahr. Auch die übrigen Planeten haben ihre bestimmten Umlaufszeiten, und zwar Venus und Mercur die gleichen wie die Sonne, dagegen Mond, Mars, Iuppiter und Saturnus Umlaufszeiten, deren jede von jeder und alle von der Zeit des Sonnenumlaufs [1836] in solchen Massen verschieden sind, dass sie zusammen einen für das gewöhnliche Verständnis unfassbaren Complex von Bewegungsperioden darstellen. Wenn aber einmal nach einer unabsehbaren Zeit Mond, Sonne, Planeten und Fixsterne zusammen zu denselben Punkten zurückgekehrt sein werden, von denen sie einst gleichzeitig angefangen haben sich zu bewegen, dann wird ein grosses Jahr abgelaufen sein, das eine überaus hohe, nach Potenzen der 10 bemessene Zahl von Sonnenjahren darstellen wird. Plat. Tim. 33 B. 36 B–39 D. 40 A. B. 62 D–63 A; Phaedo 108 Ef.; rep. X 617 A. B; leg. VII 822 A. Zeller Philos. der Griechen II a⁴ 808ff., bei welchem auch das Nähere über die Controverse, ob Platon nur anfangs die Erde als ruhend sich vorgestellt, aber später eine Achsendrehung derselben angenommen habe, nachzusehen ist. Die letztere Ansicht wird dem Platon von Aristoteles de caelo II 293 b 30 unter Berufung auf dessen Timaios zugeschrieben (vgl. auch Cic. acad. II 123). Da aber nach Tim. 34 A. B. 36 B–D. 38 E–39 A. 40 A und Phaedo 108 Ef. Platon ohne Zweifel die Drehung der Fixsternsphaere um die Erde angenommen hat, so muss bei Aristoteles ein Missverständnis des Timaiostextes vorliegen. Boeckh Unters. über das kosm. Syst. des Platon 76ff. Martin Mém. Acad. des inscr. XXX 1, 71ff. Zeller 810, vgl. Simplic. zu Arist. de caelo 517ff. Heiberg. Die Angabe des Theophrastos bei Plut. quaest Plat. 8, 1006 C; Num. 11 = Doxogr. 494 Diels, dass Platon es später bereut habe, die Erde in das Centrum des Weltganzen versetzt zu haben, da sie sich doch vielmehr um das Centralfeuer bewege (oben § 6), ist zurückzuführen auf eine schon von Arist. de cael. II 293 a 27 gemissbilligte Ansicht von Akademikern, welche das platonische System im pythagoreischen Sinne umzubilden sich bemühten, Zeller II a⁴ 808, 2. Dagegen hält Wolf Gesch. der Astron. 32ff. an der Achsendrehung der Erde als einer platonischen Anschauung fest (vgl. auch Günther Handb. d. math. Geogr. 621; Gesch. der Math. u. Naturw.² 277). Über das grosse Jahr vgl. Martin Études sur le Timée II 78ff.; Mém. de l’Acad. des inscr. XXX 1, 52ff. Zeller 811, 4, über den τέλειος ἀριθμός als Mass des grossen Jahres und über den dekadischen Aufbau dieser Zahl Hultsch Ztschr. f. Mathem. u. Phys., hist.-litt. Abteil., XXVII 56ff., s. Arithmetica § 19.

9. Nach der pythagoreischen Anschauung hatte die Erde, wenn sie einmal um das Centralfeuer, diesem immer dieselbe Seite zuwendend, sich bewegt hatte (§ 6) zugleich eine Achsendrehung vollendet. Wurde nun die Erde selbst in das Centrum des Weltganzen versetzt (§ 7), so lag nichts näher, als der Erde einen täglichen Umschwung um ihre Achse zuzuschreiben und damit die scheinbare Bewegung des Fixsternhimmels zu erklären. Freilich musste man dann das Firmament als feststehend sich denken, mithin die pythagoreische Forderung, dass alle Gestirne ohne Ausnahme sich bewegen, aufgeben. Zu dieser Ansicht ist zuerst der Pythagoreer Hiketas von Syrakus gekommen, der, wie es scheint, jünger als Philolaos gewesen ist, und sein Schüler Ekphantos von Syrakus ist ihm hierin gefolgt. Theophr. bei Cic. acad. II 123 (Doxogr. 492f. Diels). [1837] Aet. plac. 378, 10. Hippol. philosophum. 566, 17 Diels. Boeckh Unters. über das kosm. Syst. des Platon 122ff. Zeller I a⁵ 422, 2.

Der Pontiker Herakleides ist seinem allgemeinen Standpunkte nach den Platonikern zuzuzählen; doch hat er in der Atomenlehre und in der Erklärung der scheinbaren Umdrehung der Fixsternsphaere sich an Ekphantos angeschlossen: σώζεσθαι τὰ φαινόμενα τοῦ μὲν οὐρανοῦ καὶ τῶν ἄστρων ἠρεμούντων, τῆς δὲ γῆς περὶ τοὺς τοῦ ἰσημερινοῦ πόλους ἀπὸ δυσμῶν κινουμένης ἑκάστης ἡμέρας μίαν ἔγγιστα περιστροφήν Simplic. in Arist. de caelo 444, 34 Heib. (wenn Simplicius τὸ δὲ ἔγγιστα πρόσκειται διὰ τὴν τοῦ ἡλίου τῆς μιᾶς μοίρας ἐπικίνησιν hinzufügt, so will er damit sagen, dass die Erde im Sonnenjahre einen Umschwung mehr vollendet, als die Zahl der Tage des Sonnenjahrs beträgt, formuliert aber diese Beobachtung vom geocentrischen Standpunkte aus). Ders. 519, 9. Aet. plac. 378, 10 Diels. Zeller II a⁴ 1034ff, Schiaparelli I precursori di Copernico, Memorie del R. Istit. Lomb., cl. di scienze mat. e natur., XII (1873) 403f. (deutsche Übers. ,Die Vorläufer des Copernicus im Altertum‘ von Curtze 48). Günther Handb. d. math. Geogr. 621. Susemihl Litt.-Gesch. II S. VI.

Durch diese Annahme war der scheinbare tägliche Umschwung der Fixsterne genügend erklärt; als ein unabweisbares Problem knüpfte sich aber daran die Frage der Planetenbahnen. Hier hat Herakleides mit weit vorausschauendem Blicke erkannt, dass Mercur und Venus sich um die Sonne bewegen. Wie er die Bahnen der drei oberen Planeten sich dachte, ist uns nicht überliefert; es ist aber nicht zu bezweifeln, dass er sie nach der allgemeinen Annahme um die Erde kreisen liess. Bei der grossen Entfernung dieser Himmelskörper und bei der Unvollkommenheit der damaligen Beobachtungen konnte nur festgestellt werden, dass sie Kreise beschrieben, die concentrisch zur Sonnenbahn, doch weit grösser als diese waren. Als gemeinsames Centrum galt also die Erde; um diese bewegten sich der Mond, dann die Sonne mit ihren Trabanten Mercur und Venus, dann in immer grösseren Kreisen Mars, Iuppiter und Saturnus. Dasselbe System kehrt in weit späterer Zeit als sog. ägyptisches wieder (unten § 23). Chalcid. in Plat. Tim. 110 (Platonis Tim. interprete Chalcidio cum eiusd. comm. 176f. Wrobel). Boeckh Unters. üb. das kosmische System des Platon 138. 143. Zeller Philos. der Griechen II a⁴ 1037. Schiaparelli a. a. O. 406f. Tannery Hist. de l’astron. 127. 260f. Obgleich Chalcidius erst dem 5. Jhdt. n. Chr. angehört, so ist doch seine Angabe, dass nach Herakleides Mercur und Venus um die Sonne kreisen, nicht zu bezweifeln. Denn erstens wird die Notiz desselben Autors über die hipparchischen Bestimmungen der Grösse von Sonne und Mond, für welche er ebenfalls der einzige Gewährsmann ist, als ganz zuverlässig sich erweisen (§ 13 S. 1846), zweitens erwähnt Adrastos bei Theo Smyrn. 300, 23–302, 12 Dupuis (186f. Hiller) dasselbe System als eine nicht unwahrscheinliche Hypothese. Nach Boeckh a. a. O. 138 hat Herakleides sowohl die Lehre von der Achsendrehung der Erde als seine Ansicht von den Trabanten der Sonne in der Schrift περὶ τῶν ἐν οὐρανῷ (Diog. Laert. V 87) vorgetragen. [1838]

10. Der Entwicklungsgang, den die griechische A. seit Platon genommen hat, wird durch nichts besser gekennzeichnet als durch einen Vergleich zwischen Herakleides und Eudoxos von Knidos. Beide waren Schüler Platons; aber während der erstere das ganze platonische System dadurch in Frage stellte, dass er den Himmel unbeweglich machte und die Erde um ihre Achse rotieren liess, hat der letztere die Voraussetzungen Platons völlig übernommen und nur dessen Ansicht von den Planetenbahnen durch eine sachverständige Auslegung verbessert. Die Theorie des Herakleides musste, wenn weiter verfolgt, zur heliocentrischen Anschauung führen; doch das Altertum ist auf diesem Wege nicht dazu gelangt, die eigentümliche Gestaltung der Planetenbahnen zu erklären (§ 12). Dagegen hat Eudoxos mit Recht erkannt, dass man, um die Rätsel des Himmels zu lösen, vor allem von dem gegebenen festen Boden ausgehen müsse. Nur wenn der Punkt der Erdoberfläche, auf welchem der mathematisch geschulte und mit Instrumenten ausgerüstete Beobachter des Himmels steht, als unbeweglich gilt, wird es möglich sein, durch immer schärfere Beobachtungsmethoden die Fehler der Vorgänger zu verbessern und der Erkenntnis des wirklichen Sachverhaltes mehr und mehr sich zu nähern. Dabei muss jede Einzelbeobachtung eingefügt werden können in allgemeine, durch geometrische Gebilde darstellbare und rechnungsmässig beweisbare Formeln. Was Eudoxos nun alles in diesem Sinne geleistet hat, wird erst später in dem auf seinen Namen lautenden Artikel dargestellt werden können; nur seine Sphaerentheorie ist schon hier zu berühren. Die Pythagoreer hatten als Bewegungsbahn für alle Gestirne die Kreislinie gefordert (§ 6); Platon hatte für die Planeten, da ihr Lauf offenbar in keine Kreislinie sich einschliessen liess, eine spiralförmige Bewegung angenommen. Nun haben neuere Beobachtungen gezeigt, dass, wenn man die Erde als feststehend und Mond und Sonne als ihre Trabanten betrachtet, die Bahnen dieser Gestirne als Schraubenlinien aufzufassen sind (Günther Handb. der math. Geogr. 67, 2. 75f.). Dasselbe hat schon Eudoxos beobachtet; er hat aber nicht diese Schraubenlinien selbst, sondern ihre von der Erde aus am Firmament erscheinenden projectivischen Bilder mathematisch construiert. So hat er die Mondbahn wahrscheinlich als eine Cissoide, d. i. eine der Epheuranke ähnliche, auf das Firmament projicierte und an einen Kreis desselben sich anlehnende Spirale dargestellt, und ähnlich mag er auch den scheinbaren Sonnenlauf aufgefasst haben. Für die Bahnen der eigentlichen Planeten aber, deren Reihenfolge bei ihm dieselbe wie bei Platon war (§ 8), erfand er das projectivische Bild der ἱπποπέδη, d. i. einer in einem Punkte sich schneidenden schleifenförmigen Curve, deren Name ursprünglich die Fussfessel für Pferde, dann auch die für das Einreiten der Pferde besonders geeignete Achterlinie ∞, im mathematischen Sinne aber einen gewissen Durchschnitt durch einen ringförmigen Wulst bedeutet. Prokl. in I. elem. 127,1. 128, 4–8. Xenoph. de re equ. 7, 13: ἱππασίαν δ’ ἐπαινοῦμεν τὴν πέδην καλουμένην. Eudemos im Auszuge des Derkyllidas bei Theo Smyrn. 200, 24 Hiller: ἑλικοειδεῖς γραμμὰς ... ἱππικῇ παραπλησίας. Simplic. in Arist. [1839] de caelo 497, 2: τὴν λεγομένην ὑπὸ Εὐδόξου ἱπποπέδην. Cantor Vorles. über Gesch. der Mathem. I² 229f. Schiaparelli Le sfere omocentriche di Eudosso, Memorie del R. Istit. Lomb., cl. di scienze mat. e natur., XIII (1877) 140ff. (deutsche Übersetzung von Horn, Suppl.-Heft zu Ztschr. für Math. und Phys. XXII 137ff.). Künssberg Eudoxos von Knidos I, Progr. Dinkelsbühl 1888, 44. Günther Handb. 619. Dass Eudoxos die platonische Reihenfolge der Planeten beibehalten hat, bestätigt die Didaskalie des Leptines, u. d. T. Eudoxi ars herausg. von Blass, Kiel 1887, Col. 5 vgl. mit Col. 6, 22 (Übersetzung von Tannery Hist. de l’astron. 283ff. § 10. 20).

Jede Planetenbahn ist nach Eudoxos aufzufassen als die Resultante mehrerer Rotationsantriebe, welche in verschiedenen Richtungen und mit verschiedener Energie stetig auf den Planeten einwirken. Es sei ein Halbkreis mit dem Diameter AB, dem Centrum C und einem beliebigen auf der Peripherie zwischen A und B liegenden Punkte D gegeben. Dieser Halbkreis bewege sich in der einen von den zwei möglichen Richtungen, welche die rechtläufige, und die entgegengesetzte die rückläufige heissen mag, und mit einer gegebenen Geschwindigkeit um den Durchmesser AB. Auf der Oberfläche der so gebildeten Kugel wird also der Punkt D um die Achse AB einen Kreis a in rechtläufiger Richtung und in einer bestimmten Zeit beschreiben. Nun denke ich mir den Punkt D an seine anfängliche Stelle zurückgekehrt und die Kugel AB ruhend. Dann wirke auf den Punkt D in einer anderen Richtung und mit einer anderen Energie als vorher ein zweiter Rotationsantrieb ein, der auf der Kugeloberfläche den Kreis b, und zwar in einer von der vorhergehenden verschiedenen Umlaufszeit beschreiben wird. Zu dem Rotationskreise b construiere ich die Achse A’B’, welche die Achse AB in C schneidet. Der Punkt C ist also das Centrum auch derjenigen Rotation der Kugel AB, welche den Kreis b erzeugte. Weiter kann ich beliebige andere Rotationsantriebe setzen, deren jeder, wenn er nur für sich allein wirken würde, den Punkt D von der anfänglich gegebenen Stelle aus in einer bestimmten Richtung und mit einer bestimmten Schnelligkeit um die Kugel herum bewegen würde, so dass die Rotationskreise c, d u. s. f. mit den Achsen A" B" A‴ B‴ u. s. f. entständen. Nun hat Eudoxos für die Bahnen von Mond und Sonne je drei, und für die Bahnen der übrigen Planeten je vier Rotationsantriebe gesetzt und entsprechend einem jeden Antrieb eine Rotationskugel sich gedacht, auf deren Oberfläche der Planet, d. i. der vorher bezeichnete Punkt D, in bestimmter Richtung und Zeit einen Kreis beschreibt. Die zu einem Planeten gehörigen Kugeln sind also concentrisch (ὁμόκεντροι σφαίραι Simplic. in Arist. de caelo 32, 17, ὁμόκεντροι κινήσεις ders. 488, 9). Schliesslich versuchte Eudoxos den Lauf eines jeden Planeten dadurch zu erklären, dass er die zugehörigen concentrischen Sphaeren, deren Oberflächen als einander unendlich nahe liegend zu denken waren, gleichzeitig und stätig, jede in der ihr eigentümlichen Richtung und mit ihrer speciellen Triebkraft, auf den Planeten einwirken liess. Für die Sonne genügten ihm drei Sphaeren, welche zusammen die scheinbare jährliche Bewegung [1840] der Sonne dergestalt herbeiführten, dass die eine Sphaere hauptsächlich die tägliche Bewegung, die zweite den Jahreslauf durch die Zeichen des Tierkreises, die dritte die Schwankungen in der Länge des tropischen Jahres veranlasste. Ähnlich sollte beim Monde eine Sphaere hauptsächlich die tägliche, eine andere die monatliche Bewegung, eine dritte die augenscheinlichen Unregelmässigkeiten der Mondbahn erklären. Für die Venus und die übrigen Planeten musste je eine vierte Sphaere hinzukommen, um ausser dem täglichen und dem grossen Umlauf um die Erde und ausser dem zeitweiligen Stillstande auch die rückläufige Bewegung begreiflich zu machen. Arist. metaph. 1073 b 18–32. Eudemos bei Simplic. in Aristot. de caelo 488, 18–24. Simplic a. a. O. 32, 16–22. 493ff. Schiaparelli a. a. O. 121ff. (Horn 109ff.). Martin Mém. de l’Acad. des inscr. XXX 1 (1881), 163ff. Tannery Mém. de la société des sciences de Bordeaux, 2. Serie I (1876), 441ff. V (1883), 129ff. Künssberg a. a. O. 38ff. Wolf Gesch. der Astronomie 38ff. Günther Handb. der math. Geogr. 617ff.; Gesch. der Math. u. Naturw. 278 (die obige Erklärung der dritten für den Sonnenlauf vorausgesetzten Sphaere ist nach Simplic. 493, 15 und Tannery Mém. de Bordeaux 1883, 143f. gegeben; daran, die grosse Periode der Praecession der Tag- und Nachtgleichen in sein System aufzunehmen, konnte Eudoxos noch nicht denken, auch hätte er dazu noch eine Sphaere mehr als die drei von ihm angenommenen gebraucht).

Besonders charakteristisch sind dem Eudoxos die verschiedenen Umdrehungsgeschwindigkeiten der die Planetenläufe bedingenden Sphaeren erschienen, denn er hat das Werk, in welchem er die concentrischen Sphaeren behandelte, περὶ ταχῶν überschrieben. Simplic. a. a. O. 494, 12.

Alle neueren Beurteiler dieses Systems erkennen einmütig die Genialität seines Urhebers an. Die Methoden einer wissenschaftlichen Beobachtung der Gestirne waren noch in ihren ersten Anfängen, die astronomischen Instrumente noch ganz einfach und für schärfere Bestimmungen unzureichend. Zieht man das in Betracht, so stellt sich die eudoxische Sphaerentheorie als ein überraschend einfacher Lösungsversuch heraus. Sowie aber genauere Beobachtungen gemacht wurden als die von Eudoxos benützten, musste man auch das Unzureichende seiner Hypothese erkennen. Deshalb hat Kallippos, ein Zeitgenosse des Aristoteles, dem Monde und der Sonne noch je zwei Sphaeren und der Venus, dem Mercur und dem Mars noch je eine Sphaere beigelegt. Während also Eudoxos, abgesehen von der Fixsternsphaere, zusammen 26 Sphaeren angenommen hatte, steigerte Kallippos deren Zahl auf 33. Arist. metaph. 1073 b 32–38. Eudemos bei Simplic. in Aristot. de caelo 497,17–24. Theo Smyrn. 180, 5 Hiller (statt χωριστοῦ ist χωρὶς τοῦ zu lesen). Simplic. in Aristot. de caelo 497, 9–16. Schiaparelli a. a. O. 158ff. (Horn 165ff.). Martin a. a. O. 242ff. Tannery Mém. de Bordeaux, 2. Serie, I 446ff.; Hist. de l’astron. 26f. Günther Encycl. von Ersch u. Gruber, Kalippos (sic).

Wäre man auf diesem Wege weiter gegangen, so würde jeder Fortschritt in der Beobachtung der Planetenbahnen auch zur Annahme neuer bewegenden [1841] Sphaeren genötigt und so zu der Einsicht geführt haben, dass eine unendliche Zahl von verschiedenen, durch mathematische Formeln nicht mehr darstellbaren Rotationsantrieben angenommen werden müsste, um die scheinbaren Planetenbewegungen zu erklären. Damit wäre zugleich die Unhaltbarkeit der ganzen Hypothese erwiesen worden. Allein zu dieser Fortentwicklung des eudoxischen Systems ist es nicht gekommen, weil Aristoteles durch ein Missverständnis die ganze Sphaerentheorie des Eudoxos ihrer durchaus abstracten Voraussetzungen entkleidet und die bewegenden Sphaeren in mechanischem Sinne zu Trägerinnen von Rotationskräften gemacht hat. Ausgehend von der Ansicht, dass die Gestirne keine eigenen Bewegungen haben, sondern dass sie an Rotationskreise fest angeheftet sind, setzte er zu jedem ein Gestirn mit sich führenden Kreise eine Sphaere, deren Centrum die Erde ist. Würden nun Mond, Sonne und Planeten nur der Bewegung des Kreises, an den sie festgeheftet sind, folgen, so wäre ihr Lauf dem der Fixsterne gleich. Allein bei jedem Wandelsterne sind um die ihn tragende Sphaere andere sternlose Sphaeren gelegt, welche mechanisch die Rotation der innersten Kugel modificieren und im Verein mit der innersten Sphaere, wie durch ein künstliches Getriebe, diejenigen Planetenbewegungen hervorbringen, welche Eudoxos und Kallippos festgestellt hatten. Aber auch die Sphaeren jedes oberen Planeten stehen im mechanischen Zusammenhange mit den Sphaeren aller unteren Planeten; also würde schon der der Erde zweitnächste Wandelstern, die Sonne, keine freie Bewegung, sondern allerlei Störungen durch die Sphaeren des Mondes haben, wenn nicht zwischen Mond und Sonne 3 Sphaeren mit rückwirkender Kraft (ἀνελίττουσαι σφαῖραι) angebracht wären, welche lediglich dem Zwecke dienen, diejenigen Bewegungen der Mondsphaeren, die den Lauf der Sonne stören würden, rückgängig zu machen. Ähnlich wurden zwischen Sonne und Venus 3, und zwischen Venus und den noch folgenden Planeten je 4 rückwirkende Sphaeren, zusammen also 22 angenommen, und die Gesamtzahl aller Planetensphaeren betrug 55 oder (wie Aristoteles noch hinzufügt), wenn man für Mond und Sonne je 2 vorwärtstreibende und 2 rückwirkende Sphaeren weniger rechnete, nur 47. Mit Recht sind die jüngeren Astronomen auf dem von Aristoteles eingeschlagenen Irrwege nicht weiter gegangen; für die wissenschaftliche Forschung eröffneten sich neue Bahnen, sowie man erkannte, dass die Erde, welche immer noch als Centrum des Kosmos galt, nicht im Centrum der Planetenbahnen stehe (§ 14). Arist. de caelo 289 b 1–34; metaph. 1073 b 38–1074 a 14, Sosigenes bei Simplic. in Aristot. de caelo 498ff. Theo Smyrn. 178ff. Simplic. in Aristot. de caelo 32, 17. 422, 12–24. 493, 5–11. 497, 8–498, 1. Schiaparelli a. a. O. 164ff. (Horn 174ff.). Martin a. a. O. 253ff. Hultsch Jahresb. XL (1884) 50g f. Zeller Philosophie der Griechen II b² 345ff. Günther Handb. d. math. Geogr. 619f. Wolf Gesch. der Astron. 41 (nach Simplic. a. a. O. 493, 18 hat Theophrastos im Gegensatze zu den je einen Planeten tragenden Sphaeren die übrigen als ἄναστροι σφαῖραι bezeichnet, und zwar [nach Simplic. 491, 19] mit [1842] Einschluss der ἀνελίττουσαι σφαῖραι, die er selbst [nach Simplic. 504, 6] ἀνταναφέρουσαι genannt hat).

11. Wenn Eudoxos mehrere Kugeln, deren Oberflächen einander unendlich nahe sein sollten, um dasselbe Centrum, aber um verschiedene Achsen rotieren liess und danach die Bahn bestimmte, welche ein gegebener Punkt infolge der verschiedenen von diesen Kugeln gegebenen Rotationsantriebe zurücklegte, so mussten ihm zunächst die wichtigsten Sätze über Centrum, Radius und Diameter der Kugel und über die Linien auf der Kugeloberfläche bekannt sein. Auszugehen war von der ruhenden Kugel; es war eine Achse derselben und dazu als Normalschnitt ein grösster Kreis (Aequator) zu setzen; es waren die Parallelkreise dazu und ihr Pol und Gegenpol zu bestimmen; es waren die Sätze über die Schnittpunkte von Kreisen, über die eine Kugel schneidenden Ebenen und im Zusammenhange damit alles übrige festzustellen, was wir in der Elementarlehre, die uns als Sphaerik des Theodosios von Tripolis überliefert ist, vereinigt finden. Nun hat sich aber herausgestellt, dass um mehrere Jahrhunderte früher als Theodosios Autolykos und Eukleides eine Anzahl von sphaerischen Sätzen benutzt haben, die nicht blos ihrem Inhalt nach, sondern in ihrer Form übereinstimmten mit den durch Theodosios überlieferten Sätzen. Daraus war weiter zu folgern, dass schon im 4. Jhdt. v. Chr. ein Elementarbuch der Sphaerik bekannt gewesen ist, das mindestens zwei Dritteile des von Theodosios redigierten Lernstoffes und zwar im wesentlichen in gleicher Form und in derselben Anordnung enthalten hat. Eine ganz ähnliche Sammlung von Lehrsätzen muss aber auch dem Eudoxos, um sein astronomisches System von den einfachsten Voraussetzungen aus aufbauen zu können, bekannt gewesen sein, und aller Wahrscheinlichkeit nach ist Eudoxos selbst der Erfinder und erste Redactor dieser Sätze gewesen. Ob er sie als besonderes Buch herausgegeben oder nur in die Beweisführung zu seiner Sphaerenlehre eingeschoben hat, wissen wir nicht; es muss daher auch im Ungewissen bleiben, ob jenes Lehrbuch der Sphaerik, das dem Autolykos und Eukleides vorgelegen hat, von Eudoxos selbst oder von einem etwas jüngeren Mathematiker, der eng an ihn sich angeschlossen hat (zwischen den Blütezeiten des Eudoxos und des Autolykos liegt ein Zeitraum von etwa 60 Jahren) abgefasst worden ist. Nokk Über die Sphaerik des Theodosios, Progr. Karlsruhe 1847, 12ff. Heiberg Litterargesch. Studien über Euklid, Leipzig 1882, 41ff. Hultsch Ber. Ges. d. Wiss. Leipzig 1885, 170ff. 1886, 128ff. 143ff.; Nachr. Ges. d. Wissensch. Göttingen 1893, 373, 2 g. E.; Berliner philol. Wochenschr. 1893, 1447 Anm. Tannery Bulletin des sciences math. 2. Serie, X 1 (1886), 195ff.; Hist. de l’astron. 37f. Künssberg Eudoxos von Knidos II, Progr. Dinkelsbühl 1890, 39f.

Ausser der Elementarlehre von der ruhenden Kugel brauchte Eudoxos aber auch, um seine Sphaerentheorie begründen zu können, die Hauptsätze der Lehre von der rotierenden Kugel. Es ist anzunehmen, dass die kleine Schrift des Autolykos περὶ κινουμένης σφαίρας (s. d.) ein angenähertes Bild sowohl der Form als der Anordnung [1843] der schon von Eudoxos benutzten Elementarsätze und ihrer Beweise bietet.

Im Zusammenhang damit stand ferner die Lehre von den Erscheinungen der Gestirne am nächtlichen Himmel (φαινόμενα) und die Nachahmung dieser Erscheinungen auf einer künstlich gebildeten Himmelskugel. Vgl. u. § 17f. und über die eudoxische σφαιροποιία § 19.

12. Das pythagoreische Axiom, dass es für die Gestirne keine andere Form der Fortbewegung als die vermeintlich vollkommenste, die Kreislinie, geben könne (§ 6. 8), war von Eudoxos nicht umgestürzt worden. Nur hatte er die wichtige Unterscheidung hinzugefügt, dass, von der Erde aus gesehen, nur die Fixsterne in Kreisen sich bewegen, während die Bahnen der Planeten (einschliesslich Mond und Sonne) am Firmamente als complicierte Curven erscheinen, welche als die Resultanten verschiedener Rotationsantriebe oder, wie Eudoxos es ausdrückte, verschiedener auf je einen Planeten einwirkenden Sphaeren zu erklären sind. Diese Rotationskräfte galten ihm schlechthin als gegeben; nach ihrem Ursprunge und nach den Bedingungen, unter denen sie gleichzeitig und stätig auf den Planeten einwirken sollten, hatte er nicht geforscht. Sowie man nun mit dem Fortschritte der Beobachtungsmethoden dazu gelangte, von den Entfernungen der Planeten und der Fixsternsphaere und von der Grösse wenigstens des Mondes und der Sonne (§ 13) eine ungefähre Vorstellung zu gewinnen, musste die Frage, ob denn wirklich alle Gestirne Trabanten der Erde sein können, immer dringlicher werden. Wenn sich berechnen liess, dass die Sonne zwischen 254 und 368mal so gross als die Erde ist (§ 13 S. 1845), so lag der Wahrscheinlichkeitsschluss nahe, dass der grössere Himmelskörper das Bewegungscentrum für den kleineren, nicht umgekehrt der kleinere für den grösseren, darstelle. Allein nicht nur ihrer Grösse nach, sondern auch wegen ihrer licht- und wärmespendenden Kraft (Theo Sm. 187, 13–17 Hiller, 303 Dupuis) gebührte der Sonne der Platz im Universum, der nach pythagoreischer Lehre das Centralfeuer einnahm. Diese und ähnliche Betrachtungen mögen Aristarchos darauf geführt haben, von der geocentrischen Weltanschauung, der er noch in seiner Schrift (περὶ μεγεθῶν καὶ ἀποστημάτων ἡλίου καὶ σελήνης gefolgt war (o. S. 874) abzugehen und in seinen ὑποθέσεις nicht blos die Sonne in den Mittelpunkt des Weltganzen zu stellen und die Erde um ihre eigene Achse und zugleich in einer zu dieser Achse schiefliegenden Ebene um die Sonne sich bewegen zu lassen, sondern auch dem Universum weit grössere Dimensionen, als man früher angenommen hatte, zu geben. Oben S. 875. Schiaparelli Mem. Ist. Lomb. XII 407ff. Günther Handb. der math. Geogr. 622f. Dass in diesem System der Mond seine Stellung als Trabant der Erde behielt und mit dieser zugleich um die Sonne sich bewegte, ist zwar nicht überliefert, aber auch nicht zu bezweifeln.

Aristarchos hatte seinen Hypothesen wahrscheinlich geometrische Constructionen beigefügt (o. S. 875, 4–9). Etwa 100 Jahre nach ihm hat Seleukos von Seleukeia (um die Mitte des 2. Jhdts.) eigentliche Beweise für die aristarchischen Hypothesen aufzustellen versucht; doch ist darüber nichts näheres bekannt. Plut. quaest. Plut. 8, 1. [1844] Schiaparelli a. a. O. 415f. Susemihl Litt.-Gesch. I 763f.

Seleukos war der letzte Vertreter der heliocentrischen Anschauung im Altertum, ja im Occident auch der letzte bis auf Copernicus. Wie ist es nun zu erklären, dass die richtige Stellung der Sonne und der Planeten durch Aristarchos und nach ihm noch ein Jahrhundert lang der gelehrten griechischen Welt bekannt gewesen und doch durch Hipparchos, den Zeitgenossen des Seleukos, wieder aufgegeben worden ist? Mag Aristarchos auch noch so wahrscheinliche Constructionen entworfen und Seleukos möglichst treffende Beweise beigebracht haben, so konnten sie doch deshalb keinen Erfolg haben, weil sie an der Kreisform der Planetenbahnen festhielten und die Sonne in das Centrum der Bahnen versetzten.

Die naturgemässe Weiterentwicklung wäre gewesen, zunächst excentrische Kreise, dann aber Ellipsen als Formen der Planetenbewegungen zu setzen. Dazu reichten aber die beschränkten Beweismittel, über welche die griechische Astronomie verfügte, bei weitem nicht aus. Au point de vue mécanique et physique, la conception héliocentrique réalisait un immense progrès; au point de vue géométrique, que la science des anciens n’a pas dépassé pour les astres, cette conception, ne présentait aucun avantage réel (Tannery Hist. de l’astron. 101). Die geometrischen Constructionen, besonders die Winkelmessungen und alle davon abhängigen Bestimmungen konnten nur dann gleichen Schritt halten mit den scheinbaren Bewegungen der Gestirne, wenn der Standpunkt des Beobachters schlechthin als fest galt. Das war schon für Eudoxos die unerlässliche Voraussetzung gewesen (§ 10), und eben davon ausgehend, aber zu weit vollkommeneren Methoden sich aufschwingend haben Apollonios, Hipparchos und Ptolemaios die excentrischen Kreise und die Epicyklen in die astronomische Beweisführung eingeführt und so es ermöglicht, dass jede durch Beobachtung gefundene scheinbare Unregelmässigkeit eines Planetenlaufes geometrisch darstellbar wurde (§ 14. 20).

13. Nicht minder wichtig als die Beobachtungen der Bewegungen der Himmelskörper war für die Entwicklung der A. die Messung ihrer Entfernungen und, soweit dies erreichbar war, die Bestimmung ihrer Grösse. Für die Fixsterne ist im ganzen Altertum eine und dieselbe Sphaere, d. i. die gleiche Entfernung von der Erde (oder nach Aristarchos von der Bahn der Erde aus: o. S. 875, 20) angenommen worden. Dass die sieben Wandelsterne in verschiedenen Abständen zwischen Erde und Fixsternsphaere ihre Bahnen zurücklegten, lehrten die frühesten Beobachtungen. Die Pythagoreer vermuteten, dass diese Entfernungen nach denselben Zahlenverhältnissen wie die Stufen der Tonleiter geregelt seien, und bildeten so eine Harmonie der Sphaeren. Von diesem musikalischen Systeme versuchte Platon ein besonderes astronomisches System abzuzweigen, indem er die Entfernung des Mondes von der Erde als Einheit setzte und die Sonne 2mal, Venus 3mal, Mercur 4mal, Mars 8mal, Iuppiter 9mal, Saturnus 27mal so weit von der Erde entfernt sein liess. Zeller Philos. der Griechen I a⁵ 429ff. II a⁴ 777ff. Tannery Hist. de l’astron. 323ff. (der zugleich die [1845] Angaben der unten § 25 zu erwähnenden römischen Autoren behandelt), v. Jan Philol. LII 14ff.

Einen bedeutenden Fortschritt machte Eudoxos, indem er durch Messungen fand, dass der Durchmesser der Sonne 9mal so gross als der des Mondes sei (Archim. aren. 248, 7 Heib.). Da nun aus der sog. ars Eudoxi (herausg. v. Blass Kiel 1887, col. 19f.), d. i. der Didaskalie des Leptines (übers. von Tannery a. a. O. 283ff.) § 49 hervorgeht, dass Eudoxos auch die Entfernung der Sonne von der Erde 9mal so gross als die des Mondes angesetzt hat, so wird er sich wohl ähnlicher Schlussfolgerungen wie später Aristarchos περὶ μεγεθῶν Propos. 7 und 9 bedient haben, nur dass dieser mehr als das doppelt so grosse Verhältnis als das neunfache des Eudoxos sowohl für die Grösse als für die Entfernung der Sonne annahm.

Je schärfer man beobachten lernte, desto grössere Beträge mussten für den Sonnendurchmesser und demgemäss auch für den Abstand der Sonne von der Erde gefunden werden. Pheidias, der Vater des Archimedes, fand den Sonnendurchmesser 12mal so gross als den des Mondes, Aristarchos zwischen 18 und 20mal so gross; Archimedes setzte ihn auf das 30fache des Monddurchmessers. Archim. aren. 248, 8–16.

Aus der soeben angeführten, von Aristarchos περὶ μεγεθῶν 9 ermittelten Sonnendurchmessers im Verhältnis zum Monddurchmesser zog derselbe unmittelbar die Schlussfolgerung, dass die Volumina von Sonne und Mond sich verhalten zwischen 18³:1 und 20³:1, d. i. zwischen 5832:1 und 8000:1 (Propos. 10). Nachdem er dann auch das Verhältnis des Sonnendurchmessers zum Erddurchmesser zwischen 19:3 und 43:6 bestimmt hatte (Propos. 15), schloss er, dass das Volumen der Sonne zwischen 254 und 368mal so gross als das der Erde sei (berechnet aus Propos. 16, wo die Verhältnisse 6859:27 und 79507:216 gesetzt sind). Daraus ging drittens hervor, dass das Volumen der Erde zwischen 15,8 und 30mal so gross als das des Mondes sei (Propos. 18).

Durch diese Annäherungsrechnungen erhielt die Frage nach der Grösse der Erde eine erhöhte Wichtigkeit. Da jedoch damit zugleich die ganze Untersuchung über die verschiedenen als Stadien bezeichneten griechischen Längenmasse berührt werden müsste, so kann hier nicht darauf eingegangen werden; wohl aber ist ein Überblick über die Erdmessungen von Aristoteles bis auf Eratosthenes von Kyrene für diesen letzteren Artikel vorgesehen. Beiläufig sei noch bemerkt, dass Theo Sm. 126, 5 Hiller (208, 7 Dupuis) das Volumen der Erde nach einer mässigen Schätzung auf nahezu 270 Billionen Cubikstadien ansetzte (vgl. Tannery Revue de philologie XVIII 151. Hultsch Nachr. Ges. d. Wiss. Göttingen 1895, 252f.). Gewiss hat schon Aristarchos eine ähnliche Rechnung angestellt und dadurch eine ungefähre Vorstellung von der Grösse der Sonne sich gebildet.

Dem entsprechend hat Aristarchos auch die Fixsternsphaere viel entfernter von der Erde, als seine Vorgänger, gesetzt. Noch grössere Dimensionen des Universums hat Archimedes in seiner Sandrechnung angedeutet; vgl. o. S. 875f. 516f.

Die Voraussetzungen, von denen Aristarchos in der Schrift περὶ μεγεθῶν καὶ ἀποστημάτων ἡλίου καὶ σελήνης ausgegangen war, wurden von Hipparchos [1846] teilweise berichtigt. Er hat darüber ein Werk abgefasst, als dessen Titel bei Chalcidius die lateinische Fassung de secessibus atque intervallis solis et lunae überliefert ist. Nach Ptolemaios sind darin u. a. die διαστάσεις τῆς σελήνης πρὸς τὸν ἥλιον, mithin wohl auch die Abstände beider Himmelskörper von der Erde behandelt worden, so dass der griechische Titel vielleicht περὶ διαστάσεων καὶ ἀποστημάτων ἡλίου καὶ σελήνης gelautet hat. Ferner ist aus dem ptolemaeischen διαστάσεις ersichtlich, dass Hipparchos, gestützt auf seine Theorie der excentrischen Kreise (§ 14), nicht blos die mittleren Abstände dieser Himmelskörper, sondern auch ihre Erdnähen und Erdfernen zu messen versucht hat. Ptolem. synt. V 287 Halma vgl. mit IX 118ff. Papp. synag. VI 554–556 Hu. Chalcid. in Plat. Tim. 91 (S. 161 Wrobel). Wenn Chalcidius hinzufügt, dass Hipparchos die Sonne 1880mal so gross als die Erde, und letztere 27mal so gross als den Mond gemessen habe, so sind damit, wie der Vergleich mit den vor kurzem angeführten aristarchischen Umgrenzungen zeigt, die Volumina gemeint; er hat also den Durchmesser der Sonne = 12,34... oder rund 121/3mal so gross als den der Erde, und den Durchmesser der Erde 3mal so gross als den des Mondes gefunden. Daraus folgt weiter, dass ihm der Sonnendurchmesser 37mal so gross als der Monddurchmesser galt, was zwar noch weit hinter der Wirklichkeit zurückbleibt, aber immerhin einen merklichen Fortschritt gegen die früheren Messungen bezeichnet, als deren höchste die archimedische (Sonnendurchmesser = 30 Monddurchmesser) vor kurzem angeführt wurde.

Noch weit näher an die wirklichen Grössen und Entfernungen ist Poseidonios gekommen, wenngleich er, wie aus dem Berichte des Kleomedes (κυκλ. θεωρ. II 144, 22–146, 16 Ziegler) hervorgeht, nur von einer ungefähren Abschätzung ausgegangen ist. Dem Durchmesser der Sonne gab er 3 Millionen Stadien, die Entfernungen des Mondes und der Sonne berechnete er zu 2, bezw. 500 Millionen Stadien. Cleom. II 146, 2. Plin. n. h. II 85. Wenn man mit Plinius das Stadium des Poseidonios zu 125 römischen Passus, d. i. nahezu 1/40 geographische Meile, ansetzt, so kommen auf den Durchmesser der Sonne 75 000 Meilen, auf ihre mittlere Entfernung von der Erde 121/2 Millionen Meilen, auf den mittleren Abstand des Mondes von der Erde 50 000 Meilen. Letzterer Betrag steht nur wenig hinter dem wirklichen zurück; die Schätzung der Sonnenentfernung erreicht etwa 5/8, die des Sonnendurchmessers etwa 3/8 der wirklichen Beträge. Wahrscheinlich ist das Stadion des Poseidonios etwas kleiner gewesen, als Plinius angiebt; allein da wir die Messung des Erdumfangs durch Poseidonios kennen (240 000 Stadien nach Cleom. I 94, 19 Ziegl.), so berechnet sich daraus der Erddurchmesser zu 76 360 Stadien, mithin die Entfernung der Sonne zu 6 548 Erddurchmessern, und ähnlich lassen sich die andern Angaben des Poseidonios, unabhängig von der Frage nach der Länge seines Stadions, auf Beträge von Erddurchmessern zurückführen und mit den ebenfalls auf Erddurchmesser reducierten Messungen der neueren Astronomen vergleichen.

Ptolemaios (synt. V cap. 13–16) ist bei diesen [1847] Bestimmungen seine eigenen Wege gegangen und hat sich damit begnügt, nur solche Minimalbeträge aufzustellen, die ihm unumstösslich erschienen. Im ganzen hat er sich an Aristarchos angeschlossen (Papp. synag. 554, 21. 556, 17 Hu.); die höheren von Hipparchos gefundenen Zahlen hat er ohne Zweifel gekannt, aber als nicht hinreichend sicher bei Seite gelassen. Die für jene Zeiten überaus kühnen Ansätze des Poseidonios würde er, wenn er überhaupt davon gewusst hat, um so mehr haben zurückweisen müssen. Nach seinen Beobachtungen bestimmte er den mittleren Abstand des Mondes in den Syzygien zu 291/2, und den der Sonne zu 605 Erddurchmessern (synt. V 346 Ha., wo die Masse in Halbmessern gegeben sind). Den Durchmesser der Erde bestimmte er zu 32/5, den der Sonne zu 184/5 Monddurchmessern, mithin den Sonnendurchmesser zu ungefähr 51/2 (abgerundet statt 59/17) Erddurchmessern. Ferner ergab sich das Volumen der Erde als 391/4, und das der Sonne als 66441/2mal so gross als das Volumen des Mondes, mithin das Volumen der Sonne nahezu 170mal so gross als das der Erde (synt. V 347f. Papp. synag. VI cap. 73).

Über die Grösse der Fixsterne hat Aristoteles die Vermutung aufgestellt: οὐκ ὀλίγα αὐτῶν τῆς γῆς εἶναι μείζονα. Auszüge des Areios Didymos aus Arist. bei Stob. ecl. I 512 Heeren (Doxogr. 450, 10 Diels). Kleomedes (κυκλ. θεωρ. II 176) geht zwar von der falschen Voraussetzung aus, dass der scheinbare Durchmesser der Fixsterne gemessen werden könne, kommt aber zu dem richtigen Schlusse, dass viele Fixsterne ebenso gross oder wohl auch noch grösser als die Sonne sind.

14. Im Commentar zu Aristoteles περὶ οὐρανοῦ giebt Simplikios Auszüge aus einer Kritik, welche der Astronom Sosigenes an den Sphaerentheorien des Eudoxos, Kallippos und Aristoteles geübt hat (498ff. Heib.). Hieraus lässt sich schliessen, dass dem Hipparchos, als er seine excentrischen Kreise den concentrischen Sphaeren des Eudoxos gegenüberstellte, als Ziel aller astronomischen Forschung das διασῶσαι τὰ φαινόμενα, die in jeder Hinsicht befriedigende Erklärung der Himmelserscheinungen, vorgeschwebt hat (504, 17. 21 vgl. mit 507, 9–12). Das hatte ja schon Eudoxos erstrebt, und seine Lösung des Problems konnte als befriedigend gelten, so lange man es dabei bewenden liess, lediglich die projectivischen Bilder der Bewegungen der Himmelskörper geometrisch zu construieren (§ 10). Da nun nach Eudoxos jeder Planet durch concentrische Sphaeren, deren Oberflächen einander unendlich nahe lagen, angetrieben wurde, so musste die Entfernung des Planeten von der Erde immer dieselbe bleiben. Dass dies aber in Wirklichkeit nicht der Fall ist, war sowohl an der wechselnden Helligkeit der Venus und des Mars als auch an der Sonne, die bei Verfinsterungen, wenn der Standpunkt des irdischen Beobachters und die Centra von Mond und Sonne auf einer Geraden liegen, durch den Schattenkegel des Mondes bald völlig verdunkelt wird, bald noch einen hellen Ring zeigt, beobachtet worden (Sosig. a. a. O. 504, 25–505, 19). Hieraus hat Hipparchos geschlossen, dass die Erde nicht im Centrum der Planetenbahnen stehen könne. Allein durch die Hypothese der ἔκκεντροι σφαῖραι (oder κύκλοι) waren die Unregelmässigkeiten dieser Bahnen noch nicht genügend [1848] erklärt; es musste die von Apollonios erfundene Theorie der Nebenkreise, ἐπίκυκλοι, hinzukommen (o. S. 160, 38). Der für jeden Planeten gesetzte excentrische Kreis wird nicht von diesem selbst durchwandert; sondern es bewegt sich auf der Peripherie dieses Kreises lediglich der Mittelpunkt eines kleineren Kreises mit gleichförmiger Geschwindigkeit, und mit eben solcher rückt auf der Peripherie des kleineren Kreises der Planet selber fort. Simplic. a. a. O. 32, 22–27. Günther Handb. der math. Geogr. 624. 629. Tannery Hist. de l’astron. 58f. Dass die Epicyklen zuerst von Apollonios zur Erklärung der Planetenbewegung verwendet worden sind, steht nach Ptolem. synt. XII 1 fest. Auch Simplic. a. a. O. fügt zu der Angabe, dass Hipparchos die excentrischen Sphaeren und die Epicyklen verwendet habe, hinzu καὶ εἴ τις πρὸ τούτου (ὑπέθετο). Damit stimmt 507, 9 überein, wo dieselbe Hypothese den μεταγενέστεροι, d. i. den auf Eudoxos, Kallippos und Aristoteles folgenden Astronomen, zugeschrieben wird. Wenn ferner Nikomachos und Iamblichos bei Simplic a. a. O. 507, 12 die Erfindung der excentrischen Sphaeren auf die Pythagoreer zurückführen, so erklärt sich dies leicht als eine Reminiscenz an das Centralfeuer (§ 6). Um dieses bewegten sich alle Gestirne einschliesslich der Erde in kreisförmigen Bahnen. Die Erde selbst lag also ausserhalb des Centrums der von den übrigen Gestirnen beschriebenen Kreise. Nach allem scheint dem Hipparchos das besondere Verdienst zuzukommen, die Theorie der excentrischen Kreise organisch mit der Lehre von den Epicyklen verbunden und die Beweisführung des Apollonios verbessert zu haben.

Vollkommen ausreichend erwies sich die Theorie des Hipparchos zur Erklärung des scheinbaren Sonnenlaufes. Dagegen stellten sich schon bei der Deutung der Anomalien der Mondbahn Schwierigkeiten heraus, die er nicht völlig zu beseitigen vermochte. Noch weniger scheint der Lauf der eigentlichen Planeten durch ihn eine befriedigende Erklärung gefunden zu haben. Was hier noch fehlte, ist später von Ptolemaios ergänzt worden, dem diese Zusätze und Berichtigungen um so leichter wurden, je sorgfältiger Hipparchos durch möglichst genaue Beobachtungen und deren Registrierung in Tafeln der Sonne, des Mondes und der Planeten ihm vorgearbeitet hatte. Die in der Syntaxis des Ptolemaios vorliegenden Tafeln beruhen zu einem guten Teile auf den Beobachtungen des Hipparchos. Gartz Encyklop. von Ersch und Gruber, Hipparchos, vgl. u. § 15. Wolf Gesch. der Astron. 45ff. Günther Handb. der math. Geogr. 624ff. Tannery Hist. de l’astron. 163f. 179ff. 252. 263 (dass Hipparchos eine Entscheidung nach der Seite des geocentrischen oder des heliocentrischen Systems hin abgelehnt habe, ist eine von den vielen Unrichtigkeiten, die auf den wenigen von Schmekel, Philosophie der mittleren Stoa, der Astronomie gewidmeten Seiten sich finden und von denen nur eine 469, 3 berichtigt worden ist: für Hipparchos hat von vornherein die geocentrische Anschauung festgestanden; die von Schmekel angezogene Stelle des Ptolem. synt. IX 114ff. handelt auch nicht im entferntesten von der Frage, ob neben dem geocentrischen System das heliocentrische in Betracht kommen könne). [1849]

15. Nach Ptolem. synt. VII 1 (2 Halma) sind vor Hipparchos nur wenige und nicht besonders zuverlässige Beobachtungen von Fixsternen gemacht worden, doch habe dieser das von Aristyllos und Timocharis Aufgezeichnete mit Erfolg benutzen können. Beide Astronomen wirkten in Alexandreia in den ersten Jahrzehnten des 3. Jhdts. v. Chr. (Kauffmann o. S. 1065f.). Auch Eratosthenes von Kyrene (s. d.) hat sich mit Fixsternbeobachtungen beschäftigt. Zwar wird ihm mit Unrecht eine Schrift καταστερισμοί (Eratosthenis catasterismorum reliqu. rec. C. Robert) zugeschrieben, wohl aber hat er über die Anordnung der Fixsterne in einem Werke gehandelt, dessen Titel vermutlich περὶ κόσμου καὶ ποιότητος τῶν φαινομένων gelautet hat. Einige Fragmente teils aus dem Originalwerke, teils aus einer lateinischen Bearbeitung desselben hat Maass Aratea (Philol. Untersuch. XII) 377ff. herausgegeben (vgl. über den Titel des Werkes ebd. 380 und über dessen Inhalt 381f.). Dass die sog. Katasterismen nicht von Eratosthenes herrühren, hat derselbe Anal. Eratosth. (Philol. Unters. VI) 1ff. nachgewiesen. Vgl. auch Susemihl Litt.-Gesch. I 420f.

Hipparchos hat in seinem Sternkatalog nicht nur den Ort eines jeden mit blossem Auge noch deutlich erkennbaren Sternes bestimmt, sondern auch drei Helligkeitsgrade (Sterne glänzenden Lichtes, Sterne zweiten Lichtgrades und schwachleuchtende Sterne) unterschieden. Geminos, der etwa 80 Jahre jünger war als Hipparchos, bemerkt in der Einleitung zu den Phainomena (S. 10 Halma), dass die Fixsterne nicht etwa alle einer Sphaere angehören, sondern teils höher hinauf, teils näher zur Erde stehen; doch könne das menschliche Auge diese Unterschiede nicht erfassen. Von wem diese Beobachtung herrührte, wird nicht berichtet; allein durch die Schlussworte der angeführten Stelle weist Geminos jedenfalls darauf hin, dass, um zu einer Klassificierung der Fixsterne zu gelangen, zunächst ihre Zugehörigkeit zu der einen σφαῖρα τῶν ἀπλανῶν, die täglich ihren Umschwung um die Erde vollendet, anzunehmen sei (wie ja auch Ptolem. synt. VII 1 unter mehrfacher Berufung auf Hipparchos es feststellt). Deshalb lag die Schlussfolgerung nahe, dass die hellsten Sterne auch die grössten seien und dass den geringeren Helligkeitsgraden anderer auch geringere Dimensionen entsprechen, ja dass sie wachsen, wenn eine Zunahme der Helligkeit zu bemerken ist, und umgekehrt abnehmen, wenn ihre Helligkeit sich mindert. Auch das Aufleuchten, d. i. nach Hipparchs Auffassung das Entstehen eines neuen Sternes, war zu seiner Zeit (im J. 134) beobachtet worden, Plin. n. h. II 95. Serv. Georg. I 137. Tannery Hist. de l’astron. 264f. Da nun die von Maass Philol. Unters. XII 378f. aus zwei Baseler Hss. veröffentlichten Auszüge als ihre Quelle eine Schrift Hipparchs de magnitudine et positione inerrantium stellarum anführen, so hat Hipparchos selbst wahrscheinlich den Titel περὶ μεγέθους καὶ τάξεως τῶν ἀπλανῶν ἀστέρων gewählt (Vermutung von Maass 380, nur dass dieser συντάξεως vorzieht). Was der Autor mit μέγεθος bezeichnete, ist soeben erklärt worden; wir werden also dieses Titelwort durch ,relative Grösse‘ in dem Sinne, wie Heis noch im J. 1852 eine Abhandlung de magnitudine relativa – stellarum [1850] quae solis oculis conspiciuntur fixarum veröffentlicht hat, oder durch ,Helligkeitsgrade‘ wiedergeben. Wie aus dem Commentare zu den Phainomena des Aratos hervorgeht, hat Hipparchos schon in diesem Erstlingswerke die drei von Serv. Georg. I 137 bezeichneten Grade unterschieden, nämlich erstens λαμπροί (bei Serv. clarae), entsprechend den drei ersten Grössenklassen des Ptolemaios (u. § 22), zweitens μικροί (secundae lucis), entsprechend der vierten und fünften ptolemaeischen Klasse, drittens ἀμαυροί oder ἀμαυρότεροι (obscurae). In der ersten hipparchischen Klasse werden einige Sterne als λαμπρότατοι, in der zweiten die relativ helleren als ἐκφανεῖς oder ὀξεῖς hervorgehoben. Vgl. Manitius zu Hipp. in Arati et Eudoxi phaenom. S. 293f; doch hat dieser die dritte hipparchische, durch Servius gesicherte Klasse nicht als solche gezählt.

Mit welcher Genauigkeit die Örter der Fixsterne von Hipparchos bestimmt worden sind, ist uns nicht überliefert; jedoch geht aus der Darstellung bei Plin. a. a. O. in Verbindung mit Ptolem. synt. VII cap. 1 und 3 hervor, dass er nicht etwa blos eine geordnete Übersicht der Sternbilder gab, wie die Fragmente bei Maass 377ff. berichten (vgl. auch Geminos a. a. O. 2 S. 19 Ha., der hinter δελφίς [Maass 378, 20] einschiebt προτομὴ ἵππου καθ’ Ἵππαρχον), sondern den Ort jedes einzelnen Sternes möglichst genau nach Längen- und Breitengraden und Brüchen von Graden bestimmte, die nach ägyptischer Weise auf die Beträge 1/6, 1/4, 1/3 1/2 + 1/4, 2/3, 1/2 + 1/3 lauteten. Ja es lässt sich der grösste Teil des hipparchischen Sternverzeichnisses, wie Wolf Gesch. der Astronomie 194 unter Berufung auf Delambre vermutet, aus den Tafeln des Ptolemaios (synt. VII 32ff. VIII 58ff. Ha.) wiederherstellen. Ptolemaios hat nämlich durch eine fehlerhafte Schätzung der seit Hipparchos eingetretenen Praecession (§ 15 a. E.) die Längenangaben des letzteren in Verwirrung gebracht. Die meisten von Ptolemaios verzeichneten Längen passen durchaus nicht für die Zeit, wo dieser seine Tafeln redigierte; wenn man aber jede solche Angabe um 22/3 Grade vermindert, so erhält man die von Hipparchos gefundene und für seine Zeit zutreffende Bestimmung. Damit ist zugleich nachgewiesen, dass Hipparchos den Grad in Hälften und Viertel, Drittel und Sechstel eingeteilt und jeden Teil nach den Regeln der ägyptischen Bruchrechnung (Hultsch Abh. Ges. d. Wissensch. Leipz. XVII 1, 21ff. 30ff. 146ff.) bezeichnet hat.

So unvollkommen auch die Aufzeichnungen des Aristyllos und Timocharis waren, so reichten sie doch für Hipparchos aus, um zu erkennen, dass der Aequinoctialpunkt in 100 Jahren wenigstens um 1 Grad, d. i. in einem Jahre wenigstens um 36″ vorrückt. Ptolem. synt. VII 2 S. 10–13 Ha. Simplic. in Arist. de caelo 462, 14–16 (vgl. dazu die Bemerkungen von Tannery Hist. de l’astron. 265ff.). Dass er diese Minimalgrenze und nicht ein der Wirklichkeit weit näher liegendes Vorrücken um 48″ im Jahre (zu folgern aus Hipp. περὶ τῆς μεταπτώσεως u. s. w. bei Ptolem. a. a. O. S. 10) gesetzt hat, mag an der Unsicherheit der Aufzeichnungen der genannten älteren Astronomen liegen; auffällig aber ist es, dass Ptolemaios a. a. O. 13 für die 265 Jahre von Hipparchos bis Antoninus [1851] Pius an der hipparchischen Bestimmung zu 36″ festhält und so für die 265 Jahre ein Vorrücken um 22/3 Grade ausrechnet, was weitaus zu wenig ist. Denn in Wirklichkeit rückt der Aequinoctialpunkt jährlich um 50″ 3757 ... vor (Günther Handb. 175), was für 265 Jahre mehr als 3° 42′ ergiebt. Deshalb beträgt auch die ganze Periode dieser Bewegung der Erdachse um die Pole der Ekliptik nur rund 26 700 Jahre (Günther 741ff.), nicht, wie nach Hipparchos anzunehmen wäre, 36 000 Jahre. Dadurch wird aber das Verdienst Hipparchs, die Praecession der Aequinoctialpunkte zuerst erkannt zu haben, nicht geschmälert. Um sie zu erklären, musste er, da die Erde für ihn feststand, eine entsprechende Bewegung der Fixsternsphaere annehmen. Wie er statt der täglichen Drehung der Erde um ihre Achse einen täglichen Umschwung der Fixsternsphaere um die Erde als Centrum voraussetzte, so musste die nach Jahrtausenden zählende konische Bewegung der Erdachse, die als Praecession sich äussert, von ihm umgesetzt werden zu einer äusserst langsamen und von dem täglichen Umschwunge unabhängigen Bewegung der Fixsternsphaere um dasselbe Centrum (Simplic. a. a. O. 462, 17). Hiermit war Hipparchos, ohne es zu beabsichtigen, auf die homocentrischen Sphaeren des Eudoxos (§ 10) zurückgekommen.

16. Um das J. 100 v. Chr., also kurze Zeit nach Hipparchos und nahezu gleichzeitig mit der Blüte des Poseidonios, ist in der Nähe von Lindos auf Rhodos (am heutigen Orte Κέσκιντος) eine Inschrift als χαριστήριον geweiht worden, welche Tabellen von Planetenbewegungen enthält. Der Anfang ist verloren gegangen: hier haben Angaben über die Venus (φωσφόρος), vorher vielleicht auch über Mond und Sonne gestanden; dann ist wenigstens noch eine Zeile mit dem Planetennamen στίλβων = Mercur erhalten; weiter folgen πυρόεις = Mars, φαέθων = Iuppiter, (φαίνων = Saturnus. Dies ist also die seit Platon (§ 8) übliche Anordnung. Zu jedem Planeten haben vier Zeilen gehört; jede Vollzeile zerfällt in zwei Teile, jede dieser Hälften enthält den Namen des Planeten; dann folgen Zeile für Zeile die Bezeichnungen κατὰ μῆκος ζωιδιακοί, κατὰ πλάτος τροπικοί, κατὰ βάθος περιδρομαί, κατὰ σχῆμα διέξοδοι. Hinter jedem dieser Titel haben Zahlen gestanden, die zum Teil ganz verloren gegangen, zum Teil mehr oder weniger verstümmelt, überhaupt aber sehr schwer lesbar sind. Den vereinten Bemühungen der zuletzt anzuführenden Gelehrten ist es gelungen festzustellen, dass sehr hohe Zahlen, bis zu 1 008 148 ansteigend, überliefert sind und dass einige unter diesen Posten entweder gewissen einfachen Zahlenverhältnissen annähernd entsprechen oder in ihrer Summe die entsprechende Zahl für den Sonnenlauf darstellen. Darüber hinaus aber sind die Deutungsversuche noch nicht zu sicheren Ergebnissen gelangt. Irgend eine grosse Periode ist vorausgesetzt, in deren Verlaufe jeder Planet so und so viele Male an die charakteristischen Stellen seiner Bahn tritt, die, wie eben angegeben wurde, durch κατὰ μῆκος ζῳδιακοί u. s. w. bezeichnet werden. Wenn, wie Tannery annimmt, der rhodische Astronom ein sog. grosses Jahr gemeint hat, welches alle in der Inschrift aufgezählten Planetenbewegungen umfasst, so dass nach [1852] Ablauf desselben die Planeten zu denselben Punkten zurückgekehrt sein würden, von denen sie am Anfange ausgegangen sind (§ 8), so knüpft sich daran die Schlussfolgerung, dass, nachdem Hipparchos die Praecessionsperiode entdeckt und zu 36 000 Jahren abgeschätzt hatte (§ 15), das grosse Jahr entweder diese Periode selbst oder ein Vielfaches derselben sein werde. Möglich, dass dem rhodischen Astronomen das 8fache der hipparchischen Periode vorgeschwebt und er angedeutet hat, dass in der grossen Periode von rund 290 000 Jahren sowohl die 20 von ihm verzeichneten Planetenbewegungen (4 auf jeden einzelnen Planeten, und zwar jede mit zwei Zahlenangaben ausgestattet) als auch die entsprechenden Bewegungen der Sonne und des Mondes angenähert in ganzen Zahlen enthalten sind. Wenn er bei einer solchen Annäherung Beruhigung gefasst hat, so würde das nur zu seinen Gunsten sprechen, denn in der That umfasst das grosse Jahr, dem schon Platon eine unergründlich lange Dauer zuschrieb, einen unendlichen Zeitraum, d. h. es giebt keine durch Zahlen von Zeiteinheiten abzugrenzende Periode, mit deren Ablauf Sonne, Mond, Planeten und Fixsterne zu den anfänglichen Ausgangspunkten zurückgekehrt sein werden, um von da ab eine zweite, gleich lange Bewegungsperiode, dann eine dritte u. s. f. zurückzulegen. IGIns. I 913, und dazu Nachtrag S. 207. Hiller von Gaertringen Ber. archaeol. Ges. Berlin, Juni 1894 (Archaeol. Anzeiger IX 124f.); IGIns. S. 149. 207. Herz S.-Ber. Akad. Wien, math.-naturw. Cl., CIII Abt. II a, Dec. 1894, S. 1135ff. Tannery Comptes rendus des séances de l’acad. des sciences, 18. Febr. 1895.

17. Nachdem wir die Entwicklung der griechischen A. bis zum Anfang des 1. Jhdts. v. Chr. nach den hauptsächlichen Gesichtspunkten verfolgt haben, ist noch in Kürze auf die verschiedenen Darstellungen der Himmelserscheinungen hinzuweisen, mögen diese nun durch Wort und Schrift, oder durch Abbilder des gestirnten Himmels (§ 18) gegeben worden sein.

Unter dem Titel φαινόμενα sind uns Werke des Eukleides und des Aratos von Soloi erhalten; der letztere aber hat lediglich eine gleichnamige Schrift des Eudoxos in dichterische Form eingekleidet. Die Phainomena des Eukleides enthalten in 18 Sätzen die Elemente der Lehre von den scheinbaren Bewegungen der Gestirne. Kurz vor ihm hatte Autolykos von Pitane (s. d), den Traditionen der eudoxischen Schule folgend, die Hauptsätze der Lehre von der rotierenden Kugel zusammengestellt. Das war eine ganz abstracte Theorie; indes zielten alle seine Sätze auf die scheinbare Bewegung der Himmelskugel mit ihrem Aequator, ihren Meridianen und Parallelkreisen und auf die über den Horizont des irdischen Beschauers sich erhebenden oder darunter verschwindenden Gestirne hin. Was von Autolykos in allgemeiner Form gegeben war (so dass auch statt der Gestirne nur Punkte gesetzt waren, die zugleich mit der Kreisperipherie, der sie zugehörten, ihre Rotation vollzogen), das wurde von Eukleides (s. d.) auf den bestimmten Fall der Bewegung der Himmelskugel übertragen, wie sie dem Auge des irdischen Beobachters erscheint. Heiberg Studien über Euklid 41ff. Hultsch Ber. Gesellsch. der [1853] Wissensch., Leipzig 1886, 143ff. Tannery Hist. de l’astr. 39. Günther Gesch. der Math. u. Naturw.² 281f.

Was uns bei Autolykos und Eukleides vorliegt, war im wesentlichen schon von Eudoxos festgestellt worden; denn nur so ist es dem letzteren möglich gewesen, an die Elemente der Himmelserscheinungen die Beschreibung der hauptsächlichsten Sternbilder, eine Darstellung ihrer Auf- und Untergänge und Angaben über die Dauer ihrer Sichtbarkeit am nächtlichen Himmel zu knüpfen. Er hat dies in zwei Schriften ausgeführt, deren Text ausser geringen Abweichungen mit einander übereinstimmte ἀναφέρεται εἰς τὸν Εὔδοξον δύο βιβλία περὶ τῶν φαινομένων, σύμφωνα κατὰ πάντα σχεδὸν ἀλλήλοις πλὴν ὀλίγων σφόδρα Hipp. in Arat. 8, 15 Manit.). Das eine Buch war ἔνοπτρον, das andere φαινόμενα betitelt. An das letztere hat Aratos im ersten Teile seiner Phainomena, wie aus dem Commentare des Hipparchos zu ersehen ist, aufs engste sich angeschlossen: (πρὸς τὰ (Εὐδόξου) φαινόμενα (Ἄρατος) τὴν ποίησιν συντέταχεν). Hipparchi in Arati et Eudoxi phaenomena comm. 8. 10. 12 u. s. w. (s. Maass Eudoxi Cnidii fragm. ex Hipparcho conlecta, in dessen Aratea, Philol. Unters. XII 279ff. und vgl. die Übersicht in der Ausg. von Manitius 376). Knaack o. S. 395. 397. Tannery Hist. de l’astron. 9f. Künssberg Eudoxos von Knidos I, Progr. Dinkelsbühl 1888, 23. Alles weitere s. unter Eudoxos von Knidos.

Eine Ergänzung zu den eudoxischen Phainomena bildete die Schrift des Autolykos περὶ ἐπιτολῶν καὶ δύσεων (s. d.). Insbesondere für die Breite von Alexandreia hat Hypsikles um 170 v. Chr. in seinem ἀναφορικός annähernd festgestellt, in welcher Zeit erstens jedes Zeichen, zweitens jeder Grad des Zodiakus aufgeht. Dies wird unter Hypsikles des näheren dargelegt werden. Auch über die ἐξήγησις τῶν Ἀράτου καὶ Εὐδόξου φαινομένων des Hipparchos, sowie über dessen Schrift περὶ τῆς τῶν ιβ’ ζῳδίων ἀναφορᾶς, ferner über die εἰσαγωγὴ εἰς τὰ φαινόμενα des Geminos, über den Tractat πρὸς εἰσαγωγὴν εἰς τὰ Ἀράτου φαινόμενα des Achilleus, endlich über die sog. Πρόκλου σφαῖρα, eine aus Geminos cap. 3. 4. 12 und 2 geflossene Compilation, ist auf die betreffenden Artikel zu verweisen (über Achilleus, den Commentator des Aratos, handelt Schaefer o. Bd. I S. 247; über ,die Sphaere des Ps.-Proklus‘ vgl. vorläufig Max C. P. Schmidt Philol. XLV 313ff.).

18. Der gestirnte Himmel erscheint dem irdischen Beobachter als eine Hohlkugel, in deren Centrum er steht. Mit einem Male übersieht er zu einem beliebigen Zeitpunkte nur die Hälfte dieser Kugel, welche von der andern, ihm zur Zeit unsichtbaren durch einen grössten Kreis, den Horizont (ὁ ὁρίζων ἐν τῇ σφαίρᾳ κύκλος τό τε φανερὸν τῆς σφαίρας καὶ τὸ ἀφανές Autol. περὶ κιν. σφ. 22, 5 Hu.) geschieden wird. Durch die tägliche Drehung der Himmelskugel wird aber dem Beobachter in Kleinasien oder auf Rhodos oder in Unterägypten nach und nach der grössere Teil des Sternenhimmels sichtbar. Nichts lag nun näher, als die vom Beobachtungsorte aus sichtbaren Sternbilder auf der Oberfläche einer aus Holz, Stein oder Metall gefertigten σφαῖρα einzutragen, diesen Globus drehbar um eine die Lage [1854] der Himmelsachse darstellende Achse zu machen und durch irgend eine einfache Vorrichtung die Ebene des Horizontes anzudeuten, zu welcher die Achse des Globus, mithin auch der perpendiculär zur Achse gezogene grösste Kreis schief stehen, endlich durch Drehung des Globus zu zeigen, wie je nach der Jahreszeit die Sternbilder, soweit sie nicht, weil in der Nähe des Poles gelegen, immer sichtbar sind, aufgehen, ihren höchsten Stand über dem Horizonte erreichen und dann wieder untergehen. Tannery Mém. de la société des sciences de Bordeaux, 3. série, II (1886), 192.

Eine solche sphaera solida soll nach Cic. de rep. I 22 zuerst Thales hergestellt haben. Auch dem Anaximander wird von Diog. Laert. II 2 die Anfertigung eines Globus zugeschrieben. Seitdem ist der bewegliche Himmelsglobus im ganzen Altertum ein für jeden Astronomen unentbehrliches Hülfsmittel geblieben (Tannery a. a. O.). Bezeugt sind insbesondere noch eine sphaera des Eudoxos, astris quae caelo inhaererent descripta, bei Cic. a. a. O., eine Βιλλάρου σφαῖρα in Sinope (s. Billaros). Über die κατασκευὴ Ἀρατείας σφαίρας hat im 7. Jhdt. n. Chr. der Mechaniker Leontios geschrieben. Knaack o. S. 396. Maass Philol. Unters. XII 307f. Ein Werk περὶ σφαίρας hat nach Suidas Achilleus, der Commentator des Aratos, verfasst; Auszüge daraus sind erhalten unter dem § 17 a. E. erwähnten Titel ἐκ τῶν Ἀχιλλέως πρὸς εἰσαγωγὴν εἰς τὰ Ἀράτου φαινόμενα. Schaefer o. Bd. I S. 247. Über die κατασκευὴ τῆς στερεᾶς σφαίρας nach Ptolemaios s. u. § 22.

Zur eudoxischen Sphaere gehörte als Hülfsinstrument die ἀράχνη (s. d.), eine durch ein Netz von feinen Drähten hergestellte, um eine Achse in der dem Beobachtungsorte angemessenen Lage drehbare Kugel. Die Drähte stellten wahrscheinlich, entsprechend den zwölf Zeichen des Zodiakus, zwölf Meridiane und die wichtigsten Parallelkreise dar. Für jede Nacht konnte der Apparat nach dem Stande, den die Sonne zur Zeit in der Ekliptik einnahm, eingestellt werden, und es war dann möglich, die Stellung der während der Nacht sichtbaren Sterne Stunde für Stunde (jede Stunde = 1/12 der Nachtlänge) annähernd zu bestimmen. Vitruv. IX 9, 1. Tannery a. a. O. 195ff.; Hist. de l’astron. 53ff.

19. Weit schwieriger als die Nachahmung der rotierenden Himmelskugel mit ihren Sternbildern war eine mechanische Darstellung des scheinbaren Laufes von Mond, Sonne und Planeten. Denn wenn gegenwärtig, wo die heliocentrische Anschauung allein massgebend ist, solche Apparate ein der Wirklichkeit nur entfernt angenähertes, lediglich für den Elementarunterricht förderliches Bild gewähren, so war es um so mehr für die alten Griechen, bei den beschränkten Mitteln ihrer Technik, schwierig, vom geocentrischen Standpunkte aus alle die Complicationen der Planetenbewegungen mechanisch zur Anschauung zu bringen. Wenn Theo von Smyrna (146, 5 Hiller) bemerkt, er habe die platonische Sphaerenharmonie (oben § 13) durch eine σφαιροποιία dargestellt und den jeder Sphaere zukommenden Ton zu Gehör gebracht, so kann dies nicht als eine Erfindung von irgendwelchem astronomischen Werte gelten. Dem Eudoxos aber und seinen Nachfolgern bis auf Aristoteles (§ 10) wird von Simplikios an mehreren [1855] charakteristischen Stellen so bestimmt eine σφαιροποιία zugeschrieben, dass damit schwerlich blos die abstracte Theorie der eudoxischen Sphaeren, sondern auch eine thatsächliche Sphaerenbildung, d. h. eine wenn auch noch so unvollkommene mechanische Nachbildung der Planetenbahnen gemeint ist. Freilich das gesamte eudoxische System mit seinen 27 Sphaeren (einschl. Fixsternsphaere), oder gar das aristotelische mit seinen 56 Sphaeren (§ 10) in gleichzeitiger, den Lauf von Mond, Sonne, Planeten und Fixsternen darstellenden Bewegung vor Augen zu führen, war technisch unmöglich. Wohl aber konnten ein Umlauf des Mondes um die Erde, eine Jahresbewegung der Sonne und etwa noch der Lauf der Venus mit der Hippopede (§ 10), jeder Lauf für sich, durch rotationsfähige Ringe, deren einer immer in den andern eingeschaltet war, und deren innerster den Wandelstern trug, von dem vortragenden Lehrer durch eine passende Einstellung der innern Ringe und die Drehung des äussern Ringes für einen beliebigen, eng begrenzten Ausschnitt aus der ganzen Planetenbahn verdeutlicht werden. Simplic. in Arist. de caelo 497, 6 vgl. mit 474, 30. 501, 25. 504, 16. Künssberg Eudoxos von Knidos I, Progr. Dünkelsbühl 1888, 40ff.

Archimedes hat eine besondere Abhandlung περὶ σφαιροποιίας verfasst (o. S. 536, 53) und diese seine Theorie durch ein vom Wasser getriebenes mechanisches Kunstwerk, die sog. sphaera Archimedis, dargestellt (o. S. 537f.). Cicero de rep. I 22 stellt der solida sphaera des Thales und Eudoxos (o. § 18) als Erfindung des Archimedes eine andere Art von sphaera gegenüber, welche die von einander so verschiedenen Bewegungen der Sonne, des Mondes und der fünf Planeten durch eine Umdrehung bildlich darstellte. Aus dem bei Cicero folgenden, leider nicht vollständig erhaltenen Berichte geht noch hervor, dass eine Umdrehung einen vollständigen Umlauf des Mondes um die Erde und den entsprechenden Teil des jährlichen Sonnenlaufes darstellte, so dass dabei die möglichen Fälle sowohl einer Sonnen- als einer Mondfinsternis veranschaulicht wurden. Durch reichlich 12 Umdrehungen konnte weiter der Jahreslauf der Sonne und der Betrag der auf ein Jahr entfallenden Mondmonate einigermassen dargestellt werden. Technisch unmöglich aber war es, den ganzen Mechanismus so zu vervollkommnen, dass auch alle Planetenbewegungen zu einer vollständigen Darstellung gelangten. So bleibt nur die Annahme übrig, dass für die Zeit des jeweilig laufenden Monates (d. i. für eine Umdrehung nach Cicero a. a. O.) die Planeten mit der Hand an ihren durch Wasser getriebenen kreisförmigen Bahnträgern so eingestellt wurden, wie es der zeitweiligen Constellation entsprach. Obgleich sie dann für diesen Monat nur in der Form eines Kreisbogens, je nach den Bedingungen des zeitweilig von ihnen zurückzulegenden Bahnabschnittes, langsamer oder schneller, rechtläufig oder rückläufig sich bewegten, so kam dabei ihre Stellung zu Sonne und Mond, zu den übrigen Planeten und zu den Zeichen des Zodiakus zu einem zwar nur entfernt der Wirklichkeit entsprechenden, aber für den ungelehrten Beobachter doch genügenden Ausdruck.

Auch Poseidonios hat eine Sphaere construiert, [1856] cuius singulae conversiones idem efficiunt in sole et in luna et in quinque stellis errantibus, quod efficitur in caelo singulis diebus et noctibus Cic. de d. nat. II 88. Wie dieser Mechanismus eingerichtet war, ist unbekannt; wahrscheinlich war er weit weniger compliciert und deshalb auch unvollkommener als das Werk des Archimedes.

20. Ptolemaios setzt in seiner Syntaxis die hipparchische Theorie der excentrischen Kreise und der Epicyklen (§ 14) als bekannt voraus; wir würden also vergeblich eine zusammenhängende Erläuterung derselben bei ihm suchen. Nur wo sich ihm bei den Anomalien der einzelnen Wandelsterne ein Anlass bietet, kommt er von Fall zu Fall, meist unter Citierung von Hipparchos, auf dessen Hypothesen zurück. Offenbar schweben ihm dabei hauptsächlich zwei Gesichtspunkte vor. Die schon von den älteren Astronomen beobachteten und allgemein bekannten Anomalien, besonders die des Mondes, werden soweit als möglich mit Hülfe der Excentricität der Bahnen erklärt; wo diese Hypothese aber nicht ausreicht, da werden die Epicyklen herbeigezogen. Soweit dies aber geschehen, nimmt Ptolemaios, weit über Hipparchos hinausgehend, diese Theorie im vollsten Umfange in Anspruch, und seine Überzeugung ist offenbar, dass es keine, auch durch die schärfsten Beobachtungen festgestellte Anomalie geben könne, die nicht mit Hülfe von Beikreisen zur Planetenbahn geometrisch construiert und somit genügend erklärt werden könnte. Diesen Nachweis hat er in jedem einzelnen sich ihm aufdrängendem Falle vollgültig geführt und somit die Aufgabe, διασῶσαι τὰ φαινόμενα (§ 14), so befriedigend gelöst, dass es nicht zu verwundern ist, wenn seine Syntaxis über ein Jahrtausend hinaus einer unbestrittenen Autorität sich erfreut hat. Ptolem. synt. IV 238ff. V 298ff. IX 118ff. 156ff. Halma. Über die speciellen Anomalien der Mondbahn handelt ders. IV 222ff. und verzeichnet dort Messungen bis zu achten Sechzigsteln des Grades (d. i. Brüchen von der Form , s. Arithmetica § 11). Die darauf folgenden Tafeln der Mondbewegungen sind bis zu sechsten Sechzigsteln ausgerechnet. Dieselben Grade der Genauigkeit werden IX 121ff. bei den Berechnungen der periodischen Umläufe der fünf Planeten, bezw. in den darauf folgenden Tafeln erreicht. Eine streng an des Ptolemaios Text sich anschliessende Bearbeitung der Epicyklentheorie ist als wünschenswert zu bezeichnen. Eine das Wesentliche berührende und recht anschauliche Darstellung giebt Günther Handb. der math. Geogr. 629ff. Vgl. auch dens. Gesch. der Mathem. u. Naturw.² 286. Wolf Gesch. d. Astronomie 50ff. Tannery Hist. de l’astron. 202ff. 244ff.

21. Über die Ordnung der fünf Planetensphaeren stellt Ptolemaios zu Anfang des neunten Buches (114f. Ha.) zunächst fest, dass sie ohne Zweifel zwischen der Mond- und der Fixsternsphaere liegen. Von der letzteren aus gerechnet, komme zuerst die Sphaere des Saturnus, dann schon näher bei der Erde die des Iuppiter, hierauf die des Mars. Darüber herrsche fast bei allen ältesten Astronomen (παρὰ τοῖς πρώτοις μαθηματικοῖς) [1857] Übereinstimmung. Die Sphaeren der Venus und des Mercur würden zwar bei den älteren (παρὰ τοῖς παλαιοτέροις) unter die Sonnensphaere gesetzt, bei einigen späteren jedoch (παρὰ ἐνίοις τῶν μετὰ ταῦτα) oberhalb derselben. Die Entscheidung zwischen beiden Ansichten sei schwierig; doch scheine ihm die Anordnung der älteren vorzuziehen, weil dadurch auf naturgemässe Weise die (oberen) Planeten, welche (von der Erde aus gesehen) jeden beliebigen Winkelabstand zur Sonne einnehmen können, sich unterscheiden von den (unteren) Planeten, bei denen dies, da sie nie weit von der Sonne sich entfernen, nicht der Fall ist. Der grosse Astronom lässt also auf den Mond Mercur und Venus, dann die Sonne, zuletzt Mars, Iuppiter und Saturnus folgen, d. h. er legt seinem Systeme die alte babylonische Anordnung (§ 6) zu Grunde, die man vielleicht passend dahin charakterisieren kann, dass sie nur einer wechselseitigen Abänderung bedarf, um zur wahren heliocentrischen umgebildet zu werden. Denn wenn wir die letztere uns vor Augen stellen, so brauchen wir nur Erde und Mond einerseits und die Sonne andererseits ihre Plätze wechseln zu lassen, um das babylonisch-ptolemaeische System zu erhalten.

Nehmen wir nun an, dass Ptolemaios a. a. O. von der Frage, ob Venus oder Mercur der Erde näher steht, vorsätzlich abgesehen hat, so vereinfacht sich sein Bericht zu der Alternative, dass die ‚Älteren‘ die Sonne oberhalb von Mercur-Venus, dagegen einige von den ,Späteren‘ unterhalb angesetzt haben. Hier hat Ptolemaios es nicht der Mühe für wert gehalten, genauer, um die Quellen, die er leicht hätte einsehen können, sich zu kümmern. Nach einem allgemeinen Gebrauche pflegen im Altertum von einem Autor als ,ältere‘ Vorgänger schon solche bezeichnet zu werden, die gar nicht weit hinter ihm zurückliegen, so dass mit den jüngeren nur die allernächsten Vorgänger gemeint werden. Nun aber sind die ἔνιοι τῶν μετὰ ταῦτα des Ptolemaios schon die Pythagoreer, dann Platon, Eudoxos, Aristoteles und andere bis herab zum rhodischen Astronomen, der die Inschrift von Keskintos abfasste. Welche παλαιότεροι, die noch hinter den Pythagoreern zurückliegen, hat nun Ptolemaios gekannt; wer unter den Griechen ist in so früher Zeit als Vertreter der babylonischen Anordnung hervorgetreten? Gegenwärtig weiss das niemand; aber auch Ptolemaios hat es wahrscheinlich nicht gewusst; sein Bericht ist also in dieser Beziehung, gelinde gesagt recht, undeutlich. Nach den gegenwärtig vorliegenden Quellen sind als älteste Gewährsmänner für die babylonische oder chaldaeische Anordnung die Stoiker Diogenes von Babylon und Panaitios bezeugt, wahrscheinlich hat aber auch des Diogenes Zeitgenosse Hipparchos, auf dem ja Ptolemaios in den meisten Dingen fusst, diesem Systeme sich angeschlossen. Cic. de div. II 91 vgl. mit 97. 88. Tannery Hist. de l’astron. 126f. 261. Irrtümlich berichtet Macrob. comm. in somn. Scip. I 19, 2, dass schon Archimedes die Sonne zwischen Venus und Mars gestellt habe, denn aus Cic. de rep. I 22 (oben § 19) geht, trotz der Lücke in der hsl. Überlieferung, deutlich hervor, dass in der sphaera des Archimedes die fünf Planeten erst auf Mond und Sonne folgten.

22. Über die Fixsterne handelt Ptolemaios im [1858] siebenten und achten Buche seiner Syntaxis. Nachdem er gezeigt hat, dass sie stets dieselben Stellen der nach ihnen benannten Sphaere einnahmen, mithin unveränderliche Abstände gegen einander bewahren (VII cap. 1), berührt er die der Fixsternsphaere eigentümliche Bewegung, die sich als Praecession der Tag- und Nachtgleichen äussert (cap. 2, vgl. oben § 15), erklärt dann den täglichen Umschwung derselben um ihre Achse (cap. 3) und zeigt endlich, nach welchen Gesichtspunkten die Sternverzeichnisse zu entwerfen sind (cap. 4). Daran schliessen sich noch im siebenten Buche die Sternbilder der nördlichen Hemisphaere und weiter im achten Buche die der südlichen Hemisphaere (vgl. die Übersicht bei Tannery Hist. de l’astron. 270ff.). Hierauf folgt ein Abschnitt über die Milchstrasse (VIII cap. 2), ferner eine Anweisung über die Herstellung von Himmelsgloben (cap. 3), zuletzt drei Abschnitte über die Configurationen (σχηματισμοί) oder Aspecte der Fixsterne, über ihre Aufgänge, Culminationen und Untergänge zugleich mit der Sonne, über ihr Erscheinen und Verschwinden (cap. 4–6). In sein Verzeichnis hat Ptolemaios 1025 Sterne aufgenommen, die er nach Länge und Breite bestimmte und nach sechs μεγέθη, d. i. Helligkeitsgraden, unterschied (oben § 15, vgl. Tannery a. a. O. 270). Ausser den ganzen Graden hat er, dem Vorgange des Hipparchos folgend (§ 15), Hälften und Viertel, Drittel und Sechstel von Graden gemessen.

Noch besonders hervorzuheben ist der vorläufig schon erwähnte Abschnitt über εἰκὼν ἡ διὰ τῆς στερεᾶς σφαίρας, ἀκολούθως ταῖς περὶ τῆς τῶν ἀπλανῶν σφαίρας ἀποδεδειγμέναις ὑποθέσεσι u. s. w. (synt. VIII 92, 12–21 Ha.) und über die Herstellung (κατασκευή) eines solchen Himmelsglobus (ebd. 92, 22ff.). Zunächst ersehen wir aus Ptolemaios’ Worten, dass der von Cicero erwähnten sphaera solida (oben § 18) schon bei früheren griechischen Astronomen eine στερεὰ σφαῖρα entsprochen hat. Auch die bis ins einzelste gehenden Anweisungen des Ptolemaios über die Farbe des Globus, über die Eintragung der Sternbilder, über die zu verzeichnenden Kreise, über die feste Umrahmung der Kugel und ihre Drehbarkeit um die durch die Pole gehende Achse, endlich über die Regeln, nach denen auch die nicht verzeichneten Kreise annähernd festgestellt und abgelesen werden können, alles das beruht gewiss auf weit älteren Traditionen, die wir mit grosser Wahrscheinlichkeit bis auf Hipparchos, ja teilweise wohl auch auf Eudoxos zurückführen können.

Die orthographische Projection der Himmelskugel hat Ptolemaios in der Schrift περὶ τοῦ ἀναλήμματος behandelt. Hier waren auf einer Scheibe der Horizont und der Mittagskreis des Beobachtungsortes sowie ein zum Meridian rechtwinklig stehender Scheitelkreis (κατὰ κορυφὴν κύκλος), ein sog. ἑκτήμορος, ein ὡριαῖος und ein καταβατικόςeingetragen, so dass man mit Hülfe eines Gnomons (o. § 5) den täglichen Sonnenlauf, mithin auch die Tageslänge und die Tagesstunden ablesen konnte. Vitruv. IX 4, 1. Hultsch zu Pappos III S. Xf. (eine stereographische Projection nimmt Günther Handb. der math. Geogr. 260ff. an). Von dem Urtexte dieser Schrift, die bis vor kurzem [1859] nur in der lateinischen Bearbeitung Wilhelms von Moerbek als ,Claudii Ptolemei liber de analemmate‘ bekannt war, hat Heiberg Abh. zur Gesch. der Mathem. VII, Leipzig 1895, 1ff. (Suppl. zur Zeitschr. für Mathem. u. Phys. XL) aus einem Mailänder Palimpsest ansehnliche Fragmente zugleich mit einer zuverlässigen Recension des lateinischen Textes herausgegeben. Über das Astrolabium (ἀστρολάβον ὄργανον) s. d.

23. Macrobius, der am Ende des 4. und zu Anfang des 5. Jhdts. schrieb, kommt in seinem Commentare zum Somnium Scipionis I 19 auf den Unterschied zwischen Platons und Ciceros Ansichten über das Planetensystem. Mit Cicero, der die Sonne an die vierte Stelle von der Erde aus setze, stimme die Chaldaeorum ratio überein (oben § 6 a. E. § 21 a. E., wo zugleich über Archimedes, der von Macrobius ebenfalls hierher gezogen wird, das Nötige bemerkt ist); dagegen habe Platon, der die Sonne an die zweite Stelle setzte und dann die Reihe der fünf Planeten folgen liess (§ 8), sich an die Ägypter angeschlossen. Weiter kommt Macrobius auf die Umlaufszeiten der Planeten, und dabei streut er, uneingedenk des anfänglichen Berichtes, wonach Cicero das allgemein bekannte babylonische, später stoische und ptolemaeische System angenommen habe, die Bemerkung ein, dass Cicero die Venus und den Mercur, weil sie der Sonne immer nahe stehen und ebenso wie diese eine nahezu jährliche Umlaufszeit haben, Begleiter der Sonne genannt habe. Damit bezieht er sich auf Cic. de rep. VI 17 (Macrob. somn. Scip. II 4, 2 p. 646 Eyssenh.), ist aber in der Erklärung dieser Stelle ebenso, wie kurz vorher betreffs des Archimedes, im Irrtum. Denn Cicero kann hier, vgl. mit de div. II 91 (oben § 21 a. E.) und de deor. nat. II 51–53 (wo das stoische Planetensystem wahrscheinlich nach Poseidonios mit der Abänderung, dass Venus der Erde näher als Mercur stehen soll, dargestellt wird), mit den Worten hunc (solem) ut comites consequuntur Veneris alter, alter Mercurii cursus nur die Thatsache meinen, dass beide Planeten nie weit von der Sonne sich entfernen (de deor. nat. II 53), mithin auch ihre Bahnen der Sonne verhältnismässig nahe stehen, den gemeinsamen Mittelpunkt aber sowohl dieser drei Bahnen als der Bahnen des Mondes und der oberen Planeten die Erde bildet. Auch Ptolemaios synt. IX 1 (S. 115, 27–30 Ha) hat sich ähnlich ausgedrückt wie der Stoiker, dem Cicero gefolgt ist, denn er bezeichnet die beiden unteren Planeten, weil sie nie weit von der Sonne sich entfernen (oben § 21) als περὶ αὐτὸν (τὸν ἥλιον) ἀεὶ φερόμενοι, d. h. nicht um die Sonne, sondern in der Nähe der Sonne sich bewegend. Hierauf kommt nun Macrobius zur Darstellung des eigentümlichen, von ihm allen übrigen vorgezogenen Systems (I 19, 5f.): nam Aegyptiorum sollertiam ratio non fugit quae talis est. circulus per quem sol discurrit a Mercurii circulo ut inferior ambitur, illum quoque superior circulus Veneris includit, atque ita fit, ut hae duae stellae, cum per superiores circulorum suorum vertices currunt, intellegantur supra solem locatae, cum vero per inferiora commeant circulorum, sol eis superior aestimetur u. s. w. Also die Erde steht im Centrum und wird zunächst vom Monde umkreist, [1860] dann kommt – offenbar in einer weit grösseren Entfernung – die Sonne, welche bei ihrem Laufe um die Erde den Mercur und die Venus als Trabanten hat, zuletzt folgen, wie im babylonischen System, die oberen Planeten, die ebenso wie Mond und Sonne um die Erde kreisen. Der älteste Gewährsmann für dieses System ist Herakleides der Pontiker (oben § 9), dann folgt nach langem Zwischenraume Vitruv IX 4, 6, endlich erwähnt es noch, etwa gleichzeitig mit Macrobius, Martianus Cap. VIII 880, 882. Boeckh Unters. über das kosmische System des Platon 142f. Günther Handb. der math. Geogr. 634f. Tannery Hist. de l’astron. 260ff. Schmekel Philos. der mittleren Stoa 465, 3.

Dieses System soll nach Macrobius von den Ägyptern erfunden worden sein. Das ist wohl lediglich ein Versuch, dem ältesten asiatischen Kulturvolke, den Babyloniern, ihre westlichen Nachbarn im Nillande, die auf eine vielleicht noch ältere Kultur zurückblicken konnten, als ebenbürtige Himmelsbeobachter zur Seite zu stellen. In der That aber war das System griechisch und schon von Herakleides in den Hauptzügen entworfen. Neu aufgetaucht ist es, nachdem Hipparchos durch verschärfte Beobachtungen und durch seine Theorie der excentrischen Kreise und der Epicyklen den Platoniker Eudoxos siegreich widerlegt hatte (§ 14). Als dann noch die Stoa hinzukam und ihr System im auffälligen Gegensatze zu Herakleides, der doch auch dem Platon nahe stand, aufbaute, da war es nicht zu verwundern, wenn ein alexandrinischer Gelehrter, der sich zur Akademie oder überhaupt zu einer der Stoa feindlichen Richtung bekannte, die hipparchischen Planetenbeobachtungen dazu benützte, um auf den herakleidischen Satz, dass Mercur und Venus Trabanten der Sonne sind, zurückzukommen. War dieser Mann etwa ein Zeitgenosse des Sosigenes, so ist es um so erklärlicher, dass er gegen diesen Widersacher des Eudoxos seinerseits Kritik übte. Als einem Alexandriner lag es ihm nahe, den alten Ägyptern die Zeugenschaft für sein System zuzuschieben; ein Astronom von Fach oder ausdauernder Rechner ist er sicherlich nicht gewesen; denn dann hätte er auf Grund der hipparchischen Beobachtungen, die wir uns möglichst ähnlich den ptolemaeischen Planetentafeln denken dürfen, finden müssen, dass nicht nur Mercur und Venus, sondern auch die drei oberen Planeten um die Sonne kreisen. So würde er auf jenes System gekommen sein, das Tycho de Brahe, in Opposition gegen Copernicus, aufstellte, wonach die Erde mit dem Monde als ihrem nächsten Begleiter denselben Platz wie nach der im Altertum allgemeinen Ansicht behält und in einer weit über den Mondabstand entfernten Bahn die Sonne mit den fünf Planeten Mercur bis Saturnus als ihren Trabanten ihren Jahreslauf um die Erde zurücklegt. Günther Handb. der math. Geogr. 641–643.

24. Mit Ptolemaios hatte die griechische Astronomie ihren Höhepunkt erreicht. Wertvolle Erläuterungen zur Syntaxis gab gegen Ende des 3. Jhdts. Pappos im sechsten Buche seiner συναγωγή (474ff. Hu.) und in den σχόλια, deren jedes einen ausführlichen Commentar zu jedem Buche der Syntaxis enthalten hat. Bezeugt sind die Commentare zum 1., 5. und 6. Buche. Hultsch [1861] zu Pappos III S. XIIIff. Blass Hermes XXIII 623ff. Heiberg zu Apollon. Perg. II S. XI, 5 (vgl. mit I S. V). Etwa ein Jahrhundert später schrieb Theon von Alexandreia (s. d.) seine Commentare zur Syntaxis, in denen, wie es scheint, die σχόλια des Pappos auf das ergiebigste benutzt worden sind, Theons Tochter Hypatia († 415) soll einen ἀστρονομικὸς κανών und einen Commentar zu den Kegelschnitten des Apollonios geschrieben haben. Suidas s. Ὑπατία. Cantor Vorles. über Gesch. der Mathem. I² 462f. Tannery zu Diophanti opera II 36, 24 (nach dessen Vermutung Hypatia εἰς τὸν ἀστρονομικὸν κανόνα, d. i. einen Commentar zu irgend einer Tabelle des Ptolemaios geschrieben hat). Paulos von Alexandreia und Vettius Valens zählen nicht sowohl zu den Astronomen als zu den späteren Vertretern der Astrologie (s. o. S. 1822. 1827). Im 6. Jhdt schrieb Kosmas Indikopleustes unter dem Titel Χριστιανικὴ τοπογραφία eine physikalisch-astronomische Ausdeutung der heiligen Schriften, die wesentlich auf syrischer Grundlage beruht. Krumbacher Gesch. der byzant Litt. 157f. Als spätester griechisch geschriebener Commentar zu Ptolemaios ist noch zu erwähnen die τρίβιβλος Θεοδώρου τοῦ Μελιτινιώτου, die wahrscheinlich im 14. Jhdt. unter Johannes V. Palaeologos abgefasst worden ist. Sie enthält im 1. und 2. Buche ziemlich ausführliche, aber grösstenteils wertlose Compilationen zur Syntaxis; im 3. Buche wird gezeigt, quem ad modum secundum Persarum rationes siderum tempora definienda sint. Usener Ad historiam astronomiae symbola, Univ.-Festschr. Bonn 1876, 8ff. Gildemeister ebd. 14ff. Die wichtigsten Stellen des Textes werden von Usener ebd. 9–14 mitgeteilt. Die Vorrede der Tribiblos und das erste Capitel des ersten Buches hat Bullialdus als Anhang zu Ptolem. περὶ κριτηρίου καὶ ἡγεμονικοῦ herausgegeben. Usener a. a. O. 8. 9f. Boll Jahrb. f. Philol. Suppl. XXI 54f.

25. Die Römer haben aus eigener Erfindung nichts zu den astronomischen Kenntnissen des Altertums beigetragen; aber da sie seit der Zeit, wo sie mit griechischer Wissenschaft sich befreundeten, ein reges Interesse für die Himmelskunde gezeigt haben, so ist in den Schriften des Cicero, Vitruvius, Plinius, Censorinus u. a. vieles erhalten, was für die Geschichte der A. von besonderer Wichtigkeit ist. Noch am Ende des 4. und im 5. Jhdt. haben Macrobius, Martianus Capella und Chalcidius wertvolle Beiträge geliefert, die wir in anderen Quellen vergeblich suchen (oben § 9. 13. 23). Für seine Zeit recht tüchtige Kenntnisse in der A. hat C. Sulpicius Gallus (Praetor im J. 169, Kriegstribun unter Aemilius Paulus 168, Consul 166) gehabt, da er die in der Nacht vor der Schlacht bei Pydna eingetretene Mondfinsternis voraussagte und später auch eine Schrift über Sonnen- und Mondfinsternisse verfasste. Cic. de rep. I 21. 23; de senect. 49; de off. I 19. Liv. XLIV 37, 5–8. Plin. n. h. II 53. Über die Schätzungen der Entfernungen von Mond, Sonne und Fixsternsphaere durch Sulpicius Gallus, Varro, Plinius, Censorinus und Martianus vgl. Tannery Hist. de l’astron. 323–326 (zu den griechischen Astronomen ist trotz seines römischen Namens Agrippa aus Bithynien zu rechnen; s. [1862] Schaefer oben Bd. I S. 897). Eine kurze Übersicht über das Wissenswerteste aus der A. und eine ausführlichere Beschreibung der Sternbilder nach Aratos und Eratosthenes hat Hyginus (s. d.) verfasst (Hygini astronomica rec. Bunte, vgl. Maass Philol. Unters. XII 150. 216. 324). Dass überhaupt die Beobachtung der Erscheinungen des gestirnten Himmels bei den Römern beliebt war, bezeugen die Übersetzungen oder Bearbeitungen der aratischen Phainomena von Cicero, Manilius, Germanicus Caesar und Avienus, über welche auf die ihnen gewidmeten Artikel zu verweisen ist, ebenso wie über Boethius und Cassiodorius.

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Ein quellenmässiger Versuch, eine Gesamtübersicht der Geschichte der alten A. zu geben, ist von Th. H. Martin Dictionnaire des antiquités gr. et rom. I 476–504 gemacht.

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