RE:Eudemos 11
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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E. von Rhodos, Peripatetiker im 4. Jh. v. Chr. Schüler des Aristoteles | |||
Band VI,1 (1907) S. 895–901 | |||
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11) Eudemos von Rhodos, älterer Peripatetiker.
A. Literatur über Eudemos. Als Biograph desselben erwähnt Simplikios Comm. in [896] Arist. Phys. 924, 13 Diels einen uns sonst unbekannten Damas (Δάμας ὁ τὸν βίον Εὐδήμου γράψας). Für Δάμας hat Brandis, einer wertlosen Hs. folgend, Δάμασος schreiben wollen, Jonsius De script. hist. philos. IV 253 dagegen, dem Lobeck Aglaoph. 339 zustimmt, Δαμάσκιος. Mit Recht hält jedoch Diels an der von der guten Überlieferung gebotenen Form Δάμας fest; denn Δάμας ist ein echt griechischer, in der hellenischen Welt ziemlich verbreiteter Männername (vgl. Diels Note zu Simpl. a. O.). Erhalten hat sich aus Damas’ Schrift nur die eine Stelle bei SimpL a. O., die sich übrigens nicht auf E. selbst bezieht. In neuerer Zeit haben über Leben und Lehre des E. gehandelt A. Th. H. Fritzsche Eud. Rhod. Eth. (Regensburg 1851) Praef. XIIΙff. (gute Sammlung der antiken Zeugnisse über E. und Verzeichnis der homonymen Literaten). Brandis Handb. d. gr. röm. Philos. III 1 (1860), 215ff. 256ff. (für die Rekonstruktion der Doktrin des E. grundlegend). Zeller Philos. d. Griech. II3 2, 869ff. Die Fragmente der Werke des E. hat zusammengestellt L. Spengel Eud. Rhod. Peripat. fragm. (Berol. 1865; anastatischer Neudruck ebendaselbst 1870). Auf eine durchgreifende Bearbeitung des Textes der Bruchstücke hat sich Spengel nicht eingelassen. Mustergültig bearbeitet sind die zahlreichen Fragmente des E., die sich in Simplikios Comm. zu Arist. Phys. finden, von Diels in seiner Simplikiosausgabe Bd. I (Berlin 1882) und II (ebd. 1895). Keinen Fortschritt über Spengel hinaus bezeichnet trotz der hochtrabenden Versicherungen Mullachs Sammlung der Eudemischen Reste (Fragm. philos. Graec. III 222–292). Einige Ergänzungen zur Spengelschen Sammlung im folgenden suo loco.
B. Leben des Eudemos. Über E.s Familienverhältnisse und Lebensschicksale wissen wir nichts Genaueres. Fest steht eigentlich nur, daß er aus Rhodos gebürtig war (oft Εὔδημος ὁ Ῥόδιος genannt, namentlich zur Differenzierung von Namensvettern; Stellen bei Fritzsche XIV Anm. 3–5 (einen Bruder Namens Boethos hatte (Asklep. in Aristot. Metaph. 4. 21 Hayduck) und als junger Mann nach Athen kam, wo er sich dem großen Stagiriten anschloß. Sehr ansprechend ist Zellers Vermutung (869, 4), daß E. noch unter Theophrasts Schulleitung längere Zeit in Athen geblieben sei, da E.s Logik die persönliche Einwirkung Theophrasts verrate (Näheres hierüber weiter unten). Daß E. in späteren Jahren eine eigene Schule (doch wohl in Rhodos) eröffnete, ist an und für sich überaus wahrscheinlich und darf zudem auch aus Simplikios in Arist. Phys. 173 geschlossen werden. Welch angesehene Stellung er innerhalb des Aristotelischen Schülerkreises einnahm und welcher Wertschätzung er sich von Seiten des Meisters erfreute, zeigt sowohl die hübsche Anekdote bei Gellius XIII 5, die zwar nicht auf das ,Vero‘, aber auf das ,Ben trovato‘ Ansprüche erheben darf, und ganz besonders die durchaus glaubwürdige Nachricht (s. Asklepios in Arist. Metaph. 4. 9ff. Hayduck), Aristoteles habe dem E. seine Metaphysik zur Begutachtung vorgelegt und als dieser dieselbe für ungeeignet zur Publikation befunden, unediert gelassen. Später soll übrigens E. selber jenes Werk seines Lehrers veröffentlicht haben (E. Rohde [897] Kl. Schrift. II 441, 2). An unseren E. hat auch Aristoteles die gedankentiefe Elegie πρὸς Εὔδημον gerichtet, von der uns Olympiodoros in seinem Kommentar zu Platons Gorgias (ed. Alb. Jahn im Archiv f. Philol. u. Pädag. XIV [1848] 395; vgl. auch Bergk PLG II4 336. V. Rose Aristot. Pseud. 600; Aristot. frg.3 421) ein längeres Bruchstück aufbewahrt hat. Daß der Rhodier und nicht, wie man vielfach geglaubt, der Kyprier als Adressat des Gedichtes zu gelten hat, ist klar und scharf bewiesen worden von O. Immisch in seiner glänzenden Abhandlung ,Ein Gedicht des Aristoteles‘ (Philol. N. F. XIX 1ff.). Die neuere Literatur über das vielverhandelte Problem findet sich verzeichnet bei Immisch a. a. O. 2 Anm. 1. Von den Studiengenossen stand Theophrastos dem E. am nächsten. Wie es scheint, blieben beide Männer Zeit ihres Lebens durch treue Freundschaft verbunden. Jedenfalls bezieht sich die Mitteilung (s. Simplikios in Arist. Phys. 216), daß E. sich bei Theophrast nach der authentischen Fassung einer Reihe von Stellen der Aristotelischen Physik brieflich erkundigt habe, auf die Zeit nach seinem Weggang von Athen.
C. Schriftstellerei des Eudemos. Als Schriftsteller hat sich E. auf verschiedenen Gebieten betätigt, auf einigen sogar Grundlegendes geleistet. Seine Werke zerfallen ihrer Art nach in zwei scharf von einander zu trennende Klassen. Zu der einen gehören seine historischen Darstellungen einer Reihe von Wissenschaften. Diese Schriften verdanken ihre Entstehung der unmittelbaren Anregung des Aristoteles, insofern als sie Teile sind jenes von diesem ins Leben gerufenen Riesenwerkes, welches sich die Darstellung der Geschichte aller Wissenschaften zum Ziele setzte und an dem außer dem Meister bewährte Gehilfen, wie Theophrast, Menon u. a., mitarbeiteten (s. Diels Hermes XXVIII 408ff.). Die Schriften der ersten Klasse sind also von E. noch während seines Aufenthaltes in Athen abgefaßt oder doch wenigstens in Angriff genommen worden. Anders steht es mit den Hauptwerken der zweiten Gruppe. Diese besteht aus einer Anzahl von systematischen Schriften, die sich die Darlegung der peripatetischen Doktrin zur Aufgabe stellen. Es sind dies nicht eigentlich originelle Werke, sondern im wesentlichen nur Bearbeitungen aristotelischer Schriften, die innerhalb der peripatetischen Schule kanonische Geltung erlangt hatten. Diese Revision der bedeutendsten Aristotelischen Lehrbücher durch E. wird man am besten mit seiner eigenen Lehrtätigkeit in Verbindung bringen und mithin die Entstehung der Werke der zweiten Klasse in die Zeit verlegen, wo E. seine eigene Schule hatte (vgl. Zeller 145).
Zur ersten Klasse gehören nun folgende Werke: 1. Ἀριθμητικὴ ἱστορία, Geschichte der Arithmetik. Daraus erhalten ein Fragment (LXXXIII Sp.). Sie bestand aus mindestens zwei Büchern, da Porphyrios das erste Buch anführt. 2. Γεωμετρικὴ ἱστορία (so richtig zitiert von Eutokios [s. Archim. op. ed. Heiberg III 264, 18] und Simplikios Comm. in Arist. Phys. 60, 31 Diels; dagegen Γεωμετρικαὶ ἱστορίαι von Proklos Comm. in Eucl. El. I 352, 15 Friedlein), Geschichte der Geometrie, aus mindestens zwei Büchern bestehend, da Simplikios a. O. ἐν τῷ δευτέρῳ βιβλίῳ τῆς γ. ἱστ. [898] zitiert. Frg. LXXXIV–XCII Sp. Am wertvollsten für uns ist frg. LXXXIV, in welchem die Entwicklung der griechischen Geometrie bis auf Philippos, den Schüler Platons, in großen Zügen dargelegt wird. Der Text dieses Bruchstückes ist neubearbeitet in Friedleins Ausgabe von Proklos Comm. in prim. Eucl. El. libr. (Leipzig 1873) S. 64, 16–68, 6. Den griechischen Wortlaut des Fragmentes mit gegenüberstehender (meist gelungener) Übersetzung gab Bretschneider Geometrie und Geometer vor Euklides (Leipzig 1870) 27–30. Treffliche sachliche Erläuterung der revidierten Bretschneiderschen Übersetzung bei Cantor Vorles. üb. d. Gesch. d. Math. I2 (Leipzig 1894) 125ff. Weitere Literatur führt an Heiberg Philol. XLIII 330ff. Das schwierige Fragment XCII (über Antiphon und Hippokrates von Chios) haben besprochen Bretschneider a. O. 100ff. (wenig glücklich). Blass Jahrb. f. Philol. 1872, 27ff. Usener in der Vorrede zu Diels Simplikios I, XXIIIff. Tannery ebd. XXVIff.; Mémoires de la soc. des sciences de Bordeaux II. sér. V 167ff.; Géom. gr. (Paris 1887) 115ff.; und vor allen Dingen in ganz ausgezeichneter Weise Heiberg a. a. O. 339ff. Eine lebhafte Kontroverse besteht rücksichtlich der Art, wie die späteren Gelehrten, durch die wir von der γεωμετρικὴ ἱστορία nähere Kunde haben (Proklos, Eutokios, Simplikios), jenes Werk benutzten. Während Tannery in verschiedenen Abhandlungen (s. besonders Annal. de la fac. des lettr. de Bordeaux I [1882] 7ff. und Géom. gr. I 71ff.) die Hypothese zu begründen sucht, daß jene Spätlinge nicht aus dem Originalwerk des E. selbst, sondern aus einer daraus abgeleiteten Quelle schöpften – Proklos soll seine Kenntnis des E. dem Porphyrios und Geminos, dem Schüler des Poseidonios, Simplikios und Eutokios die ihrige dem Sporos verdanken –, vertritt Heiberg a. O. 345 meines Erachtens mit Fug die Ansicht, daß jene Kommentatoren des 5. bezw. 6. Jhdts., denen ja andere Werke des E. notorisch in der Originalbearbeitung vorlagen, die γεωμετρικὴ ἱστορία direkt benutzten. 3. Ἀστρολογικὴ ἱστορία (so zitiert von Simplikios Comm. in Aristot. De caelo p. 488, 19 Heiberg; ungenau Theon Smyrn. p. 198, 14 Hiller Ἀστρολογίαι, Diog. Laert. I 23 Ἡ περὶ τῶν ἀστρολογουμένων ἱστορία, Clem. Alex. I 14 Ἀστρολογικαὶ ἱστορίαι), Geschichte der Astronomie, in mindestens zwei Büchern, da Simplikios a. O. das zweite Buch erwähnt. Frg. XCIV-XCVIII Sp. Zu frg. XCIV (über die Schiefe der Ekliptik) vgl. Berger Gesch. d. wiss. Erdk. d. Gr. II 93. IV 19. Im allgemeinen s. Wolf Gesch. der Astron. (München 1877) 217. Berger a. O. III 60. Bouché-Leclercq Astrologie grecque (Paris 1899) 3, 3. 4. Eine Geschichte der Theologie. Daß frg. XCVII (= Damasc. 382 Kopp) einer solchen angehört, ist klar für jeden, der es einmal unbefangen durchgelesen hat (ganz verkehrt urteilt Spengel Praef. XII). Nun wird bei Diog. Laert. V 48 in dem Verzeichnisse der Werke des Theophrast eine Schrift τῶν περὶ τὸ θεῖον ἱστορία in sechs Büchern erwähnt. Um diese Tatsache voll zu würdigen, muß man sich die schöne Entdeckung Useners (Anal. Theophr. 17) vergegenwärtigen, daß durch irgend ein Versehen eine Reihe Eudemischer Schriften in den Katalog der Theophrastischen [899] Werke eingedrungen ist. Man wird unter Berücksichtigung dieser Tatsache Usener gern beipflichten, wenn er a. a. O. die Vermutung äußert, daß die bei Diog. Laert. dem Theophrast zugewiesene Schrift τῶν περὶ τὸ θεῖον ἱστορία identisch sei mit der von Damaskios benutzten Geschichte der Theologie des E. (vgl. Brandis 249 mit Anm. 69). Zum Inhalt des Fragments vgl. Susemihl Alex. Litt. I 375. 396. II 389. Die erhaltenen Reste der eben aufgeführten historischen Werke des E. reichen hin, um uns eine Vorstellung von den schriftstellerischen Absichten und der Darstellungsmanier unseres Peripatetikers zu geben. E. wollte die Entwicklung der von ihm behandelten Wissenschaften an der Hand der nach und nach gewonnenen Erkenntnisse aufzeigen. Nach echt peripatetischer Art spürte er dem τίς τὶ εὗρεν eifrig nach; die persönlichen Verhältnisse der Forscher haben für ihn nur ein sekundäres Interesse, im Vordergrunde stehen ihre Leistungen, soweit sie einen wissenschaftlichen Fortschritt darstellen. Eigentlich biographisches Material enthielten daher seine historischen Schriften so gut wie garnicht; nur chronologische Fixierungen, deren er ja für seine historische Behandlung des Stoffes nicht entraten konnte, fanden sich in größerer Menge vor. Vgl. Cantor Sur l'historiographie des mathématiques (Vortrag, Paris 1899) und Leo Griech.-röm. Biogr. (Leipzig 1901) 100. Die geschichtlichen Werke des E. waren das Resultat gewissenhaften, eindringlichen Studiums. Ihr Verlust ist daher nicht genug zu bedauern. Wegen ihrer Zuverlässigkeit und ihres stofflichen Reichtums wurden sie von den späteren Forschern hochgeschätzt, d. h. eifrigst ausgeschrieben. In besonders hohem Grade gilt dies von der Geschichte der mathematischen Wissenschaften. Man kann getrost behaupten, daß alles, was die späteren Schriftsteller über die älteren hellenischen Mathematiker und Astronomen zu berichten wissen, direkt oder indirekt der reichen Rüstkammer E.s entstammt. Es wäre eine schöne und lohnende Aufgabe, die Kommentare zu den klassischen Mathematikern und Astronomen der Griechen auf Eudemsiches Gut hin einmal gründlich zu untersuchen. Es sind da noch viele Schätze zu heben. Vgl. Spengel Praef. IXff.
Die zweite Gruppe der Eudemischen Schriften setzt sich aus folgenden Werken zusammen: 1. Φυσικά, Bearbeitung der Aristotelischen Physik, frg. I-LXXXII Sp. (übersehen hat Spengel die Stelle des Simplikios in Aristot. Phys. p. 7, 10ff. D.; über eine weitere Vermehrung des Bestandes s. Dyroff Demokritstudien [Leipzig 1899] 62). Fast alle Bruchstücke sind durch Simplikios erhalten, der selbst nur über ein lückenhaftes Exemplar der Schrift verfügte (s. Simplikios a. a. O. 133, 24 D.). Wie E. bei der Bearbeitung des Aristotelischen Textes verfuhr, darüber macht Simplikios schätzenswerte Andeutungen (s. Diels Index s. v. Εὔδημος) und geben die zahlreichen Fragmente erwünschten Aufschluß. Wie die letzteren zeigen, schloß sich E. dem Aristoteles aufs engste an und behielt, soweit als möglich, den Aristotelischen Wortlaut bei, so daß seine Φυσικά von den Späteren zur Entscheidung über verschiedene Lesarten der Hss. der Aristotelischen Physik herangezogen werden konnten (s. Simplikios a. O. 522, [900] 24 D.). Wo es ihm jedoch notwendig schien, besserte er im Ausdruck, gab zu knapp Gehaltenes in weiterer Fassung, kürzte zu breit Ausgeführtes, paraphrasierte schwierigere Stellen. Bedeutendere materielle Abweichungen von Aristoteles fanden sich bei ihm nicht vor (s. Simplikios a. O. 133, 21 D.). Die Notiz des Simplikios, daß sich E. von Theophrast die echte Fassung verschiedener Stellen der Aristotelischen Physik habe mitteilen lassen, ist bereits oben (S. 897) berührt worden. Aus den mit genauer Ursprungsangabe versehenen Zitaten des Simplikios ergibt sich, daß E. den Stoff der Aristotelischen Physik etwas anders gruppierte als sein Lehrer. Die Zusammenstellung bei Spengel Praef. VIII lehrt, daß das erste Buch der Eudemischen Physik Buch I und II, das zweite die Bücher III und VI, das dritte endlich Buch IV der Aristotelischen Schrift umfaßte. Vielleicht hat Spengel a. a. O. mit seiner Vermutung Recht, daß in Buch II des E. auch das fünfte Buch der Aristotelischen Physik untergebracht war, da ja Buch V und VI des Aristoteles aufs engste zusammengehören (vgl. Tannery Archiv f. Gesch. d. Philos. VII 227). Auf das III. Buch des E. folgte wohl noch ein IV., in welchem das VIII. und letzte Buch des Aristoteles bearbeitet war. Von Buch VII berichtet Simplikios a. O. 1036, 14 D. ausdrücklich, daß E. dasselbe als überflüssig weggelassen habe. Vgl. im allgemeinen Brandis 217ff. Zeller 871ff; Abh. Akad. Berl. 1877, 159ff. Speziell zu frg. VII vgl. Apelt Beitr. z. Gesch. d. griech. Philos. (Leipz. 1891) 90ff.; zu frg. XXII. Rohde Kl. Schrift. II 209ff. Über verschiedene Interpolationen des Aristotelischen Textes aus E.s Physik handelt Diels Abh. Akad. Berl. 1882, 36ff. 2. Ἠθικά, Bearbeitung der Aristotelischen Ethik. Sie bestand wahrscheinlich aus sieben Büchern, von denen indessen nur Buch I–III und VII erhalten sind. Über Reste der Bücher IV–VI vgl. Susemihl Eud. Rhod. Ethic. (Leipzig 1884) Praef. IXff. Die Eudemische Ethik verhält sich zu der Aristotelischen ähnlich wie E.s Physik zu der seines Meisters. Materiell befindet sich E. fast durchweg im Einklang mit Aristoteles. Auch formell schließt er sich ihm ziemlich eng an; doch fehlt es nicht an eigenen Zutaten des E.; diese bestehen in Erläuterungen schwierigerer Stellen, Ausführungen von Andeutungen des Aristoteles, hinzugefügten Beispielen u. dgl. mehr, s. Brandis 240ff. und Zeller 873ff. Daß unser E. der Verfasser der unter Aristoteles Namen überlieferten Ethica Eudemia ist, hat L. Spengel unumstößlich erwiesen in der berühmten Abhandlung Über die unter dem Namen des Aristoteles erhaltenen ethischen Schriften (Abh. Akad. Münch. III [1841] 534ff.). Augenblicklich maßgebend ist die Ausgabe von Susemihl (s. o.). In der Vorrede derselben findet sich die wichtigere neuere Literatur über den Gegenstand verzeichnet. Vgl. übrigens auch noch den Art. Aristoteles Bd. II S. 1050. 3. Ἀναλυτικά in mindestens zwei Büchern, da Alex. Aphr. in Arist. Topic. 131, 36 Wallies das erste Buch erwähnt. Dieses führte nach Alex. a. O. noch den Nebentitel Τὰ πρὸ τῶν ἀναλυτικῶν (so mit Wallies zu lesen statt der sinnlosen Überlieferung Τὰ ὑπὲρ τ. α.) analog der Bezeichnung Τὰ πρὸ τῶν τόπων, welche von einigen Kritikern für das erste [901] Buch der Aristotelischen sowie Theophrastischen Topik aufgebracht worden war (s. hierüber Brandis 279 und Wallies zu Alex. a. O.). Frg. XCIX–CXVI Sp. 4. Περὶ λέξεως. Da Alex. Aphr. in Arist. Met. 85, 10 Hayd. und Top. 69, 15 Wall. ἐν τοῖς περὶ λέξεως zitiert, muß das Werk aus mehreren Büchern bestanden haben. Frg. CXIII–CXVI Sp. Die Schrift handelte von den grammatischen und logischen Funktionen des Satzes und lehnte sich an Aristoteles Untersuchung Περὶ ἑρμηνείας an. Einen Kommentar zu derselben verfaßte Galenos in seiner Jugend, vgl. Περὶ τ. ἰδ. βιβλ. 118, 16 Müller (der mit Evidenz die anstößige Überlieferung τὰ δ' εἰς τὸ πρότερον λέξεως Εὐδήμου [nl. ὐπομνήματα] in τὰ δ' εἰς τὸ περὶ λέξεως Εὐδήμου bessert: s. seine Praef. LXXXV). Weitere logische Schriften des E. aus Philoponos (olim Ammon.) in Aristot. Categ. 7, 20 Busse zu erschließen, ist bei der unbestimmten Fassung der Stelle nicht ratsam. Die Reste der logischen Schriften E.s zeigen, daß derselbe in dieser Disziplin seinem Meister gegenüber einen freieren Standpunkt einnahm. Ebenso offensichtlich ist aber auch sein ungemein enger Anschluß an Theophrast. Näheres über E.s logische Doktrin und ihr Verhältnis zu Aristoteles und Theophrast bei Prantl Gesch. der Logik im Abendl. I (Leipzig 1855) 349ff. Brandis 256ff. Zeller 871ff. Den hohen wissenschaftlichen Wert der Eudemischen Lehrbücher lassen die erhaltenen Trümmer noch recht wohl erkennen. Am bedeutendsten war wohl seine Bearbeitung der Aristotelischen Physik. Simplikios, gewiß ein berufener Beurteiler, stellt unserem Peripatetiker (Comm. in Arist. Phys. 924, 18 Diels) das hohe Lob aus, er sei πάντων μᾶλλον τῶν ἐξηγητῶν τὴν τοῦ Ἀριστοτέλους γνώμην ἐπιστάμενος.
Eine Sonderstellung nimmt unter den Werken des E. ein die noch zu erwähnende rein mathematische Spezialuntersuchung Περὶ γωνίας (Über den Winkel). Erhalten hat sich daraus ein Fragment (XCIII Sp.), aus dem wir erfahren, daß E. den Winkel der Kategorie der Quantität subsumierte.
Nichts mit unserem Peripatetiker zu schaffen hat das zoologische Werk, das Aelian einem nicht näher bestimmten E. zuschreibt und aus dem er des öfteren in seiner Tiergeschichte Stücke mitteilt (III 20. IV 8. 45. 53. V 7). Wenn Appuleius apol. 36 den Rhodier E. unter die zoologischen Schriftsteller rechnet, so identifiziert er offenbar den Verfasser dieses Werkes mit dem homonymen Schüler des Aristoteles. Allein diese Identifizierung ist sicher falsch. Wie man aus den von Aelian mitgeteilten Proben ersehen kann, hatte jenes Werk die ausgesprochene Tendenz, darzulegen, welchen Scharfsinn und welche Intelligenz die Tiere besitzen. Die zu diesem Behufe erzählten Geschichten waren jedoch so über die Maßen albern und aberwitzig, daß es schlechterdings unmöglich ist, sich den ernstgerichteten, strengwissenschaftlichen E. von Rhodos als ihren Urheber vorzustellen (s. Spengel Eud. Rhod. frg. 172, 12 und Zeller 870 Anm.). Das Machwerk gehört frühestens der hellenistischen Periode an, vielleicht ist es sogar erst in dem 1. Jhdt. der römischen Kaiserzeit entstanden, wo man an derartigen Produktionen Geschmack und Genuß hatte.
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Eudemos
11) E. von Rhodos, Peripatetiker im 4. Jh. v. Chr. S XI.