Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Neuplatoniker
Band IV,2 (1901) S. 20392042
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2) Neuplatoniker und letzter διάδοχος Πλατωνικός. Er stammte aus Damaskos (Simpl. phys. 624, 38. Phot. cod. 181 p. 125 b 30. Vit. Isid. 200, vgl. 76. 115) und ging frühzeitig nach Alexandreia, wo er drei Jahre lang bei Theon (den er bei Suid. s. v. Vit. Isid. 62 nicht sehr günstig beurteilt) Rhetorik studierte, dann neun Jahre eine Rhetorenschule leitete (Phot. 126 b 40. Vit. Isid. 201. 295; vgl. Suid. s. Αἰδεσία). Später wendete er sich der Philosophie zu und hörte in Alexandreia Isidoros, Ammonios und vielleicht auch des letzteren Bruder Heliodoros, in Athen Marinos und Zenodotos (Phot. a. a. O. Suid. s. Ἑρμείας), kehrte aber dann wieder nach Alexandreia zurück (Suid. s. Γρηγόριος). Dort wird er als Lehrer der Philosophie thätig gewesen sein, bis er – vielleicht als Hegias Nachfolger – auf den athenischen Lehrstuhl berufen wurde (διάδοχος nennt ihn die Überschrift zu π. ἀρχῶν und die Unterschrift der ἀπορίαι zum Parmenides). Als Iustinian im J. 529 die Schule von Athen aufhob, verlor er diese Stellung, und da auch der Übertritt aller Heiden zum Christentum verlangt wurde, so ging er 531 mit sechs Gesinnungsgenossen an den Hof des Chosroes von Persien und erreichte, dass dieser ihnen zwei Jahre später in seinem Frieden mit Iustinian ungestörte Übung ihres Glaubens erwirkte; darauf kehrte er in das römische Reich zurück (Agath. II 30f. Malal. p. 451 D. Zeller V³ 849ff. Schück Jahrb. f. Philol. CXXVI 426ff.). Da er erst nach Proklos Tode (485) nach Athen gekommen zu sein scheint und damals mindestens 27 Jahre alt gewesen ist, so kommt man [2040] etwa auf 458 als Geburtsjahr (kurzer Artikel des Suid. Kopp Praef. Vff.). Als Philosoph steht er ganz auf den Schultern des Proklos, an dessen kunstvoll aufgebautem System er nur wenige Einzelheiten zu verschieben wagt; doch hat er eine noch stärkere Neigung zu Mystik und Wunderglauben (er beurteilt seine Genossen nach ihrer Begabung für Ekstasen u. dgl.: V. Isid. 12. 126 u. ö.) und ist in die Praxis des Aberglaubens seiner Kreise tief verstrickt gewesen (Vit. Isid. 93. 131. 148. 203. 211), daher wohl seine ‚Sympathie für Iamblichos‘ (Simpl. in phys. 795, 15). Schriften: 1. βίος Ἰσιδώρου, eine ausführliche Biographie seines καθηγεμών, uns bekannt durch ein treffliches Referat (cod. 181) und Auszüge (cod. 242) des Photios und zahlreiche Artikel des Suidas (Reconstruction wünschenswert). D. folgte der Sitte der platonischen Schule, wenn er seinem Lehrer ein biographisches Denkmal setzte; aber da er sich von seinem Temperament hinreissen liess, so entstand statt einer von der obligaten Bewunderung getragenen Biographie ein umfangreiches Werk von stark subjectiver Färbung, in dem von allen nur halbwegs bedeutenden Vertretern des Heidentums, welche der Generation Isidors angehörten, scharf gezeichnete litterarische Porträts entworfen waren. Der Schatten war dabei ebenso reichlich verteilt wie das Licht, was schon Photios bemerkt hat, selbst an Isidoros allerlei ausgesetzt. Die Tendenz war entschieden antichristlich, und es fehlte nicht an heftigen Ausfällen (§ 127. 290. Phot. 126 a 13. Suid. s. Ἡγίας. Ὑπατία). D. suchte zu zeigen, dass es auch auf heidnischer Seite Askese, Wohlthätigkeit, Wunderkraft gebe (vgl. z. B. die Wunderzeichen an Heraiskos Leichnam § 107); die Versuche zur Wiederaufrichtung des Heidentums und die dabei beteiligten Personen (Severianos, Illus, Markellinos, Pamprepios u. a.) waren besonders ausführlich geschildert (§ 290 und Suid. s. v.). Das ging nicht ohne viele Excurse ab, und Photios bezeugt, dass er sich Abschweifungen im Übermass gestattete (vgl. 159. 175. 306). Auch sonst war die Form nicht erfreulich: man merkt es dem früheren Rhetor an, wie froh er ist, einmal nicht in die engen Fesseln proklianischer Terminologie gebunden zu sein und sich seiner Neigung zum Schwulst hingeben zu können; Photios (der ihn heimlich bewundert, § 230) tadelt mit Recht die περιβολή und καινοπρέπεια seines Stiles. Verfasst war die Schrift vor 526 (§ 64 heisst es von Theoderich: ὃς νῦν τὸ μέγιστον ἔχει κράτος Ἰταλίας πάσης), gewidmet einer hochgebildeten Heidin Theodora, die Isidoros und D.s Schülerin war. Die Excerpte des Photios herausgegeben von Westermann hinter Cobets Diogenes. 2. Sammlung von Wundergeschichten in vier Büchern, uns nur bekannt durch die kurze Notiz des Photios cod. 130. Darnach handelte Buch I in 352 Capiteln über παράδοξα ποιήματα (?), II in 52 Capiteln über Daemonen, III in 63 Capiteln über Erscheinungen Verstorbener, IV in 105 Capiteln über παράδοξοι φύσεις. Photios lobt den Stil als knapp und durchsichtig: von dem Inhalt können wir uns nach manchen Partien des βίος Ἰσιδώρου einen Begriff machen (§ 9 vgl. 64. 233. § 92ff. 69. 191 u. a.). Dass Antonius Diogenes benutzt war, wie Phot. cod. 166 p. 111 b [2041] 35 behauptet, wäre dem D. zuzutrauen. 3. Ein Grabepigramm Δαμασκίου φιλοσόφου Anth. Pal. VII 553 auf eine Sclavin. 4. ἀπορίαι καὶ λύσεις περὶ τῶν πρώτων ἀρχῶν, erhalten (ohne den Schluss) in Cod. Marc. gr. 246 saec. IX/X. Mit haarspaltender Dialektik zergliedert D. die Begriffe der obersten Principien (vgl. 38, 27) des ἀπόρρητον, ἕν und νοητόν (ὄν, ἡνωμένον) nach allen Seiten, ohne in irgend einem wesentlichen Punkte über Proklos hinauszukommen. Wie auch auf solche spinösen Untersuchungen die Mystik einwirkt, zeigt I 137, 7: ὥς μοί τις ἐδήλου καὶ ὄνειρος τοῦτο εἶναι λέγων τὸ ὄν, ὃ ἑκάστου ἐστὶ τὸ ἐνεργείᾳ, vgl. 142, 21. Ausgabe von Kopp Frankfurt 1826 (nach einer abgeleiteten Hs.); von Ruelle Paris 1889 (unzulänglich, vgl. Gött. Gel. Anz. 1892, 111ff.; Philol. LIII 424). Übersetzt von Chaignet Paris 1898. 5. περὶ ἀριθμοῦ καὶ τόπου καὶ χρόνου, angeführt von Simpl. in phys. 774. 28 (einzeln περὶ τόπου 644, 25, vgl. 625, 4, und περὶ χρόνου 800, 20), vielleicht von ihm selbst mit ἐν ἄλλοις I 265, 19 citiert, wohl zum Teil eine Weiterbildung der von Proklos περὶ τόπου entwickelten Gedanken. 6. εἰς τὸν Πλάτωνος Παρμενίδην ἀπορίαι καὶ ἐπιλύσεις ἀντιπαρατεινόμεναι τοῖς εἰς αὐτὸν ὑπομνήμασιν τοῦ φιλοσόφου (Πρόκλου ergänzt Heitz S. 27 ohne Not, vgl. z. B. Vit. Isid. 8. 20), erhalten im Cod. Marcian. 246 ohne den Anfang (nur ein Quaternio scheint verloren), eine schon dem Titel nach epigonenhafte Arbeit. Da uns Proklos Erklärung nur bis zum Schlusse der ersten Hypothesis erhalten ist, D.s ἀπορίαι aber jetzt wenigstens erst mit der zweiten einsetzen, so ist eine Vergleichung nicht möglich. Dass die Schrift nur der zweite Teil von περὶ ἀρχῶν sei, hat Ruelle wiederholt behauptet (zuletzt Arch. f. Gesch. d. Phil. III 380ff.), aber alle äusseren und inneren Gründe sprechen dagegen. Erste Ausgabe von Ruelle, Übersetzung von Chaignet (s. o.). 7. Einen Commentar zum Timaios citiert er selbst in nr. 6 II 216, 16. 236, 13. 252, 11. 269, 1. 16, vielleicht auch 251, 22; es braucht aber nicht notwendig ein herausgegebener Commentar, sondern es können Vorlesungen gemeint sein. 8. Einen Commentar zum ersten Alkibiades oder eine ähnliche Schrift wie nr. 7 hat Olympiodor vor Augen gehabt, der fünfmal (S. 4. 5. 9; 91. 95; 106; 126; 135 Creuzer) einen Widerspruch zwischen Proklos und D. constatiert. 9. Dasselbe gilt vom Phaidon; hier macht Olympiodor zweimal eine solche Bemerkung (S. 22, 22. 39, 18 Finckh) 10. Vorlesungen über die chaldaeischen Orakel erwähnt D. in nr. 6 als bevorstehend (II 9, 21. 11, 11. 132, 9 ἀλλὰ γὰρ τοῦτο μὲν εἰς τὰς Χαλδαϊκὰς ἀναβάλλομαι συνουσίας); ob er sie auch herausgegeben hat, wissen wir nicht. 11. Das erste Buch von Simplikios Commentar zu Aristoteles περὶ οὐρανοῦ wird in den Hss. ziemlich übereinstimmend dem D. beigelegt (Heiberg praef. IX n. 1). Da aber der Stil der des Simplikios und nicht des D. ist, so wird man annehmen müssen, dass Simplikios für das erste Buch Materialien oder Gedanken seines Lehrers benutzte. 12. Philoponos im Commentar zur Meteorologie f. 86 b und 104 b Ald. (vgl. Ideler Arist. met. I 217ff.) führt Ansichten des D. über die Sonnenwärme und die Milchstrasse an, die [2042] eher in den παράδοξα (nr. 2) als in einem Commentar gestanden haben werden. Andere Schriften des D., deren Existenz man behauptet hat, sind gefälscht oder nicht vorhanden. Vgl. Zeller V³ 837ff. Heitz Strassb. Abh. f. Zeller 1ff.