Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Sterndeutung
Band II,2 (1896) S. 18021828
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Astrologie (ἀστρολογία, ἀστρομαντεία, ἀστροσκοπία, γενεθλιακή, γενεθλιαλογία, μαθηματική, Χαλδαϊκή, ὡρονομική, ὡροσκοπική; astrologia, ars Chaldaeorum, mathematice, mathesis, scientia sideralis), die Sterndeutung, Wissenschaft vom Einfluss der Gestirne auf das Leben der Erde und der Menschen. ,Die Lehre von den Sternen‘, sagt Ptolemaios (tetrabiblos I praef.), ,zerfällt in zwei Teile: 1) καθ’ ὃ τοὺς γενομένους ἑκάστοτε σχηματισμοὺς τῶν κινήσεων ἡλίου καὶ σελήνης καὶ τῶν ἀστέρων πρὸς ἀλλήλους τε καὶ τὴν γῆν καταλαμβανόμεθα, 2) καθ’ ὃ διὰ τῆς φυσικῆς τῶν σχηματισμῶν αὐτῶν ἰδιοτροπίας τὰς ἀποτελουμένας μεταβολὰς τῶν ἐμπεριεχομένων ἐπισκεπτόμεθα; das heisst in Astronomie und A. Diese hat ihrerseits wieder zwei Teile: 1) τὸ καθολικόν, τὸ λαμβανόμενον καθ’ ὅλα ἔθνη καὶ χώρας καὶ πόλεις (tetrabiblos II praef.); 2) τὸ εἰδικώτερον oder γενεθλιαλογικόν im engeren Sinn, τὸ καθ’ ἕνα ἕκαστον τῶν ἀνθρώπων (ebd.). Auch diese Teile werden dann noch weiter zerlegt, indem 1 sich gliedert in: a) τὸ κατὰ χώρας ὅλας und κατὰ μείζους καὶ περιοδικωτέρας περιστάσεις, wie Krieg, Pest, Erdbeben, Überschwemmung, und b) τὸ κατὰ χώρας καὶ κατὰ πόλεις und καθ’ ἐλάττους καὶ μικροτέρας περιστάσεις, wie den Wandel der Jahreszeiten, κατὰ τὸ μᾶλλον καὶ ἧττον, Anschwellen und Abnahme von Hitze, Kälte, Sturm, Fruchtbarkeit, Unfruchtbarkeit (ebd.). 2 seinerseits zerfällt in: a) τὰ καθόλου τῆς συγκρίσεως ἰδιώματα (Geburt, Eltern, Brüder, Lebenszeit, leibliche und seelische Beschaffenheit, tetrabiblos III praef.) und b) τὰ κατὰ καιροὺς παρὰ τὸ ἧττον καὶ μᾶλλον συμβησόμενα (ebd.) oder τὰ κατὰ τὸ ἐκτὸς συμβησόμενα (tetrabiblos IV praef.; Vermögen, Beruf, Ehe, Kinder, Freunde u. s. w.). Dabei kommen nicht [1803] alle Sterne des Himmels in Betracht. Vielmehr beschränkt sich die A. vornehmlich auf die Planeten, zu denen als Herren des Alls die beiden grossen Leuchten (τὰ φῶτα, οἱ φωστῆρες) treten, und auf die scheinbar von ihnen durchmessene Bahn, den Kreis der zwölf Tierzeichen (ὁ ζωδιακός sc. κύκλος). Die anderen Fixsterne werden wenig berücksichtigt. Sie haben zwar Anteil an der Natur der Planeten und dem entsprechend an der von diesen geübten Wirksamkeit, aber dieser Anteil ist nur gering. Auch auf die natürlichen Formen der Constellationen nimmt die A. wenig Rücksicht. Für sie sind, ebenso wie in der Astronomie, die zwölf Zodiakalzeichen gleich gross, je 30°. Die Kugelgestalt der Erde und die dadurch bedingte Verschiedenheit der Himmelserscheinungen durfte natürlich nicht ausser acht gelassen werden. Man teilte deshalb, wie auch die Astronomen thaten, die οἰκουμένη der Breite nach in eine Anzahl Gürtel oder κλίματα, die nach den Hauptstädten hiessen, durch die die Breitengrade gelegt waren (z. B. δι’ Ἀλεξανδρείας, διὰ Ῥόδου, διὰ Βυζαντίου). Meist nahm man deren sieben an. In jedem κλίμα ist die Aufgangszeit der Zodiakalzeichen und damit die durch sie bedingte höchste Lebensdauer der Menschen eine andere (Plin. n. h. VII 160ff.). Es wirken nun bei den grossen Veränderungen vor allem Sonne und Mond, die man wegen ihrer besonders auffallenden Einflüsse als die Herren des Alls ansah, und zwar vorzüglich durch ihre Verfinsterungen. Diese beeinflussen dann die verschiedenen Länder verschieden, je nach dem Tierkreiszeichen, in dem sie sich ereignen. Man teilte die Erde nämlich nicht nur in sieben Breitengürtel, sondern auch in vier Dreiecke, indem man sich anscheinend die ganze οἰκουμένη als ein Parallelogramm dachte und in diesem die Diagonalen zog. Diese Dreiecke standen unter der

Herrschaft je dreier Tierkreiszeichen, je nach den Himmelsgegenden (nördliches, südliches u. s. w. Dreieck). Jedes Dreieck wieder zerfiel in zwei Teile, einen äusseren nach den Rändern der οἰκουμένη hin und einen inneren am Schnittpunkt der Diagonalen. Jeweils die inneren Teile standen auch noch mit unter dem Einfluss des entgegengesetzten Dreiecks (tetrab. II c. περὶ τῆς τῶν χωρῶν πρὸς τὰ τρίγωνα καὶ τοὺς ἀστέρας συνοικειώσεως). Es hatte also jedes Zodiakalzeichen eine Reihe Länder unter sich, und speciell auf diese erstreckte sich auch die Vorbedeutung der Finsternis. Das Gleiche, wie von Sonne und Mond, glaubte man auch vom Erscheinen der Kometen. Da man ferner noch auf die Grösse der Finsternis achten musste, auf die Himmelsgegend, in der sie eintrat, und auf die sie begleitenden Farbenerscheinungen, so entstand eine schöne Mannigfaltigkeit der Vorhersagungen, wie sie dieser ,rationellsten‘ aller Wissenschaften nur angenehm sein konnte. Nach der Meinung der Astrologen war dieser Teil der Lehre am wichtigsten ὑποπιπτουσῶν ἀεὶ τῶν ἀσθενεστέρων φύσεων ταῖς δυνατωτέραις καὶ τῶν κατὰ μέρος ταῖς καθόλου (tetrab. II praef.), in Wahrheit gestaltete sich aber die Sache natürlich so, dass die Vorhersagung in Bezug auf den einzelnen Menschen das [1804] Wichtigste wurde. Zu diesem Zweck teilte man die Planeten in gute (Iuppiter, Venus) und schlechte (Saturn, Mars), während Mercur ἐπίκοινος war, d. h. er nahm die Natur desjenigen Planeten an, zu dem er in Beziehung trat. Sie zerfielen ferner in Tagessterne (Sonne, Saturn, Iuppiter) und Nachtsterne (Mond, Mars, Venus] – Mercur war wieder κοινός –, und in männliche (Saturn, Iuppiter, Mars, Sonne) und weibliche (Mond, Venus); beiden Naturen passte sich wieder Mercur an. Ebenso teilte man die Zodiakalzeichen in männliche und weibliche, tägliche und nächtliche u. s. w. (bequeme Zusammenstellung bei Ludwich Maximus et Ammon 105f.) ein, ferner verband man sie zu Dreiecken (die Sehnen zu einem Bogen von 120°), Vierecken (90°) und Sechsecken (60°) und bezog auch die um 180° abstehenden aufeinander (διάμετρα ζώδια). Daher rühren die Ausdrücke unserer Almanache Gegenschein, Gedrittschein, Geviertschein, Sechstelschein. Gedrittschein und Sechstelschein galten für günstig, die beiden andern für gefährlich. Je nachdem die Planeten darin standen, nahmen auch sie daran teil, so dass die Macht der guten (ἀγαθοποιοί) in den guten Stellungen grösser, in den schlechten geringer wurde. Das Umgekehrte galt von den bösen Planeten (κακοποιοί). Die Planeten hatten ausserdem bestimmte Zeichen als Häuser (οἶκοι, domicilia) zugewiesen bekommen, andere galten als ihre Erhebungen (ὑψώματα, altitudines) oder Demütigungen (ταπεινώματα, deiectiones). Ferner herrschten sie, mit Ausnahme von Sonne und Mond, in jedem Zeichen über eine Anzahl Grade ὅρια, fines). Zudem zerfiel jedes Tierkreiszeichen wieder in drei Teile zu je 10°, die sog. Dekane, die ihrerseits den einzelnen Planeten zugewiesen waren, und in zwölf Teile von je 2½° δωδεκατημόρια, die selber verschiedenen Geschlechtes und verschiedener Wirksamkeit waren. Alle diese Unterschiede musste man kennen, ehe man daran gehen konnte, dem Menschen das Horoskop zu stellen, durch das sein Schicksal bestimmt wurde. Zu diesem Zweck nahm man auf dem Tierkreis vier Punkte an, den aufgehenden (ἀνατέλλων, ἀνατολή, oriens, ortus), den untergehenden (δύνων, δύσις, occasus), den culminierenden (μεσουρανῶν, μεσουράνημα, medium caelum), den tiefsten Punkt (ἀντιμεσουρανῶν, ἀντιμεσουράνημα, ὑπόγειον, imum caelum). Diese vier Hauptpunkte (κέντρα, cardines) und die an ihnen stehenden Planeten hatten grössere Stärke als alle andern und kamen daher für die Voraussagung am meisten in Betracht. Vor allen überwog die Macht des ἀνατέλλων so sehr, dass das Wort ὡροσκόπος und das davon gebildete, ursprünglich transitive, Verbum ὡροσκοπεῖν geradezu die Bedeutung ,Aufgang, aufgehen‘ im astrologischen Sinn angenommen haben. Die andern acht Himmelshäuser, die noch blieben – man rechnete nämlich vom aufgehenden Zeichen über ὑπόγειον und μεσουράνημα zwölf Häuser (τόποι, loca, stationes) – hatten ebenfalls jedes seine bestimmte Bedeutung für Leben oder Tod des Menschen und standen in glück- oder unglückbringender Beziehung zu den κέντρα. Um nun aus dem gestellten Horoskop (θέμα, διατιθέναι) zu weissagen, erforschte man zuerst τὰ πρὸ τῆς γενέσεως (Eltern), dann τὰ πρὸ τῆς γενέσεως καὶ μετὰ τὴν γένεσιν (Geschwister), drittens τὰ κατ’ αὐτὴν τὴν [1805] γένεσιν (ob Knabe oder Mädchen, Zwillings-, Miss-Geburt [τέρας], oder lebensunfähig [ἄτροφος]), endlich τὰ μετὰ τὴν γένεσιν (Lebenszeit, Körper und seine Schäden, Seele und ihre πάθη, Vermögen, Stand, Gewerbe, Heirat, Kinder, Freunde, Reise, Tod): tetrabibl. III c. διαίρεσις γενεθλιαλογική. Ein Horoskop vollständig auszurechnen, war natürlich eine ganz verwickelte Geschichte, da alle Teile des Tierkreises und alle Planeten gleichmässig in Betracht zu ziehen waren, und man doch zum Beispiel niemanden prophezeien durfte, er werde den Tod in der Schlacht finden, wenn ihm von anderer Seite bestimmt war, nach der Geburt ausgesetzt zu werden. Eben diese Schwierigkeit benützten freilich die Astrologen sehr geschickt, um sich gegen die Angriffe ihrer Gegner zu verteidigen, indem sie das Nichteintreffen ihrer Verkündigungen auf Fehler in der Berechnung schoben. Dies mag genügen, um einen Überblick über das astrologische System zu geben. Die vorstehende Skizze beruht im wesentlichen auf Ptolemaios, dessen τετράβιβλος σύνταξις in Hinsicht auf methodische Durchdringung und Disposition des Stoffes den Höhepunkt der antiken A. gebildet hat, und wie seine Geographie und Astronomie, für das Mittelalter und weiter bis zum Erlöschen der A. massgebend geblieben ist (vgl. u. S. 1823). Daneben gab es zahllose andere Systeme, die freilich in der Hauptsache alle auf gleicher Grundlage beruhen. Indes war die A. keineswegs eine so unveränderliche Wissenschaft, wie man wohl geglaubt hat.

Litteratur: Uhlemann Grundzüge der Astronomie und Astrologie der Alten, Leipzig 1857. Bouché-Leclercq Histoire de la divination I 212–245. Häbler A. im Altertum, Programm Zwickau 1887. Mayer Handbuch der Astrologie, Berlin 1891 (unbrauchbare Compilation zu praktischen Zwecken!).

Geschichte der Astrologie. Dass die A. ursprünglich eine fremde Wissenschaft gewesen und zu den Griechen von auswärts gekommen ist, haben diese selbst stets offen anerkannt. Als ihre Erfinder werden uns die Ägypter und Chaldaeer genannt, und diese Angabe kann man gar nicht bezweifeln. Nur schwankte die Meinung der Griechen, in welchem Lande die A. älter sei. Seit Ägyptologie und Assyriologie es ermöglicht haben, selbständig darüber zu urteilen, scheint die Frage zu Gunsten der Chaldaeer erledigt zu sein. Zwar Lepsius (Chronologie der Ägypter I) und H. Brugsch (Ägyptologie 317ff.) nehmen auch für die ägyptische A. ein sehr hohes Alter in Anspruch, aber Wiedemann spricht sich darüber sehr skeptisch aus (Geschichte Ägyptens I 64; vgl. Herodots zweites Buch S. 340f.; noch ungünstiger urteilt Hommel Ausland 1891, 221. 382). Andererseits haben die babylonischen Funde und ihre neuesten Bearbeitungen (Epping-Strassmaier Astronomisches aus Babylon. Jensen Kosmologie; vgl. Deutsche Revue 1890, 3, 112ff. Brown Proceedings Bibl. Archaeol. XII. XIII. XIV. Hommel Ausland 1891. 1892; ZDMG XLV 592ff.) gezeigt, in wie hohe Zeiten Astronomie und A. in Mesopotamien hinaufreichen. Uns geht hier zunächst nur der Nachweis an, dass die Tierkreiszeichen und die Planeten aufs engste mit den religiösen Anschauungen jener Stämme [1806] zusammenhängen. Denn in der That ist die A., wie schon ihre antiken Bestreiter sahen, nur da möglich, wo man in den Gestirnen Götter sieht. Dies steht aber für die Chaldaeer unleugbar fest. Nicht nur ist der Stern das Ideogramm für Gott (Thiele Babylonisch-assyrische Geschichte II 538, 4), sondern es standen auch die vornehmsten Götter mit den Planeten in Verbindung, andere mit Fixsternen und Sternbildern, in denen man sie incorporiert glaubte (Tiele a. a. O. 552. Ausland 1891, 382). Der religiöse Hintergrund der Zodiakalzeichen ist erst jüngst überzeugend nachgewiesen worden (Jensen a. a. O. Hommel a. a. O. 1891, 223. 226. 272. 403–406). Natürlich dürfen wir für diese ältesten Zeiten kein entwickeltes System voraussetzen. In der That zeigt das Wenige, was von der babylonischen A. veröffentlicht ist, die einfachsten Verhältnisse. Nämlich in der Bibliothek König Assurbanipals (668–626: Tiele a. a. O. II 369), die er nach dem Beispiel seiner Vorgänger (ebd. 403) in Ninive zusammenbrachte, fand sich unter anderen ähnlichen Sachen (Zusammenstellung der astronomisch-astrologischen Litteratur in Keilschrift bei Bezold Kurzgefasster Überblick § 115 b; vgl. Gruppe Kulte I 341ff.) ein mehr als 70 Tafeln umfassendes Werk des Titels Namar-Bili ,Licht, Erleuchtung Bels‘ oder Enu-Bili ,Auge Bels‘. Es war ursprünglich für die Bibliothek Sargons I. (Ende des dritten Jahrtausends, Tiele a. a. O. I 113) verfasst (Transactions of the Society of Biblical Archaeology III 150) und enthält sowohl rein astronomische Beobachtungen und Berechnungen (darüber zuletzt Epping a. a. O.) von Mond- und Sonnenfinsternissen, als auch astrologische Vorhersagungen. Soviel die übersetzten Reste (Transact. Bibl. Arch. III 145ff. Häbler A. im Altertum 7) zu schliessen gestatten, sind es durchweg recht allgemein gehaltene Prophezeiungen; z. B. ,wenn der Bärenstern wiederkehrt, ist Unglück im Land; wenn der Stern Šāsi, Überschwemmung während des Monats....; Iuppiter (? die Sternnamen sind in dieser Übersetzung grösstenteils falsch, Strassmaier a. a. O. 172f. Ausland 1891, 382ff.) geht auf. Sein Körper ist hell wie der Tag; in seinem Körper wie die Klinge eines doppelten Schwertes; es bildet einen Schwanz. Dies Omen ist günstig, es freut sich der Herr des Hauses und das Land; Venus und Mars stehen in Opposition zum Mercur: der König von Akkad lebt lange und die Ähren des Landes blühn.‘ Leider ist dem Nichtassyriologen diese wichtige Quelle so gut wie verschlossen, da a. a. O. nur weniges übersetzt ist und diese Übersetzung selbst durchaus nicht unanfechtbar sein soll. Jedenfalls, so müssen wir mit Häbler (a. a. O. 8) sagen, war es ein weiter Weg von hier bis zu den fein ausgebildeten Systemen der Astrologen späterer Zeiten. Indes scheint diese Entwicklung in Babylon selbst vor sich gegangen zu sein. So besitzen wir vom 28. Februar des J. 142 v. Chr. folgendes Horoskop (Ztschr. für Assyriologie IV 169): Im Anfang der Nacht (sah man) den Mond, davor Šur narkabti gen Norden in einer Entfernung von einer Elle. Des Morgens ein Knäblein geboren unter seinem Zeichen: Mond Anfang der Zwillinge, Sonne in den Fischen, Iuppiter in der Wage, Venus Mars im Steinbock, Saturn im Löwen. Freilich kann ich nicht beurteilen [1807] ob wir in dieser Zeit nicht schon griechische Rückwirkung annehmen dürfen (über ein astrologisches Lehrbuch von Borsippa – 138 v. Chr. s. Ztschr. für Assyriologie VI 228). Neben diesen keilschriftlichen Resten kommt natürlich die Überlieferung der Alten um so mehr erst secundär in Betracht, als die Späteren die A. überhaupt als Χαλδαϊκή zu bezeichnen gewohnt waren und deshalb unbedenklich alle möglichen Lehren auf die Chaldaeer übertrugen (dagegen wird protestiert bei Cic. de div. I 2: Chaldaei non ex artis sed ex gentis vocabulo nominati). Doch urteilt Hommel (a. a. O. 221) sehr günstig über unseren hauptsächlichen Berichterstatter Diodoros. Dieser erzählt im wesentlichen folgendes (II 30f.): ,Nach der Meinung der Chaldaeer geschehen alle Vorgänge am Himmel nach Götterwillen und man kann nach langer Beobachtung aus den Sternen vieles vorhersagen, nicht nur über Weltveränderungen im allgemeinen, sondern auch über das Geschick einzelner Personen. Die Hauptträger der Vorbedeutungen sind die fünf Planeten, die ἑρμηνεῖς heissen als Verkünder des göttlichen Willens (diese erkennt Hommel Ausland 1891, 401 wieder im Namen des aus der Zeit Nebukadnezars stammenden Nebotempels bei Borsippa: Bêt-ur-sibitti shamê u irciti = Haus der sieben Verkünder des Himmels und der Erden; vgl. auch Dilbat [Δελέφατ Hesychios] ,Verkünderin‘ = Venus ebd. 382). Unter ihnen ragt besonders Saturn hervor, den die Chaldaeer Stern der Sonne nennen (über den solaren Charakter aller Planeten s. Hommel Ausland 1891, 383). Durch ihren Auf- und Untergang und ihre Farbe (vgl. die Planetenfarben der sieben Stufen des erwähnten Nebotempels. Journal of the R. Asiatic Society XVIII 1860, 8. Ausland 1891, 385; dazu stimmt genau Vettius Valens VI 3 ,über die Farben von Sonne, Mond und den fünf Planeten‘) weissagen sie Wind, Regen, Hitze, Erscheinen von Kometen, Sonnen- und Mondfinsternisse (? verderbt; wohl durch flüchtiges Excerpieren), Erdbeben u. s. w. Unter ihnen stehen die dreissig Sterne der βούλαιοι θεοί (Ausland 1891, 221 ändert Hommel [nach Lepsius Vorgang: Chronologie I 97] 36, vgl. aber Brown Proc. Bibl. Arch. XII 137f. 180f., und erklärt sie für die Dekane, die wirklich in Babylon vorkommen, ZDMG XLV 608; vgl. 612 und Ausland 1892, 101ff.!). Von diesen befindet sich die Hälfte über, die Hälfte unter der Erde, und sie ἐφορῶσι τοὺς τόπους, ἐπισκοποῦντες ἅμα καὶ τὰ κατὰ τὸν οὐρανὸν συμβαίνοντα. Alle zehn Tage geht von ihnen je ein Stern als Bote zur entgegengesetzten Hälfte. Über diese Götter nun herrschen zwölf Herren, deren jedem ein Monat und ein ζώδιον des Tierkreises gehört (Beziehung der Monatsnamen zum Tierkreis Ausland 1891, 223. Brown a. a. O. XIII 246f. Miss Plunkett ebd. XIV 112f.). Durch diese wandeln in bestimmten Umlaufszeiten (vgl. Ztschr. für Assyriologie V 342; den dort angegebenen stehen die von den alten Astrologen überlieferten Zeiten oft sehr nahe, während die Angaben der Astronomen davon sehr abweichen) Sonne, Mond und die Planeten. Ausser den Sternbildern des Zodiakos giebt es noch zwölf Nord- und zwölf Südsterne, von denen die sichtbaren den Lebenden, die unsichtbaren den Toten gehören und die die δικασταὶ τῶν ὅλων sind [1808] (von Hommel ZDMG XLV 608. 612; Ausland 1892, 101ff. den Mondstationen gleichgesetzt)‘.

Neben dieser Darlegung des chaldaeischen Systems besitzen wir nur wenige verstreute Nachrichten, die Glauben verdienen. So scheinen sich die Angaben Strabons (XVI 738) über die verschiedenen Schulen der Chaldaeer durch die Ausgrabungen zu bestätigen (Hommel Geschichte 211; Semit. Sprachen I 224; vgl. hiermit auch die merkwürdige Scheidung in Χαλδαῖος und Βαβυλώνιος bei Vettius Valens cod. Oxon. Seld. XXII f. 171 c). Andere sehr bestimmt auftretende Nachrichten dagegen erweisen sich neuerdings als Irrtümer. So die Überlieferung, deren man sich bis in die letzte Zeit als Unterscheidungsmittel bedient hat, dass die Wage, die den griechischen Astronomen erst spät bekannt wurde, von den Ägyptern entlehnt sei, während die Babylonier dafür die Skorpionsscheeren gehabt hätten, übereinstimmend mit den Griechen (s. Ztschr. für Assyriologie VI 151ff. Ausland 1891, 252).

Weit beschränkter ist unsere Kenntnis von der A. der Ägypter. Während Lepsius (Chronologie I 60ff.) und Brugsch (Ägyptologie 320ff.) sie in ein hohes Alter hinaufreichen lassen, spricht Erman (Ägypten 468) sie den Ägyptern gänzlich ab. Nach Ed. Meyer Geschichte des Altertums I 90 ,ist von einer A. in Ägypten nichts zu finden‘ (vgl. auch ebd. 63). Auch Wiedemann (Geschichte Ägyptens I 64) drückt sich mindestens skeptisch aus. Von den Alten lernen wir eigentlich nur, dass die Ägypter nicht minder als die Babylonier beanspruchten, für die Erfinder der A. zu gelten, und dass sie diese ,Wissenschaft‘ in der späteren Zeit eifrig pflegten. Was uns Diodoros-Hekataios berichten (I 26. 50), ist im wesentlichen astronomisch, und was sie uns von dem grossen astrologischen Monument des Königs Osymandyas erzählen (I 49, 5), eine wertlose Fabelei (Letronne Oeuvres complètes, série I, I 255ff.). Auch Herodotos Nachrichten (II 82; vgl. Wiedemann Herodots zweites Buch 341f.) über die zu seiner Zeit in Ägypten blühende Tagewählerei beweisen nichts für die Existenz der A. (so auch E. Meyer a. a. O. I 186). Denn die uns erhaltenen Beispiele, besonders der von Chabas veröffentlichte Calendrier des jours fastes et néfastes, lassen sich durchaus nicht astrologisch erklären. Vielmehr sind Glück und Unglück, das hier dem Menschen für den einzelnen Tag vorausgesagt wird, in mythischen Ereignissen begründet, die sich an ihm zugetragen haben sollten, und die man auf Sterndeuterei so wenig beziehen darf, wie die hesiodeischen Glücks- und Unglückstage. Dass die Späteren die dies aegyptiaci unter die A. rechneten (vgl. Salmasius De annis climactericis 818, der das mit Recht abweist; eine solche Tafel hatte der petronische Trimalchio an der Thüre seines Speisesaals anbringen lassen, c. 30) beweist natürlich gar nichts. Endlich hat man früher viel Wert gelegt auf das Zeugnis des Clemens von Alexandreia (strom. VI 269, 5 Sylb.), wonach unter den 42 heiligen hermetischen Büchern in den Abteilungen des Hierogrammaten und des Horoskopen sich auch astronomische und astrologische Werke befanden hätten (ausführlich besprochen von Lepsius Chronologie I 45ff. Gruppe Kulte I 410f. 430). Indessen haben sich diese Werke [1809] bisher nicht nachweisen lassen, und Clemens mag wohl seine Kenntnisse aus der unlauteren Quelle hermetischer Philosophie geschöpft haben. Von den astrologischen Darstellungen, die uns monumental erhalten sind (gesammelt bei Brugsch Thesaurus inscriptionum I), scheiden von vornherein alle diejenigen aus, die die Bilder des griechischen Tierkreises zeigen. Denn wir wissen sicher, dass diese den alten Ägyptern fremd waren. Wahrscheinlich haben sie erst durch griechische Vermittlung sie kennen gelernt (Lepsius Chronologie I 122. Hommel Ausland 1891, 222, 1. 382, 3). Auch die sog. Herrschaft der Sterne über die Teile des menschlichen Körpers (z. B. Häbler a. a. O. 10) kann nicht als Beweis für ägyptische A. verwandt werden, weil es sich in den erhaltenen Tafeln gar nicht um einen Einfluss auf den Menschen handelt. Vielmehr haben wir es dabei mit einer Darstellung der Sternaufgänge zu thun. ,Man dachte sich, dass unter der Mitte des Himmels eine aufrechte menschliche Figur sitze, deren Scheitel unter dem Zenith stehe. Die Sterne, die sich dem Zenith nähern, befinden sich also über einem der Körperteile dieser Figur, und diese Stellung ist in den Sternlisten verzeichnet‘, Erman Ägypten 466 (der Himmel als menschlicher Körper, Maspero Revue de l’histoire des religions XIX 5. ZDMG XIV 15ff.). Sichere astrologische Denkmäler aus alter Zeit sind meines Wissens bisher noch nicht nachgewiesen worden. Andererseits lässt das ausgebildete Kalendersystem auf früh erworbene, tief astronomische Kenntnisse schliessen. Sehr hohes Alter einer zu religiösen Zwecken benutzten Astronomie in Ägypten nimmt an Lockyer The Dawn of Astronomy (erweiterte Ausführung der Nissenschen Orientierungslehre) London 1893. Um so fraglicher ist es aber, wie weit damit A. verbunden war. Auch ein Kultus der Gestirne scheint in Ägypten ziemlich alt zu sein (Maspero a. a. O. 7; nach Erman a. a. O. 466 galten die Sterne jedoch nicht als Gottheiten, sondern als Sitz frommer Seelen, wie z. B. der Orion als Seele des Horos, oder sie waren Dämonen, mit denen die Sonne in ihrem Lauf zu thun hatte, wie die Dekane, s. auch E. Meyer a. a. O. I 63); aber ob er sich zur Sterndeuterei entwickelte, lässt sich heute noch nicht sagen. Immerhin steckt in dem, was uns die antiken Astrologen als ägyptisch überliefert haben, sicher viel echtes und altes Gut, wie dies z. B. bei den Dekanen ganz klar ist, deren bei Firmicus Maternus und Hephaistion von Alexandreia überlieferte Namen schon in Hieroglypheninschriften des 15./14. Jhdts. sich finden (Lepsius Chronologie I 68f. 105f.). Sie sind ursprünglich die Götter der zehntägigen Woche (Lepsius a. a. O. 97), wie denn auch jeder Tag, ja jede Stunde unter der Herrschaft göttlicher Wesen standen (Herodot. II 82 mit Wiedemann 340. Roschers Myth. Lex. I 2742f.). Indes scheinen die Dekane auch bei den Chaldaeern vorzukommen (o. S. 1807), und es dürfte sich überhaupt fragen, wie weit die astronomischen Kenntnisse der Ägypter original sind (sehr weit geht in der Annahme der Entlehnung Hommel a. a. O. 1891, 221, 1). Jedenfalls wird man gut thun, mit Wiedemann (Geschichte Ägyptens I 64) das Urteil in der Schwebe zu halten, bis neue Funde mehr Licht gebracht haben.

[1810] So können wir vorläufig nur sagen: sicher bestimmen lässt sich das Ursprungsland der A. nicht, und ebenso bleibt ihre Entwicklung im Dunkel bis zu der Zeit, da die Griechen mit ihr bekannt wurden. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht allerdings für Mesopotamien, wo schon im dritten Jahrtausend v. Chr. die A. nicht nur eifrig gepflegt wurde, sondern auch schon als uralt galt.

Die A. der Inder (s. über sie Weber Indische Studien II 236ff.) und der Chinesen (Richthofen China I 404ff.) kann hier beiseite gelassen werden, da sie für die Griechen nicht in Betracht kam. Was sonst noch von den Griechen über die Ursprünge der A. erzählt wird – sie sollte von den Karern stammen, von Abraham, Orpheus oder der Kentaurin Hippo erfunden sein – sind haltlose Fabeln, die keine Beachtung verdienen.

Den Griechen also war die A. ursprünglich volksfremd. Sie wurde ihnen erst am Ende des 4. Jhdts. näher bekannt. Denn ihre alte Litteratur bis dahin weiss von der A. nichts oder doch nur wenig. Weder bei Homeros, noch bei Hesiodos findet sich von ihr die leiseste Spur. Des letzteren Tagewählerei (op. 765f.) hat nicht das geringste mit den Sternen zu thun, sondern ist einfach von mythischen Ereignissen bestimmt. Trotz der mächtigen Anregung, die die Kunst des ältesten Griechenlands vom Orient empfing, finden wir weder jetzt noch in der ganzen Zeit bis zum Ende des peloponnesischen Kriegs irgendwo in der Litteratur ein Anzeichen astrologischer Kenntnisse. Pindaros, der so mancherlei Aberglauben und Zauberei kennt, erwähnt die A. nicht, und der Prometheus des Aischylos hat zwar den Sterblichen die Zeitrechnung an die Sterne geknüpft (459f.) und ihnen die Mantik gewiesen (486ff.), aber astrologischer Kenntnisse rühmt er sich nicht. Auch Herodotos nennt den Namen der A. nirgends. Erst bei Euripides scheint sie aufzutauchen (FTG² 482). In seiner Μελανίππη ἡ σοφή wird von der Cheirontochter Hippo erzählt, dass sie πρῶτα μὲν τὰ θεῖα προυμαντεύρατο χρησμοῖσι σαφέσιν ἀστέρων ἐπ’ ἀντολαῖς. Wenn man nun nicht zu der Ausflucht greifen will, es handle sich hier um rein meteorologische Prophezeiungen (Lewis Historical survey on the astronomy of the ancients 71. 276), so wird man zugeben müssen, dass Euripides von der A. Kunde gehabt hat. Das beweist aber nichts für ihr Bekanntsein im Volk. Es ist kaum denkbar, dass Aristophanes sich die Gelegenheit, diese moderne Weisheit zu verspotten, hätte entgehen lassen, und doch findet sich bei ihm keine Spur davon, wenn man nicht die Erwähnung des Namens Petosiris, den ein später hochberühmter Astrolog führte, hieher ziehen will (Häbler a. a. O. 12. Riess Philol. Suppl. VI 329. Dieterich Berl. philol. Wochenschr. XI 820). Wollten wir freilich den Alten glauben, so wäre schon zur Zeit des Xerxeszuges mit der Magie auch die A. durch den persischen Erzzauberer Ostanes (s. d.) nach Griechenland gekommen. Aber Ostanes und seine Tradition sind doch zu fabelhaft, als dass man auf sie bauen könnte. Sicher steht nun allerdings, dass die Griechen schon vor dieser Zeit die Sternbilder von den Chaldaeern übernommen haben. Aber den daran hangenden Aberglauben haben sie, scheint es, ignoriert. Und so wird man denn auch zögern [1811] in der Zuweisung der Planeten an einzelne Götter, die zu Platons Zeit erfolgt zu sein scheint, die erste flüchtige Spur der A. zu erkennen, obgleich die oben (S. 1806) vorgetragenen Erwägungen über den religiösen Ursprung der A. darauf hinführen könnten. Nämlich die uns heute geläufigen Namen der Planeten sind verhältnismässig jung (s. das Nähere unter Planeten). Statt der echt griechischen, vom Lichtglanz genommenen Bezeichnungen Φαίνων, Φαέθων u. s. w. finden sich zuerst bei Platon (Timaios 38 D) der ἱερὸς Ἑρμοῦ λεγόμενος ἀστήρ genannt, und wenn diese Götternamen auch bald nachher bekannter wurden, so schwankt ihr Gebrauch doch noch bei Aristoteles, der denselben Stern verschiedenen Göttern zuweist, so den φωσφόρος der Aphrodite, aber auch der Hera (περὶ κόσμου 392 a 28), den στίλβων dem Hermes und Apollon (ebd. 27), den πυρόεις dem Ares und Herakles (ebd. 25). Noch in viel späterer Zeit hatte sich keine ganz feste Tradition gebildet. Das Horoskop des Antiochos von Kommagene (Humann-Puchstein Reisen in Kleinasien T. 40) gestellt auf den 17. Juli 98 v. Chr. (ebd. 333) gießt noch den στίλβων Ἀπόλλωνος und πυρόεις Ἡρακλέους (vgl. Augustin. civ. dei VII 15). Wie man nun auch über den Zusammenhang dieser Namen mit der Sterndeuterei denken mag, daran lässt sich nicht zweifeln, dass sie gegen Ende des 4. Jhdts. v. Chr. den Griechen zuerst näher bekannt wurde. Der älteste Zeuge ist nicht Eudoxos (Cic. de div. II 87; vgl. Unger Philol. L 220), sondern Theophrastos in seinem Buche περὶ σημείων (vgl. darüber Heeger De Theophrasti qui fertur π. σ. libro diss. Leipzig 1889 mit der Recension von Maass Gött. Gel. Anz. 1893, 624ff.), in dem er nach Proklos Tim. 285 F θαυμασιωτάτην εἶναί φησιν ἐν τοῖς κατ’ αὐτὸν χρόνοις τὴν τῶν Χαλδαίων θεωρίαν τά τε ἄλλα προλέγουσαν καὶ τοὺς βίους ἑκάστων καὶ τοὺς θανάτους καὶ οὐ τὰ κοινὰ μόνον. Theophrastos also kannte schon ein ziemlich ausgebildetes astrologisches System. Zu diesem Zeitansatz stimmt nun aufs beste die Nachricht des Vitruvius IX 2, 6, wonach zuerst der Chaldaeer Berossos auf Kos eine Astrologenschule eröffnet habe. Denn dieser lebte von der Zeit Alexandros d. Gr. bis in die des Antiochos Soter. Nur braucht man natürlich das Zeugnis Vitruvs nicht ganz wörtlich dahin zu verstehen, als habe Berossos überhaupt zuerst die Griechen mit der A. bekannt gemacht. Vielmehr werden gewiss schon seit Alexandros den Osten erobert hatte, wandernde Wunderpriester und Wahrsager auch Griechenland durchstreift haben, ohne aber sehr geachtet zu werden, ein Vorgang, der sich später in Rom wiederholt zu haben scheint (s. u.). Berossos dagegen war wohl nur der erste ansässige und, da er den Schwindel mit grossen Mitteln trieb, berühmteste Astrologe der damaligen Zeit, so dass immerhin ein Körnchen Wahrheit in der fabelhaften Notiz bei Plinius (n. h. VII 123) stecken mag, dass ihm die Athener eine Statue mit vergoldeter Zunge errichtet hätten. Jedenfalls kannte er als babylonischer Priester gründlich die A. seiner Heimat, und es ist schwerlich blosser Zufall, dass er nach Seneca (n. q. III 29, 1) Belum interpretatus est, während das grosse astrologische Werk Assurbanipals ,Erleuchtung oder Auge Bels‘ hiess (o. S. 1806). Von seiner Lehre [1812] erfahren wir aus unseren dürftigen Nachrichten nur wenig. Er nahm eine abwechselnde ἀποκατάστασις der Welt durch ἐκπύρωσις und κατακλυσμός an (Senec. a. a. O.) und bestimmte astrologisch das höchste mögliche Lebensalter auf 116 Jahre (Plin. n. h. VII 160). Es ist möglich, dass er ebenso wie seine von Vitruvius a. a. O. genannten Schüler Achinapolus (s. d.) und Antipatros (s. d. Nr. 34) das Horoskop nicht auf die Geburt, sondern auf die Empfängnis stellte. Jedenfalls muss diese Rechnungsart, der übrigens alle Astrologen theoretisch den Vorzug gaben, auf einen hervorragenden Meister zurückgehen, da wir sie zweimal in dem Horoskop von Fürsten wiederfinden (bei Antiochos von Kommagene, Humann-Puchstein a. a. O. 334, und bei Augustus, Gardthausen Augustus I 46, 10. II 1, 16ff.). Von nun an machte die A. im Westen unaufhaltsame Fortschritte. Auch griechische Astrologen traten jetzt auf, und vielleicht sind Epigenes von Byzantion (s. d.) und Kritodemos (s. d.) schon Zeitgenossen des Berossos gewesen und damit die ersten griechischen Meister dieser Wissenschaft.

Mancherlei musste sich vereinigen, um solch raschen Aufschwung zu ermöglichen. Längst schon hatte in Griechenland die Beobachtung der Hirten und Bauern zahlreiche Vorgänge des irdischen Lebens an die Himmelslichter geknüpft. Noch zur Zeit des Columella gaben die Sternaufgänge dem Landmann die Zeit an, zu der er seine Arbeiten zu verrichten hatte. Dass sich für diese Leute mit der Zeit aus dem post hoc ein propter hoc entwickelte, ist nur natürlich. Vor allem wirkte nach ihrem Glauben der Mond auf das Leben der Erde ein, der an seinem Wachsen und Schwinden teil hatte (vgl. Aberglauben Bd. I S. 39f.). Gern bemächtigte sich die A. dieser Anschauung und entnahm ihr selbst einen der Hauptbeweise für ihre Wahrheit. Wenn der Mond, der Erde so nahe in unreiner, dunstgetrübter Atmosphäre, so mächtig wirkt, um wie viel mehr dann die andern Sterne, die im reinen Äther der göttlichen Macht näher sind! Aber auch den Sternen hatte das Volk schon grosse Macht zugeschrieben. Der Sirius, dessen Frühaufgang mit der Zeit der grössten Hitze zusammenfiel, war der grosse Verderber alles Lebens (Aberglauben Bd. I S. 41, 51ff.). Der Aufgang anderer Sterne brachte bestimmte Winde, Sturm, Regen, Schneefall. Alles das war lange vor der Zeit, aus der die uns überlieferten παραπήγματα = Wettertafeln (s. d.) stammen, schriftlich fixiert und wie unser hundertjähriger Kalender in den Händen der kleinen Leute. Kein Wunder, dass man die A. mit Freuden aufnahm, die nun untrügliche Methoden lehrte, das Wetter, die Fruchtbarkeit des Jahres u. s. w. vorauszubestimmen. Solche Tafeln nehmen in den erhaltenen astrologischen Werken (z. B. bei Hephaistion von Theben I 21ff.) viel Raum ein (Lewis Historical survey 309ff. Bouché-Leclercq Divination I 203f.).

Andererseits berührte sich das religiöse Moment in der A. mit einem weit verbreiteten Glauben. Denn schon lange vorher glaubte man, dass die Seelen Verstorbener zu Sternen würden (Aristoph. Pax 832ff.), dass jedem Menschen sein Stern zugesellt sei (vgl. Aberglauben Bd. I S. 41, 28ff.) und dass die Sterne selbst göttliche Wesen seien [1813] ebd. 18ff.; vgl. allgemein Usener Religionsgeschichtliche Untersuchungen I 76f.). Es scheint diese den Grundlagen der A. so nahe verwandte Anschauung selbst auf diese zurückgewirkt zu haben; wenigstens lässt sich Horat. epist. II 2, 187: scit Genius, natale comes qui temperat astrum, nur aus einer Verschmelzung des Nativitätsgestirns mit dem als Sterngeist gedachten Genius erklären (vgl. Lewis a. a. O. 312. 314).

Von grösster Bedeutung endlich wurde für die Aufnahme und Entwicklung der A. die Philosophie der Stoiker. Nicht nur lehrten sie, wie ja auch schon Platon und Aristoteles gethan hatten, die Göttlichkeit der Gestirne, sondern sie verteidigten auch mit grossem Eifer die Wahrheit jeglicher Mantik. Kein Wunder also, dass sie sich auch der A. annahmen, die ihnen wegen ihrer anscheinend unanfechtbaren, rechnungsmäßig festgestellten Vorhersagungen besonders zusagen musste. So finden wir denn, dass mit einziger Ausnahme des Panaitios, der sie verwarf, alle Stoiker mehr oder weniger fest an ihre Wahrheit glaubten. Selbst ein Seneca (dial. VI 18, 3) sagte: videbis quinque sidera . . ex horum levissimis motibus fortunae populorum dependent et maxima ac minima proinde formantur, prout aequum iniquumve sidus incessit. Und es ist bezeichnend, dass fast alle uns bekannt gewordenen Angriffe auf die A. sich an die berühmte Streitschrift des Karneades-Kleitomachos gegen Chrysippos eng anlehnen (vgl. Schmekel Philosophie der mittleren Stoa 160ff. Wendland Philos Schrift von der Vorsehung 37. Praechter Berl. philol. Wochenschr. 1893 nr. 20f. Boll Jahrb. f. Philol. Suppl. XXI 51f.), und dass sich so oft bei den Astrologen stoische Weltanschauungen nachweisen lassen. Da ist vor allem die συμπάθεια τῶν ὅλων, die im Pantheismus der Stoa begründete Lehre, dass das Kleinste teil hat am Grössten, die uns bei jenen immer wieder begegnet, besonders wenn sie sich gegen den Vorwurf ihrer Gegner wehren, es sei anmassend, zu behaupten, dass die Gestirne im hohen Äther sich um den einzelnen Menschen hienieden kümmern. Nicht minderen Gebrauch machen die Astrologen von der stoischen εἱμαρμένη, ja sie haben sie sich so sehr zu eigen gemacht, dass im späteren Sprachgebrauch εἱμαρμένη einfach gleichbedeutend mit A. ist (vgl. Augustinus civ. dei V 1; über den εἱμαρμένη-Begriff des Ptolemaios s. Boll a. a. O. 55f.). Und gering, wie es an sich scheinen mag, ist es doch bemerkenswert, dass Ptolemaios seine Τετράβιβλος beginnt mit den zwei Kapiteln: ὅτι καταληπτικὴ ἡ δι’ ἀστρονομίας γνῶσις und ὅτι καὶ ὠφέλιμος worauf dann die eigentliche Darstellung folgt. So fragten aber die Stoiker von der Mantik allgemein: ist sie möglich? ist sie nützlich? durch welche Mittel wird sie verwirklicht? (Bouché-Leclercq Divination I 59; Ptolemaios hat sich, wie Boll nachgewiesen hat [a. a. O. 132f.] eng an Poseidonios angeschlossen). Bei dieser Vorliebe der Stoa für die A. ist es dieser gewiss sehr förderlich gewesen, dass gerade am Anfang des 3. Jhdts. die Diadochenherrscher vorzugsweise der Stoa anhingen (Susemihl Litteratur der Alexandrinerzeit I c. 1), die ihrerseits, ganz im Gegensatz zum Stoicismus der Kaiserzeit, damals beinahe eine Art Staatsphilosophie gewesen ist. Die [1814] Diadochen aber fanden – auch hierin im Einklang mit der Stoa – für gut, der absterbenden Religion neues Leben zuzuführen. Überall lässt sich beobachten, wie die Herrscher unablässig bemüht sind, den Kultus durch grössere Pracht anziehender zu machen oder neue Feste einzuführen, wobei sie nicht vergassen, in Nachahmung des grossen Eroberers und in Anlehnung an die alten Traditionen des Ostens ihre Göttlichkeit ihren Unterthanen möglichst einzuprägen (vgl. Puchsteins treffliche Ausführungen: Reisen in Kleinasien 337ff. 342. Beurlier De divinis honoribus quos acceperunt Alexander et successores eius, Paris 1890). Sie haben vermutlich auch nicht verschmäht, die chaldaeische A. zu pflegen. Wenigstens Berossos stand sicher in Beziehungen zu Antiochos I. Soter, dem er seine babylonische Geschichte, wohl nicht ohne dessen Anregung (Susemihl a. a. O. I 605), widmete. Und wenn die Chaldaeer prahlten, sie hätten Alexandros d. Gr., Antigonos und Seleukos Nikator mit Glück geweissagt (Diod. II 31, 2), so mag bei aller Übertreibung darin ein Körnchen Wahrheit stecken.

Das Zurückgreifen der Könige auf die alten religiösen Traditionen des Ostens kam einem lebhaften Bedürfnis der Griechen entgegen. Seit die Skepsis der Sophisten am alten Götterglauben rüttelte, musste sich der Fromme nach einem Ersatz umsehen. Den fand er in fremden, meist noch dazu geheimen Kulten. Schon der Hippolytos des Euripides muss sich wegen seines Orphicismus vom Vater schelten lassen (953ff.), Platon erzählt von ihrem ὅμαδος βίβλων (de rep. 364 E; vgl. Dieterich Abraxas 1f.). Mit dem Aufschluss des Ostens vollends war dem Fremden Thür und Thor geöffnet. Nicht zuletzt wird im Gefolge morgenländischer Götter auch die chaldaeische Tempelweisheit nach Griechenland gekommen sein.

Auf dem so vorbereiteten Boden schoss nun die A. üppig ins Kraut. Zwar bis in die Mitte des 1. Jhdts. v. Chr. fliessen unsere Quellen zu spärlich, als dass wir uns ihre Entwicklung deutlich vorstellen könnten. Hauptsächlich, was wir von dem lebhaften Streit zwischen Stoikern und Akademikern wissen (s. o. S. 1813; vgl. Cic. de div. I 7), zeigt uns, dass die A. einen mächtigen Einfluss auf das griechische Leben gewonnen hat. Auch der Ἀσσύριος ξένος, bei dem sich Simaitha Rat geholt hat (Theokr. II 162), mag ein Chaldaeer gewesen sein. Ein gewichtigeres Zeugnis für die grosse Wichtigkeit, die die A. sehr früh gewann, würden die Münzen von Miletos geben, die ungefähr um 350 schon das Zodiakalzeichen des Löwen führen (Catalogue of the Greek coins in the Brit. Mus. Ionia, Milet 50), wenn sich Löwe und Stern auf ihnen, freilich auf Avers und Revers verteilt, nicht schon zu einer Zeit fänden, wo die A. sicher den Griechen noch unbekannt war (Catal. 10. 12. 13ff.; man beachte auch, dass der Löwe nicht das Regionalzeichen Ioniens bei den alten Astrologen ist, während doch, von bestimmten Beziehungen auf Fürsten abgesehen, die sonstigen auf den Münzen vorkommenden Zodiakalzeichen – zusammengestellt bei Eckhel III 283ff. – die Herrschaft über die betreffende Gegend haben). Auch von der Litteratur, die der neue Aberglaube in Masse hervorrief, ist uns leider fast nichts erhalten. Von Berossos und seiner Schule [1815] ist schon die Rede gewesen (S. 1811f.). Nur von dem ungefähr gleichzeitigen Kritodemos sind grössere Stücke durch Vettius Valens gerettet worden, aber noch nicht herausgegeben. Sie weichen z. B. in der Lehre von den ὅρια von allem sonst Bekannten ab. In die ältere Alexandrinerzeit gehört ferner wohl auch das vermutlich astrologische Werk περὶ σημείων τῶν ἐξ ἡλίου καὶ σελήνης καὶ ἄρκτου καὶ λίχνου καὶ ἴριδος, das unter dem Namen des Bolos von Mendes ging (Susemihl Litteraturgeschichte I 482, 128; vgl. 901) und aus dem uns vielleicht unter dem Namen des Demokritos einiges erhalten ist. Auch von des Poseidonios Nachrichten über die chaldaeische A. besitzen wir noch Reste in des Geminos εἰσαγωγή zu Aratos (Blass De Gemino et Posidonio, Kiel 1883) und einzelnes auch in dem, was sich aus den Spätern ermitteln lässt (vgl. Boll a. a. O.; aber doch verhältnismässig wenig eigentlich Astrologisches). Endlich begann auch schon in dieser Zeit sich das Lehrgedicht ihrer zu bemächtigen. Wir haben noch, ausser einer dürftigen Inhaltsangabe, 608 Hexameter eines Werkes περὶ καταρχῶν von einem sonst unbekannten Dichter Maximos, das man heute wohl allgemein der jüngeren Alexandrinerzeit zuweist (Ludwich in der Vorrede zu seiner Ausgabe, Leipzig 1877 p. VII nach Koechly). In einer Reihe einzelner Abschnitte (z. B. περὶ ὁδοιπορίας, περὶ γάμου, περὶ τομῆς καὶ χειρουργίας) wird hier der Einfluss abgehandelt, den der Mond, je nach seinem Stand in den Zodiakalzeichen und seinem Verhältnis zu den Planeten, auf die einzelnen menschlichen Handlungen übt. Doch tritt der Einfluss der Planeten in merkwürdig hohem Masse zurück gegen den des Mondes. Seinen Titel verdankt das Werk dem Inhalt, indem man je nach der guten oder schlechten Aussicht, die durch die Constellation geboten wurde, die Verrichtung anfing oder aufschob. Das hervorragendste Denkmal aber aus dieser Zeit ist das grosse Tempelgrab des Antiochos I. von Kommagene, das ganz auf Grund astrologischer Erwägungen errichtet ist. Auf einer grossen Relieftafel auf der Westterrasse des im Nemrud-Dagh aufgeschütteten Grabhügels ist hier das Horoskop des Königs dargestellt und hat es ermöglicht, mit vollkommener Sicherheit das Geburtsjahr des Fürsten, 98 v. Chr., zu berechnen (sein Nativitätsgestirn, der Löwe, findet sich auch auf seinen Münzen: Imhoof-Blumer Porträtköpfe VI 11). Wie weit freilich hier die Traditionen seiner halbbarbarischen Heimat massgebend gewesen sind, wird sich kaum ganz zuverlässig ausmachen lassen (Humann-Puchstein Reisen in Kleinasien und Syrien 335ff.). Auch nach dem Westen hat sich die A. früh verbreitet. Zuerst Ennius kämpft gegen die Astrologen, die am Himmel den Aufgang irgend eines Monstrums beachten: quod est ante pedes noenu spectant, caeli scrutantur plagas (trag. frg. 42; vgl. auch Norden Jahrb. f. Philol. Suppl. XVIII 267f. Ennius folgte jedenfalls einem Griechen; vgl. Anthol. Pal. VII 172, 7). Zweifelhafter ist, ob er es ist, der bei Cicero (de div. I 132) mit dem Marsus augur, dem vicanus haruspex und den Isiaci coniectores auch die astrologos de circo verspottet, qui sibi semitam non sapiunt, alteri monstrant viam. Jedenfalls ist es nicht eben die feinste Gesellschaft, in der hier die ,Königin der Mantik‘ erscheint, und auch der Circus, bei dem sich die [1816] Astrologen meist aufhalten, lässt gerade nicht auf Kundschaft in den vornehmen Kreisen Roms schliessen. In nicht bessere Gesellschaft führt uns die zweite Erwähnung der A. in Rom. Cato verbot seinem Vilicus unter anderem Gesindel auch den Verkehr mit den Chaldaeern (de agric. 5, 4). Man sieht wohl, dass sich damals die Astrologen noch vagabondierend auf dem Lande umhertrieben, wohin sie die vielen syrischen Sclaven gelockt haben mögen, die seit dem Antiochoskriege Italien überschwemmten. Auf eine relativ frühe Verbreitung der A. in Italien weisen auch die eigentümlichen ,Monatsheiligen‘ des voriulianischen, nach Mommsen Chronologie² 60 auf Eudoxos zurückgehenden Bauernkalenders (s. Mommsen ebd. 305ff.). Wir haben hier gut chaldaeische Traditionen vor uns, zwar nicht in der Auswahl der Göttergestalten selbst, wohl aber in der Paarung der κατὰ διάμετρον sich gegenüberstehenden Monate, Zodiakalzeichen und Götter (Hommel Ausland 1891, 271). Zur Ausbreitung der fremden Superstition werden das ihrige auch die leichten Damen gethan haben, die der Osten importierte, ebenso wie sich das an anderem Aberglauben in der augusteischen Zeit beobachten lässt. Immerhin sieht man, dass die A. vorläufig noch nur die geringeren Leute ergriffen hatte. Selbst die Austreibung der Chaldaeer, die sich im J. 139 nötig erwies (Val. Max. I 3, 3), lässt erkennen, dass sie noch nicht in den vornehmen Kreisen festen Fuss gefasst hatten; zugleich mit ihnen verbannte der Praetor die Juden wegen ihrer Proselytenmacherei. Ein halbes Jahrhundert darauf hat sich das freilich sehr geändert. Als die Horden des Marius und Cinna gegen Rom rückten, blieb der Consul Octavius im Vertrauen auf die Berechnungen der Chaldaeer in der Stadt. Bei der Leiche des Ermordeten fand man astrologische Zeichnungen (διάγραμμα χαλδαϊκόν, Plut. Mar. 42). Und auch ein Sulla legte Wert auf die Prophezeiungen der Chaldaeer.

Aber noch waren es, wie es scheint, ausschliesslich Chaldaeer, die den astrologischen Markt beherrschten. Zwar darf man glauben, dass die Ägypter schon früh sich angestrengt hatten, den Nimbus ihres hohen Alters auch hier aufrecht zu halten. Diodoros Berichte gehen ja auf Hekataios von Abdera zurück, den Zeitgenossen des Ptolemaios I. (Wiedemann Geschichte Ägyptens seit Psammetich 101f.). Und dass ein freches Machwerk aus der Severerzeit sich mit Manethons Namen deckte, lässt sich doch wohl nur erklären, wenn dieser selbst den Ägyptern auch in der Sterndeuterei bedeutende Kenntnisse zugeschrieben hatte. Nun aber erschien im zweiten Drittel des 1. Jhdts. v. Chr. ein grosses astrologisches Werk, das bald den grössten Ruf erlangte (diese Zeitbestimmung hat Boll a. a. O. 236f. bezweifelt, was an anderer Stelle geprüft werden wird; hier genüge folgendes: Manilius spielt auf Nechepso an I 40f.; der Zusammenhang mit den Hermetikern wird hinfällig durch Plin. n. h. VII 160f.). Sein Verfasser barg sich unter der Maske des ägyptischen Königs Nechepso und seines Priesters Petosiris. Das Werk umfasste mehr als 13 Bücher, in denen es von den allgemeinsten Grundbegriffen ausgehend die A., sowohl die meteorologische wie die genethliologische, behandelte und dazu in einem besondern [1817] Anhang über die Beziehung der Gestirne zur Heilkunde belehrte. Geschrieben war es in einem Gemisch von Prosa und Versen. Dieses Schwindelbuch nun blieb nicht nur massgebend für die Anschauung der Alten über die ägyptische A., sondern erlangte auch rasch so grosses Ansehen, dass es mit Erfolg den Chaldaeern Concurrenz machen konnte und schon bald nach seinem Erscheinen nach Rom übertragen wurde (Philol. Suppl. VI 327ff.). Denn hier hatten mittlerweile das Interesse an der A. und der Glaube an sie auch die vornehmsten Kreise ergriffen. Dass ein Schwärmer, wie Nigidius, der in neupythagoreischem Mysticismus befangen war, sich astrologische Kenntnisse erwarb – er soll 63 dem neugeborenen Octavianus sein Geschick berechnet haben (Suet. Aug. 94) – kann kaum Wunder nehmen (vgl. Swoboda Nigidi relliquiae 32). Aber selbst ein Gelehrter wie Varro huldigte der A. und zwar der chaldaeischen. Auf seine Veranlassung stellte L. Tarutius Firmanus das Horoskop der Stadt Rom und berechnete ihr Tag und Stunde der Geburt (Häbler a. a. O. 21, dagegen spottet Varro über die Astrologen sat. Men. 280 Bü., vgl. Norden Jahrb. f. Philol. Suppl. XVIII 267). In dem Gegensatz dieser beiden grössten Polyhistoren des damaligen Roms spiegelt sich der Kampf zwischen der ägyptischen und chaldaeischen Richtung der A. ab, die jetzt mit einander rangen, ohne dass eine von ihnen auf die Dauer gesiegt hätte. Worin der Hauptunterschied der beiden Schulen bestand, können wir bei den wenigen Punkten, die von den Astrologen selbst erwähnt werden, nicht mit Sicherheit sagen. Dass es nicht, wie man gemeint hat, ein Gegensatz zwischen einer planetarischen Lehre und einer auf die Fixsterne basierten gewesen ist, haben die Bruchstücke des Petosiris zur Genüge gelehrt. An dem Unterschied selbst aber zu zweifeln, erlauben die bestimmten Aussagen der competentesten Beurteiler, der alten Astrologen, durchaus nicht. Eine Zeit lang nun schien es, als sollte Ägypten den Sieg davontragen. Niemand wagte seit dem Erscheinen des Petosirisbuches mehr, das hohe Alter seiner A. anzuzweifeln, ja im 1. Jhdt. n. Chr. war sie so angesehen, dass der Name Petosiris einfach als Bezeichnung für einen Astrologen dienen konnte, und dass er zu der Würde des εὑρετής der A. aufstieg (Anth. Pal. XI 164. Iuv. VI 581. Suet. bei Auson. epist. 19 = Reifferscheid frg. 177). Dass sich Männer wie Cicero (de div. I) entschieden gegen die A. wandten, hat ihren Siegeslauf keinen Augenblick hindern können, besonders seit die Mächtigsten im Staat sie unter ihren Schutz genommen hatten. Es kann keinem Zweifel mehr unterliegen, dass selbst Caesar ihr huldigte. Hat er doch für seine Legionen als Signum den Stier gewählt, d. h. das Zodiakalzeichen der Venus, seiner Familiengöttin. Seit ihm haben fast alle Legionen nach und nach Signa astrologischer Bedeutung – es sind ihre Nativitätszeichen – bekommen (vgl. v. Domaszewski Arch.-epigr. Mitt. XV 182ff.). Etwa in dieselbe Zeit fällt auch das Eindringen der doch wohl auf astrologische Erwägungen zurückgehenden siebentägigen Woche (de Witte Gaz. arch. III 50ff. 77ff. V 1ff. 215f. Roscher Myth. Lex. I 2033. Ztschr. f. Ethnol. VIII 1f.).

Damit sind wir zu der Zeit gekommen, die [1818] am besten die Worte des Tacitus kennzeichnen: ⟨mathematici⟩ genus hominum potentibus infidum, sperantibus fallax, quod in civitate nostra et vetabitur semper et retinebitur (hist. I 22). Denn während die Kaiser sich ihre Leibastrologen hielten, suchten sie zugleich aus politischen Gründen durch Verbote und Verfolgungen zu verhindern, dass die Grossen des Reichs die Chaldaeer über die Dauer ihrer Regierung und über die eigenen Aussichten auf den Thron befragten (vgl. Bouché-Leclercq Divination IV 319ff.). Zwar im J. 33 verwies Agrippa die Astrologen aus der Hauptstadt (Cass. Dio XLIX 43). Aber zusammen mit Octavian hatte er selbst in Apollonia sich durch Theagenes das Horoskop stellen lassen (Suet. Aug. 94). Und auch der Kaiser war der A. so ergeben, ,dass er sich nicht scheute, seine Nativität zu veröffentlichen‘, und sein Geburtsgestirn, den Steinbock, auch auf seine Münzen prägte (Gardthausen Augustus II 1, 18ff.; übrigens ist auch sein thema natalicium nach der Conception berechnet: ebd.; vgl. o. S. 1812). Für die weite Verbreitung der A. zeugt auch, dass die Dichter dieser Zeit öfters auf sie anspielen. Selbst ein so freier Geist wie Horatius redet von dem tyrannus Hesperiae Capricornus undae (dem Regionalgestirn des tyrrhenischen Meeres: Ludwich Maximus 118), dem consensus seines Geburtsgestirns mit dem des Maecenas, der Iovis tutela gegenüber dem bösen Saturnus (carm. II 17, 17ff.). Mag er damit auch nur scherzen wollen, Sinn hat diese Ausführung doch nur, wenn Maecenas daran glaubte und wenn der Dichter auf ein Publicum rechnen konnte, das genügend in der A. bewandert war, um ihn ohne weiteres zu verstehen. Tiberius hatte sich gar eigene Kenntnisse in der Kunst erworben. Sein Lehrer darin war während des Exils auf Rhodos Thrasyllos gewesen. Freilich, wie in der Neuzeit mit den Alchemisten, spielte auch bei ihm wohl fürstliche Laune mit den Sterndeutern, wie die Katze mit der Maus (s. die Erzählung Tac. ann. VI 21). Thrasyllos bestand die Probe und ward seitdem einer der vertrautesten Freunde des Argwöhnischen. Und so ist es nur natürlich, dass diesem Fürsten das älteste uns ganz erhaltene astrologische Werk gewidmet ist. Es ist ein Lehrgedicht, aber für uns ein wahres Rätsel. Nicht einmal der Name des begabten Dichters ist bekannt. Erst Humanistengelehrsamkeit hat ihn Manilius getauft; im Altertum wird er nie genannt, erst im 4. Jhdt. von Firmicus zum Teil ausgebeutet; doch spielen schon die Ciris und später Lucanus und Iuvenalis auf ihn an (Boll a. a. O. 219, 3. 241). Das Werk umfasst fünf Bücher, deren erstes den Bau der Welt und den Sternenhimmel mit seiner astronomischen Einteilung schildert, worauf in vier Büchern die eigentliche A. folgt. Der Dichter selbst war ihrer nicht sehr kundig und setzt seinen Hauptruhm darein, die schwierige Materie zuerst in lateinischen Versen besungen zu haben. Behandelt hat er jedoch nur die Fixsterne, von den Planeten wollte er später reden (IV 750), ob in diesem, nie vollendeten, Gedicht oder selbständig, können wir nicht sagen. Aber es liegt kein Grund vor, ihm ein eigentümliches System zuzuschreiben oder ihn gar zum Vertreter der ägyptischen, den Planeten abholden, Lehre zu machen, die, wie wir wissen, nie existiert [1819] hat (o. S. 1817). Im Gegenteil, nach allem, was sich bisher über seine Quellen eruieren lässt, hing er gerade der chaldaeischen Lehre an (so folgt er der, wie wir sahen – S. 1816 –, im letzten Grunde chaldaeischen Paarung der Götter II 439ff.; Mommsen Chronologie² 305; seine sphaera barbarica – vgl. zuletzt Bücheler Rh. Mus. XIII 177ff. – ist wahrscheinlich auf das κλίμα διὰ Βαβυλῶνος gestellt; chaldaeisch auch manches in der Lehre von den dodecatemoria; über seine Beziehungen zu Poseidonios vgl. Boll a. a. O. 218f.). Seine astrologischen Quellen sind uns leider so gut wie verloren; über blosse Hypothesen werden wir hier schwerlich je hinauskommen können.

Wieder kommen über 100 Jahre, in denen wir nur wenig von der Entwicklung der A. hören. Zwar von ihrer äusserlichen Verbreitung wissen wir genug. Zahlreiche Verbote und Verfolgungen trafen sie, so gegen das Ende des Augustus, dann im J. 16 n. Chr. (Tac. ann. II 30). Das hinderte selbstverständlich nicht, dass die Sterndeuter nur um so eifriger, namentlich von den Kaisern selbst, gefragt wurden. So liess sich Neros Mutter Agrippina von einem Thrasyllus, dem Sohn des Freundes von Tiberius (Tac. ann. VI 22), dessen und ihr eigenes Schicksal verkünden (Tac. ann. XIV 9). Nero selbst schenkte sein Vertrauen dem Balbillus (s. d.) und liess auf seine Prophezeiungen hin eine Menge Römer umbringen (Suet. Nero 36). Auch Otho hatte seinen Leibastrologen, einen gewissen Ptolemaios (Tac. hist. I 22); dem Vitellius, der sie später so blutig verfolgte (Tac. hist. II 62. Suet. Vit. 14. Cass. Dio LXV 1), war schon in der Wiege von den Chaldaeern sein Schicksal geweissagt worden. Auch die guten Kaiser Vespasianus und Titus, nicht minder Domitianus waren der A. ergeben (Suet. Tit. 9; Domit. 10). Vespasianus vertrieb zwar die Astrologen aus der Hauptstadt, aber er selbst bediente sich ihrer. So werden uns Seleukos und Barbillos genannt (Tac. hist. II 78. Cass. Dio LXVI 9). Von Nerva und Traianus ist dergleichen nicht bekannt, wohl aber war Hadrianus in die Geheimnisse der A. so tief eingedrungen, dass er sich am Neujahrstage jeweils die Ereignisse des kommenden Jahres aufzeichnen konnte (Hist. Aug. Hadr. 16). Von der Stärke vollends, die der astrologische Aberglaube unter Antoninus Pius angenommen hatte, zeugen am besten die Münzen mit astrologischem Gepräge, die die Alexandriner zu seinen Ehren schlagen liessen, da mit seinem Regierungsantritt eine neue Sothisperiode begonnen hatte (Barthélemy Mémoires de l’académie des inscriptions XLI 511ff.). Kein Wunder, dass alle Verfolgungen nicht halfen, dass sie im Gegenteil nur den Nimbus der Astrologen erhöhten. ,Niemand‘, sagt Iuvenalis (VI 557ff.), ,ist unter den Chaldaeern, dem man so vertraut, als wer verbannt war oder im Kerker geschmachtet hat‘. Besonders die vornehmen Damen Roms protegierten die Astrologen. Ja, es gab unter ihnen Frauen, die selbst mit den Handbüchern vertraut waren und die nichts unternahmen, ohne ihren Thrasyllos oder Petosiris befragt zu haben (ebd.). Auch Ärzte suchten nach dem Vorbild der Ägypter ihr Glück mit der A. zu machen. So erzählt Plinius (n. h. XXIX 9), dass Krinas aus Massalia sich auf diese Weise ein ungeheures Vermögen erworben habe. Auch Plinius selbst [1820] wird, nach dem Ernst zu schliessen, mit dem er die A. zur Bestimmung des höchsten Lebensalters heranzieht (n. h. VII 160), ihr immerhin einige Kraft zugeschrieben haben. Am besten aber zeigt es sich an Tacitus, wie mächtig die A. alle Gemüter ergriffen hatte. Sein Urteil, ob das Geschick der Menschen durch Zufall oder durch fatum und necessitas bestimmt wird, ist eigentümlich unsicher. ,Die Meinungen auch der Weisesten‘, sagte er, ,gehen darüber auseinander, die einen erkennen nur den Zufall an, die andern ein fatum, das aber nicht von den Planeten abhängt. Endlich plurimis mortalium non eximitur, quin primo cuiusque ortu ventura destinentur, sed quaedam secus quam dicta sint cadere, fallaciis ignara dicentium: ita corrumpi fidem artis, cuius clara documenta et antiqua aetas et nostra tulerit‘ (ann. VI 22; vgl. Plin. n. h. II 23). Man sieht sehr wohl, dass er selbst mehr zu diesen letzten neigt. Interessant ist es übrigens, dass dieselbe Argumentation bei Ptolemaios (tetrab. 1 c. ὅτι καταληπτική f. 2r f. ed. 1535; vgl. Boll a. a. O. 138f.) wiederkehrt.

Unter solchen Umständen begreift man leicht, dass die Polemik des Favorinus, so lebhaft sie, mit Benutzung des Karneades (o. S. 1813), geführt wurde, gänzlich fruchtlos blieb. Um so merkwürdiger ist es, dass wir von der gewiss weit verbreiten astrologischen Litteratur dieser Zeit verhältnismässig sehr wenig wissen. Zufällig erfahren wir durch Iuvenalis (a. a. O.), dass ein Thrasyllos schriftstellerisch thätig gewesen ist, in dem wir den Hofastrologen des Tiberius sehen dürfen, da es sich offenbar um einen bekannten Mann handelt. Erhalten sind von ihm in den Scholien zum Ptolemaios ein paar nichtssagende Worte. Ferner besitzen wir noch sechs Distichen von dem Lehrgedicht eines Annubion (s. d.), wahrscheinlich aus neronischer Zeit. Dem 1. Jhdt., spätestens dem ersten Drittel des 2., möchte ich auch das Epos des Dorotheos von Sidon (s. d.) zuschreiben, von dem wir bei Hephaistion noch 323 Hexameter lesen, von denen leider erst etwa der vierte Teil veröffentlicht ist. Trotz seiner Heimat scheint er ein Hauptvertreter der ägyptischen Richtung gewesen zu sein, mit der er gerade in dem entscheidenden Punkt der ὅρια übereinstimmt. Nach Firmicus Maternus (II 32) war er ein vir prudentissimus. Noch bei den Arabern stand er in hohem Ansehen (Engelbrecht Hephaistion 29ff.). Ihn so früh zu setzen, veranlasst mich, dass die gelehrten Scholien zur Τετράβιβλος oft gerade ihn im Gegensatz zu Ptolemaios nennen, so dass es scheint, als habe dieser gegen ihn polemisiert, allerdings ohne seinen Namen zu nennen; das ist freilich auch sonst in diesem Werk seine Gewohnheit nicht. Dass uns noch viele andere astrologische Schriftsteller dieser Zeit mitsamt ihren Namen verloren gegangen sind, können wir aus dem Buch des gleich zu besprechenden Vettius Valens schliessen, der sehr oft von den παλαιοί, den ἀρχαῖοι, den πολλοί redet, deren Werke ihm vorgelegen hätten. Endlich besitzen wir aus dem 1. und 2. Jhdt. mehrere Originalurkunden; darunter sind die wichtigsten: 1) Brit. Mus. CXXX vom Ende 81, sehr ins einzelne gehend und 2) vom J. 138 auf einem ägyptischen Papyrus (s. Notices et extraits XVIII 2, 236 [1821] nr. 19 bis; über die Datierung und neugelesene Reste Mitt. aus der Sammlung Rainer ΙΙ/IIΙ 5ff.). Auf vier interessante Thatsachen macht uns dieser Papyrus aufmerksam: 1) auf die Existenz einer eklektischen A., 2) auf die Beziehungen der A. zur hermetischen Philosophie, 3) zu der uns erhaltenen Zauberlitteratur und 4) zu den Vorstellungen der Gnostiker. Denn der Astrologe, der dieses Horoskop berechnete, sagt ausdrücklich, er habe sich nach den σοφοὶ ἀρχαῖοι, den Chaldaeern, Petosiris, besonders aber nach Nechepso gerichtet, der diese Wissenschaft von Hermes und Asklepios, der auch Imuthes, Sohn des Hephaistos, sei, überkommen habe (Drexler Jahrb. f. Philol. CXLV 845). Das Interessanteste nun an dieser Angabe ist die Zurückführung der A. auf Hermes. Zwar heisst schon bei Diodoros (I 16, 1) Hermes der erste παρατηρητὴς τῆς τῶν ἄστρων τάξεως. Hier aber befinden wir uns im 2. Jhdt. n. Chr., einer Zeit, so reich an religiösen Neubildungen, wie selten eine. ,Alle diese Bildungen tragen die unverkennbaren Züge engster Verwandtschaft; sie sind Erzeugnisse derselben Bewegung‘ (Usener Religionsgeschichtliche Untersuchungen I 25). Nun trifft es sich aber, dass gerade die von unserem Horoskop genannten Götter von grösster Wichtigkeit in der sog. hermetischen Philosophie sind. Zudem ist die Lehre dieser Theosopnie von astrologischen Speculationen stark durchsetzt. Besonders wichtig ist für sie die Vorstellung von den Dekanen, deren Macht Hermes nicht genug rühmen kann (Stob. ecl. I 21, 9 p. 191 W.). Sie bewirken die Umwälzungen in der Geschichte, von ihnen hängen Krieg, Hungersnot, Pest ab (ebd.). Sie formen die Gestalt der Kinder und entscheiden über ihre Ähnlichkeit mit den Eltern (Stob. ecl. I 42, 7 p. 926 W.). Daneben stehen die ὑπολειτουργοί, die μετέωρα, die Kometen, welche beiden letztern freilich nur Unglück bringen können. Die Kometen heissen wegen ihrer weissagenden Kraft geradezu μάντεις (Stob. ecl. I 21, 9 p. 194 W.). Unter den Fixsternen aber ragt besonders die ἄρκτος hervor, die am Himmel steht als seine Axe, und ihn mit ihrer Kraft dreht (ebd.). Es ist sehr bemerkenswert, dass sich dieselbe Anschauung fast mit denselben Worten auch in der Himmelfahrt des grossen Pariser Zauberbuchs wiederfindet (Wessely Denkschrift Akad. Wien XXXVI 62 v. 700f.; vgl. 1279. 1307. Dieterich Abraxas 106), dessen ursprüngliche Vorlage ja auch etwa in unsere Zeit fällt. Auch sonst findet sich in den Zauberpapyri viel Astrologisches, mitunter freilich ganz ausser Zusammenhang mit der Umgebung (z. B. bei Wessely a. a. O. 65 v. 835ff. vom Herausgeber fälschlich als Stufenjahre bezeichnet), was nicht Wunder nehmen kann, wenn man bedenkt, wie diese Bücher aus den verschiedensten Zettelsammlungen zusammengeschrieben sind. Bei den Hermetikern findet sich nun aber eine eigentümliche Anschauung. Nämlich sie lehren, dass zwar alles, was geboren wird, unter dem Fatum stehe, dass aber sie selbst, die ἐλλόγιμοι, ihm in weit geringerem Masse unterliegen, als die gewöhnlichen Menschen. Eben diese Anschauung aber kehrt bei den Gnostikern wieder. Bei diesen ist es die Taufe, die den Menschen von der εἱμαρμένη frei macht (Valentinus: Clem. Alex. exc. ex Theod. 78 p. 343, 40 Sylb.; die Peraten: Hippol. ref. haer. V 16 p. 188, 85ff. [1822] Duncker-Schneidewin; vgl. Usener a. a. O. 163). Diese selben Gnostiker aber lebten eben in der Zeit, in der wir uns hier befinden (Usener a. a. O. 100ff.). Wir sehen, wie überaus verbreitet und mächtig der Glaube an die A. gewesen sein muss, wenn von ihnen allen niemand sich ihm hat entziehen können. Und so gewinnt der Umstand an Bedeutung, dass gerade im 2. Jhdt. die Litteratur der A. ihre Blüte erreicht in zwei Werken, die uns glücklicherweise erhalten sind. Der Verfasser des ersten, zeitlich älteren, war nach Angabe der Hss. Vettius Valens aus Antiocheia. Früher sah man in ihm den Astrologen, der Constantin die Nativität des neu zu gründenden Byzanz berechnete (Salmasius De annis climacteris 533), indessen ist dazu kein Grund. Die späteste Zeitangabe in seinem Werk bezieht sich auf das 23. Jahr des Antoninus Pius. Was wir von seinem Leben wissen, erzählt er uns selbst an verschiedenen Stellen. Darnach war es recht bewegt, vor allem, weil er es mit seiner ,Wissenschaft‘ ernst nahm und grosse Kosten und lange Reisen nicht scheute, um sie recht zu erlernen (vgl. Riess Nechepsonis fragmenta. Diss. Bonn. 1890, 17ff.). Um so merkwürdiger ist es, dass sein Werk, von dem acht Bücher und in Oxford Teile eines später verfassten Nachtrages erhalten sind, nicht etwa eine die Wissenschaft selbständig fördernde Arbeit ist, sondern im Gegenteil eine Compilation aus verschiedenen Autoren. Deshalb hiess es auch ἀνθολογίαι, wenn dies nicht etwa der Titel ist, den dem Buch der Excerptor gab, der, wohl in byzantinischer Zeit, darüber gekommen ist. Jedenfalls war der Verfasser in seiner Fachlitteratur sehr belesen. So ist sein Buch für uns die Hauptquelle für die älteste ägyptische A. des Petosiris, dem er mit Vorliebe gefolgt ist. Ausser diesem hat er noch vieles von Kritodemos erhalten (s. o. S. 1815) und citiert noch Apollinaris, Hipparchos, Hypsikles (s. d.), vor dessen ἀναφορικός er übrigens warnt, und eine Menge Ungenannter als παλαιοί, ἀρχαῖοι, συγγραφεῖς, mit denen er manchmal eine recht grobe Polemik führt. Seine ganze Weltanschauung ist stoisch (Wendland Philo über die Vorsehung 34, 2). Seine Absicht ist nicht gewesen, ein leicht fassliches Handbuch zur Einführung in die A. zu geben, vielmehr wollte er ein streng fachwissenschaftliches Werk schreiben, in dem die allgemeinen Grundsätze wohl gelegentlich einmal erörtert werden, das aber im grossen und ganzen voraussetzt, dass der Leser schon über die Anfangsgründe hinaus ist. Deshalb geht er auch auf viele theoretische Feinheiten ein. Leider ist das für die Erkenntnis der älteren astrologischen Systeme sehr wertvolle Buch bisher unediert.

Die zweite Schrift, in jeder Hinsicht das Höchste, was die griechische A. geleistet hat, ist die nach der Zahl ihrer Bücher benannte Τετράβιβλος σύνταξις. Sie giebt sich selbst als von dem grossen Astronomen Ptolemaios (s. d.) an seinen Bruder Syros gerichtet und will den Abschluss der μεγάλη σύνταξις bilden. Dass sie wirklich von Ptolemaios stammt, hat endgültig Boll in seiner vorzüglichen Abhandlung (Jahrb. f. Philol. Suppl. XXI 111f.) bewiesen. Ihre philosophischen Anschauungen sind die gleichen wie in den anderen Werken des Ptolemaios und auch sprachliche Ähnlichkeiten sind vorhanden. Demgegenüber kommt es nicht in [1823] Betracht, dass Suidas das Buch nicht nennt, dass Araber an seiner Echtheit gezweifelt (ZDMG XXIV 337, 69. Boll a. a. O. 126) und dass es Moderne für des Ptolemaios unwürdig erklärt haben. Für die Würdigung des Buches kommen drei Thatsachen in Betracht: 1) dass der Verfasser abhängig ist von Poseidonios, wie Boll bewiesen hat, und noch manchem andern Gewährsmann gefolgt sein mag, wie zukünftige Forschungen wohl lehren werden; 2) dass er überall in seinem Buche gegen nicht von ihm genannte Lehrmeinungen polemisiert, dass er also seine Quellen kritisch benutzt, wie die Scholien bemerken und auch das meisterhafte Kapitel περὶ ὁρίων zeigt; 3) dass der Erfolg des Buches rasch und gross gewesen ist. Diesen verdankte sie vor allem der überaus klaren durchsichtigen Disposition des Stoffes (s. o. S. 1805) und der einfachen, alle Complicationen vermeidenden Darstellung. Denn ganz im Gegensatz zu Valens geht der Verfasser nirgends auf Einzelheiten ein, ja er verwahrt sich ausdrücklich dagegen, als müsse ein solches Buch alles geben. Er begnügt sich deshalb auch absichtlich damit, jeweils die Wirkung eines einzelnen Planeten zu schildern, und überlässt es dem Leser, die Wirkung der Sterne in Wechselbeziehung selbst zu berechnen (z. B. II c. περὶ τῆς ποιότητος τοῦ ἀποτελέσματος fol. 21v ed. pr.). Dieses Buch hat auch den alten unentschiedenen Streit zwischen Chaldaeern und Ägyptern dadurch endgültig entschieden, dass es selber an ihre Stelle tritt. Zwar Firmicus, Paulos von Alexandreia, Hephaistion von Theben geben noch genug von jenen alten Lehren. Aber mit der Τετράβιβλος ist die selbständige Forschung auf dem astrologischen Gebiet zu Ende. Was uns von den Spätern erhalten ist, sind Compilationen, von den Ältern vollends haben sich nur Bruchstücke gerettet. Für den raschen Erfolg spricht auch, dass schon der Neuplatoniker Porphyrios einen ausführlichen Commentar zu ihm schrieb, wenn der erhaltene Auszug (Πορφυρίου φιλοσόφου εἰσαγωγὴ εἰς τὴν ἀποτελεσματικὴν τοῦ Πτολεμαίου, ediert Basel 1559 zusammen mit andern Commentaren zur Τετράβιβλος von Walder) ihm wirklich gehört, was recht unsicher ist (vgl. G. Wolff Porphyrii de philosophia ex oraculis haurienda librorum rell. 37. Boll a. a. O. 113f.). Von sonstigen Erläuterungsschriften besitzen wir den Commentar eines sonst unbekannten Demophilos und die wohl byzantinische, aber aus sehr gelehrten Quellen schöpfende Schrift eines Unbekannten (alles ediert durch Walder a. a. O.). Eine Paraphrase des Buches verfertigte der Neuplatoniker Proklos (herausgegeben von Leo Allatius; letzter Druck Leyden 1654). Des grössten Ansehens aber hatte sich die Schrift bei den Arabern und durch ihre Vermittlung auch bei den westlichen modernen Astrologen zu erfreuen. Trotzdem ist sie erst 1535 durch Camerarius zu Nürnberg griechisch ediert worden. Den letzten Druck besorgte Melanchthon 1551. Sicher unecht dagegen ist das der Τετράβιβλος immer angehängte Werkchen Καρπός, eine Zusammenstellung von 100 astrologischen Aphorismen.

Erreichte so die A. in der letzten Zeit des 2. Jhdts. ihren Höhepunkt in der theoretischen Ausbildung, so harrte ihrer, äusserlich betrachtet, [1824] noch ein glänzenderes Los. Die Kaiser aus der Familie der Severer waren ihr ganz besonders ergeben, sowohl Septimius ebenso wie Iulia Domna als auch Caracalla (Näheres bei Häbler a. a. O. 32). Im Auftrag der Iulia beschrieb Philostratos das Leben des Apollonios von Tyana, der natürlich auch in die Geheimnisse der A. eingedrungen war und über sie ein eigenes Werk in vier Büchern geschrieben haben sollte, was übrigens ganz glaublich ist (vgl. Philostr. III 41, 1; vgl. Zeller Philosophie III 2³, 150, 3). In der Zeit der Severer ist auch der älteste Teil der sog. Manethoniana entstanden, eines epischen Lehrgedichts, das heute sechs Bücher umfasst, offenbar ganz verschiedener Mache. Dieser älteste Bestand umfasste die heutigen Bücher 2, 3 und 6, die Köchly in der Vorrede zu seiner grösseren bei Didot erschienenen Ausgabe überzeugend unserer Zeit zugewiesen hat. Um die Composition des Ganzen gleich hier zu erörtern, so traten unter Iulianus etwa das vierte Buch, bedeutend später Buch 1 und 5 hinzu, welch letzteren Bruchstücke verschiedener meist sehr ungeschickter Poeten vereinen und ohne jeden Schein von Berechtigung auf Petosiris zurückzugehen behaupten (Köchly a. a. O.; vgl. die Vorrede zur Textausgabe Leipzig 1858 VII; Engelbrechts Widerspruch Hephaistion von Theben 38ff. schiesst weit übers Ziel hinaus; er hat nur soviel bewiesen, dass ein Teil des ersten Buches schon Ende des 4. Jhdts. unter Manethons Namen ging). Aber die höchste Anerkennung fand die A. unter Alexander Severus, der ihr eine besoldete Professur an der Universität Rom zuwies (Hist. Aug. Alex. Sev. 27). Doch hörte auch der Widerspruch nicht auf. Selbst wenn wir von den Kirchenschriftstellern absehen, die natürlich auf Grund der Bibel die Sterndeuterei bekämpfen; auch die Philosophie regte sich wieder. Der Arzt und skeptische Philosoph Sextus Empiricus hat in seine Streitschriften gegen die Dogmatiker auch eine Bekämpfung der A. eingelegt (adv. math. V), die freilich in der Hauptsache nur die Argumente des Karneades wiederholt, für uns aber besonders wichtig ist wegen ihrer guten Darstellung der astrologischen Grundbegriffe (abgeschrieben von Hippolytos ref. haer. IV 1ff.). Aber der Kampf war vergebens, denn im 3. Jhdt. erhob sich eine Philosophenschule, die bald mit anderem Aberglauben auch die A. unter ihren Schutz nahm, der Neuplatonismus. Freilich, der Stifter der Schule, Plotinos, bekämpfte die A. in seiner Schrift περὶ εἱμαρμένης (Enn. III 1. Zeller a. a. O. 560, 4) und leugnete, dass das menschliche Schicksal von den Sternen bestimmt werde (Zeller ebd. 567). Dafür kommt er aber bei Firmicus Maternus schlecht weg, indem dieser in gehässigster Form sein Leben analysiert, um aus dessen Ereignissen den Beweis für die Richtigkeit der A. zu führen (math. I 3). Indessen konnte Plotinos andererseits von seinem System aus den Einfluss des Himmlischen auf das Irdische nicht leugnen und kam deshalb zu dem Schluss, dass ἡ τῶν ἄστρων φορὰ σημαίνει περὶ ἕκαστον τὰ ἐσόμενα, ἀλλ’ οὐκ αὐτὴ πάντα ποιεῖ, ὡς τοῖς πολλοῖς δοξάζεται (Enn. II 3, 1), d. h. die Sterne verkünden nur, was von der Vorsehung beschlossen ist, aber bewirken es nicht selber. Über seinen Schüler Porphyrios ist es unmöglich zu einer bestimmten [1825] Meinung zu kommen. Er hatte in seinem Brief an Anebon 6f. (bei Parthey Iamblichos Schrift von den Mysterien XXXI) gezweifelt, ob die Himmelskörper wirklich Götter seien (Zeller a. O. 666) und ob die A. überhaupt möglich sei (ad Aneb. 36–41. Zeller 668). In seinem Commentar zu Platos Republik X (bei Stob. ecl. II 8, 42) lässt er im Anschluss an Plotin die menschlichen Schicksale von den Gestirnen nur bedeutet, aber nicht bewirkt werden, d. h. er giebt die Möglichkeit einer astrologischen Wissenschaft zu. Hingegen in seiner Schrift περὶ τῆς ἐκ λογίων φιλοσοφίας lässt er alle Wesen der sublunarischen Welt τῇ φορᾷ τῶν κρατούντων θεῶν τουτέστι τῇ κινήσει τῶν ἄστρων unterworfen sein, leugnet aber die Möglichkeit einer astrologischen Wissenschaft für alle Wesen, die der Herrschergewalt dieser Sterne unterworfen sind (Boll a. a. O. 115f.).

Bei Iamblichos dringt gar die A. in sein Göttersystem ein, das sich ihm in 12, 36 und 360 Götter gliedert. Von den 36 stammen 72 Ordnungen unterhimmlischer Götter u. s. w. (Zeller 695, wo auch auf die astrologischen Beziehungen hingewiesen ist; die 72 aber sind nicht, wie er meint, die jüdischen Völkerengel, vielmehr ebenfalls astrologisch und zwar ägyptisch: Lepsius Chronologie I 121). Dabei meint er allerdings (oder vielmehr der Autor der Schrift de mysteriis in seinem Sinn), die Götter hätten die Macht, die εἱμαρμένη) zu lösen (Zeller 704, 2; eine ähnliche Anschauung ist es offenbar, wenn Firmicus meint, man solle zu den Göttern flehen, dass bestimmte üble Constellationen verhütet werden möchten), und das bessere Teil des Wesens in uns sei dem Verhängnis nicht unterworfen (Zeller 704, 5), was an die Hermetiker und Gnostiker erinnert. Endlich der letzte grosse Neuplatoniker Proklos hat z. B. in seinem Commentar zum Staat Platons so viel Astrologisches zur Erklärung herangezogen, dass man leicht sieht, wie fest in ihm der Glaube an die Sterndeuterei stand, und schrieb ja auch eine Paraphrase zur Tetrabiblos (o. S. 1823).

Doch kehren wir nach dieser Abschweifung zur zeitlichen Reihenfolge zurück. Die öffentliche Anerkennung, deren sich die A. eine Zeit lang zu erfreuen gehabt hatte, war nicht von Dauer. Zwar von der traurigen Zeit der Zerrüttung des Reiches wissen wir nichts zu sagen. Aber bald nach seiner Neuordnung, im J. 294, schritt Diocletianus gegen die Sterndeuter ein: artem geometriae discere atque exercere publice intersit. ars autem mathematica damnabilis interdicta est (Cod. Iust. IX 18, 2). Dass die christlichen Kaiser in seinen Bahnen blieben, ist begreiflich, wenn sie auch weniger durch die Religion, als durch politische Erwägungen bestimmt gewesen sein mögen. Allerdings von Constantinus, der ja so vielerlei Aberglauben duldete (Cod. Theod. IX 16, 3 vom J. 321) ist nicht bekannt, dass er gegen die A. eingeschritten wäre. Wohl aber erliess Constantius 357 ein Edict: nemo .. consulat.. mathematicum.. Chaldaei et magi et ceteri, quos maleficos .. vulgus appellat, nec ad hanc partem aliquid moliantur. sileat omnibus perpetuo divinandi curiositas. Den Übertreter sollte das Schwert treffen (Cod. Theod. IX 16, 4). Indes es nützte nichts. 358 verbot derselbe Kaiser die Divination im eigenen Comitatus (ebd. 6). Auch 370 und 373 wurde [1826] das Verbot der A. wiederholt (ebd. 8). Indessen halfen alle diese Verbote so wenig wie in früheren Zeiten. Ammianus (XXVIII 4, 24) bezeugt uns, dass zu seiner Zeit viele Römer nicht an die Götter, sondern an die Gestirne glaubten. Selbst ein Augustinus trieb in seiner Jugend eifrig A. (confess. IV 3). Und gerade unter Constantinus und Constantius lebte der zweite römische Astrologe, dessen Werk uns erhalten ist, Firmicus Maternus aus Sicilien. Er verfasste seine acht Bücher matheseos zwischen Ende 335 und Mai 337 (Mommsen Herm. XXIX 468f.) und widmete sie dem Proconsul Mavortius Lollianus (s. Borghesi Oeuvres IV 519. Sittl Archiv f. Lexik. IV 610). Dass er sie habe geheim halten wollen, wie Sittl (a. a. O.) meint, ist mir sehr unwahrscheinlich. Die Zahl der Bücher ist gewählt nach der Zahl der Planeten (VIII 33), indem Buch 1 als Vorrede zum Ganzen die A. gegen ihre Angreifer verteidigt. Buch 2 erläutert dann ganz ausführlich die Grundbegriffe; die folgenden Bücher schildern im einzelnen die Wirkungen der Sterne und Himmelshäuser. Endlich das achte Buch, nach dem Verfasser die Krone des Ganzen, giebt hauptsächlich die sphaera barbarica. Welchen Quellen er dabei gefolgt ist, wird sich schwerlich je mit Sicherheit ausmachen lassen, da er sie absichtlich verschweigt. So hat er für einen Teil von Buch 8 das fünfte Buch von Manilius fast wörtlich entlehnt (zuletzt Ribbeck Röm. Dichtung III 22), ohne dass er ihn weder hier, noch in der historischen Übersicht (II praef.) auch nur nännte. Andererseits feiert er den Ptolemaios als die höchste Autorität, und doch hat er ihn erweislich überhaupt nie eingesehen. Dagegen hat er, durch irgend welchen Mittelsmann, ziemlich viel petosirideisches Gut bewahrt. Sonst folgt er bald diesem, bald jenem Gewährsmann, allerdings kaum wohl je direct den von ihm Genannten, denn er liebt es, mit möglichst entlegenen Namen zu prunken. Unselbständigkeit in jeder Hinsicht ist für ihn bezeichnend. Der Gegner, den er im ersten Buch so lebhaft bekämpft, ist Karneades (Prächter Berl. philol. Wochenschr. XIII 61. Boll a. a. O. 181f.)! Seine Verteidigung ist ganz neuplatonisch, wie überhaupt sein ganzes Buch von dieser Philosophie durchtränkt ist (o. S. 1824; vgl. Teuffel Litteraturgesch.⁵ § 406, 4f.). Von der A. selbst dagegen versteht er nur wenig. Trotzdem nahm er es mit ihr sehr ernst, und die Lebensordnung, die er für seinen Astrologen aufstellt, erinnert lebhaft an das, was später Iulianus von seinem Priester verlangt hat. Am interessantesten aber ist es zu sehen, wie er sich über die politischen Gefahren der A. hinweghilft. Tritt eine Frage nach dem Kaiser an den Astrologen heran, so soll er den Fragesteller abweisen und ihn belehren, dass er ihm darüber nichts sagen könne, nicht nur, weil es verboten sei, sondern besonders deshalb, weil der Kaiser dem Fatum nicht unterliege, denn er ist Herr der Welt, und deshalb hängt sein Schicksal von dem höchsten Gott allein ab. Gehört er doch selbst zu den Göttern (II 33). Im ganzen aber bildet das Buch eine unerquickliche Lectüre, wegen der unerträglichen Geschwätzigkeit seines Verfassers. Aber für die A. und auch für die Kulturgeschichte seiner Zeit bietet es eine Fülle wertvollen Materials (neueste Ausgabe von Sittl I 1894).

[1827] Ungefähr ein Menschenalter später (ca. 381; s. Engelbrecht Hephaistion von Theben und sein astrologisches Compendium 23) lebte der griechische Astrologe Hephaistion von Theben in Ägypten, dessen drei Bücher περὶ καταρχῶν noch erhalten sind. War schon Firmicus unselbständig, so gilt das noch in höherem Masse von diesem Abschreiber. Die zwei ersten Bücher hat er zum grössten Teil und nahezu wörtlich aus der Tetrabiblos genommen, das dritte fast ganz aus Dorotheos. Daneben sind noch grosse Stücke ägyptischen Gutes, die ihm durch einen Bearbeiter des 3. Jhdts. (vielleicht Campestrius, s. d.) zugekommen sind. Wert hat sein Werk überhaupt nur wegen eben dieser Reste älterer Autoren (Ausgabe von Buch 1 durch Engelbrecht a. a. O., wo S. 28ff. die Quellenbenützung ausführlich erörtert ist; die andern Bücher unediert).

Eine achtenswertere Erscheinung ist der mit Hephaistion gleichzeitige Paulus von Alexandreia (er datiert im ἐπὶ τῆς σήμερον ἡμέρας, ἥτις ἐστὶν κ μεχὶρ ἔτους ἀπὸ Διοκλητιανοῦ qδ = 378, c. περὶ τοῦ γνῶναι ἑκάστην ἡμέραν κτλ. H 4v der Ausgabe), der zwar auch im wesentlichen ägyptische Quellen ausschreibt, aber doch die Ansichten seiner Vorgänger verständig abwägt. Seine εἰσαγωγὴ εἰς τὴν ἀποτελεσματικήν ist uns in der zweiten, seinem Sohn Kronammon gewidmeten Bearbeitung erhalten (herausgegeben von Schato Wittenberg 1586).

Es folgt jetzt der rasche Verfall der A. Zwar trotz aller kirchlichen und staatlichen Interdicte trieb man sie eifrig weiter, und wir besitzen astrologische Tractate in griechischer Sprache bis zum Ende des byzantinischen Reiches und darüber hinaus. Aber von selbständigen Arbeiten ist nicht mehr die Rede. Auszüge und wieder Auszüge aus den Älteren sind es, was die zahllosen, durch alle Bibliotheken verstreuten astrologischen Sammelhandschriften bieten, und es ist zu hoffen, dass ihre sorgfältige Ausbeutung es ermöglichen wird, manches bessere Werk wiederherstellen zu können. Aber von einer eigentlichen astrologischen Wissenschaft kann in Europa vorläufig nicht mehr die Rede sein. Nur eine Erscheinung haben wir noch zu erwähnen, den merkwürdigen Versuch eines namenlosen Christen, A. und Christentum zu versöhnen, in den zwei Büchern des Dialogs Hermippus aus unbekannter Zeit (vgl. Anonymi Nr. 1). Allzuviel Christliches liess sich freilich hier nicht verwerten, um so mehr, als der Verfasser stark zum Neuplatonismus neigt (I 3. 7. 13; besonders 16 und II 12; er ist aber, wie Boll a. a. O. 142f. nachdrücklich zeigt, guten alten Quellen gefolgt). Und so läuft denn schliesslich seine, im übrigen wegen mancher von dem gebräuchlichen astrologischen Apparat abweichender Meinungen interessante Lehre auf den plotinischen Schluss hinaus, dass die Sterne das Schicksal nicht machen, sondern verkünden (I 7). Natürlich musste dieser Aussöhnungsversuch misslingen und ist denn auch eine vereinzelte Curiosität geblieben.

Von der Thätigkeit der spätern Griechen lässt sich, wie gesagt, nicht viel Rühmens machen. Hervorheben will ich hier nur noch den unter Iustinianos lebenden Johannes Laurentius Lydus, der in seinem Buch περὶ διοσημείων (ed. C. Wachsmuth, [1828] Lips. 1863) vieles Astrologische, das sich auf die Ausdeutung dieser Vorzeichen bezieht, aus Älteren zusammengestellt hat (s. Wachsmuths Vorrede), so dass sein Buch einen guten Begriff davon giebt, wie die A. in alle möglichen andern Formen der Mantik übergriff. Auch der von Herakleios nach Konstantinopel berufene Stephanos verteidigte die A. (Usener De Stephano Alexandrino, Bonn 1879), so dass man ihm im 9. Jhdt. gar eine astrologische Schrift über die Dauer des muhammedanischen Reichs unterschob. Endlich nenne ich noch Johannes Kamateros (vgl. über ihn Krumbacher Byz. Litteratur 368), der in dichterischer Form die gesamte A. kurz behandelte, wobei er zum Teil entlegenen, sonst nicht nachweisbaren Quellen folgte (z. B. in der Lehre von den 12 Himmelshäusern c. 44ff.). Von den Byzantinern kam die A. dann zu den Arabern, die sie eifrig pflegten und dem Westen überliefert haben, wo sie noch bis in neueste Zeit fortgelebt hat.

Litteratur: Die antiken Astrologen bei Fabricius B. G. IV 128ff. ed. Harles. Von den neueren ist ausser den im Text genannten Werken zu erwähnen: Scaliger in der Ausgabe des Manilius. Salmasius De annis climactericis (das Hauptwerk über die antike A.). Lenormant Die Magie und Wahrsagekunst der Chaldaeer, Jena 1878. Andere Werke sind verzeichnet bei Bouché-Leclercq Histoire de la divination I 206 und bei Daremberg-Saglio Dictionnaire II 302. Vgl. Alchemie, Ἰατρομαθεματική, Magie, Μετωποσκοπία und unter den einzelnen Astrologen.

[Riess. ]

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Seit Erscheinen des Artikels von Riess ist die Geschichte und das System der alten A. von mehreren Seiten in Angriff genommen worden. Eine eingehende Darstellung der Lehren der griechischen A. und reiches Material zu ihrer culturgeschichtlichen Würdigung giebt Bouché-Leclercq in dem Werke L’astrologie grecque, Paris 1899. Die massenhaften handschriftlichen Überlieferungen von Werken der griechischen A. werden verzeichnet in dem von Cumont unter Mitarbeit von Boll, Kroll, Olivieri u. a. herausgegebenen Catalogus codicum astrologorum graecorum, Brux. 1898ff. (bis jetzt 3 Hefte erschienen).

[Boll. ]
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