Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Form d. Tanzes
Band XI,2 (1922) S. 13821385
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Kordax. Nach den meisten Erklärungen κωμικὴ ὄρχησις – Poll. IV 99. Athen. I 20 e. Lucian. de salt. 26. Harpokr. s. v. II p. 311; vgl. I 23, 13. Schol. Aristoph. Nub. 540. Suid. s. κορδακίζει. Schol. Lucian. prolal. S. 9, 7 Rabe. Eustath. in Iliad. XVIII 605 = S. 1167, 21. Phot. s. σίκιννις II 155 und s. σήκιννις II 153, wo er sich auf Aristoxenos beruft; nach Bekker Anecd. Graeca 101, 16 behandelte diese Frage Aristoxenos in der Schrift περὶ τραγικῆς ὀρχήσεως, vgl. Latte De saltat. Graecorum, Gießen 1913, 13. Nach Hesych. s. κορδακισμοί waren diese burlesken Tänze den Mimen eigen, auch Libanius pro salt. 75 hält K. für einen Theatertanz und läßt seinen verderblichen [1383] Einfluß auf die Zuschauer zu, aber aus Iulians Worten (Misop. 359 D): οὐδὲ ἕλκει τις εἴσω τῆς σκηνῆς κόρδακα kann man schließen, daß zu seinen Zeiten dieser Tanz der Bühne schon ferne war. Der Scholiast zu Lucian. Προλαλία ἢ Διόνυσος sagt: κόρδξ εἶδος ἀπρεποῦς καὶ αἰσχρᾶς ὀρχήσεως παραπλησίας τῇ πυρριχῇ (S. 9, 5 Rabe). Cass. Dio L 27, 6 atellt κορδακίζειν mit γελοίως ὀρχεῖσθαι zusammen. In einem Briefe des Alkiphron ladet ein Landsmann seinen Freund zum Geburtstage seines Sohnes ein, nachdem man des Trankes genug hatte ὄστις ἐπιτήδειος κορδακίζειν, εἰς μέσους παρελθὼν τὸ κοινὸν ψυχαγωγήσει (III 18). In einem anderen Briefe erzählt ein Dieb, daß er am Feste Κουρεῶτις in einem Privathause unter tief Besoffenen K. tanzte (Alkiphron III 46). Ebenso läßt Mnesimachos in seinem Ἱππότροφος frg. 4 K. einen Herrn aufzählen, was alles beim Gelage den Gästen angeboten. wird. Nach dem Wein, sagt er, λέπεται κόρδαξ, ἀκολασταίνει νοῦς μειρακίων, womit schon Meineke Athen. XIV 663 d: τῷ δὲ λέπεσθαι χρῶνται οἱ Ἀθηναῖοι ἐπ’ ἀσελγοῦς καὶ φορτικῆς δι’ ἀφροδισίων ἡδονῆς verglichen hat, vgl. Alexis frg. 49 K. Auch Trimalchio fordert daß seine Fortunata am Gelage vor seinen Gästen K. tanze, Petron. 52, 8, vgl. Friedländer z. St. Bei Synesios ep. 32 wird unter anderen Eigenschaften eines verworfenen Sklaven erwähnt, daß er K. tanze: ἐν τῇ τοῦ ποτηρίου περιφορᾷ. Iulian (Misop. 350 B) stellt μεθύειν und κορδακίζειν nebeneinander. Bei Lukian (Ikarom. 27) tanzt Silen bei einem Göttergelage K.-Solo mit Begleitung der Lyra des Apollon, und der Scholiast bemerkt zur Stelle κ. ἐστὶν ἡ μετὰ μέθης ὄρχησις (S. 108, 29 Rabe). Georgios in seinen προγυμνάσματα sieht darin, daß Paris κορδακίζει, ein Zeichen seiner ἀπαιδευσία (Walz Rh. Gr. I 570). Theophrast Charak. 6 zählt unter anderen Eigenschaften τῆς ἀπονοίας auch ὀρχεῖσθαι νήφων τὸν κόρδακα. Derselben Meinung ist auch Demosth. Olynth. II 18. Ebenso will Aristophanes (Nub. 540) dadurch beweisen, daß seine Lustspiele als moralisch zu betrachten sind, daß sie οὐδὲ κόρδαχ’ εἵλκυσεν, dazu Schol.: κόρδαξ – κωμικὴ (ὄρχησις) ἥτις αἰσχρῶς κινεῖ τὴν ὀσφῦν: ἔστι δὲ ὀρχήσεως κωμικῆς εἴδος ἀσχήμονος. Der andere Scholiast erklärt zu derselben Stelle – κόρδαχ’ εἵλκυσιν durch – ἀσεμνῶς ὀρχήσατο. Ebenso beurteilt diesen Tanz auch Hesychios, s. κόρδαξ: κορδακίζουσα, sagt er, αἰσχρὰ ὀρχουμένη = Suid. s. κορδακίζει. Bei Aristoph. Nub. 558 ist die Rede von einer betrunkenen Alten, welche die K.- Solo tanzt. Athenaios sagt, daß K. ein παιγνιώδης (XIV 630 e, vgl. Hesych. s. v.) und φορτικὸς-(XIV 631 d) Tanz war. Ebenso wenn Aristot. Rhet. III 8, 1408 b den τροχαῖος κορδακικώτερος nennt und daraus schließt, daß in ihm keine σεμνότης sei, so weist auch er auf den scherzhaften Charakter dieses Tanzes. Man meint, daß bei Aristophanes in den Wesp. 1487ff. Philokleon einen K. tanzt (so urteilte schon der Scholiast zu Nub. 542) und, wirklich, er ist besoffen (v. 1476), aber die Bezeichnungen seiner Bewegungen sind so breit gefaßt undt unbestimmt, daß eine präzise Vorstellung vom Charakter seiner einzelnen Bewegungen und Pas zu machen unmöglich ist. [1384] Außerdem weist kein Wort im Texte darauf hin, daß sein Tanz K. sei; Philokleon will ja nur zeigen, daß gegenwärtige tragische Tänze verfehlt seien, und darum einen, alten Tanz nach Thespis Art aufführen (v. 1479-1480). Daraufhin ruft er zum Wettkampfe einen tragischen Tänzer (v. 1498), und sein Nebenbuhler wird als Sohn des alten Tragikers Karkinos bezeichnet (v. 1501). Deshalb kann man annehmen, daß sein Tanz auch kein K. sondern eine Parodie vom tragischen, näher freilich unbestimmbaren Tanze war (vgl. I. van Leeuwen Aristophanis Vespae ad v. 1537). Aus dem Ausdrucke κόρδαχ’ εἵλκυσεν (Arist. Nub. 540) schloß man, daß dieser Tanz mit einem Strick in den Händen des Vortänzers von mehreren getanzt wurde. Aber Schnabel (1-2) hat richtig nachgewiesen, daß εἵλκυσεν nichts mit dem Führen am Seile gemein hat, es gehöre zur orchestischen Terminologie (vgl. Schol. z. St. Arist Pax 328. Poll. IV 105).

Athen. IV 629 d nennt K. ὑποχρηματική, also konnte K. auch unter Begleitung der Chorlieder getanzt werden (vgl. Latte a. a. O. 14). Nach Libanius (pro salt. 75) mußte derjenige, welcher K. tanzte, am meisten dafür sorgen, μὴ παραγυμνοῦσθαι. Nach Plut quaest. com. VII 3, 711 F = IV S. 289 Bern. konnte K. auch einen mythologischen Charakter annehmen, indem Echo, Pan oder Satyr mit dem Eros vorgestellt wurden, und dieses ὑπόρχημα nennt er Βαύλλειον (vgl. o. Bd. S. 137-138). Bei Fronto ad M. Antoninum oratoribus S. 156 N. scheint die Lesart cordaces, anstatt welcher schon M. Haupt crepaces treffend vorgeschlagen hat, verdorben zu sein, darum kann auch diese Stelle nicht in Betracht kommen. Schnabel nimmt an, daß K. mit μόθων, καλλαβίς nah verwandt sei, und will deshalb nach dem, was wir bei den alten Grammatikern über diese Tänze finden, einzelne σχήματα auch des K. aufstellen, aber die Beschreibungen der Tänze bei den Grammatikern sind so unbestimmt und lassen sich so verschieden deuten, daß wir nichts Positives daraus schließen können; vgl. Poll. IV 104 mit Athen. XIV 629 f; denn sagen die Grammatiker selbst, daß sie nichts über einzelne Tänze wissen (Poll. IV 103). Darum müssen, wir auf jede nähere Kenntnis dieser σχήματα verzichten. Seine Erklärung der einzelnen σχήματα des K. will Schnabel auch durch πόδιζε bei Kratinos frg. 219 K. bekräftigen, aber diese Lesart ist nur eine bloße Konjektur von Meursius und darum kann diese Stelle auch keinen Wert haben. Schon längst wollte man eine K.-Darstellung auf einem Bilde sehen (bei Wieseler Theatergeb. IX 6. Heydemann Arch. Jahrb. 1886 N α), aber schon Wieseler hat nachgewiesen S. 54, daß hier vom K. keine Rede sein kann. K. O. Müller (Handb.² S. 686 § 425, 7) meinte, daß auf einer von Laborde publizierten Vase (jetzt Reinach Repertoire II 202) K. dargestellt sei. Hinke will denselben Tanz auf einem Aryballos aus dem Britischen Museum erkennen und auf einer korinthischen Kylix aus Athen. Mus. (Couve-Collignon XXIII nr. 571), aber schon Flach (Der Tanz bei den Griechen 1881, 34) sagt, daß es unmöglich wäre,[1385] K.-Darstellungen von denen, wo überhaupt betrunkene Tänzer dargestellt seien, zu unterscheiden. Schnabel dachte, daß K. auf einer Amphora aus dem Museum zu Corneto, wo drei nur mit einem Mantel bekleidete Personen tanzen (bei ihm Tafel 1 und 2) dargestellt sei, ebenso wie auch auf einer Reihe von anderen Vasen (ihre Liste S. 26-27), aber diese Deutung bleibt ganz unbegründet. In allen diesen Tänzern sieht er als Dämonen verkleidete Menschen, welche eine Travestie darstellen sollen. Diese Tänze stellt er mit dem peloponnesischen Kulte der Artemis-K. (Paus. VI 22, 1) zusammen; aus diesem und nicht aus dem Dionysoskulte, sollte, seiner Meinung nach, das ganze komische Drama entstanden sein; ein unentbehrlicher Bestandteil dieser Possen mußte K. sein. Aber diese Hypothese, welcher nötige Belegstellen gänzlich fehlen, ist bereits für ganz unbegründet erklärt (Körte Deutsche Lit.-Ztg. 1910 nr. 44 S. 2787–2789. Bursian Jahresber. CLII 1911, 236. Blümner BW f. kl. Phil. 1911, nr. 30-31. Nillson Ilbergs Jahrbücher 1911, 673. Warnecke Προπεμπτήρια, Festschrift f. E. v. Stern 1913, 284–328 russisch). Latte a. Ο. 90 hält aus vielen triftigen Gründen es für ganz unentschieden, wo auf den Vasenbildern eine σίκιννις dargestellt ist, weil wir nichts außer dem Namen von ihr wissen, dasselbe paßt auch für den K. Also wir müssen auf jede nähere Kenntnis dieses Tanzes verzichten und uns mit dem Schlusse begnügen, daß K. ein ausgelassener und unanständiger Tanz war, welcher oft bei Gelagen auch solo vorgeführt wurde; ihm fehlte aber eine religiöse Grundlage nicht. Nach Lucian. de salt. 22 hatte Dionysos selbst durch diesen Tanz die Indier, Tyrrener und Lydier bezwungen, auch Arrian. hist. Ind. VII 8 erzählt, daß Dionysos den K. bei den Indiern eingeführt hatte (vgl. Winter De mimis Oxyr. Lips. 1906, 40). Lucian. Bach. 1 läßt im Dionysos-Thiasos auch einige nackte, beschwänzte und behörnte Jünglinge K. tanzen; damit werden freilich die Satyroi gemeint Aus Paus. VI 22, 1 wissen wir, daß in Elis Artemis mit dem Beinamen K. verehrt wurde (vgl. o. Bd. II S. 1353 § 24). Damit hat schon Ross eine Inschrift CIG II S. 1035 Nr. 22 640, wo v. 3 περὶ τὸν Πύθιον Ἀπόλλωνα Κορδάκων zu lesen ist, in Zusammenhang gebracht (vgl. Lüders Die dionys. Künstler 33). Jetzt stellt v. Wilamowitz mit diesem Kultus auch eine Inschrift aus Minoa (IS XII 7, 246), wo die (κορδακι(σταὶ περὶ τὸν Πύθιον Ἀπόλλωνα κορδάκων genannt werden, zusammen.

Literatur: Außer den schon genannten Werken Schnabel Kordax, München 1910. Hinke Le cordax dans le culte de Dionysos, Rev. Arch. XVII 1911 1-5. Sittl Die Gebärden 227–228, 230.