Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Epistatai, Vorsteher von Korporationen und Kommissionen
Band VI,1 (1907) S. 200202
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Ἐπιστάται können Vorsteher jeder Korporation und Kommission, sowie alle Personen genannt werden, denen die Obsorge für irgend ein Werk obliegt. Im besonderen werden so bezeichnet 1. die Vorsteher des Rates und Volkes, die das Präsidium in beiden Versammlungen oder in einer derselben führten. Außerhalb Attikas, aber zum Teil in Anlehnung an attisches Recht begegnen uns einer oder mehrere solcher ἐ. auf zahlreichen Inschriften, von denen zitiert seien: auf der Insel Rhodos und zwar in der Stadt Rhodos drei I. IG XII 1, 731 und ebd. 844 als [201] ἐ τοὶ πεμφθέντες ὑπὸ τοῦ δάμου, in Lindos ebenfalls drei ebd. 761 und 762, die überdies mit der Formel ἐπιστατῶν γνώμη ihren Antrag an die Volksversammlung bringen, worüber zu vergleichen Schumacher De republ. Rhodiorum 24ff., ferner ebd. 922, wo die E. von Lindos angewiesen werden, einen Mann zur Herstellung eines Ehrenkranzes auszuwählen (ein rhodischer ἐ. auch in der Inschrift von Mughla Athen. Mitt. XI 203 erwähnt); auf Amorgos nach attischem Muster CIG II 2263 c. Dittenberger Syll.² 565. Bull. hell. VIII 450. XII 229. XV 583. 590. 593. 691, in Melos Athen. Mitt. XI 116, in Ios IG XIT 5, 1 nr. 3. 6; in Kos Paton Inscr. of Cos 105; in Astypalaia CIG 2484; in Milet als Vorstand des Rates Le Bas III 222; in Ilion als Vorstand der Prytanen CIG 3595; in Zeleia Dittenberger Syll.² 154; in Magnesia am Maiandros in der Formel τῶν προέδρων ἐπεστάτει also als Präsidenten einer der Volksversammlung Vorsitzenden Kommission wie in Athen bei Kern Inschr. von Magnesia 2. 4. 5. 6. 9. 13. 14. 15. 89. 90. 98; in Thessalonike vorauszusetzen aus der Erwähnung eines ὑπεπιστάτης, der einen Antrag ans Volk bringt, Bull. hell. X 124, Genauer unterrichtet sind wir über den ἐπιστάτης in Athen. Hier bestand im 5. Jhdt. ein ἐπιστάτης τῶν πρυτάνεων, der auf einen Tag und eine Nacht gewählte Vorsitzende des jeweils fungierenden Prytanenkollegiums, der als solcher zugleich Präsident des Rates und der Volksversammlung ist. Im 4. Jhdt. bleibt zwar dieser ἐπιστάτης τῶν πρυτάνεων, führt aber nicht mehr den Vorsitz. Über seine Funktionen erfahren wir aus Aristot. πολ. Ἀθ. 44 das Folgende: Er darf sein Amt nicht zweimal verwalten, bewahrt die Schlüssel der Heiligtümer, in denen Geld oder die Archive untergebracht sind, und das Staatssiegel und muß mit dem Drittel (τριττύς) der Prytanie, das zu ihm gehört, während seiner eintägigen Amtsdauer in der θόλος bleiben, Für den Vorsitz in Rat und Volksversammlung erlost er neun Proedren, einen aus jeder Phyle mit Ausnahme derjenigen, die gerade die Prytanie führt, und aus diesen neun Personen wird ein ἐπιστάτης τῶν προέδρων bestellt, der das Programm der Versammlung vom ἐ. τῶν πρυτάνεων erhält. Die Formel, die die Volksbeschlüsse der älteren Zeit aufweisen, in der der ἐ. τῶν πρυτάνεων den Vorsitz führt, lautet in den Inschriften ὁ δεῖνα ἐπεστάτει, die jüngere hingegen τῶν προέδρων ἐπεψήφισεν (Hartel Beiträge zum attischen Staatsrecht und Ürkundenwesen 4, die ältere Formel ebd. 15–19. 102, die jüngere 15. 25. 61. 102). Über die Funktionen s. einerseits Xen. mem. I 1, 18 und IV 4, 2, anderseits Aisch. II 82–85. Die jüngere Formel ist zuerst IG II 17 b für das J. 378 nachzuweisen. Beide s. sind in einer nebensächlichen Funktion, dabei der ἐ. τῶν πρυτάνεων als Führer des Staatssiegels, genannt IG II 5, 104. Koehlers Bedenken gegen den täglichen Wechsel des letztern in der Zeit des 4, Jhdts., Athen. Mitt. V 270, halten gegenüber dem Zeugnis des Aristoteles nicht Stich, behalten aber ihre Geltung für die Kaiserzeit.

2. Auch der Vorsitzende der Nomotheten heißt in Athen iἐ. τῶν νομοθετῶν IG II 115 b, wie der Vorstand des Gerichtes in Erythrai ἐ. τῶν δικαστῶν Le Bas III 1559. [204]

3. Nach Arist. Polit. VII (VI) 8, 1321 b hießen in den griechischen Staaten die Behörden, bei denen Dokumente über Rechtsgeschäfte und richterliche Entscheidungen angefertigt wurden, ἱερομνήμονεσ, μνήμονες oder ἐ.

4. In Athen gab es ἐ. sowohl als Vorsteher der Tempel, die zusammen mit den ἱεροποιοί die Gelder verwalteten, und zwar jedes Tempels gesondert IG I 32. 322. II 758, die ἐ. Ἐλευσινόθεν IG II 834 b, als auch als Vorsteher öffentlicher Arbeiten IG I 289. 296. 300–311. II 167, speziell für den Mauerbau, Boeckh Staatsh. I³ 205, wie auch Lykurgos als ἐ. für den Bau der Werften und der Häfen im Leben der 10 Redner 841 D bezeichnet wird (vgl. Fraenkel zu Boeckh Staatsh. II 105* A. 719); besoldete Bauunternehmer, als ἐ. δημοσίων bezeichnet, finden sich IG II 834 b, denen die mit den τεχνῖται und ἀρχιτέκτονες zusammengenannten ἐ. in Kyzikos (Athen. Mitt. XVI 144) zu vergleichen sind, während ein staatlich bestellter außerordentlicher Kommissär zur Vergebung einer Bildsäule in Erythrai auf der in Rhodos gefundenen Inschrift IG XII 1, 6 erscheint. Wie die Baukommissäre, so ist auch der ἐ. τοῦ ναυτικοῦ Aeschin. III 222 ein außerordentlicher Kommissär. Ἐ. der Tempel und des Tempelbaues finden sich auch außerhalb Attikas, so in Epidauros IG IV 1492 der ἐ. τοῦ ναοποήματος τοῦ παρ’ Ἀπόλλωνι.

5. Demetrios von Phaleron führte als Verwalter Athens, nach einer wahrscheinlichen Ergänzung Koehlers zu IG II 584, den Titel ἐπιστάτης τῆς πόλεως, obgleich er von Diod. XX 45 ἐπιμελητής genannt wird. Vgl. Strab. IX 398.

6. Zur Charakterisierung der zahlreichen sonst noch vorkommenden E. privater Anstalten oder innerhalb kleinerer Wirkungskreise seien zitiert aus Delos ein ἐ. τοῦ μουσείου Bull. hell. III 470 und aus Rhodos der ἐ῎ τῶν παίδων IG XII 1, 43.

[Szanto. ]