Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1/Zehntes Kapitel

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[608] Zehntes Kapitel.

Die frankfurter Bücherkommission.

Weltlage im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts. – Die Jesuiten. – Erste Andeutungen über die Kommission. Zweck derselben. – Kurzsichtigkeit des frankfurter Rats. – Definitive Einsetzung durch Rudolf II. – Allmähliches Hervortreten ihrer Ziele. – Rekonstruktion im Jahre 1608. – Widerstand von Kursachsen und Pfalz. – Weiterentwickelung der Übergriffe. – Personalien. – Direktes Eingreifen des kaiserlichen Hofs. – Die Pflichtexemplare. – Neubeginn der Bedrückungen nach dem Westfälischen Frieden. – Die Bücherkommissare Hörnigk und Sperling. – Die Büchertaxe. – Klagen über Schäden im Buchhandel. – Steigerung der Chikanen. – Auftreten der evangelischen Reichsstände. – Der Bücherkommissar Vollmar und seine neue Instruktion. – Vorbereitung einer Wandlung in den Geschäftsformen des Buchhandels.

Man wird die eigentlichen Beweggründe für die Einführung der kaiserlichen Bücherkommission in Frankfurt a. M. nur dann richtig verstehen, wenn man die allgemeine europäische Weltlage der letzten vierzig Jahre des 16. Jahrhunderts in Betracht zieht.

In Deutschland war seit dem Augsburger Religionsfrieden (1555) ein leidlicher Friedenszustand eingetreten, und es schien eine Zeit lang sogar möglich, daß sich die feindlichen Gegensätze versöhnen ließen. Unter der glatten Oberfläche tobten aber die wildesten Leidenschaften fort und namentlich bereitete sich die katholische Kirche zur Wiederaufnahme des Kampfes vor. Sie faßte nämlich auf dem Tridentiner Konzil alle ihre bisher zersplitterten Kräfte in einem einzigen einheitlichen und zielbewußten Willen zusammen, stellte die päpstliche Autorität an die Spitze aller Gläubigen, kannte kein Schwanken mehr in ihrem Verhältnis zu den Protestanten und arbeitete auf unbedingte Verfolgung aller Ketzer hin. Wenig gewissenhaft in der Wahl ihrer Mittel und von den Jesuiten, [609] den fähigsten Politikern ihrer Zeit, geführt, entzündete sie den offenen Kampf, wo er bisher noch nicht gewütet hatte, und brachte unter andern Maßregeln auch eine strenge Bücherpolizei nebst einem Index (verbotener Bücher). Rings um Deutschland herum loderte der Glaubenskrieg. In den Niederlanden erstickte Alba die Bewegung der Protestanten in einem Meere von Blut und ließ ziemlich zu derselben Zeit, als der erste Plan einer Bücherkommission aus der kaiserlichen Hofburg nach Frankfurt gelangte, die Führer Egmont und Horn enthaupten. In Frankreich erlitten 1569 die Hugenotten die letzten Niederlagen im offenen Felde, und drei Jahre später suchten die Guisen ihre hier gewonnene Macht durch die Pariser Bluthochzeit zu befestigen.

In Deutschland fühlte damals keine der beiden Parteien, weder Reformation noch Restauration, weder Augsburger Bekenntnis noch Tridentiner Satzung, besondere Neigung zum blutigen Waffenspiel. Der Kampf wurde also auf geistigem Gebiet eröffnet. Bis dahin war der Protestantismus dadurch im Übergewicht, daß er, was die katholische Kirche so lange versäumt, sich mit durchschlagendem Erfolg des ganzen geistigen Lebens bemächtigt, die Litteratur, die neue humanistische Bildung, Erziehung und Schule ganz in die Hand genommen hatte. Die angesehensten Namen in jedem Zweige der Gelehrsamkeit und Schriftstellerei entstammten in überwiegender Zahl dem Kreise der Protestanten und zu ihrem Publikum gehörte so ziemlich die ganze geistige Aristokratie der Nation. Seit den sechziger und siebziger Jahren entsteht eine Art Gegenwirkung, der Jesuitismus fängt an, mit den Mitteln der neuen Zeit zu arbeiten, seinem Prinzip gemäß, ganz anders wie die Mönchsorden, die von Welt und Wissenschaft schließlich nichts mehr wußten. An Talenten, Kenntnissen, schlagfertiger Dialektik fehlte es ihm nicht, und in dieser Richtung erschien er jetzt auf dem Kampfplatze, den Gegner mit den eigenen Waffen zu schlagen.[1]

Erleichtert wurde den Jesuiten dieser Kampf und der endliche Sieg durch zwei Umstände: einmal durch den Haß und die steigende Erbitterung, mit welcher die „rabies theologica“ der Lutheraner und Reformierten sich untereinander verfolgten und zerfleischten, dann aber durch die weltliche Macht, welche wohl oder übel ihnen ihren Arm lieh oder gar leihen mußte. Es war kein Geringerer als der deutsche Kaiser selbst, welcher, wie sich das im Laufe dieser Darstellung zeigen wird, im [610] Dienste und auf Befehl des römischen Papstes Polizei- und Häscherdienste gegen Litteratur und Buchhandel verrichten ließ.

Die katholische Kirche oder die Jesuiten – denn diese sind fortan die treibenden und ausführenden Kräfte des päpstlichen Stuhls nach außen hin – gingen natürlich äußerst vorsichtig zu Werke. So beobachteten scharf und sicher und brauchten sich auch nicht zu übereilen, da die Protestanten durch ihre innern Zwistigkeiten so in Anspruch genommen waren, daß sie nicht einmal sahen, was sich um sie her vorbereitete. In jenen auf die Stürme der Reformation folgenden Tagen der Ruhe hatte sich der deutsche Buchhandel zu einer bisher noch nicht gekannten Höhe emporgeschwungen, und nicht er allein, nein, Handwerk und Gewerbe, Handel und Kunst waren herrlich erblüht und feierten noch einmal eine kurze Renaissance. Die bürgerlichen und religiösen Kämpfe in Frankreich und in den Niederlanden hatten Tausende von gewerbfleißigen Franzosen und Belgiern nach Deutschland getrieben und namentlich zog Deutschland aus den antwerpener Flüchtlingen große Vorteile für seinen Handel. In dieser Zeit der höchsten Blüte des frankfurter Meßverkehrs einerseits und der Überlegenheit der Waffen katholischer Mächte andererseits fällt nun der Erlaß, durch welchen der Kaiser Maximilian II. am 1. August 1569 eine Bücherkommission in Frankfurt einsetzte. „Indeme die truckerherren bis dermohlen noch nit so stark im Schwunge waren“, sagt ein dem frankfurter Rate über die Bücherkommission unterbreitetes Gutachten vom Jahre 1696.[2]

Der Kaiser verfolgte mit jenem Erlaß ein doppeltes Ziel: einmal die Verhinderung der Verbreitung „derjenigen vntawglichen vnd verbottenen sectischen Schriften, welche unter Mißbrauch des Namens der Majestät mit deren Freiheiten versehen waren, und durch diese Täuschung die armen einfeltigen Leute verfüret vnd betrogen“, sodann aber die Wahrung seiner Rechte auf die Freiexemplare, welche er für die Privilegierung einzelner Bücher beanspruchte. Das letztere, ziemlich harmlos erscheinende Verlangen geht dem hier zuerst erwähnten voran und tritt auch später in den kaiserlichen Reskripten mehr und mehr in den Vordergrund; indessen darf man aus dieser besondern Betonung nicht schließen, daß das Verbot und die Unterdrückung der dem Papst und Kaiser mißliebigen Schriften nur ein Nebenpunkt gewesen sei. Man stellte ihn lediglich so hin, um den Maßregeln gegen den Inhalt der Bücher ein [611] weniger gehässiges Ansehen zu geben. Man achtete natürlich in der Hofburg die Freiexemplare keineswegs gering, forderte sie sogar mit unnachsichtiger Strenge ein, allein noch mehr strebte man nach Knebelung der Presse. Auf direktem Wege konnte man ihr nicht beikommen, da die Freie Stadt Frankfurt, wie jeder Reichsstand, die Censur bei sich zu handhaben hatte und die auswärts gedruckten Bücher am Orte ihres Erscheinens bereits censiert waren oder doch censiert sein sollten. Man suchte sich deshalb in der Folgezeit der Gesamtheit der neuerschienenen Bücher zu versichern und erreichte dadurch allerdings weit mehr.

„Da nun“, heißt es in dem Erlaß vom 1. August 1569 an den frankfurter Rat wörtlich weiter, „aus solchen hochsträflichen und Uns ganz unleidlichen Ursachen Unserer Reichshofkanzlei an dero Herkommen und Gerechtigkeiten Abbruch geschieht, so befehlen Wir Euch, daß Ihr zur jetzt angehenden Herbstmesse aller Buchdrucker und dero Führer die Buchhändler so viel dero dieselbe besuchen und gebrauchen, Gewölbe oder Buchläden, keinen ausgenommen, durch Etliche aus Eurem Mittel oder sonst Euch dienstverpflichtete Personen unerwarteter Dingen ersuchen und besichtigen, auch von denen jeden ein eigentlich ordentliches Verzeichniß aller deren Bücher, Traktate und Mappen innerhalb der letzten fünf Jahre während Unserer Kaiserlichen Regierung gedruckt, sonderlich aber derjenigen, so unter Unserm Kaiserlichen Privilegio oder Freiheit ausgegangen, zusammt demselben Privilegio erfordern und geziemender fleißig besichtigen und konferieren lasset. Falls Ihr aber Bücher, Traktate oder Mappen findet, für welche Unser Privilegium nicht sofort beigebracht oder für dessen Beibringung auf der nächsten Messe keine Bürgschaft gestellt werden kann, so sollt Ihr alle diese Opera an Unsrer Statt in Eure Verwahrung nehmen und Unserm Reichssekreter und Taxator Christoph Ungelter von Teiffenhausen sammt Verzeichniß und Eurer Anzeige übersenden. Diejenigen endlich, welche ein Privilegium vorlegen können oder es auf nächster Messe vorlegen wollen, sollt Ihr anhalten, nachzuweisen, wann und wie viel Exemplare sie Unsrer Reichshofkanzlei übersandt haben, oder aber Ihr sollt sogleich so viel Exemplaria zu Handen nehmen, auch wie viel Jahre Ihr das ausgebrachte Privilegium gestellt befinden werdet, und solche ebenmäßiger Gestalt Unsrer Reichskanzlei übersenden. In dieser Ordnung sollt Ihr mit den neu ausgegangenen Büchern und Überschickung dero Anzahl Exemplare von Messe zu [612] Messe vorgehen und in Unserm Namen den Buchhändlern und Truckern, auch zu halten und sich selbst vor Schaden zu hüten, verkünden.“

Der Rat erhielt diesen Erlaß erst am 11. September 1569, also zu einer Zeit, wo die Messe schon angefangen hatte, kam aber bereits am 14. ej. dem kaiserlichen Befehle nach und beschied die in Frankfurt anwesenden einheimischen und fremden Buchhändler auf den 16. und 18. September 1569 vor sich, um sie zur Vorzeigung ihrer Privilegien und Ablieferung ihres Katalogs, sowie zur Einsendung der verlangten Freiexemplare zu veranlassen. Es waren im ganzen die Vertreter von 87 Firmen vorgefordert, darunter 14 aus Köln, 5 aus Antwerpen, 7 aus Nürnberg, 5 aus Straßburg, 8 aus Basel, 15 aus Frankfurt, 3 aus Venedig, 4 aus Lyon und 5 aus Genf; es erschienen im ganzen aber nur 29. Da nun die meisten der so unerwartet Beschiedenen ihre Privilegien oder deren Bescheinigung nicht bei sich hatten, so versprachen sie, dieselben auf der nächsten Fastenmesse vorzulegen. Der Kaiser hatte sogar verlangt, sie unter Bürgschaft zu stellen, der Rat aber sah davon ab, weil die fremden Buchhändler von einer Messe zur andern für viele hundert Gulden Bücher in ihren Gewölben und Buchläden zu hinterlassen pflegten. Er bemerkte ferner erläuternd bei Übersendung der Liste an den Kaiser, daß die „oberzelten“ Personen nicht alle Buchdrucker, sondern mehrfach zum Teil Buchhändler, zum Teil Buchführer seien, daß ferner unter den Buchdruckern nicht alle Privilegien hätten, weshalb dieselben denn auch am zweiten Tage (18. September) nicht wieder vor dem Ratsverordneten erschienen seien. Sodann druckten von denjenigen, welche Privilegien hätten, viele Bücher für sich selbst, ohne solche Privilegien zu erwähnen. Außerdem gäbe es auch viele von den Typographis, die für sich selbst nichts, sondern allein mercenarie andern, zum Teil auch Buchdruckern, zum Teil aber auch Buchhändlern und Verlegern druckten und die gedruckten Exemplaria denselben, sobald das Werk fertig sei, zustellten. Solche bedürften der kaiserlichen Privilegien gar nicht. Endlich aber druckten viele Typographi sub Privilegio Caesareo, welches doch nicht sie, sondern ihre Autoren auswirkten und hinter sich behielten, damit sie repetitas editiones sub tali privilegio, welchem Drucker sie wollten, libere zustellen möchten. Solche Unterscheidungen müßten aber in diesem Handel wohl observiert und bedacht werden.

Von den Firmen, welche im September 1569 jenes Versprechen gegeben [613] hatten, machten es in der nächstfolgenden Fastenmesse, zwischen dem 18. und 25. März 1570, nur 11 gut. Der Rat behelligte sie nicht weiter, vielleicht weil der Kaiser entweder die ganze Angelegenheit vergessen hatte, oder aus dem Grunde auf sich beruhen ließ, weil er einsah, daß größere praktische Schwierigkeiten mit ihrer Ausführung verbunden waren, als er vorausgesetzt hatte. Von den nachstehenden Buchhändlern haben nur diejenigen, deren Namen gesperrt gedruckt sind, ihre Privilegien nachzuweisen und Verlagskataloge einzureichen für gut befunden; ob sie die verlangten Freiexemplare eingesandt haben, darüber findet sich kein Beleg in den Akten. Im Fastenmeßtermin erschienen aus Frankfurt a. M. Christian Egenolphs Erben, Sigismund Feyerabend und Johann Wolff; aus Basel Balth. Hahn in Gemeinschaft mit Polykarp und Hieronymus Gemusaeus, Vertreter der Firma Oporinus, Peter Perna, Joh. Herwagen, Hieronymus Froben, Eusebius Episcopus und Heinrich Petri; aus Straßburg Josias und Theodosius Rihel; aus Köln Gerwin Calenius für sich und die Erben Quentel, Maternus Cholinus, Theodor Graminaeus, Johann Birckmann und der Kartenverleger Hans Gossel; von Nürnberg für Johann von Bergs Erben Dietrich Gerlach und der Kartendrucker Hans Woldran; von Wittenberg Samuel Seelfisch; von Ingolstadt Alexander Weißenhorn; von Augsburg Isaac Keller für Georg Willer; von Heidelberg Mathias Harnisch und von Mainz Martin Behem. Von Antwerpen werden Christoph Plantin und Cornelius Caimox namhaft gemacht. Dieser letztere, Bürger in Nürnberg, seine Brüder Hubert und Heinrich Caimox. Bürger zu Speyer, und Hans Gossel von Köln zeigten bei ihrer Vernehmung am 18. März 1570 unter anderm an, „das Sy nur ain cosmographische Mappam, So Sy Vniversalem descriptionem totius mundi nennen, Und den 1. Augusti jüngst zu Teyssburg (Duisburg) Cöln under Kays. Mt 14 und der Kön. Mt in Hispanien Privilegio vf 10 Jar nit nachzutrucken, getruckt, So Sy von Gerarden Mercatore Mappentruckher zu Teyssburg, erkaufft.“

Der Rat hatte Maximilian seinen ersten Bericht am 17. November 1569 erstattet. Er war politisch so kurzsichtig, am Ende desselben dem Kaiser eine verfängliche und in der Folge verhängnisvoll gewordene Herausforderung zu stellen, welche die eigentliche Grundlage für die spätere Bücherkommission wurde. Er erklärte nämlich, der ihm gewordene [614] Auftrag koste zu viel Zeit und noch mehr Arbeitskräfte, weshalb er bitte, von der Prüfung der Bücherprivilegien und dem Besuche der Buchhändlergewölbe entbunden zu werden. Der Kaiser möge nicht allein seinen Rat Jakob Ochseln von Schlettstadt, der zur Herbstmesse 1569 sonderlich anher verordnet worden, sondern auch etliche seiner gelehrten Räte nach Frankfurt schicken, mit gnädigstem Befehl, nach Befindung dieses Handels nützliche Ordnung, wie es hinfür mit vielgedachten Buchdruckern und Buchhändlern gehalten werden solle, zu geben, wobei er, der Rat, dann mögliche Assistenz leisten wolle. Maximilian dankte der Stadt am 1. März 1570 für den von ihr bewiesenen Eifer, meinte, sie übertreibe ihre Verantwortlichkeit und Arbeit und erklärte, daß diese sehr leicht durch zwei Personen in ganz kurzer Zeit verrichtet werden könne. Indem er nicht weniger als fünf Freiexemplare verlangte, beschränkte er seinen ersten Befehl dahin, daß dieser in Zukunft nur für die neuen, während des letzten Jahres erschienenen Bücher gelten solle. Wenn der Rat die Tragweite seines Verhaltens hätte voraussehen können, so würde er mit beiden Händen nach dieser Vermittelung gegriffen und durch Anstellung von einem oder zwei Beamten die fernere Einmischung des Kaisers verhindert haben. Aber er hatte unglücklicherweise keine Ahnung von dem, was kommen würde, und beschränkte sich in seiner Rückäußerung vom 7. Juli 1570 darauf, dem Kaiser der ausführlichen Protokolle seiner Verhandlungen einzusenden und seine Dienste auch für die Zukunft anzubieten. Maximilian aber antwortete nicht einmal und ließ es bis zu seinem Tode bei den von ihm befohlenen, aber vom frankfurter Rate später nicht wieder ausgeführten Maßregeln bewenden.

Auch unter Rudolf II. wagte sich die von den Jesuiten geleitete habsburgische Politik anfangs nur schüchtern und versuchsweise vor, erhob sich aber bald zu kühnern Anläufen und ging schließlich zu entschlossenen Eingriffen in die Rechte der Stadt erfolgreich über. Der neue Kaiser saß kaum drei Jahre auf dem Thron, als er mit viel größerer Energie denn sein Vater einen Feldzug gegen die frankfurter Büchermesse eröffnete. Als er seine Aufmerksamkeit dem Reiche zuzuwenden anfing, streckten 1579 seine Ratgeber mit ganz richtiger Witterung ihre Hände nach derselben aus; sie erschien ihnen mit Recht als der gefährlichste Sitz der Ketzerei. Im stillen war sie allerdings wohl schon einer Überwachung unterworfen gewesen. Schwerlich hatte die Sammlung von Verlagskatalogen und [615] Meßplakaten aus den Jahren 1557 bis 1578 – worunter sogar ein handschriftlicher Katalog von Andreas Wechel in Frankfurt a. M. –, womit die Akten über die Bücherkommission im wiener Archiv beginnen, ausschließlich den Zweck, eine Kontrolle der Ablieferung der Pflichtexemplare zu ermöglichen; bezeichnend genug überwiegen die Kataloge protestantischer Verleger. Rudolfs II. erster Befehl, welcher ausdrücklich an die Verfügung Maximilians von 1569 und 1570 anknüpft und aus Prag, 23. März 1579 datiert ist, tadelt zunächst den Rat dafür, daß er in dem löblichen Werke, wie es 1569 und 1570 begonnen worden, nicht fortgefahren sei, noch gegen die Buchhändler den gebührenden Ernst gebraucht habe, denn dann würden der „unnützen Tractätlein und Schandtbücher“ längst weniger geworden sein. In Unterlassung solcher guten Ordnung aber sei sein und seiner Vorfahren Namen und Autorität mehr als jemals und zwar „wider Uns selbst“ mißbraucht worden. Von den einzusendenden Freiexemplaren ist in diesem Schreiben gar keine Rede mehr. Um aber keinen Zweifel darüber zu lassen, daß es in erster Linie auf Unterdrückung der protestantischen Litteratur abgesehen war, heißt es dann weiter, alle Läden und Gewölbe seien mit unnützen verführerischen Büchern, Schmähschriften, Gedichten und „Mallwerckhs“ angefüllt, wodurch viele Leute verwirrt, verführt und verbittert würden, weshalb zeitiges Einsehen mehr als je von Nöten sei. Aus diesem Grunde habe er, der Kaiser, seinem Kammerfiskalprokurator, dem Dr. Johann Vest (in Speyer) befohlen, sich mit diesem Schreiben nach Frankfurt zu verfügen und mit des Bürgermeisters und Senats Rat und Beistand die zuvor schon angestellte Inquisition der Druckereien und Buchläden in die Hand zu nehmen und fortzusetzen. „Ir wollet also unserm kaiserlichen Fiskal in solcher ihm anbefohlenen Verrichtung nit allein alle guete Anweisung Hilff und Beförderung erzaigen, Sondern auch Im eine Person oder zwo aus Eurem Mittel zuordnen, Und denselben auferlegen, mit und sambt Ime alles dasjhenig, was ob angezogene weilland unsers Vatters schreiben und unser bemelten Fiskal gegebener beuelch außweisen, nochmals bestes Vleiß fürzunemen und zu handeln. Danebens auch was ungeuerlich hierinnen noch weiters fruchtbarlich anzustellen und zu verordnen sein sollte, bedenckhen zu helffen. Sonsten aber für Eure Personen mit der Execution gegen den ungehorsamen und ubertrettern dermassen Ernstlich und aufrichtsam erweisen, daß wir Eur mißfallen, so Ir ob dergleichen [616] unordnung der Trucker und Buechhendler traget in Werckh spuren mögen.“ Der Rat kam dem Befehl ohne jede Widerrede nach. Der Kaiser sprach ihm ein Jahr später, 9. März 1580, seine volle Zufriedenheit mit der dem Dr. Vest geleisteten Hilfe aus und ermahnte ihn, sich auch in Zukunft seines Allerhöchsten Vertrauens würdig zu zeigen. Zugleich ernannte er am 9. März 1580 zur bessern Unterdrückung der Famosschriften und Schmähgedichte den Domdechanten zu St. Bartholomäus, Johann Steinmetz, zum zweiten Bücherkommissar.

Der Rat erntete jetzt, was er vor 10 Jahren gesäet hatte, und Rudolf II. nahm nur an, was seinem Vater freiwillig angeboten worden war. Von Friedrich III. an hatten die Kaiser zwar die Preßgesetzgebung als ihr Hoheitsrecht betrachtet, allein die Handhabung der Preßbestimmungen und der Censur, wie dies schon in dem vorigen Kapitel ausgeführt worden, den Landesbehörden überlassen. Von jetzt ab maßte sich der Kaiser der Censur der einzelnen in Frankfurt erscheinenden Schriften nicht allein an, sondern unterdrückte sofort auch durch seine Kommissare am Hauptsitz des deutschen Buchhandels die gesamte ihm nicht genehme Litteratur. Frankfurt war nicht mehr Herr im eigenen Hause, sondern hatte fremdem Willen zu gehorchen und der Politik der Hofburg war der Punkt gegeben, an welchem sie ihre Hebel ansetzen konnte, um ihre romanischen und antideutschen Ziele zu erreichen. Anfangs wurde der Rat noch geschont; allein jeder neue Bücherkommissar trat anmaßender und herrschsüchtiger auf. Und doch wäre es so schwer nicht gewesen, mit dem Hofe in Wien und Prag fertig zu werden. Es handelte sich um eine Angelegenheit, welche die protestantischen Stände in ihren wohlerworbenen Rechten beeinträchtigte und welche auch später die Kurfürsten von der Pfalz und von Sachsen vorerst siegreich gegen den Kaiser ausfochten. Wenn man aber nicht den Mut hatte, prinzipiell für eine gerechte Sache einzutreten, so hätte eine dilatorische Politik, noch dazu, wenn sie von einem ab und zu erneuerten Geldgeschenk unterstützt worden wäre, vollständig ausgereicht, die kaiserliche Einmischung zu befestigen. Als Maximilian 1567 bei Gelegenheit des bereits erwähnten Falls mit dem angeblichen Libell „Die Nachtigall“ mit Entziehung der Meßprivilegien gedroht hatte, war ja die kaiserliche Gnade auch durch eine Summe von 30000 Goldgulden wiedergewonnen worden. Aber als sich 1570 der drohende Schlag ankündigte, wähnte der Rat schon genug Opfer gebracht [617] zu haben und sich durch Preisgebung seiner politischen Rechte retten zu können. Es war ein in sich verknöcherter, lediglich seinen kleinen persönlichen Interessen lebender Stadtadel, roh gegen seine Mitbürger und feig gegen die Mächtigen, dessen ganze Politik im Ausweichen vor oder im Unterkriechen bei den Stärkern bestand; ein schwächliches Patriciat, welches, wie später bei dem Fettmilchschen Aufstand (1612 bis 1616), dem ersten energischen Ansturm wich und nach endlichem, durch Hilfe Dritter errungenem Sieg mit grausamem Rachedurst gegen die unterliegenden Feinde wütete.

Natürlich ist es unter diesen Umständen auch kein Trost, daß das Übel sich nur langsam entwickelte und daß erst mit dem Anfang des 17. Jahrhunderts, als die feindlichen Gegensätze zwischen Katholizismus und Protestantismus sich immer schärfer zuspitzten, die Bücherkommission sich in ihrer ganzen Gehässigkeit und Verderblichkeit geltend machte.

Rudolf II. griff die Sache methodisch an und bereitete seine Schritte gründlich vor. Sein Nachfolger Mathias folgte ihm auf dem betretenen Wege und schlug der Freiheit des Handels, sowie dem ganzen wissenschaftlichen Leben Deutschlands die tiefsten Wunden. Die Regierungen der Ferdinande und Leopolds vervollkommneten womöglich noch die kleinlichsten Verfolgungen, die Unterdrückung des freien Gedankens und die völlige Lahmlegung des einst großartigen frankfurter Meßverkehrs. Es dauerte volle 80 Jahre, bis zum Jahre 1662, daß die Bücherkommission den frankfurter Rat als willenloses Werkzeug in ihren Händen hatte, und wieder vergingen 60 Jahre, bis sie völlig triumphiert und den frankfurter Meßbuchhandel vernichtet hatte.

Doch zurück zu den Anfängen! Während des 16. Jahrhunderts sind keine ernsten Verwicklungen zwischen Rat und Kommission vorgekommen, denn sonst würden die vollständig erhaltenen städtischen Akten davon berichten. Erst in den neunziger Jahren taucht die alte kaiserliche Beschwerde wegen der an die Reichshofkanzlei in liefernden Freiexemplare privilegierter Bücher wieder auf. Aus den frankfurter Meßkatalogen ginge, wie der Kaiser in einem Erlaß an den obengenannten Johann Vest unterm 20. März 1596 rügt, hervor, daß einzelne Verleger ihrer Pflicht nicht nachkämen und daß andere ihren Büchern angebliche kaiserliche Privilegien vordruckten, die sie nie erbeten und erhalten hätten. Um diesem Unfug für die Zukunft zu steuern, „befehlen Wir Dir hiermit [618] von Römischer Kaiserlicher Macht“, heißt es wörtlich, „vnd geben Dir hiertzu vnnseren volkommenen gewalt vnd willen, das Du entweder selbst Persönlich oder durch andere hiertzu treulich deputierte fürhin auf vorangedeute vngebuer aller ortten guethe achtung gebest, vnnd bevorab vff Jtzt herbey nahender Franckfurter Meß, alsso auch außerhalb derselben wan vnd eß dich nöttich zu sein beduncket, In vnseren nahmen vnd an vnnserer Stadt bei allen Buchtruckher vnnd Buchhendlern hierüber vlaissig vnnd ernstlich Inquirirest, vonn Inen ein verzeichnuß der Neuen zeithero in allen professionen sub titulo privilegij nostri Caesarei, außgangenen operum abpfordren vnnd bei den pflichtenn vnnd aiden, damit sie vnnß vnnd dem heiligen Reich verwandt sein, befragest, auch zu ediren vnd fürzuelegen anhaltest, ob sy Impressoria vonn vnnß, wie lang vnnd auf viell Jar habent; Item, ob sie dem Impressorio zuevolg jeder Zeit vonn solchen Buechern, vnnß etliche Exemplaria auf Iren Costenn auch wann, wieuiel vnnd durch wem zugeschickt vnnd vnnß alsdann derselben Authores, Buchtruckher vnd Buchhändler Namen, sammt einer Designation solcher Bücher vnnd Schriefften, darauf den sachen halben nach zu denckhen vbersendest. Befindt sich aber bei einem oder mehreren in Jtzt spezifizierten oder anderer dergleichen diesen Dingen anhengig puncten, die Vbertrettung notorie vnd wissentlich zue sein, so sollestu nicht allein vonn denselben stracks vnser Impressorium (wofern sie eins haben) abvorderen vnnd vnß dasselbig zuefertigenn, sondern auch all diese verstandtnermaßen clandestine vnder vnnserm privilegio gedruckten, oder auch verschwiegene exemplaria biß vff weitere vnnsere verordtnung, mit vorbehalt vnnserer straff in Arrest nehmen, oder da du sonnsten, außer dieses einen andern fueglichen proceß vnnd modum alß diese weißt, dordurch diese streffliche gemeinschedtliche arglist vnd betrug abgestelt vnnd die vberfohrer an tag bracht werden müegen, Sollestu oder der von deinetwegen hiertzu subdelegirt sein würdt, auff demselben vns alle hiertzu dienesame vnnd ersprießliche mittel vnd weg solches exequieren, verrichten vnnd ins Werckh setzen, dich daran auch niemandts einredt oder verhinderung abhalten lassen, Sonndern vielmehr Burgermeister vnd rath zu Franckfurtt, wie auch alle Obrigkeitten, welcher enden es von nöthen, vnnß vnd dem rechten zue Steuer vnnd Hülff von vnnsert wegen vnnd vnnserm nahmen ersuchen vnd ansprechen.“

Vest substituierte sich in einer aus Speyer vom 22. März 1597 [619] datierten öffentlichen Ankündigung, „Leibesblödigkeit halber“, den päpstlichen Protonotar und kaiserlichen Pfalzgrafen Dr. Valentin Leucht, Nachfolger des inzwischen verstorbenen Steinmetz an der Domkirche, und den werthheimschen Rat, Dr. Johann Baptist Eysen. Letzterer trat überhaupt nicht handelnd auf, Vest aber erscheint fortan nicht mehr in den Akten und starb jedenfalls vor 1608. Leucht war bis zu seinem 1618 erfolgten Tode thätig, schritt aber selten ein. So beantragte er erst 1606 bei dem Bürgermeister die Konfiskation eines „Famospatents“ wider die päpstliche Messe und 1607 einiger „Kupferstücke und Famosgedichte“ gegen das Haus Österreich, welche ungestraft in der Buchgasse umgetragen, verkauft und angeschlagen würden. Leucht handelte hier wie in andern Fällen übrigens nicht eigenmächtig, sondern nahm erfolgreich die Hilfe der städtischen Behörde in Anspruch.

Nach einem energischen Anlauf war also bald wieder ein völliger Stillstand eingetreten, wenigstens dem äußern Anschein nach. Im stillen aber scheint doch ein Minieren stattgefunden zu haben, oder es müßte ein Phrasenmachen zur Kaptivierung des kaiserlichen Hofs gewesen sein, wenn bereits im Anfange des 17. Jahrhunderts, z. B. unter dem 8. Oktober 1601, Leucht regelmäßig berichtet, daß die Arbeit der Kommission täglich mehr der christlichen (das will sagen: der katholischen) Religion zur Wohlfahrt und Aufbesserung gereiche. Offen hervor trat allerdings die Thätigkeit derselben nur in der Einsammlung der bewußten Freiexemplare, betreffs welcher die Kommissare fast von Messe zu Messe in ihren Berichten wiederholen, daß die Buchhändler sich der Ablieferung derselben nach Möglichkeit zu entziehen suchten; so noch am 24. Mai 1610. Das, was davon zusammengebracht werden konnte, wurde in größern Sendungen durch Vermittelung von Buchhändlern an den kaiserlichen Hof eingeschickt. In der Herbstmesse 1608 geschah dies z. B. durch Theodosius Rihel von Straßburg; „Diese ferner geschriebenen Bücher seind Hans München, dem Fuhrmann, in einem Faß nacher Prag zu führen und dem Herrn Vice-Cancellario, Herrn Leopoldo von Stralendorff zu liffern mitgegeben und das Fuhrlohn dafür außgericht worden“, heißt es in den wiener Akten. Später trat Christoph von der Heyden an seine Stelle.

Die regelmäßigen Büchervisitationen hatten schon ein volles Vierteljahrhundert lang aufgehört, als der Kaiser endlich wieder einmal „dem [620] unleidlichen Mißbrauch und der täglich mehr überhand nehmenden Unordnung“ ein Ende zu machen beschloß. So ernannte er denn am 15. März 1608 eine neue Kommission, welche aus drei Mitgliedern, nämlich dem bereits in Thätigkeit befindlichen Domdechanten Dr. Valentin Leucht, dem Lic. theol. Georg Erstenberger von Freyenthurm und dem Lic. juris Karl Seiblin, dem Amtsnachfolger von Vest in Speyer, bestand. Ihre Aufgabe sollte darin bestehen:

  • 1) die Visitation „fruchtbarlich“ wieder einzurichten (wie? wird nicht gesagt);
  • 2) die auf allen Messen in großer Menge herauskommenden hochverbotenen Famosschriften gänzlich abzuschaffen (zu unterdrücken), damit dem Kaiser und dem heiligen Reich kein Schaden geschehe;
  • 3) nur die von der zuständigen Obrigkeit censierten und mit den Namen des Verfassers, des Druckers und Druckorts versehenen Bücher zuzulassen, zu welchem Zweck jeder Drucker, ehe er sein Gewölbe oder seinen Laden öffnen dürfe, die erforderlichen Nachweise, Privilegien und Druckerlaubnis beibringen müsse;
  • 4) mit Hilfe von Bürgermeister und Rat diejenigen Bücher zu konfiszieren, welche zwar das kaiserliche Privilegium oder die Worte „cum gratia et privilegio“ auf dem Titel trügen, allein ein solches nicht ausgenommen hätten und dadurch nicht allein „die kaiserliche Reputation lädirten, sondern sich auch den gebührenden Taxen entzögen“;
  • 5) dafür zu sorgen, daß die katholischen Bücher, die bisher oft in den Meßkatalogen ausgelassen worden seien, regelmäßig eingetragen würden;
  • 6) darauf zu achten, daß die Reichskammergerichts-Geheimnisse, Relationen und Vota nicht ohne ausdrückliche vorherige Genehmigung gedruckt, öffentlich feil gehalten und überhaupt geführt würden; sowie endlich
  • 7) von allen privilegierten Büchern die dem Kaiser schuldigen Exemplare (damals zwei) und von den nichtprivilegierten ein Exemplar einzufordern und einzusenden.

Auf Ansuchen der Kommissarien veröffentlichte der Rat den Inhalt des kaiserlichen Erlasses in einem Anschlage vom 13. September 1608, weigerte sich aber, ihre Visitation der Buchgasse am 20. September zu gestatten, da sie ihre kaiserliche Bestallung nicht vorlegen wollten. Erst als sie diesem durchaus berechtigten Verlangen nachgekommen waren, lieh ihnen der Rat seinen Arm zur Ausübung der Pflichten ihres Amts. [621] Er hatte sich noch immer nicht klar gemacht, welche schwer wiegenden Folgen sich an seine Hilfeleistung knüpften, denn es handelte sich hier nicht mehr um bloße Ablieferung der dem Kaiser angeblich gebührenden Freiexemplare, sondern im wesentlichen auch im die Unterdrückung der ihm mißliebigen Litteratur.

Ganz unbegreiflich würde diese Kurzsichtigkeit aber erscheinen müssen, wenn eine Registratur in den wiener Akten – sie ist zwar undatiert, hängt aber unbedingt mit dem obigen Patent vom 15. März 1608 zusammen – wirklich zur Ausfertigung gelangt ist; in den frankfurter Akten findet sich allerdings letztere nicht vor. Diese Registratur für den expedierenden Sekretär lautet nun:

„Punkta, welche an den Rath zu Frankfurt zu schreiben.“

„Daß demnach I. Kais. Maj. gegen Ihren Commissarien wegen der Hochnotwendigen Visitation der Bücher bis daher gehapte Commissionen wieder erneut, wie sie davon Abschrift zu empfangen; daß Sy sich solchem Befelch nicht widersetzen, noch Einigen Weg, alß hiebevor geschehen Eintrag thun wolten“,

„Und ferners, daß sy sich in die inspection Rei librariae weiter nicht einmischen sollen, denn Ihnen die Reichs Abschied und Policeyordnung gegen Ihren eingesessenen Buchdruckern und Burgern im Buchstaben zugeben, sondern in deme, waß J. M. wohlbedächtlich Ihren Commissarien anbepholen, die freye Verwaltung überlassen und in Allweg Ihnen gegen den Ungehorsamen und Verführern die Hand bieten wollen, Sodann alle schmachkarten und gedicht deßgleich Kupferstück und dergl. helffen abreißen und vertilgen.“

„Ueberdieß aber sich der Cameralsachen, so in Truck gefertigt, im Wenigsten anzunehmen, alldieweils sie deßwegen kein erkenntnuß haben, waß in Truck zu verfertigen oder nicht, sondern es bey der Kais. Maj. beschehener Verordnung verpleiben zu lassen; auch die Ausfertigung des Catalogi Librorum nicht allein vor und ahn sich zu ziehen und dardurch sich zu mechtigen Ihres gefallens Bücher in denselbigen zu setzen und andere auszuschließen, sondern die verordnete Commissarios in deme mit zuzulassen“;

„Und dann beschließlichen waß vor Streitigkeit sich wegen ertheilter Privilegien und Nachdruckens halben eraignen, keineswegs nec audiendo, nec decidendo anzunehmen, sondern den außschlag und die Verrichtung [622] Ihr Kais. Maj. Commissarien allein zu überlassen und wie vorgemelt Ihnen die Hand allezeit nacht Erforderung und uff ersuchen zu bieten.“

Mag nun der frankfurter Rat eine Ausfertigung dieser Punktation erhalten haben, oder nicht, gleichviel: interessant ist sie, weil sie einerseits die bald genug deutlicher hervortretende Absicht, der Bücherkommission die Beaufsichtigung der Herausgabe des Meßkatalogs in die Hände zu spielen, hindurchblicken läßt, – andererseits, weil sie erkennen läßt, wie man sich in Wien die Rechtsbegründung für das angeordnete Vorgehen der Bücherkommission zurechtzustutzen bemüht war. Der kaiserliche Hof beanspruchte auf Grund des später erst schärfer betonten angeblichen Bücherregals im Reich – mit welchem auch später der Anspruch auf Pflichtexemplare aller neu erscheinenden Bücher begründet wurde – die preßpolizeiliche Beaufsichtigung der fremden Buchhändler und Buchdrucker auf der Messe und interpretierte in gezwungenster Weise die Reichsgesetze dahin, daß auf Grund derselben dem frankfurter Rate nur das Aufsichtsrecht über die betreffenden einheimischen, ihm mit Pflicht verwandten Gewerbetreibenden zustünde, eine kunstvolle Interpretation, welche bei den spätern Vorkommnissen nicht wieder so unverblümt zu Tage tritt. Das erklärt es denn auch, daß – es ergibt sich dies aus den gleich ausführlich zu berichtenden weitern Verhandlungen – kein Buchhändler „so vnter des Rhats zue Franckfurtt bottmäßigkeitt“ von den Bücherkommissaren belästigt wurde.

Die große Mehrzahl der nach Frankfurt zur Messe gekommenen fremden Buchhändler fügte sich. Nur die sächsischen Lutheraner (aus Leipzig, Wittenberg und Jena) und die Venezianer machten eine Ausnahme. Die letztern zeigten sich, wie der Bericht sagt, „ganz trutzig und widerspenstig“ und weigerten sich nicht bloß, die verlangten Freiexemplare herzugeben, „sondern haben auch von der Commission sich etwas schimpflich vernehmen lassen und gegen die Commission den Schnips geschlagen“. Es scheint nicht, daß sie wegen ihres offenen Ungehorsams weiter behelligt wurden, denn die Akten erwähnen die Venezianer nicht weiter und sprechen erst dann wieder von ihnen, als sie infolge der ihnen zuteil gewordenen Behandlung und des später ausgebrochenen Kriegs vom Anfang der dreißiger Jahre an nur noch vereinzelt nach Frankfurt kamen.

Die sächsischen Buchhändler waren noch weiter davon entfernt, sich dem kaiserlichen Machtgebot in feiger Ergebung zu unterwerfen. Für [623] sie standen viel höhere Interessen auf dem Spiel, als ein paar Freiexemplare. Drangen die Bücherkommissare mit ihrem Ansinnen durch, so war überhaupt der lutherische Verlag vogelfrei, so war ihr Geschäft vernichtet. Hätten jene Männer sich das nicht selbst gesagt, so würde es ihnen in Frankfurt auch auf anderm, als amtlichem Wege klar geworden sein. Natürlich erregte die Sache in der ganzen Stadt großes Aufsehen, ja sie bildete tagelang das öffentliche Gespräch der Meßbesucher. Es war bis dahin noch nicht vorgekommen, daß zwei frankfurter Priester und Canonici im Namen des Kaisers in die Gewölbe der Buchgasse drangen, dort Kisten und Fässer sich öffnen ließen, Bücher nach Belieben herausgriffen und mit Beschlag belegten, und daß die Beamten des Rats ihnen hilfreiche Hand leisteten. Unheilvolle Gerüchte durchschwirrten die Luft, man sah im Hintergrunde – und wohl nicht mit Unrecht – die Jesuiten, man ängstigte und fürchtete sich um so mehr, als man nicht wußte, ob man nicht erst am Anfang derartiger Gewaltmaßregeln stünde. Nach einem gleichzeitigen Bericht des bekannten Vielschreibers Melchior Goldast (von Haiminsfeld) lag zu jener Zeit (im Herbst 1608) ein Mann im Karmeliterkloster „zur Herberge, der sich Johann Bürgig nannte und päpstlicher Fiskal sein wollte. Dieser, heißt es, habe einstmals über Tisch die kaiserliche Bücher-Kommission über die Inspektion der Buchgasse höchlich gerühmt und dabei gemeint, man solle nicht nachlassen, dieselbe von Messe zu Messe zu kontinuiren, bis man es recht in Schwang bringe und sich des nicht irren lassen, daß sich Etliche ungehorsam widersetzt hätten. Er wolle, von der päpstlichen Heiligkeit wegen hierzu deputiert, die Anstellung thun helfen, daß die Ungehorsamen noch wohl dazu gezwungen werden müßten. Und seien das eben die Wittenberger Buchführer. Wenn die sich verweigern würden, die begehrten Exemplare zu liefern, daß man denselben ihre Bücher und Waaren an den Orten, da es katholisch wäre, im Durchführen niederwerfend und anhalten solle, bis so lange sie der Kommission Gehorsam geleistet hätten.“

Kaum nach Hause zurückgekehrt, führten die sächsischen Buchhändler energische Beschwerde und ruhten nicht eher, als bis sie den ihnen gebührenden Sieg errungen hatten. Es sind noch sämtliche Akten über diese wichtige Angelegenheit vorhanden, welche deshalb eine ausführliche Darstellung verdient, weil hier nicht allein Privatpersonen klagend auftreten, [624] sondern auch städtische Behörden, wie der Rat von Leipzig, das kursächsische Ministerium, die beiden Kurfürsten Christian II. von Sachsen und Friedrich IV. von der Pfalz einander berichten, schreiben und an den Kaiser selbst ihre Klagen gelangen lassen. Es ist also über den ungesetzlichen Eingriff der Bücherkommission ein vollständiger Beweis aus den in Dresden und Frankfurt aufbewahrten zehn Briefen und Berichten erbracht. Während von diesen übrigens nur der letzte vom 19. Juli 1609 sich in Frankfurt findet, sind die neun ersten im dresdener Hofstaatsarchiv aufbewahrt.[3]

In der ersten Eingabe, welche die Buchhändler von Leipzig, Wittenberg und Jena am 17. Februar 1609 dem Kurfürsten unterbreiten, reichen sie zunächst das auf der Herbstmesse 1608 ihnen mitgeteilte kaiserliche Mandat ein und beschweren sich darüber: „daß ein jeder Buchdrucker, Buchführer oder Buchhändler, ehe er sein Gewölbe oder seinen Laden eröffnet, auch einiges Buch distrahiret, aller seiner neuen Bücher einen Indicem fürweisen, darüber glaubliche Anzeige thun, wie und welche Gestalt ihm solche Bücher zu drucken erlaubt, und da er darüber kein kayserlich Privilegium habe, alsdann Ihrer Kayserlichen Majestet Reichs-Hof-Kanzlei ein Exemplar überschicken und unweigerlich den Kayserlichen Kommissarien überreichen solle.“ Gegen diese Bestimmung wenden die Buchhändler ein, daß wenn sie bei den privilegierten Büchern auch leicht ihre Privilegien vorlegen und damit den verlangten Nachweis über die bewirkte Censur erbringen können, letzteres doch bei nicht privilegierten unmöglich sei. Diese seien zwar selbstverständlich in Sachsen censiert, wie das jedesmal die Bescheinigung der betreffenden Censoren beweise, deren Unterschriften aber den kaiserlichen Kommissaren nicht bekannt, abgesehen davon, daß auch das Mitbringen der von den Censoren unterschriebenen Originalmanuskripte ihnen, den Verlegern, viele Ungelegenheiten und Kosten verursachen würde. Die Kommissarien würden vermutlich solche Bescheinigungen einfach für nichtig erklären und den Verlegern verbieten, ihre Verlagsartikel zu führen, oder diese gar in Frankfurt mit Beschlag belegen, zu ihrem, der Verleger, unwiederbringlichem Schaden. Zudem seien die Kommissare auch manchen Schriftstellern nicht gewogen, sodaß man die Konfiskation vieler Bücher, namentlich aller derjenigen befürchten müsse, welche etwa gegen die römisch-katholische Religion gerichtet sein möchte. Sodann sei die Forderung [625] eines Pflichtexemplars von den kaiserlicherseits nicht privilegierten Büchern eine unbillige und den Handel lähmende. Leichtfertige und Famosschriften seien in Sachsen nie in Übung gewesen, weshalb man auch nirgends eine Klage darüber gehört habe. Aus diesen Gründen möge der Kurfürst sowohl im eigenen Namen, als auch als Vormund seiner Vettern, für seine Buchhändler (und die in Jena) beim Kaiser dahin intercedieren, daß von ihnen keine Censurbescheinigung und kein Freiexemplar gefordert werde, zumal sie erbötig seien, auf ihre Kosten für jede frankfurter Messe einen besondern Katalog aller in Sachsen neu erschienenen Bücher anzufertigen, damit ihrethalben wegen Famos- und anderer verbotenen Schriften im heiligen Reich nichts zu befürchten sei.

Diese offizielle Bittschrift – vorsichtig so eingerichtet, daß sie dem erbetenen Intercessionsschreiben an den kaiserlichen Hof nötigenfalls abschriftlich hätte beigefügt werden können – war zugleich von einem Schreiben gleichen Datums an das kurfürstliche Ministerium (Kanzler, Präsidenten und andere Geheime Räte) begleitet, in welchem sich die Bittsteller offener aussprechen (da sie „aus allerhand ursachen etzliche umbstände vnd motiven nicht gedencken mögen“) und sicherlich die Anschauungen vortragen, welche unter den fremden Buchhändlern auf der frankfurter Herbstmesse die herrschenden gewesen waren. Die Petenten bitten darin, dem Kurfürsten „vorgezeigte Umstände und Motiven“ und „darneben anzumelden und fürzutragen, nämlich, daß solche Kaiserliche Kommission Niemanden denn Päbstischen aufgetragen, und sich darneben etliche andere fremde unbekannte Visitatores befunden, welcher in der Kommission nicht gedacht worden, daher allerlei Argwohn verursachet. Hernach als von uns nicht allein die Exemplaria vermöge des Mandats abgefordert, sondern darneben ein Buch vorgelegt, damit ein Jeder die Bücher, so er uberreichen würde, mit eigenen Händen einschreibe, haben wir uns zwar wieviel möglich darwidergesetzt und wider solche Neuerung mit der Freiheit des öffentlichen Markts schutzen wollen. Derweil aber sie von mehreren theils der päbstischen Religion zugethanen Buchhändlern solches allbereit erlangt gehabt, so sind auch wir gedrungen worden, ihrer Willen zu vollbringen und zu Ehren der Kayserlichen Majestät auff selbiges Mahl zu gehorsamen; haben doch daneben protestiret, Unserer gnädigsten Herrschaft solches unterthänigst zu erkennen zu geben. Weil es dann fast augenscheinlich, daß und an [626] denjenigen Büchern, so der päbstischen Religion zuwider, allerlei Verhinderung und Gefahr wurde zugezogen werden, indem wir endlich solche auff öffentlichem privilegirten Markt wegen der fürstehenden Confiscation nicht führen dürften und wir auch der churfürstlich privilegirten Bücher, sowohl derer so von Ihrer churfürstlichen Gnaden wolverordneten Censoribus subscribiret, einer neuen Censur oder Approbation erwarten sollen: Welches Alles in effectu fast dieses Ansehen gewinnen will, als ob Ihre Churf. Gn. sowohl andere Fürsten im Reich zuwider des heiligen Reichs Ordnung verbotene Schriften in Ihren Landen zu drucken gestatteten, da doch männiglich dieser Lande bewußt, was für Ernst und Fürsichtigkeit Unsere gnädige hohe Obrigkeit hierinnen jeder Zeit gebrauchet, da alle Buchdrucker ohne Approbation einiges Buch nicht zu drucken eidlich sich verpflichtet. Überdies ist solche Anordnung zuwider der öffentlichen Marktfreiheit und gereicht zu Hinderung der Commercien auch großem Abbruch des Buchhandels.“ Die Bittsteller schließen ihr Verlangen nach Schutz mit der Bemerkung, daß jene Maßregel nicht zum Nutzen des Kaisers, sondern lediglich der Jesuiten angeordnet worden, „welche ihre Bibliotheken zu bessern, ihren Tandt auszubreiten und dagegen die reine Lehre verdeckter Weise zu verhindern vermeinen“.

Der Kurfürst übergab die obige Beschwerde seinem Oberkonsistorium zur Begutachtung und erhielt von ihm eine aus sechs Punkten bestehende und am 3. März 1609 abgefaßte staatsrechtliche Ausführung. Nachdem die Räte anerkannt haben, daß die Schmähschriftenlitteratur zum Nachteil des gemeinen Wesens mächtig überhand genommen habe und nur durch eine strenge Censur unterdrückt werden könne, erklären sie die Reichsverfassung und namentlich den speyerschen Reichsabschied von 1570 und die Reichspolizeiordnung von 1577 für völlig ausreichend, dem Unfug zu steuern. Sie vermuten deshalb, daß „das obenberegte Mandat nicht von Kaiserlicher Majestät, sondern vielmehr auff Anstifftung und zum Behuf der Jesuiten, den Churfürsten, Fürsten und Ständen des heiligen Reichs sammt allen Augsburgischen Religionsverwandten zu merklichem Abbruch ihrer Reputation, Hoheit und wahren Glaubens, sowohl den Buchführern zu großem Nachtheil verfasset, publiciret und zu Werke gerichtet worden“. Sodann führt der Bericht näher aus:

  • 1) daß die kaiserliche Verordnung der Büchervisitation ohne Kenntnis der Kurfürsten und Reichsstände erfolgt sei, da sie beide angenommene [627] Religionen betreffe und doch früher deren Beschwerden auf allgemeinen Reichstagen verhandelt und erledigt worden seien;
  • 2) daß solche Visitationes nicht ausschließlich der römisch-katholischen, sondern auch der augsburgischen Konfession zugethanen Kommissarien hätten aufgetragen werden dürfen, und daß auch andere im kaiserlichen Mandat nicht benannte Personen sich dabei befunden hätten;
  • 3) daß die Reichspolizeiordnung von 1577 nur das Verbot aller der christlichen allgemeinen Lehre und der im augsburger Religionsfrieden aufgerichteten Konfession widerwärtigen Schriften ausspreche, daß aber das kaiserliche Mandat darüber nichts sage, vielmehr nur die Famosschriften erwähne, welche Bezeichnung die Kommissarien besorglich nur auf die lutherischen Theologen oder was wider den römischen Antichrist und seinen Anhang in den Druck gefertigt, beziehen, dagegen den Jesuiten und andern durch die Finger sehen würden;
  • 4) daß in dem kaiserlichen Mandat den Kommissarien trotz der Polizeiordnung von 1577 latissima potestas gegeben, die Inquisition und Konfiskation neben weiterer Bestrafung sine respectu vorzunehmen, und daß mit Umgehung der ordentlichen Obrigkeit der kaiserliche Fiskal auf gebührliche Strafe prozedieren und handeln solle, welch’ letztere eventuell nur das Kaiserliche Kammergericht zu moderieren Macht und Befehl haben solle;
  • 5) und 6) sei es endlich unbillig, daß die Bittsteller nicht bloß nachweisen sollten, wo und wie sie die Druckerlaubnis erhalten hätten, sondern daß sie auch gezwungen würden, ohne Unterschied der Fakultäten „ein Exemplar jedes Buchs (damit ja die Jesuiten in ihren Collegiis stattliche bibliothecas anrichten können) umsonst abzuliefern“.

Die anbefohlene Büchervisitation, so schließen die Räte, habe also ein sehr nachdenkliches Ansehen und es wäre, wenn man überhaupt die verbotenen Schriften im Reiche habe abschaffen wollen, viel besser gewesen, sich an die gesetzlichen Bestimmungen des Jahres 1577 zu halten. Sieg eben anheim, sich wirksam der bedrängten Buchhändler anzunehmen, mit den andern Kurfürsten, Fürsten und Ständen beim Kaiser für ihren Schutz einzutreten und die Bittsteller zugleich an den Rat zu Frankfurt zu „verschreiben“ – ein schwacher Helfer! – sie auch zu bescheiden, daß sie sich zu ihrer bessern Verwahrung von den Universitäten beglaubigte Scheine über die Censur der zur Messe mit hinauszunehmenden [628] Bücher ausfertigen ließen und „sich deren zu ihrer Nothdurft bedienen“.

Über diesen Schreiben war der Winter dahingegangen, selbst ein Schreiben des Kurfürsten Friedrich IV. von der Pfalz an Kurfürst Christian II. hatte den stets kleinmütigen sächsischen Hof nicht zu einem Entschluß aufzurütteln vermocht, so daß bei der Eröffnung der Fastenmesse 1609 die Sache noch auf dem alten Fleck stand. Die leipziger, wittenberger und jenaer Buchhändler erfuhren also in Frankfurt wieder dieselbe Behandlung wie im vorhergehenden Herbst. Erst am 21. April gewannen die kurfürstlichen Räte Zeit, sich weiter mit der Angelegenheit zu beschäftigen und zwar auch nur insoweit, daß sie dem leipziger Rat aufgaben, sich in der bevorstehenden Ostermesse bei einheimischen und fremden Buchhändlern zu erkundigen, wie die Sache ferner in Frankfurt verlaufen sei. Auf Grund der erhaltenen Aufforderung berichteten denn die Buchhändler der gedachten drei Städte unter dem 17. Mai 1609 an den leipziger Rat wie folgt: „Der Doktor Valentin Leuchtius, Protonotarius Apostolicus, und Herr Licenciat Erstenberger, beide Canonici zu Frankfurt a. M., sind neben dem Kayserlichen Fiscal jüngst verschienene Fastenmesse daselbst abermahl in allen, sonderlich der Evangelischen Buchhändler Läden umgegangen und erinnert, was sie uns vorige Herbstmesse wegen Abfolgung eines Exemplars von allen neugedruckten Büchern angebracht und begehret. Darauf inständigk angehalten, daß wir uns nochmals endlich und rund erklären wollten, ob wir uns kaiserlichem Mandat gemäß zu erzeigen bedacht oder nicht? Hiergegen wir aus dem Kur- und Fürstenthum Sachsen alle fast gleich auf diese Meinung geantwortet, daß wir uns dessen gar wohl entsinnen, hättens aber unseren Pflichten nach nicht unterlassen können noch sollen, an unsere gnädigste Herrschaft zu bringen und Bescheidt zu erholen, zweifelten auch nicht, Ihre Churfürstlichen Gnaden werdens, wo es nicht allbereit geschehen, so doch förderlichst an S. Kayserliche Majestät unterthenigst gelangen lassen und uns gnädigsten Bescheid ertheilen, was wir uns zu verhalten.

„Hierbei habens ermeldete Kayserliche Abgeordnete zwar bewenden lassen, (nicht) ohne daß sie einem unsers Mittels in Herrn Theodosii Richel’s Laden auf angeregte Erklärung zur Antwort gegeben, es wurde nicht eher besser, man citirte denn ein paar nach Speyer (zur Untersuchung [629] vor dem Reichskammergericht). Er hat aber solche Bedrohung mit Stillschweigen und Geduld also hingehen lassen, sonderlich, weil man weder ihm noch sonsten Jemanden der Unserigen dies Mal weiter nichts zugemuthet, wie wir denn auch nicht erfahren, daß Jemand von denen Buchführern, so unter des Raths zu Frankfurt Botmäßigkeit sein, einig Exemplar auszuantworten gedrungen sey, daß es also zu vermuthen der Rath daselbst werde sie bißher hierwieder geschützet haben. Desgleichen werden wir von dem churfürstlich pfälzischen Buchdrucker Gotthard Vögelin berichtet, er sei von seinem gnädigsten Churfürsten ausdrücklich befehligt und gleichsam darauf instruirt, daß er kein Exemplar geben solle. Dies ist also itzo fürgelaufen.“

Um nun für die Zukunft vor derartigen Zumutungen gesichert zu sein, bitten die Buchhändler schließlich den Rat, daß auch er den Kurfürsten veranlassen wolle, diese wichtige Sache mit dem Kaiser zu ordnen. Es sei das um so nötiger, als die Freiheit der frankfurter Messen Zufuhr und Abfuhr der Waren sicher stelle, weshalb man letztere bis zu ihrem Verkauf ohne jede Gefahr dort lassen könne; das neuerliche Vorgehen der Bücherkommissarien gereiche aber nicht allein den lutherischen Buchhändlern und ihren Waren, sondern auch allen augsburgischen Religionsverwandten und namentlich dem Kurfürsten, als dem vornehmsten protestantischen Reichsstand, zu merklichem Präjudiz.

Die Willkür der frankfurter Bücherkommission hatte sich selbstredend nicht auf die sächsischen Buchhändler beschränkt, vielmehr auf alle ihre protestantischen Kollegen ausgedehnt. Diese letztern fügten sich ohne Klage der Übermacht; nur der heidelberger Verleger und Drucker Gotthard Vögelin bildete die einzige – wenigstens nach den Akten einzige – Ausnahme von der Regel. Auch er hatte sich bei seinem Landesherrn beschwert, von diesem aber, wie obige Eingabe erwähnt, den bestimmten Befehl erhalten, sich den Aufforderungen nicht zu fügen. Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz (1592 bis 1610) war ein eifriger Protestant und ein klarer politischer Kopf, der nichts von der engherzigen theologisch-ängstlichen Kleinigkeitskrämerei der meisten damaligen protestantischen Fürsten an sich hatte und schon als junger Fürst die Vereinigung der einander heftig bekämpfenden reformierten und lutherischen Religionsparteien erstrebte. Während Sachsen sich darin gefiel, alle Besorgnisse für den Protestantismus als Hirngespinste abzuweisen, sich den von [630] Wien ausgehenden Übergriffen gegenüber schwächlich erwies, nahm Friedrichs scharfer Blick schon damals die ersten Anfänge einer nationalen Umwälzung wahr, wie sie kaum zehn Jahre später der Dreißigjährige Krieg brachte. Es war die Zeit, die unmittelbar auf die Einnahme von Donauwörth (1607) folgte, die kurze Periode zwischen dem ersten und zweiten Unionsvertrage (1608 und 1610). Es lag also Grund genug zum „Mißtrauen gegen die im Reiche fürgehenden Praktiken“ vor. Der pfälzer Kurfürst erkannte deshalb auch in den ganz unversehens auf der frankfurter Messe beliebten Maßregeln gegen die Presse einen wohlberechneten und weit tragenden Angriff der damals allmächtigen Jesuiten auf die eigentliche Lebensbedingung des Protestantismus, die freie Wissenschaft und Litteratur überhaupt. Unter den obwaltenden Umständen that er also ganz das Rechte, indem er seinem sächsischen Bruder gemeinschaftliches Vorgehen vorschlug. Dieser Brief vom 18. März 1609 ist ein wichtiger politischer Beitrag zur Geschichte der Zeit. Er lautet wörtlich:

„Welcher Maßen in nächst verschienener Meß zu Frankfurt zwei allda gesessene papistische Priester, beneben dem Fiskal zu Speyer, bei den Buchführern, sammt und sonders, mit Vorweisung einer gedruckten offenen Kayserlichen Kommission Ansinnens gethan, ihnen deren von jedem in solcher Messe neu ausgefertigten Büchern ein Verzeichniß, folgends auch jedes neu gedruckten Buches ein Exemplar vor die Kayserliche Reichshof-Kanzlei zu liefern, zu dem Ende, damit dieselbe solche Bücher nachsehen, censurire und was sonsten oder ferners gefährlich und nachtheilig unterlaufe, abgeschafft und die daran Schuldigen zur Strafe gezogen werden, mit dem fernern Vermelden, daß solche neue Anstellung und Visitation nicht allein auf die Buchdrucker, sondern auch auf die Verbreiter selbsten, damit dieselbigen, was sie nicht recht censurirt hätten, darum mit Ernst angesehen würden, gemeint wäre; Insonderheit was die christlichen Sachen anlangt, darunter die meisten Famosschriften ausgangen und begriffen wären, und darüber die weltlichen Obrigkeiten sich keiner Censur mächtigen oder anmaßen könnten: Solches E. L. frei nicht weniger denn uns von den unsrigen (so gleichwohl sehr spät geschehen) von dero angehörigen Buchführern zu ihrer Heimkunft referirt und angebracht worden sein.

„Wiewohl nun solche neue Kommission in äußerlichen Buchstaben [631] fast dahin lautet, als ob sie allein und fürnemlich zu Abschaffung der an sich selbst straflichen Famosschriften angesehen und gemeint, in welchem Fall der Kayserl. Majestät wie auch dem Kammergericht gebührliches Einsehen in des Reichs Abschieden ausdrücklich vorbehalten. Dieweil aber jedoch keine rechte famosi libelli und pasquilli sonderlich in so großer Anzahl und Menge alle Messen und täglich (wie in gedachter Kommission gemeldet wird) herfür kommen und in den Buchladen zu Frankfurt feilgeboten werden, so will es uns nicht unzeitig das Ansehen haben, daß hier nur weit umb Bücher und Schriften, welche den Papisten wehe in den Augen thun, im Grund gemeint und unter solchem praetextu eben dieses gesucht werde, wie man der evangelischen Theologen und anderer wider die papistischen Greuel und Irrthum streitende und sonsten in Religionssachen ausgehende scripta mit einander, unter diesem Scheine und Anzeige, daß darin die katholische Kirche, deren Haupt und Glieder, geistliche Fürsten und Prälaten, Clerisei und Priesterschaft, auch alle solcher alten Religion zugethane sowohl Herrschaften als Unterthanen, hohen und niedern Stands angegriffen und injuriirt seien, dämpfen und unterdrücken, und derweil es mit ihrer der Papisten gewöhnlichen Verkehrungen kein Ansehen und Nachdruck mehr haben will, anitzo ex capite de famosis libellis ausmustern und verbieten möge, Dergestalt, daß man solche evangelische Bücher durch diese Triumviros und vermeinte Commissarios bei dem Kayserlichen Hof für unzulässig angeben und alldafurders unter mißbrauchtem Namen und Autorität der Kays. Majestät pro calculo Jesuitarum dafür erklärt und damnirt würden, alsdann derselben Feilhabung und Verhantirung und in der Messe zu Frankfurt (in welchem emporio fürnemlich diese Waare bis dahero ganz ihren Lauf durch Europam genommen) noch auch andern Orten nicht statthaben sollten; auf welche Weise denn, da die Censur so bis dahero vermog obangezogener Reichsabschiede allein jedes Ortes Obrigkeit obgelegen, anitzo dem Papst und seinem Anhang über alle Bücher gebüren sollte, hinfüro kein gut Buch, darin die antichristlichen Irrthümer widerlegt, im Reiche würde ausgehen können, und hergegen die Jesuiter der Arbeit solche Bücher zu widerlegen (so ihnen ohne das unmöglich), überhoben und durch diesen Streich ein gewonnenes Spiel haben würden.

„Dieweil denn hieraus genugsam zu merken, womit die Widersacher [632] der Wahrheit umgehen, aber doch dieser neue Fund und gefährliche conatus den vorigen Reichsordnungen, wie auch dem Religionsfrieden und altem Herkommen stark zuwider, auch keineswegs zu leiden, daß diese angemaßte papistische Visitation und Censur der Bücher in einer freien offenen und dem ganzen Reich gemeinen Messe und Emporio ohne der sämmtlichen Stände Wissen und Willen eingeführt und eine neue Beschwerlichkeit den Bücherschreibern und Druckereien, so den Oberen und Herrschaften selbsten aufgetragen werde, welches dann alle evangelischen Kurfürsten und Stände, dero Kirchen, Schulen und Universitäten mit einander berühren und angehen will. Also haben wir vor eine hohe Nothdurft erachtet, solche Ding dero Wichtigkeit nach mit E. L. und anderen, der Augsburgischen Confession Genossen freundlich zu communiciren und dero verständiges Bedenken hierüber zu vernehmen, wie dieser Neuerung und Praktik sowohl bei dem Kayserlichen Hof mit gebührlichen Widersprüchen zu begegnen, als auch bei der Stadt Frankfurt deren Execution zu verhindern.

„Und mehr unsers unvorgreiflichen Ermessens nicht undienlich, daß inmittelst und vor allen Dingen unseren allerseits angehörigen Bibliopolis befohlen würde, da ihnen in künftiger Meß dergleichen neuerliche Dinge von obgedachten Commissariis zugemuthet und abgefordert würden, daß sie nichts einzuwilligen hätten, sondern mit gutem Glimpf und Bescheidenheit sich zu entschuldigen, daß sie weder Famosschriften noch einige andere Bücher ohne genugsam vorhergehende Adprobation (nach Ausweis der Reichsordnung) ihrer Herrschaften jemals gedruckt, daß ihnen auch dieses Alles ohne deren Vorwissen und Bescheid um Verhütung allerhand Eingangs und Praejudicii willen nichts handeln gebühren will, und dagegen, daß die Stadt Frankfurt gegen den Einen oder den Andern exequendo etwas vornehmen sollte, im Namen seiner Herrschaft protestieren thäte, welches wir E. L. freundlich nicht bergen wollen.“

Wenn bisher irgend ein Staat durch sein laues und selbst häufig feindliches Verhalten das gemeinschaftliche kräftige Handeln der Protestanten unmöglich gemacht hatte, so war es Kursachsen, die erste lutherische Macht im Reiche; ja es schien in der gleichgültigen Kälte gegen die Gefährdung protestantischer Rechte, in dem engherzigen Verfolgungsgeiste gegen alles nicht starr Lutherische einen wenig beneidenswerthen Ruhm zu suchen. Diesmal aber ging Kurfürst Christian II., wenn [633] auch zögernd und langsamer als Friedrich IV., doch anscheinend entschieden vor. In der letzten Stunde muß ihm endlich die Einsicht gekommen sein, daß die Sache der Lutheraner und Reformierten dem Kaiser und der katholischen Kirche gegenüber denn doch eine und dieselbe sei und daß man sich mit vereinten Kräften wehren müßte, wenn man nicht vereinzelt unterdrückt werden wollte. Zudem standen die höchsten gewerblichen Interessen dreier bedeutender Universitätsstädte auf dem Spiele. Christian richtete also doch noch im eigenen Namen und als Vormund der Herzöge Johann Georg und August am 19. Juni 1609 eine Beschwerdeschrift an den Kaiser. Nachdem er den mit den obigen Angaben übereinstimmenden Thatbestand kurz wiederholt hat, erklärt er sich selbstredend damit einverstanden, daß die Reichsgesetze gegen Libelle und Famosschriften streng ausgeführt, betheuert aber, daß solche in seinen und seiner Mündel Landen überhaupt nicht gedruckt würden, und fährt dann fort: „Alldieweil aber dieses Visitationswerk bei mir und anderen evangelischen Reichsständen, welche mit mir hierorts communiciret, fast das Ansehen gewinnen will, als wäre obbemelte Kommission ohne sonderbaren E. K. M. Vorbewußt, sondern vielmehr auf Anstiftung und zum Behuf der unruhigen Jesuiten, den Chur-, Fürsten und Ständen des heil. röm. Reichs sammt allen Augsburgischen Konfessionsverwandten zu merklichem Abbruch ihrer Hoheit und Reputation, wie auch wahren Glaubens und dann den Buchführern zu großem Nachtheil ausgewirket, als bin ich unumgänglich verursacht worden, E. K. M. nachfolgender Ursach willen hierunter zu ersuchen und anzulangen, daß solche allgemeine Visitation, weil es ein Werk, welches beide angenommenen Religiones betrifft, mit den Churfürsten, Fürsten und Ständen des Reichs Einwilligung und Vorbewußt hätte geschehen; auch da solches also bewilliget und geschlossen, also dann solche Visitation nicht allein den römischen Catholischen sondern auch zugleich der Augsburgischen Confession zugethanen Commissarien aufgetragen werden sollen.

„Ums Andere, ob wohl bei jüngster Reichsversammlung von den protestirenden Chur-Fürsten und Ständen mit großer Beschwer angebracht und gesucht worden, daß vermöge der zu Frankfurt Anno 1577 publicirten Polizeiordnung nichts, so der christlichen allgemeinen Lehre und dem zu Augsburg aufgerichteten Religionsfrieden ungemäß und widerwartig oder zu Unruhe und Weiterung Ursach gebe, geschrieben [634] oder gedruckt werden sollte, solche doch in diesem Visitationsmandat dißfalls gar nichts, sondern alleine der verbotenen Famosschriften Erwähnung geschehen, welches denn die jetzige Commissarii sonder Zweifel auf die evangelischen Theologen und andere Leute, welche wider die römische Kirche etwas haben ausgehen lassen, müssen ziehen und accommodiren werden.

„Über dieses und fürs Dritte ist den Commissariis latissima potestas, die Inquisition, Confiscation und Bestrafung sine respectu vorzunehmen eingeräumt worden, da doch oben angezogene Polizeiordnung klar besaget, daß der ordentlichen Obrigkeit jedes Ortes die Verbrecher zu strafen, nachgelassen sein oder im Fall des Verbleibens der Kayserliche Fiskal zu procediren Macht haben solle.

„Und weil endlich sich auch die Buchdrucker und Händler meines Erachtens nicht unbillig beschweren, daß unangesehen sie nicht allein mit glaubwürdiger Anzeige, wie und welcher Gestalt ihnen die Bucher zu drucken erlaubt worden, sie geführet, sondern auch allbereit sie contra justitiae regulas et nundinarum privilegia jedes Buchs ein Exemplar ohne allen Unterschied der Fakultäten, damit ja die Jesuiten stattliche Bibliotheken errichten könnten, umsonst ausantworten sollten, welches denn zu ihrem sonderlich großen Schaden und Nachtheil, auch zu der Orts-Obrigkeit Präjudiz und im ganzen römischen Reich zu einer Neuerung und Einführung gereichen wollte, als habe ich nicht unterlassen solches E. K. M. zu erkennen zu geben.

„Und gelangt an E. K. M. mein allerunterthänigstes Bitten, E. K. M. wolle meine und andere Chur-Fürsten und Stände des Reichs Unterthanen, von Buchdruckern und Händlern mit diesen Visitationsmandaten, darbey zugemutheten Postulaten und bedrohlichen Communicationen Allergnädigst verschonen, es bei voriger deßhalben aufgerichteten Polizeiordnung bewenden und hingegen das Mandat gänzlich cassiren und dies Alles bis zu einer künftigen allgemeinen Reichsversammlung verschoben und eingestellt sein lassen“

Unterm 19. Juli 1609 ließ der Kurfürst die sächsischen Buchhändler durch den leipziger Rat und die Universitäten Wittenberg und Jena dahin bescheiden, daß seine Beschwerde an den Kaiser abgegangen sei, und ihnen auferlegen, daß sie, „wenn in Zukunft von den vermeinten Commissarien etwas Weiteres gesucht und bei ihnen gemuthet oder einig Exemplar gefordert würde, sich mit Glimpf entschuldigen und [635] auf die Intercession des Churfürsten bei der Kayserlichen Majestät und hoffentlich gewirige Resolution referiren und auch was künftig deßwegen weiter fürlauffen mochte, jedes Mal berichten sollten“. In ihrem Dankschreiben vom 14. August 1609, welches sie kurz vor der Abreise zur frankfurter Herbstmesse absandten, baten die Buchhändler ihren Landesherren, er möge den ihnen erteilten Bescheid auch dem Rate zu Frankfurt notificieren, damit „wir für unsere rechtmäßige Declinatorien genugsamen Schein haben, dabei vom Rathe ohne Weitläufigkeiten geschützt und also Anderen ehrlichen Handelsleuten gleich, bei kayserlichen Privilegien der Messen, ja bei aller Völker Rechten, darauf die Commercien, Handel und Wandel bestehen, gehandhabt werden mögen“. Diesem Wunsche hatte der Kurfürst schon am 17. Juli, also an dem Tage entsprochen, an welchem er im Interesse der beschwerde-führenden Buchhändler an den leipziger Rat geschrieben hatte. Er trat in diesem aus Eibenstock datierten Schreiben energisch für die Rechte seiner Unterthanen ein, bestritt mit den bereits geltend gemachten Gründen der Bücherkommission die Berechtigung zu ihrem Vorgehen und erklärte, daß er eben wegen deren Unrechtmäßigkeit seinen Buchhändlern verboten habe, den Anordnungen der Kommission Folge zu leisten. Namentlich aber sprach er dem Rat darüber sein Mißfallen aus, daß man auf den frankfurter Messen vorzüglich die lutherischen Buchhändler belästigt, und nicht allein Freiexemplare von Büchern, sondern auch deren Revision und Censur beanspruche, nachdem in Sachsen alle gesetzlich erforderlichen Förmlichkeiten erfüllt worden sein. Er wünsche und habe ein Recht zu verlangen, daß sich der Rat der sächsischen Buchhändler annehme und sie in Zukunft vor derartigen Zumutungen schütze, damit sie ihren Handel ungehindert treiben könnten. Am Schlusse seines Schreibens bemerkt der Kurfürst, daß er sich gegen diese unerhörte Neuerung beim Kaiser beschwert habe und daß er dem Rat die Antwort, welche nicht anders als günstig ausfallen könne, ihrer Zeit mitteilen wolle. Dieses Schreiben wurde, wie ein Kanzleivermerk sagt, in der Herbstmesse 1609 „durch etliche Wittenbergische, Jenische und Leipziger Buchführer auf dem Römer präsentirt“. Ein Bescheid darauf findet sich in den frankfurter Akten so wenig, als die Antwort des Kaisers auf die kurfürstliche Beschwerde im dresdener Archiv. Indessen hatte diese doch die gute Folge, daß man fürs erste die protestantischen [636] Buchhändler weder mit Beschlagnahmen noch mit sonstigen Strafen behelligte.

Inzwischen mehrten sich von Tag zu Tage die Anzeichen des aufsteigenden Sturmes, der Deutschland für ein Menschenalter in seine Wirbel reißen sollte. Mit dem Tode Rudolfs II. (1612) nahm die politische und religiöse Spannung immer schroffere Formen an. Bis in die untersten Schichten der Bevölkerung stieg die Aufregung. Jede Waffe galt zwischen den streitenden Parteien als recht: Spott und Hohn, Schimpf und Lüge. Bänkelsänger zogen durch das Land und boten in Städten und Dörfern, auf Messen und Jahrmärkten ihre „Drei oder vier neue Lieder, gedruckt in diesem Jahr“ feil. So gab es kaum ein Ereignis der großen Politik, von der Einnahme von Donauwörth an bis zu den aachener Vorgängen des Jahres 1614, das nicht durch Presse und Gesang ins Volk getragen worden wäre. Allen diesen Erzeugnissen der Parteiwut war selbstredend ein bitterer und gehässiger Grundton eigen; in keinem von ihnen drang ein gutmütiger, milder Zug durch: sie muten noch heute den Leser an, als ob die Gegner sich bereits mit den Waffen in der Hand gegenüberständen. In Frankfurt mischten sich die Bücherkommissare sogar in die dem Rate zustehende Censur über diese Art untergeordneter Litteratur ein und fahndeten auf die Bänkelsänger. So hatte Leucht schon am 19. September 1611 den Bürgermeister aufgefordert, dem Unfug ein Ende zu machen, den etliche unruhige Personen mit dem Dichten und Absingen von ärgerlichen Famosliedern und Schmähkarten auf den öffentlichen Plätzen der Stadt trieben. In solchen Liedern würden nicht allein der geistliche Stand, sondern auch die kaiserliche Majestät, andere hohe Potentaten und Reichsstände verkleinerlich und zum schmählichsten angetastet, wie sie denn auch dem Religionsfrieden zuwiderliefen. „Also gelanget an E. E. von Amptswegen mein dienstliches Suchen, Sie wollen durch Ihre Diener solche nicht allein alsbaldtt abschaffen, sondern auch die Dichter und Singer mit gebührlichem Ernst und Strafe ansehen.“ Es waren allerdings Schmählieder gegen den Papst, den Herzog von Bayern, die katholische Kirche, die Messe, die Beichte, die Jesuiten und katholische Übergriffe, wie sie herausfordernder selbst in jener erregten Zeit nicht gedruckt worden waren; indessen erschienen sie auf der gegnerischen Seite nicht milder, ja sogar noch gröber. Von diesen letzteren nahmen die Bücherkommissare [637] natürlich keine Kenntnis, weshalb sie sich mit Recht dem Vorwurf der Willkür und Ungerechtigkeit aussetzten.

Übrigens ließen sich auch trotz aller Strenge die Schmähschriften gar nicht mehr unterdrücken. Gestern verboten, wurden sie heute wieder öffentlich oder heimlich in den Gassen herumgetragen und tauchten morgen in verdoppelter Zahl wieder auf. Am 21. Januar 1615 ging Leucht wieder den Bürgermeister an, eine Anzahl von Pasquillen und Famosschriften zu verbieten und zu vernichten, in deren einer die kaiserliche Majestät, das Haus Österreich, besonders aber der Erzherzog Leopold schmählich verunglimpft und angetastet werde. An der Fahrgasse hingen die Händler gar ein sehr ärgerliches Patent und Kupferstücke öffentlich zum Verkaufe aus, „worin der ganze geistliche Stand hochlästerlich depingiret und angetastet werde“. Ohne Zweifel fürchteten sich die städtischen Behörden – es war die Zeit des Fettmilchschen Aufstandes und der Macht seines Führers –, die Aufregung der in ihrer Mehrzahl protestantischen Bevölkerung noch mehr zu steigern, denn sonst ließe sich die Wirkungslosigkeit der polizeilichen Maßregeln kaum erklären.

Es scheint, daß die revolutionäre Bewegung in der Stadt dem frankfurter Rat schon 1613 und 1614 eine tiefere Einsicht in den eigentlichen Charakter der kaiserlichen Politik verschafft gehabt hätte, als ihm bisher eigen gewesen war. Jedenfalls zeigte er sich den Bücherkommissaren gegenüber nicht mehr so zuvorkommend als in frühern Jahren. Der Kaiser Mathias hatte am 4. März 1613 die Bestallung Leuchts und Seiblins, der hier Seublein, genannt Böll, angeredet wird, erneuert, ihnen am 2. September 1615 Johann Ludwig von Hagen beigeordnet und sie zugleich bevollmächtigt, sich auf der nächsten und allen folgenden Messen eine oder mehr taugliche Personen zu substituieren. Wie sein Vorgänger, suchte auch Mathias die dem Papste und Kaiser feindliche Litteratur durch die Bücherkommission ohne viele Umstände aus der Welt zu schaffen. Im Sommer 1613 waren einige derartige Schriften erschienen. Die eine hieß: „Supplicatio ad Imperatorem, Regem et Principes super causis convocandi concilii generalis contra Paulum V. Pontificem“, die beiden andern behandelten die donauwörther Angelegenheit in einem der wiener Politik feindseligen Sinne und führten den Titel: „Informatio facti et juris wider die Relation Donauwerthischer Sachen“ und „Traktat in gleicher Materia Donauwerthischer Handlung“ [638] zu Amberg gedruckt. Auf die erste der genannten Flugschriften hatte der päpstliche Nuntius den Kaiser in einer undatierten Eingabe aufmerksam gemacht. Es ist das erste mal, daß sich in den frankfurter Akten die direkte römische Einmischung in die deutschen litterarischen Angelegenheiten zeigt, und daß ein Nuntius den Kaiser bei seinem, dem Papste schuldigen kindlichen Gehorsam ermahnt, ein derartiges ketzerisches Libell im ganzen Reiche und in den habsburgischen Erbländern zu verbieten. Mathias sandte denn auch am 5. Oktober 1613 diese „schand- und lästerliche“ Schrift an Leucht ein und bemerkte, daß wenn er auch von dessen Eifer im voraus überzeugt sei, er es doch in einem so außerordentlichen Falle für angezeigt gehalten habe, ihm eine außerordentliche Erinnerung zugehen zu lassen. Zugleich befahl er aber auch dem Kommissar, auf andere derlei böse und ärgerliche Bücher, namentlich auf die zweite und dritte der genannten Flugschriften fleißig zu achten, „damit dieselben alsbald abgeschafft und außen Weg geräumt werden“. Leucht gelang es denn auch, mehrere Exemplare dieser Schriften bei Johann Berner, Christoph Bruder, Nikolaus Rode und Peter Schinkel abzufassen und an sich zu nehmen. Unterm 15. Januar 1614 verlangte der Kaiser vom frankfurter Rate gar die Mitteilung der Namen aller unter dessen Botmäßigkeit stehenden Schriftsteller, Buchhändler und Buchverkäufer, da er mit Mißfallen und Befremden vernommen, daß dort schon lange „schmachhafte und lästerliche Bücher“ von verschiedenen Autoren gegen die uralte katholische Religion und deren Vorsteher gedruckt, öffentlich feilgehalten und verkauft worden seien. Durch solche Schriften würde nur das Mißtrauen und die allgemeine Erbitterung genährt und neu erweckt, abgesehen davon, daß sie strafbar und verboten seien, als billiger Weise nicht geduldet werden dürften. Als der Kommissar Seiblin die obenerwähnte „Informatio juris et facti wider die donauwörthische Relation“ bei dem Buchhändler Johann Berner konfisziert hatte, forderte er diesem auch eine Strafe von 30 Thalern ab. Berner beschwerte sich deshalb beim Rat, der am 22. April 1614 in Berathung über die Sache trat. Dr. Rasor erinnerte bei dieser Gelegenheit daran, daß durch solche Verfolgung der Verkauf der evangelischen Bücher nicht allein gehindert, sondern auch den evangelischen Ständen benommen würde, sich gegen die katholischen zu verteidigen, wie auch, daß dem Senat die Konfiskation und Strafe allein zustehe [639] und von ihm bisher auch ausgeübt worden, worauf denn beschlossen wurde, den Bücherkommissarien entgegenzutreten. Auch im Jahre 1616 hatte der päpstliche Nuntius wieder einmal dem Kaiser ein Werk als ketzerisch und Famosschrift denunziert und seine Konfiskation in Frankfurt verlangt. Es war „Marci Ant. de Dominis, Archiepiscopi Spalatinensis Apostatae, consilium sive caussae suae profectionis ex Italia“, welches Mathias daraufhin am 3. September auf der Messe in Beschlag zu nehmen befahl. Der Rat erhielt auf Nachfrage bei Billius aus London übrigens nur zwei Exemplare davon, verstand sich aber nicht zur Konfiskation, sondern beschloß am 7. Januar 1617, daß man diese Sache und was Cäsar und Kurpfalz an ihn, den Rat, geschrieben, bei bevorstehendem Städtetag anbringen und sich deshalb Rats erholen wolle. Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz hatte sich nämlich am 4. Januar 1617 in derselben Angelegenheit an den Rat gewandt. Bei seiner getreuen Sorge für das gemeine evangelische Wesen hatte er ihn ersucht, die Sache reiflich zu überlegen und das betreffende in Frankfurt auch nachgedruckte Buch nicht zu konfiszieren, zumal es keine boshaften Angriffe gegen hohe oder niedere Standespersonen enthalte. Andererseits aber sei doch bekannt, „was für vielfeltige Famosschriften und dazu noch in neulicher Zeit von dem andern Theil in offenem Druck ausgesprengt und ungescheut nachgedruckt, darinnen hohe Stands Personen zum Giftigsten an ihrer Reputation und Ehren mit höchster Unwahrheit angegriffen, aber dagegen einige Ahndung bis jetzt noch nicht verspürt worden, und sei kein Zweifel zu machen, daß auf Antrieb des am kaiserlichen Hof sich aufhaltenden päpstlichen Nuntii solcher Konfiskations-Befehl erlangt und ausgebracht worden“, wie es ja auch thatsächlich der Fall war.

Bereits auf der Herbstmesse 1617 verlangten die Bücherkommissarien vom Rate wieder die Konfiskation einer andern in England gedruckten Schrift desselben Verfassers: „De Republica Ecclesiastica“, allein auch jetzt weigerte sich der Rat, diesem Ansinnen nachzukommen, da er vom Kurfürsten von der Pfalz und andern evangelischen Ständen gewarnt und bedeutet sei, daß eine Konfiskation zum Präjudiz der Protestanten gereiche. „Der Befehl des Kaisers“, schreibt Friedrich noch am 26. Dezember 1617 an den Rat, „ist an Euch erlassen unter dem Namen und Schein eines ehrenrührigen Buches, weil darin des Papstes angemaßte Hoheit und Primat widerfochten wird. Nun halten wir diese [640] und dergleichen Confiscationes, damit man zeither umgegangen, einer sehr weit ausstehenden Consequenz, als es dadurch endlich dahin gerathen möchte, daß alle der Evangelischen Bücher, welche wider das Papsttum geschrieben, unter die Zahl derer, die für ehrenrührig und verdammt gehalten werden wollen, kommen und der Confiscation teilhaftig und also gar nicht mehr zugelassen werden dürfen, darum denn auch Wir und Unsere mitverwandten Stände jüngsthin um des schädlichen Indicii willen von Heilbronn aus Euch wohlmeintlich gerathen, hierinnen ein wachendes Auge zu haben und nicht zuzulassen, daß Euch hierin an Eurer habenden Jurisdiction nachtheiliger Eintrag geschehe, dazu Ihr Euch guter Maßen erboten, und die Wir berichtet, die jetzige vorgehabte Confiscation verhindert habt, welches Ihr auch fernerhin ins künftig zu thun nicht unterlassen, und also hierdurch Euch und dem gemeinen evangelischen Wesen keine beschwerliche Nachfolge gestatten wollet, und worin Wir Euch mit Rath und hülfreicher Beförderung in dergleichen Fällen die Hand werden bieten können, sind Wir dazu um des gemeinen Bestens willen erbietig und geneigt, wie auch andere Unsere mituniirten Stände, wenn sie darunter angelangt, gern thun werden.“

Sei es, daß der männlich bewußte Ton in den Briefen Friedrichs, der in sehr vorteilhaftem Gegensatz zu seiner spätern Unentschiedenheit und Schwäche steht, oder sei es, daß die Teilnahme der evangelischen Mitstände dem Rat Mut machte: genug, er wagte es jetzt seit fünfzig Jahren zum ersten male, seine Rechte wieder selbständig gegen den Kaiser und seine Kommissarien geltend zu machen. Ein kölner Buchhändler, Johann Gritti, hatte, wie die Akten sagen, „ein Schand- und Lästerbuch eines teuflischen Gesprächs betitelt: ›Evangelium reformatum‹, und mehrere andere Famosbücher in puncto religionis“ auf die Fastenmesse 1617 gebracht. Sie waren mit kölnischer Censur und Approbation, jedoch ohne den Namen ihrer Verfasser gedruckt. Der Rat ließ sie als ärgerlich und zum Unfrieden führend konfiszieren, trotzdem daß Gritti sich mit anzüglichen und trotzigen Worten auf die Meßfreiheit stützte und die Berechtigung des Rats zu einer solchen Maßregel bestritt, welcher, wie er ausführte, viel besser gethan haben würde, die gegen den Papst gerichteten Schmähschriften wegnehmen zu lassen. „Darneben hat denn Senatus sein Exercitium jurisdictionis, inspectionis, confectionis catalogi, confiscationis et executionis, der Polizey- und Reichsordnungen [641] zu conserviren, und dagegen die kaiserlichen Commissarios von Extension ihres exercitii inspectionis desto mehr anzuhalten, abermals ein offen Patent wegen der Büchermängel anschlagen lassen.“ Letzteres enthielt nichts als eine Wiederholung der alten Bestimmungen, wonach kein Buch auf die Messe gebracht oder verkauft werden dürfe, welches nicht den Namen des Verfassers, des Druckers und des Verlagsortes trüge. Das hier genannte Gritti’sche „Evangelium Reformatum“ ist übrigens bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts das einzige im katholischen Interesse veröffentlichte Werk, welches in Frankfurt konfisziert wurde und lediglich durch diesen Umstand bemerkenswert.

Über diesen Vorpostengefechten brach endlich der Dreißigjährige Krieg aus. Es würde ermüdend sein, die einzelnen Eingriffe in die Freiheit des buchhändlerischen Verkehrs mit der bisherigen Ausführlichkeit weiter zu erzählen, zumal sie sich im wesentlichen nicht viel von den bereits angeführten Einzelheiten unterscheiden. Es ist aber unerläßlich, die neuen Anmaßungen der Bücherkommissare gegen die politischen Rechte und die Büchermessen Frankfurts, sowie die Ausdehnung der immer unbeschränkter auftretenden kaiserlichen Machtansprüche genau zu verfolgen, zumal sie auf einem von der Geschichtschreibung bisher vernachlässigten Gebiete neue charakteristische Beiträge zur Kenntnis der Politik der Hofburg liefern. Sobald die kaiserlichen Waffen siegreich sind, tritt die Kommission ungestümer fordernd und befehlend auf; sobald sie dagegen unterliegen, hört man kaum etwas von einer Behörde, die ihren unheilvollen Einfluß täglich mehr auf Kosten der gesetzlichen und freiheitlichen Entwickelung Deutschlands ausdehnt.

Wie schon in den dem Kriege vorausgehenden Jahren Mathias den deutschen Preßverhältnissen eine stetigere und strengere Aufmerksamkeit zugewandt hatte, so unterwarf auch Ferdinand nach dem Ausbruch des Kampfes, und während desselben, den Buchhandel einer viel sorgfältigern und methodischern Behandlung. Die päpstlichen Legaten und Jesuiten der Hofburg wußten nur zu gut, welch ein gefährlicher Feind ihnen die Presse war und welche Macht ein Reichsstand auszuüben vermochte, wenn er seine verfassungsmäßigen Rechte energisch zu behaupten verstand. Der frankfurter Rat brauchte sich keinen Eingriff vom Kaiser gefallen zu lassen, denn als magistratus ordinarius entschied er in allen Preßangelegenheiten selbständig und souverän. Man hatte ihm [642] deshalb auch von Wien aus bis dahin mittelbar beizukommen gesucht und bis zum Kriege höchstens zugemutet, daß er den Bücherkommissarien zur Vollziehung ihrer Aufträge seinen Arm lieh, oder auch im eigenen Namen verkündigte, was jene von ihm verlangten. Sie brauchten also nur auf diesem Wege fortzugehen, um zum Ziele zu gelangen. Die politische Lage Frankfurts war für sie zu jener Zeit so günstig, als sie nur sein konnte. Der 1616 nur mit kaiserlicher Hilfe bewältigte Fettmilchsche Aufstand steckte dem wieder ans Ruder gelangten Stadtadel noch in allen Gliedern. Ohne Wurzeln im Volke und ohne jede innere Kraft konnte er auf keine andere Hilfe als die kaiserliche rechnen und mußte sich zum Dank für dieselbe manche Zumutung gefallen lassen, welche unter günstigern Verhältnissen selbst ein so verrottetes Patriciat, wie das frankfurter, entrüstet zurückgewiesen hätte. Natürlich ließen die übeln Folgen, welche eine solche selbstverschuldete Hilflosigkeit nach sich ziehen mußte, nicht lange auf sich warten. Obwohl durch die seitherige kaiserliche Politik durchaus nicht verwöhnt, blickte der Rat doch schon nach den ersten zehn Jahren des Krieges auf den Zustand vor demselben mit wehmütiger Sehnsucht als auf eine goldene Zeit zurück und verstieg sich seitdem zu keiner höhern Bitte mehr, als um die Wiederherstellung der frühern Lage der Dinge.

Natürlich wußte man in Wien sehr gut, mit wem man es zu thun hatte und handelte dem entsprechend. Die Kommissarien mußten sich bei jeder Gelegenheit in die Handhabung der Censur und die Zulassung von Büchern einmischen, unerfüllbare Forderungen stellen, Drohungen ausstoßen und selbst widerrechtliche Eingriffe veranlassen, um den Rat immer mehr einzuschüchtern und zum schrittweisen Nachgeben zu zwingen. So gewann denn die kaiserliche Politik kaum zehn Jahre nach Ausbruch des Krieges eine feste Grundlage, auf welcher sie bequem weiter bauen und sich befestigen konnte. Schon 1629 war es ganz klar, daß die Tage der frankfurter Buchhändlermesse gezählt waren; man konnte sich höchstens über das Jahr ihres völligen Absterbens irren. Fortan tritt jeder Kommissar strenger und anmaßender auf als sein Vorgänger. Je größer seine Rücksichtslosigkeit gegen Frankfurt ist, desto besser steht er in Wien angeschrieben. Hier schreibt man ihm seine Politik vor und belohnt man seine Dienste durch Titel und Adelsverleihungen, selbst durch pekuniäre Erleichterungen und Zuwendungen.

[643] Mit letztern war man allerdings in Wien stets etwas zurückhaltend. Schon 1620 hatte der Bücherkommissar Joh. Ludwig von Hagen wegen gehabter Arbeit und Kosten „um ein geistliches oder weltliches Honorarium“ gebeten, aber erst am 19. August 1631 erhielt er eine Pension von 500 bis 600 Gulden zugebilligt. Er mußte die „unter Lebensgefahr“ bewältige Arbeitslast ins Gefecht führen, seine Sorgfalt in Vorbereitung der kaiserlichen Mandate, bei der Unterdrückung der Famosschriften, sein Verdienst um die neue äußere Gestaltung des Meßkataloges und daß er die Pflichtexemplare auf seine Kosten nach Wien habe senden müssen, was übrigens, für die frühere Zeit wenigstens, eine Unwahrheit war. Die Dechanten der frankfurter Domkirche (Bartholomäus) bleiben selbstredend nicht hinter den Bestrebungen ihrer weltlichen Kollegen, der speyerschen Fiskale, zurück. Von diesen folgte auf den bereits erwähnten Karl Seiblin 1625 Dr. Gerhard Ebersheim, der sein Amt in Gemeinschaft mit dem bereits 1615 ernannten Domdechanten Johann Ludwig von Hagen bekleidete. Während er sich aber wenig um die Geschäfte bekümmerte, war letzterer bis zu seinem Tode, der erst gegen 1654 erfolgt sein muß, um so thätiger. Von 1637 an wirkte der speyersche Fiskal Dr. Jakob Bender mit ihm. Der Dr. med. Hörnigk, der später zum Katholizismus übertrat, hatte zwar schon 1649 an den Kaiser in buchhändlerischen Angelegenheiten berichtet, wurde aber erst 1655 nach dem Ableben Hagens an dessen Stelle zum wirklichen Bücherkommissar ernannt. Der Fiskal Dr. Philipp Werner von Emmerich folgte 1656 dem Dr. Bender. Hagen und Hörnigk waren die gehässigsten der bisher im Amte befindlichen Kommissare. Sie wurden aber bald noch überboten von Georg Friedrich Sperling, der 1661 seine Bestallung als Adjunkt erhielt und als Nachfolger Hörnigks in Aussicht genommen war. Dieser starb 1667; jener aber blieb zwanzig Jahre im Amt und wurde 1687 „aus erheblichen Ursachen“ entlassen. Er war ein gemeiner, zanksüchtiger und verächtlicher Mensch, dem eine so glimpfliche Behandlung sicherlich nie zuteil geworden wäre, wenn er nicht aufs rücksichtsloseste und herausforderndste die Jesuiten unterstützt hätte. Sein Nachfolger war Kaspar Vollmar, Dechant zu „Unsrer lieben Frauen“. Die genannten Kommissare bethätigten entweder auf Befehl des Kaisers oder im Einveständnis mit ihm ihren Diensteifer nach zwei Seiten hin: einmal in der Anmaßung einer straffen Censur, dann aber in eigenmächtigen Eingriffen [644] in die politischen Rechte des frankfurter Rates. Nebenbei benutzten sie auch die vielfach bestrittene Frage der dem Kaiser abzuliefernden Freiexemplare zur Erweiterung ihrer Macht; sie bot stets einen bequemen Anlaß zur Einmischung in die buchhändlerischen Interessen.

Die Censurverfügungen werden zunächst mit dem bestimmt ausgesprochenen Zweck erlassen, die Protestanten zu schwächen und zu demütigen, den Katholizismus aber zu heben und zu stärken. Kaum war der böhmische Aufstand niedergeworfen und Tilly siegreich in der Pfalz vorgedrungen, als am 2. September 1622 ein an sich unbeanstandetes größeres Werk, Joh. Dan. Mylius’ „Philosophia reformata“, vom Rate konfisziert werden mußte, weil der Verfasser es einem Rebellen, dem Kurfürsten Friedrich von der Pfalz und König von Böhmen, gewidmet hatte. Am 24. Juni 1626 erging der Befehl an den Rat, auf einen „höchstargerlichen intitulirten Catalogum etlicher Famosbücher und Tractätlein, so dem Hauß Österreich et Catholicis prejudicirlich, zu inquiriren und sie zu confisciren“. Dieser „Catalogus librorum mystico-politicorum, qui atumnalibus Nundinis Francofordiensibus anni 1626 in lucem prodiebunt“ (übrigens wohl nur als Satire und Fiktion aufzufassen, in Wien aber ernst genommen), enthielt nicht weniger als 46 anstößige Bücher mit fingierten Druckorten und Firmen, wie z. B. Neapel, bei den Erben Franz des Wahren, Madrid, im Hause der verletzten Gerechtigkeit, Paris, im Zeichen des aufgeblähten und kahlen Adlers, Löwen, im Hause der Verleumdung und im Zeichen des Ochsen im Himmel, Venedig, bei Justus im Zeichen des öffentlichen Wohles, Wien, im Hause des österreichischen Lutheraners Martin und im Zeichen der nackten Wahrheit, und endlich Antwerpen beim Päderasten Prädico, im Zeichen der sodomitischen Feuersbrunst. Die Jesuiten, Spanier und Habsburger sind der ausschließliche Gegenstand des Hasses und der Verachtung aller dieser Schriften. Neben den politischen Mysterien des Hauses Österreich mit angeblichen Kommentaren von Campanella, staatsrechtlichen Untersuchungen über die Nachfolge Ferdinands, dessen Sohn (der spätere Ferdinand III.) schon als Austriacissimus regierungsunfähig sei, und einer Abhandlung über das Haus Habsburg, welches dadurch seines Anspruchs auf die Kaiserkrone verlustig gegangen sei, daß es das Reich den Türken tributpflichtig gemacht und die Spanier ins Land gerufen habe, findet sich ein Werk angekündigt über die Kunst des [645] Lügens, des Verleumdens, der Verbreitung falscher Gerüchte und der Angeberei nebst Kommentaren an den Kardinal Spada, an welche Ausführung sich die Frage knüpft, ob die Ausüber dieser Kunst auch die Hohe Messe lesen dürfen. Daran reiht sich eine Apocalypsis Jesuitica, ferner die angeblich von einem Jesuiten beantwortete Frage, ob die Lues Venerea wahrhaftig und geschichtlich eine französische oder spanische Krankheit genannt werden müsse, und endlich ein Buch über die spanische Tyrannei.

Am 28. Januar 1628 wurde Jakob August de Thou’s (geb. 1533 in Paris und gestorben 1617) Geschichte seiner Zeit (von 1543 bis 1607) als sehr schmählich und ärgerlich in der deutschen Ausgabe des frankfurter Verlegers Peter Kopf konfisziert, weil die Editio princeps in Paris verboten worden war. Das Werk dieses gelehrten und hochgeachteten Parlamentspräsidenten und Bibliothekars Heinrichs IV. war ungehindert zwanzig Jahre lang in Deutschland und noch länger in Frankreich verkauft worden. Am 27. März 1629 befahl der Kaiser dem Hagen weiter, „in catalogum librorum nur zwo classes als 1, Catholicorum non tamen sub Titulo Pontificiorum, uti hactenus factum; Acatholicorum aber hernach ohne absonderliche Specification der Calvinischen zu bringen und zu setzten, Senatui aber, ihm die hülffliche Handt zu bieten“. Bisher hatte die protestantische Theologie vor der katholischen gestanden. Der Rat gab sofort nach und erhielt für seine Gehorsam ein Belobungsschreiben von Hagen. Jetzt bleibt nur noch übrig, sagt er in demselben am 6. April 1629, daß die Calvinistischen Theologen gar nicht mehr aufgeführt werden. Wenn es gegen die Reformierten ging, so frohlockten natürlich die Lutheraner; sie gönnten jenen womöglich noch Schlimmeres, als den Katholiken.

Daneben war der kaiserliche Hof jedoch nicht müßig, zur Durchführung seiner Pläne auch noch direkt einen Druck auf kleine Reichsstände, und namentlich auf die Reichsstädte, auszuüben. Während es in Frankfurt in Bezug auf das Hinaufschrauben der Zahl der Pflichtexemplare still war, versuchte der Kaiser z. B. am 28. Januar 1625 den Rat von Köln zu einer Anweisung an die dortigen Buchdrucker und Buchhändler zu drängen, dem kaiserlichen Patent zufolge vier Exemplare von jedem privilegierten und eins von jedem neugedruckten Buch an die kaiserliche Bibliothek zu liefern. Namentlich aber scheint es der schwäbische [646] Kreis gewesen zu sein, welcher Ende der zwanziger Jahre den Druck der kaiserlichen Preßpolizei zu Gunsten der katholischen Kirche in ganz besonderm Maße zu fühlen hatte. Im Jahre 1627 mußten sich auf Antrag des Hofgerichtsfiskals Immendorff Theodor Thumm, Prediger und Professor in Tübingen, Eberhard Wild und noch zwei andere Drucker daselbst wegen einer Streitschrift gegen das Papsttum, sowie auch die tübinger theologische Fakultät wegen der erteilten Druckerlaubnis verantworten. Herzog Friedrich von Würtemberg – obschon er das beantragte Verfahren einleitete – hatte aber doch den Mut, am kaiserlichen Hofe Vorstellungen zu erheben und kräftig zu betonen, daß man bei dem betrübten Zustande des Heiligen Römischen Reichs doch nichts zur Beschwerung des Glaubens der lutherischen Konfessionsverwandten thun und nicht in unzeitigem Eifer friedsässige Personen bedrängen möge. Der Rat zu Frankfurt war gleichzeitig (13. Februar 1627) angewiesen worden, die Buchführer namhaft zu machen, bei welchen Thumms Schriften vorrätig gewesen seien, die Schriften selbst aber zu konfiszieren: der letztere Befehl erging auch an verschiedene Reichsstädte. Nur Augsburg entsprach demselben : Ulm, Straßburg, Nürnberg und selbst Frankfurt thaten aber nichts.

Besonders gewaltsam war das Vorgehen gegen den evangelischen Prediger Dr. Georg Zehmann (Zeltmann?) in der Reichsstadt Kempten: er sollte angeblich in offenen Predigten und durch in Druck gegebene Schriften die Mutter Gottes, den heiligen Franciscus und hohe Prälaten „fast schmählich blasphemirt und hochärgerlich tractirt“ haben. Er wurde im Dezember 1628 durch Erzherzog Leopold ohne weiteres aufgehoben und auf dessen Bergschloß Ehrenberg gebracht, da man wegen der in Kempten herrschenden Seuche den Beschuldigten nicht nach Innsbruck zu transportieren wagte. Die Interzession des Rates zu Kempten, und später der evangelischen Stände des schwäbischen Kreises, blieb erfolglos. Das Untersuchungsverfahren wurde von den kaiserlichen Kommissarien unter Assistenz und vermutlich thatsächlicher Leitung des Jesuitenpaters Elias Graf, Superiors in Kaufbeuren, mit großer Weitläufigkeit behandelt; die Akten umfassen 300 enggeschriebene Seiten. Trotz aller dieser aufgewandten Mühe vermochte der Reichshofratsagent Jeremias Pistorius von Burgdorf den Angeklagten dennoch nicht der Verbrechen, deren er bezichtigt war, für schuldig zu befinden; [647] aber erst am 3. Januar 1630 erlangte Zehmann seine Freiheit wieder.

Der Kaiser stand eben jetzt auf der Höhe seiner Erfolge; 1629 fand sich kaum mehr ein ernster Feind gegen ihn im Felde. Solange dagegen aber von 1630 ab die schwedischen Waffen siegreich waren, steht keine wiener Maßregel gegen die Presse in den frankfurter Akten. Die Bücherkommission stellte sich todt. Erst sieben Jahre später, am 22. April 1636, kam Hagen noch einmal auf die äußere Anordnung des Meßkatalogs zurück. Er habe, sagte er, in Erfahrung gebracht, daß ein Ratsschreiber die seit einigen Jahren eingeführte Reihenfolge umstoßen und die protestantische Litteratur wieder an die Spitze stellen wolle, wogegen er, Hagen, nur warnen könne. Der Rat beschloß darauf denn auch gefügig in seiner Sitzung vom 13. April, „daß man zur Verhütung von Offension nit wol vorüber könne, der Catholischen theologische Bücher im Catalogo voranzusetzen, doch sollte die Rubric dergestalt formirt werden: Libri Theologici Romanorum Catholicorum, Augustanae Confessionis et protestantium.“

Wenn in den bisher aufgezählten Fällen die Kommissarien sich meistens auf die ausdrücklichen Befehle des Kaisers stützen konnten, so vermochten sie dies doch nicht, wenigstens nicht offenkundig, als sie eigenmächtig gegen den Rat der Stadt Frankfurt vorzugehen begannen. Der erste Eingriff dieser Art fand 1628 statt; seine Absicht lag klar zu Tage. Dem Kaiser sollte das schon 1608 vorspukende Regal über den deutschen Gesamtbuchhandel nunmehr unverhohlen vindiziert, der Rat aber von der Kognition über privilegierte Bücher, Famosschriften und Lästerkarten gänzlich ausgeschlossen und bei jeder Art von Veröffentlichung, Strafmandat und Exekution umgangen werden. Denn nur so war es möglich, den unter die Famosschriften gerechneten polemischen Schriften der Evangelischen im rein protestantischen Frankfurt beizukommen und sie ohne Zuziehung des Rates zu konfiszieren. Auf der Herbstmesse 1628 legte daher Hagen dem Rate den Entwurf einer Bekanntmachung vor, den er drucken und anschlagen lassen wollte, indessen auf des letztern Einwendungen hin zur Zeit zurückzog. Der Rat erkannte allerdings sofort die Tragweite dieses einseitigen Vorgehens. Er sah ein, daß er dadurch nicht allein in seinen wesentlichsten Machtbefugnissen beschränkt und beseitigt, sondern auch, daß bei Duldung solcher Anmaßung der Meßbesuch [648] empfindlich geschädigt werden, somit auch der Wohlstand der Stadt bedeutend leiden würde. Gleichwohl wagte er nicht energisch vorzugehen. Aus Furcht, „Ihro Kaiserlichen Majestät höchsten Authorität zu nahe zu treten“, beschloß er nämlich am 21. September 1628, den Anschlag im eigenen Namen zu machen. Er gab ihm folgende Fassung: „Im Namen der Röm. Kayserlichen Majestät vernichten und verbieten Wir gänzlich hiernächst unten angemeldete Bücher in specie Allen und Jeglichen weß Standes, Hoheit und Wesens dieselbige sein mögen, hiermit ernstlich anbefehlend, daß dero keiner gedachte Bücher hinführo entweder im Druck ausgehen lasse, lese oder sonsten aus wasserley Gestalt bei sich aufzuhalten unterstehe, sondern alle obberührte Bücher Uns sobald nach eingenommener dieses gegenwärtigen Decreti Wissenschaft, so deren bei sich haben werden, offenbarlich vorzuzeigen und einzuhändigen hiermit verpflichtet sein sollen.“ Es folgten dann die Titel von zwölf Büchern in französischer, italienischer und lateinischer Sprache, die fast alle gegen die Jesuiten und die Kurie gerichtet waren; darunter z. B. Tractatus inscriptus: Discorso del P. Giovanni Mariana Giesuita Spagnuolo, intorno à grand’ errori, che sono nella forma del governo de i Giesuiti; Dominici Baudi Orationes; Lexicon Philologicum praecipue Etymologicum, autore Mathia Martinio in scola Bremensi (was hat denn der bremische Lehrer mit seinem Lexikon verbrochen?); Miscellancorum Theologicorum libri tres.

Frankfurt also beanspruchte nicht mehr, wie es gemußt und gesollt hätte, die ausschließliche Entscheidung über seine eigenen Angelegenheiten, sondern war zufrieden, wenn es im Schlepptau der Bücherkommissare nachrücken durfte. Seine völlige Unterwerfung unter den Willen des Kaisers war nur noch eine Frage der Zeit, nur aufgehalten in den folgenden Jahren durch den zeitweisen Triumph der schwedischen Waffen. Von 1630 bis 1636 kommt deshalb in den Akten auch kein Verbot, keine Beschlagnahme, ja nicht einmal eine Anfrage oder Anzeige der Bücherkommissare vor. Sobald aber der schwedische Kriegsruhm zu erblassen anfängt, beginnen auch die alten Maßregelungen in Frankfurt wieder, und schon das Jahr 1637 bietet die willkommene Gelegenheit, den Rat in allen wichtigen buchhändlerischen Fragen beiseite zu schieben.

Der Buchhändler Wolfgang Endter in Nürnberg hatte durch den [649] frankfurter Buchdrucker Anton Humm ein größeres Werk des berühmten Juristen Johann Oldendorp: „Practica actionum forensium absolutissima“, gewöhnlich als „Classes Oldendorpii“ citiert, drucken lassen.[4] Die Töchter des frankfurter Verlegers Peter Kopf behaupteten, ein kaiserliches Privilegium auf dieses Werk zu besitzen und erwirkten auf Grund dieser Angaben die gerichtliche Beschlagnahme des Hummschen Druckes. Die Bücherkommissare Hagen und Bender verlangten in der Fastenmesse des Jahres 1637 vom Rate, daß er ihnen die mit Beschlag belegten Exemplare ausantworte, forderten den Humm – ohne nur dessen zuständiger Behörde, dem Rate, Anzeige zu machen – vor sich und nahmen ihn in eine Geldstrafe von 1000 Thalern. Die bereits gedruckten Exemplare waren vorläufig in Humms Verwahrung geblieben, wo sie am 18. April 1637 von Hagen und Bender kraft „des ihnen anbefohlenen perpetuirten kaiserlichen Commissariats“ konfisziert wurden. Sie rechtfertigten sich am 30. April in einer ausführlichen Denkschrift und hoben hervor, daß der Kaiser nicht beabsichtigte, in die Rechte und Gerechtigkeiten der Stadt irgend welchen Eingriff zu thun; dagegen sei die Ertheilung von Impressorien und Privilegien ein aus dem Brunnquell aller Gnaden fließendes kaiserliches Regal, weshalb denn auch dem Kaiser ausschließlich, und nicht mit Andern konkurrirend, die Kognition über die Wahrung dieser Privilegien gegen Übertreter zustehe. Somit habe der Rath sich aller Einmischung in Privilegiensachen zu entschlagen und höchstens als magistratus loci auf ergangene Aufforderung hin hilfreiche Hand bei Vollziehung kaiserlicher Befehle zu leisten, wie er denn auch zur Arrestanlage nicht befugt gewesen sei. „Er solle also von seiner unbefugten Anmaßung abstehen, das Reichsoberhaupt in seinen hohen Regalen nicht turbiren auch rem sacram nicht touchiren, sondern die mehrgedachten von uns, den Bücherkommissarien, confiscirten Exemplare Oldendorps sofort verabfolgen und die kaiserliche Majestät in ihren juribus wider uraltes Herkommen nicht hemmen“. Der Rat gab diesmal den Bücherkommissarien auf ihre ermüdend lange und unbegründete Ausführung eine schneidige und kurze Antwort. Er schrieb am 22. April 1637 durch seine Kanzlei, daß sich die Kommissarien bei ihm überhaupt noch nicht legitimiert hätten, – Ferdinand II. war am 25. Februar 1637 gestorben – daß der Rat in allen Arrestsachen privilegiert sei, daß die Sache aber in Frankfurt ausgetragen werden müsse, weil es noch gar [650] nicht feststehe, ob die Töchter Kopfs ein Privilegium für die gedachten „Classes“ hätten. Wenn nun auch in frühern Jahren von den Kommissarien kaiserliche Konfiskationsreskripte erwirkt worden seien, so sei dadurch doch dem Rate nichts an seinem Stand und seinen Gerechtigkeiten benommen worden, denn früher hätten ihm die Kommissare die zu konfiszierenden Schriften namhaft gemacht und ihn gebeten, die Buchhändler zur Rede zu stellen und solche Sachen zu unterdrücken; ja der Kaiser selbst habe zuweilen an den Rat geschrieben und ihm angesonnen, gegen seine Bürger mit Konfiskation vorzugehen. Die Herren Hagen und Bender hätten so wenig Recht, gegen frankfurter Bürger ohne Vorwissen ihrer Obrigkeit einzuschreiten und sie in Handgelübde zu nehmen, als er, der Rat, sich beigehen lasse, sich in die kaiserlichen Befugnisse der Privilegienerteilung zu mischen. Und weil er dergleichen starke Erinnerungen und Verweise nicht verschuldet, auch nie zuvor dergleichen erfahren oder gehört, so würden die Herren ersucht, falcem in alienam massem ferner nicht einzubringen, die Stadt bei ihren Rechten und Gerechtigkeiten vielmehr ruhiglich verbleiben zu lassen, während die kaiserliche Hoheit und Präeminenz am besten durch die Städte und Mitglieder des Reichs konserviert und gehandhabt werde.

Der junge Kaiser fand es diesmal denn doch noch für gut, die Rechte des frankfurter Rats wenigstens formell zu schonen, denn in dem Patent, welches er am 3. September 1637 an Hagen und Bender als Kommissarien für die privilegierten Bücher ausstellte, räumte er ihnen keineswegs das von ihnen geltend gemachte Recht des selbständigen Vorgehens ein, sondern wies nur den Rat an, ihnen mit Arresten und andern Exekutionsmitteln an die Hand zu gehen. In der Sache selbst aber gab der letztere doch nach, indem er den Kommissarien die Genehmigung zum Einschreiten anfangs nur ausnahmsweise versagte und ihnen sogar gestattete, zugleich im eigenen und in des Rats Namen selbständig zu verfahren. Trotzdem waren die Kommissarien schwer zu befriedigen. Sie beklagten sich namentlich im letzten Jahrzehnt des Kriegs vielfach beim Kaiser, daß der Rat ihre Schritte durch passiven Widerstand vereitele, so daß 1640, 1643 und 1647 wiederholte Ermahnungen zur energischen Hilfeleistung an ihn ergingen. Noch 1650 beschwerte sich Hagen, daß der Rat infolge des Übergewichts der schwedischen und französischen Waffen nicht dazu zu bringen gewesen sei, bei Exekutionen hilfreiche Hand zu reichen. Man [651] nannte in Wien diese Art der Beteiligung des Rats an der Verfolgung der Presse „eine konkurrirende Gerichtsbarkeit“.

Eine andere und nicht minder schwere, schon weiter oben berührte Form des Drucks übte der Kaiser dadurch auf Frankfurt aus, daß er den Rat zur Beitreibung und Ablieferung der ihm gebührenden Freiexemplare zwang. Diese Auflage machte sich anfangs in einer durchaus nicht anstößigen Weise geltend. Sie war einfach eine der Gegenleistungen für ein kaiserliches Privilegium gegen Nachdruck. Schon vor dem Jahre 1569 hatten die Kaiser einen Privatmann oder auch den Rat beauftragt, von den die Messe beziehenden Buchhändlern die Freiexemplare einzufordern und nach Wien zu schicken: zeitweise übernahm diese Aufgabe auch wohl, wie bereits erwähnt, einer der fremden Buchhändler, ob aber auf Grund eines von Wien oder von der Bücherkommission erhaltenen Auftrags, oder ob auf Grund freier Vereinbarung, ist nicht ersichtlich. „Bis dahin war der Buchhandel noch nicht so blühend“, heißt es in einer spätern Denkschrift vom Jahre 1696, „die Druckereien waren noch nicht so stark im Schwung und die Bosheit des Nachdrucks war noch nicht so hoch gestiegen, also auch nicht so viel Privilegien nöthig.“ Maximilian II. hatte 1569 bei Einsetzung der Bücherkommission so viel Exemplare von privilegierten Büchern verlangt, als noch Jahre für das (auf fünf bis zehn Jahre) bewilligte Privilegium liefen und 1570 von jedem privilegierten Buche fünf Exemplare gefordert, während von nichtprivilegierten Büchern kein Freiexemplar abgeliefert zu werden brauchte. Diese Zahl wurde aber selten oder nie eingesandt. Der Kaiser ging deshalb von seiner ursprünglichen Forderung herunter und beanspruchte für die Folge nur zwei Exemplare von einem privilegierten und eins von jedem nichtprivilegierten Buche. Indessen war es schwer, wenn nicht unmöglich, selbst diese Zahl einzutreiben. Mahnung folgte auf Mahnung, allein es half nichts, und gegen Ende des 16., wie zu Anfang des 17. Jahrhunderts geriet die ganze Angelegenheit in Vergessenheit; der Widerstand in den Jahren 1608 und 1609 war doch nicht erfolglos geblieben. Mathias vernahm mit Befremden und Mißfallen, daß von einer großen Anzahl privilegierter Bücher, welche nicht nur auf der frankfurter Messe verkauft, sondern auch dem Meßkatalog einverleibt würden, die schuldigen drei Exemplare nicht an die Reichskanzlei eingesandt seien, und befahl deren nachträgliche Ablieferung bei Strafe der Konfiskation und des [652] Verlustes des Privilegiums. Auch Ferdinand II. ließ es anfangs in seinen Patenten vom 1. Oktober 1621 und 30. März 1622 bei diesen drei Exemplaren bewenden, welche ihm nach dem ausdrücklichen Inhalt der kaiserlichen Privilegien gebührten, verlangte aber, daß dieselben einschließlich der Frachtunkosten bei Strafe der Sperrung der Gewölbe, auch Konfiskation und Verlust aller neuen Werke unfehlbar an Hagen eingeschickt würden. Zwei Jahre später aber wurde diese Zahl nicht mehr für genügend befunden. Am 26. August 1624 befahl der Kaiser allen Buchhändlern, nicht allein die herkömmlichen drei Exemplare privilegierter Bücher frei an die Hofkanzlei zu liefern, sondern auch zur Vermehrung der kaiserlichen Hofbibliothek von allen neuen Büchern, sie seien privilegiert oder nicht, und gedruckt, wo sie wollten, eins, „wie solches andere Potentaten auch practiciren thäten“; zugleich aber wurde dem frankfurter Rat befohlen, zur Erzwingung dieser Maßregel eventuell dem Bücherkommissar mit der Exekution behilflich zu sein. Am 28. Januar 1625 wurde dieser Befehl, vier Exemplare abzuliefern, fast mit denselben Worten wiederholt. Trotzdem waren die Buchhändler „morosi in der Einsendung der schuldigen Bücher“ und mußten immer von neuem, wie am 26. April 1629, 4. Juli 1640 und 19. Oktober 1648 bedeutet werden, die beanspruchten vier Exemplare an der St. Leonhardskirche, der Amtswohnung Hagens, abzuliefern. Aber das half nur wenig; nur vereinzelte Buchhändler kamen aus freien Stücken und ohne Zwang den selbst übernommenen Verpflichtungen nach. In den Jahren 1638 bis 1648 trafen nach Ausweis der wiener Akten nur wenige Sendungen (1640, 1641) bei Hofe ein, ja Hörnigk behauptet sogar in einem Bericht vom 8. Mai 1649, daß nach Angabe des kaiserlichen Bibliothekars Rechperger vom 4. April 1639 bis zum Mai 1649, also in 10 Jahren, „nicht ein einziger Autor weder cum noch absque privilegio Caesareo“ an die kaiserliche Bibliothek übersendet worden sei. Bei solcher Sachlage hebt es denn auch Hagen, als im Dezember 1648 Henning Große’s Erben in Leipzig um die Erneuerung eines Privilegiums einkamen, rühmend und die Bitte empfehlend hervor, daß die Bittsteller „semper debitam obedientiam sacrae Caes. Maj. constanter exhibuerunt“.

Offenbar, um die Buchhändler wenigstens etwas williger zu machen, nahm man damals von der Sendung der Pflichtexemplare nach Wien auf Kosten der Verpflichteten Abstand und wälzte dagegen diese Frachtkosten [653] auf die Schultern Hagens ab, worüber letzterer schon im Jahre 1631 lamentierte, sie aber erst im Jahre 1649 in der Liquidation über seine von 1619 bis 1648 gemachten Auslagen (1043 Gulden) verrechnen konnte. Bei dieser unwesentlichen Erleichterung behielt es jedoch nur bis unmittelbar nach dem Kriege sein Bewenden. Schon 1662 beschweren sich die Buchhändler wieder über die großen Kosten, welche mit der Versendung in die Residenz des Kaisers verbunden seien. „Dem Pfund nach zu rechnen“, sagen sie, „wie wir es bezahlen, müssen wir von jeglichem Zentner 20 Gulden erlegen, da man hingegen solche (Bücher) umb ein weit und viel Geringeres dahin bringen kann. Wohinzu kommt, daß die Commissarii aus bloßem Wahn und der Sachen unberichtsame vor Eröffnung der Läden eine Designation der fremden und newen Bücher, vor Ausgang der ersten Wochen aber die Liefferung der Exemplarien begehren und darauf oder nach Gelegenheit vff verwirkte Straff dringen wollen.“

Es folgte eine weitere Steigerung der Belastung. Am 16. März 1650 und 31. August 1651 verlangte der Kaiser zum ersten und am 9. März 1654 zum zweiten mal fünf Freiexemplare von jedem privilegierten und eins von jedem nichtprivilegierten Buche. Welchen Wert man bei Hofe auf die pünktliche Einlieferung derselben legte und wie wenig regelmäßig dieselbe erfolgte, das beweist die Thatsache, daß innerhalb der nächsten sechs Jahre von 1655 bis 1661 nicht weniger als sechs kaiserliche Befehle, und zwar am 4. September 1655, 11. April 1656, 7. August 1658, 24. März 1660 , 30. März 1661 und 6. September 1661, darüber ergingen. Diese Erhöhung in der Zahl der zu liefernden Exemplare scheint auf dem Verlangen des Reichskammergerichts zu Speyer zu beruhen; dasselbe hatte am 30. Juli 1650 von jedem in Deutschland erscheinenden privilegierten Buche – von dem ausländischen Verlage nicht – ein Exemplar für seine Bibliothek beansprucht.

Der frankfurter Rat suchte auch jetzt wieder durch seinen Erlaß vom 27. Januar 1657 den kaiserlichen Mandaten Nachdruck zu verleihen; allein die Buchhändler wußten sich dennoch der ihnen auferlegten Verpflichtung, wo sie nur konnten, zu entziehen, oder sandten nur Schriften „von geringen und kleinen authoribus ein“, während „was hauptsächliche Bücher seyn, zurückblieben und zu dem Ende ganz dolose aus dem [654] Kataloge gelassen würden“. Darauf deutet auch Kaiser Leopold hin, als er sich am 4. März 1662 – und fast wörtlich ebenso am 3. Oktober 1684 – von neuem darüber beschwerte, daß die Buchhändler ihm entweder gar keine Pflichtexemplare einsendeten, oder nur „solche schlechte authores, so des Fuhrlohns nicht werth“. Aber nicht genug mit dieser Beschwerde an den Rat; er ließ zugleich, mit Beiseiteschiebung des letztern, an der Dechanei zu St. Leonhard ein gedrucktes Patent anschlagen, in welchem er zur Abstellung dieser Mißbräuche bei Strafe von sechs Mark löthigen Goldes, nicht weniger Sperrung der Büchergewölbe, Konfiskation sämtlicher Lagervorräte und Ersatz der verursachten Kosten, unter anderm befahl, „von allen neuen, auf der frankfurter Messe zum Verkauf gebrachten Büchern an den kaiserlichen Bücherkommissar stets ohne Aufforderung die für die kaiserliche Bibliothek bestimmten Exemplare abzuliefern“. Damit dies aber besser geschehe, habe jeder Buchhändler vor Beginn der Messe dem Bücherkommissariat ein vollständiges Verzeichnis seiner neuen oder neu aufgelegten Bücher, seien sie eigener oder Kommissionsverlag, vor Schluß der ersten Meßwoche zu überreichen. Wer es versäume, habe in der zweiten Meßwoche die doppelte Anzahl zu entrichten; die verschwiegenen Bücher seien aber eo ipso zu konfiszieren.

Die Steigerung der Leistung nahm aber noch weitern Fortgang. Im März 1678 hatten sich die einheimischen und fremden Buchhändler beim frankfurter Rat darüber zu beschweren, daß ihnen der Bücherkommissar Sperling nunmehr noch ein sechstes Pflichtexemplar für den Kurfürsten von Mainz und ein siebentes für den jeweiligen Bücherkommissar abfordere. Der Rat, welcher gleichzeitig selbst beim Kaiser Beschwerde zu führen hatte, beschied die Buchhändler dahin, daß sie ihre Notdurft bei diesem direkt einbringen sollten, alsdann wolle man sich ihrer zugleich auf gebührendes Ansuchen intercedendo annehmen. Die Buchhändler erhielten jedoch keinen Bescheid, obwohl sie näher ausführten, „daß alle Handlungen darniederlägen, Papier, Frachten und andere Unkosten weit höher im Preise ständen, als Abgang und Vertrieb der Bücher sich beliefen, also und dergestalt, daß bei so gestalten wahrhaften circumstantien und da der Buchhandel mehr beschweret werden sollte, reipublicae literariae, worinnen salus publica dependire, kein geringer Abbruch geschehen dürfte“. Noch 1690 war diese Beschwerde unerledigt [655] und 1695 wird die Zahl von sieben Pflichtexemplaren als feststehend erwähnt. Dabei behielt es auch sein Bewenden, bis denn Artikel 7 der kaiserlichen Verordnung vom 10. Februar 1746 über den frankfurter Buchhandel bestimmte, daß „dem bisherigen Herkommen gemäß von privilegirten Büchern fünf Pflichtexemplare zur Reichshofraths Kanzlei, eins für des Kurfürsten zu Mayntz Liebden, als ErtzCantzlern, und eins dem zeitlichen Bücher Commissario vor dessen mit denen Buchführern, Händlern und Druckern habende Bemühung; dagegen von den unprivilegirten Büchern eins Unserer Bibliothek, eins des Churfürsten von Mayntz Liebden und eins dem Bücher Commissario eingeliefert werden sollten“.

Die ersten Bemühungen des genannten Kurfürsten zur kostenfreien Beschaffung einer Bibliothek reichen in die letzten Jahre des Dreißigjährigen Krieges zurück. Sie liefern zugleich einen schlagenden Beweis dafür, mit welch fadenscheinigen Gründen man damals im Reiche ein wertvolles Recht ertrotzen konnte, ohne nur die geringste Gegenleistung dafür zu bieten. Kurfürst Anselm Kasimir erließ also am 26. September 1642 und 28. September 1643 zwei offene Patente an die Bücherkommissare Hagen und Bender, sowie an die in Frankfurt zur Messe anwesenden Buchhändler. In dem ersten derselben erklärte er, daß ihm als Erzkanzler des Reiches und kraft des in dieser Eigenschaft ihm unwidersprechlich zustehenden Regals die Visitation über die Bücher gebühre, daß von ihm alle diejenigen, welche in den Meßkatalog gebracht würden, visitiert werden müßten und daß deshalb die kaiserlichen Kommissarien dafür sorgen sollten, daß auch ihm behufs solcher Visitierung zu der Erzkanzlei nach Mainz ein Exemplar von jedem privilegierten und nicht privilegierten Buche, jedoch ohne Abgang und Präjudiz des kaiserlichen Fiskals, geliefert werde. In seinem zweiten Erlaß verlangte der Kurfürst, „weil Er wegen tragenden Erzkanzlerampts durch Germanien cumulative anklebender Visitirung und Inquirirung über die in der Stadt Frankfurt befindliche Buchdruckereien und Buchläden, sonderlich dem Katalog jedes Mal einverleibten Bücher, und damit durch seine Assistenz alle und jede zeither eingerissenen Mängel, Mißbräuche und Ungebühr von Messe zu Messe verbessert werden mögen, daß ihm auf der Buchhändler Kosten ein Exemplar zum Wenigsten von jedem verlegten Traktate zu seiner Hofkanzlei überschickt und daß die Buchführer [656] dazu vom Rathe der Stadt ermahnt“ und angehalten werden sollten.

Der Rat teilte dieses kurfürstliche Begehren den zur Herbstmesse 1643 in Frankfurt anwesenden Buchhändlern mit; diese aber wiesen es einstimmig und entrüstet zurück. Außer dem, was sie an Exemplaren dem Kaiser gäben, führten sie aus, könnten sie ihre Bücher mit mehreren anderen Primitiis nicht belegen lassen. Es sei hier eine freie Messe und Commercium und sonderlich der Buchhandel ratione studiorum privilegiert; der Rat aber wolle sie jure magistratus in ihrem Besitzrecht schützen. Der Buchhandel sei besonders bei den jetzigen noch kontinuirlichen Kriegsläuften in solchen Abgang und Rückgang gerathen, daß die Reise- und Zehrungskosten nicht zu erschwingen, noch der Ladenzins bezahlt werden könne, sondern dafür den Hausherren oft die Bücher zugeschätzt werden müßten; zu geschweigen, daß hinfüro wegen dazu erforderlichen großen Unkosten und der Buchführer notorischer Unvermöglichkeit so bald keine neuen Bücher in Druck ausgehen möchten. Durch die beabsichtigte Neuerung müßte aber der Buchhandel noch mehr ins Stocken gerathen. Sie bäten deshalb bei ihrer Libertät gelassen und mit solchen unpracticirlichen Zumuthungen lieber verschont und in ihrem bisherigen Stand in der Buchgasse quiete belassen zu werden. Wegen der großen Kriegsgefahr und des allgemeinen Stockens des Buchhandels waren damals nur wenige fremde Buchhändler zur Messe gekommen. Die von ihnen abgesandten Diener befanden sich aber ohne nähere Instruktion und konnten keine Antwort geben, weshalb sie die Sache ad referendum nahmen. Die Erklärung der Buchhändler wurde vom Rate am 2. Oktober 1643 dem Bücherkommissar Hagen mitgeteilt und am 14. Oktober ej. bei dem Kurfürsten nicht allein bevorwortet, sondern namentlich auch in ihren Auslassungen über das schlechte Geschäft unterstützt. Dieses kurfürstliche Ansinnen, führte der Rat aus, sei über alle Maßen beschwerlich, da durch das leidige Kriegswesen der Buchhandel ohnehin in solches Stocken und solchen Abgang gerathen sei, daß fast Keiner mehr etwas nach Frankfurt bringen, noch wenn es dennoch geschehe, den geringsten Vorteil noch Gewinn davon haben könne, vielmehr großen Verlust und Schaden erleiden müsse. Zudem erscheine das Verlangen des Kurfürsten als eine unerhörte Neuerung, welche zum Nachteil der befreieten frankfurter Messen gereiche und auch andere Kurfürsten [657] und Reichsstände betreffe, welche ihre Unterthanen nicht so leicht in dieser Weise würden beschweren lassen. Deshalb möge der Kurfürst bei seinem Begehren nicht beharren, sondern das bisherige Herkommen nicht stören und lieber den leider mehr als darniederliegenden Buchhandel fördern helfen.

Hier bricht der Schriftenwechsel zwischen beiden Staaten ab. Wenn indessen auch die Akten keine weitern Verhandlungen über diese Frage aufweisen, so ruhte sie doch fortan nicht mehr. Mainz war durchaus nicht gewillt, von seiner Forderung abzulassen, der Rat von Frankfurt aber fügte sich und befahl, wie aus einer beiläufigen Notiz hervorgeht, am 12. April 1652 Buchführern und Buchdruckern an, dem Kurfürsten von Mainz als Reichserzkanzler ein Exemplar von jedem ihrer neuen Bücher abzuliefern. Dieser Befehl scheint aber bis zu Sperlings Verfügung vom März 1678 ein todter Buchstabe geblieben zu sein, denn am 12. April 1679 ernannte Kurfürst Karl Heinrich von Mainz den frankfurter Buchhändler Peter Zubrodt zu seinem Unterbibliothekar in Frankfurt, „damit ihm kein Schaden oder Nachtheil zugefügt, viel weniger befugter Anlaß gegeben werde, gegen die Vertreter mit beliebigen Ahndungsmitteln zu verfahren“. Im Eingang erwähnt der Kurfürst unter andern auch, daß er „aus absonderlicher kaiserlicher Concession bei dem Buchhandel merklich interessirt sei, also auch mit allem Fleiß zu verhüten suchen müsse, daß er benachtheiligt werde“. Übrigens gelang es Mainz erst von 1685 an, die Anerkennung der Ablieferung seines erpreßten Exemplars zu erlangen; allein bis ins 18. Jahrhundert hinein sträubten sich die Buchhändler gegen diese Abgabe.

Nur vier Jahre nach jenen Verhandlungen von 1643 griff der Kurfürst von Mainz, ermuntert durch den schwachen Einspruch, den er erfahren, den frankfurter Rat aufs empfindlichste in einem jener wesentlichsten Rechte an, welche seit Jahrhunderten von der Reichsverfassung anerkannt und bisher noch von keiner Seite bestritten worden waren. Er mutete nämlich einem ihm politisch vollständig ebenbürtigen Reichsstande zu, Befehle von ihm anzunehmen und auszuführen. Er war selbstredend so wenig dazu befugt, als etwa heutzutage Oldenburg der Freien Hansestadt Bremen, oder Mecklenburg der Freien Hansestadt Hamburg Verhaltungsregeln zu geben hat. Der Kurfürst Anselm Kasimir verlangte nämlich am 19. September 1647, daß der frankfurter Rat [658] bei der eben angefangenen Herbstmesse dem Herkommen gemäß ein Verzeichnis verbotener Bücher durch den kurfürstlichen Scholastikus und Büchercensor Hagen sofort anschlagen lasse. Das in Plakatform gedruckte Verbot zählte 51 verschiedene Schriften auf und war ursprünglich von der päpstlichen Kanzlei am 13. Dezember 1646 mit der Unterschrift des Kardinals Spada erlassen worden. Dieser hatte es kurzer Hand an den Kurfürsten von Mainz mit dem Auftrage der Veröffentlichung übersandt. Das Verzeichnis war nichts als eine der gewöhnlichen Fortsetzungen des „Index librorum prohibitorum“ und enthielt unter andern auch 12 Schriften, welche nicht einmal unbedingt, sondern nur „donec corrigantur“ verboten wurden. Der einzig formell zulässige Weg zur Erreichung ihrer Absicht wäre für die Kurie der gewesen, daß sie sich an den Kaiser gewandt und diesen um seine Vermittelung gebeten hätte; indessen war es ihr bequemer, unmittelbar den mainzer Kurfürsten selbst anzugehen. Bei der bisher bewiesenen Schwäche Frankfurts sah dieser nicht das geringste Bedenken darin, sich dem Auftrage zu unterziehen, und spielte Hagen als seinen Büchercensor auf, während derselbe doch nur als kaiserlicher Beamter handelnd auftreten konnte. Hagen aber hatte nichts Eiligeres zu thun, als, ohne nur eine Mitteilung des Rats abzuwarten, das päpstlich-kurfürstliche Verbot an die Kirchenthür von St. Leonhard und der dieser Kirche gegenüberliegenden Dechanei anzuschlagen. Statt das Schriftstück sofort wieder abreißen zu lassen und Hagen wegen seiner Frechheit zur Untersuchung zu ziehen, begnügte sich der Rat damit, gegen dessen Verfahren als einen Eingriff in seine Rechte zu protestieren und Hagen zu ersuchen, „solches Decretum entweders von selbsten abzuthun oder zuzuwarten, daß solches authoritate magistratus reficiret würde“. Hagen gab dem Protest erhebenden Stadtschreiber Wolfgang Hoffmann am 21. September 1647 zur Antwort: „1) Was er dißfalls gethan, habe er in Crafft tragenden officii und lengst hierbevor dem Rathe insinuirten kaiserlicher General-Commission in rem librariam verrichtet; 2) daß im Eingang des Patents Ihr Churfürstliche Gnaden zu Maintz sich inscribiret, so sey ja bekanndt, daß derselben als Archi-Cancellario in Teutschlandt, welches hohe Officium dem Chur Maintzischen Electorat unzertrennlich anhange, der Buchhandel und was von demselben dependire, eingethan und Ihr Chur f. Gn. die Ober-Inspection darinnen haben: dessen Befehl alß Archi-Cancellarii [659] ja billich zu pariren habe; 3) so sey es nichts newes, sondern vormals mehr sonderlich im September 1628 befohlen; 4) sehe er nit, wie er dem Rath hiermit zu nahe gegangen oder dessen Jurisdiction violirt hätte, angesehen solches Decretum nicht in loco aliquo Magistratus, sondern an seiner Kirchen und an seiner Dechaney angeschlagen worden, und 5) keinen einzigen Buchführer zu Schaden angesehen, sondern allein denen Catholischen zur Warnung geschehen, gantz ohne, daß einige Confiscatio dadurch gesucht würde. Wolle nun der Rath deß allen unerachtet de facto zufahren und dieses Patent abthun, müsse er es zwar geschehen lassen, wolle aber demselben tragenden Amptes halben in bester Form contradiciren.“

Der Rat gab sich mit dieser Antwort zufrieden und ließ nicht einmal den unbefugten Anschlag wieder abreißen. Durch seine ewige Nachgiebigkeit, seine unselige Feigheit hatte er den Hohn und die Angriffe der Bücherkommissare so stark herausgefordert, daß diese ihn zuletzt aufs unwürdigste behandeln zu können glaubten.

Endlich war der langersehnte Frieden zu Stande gekommen. Wenn andere Gewerbe und Geschäfte jetzt leise und allmählich aufzuathmen begannen oder wenigstens keine offenen Gewaltthaten mehr zu fürchten hatten, so hörte für den Buchhandel der Kriegszustand nicht auf und zwar war es in erster Linie der Kaiser, welcher die Feindseligkeiten mit nie erlahmender Erbitterung und stets frischen Kräften erfolgreich fortsetzte. Frankfurt mußte jetzt dafür büßen, daß es den Siegen der Schweden und ihrer Verbündeten zugejauchzt und sich in den Augen der Jesuiten der Hofburg bei der Unterdrückung antikatholischer, oder vielmehr antijesuitischer Bücher zu lässig gezeigt hatte.

Bereits im achten Kapitel ist der traurigen, fast vernichtenden Einwirkungen des langen Krieges auf den deutschen Buchhandel gedacht worden. Was trotz derselben von letzterem noch übrig blieb, soweit er nämlich in Frankfurt und auf dessen Messen zur Erscheinung kam, das rottete der Kaiser nach und nach gründlich aus. Hatte die Bücherkommission selbst während des Krieges bedeutende Erfolge für sich errungen und neue wichtige angebahnt, so war die Hofburg jetzt nach dem Abschluß des Friedens erst recht nicht gewillt, bei dem geringen Widerstand, den sie in Frankfurt fand, auf halbem Wege stehen zu bleiben. Der Weg war ihr vielmehr klar vorgezeichnet: sie mußte den Kampf, welchen sie durch [660] Einsetzung der Kommission klug berechnend eingeleitet hatte, siegreich zu Ende führen und ihren Sieg rücksichtslos ausbeuten. Das gelang ihr denn auch vollständig, wenngleich ihr freilich der Kampfpreis schließlich wie Schnee in der Hand zerrann. Frankfurt aber mußte den Kelch seiner Selbsterniedrigung bis auf den letzten Tropfen leeren, wobei nur zu beklagen ist, daß das protestantische Deutschland mehr oder weniger sein Unglücksgenosse wurde. Im Wesentlichen war die Niederlage schon mit dem Ablauf des Jahrhunderts so gut wie entschieden.

Zunächst ließ es sich der Bücherkommissar Hörnigk besonders angelegen sein, stets künstliche Zwistigkeiten zwischen Kaiser und Rat da zu schaffen, wo in der That keine Veranlassung dazu vorlag, den Rat als ungehorsam zu verdächtigen und so hinzustellen, als sei lediglich sein böser Wille schuld daran, wenn der Buchhandel nicht seinen geordneten Gang nähme und wenn die Befehle des Kaisers keine Beachtung fänden, namentlich aber wenn die für den letztern bestimmten Freiexemplare ausblieben. Vorwände zur Anklage waren immer vorhanden, denn Hörnigk brachte – bald diesen, bald jenen Punkt mehr betonend – drei in Wien besonders schwer ins Gewicht fallende Anklagen vor. Demgemäß verhehlt denn auch der Kaiser fortan dem frankfurter Rate sein Mißfallen darüber nicht, daß er dem unerlaubten Nachdruck der mit kaiserlichen Privilegien erschienenen Bücher nicht steuere, daß er die dem letzten Friedensschluß und andern Reichskonstitutionen zuwiderlaufenden Famosbücher, Pasquille und Scartequen nicht unterdrücke und daß er nicht energischer auf Ablieferung der schuldigen Pflichtexemplare bestehe, sowie endlich daß er dem Bücherkommissar bei seinem Einschreiten nicht sofort hilfreiche Hand leihe. Diese Vorwürfe kehren oft mehreremal in einem und demselben Jahre wieder, sei es einzeln, sei es vereinigt. Hörnigk hatte ein sehr naheliegendes Interesse daran, sie nicht erkalten zu lassen, denn solange sie in der Luft schwirrten, so lange seinen, des übereifrigen Konvertiten, Insinuationen geglaubt wurde, konnte er um so rücksichtsloser gegen den Rat vorgehen. Zwar bot dieser in Wirklichkeit gar keinen Anlaß zu Klagen und Verdächtigungen; im Gegenteil, er war zu ängstlich und setzte, worauf schon wiederholt hingewiesen wurde, dem Kaiser nicht einmal den durch die Reichsverfassung ihm ermöglichten Widerstand entgegen. Höchstens schwingt er sich, wie z. B. 20. März 1655, zu dem Einwand auf, „daß den Obrigkeiten jedes [661] Orts, da einige Bücher gedruckt oder feil getragen oder verkauft werden, die Censur und Obsicht über solche Bücher gebühre und obliege, daß darinnen nichts wider des heil. Reichs Satzungen und Ordtnungen eingerücket oder wider E. K. M. hohe Reputation gedruckt werde“, aber, fügt er ängstlich gleich hinzu, mit der in diesen Ordnungen begründeten Reservation, „daß im Fall die Obrigkeit hierinnen sich säumig erzeigen würde, E. K. M. alsdann entweder selbsten oder durch dero kaiserliches Fiscal-Ampt gebührendes Einsehen verfügen möchten“. Um seinen Eifer und seine Unterwürfigkeit zu beweisen, ließ der Rat schon seit langem bei jeder Mahnung des Kaisers dessen Befehle in Plakatform überall bereitwilligst anschlagen und deckte seine territoriale Autorität notdürftig nur dadurch, daß er in selbständigen, gleichzeitig erlassenen Gesetzen seinen Bürgern und den Fremden die gewissenhafte Befolgung jener kaiserlichen Erlasse anbefahl. So finden sich in dem Corpus legum Francofurtensium mit den kaiserlichen Erlassen aus dem Dreißigjährigen Kriege fast wörtlich übereinstimmend noch die frankfurter Gesetze vom 18. Januar 1621, 5. September 1622, 10. September 1628, 21. November 1639 und aus späterer Zeit die vom 11. April 1650 und 27. Januar 1657.

Um jedoch den Faden der Erzählung in der Mitte der fünfziger Jahre wieder aufzunehmen, so ließen es die Bücherkommissarien nun nicht mehr bei falschen Denunziationen in Wien bewenden, sondern schritten, ohne den frankfurter Rat nur zu fragen oder selbst nachträglich in Kenntnis zu setzen, einseitig gegen Buchhändler und Preßerzeugnisse ein. Auf der Herbstmesse 1654 belegte unter anderm der speyerer Fiskal Philipp Werner von Emmerich den Engelbert Gymnicus (Gymnich) aus Köln und Nikolaus Weingarten aus Amsterdam mit einer Strafe von zehn Mark löthigen Goldes dafür, daß ihre Patrone in den Niederlanden, Brabant etc. kaiserlich privilegierte Bücher nachgedruckt hatten; aber kein einziger dieser Nachdrucke war ins Reich gebracht, noch dort verkauft oder vertauscht worden. Der Laden Weingartens wurde geschlossen, weil dieser sich weigerte, jene Summe zu zahlen oder eine Kaution von 500 Thalern zu stellen; ein Wächter hineingesetzt, welcher den fernern Geschäftsbetrieb verhinderte. Beide Buchhändler bestritten in ihrer Beschwerde an den Rat dem Fiskal jede Befugnis zur Arrestanlegung und zu sonstigen Zwangsmaßregeln, ohne vorherige [662] Genehmigung der Ortsobrigkeit, und baten, während der freien Messe gegen derartige Gewaltthaten geschützt zu werden, „die Sache selbst aber ad viam juris ordinariam zu verweisen“. Sollte es nicht geschehen, so würden viele Buchhändler billiges Bedenken tragen, die frankfurter Messen in Zukunft zu besuchen. Hörnigk trieb es noch schlimmer, indem er sich die Büchercensur anmaßte, einzelne die Messe besuchende Buchhändler vor sich beschied, Strafen auferlegte und that, als ob überhaupt keine Stadtobrigkeit vorhanden sei.

Nach sechs Monaten ermannte sich endlich der Rat zu zwei Beschwerden an den Kaiser, deren eine vom 20. März und deren andere vom 15. April 1655 datiert ist. „Die von Ew. Majestät je zu Zeiten verordnet gewesenen Comissarii“, heißt es in der ersten, „unterfangen sich zuweilen ohne Zuziehung Unserer als des ordinarii magistratus dieses Orts über Bücherangelegenheiten und Buchhändler, auch unsere eigenen Bürger allein zu cognosciren und zu sich zu nehmen, Strafen zu dictiren, zu exequiren und anders zu verfügen, wie dies auf jüngst abgerückter Herbstmeß von E. M. Fiscal generalis bei dem hochlöblichen Cammergericht zu Speyer gegen die Buchführer Engelbert Gymnicus und Niclas Wingarden von Amsterdam geschehen und von diesen geklagt worden. Wenigers nicht unterstehet sich der Ludwig v. Hörnigk unter dem Vorwande, daß E. K. M. ihm allein und ohne Gehülfen das Bücher-Commissariat aufgetragen und gleichwohl diese gerümbte Commission weder in originali, weder in copia vidimata uns vorgezeiget, noch sich dazu legitimirt hat, von unsrem Bürger Johann Conrad Vürtern zu begehren, daß er ihm nach Mentz den Mercurium und Relation, darinnen was von Messen zu Messen sich begeben, referiret wird, und so in vorstehender Messe ausgehen soll, ehe sie zum Druck verfertiget werden, zu seiner ohne Zweifel vorhabenden Censur hinüberschicken soll. Vor diesem, wenn es nothwendig gewesen, dem im Druck überhand nehmenden Unwesen gebührlich zu begegnen, wurde es von E. K. M. Vorfahren den hierzu verordneten Fiscalen und Commissarien eingebunden und befohlen, daß sie solches mit unserm Rath und Beistand thun, weßhalb denn auch die vorhin gewesenen Commissarien, im Fall einig Buch oder scriptum in oder außerhalb hiesiger Messe zu confisciren befunden worden, sich der Execution gar nicht unternommen, daß sie vielmehr dieselbe uns als ordinario aufgetragen und verrichten neu [663] lassen. Auch zu besorgen, wenn von E. K. M. Commissariis ein und andere Cognition und Execution in obberührten Fällen jetzo oder hinkünftig einseitig vorgenommen werden sollte, daß dadurch diese gefreyte sehr in Abgang gekommene Messe und sonsten hochnützliche Commercien ferners mercklich gehindert und gestocket werden dürften, wie dies Gymnicus und Wyngardten in ihrer Supplication non obscure zu verstehen gäben.“ Die Beschwerde schließt mit der Bitte, daß der Kaiser dem Hörnigk befehlen möge, es in diesen Buchhandelssachen bei dem vor dem leidigen Krieg üblich gewesenen Herkommen bewenden zu lassen, der seitherigen Neuerungen sich zu enthalten und daß er „sodann was in denselben, zumal bei hiesigen gefreyten Messen vorzunehmen und zu verrichten, dasselbe mit Zuziehung unserer, aus unserer Mitten darzu Deputirten vornehmen und verrichten, die Execution und Strafen aber uns als ordinarium alleinig verfügen lassen solle“.

Die zweite Beschwerde ist kürzer und im wesentlichen nur eine Wiederholung der ersten; sie klagt zunächst über die Steigerung in der Zahl der beanspruchten Pflichtexemplare, erhebt dann die gleichen Beschuldigungen gegen die Bücherkommissare und ist nur um deswillen noch beachtenswert, weil sie die in den Buchhändlerkreisen auftauchenden Andeutungen über die Folgen eines derartigen Vorgehens für den Flor der frankfurter Büchermesse gewissermaßen als die eigenen des Rats hinzustellen scheint: „weilen solches zu Verhinderung der Commercien, gemeinen Nutzens, Abbruch der Messen und obrigkeitlichen jurium gereiche“.

Zunächst fand es der Kaiser für gut, die eigentliche Streitfrage zu umgehen, da ihre Lösung im Sinne der Hofburg denn doch zu schroff gegen die Reichsgesetze verstoßen und leicht eine der beabsichtigten entgegengesetzte Wirkung geäußert haben würde. Statt also überhaupt auf die Beschwerde des Rats einzugehen, befahl er diesem am 4. September 1655 nur kurz und sachgemäß, dem Bücherkommissar Dr. L. v. Hörnigk – er war unter Wiederholung der bisherigen Instruktionen und Verordnungen am 17. Februar 1655 definitiv zum Nachfolger Hagens ernannt worden – auf vorheriges Ansuchen bei allen seinen preßpolizeilichen Obliegenheiten die obrigkeitliche hilfreiche Hand zu bieten. Aber schon ein zweiter Erlaß vom 11. April 1656, der übrigens erst am 20. September 1656 in Frankfurt einlief, stellt sich thatsächlich völlig auf die Seite Hörnigks und schiebt dem Rate bösen Willen unter. „Obwohlen [664] wir Uns nun keines Andern versehen“, heißt es wörtlich, „denn daß solchen Unsern kaiserlichen Befelchen allerdings wäre gelebt und nachgesetzt worden, so müssen Wir doch mit ungnädigstem Mißfallen vernehmen, daß zu deren wirklichen vollständigen Execution um deß willen noch zur Zeit nicht zu gelangen gewesen, weil theils Euere zum Buchhandel Deputirte obbesagtem Fiscal die erforderliche Executionshülff nicht alle Mal gedeihen lassen, sondern die Sachen disputirlich gemacht und selbige zur Cognition vor Euch verwiesen und gezogen werden wollen. Wann nun gleichwohl solches Alles zu Präjudiz und Schmälerung Unserer kaiserlichen Autorität, Privilegien und Respect gereicht und dadurch die höchst nothwendige Remedierung der eingerissenen schädlichen Mißbräuche nur gestecket wird: Also befehlen Wir Euch hiermit nochmals gnädigst und ernstlich, daß Ihr zu gehorsamster Folg Unsers vorigen Kais. Befelchs ermeltem Unseren Fiscalen und Bücher-Commissario Dr. Hörnigk auf jedesmaliges bloßes Ansuchen wider die Schuldhafftigen und Übertretter, so sich denselben, als welchen Wir Unsere Kais. weitere Commission dißfalls sammt und sonders aufgetragen haben, in einige Weg widersetzen, oder in Leistung der Gebühr säumig erzeigen, die hülfreiche Hand ohne einige Verweigerung oder Einrede viel weniger neue Cognition oder Disputat bietet, und Ihnen zu Vollziehung der dies Falls von Uns anbefohlenen Execution kräftig verhülflich seyet.“

Was der Kaiser wollte, lag also klar zu Tage: das Opfer sollte sich abschlachten lassen, ohne zu klagen, oder gar sich zu wehren; der frankfurter Rat sollte den Bücherkommissarien als willenloses Werkzeug an die Hand gehen und die Pläne der Hofburg fördern, ohne daß diese dem Verdachte einer Untergrabung, geschweige denn Zerstörung der Reichsverfassung ausgesetzt gewesen wäre. Noch glaubten die Stadtväter den Schlag durch die weitgehendste Nachgiebigkeit von sich abwenden zu können. Sie befahlen also zu Anfang November 1656 dem Notar und Oberstrichter Johann Hartmuth Greff, „auf jeweilen ergangene Kays. Erinnerungs- und Befelchschreiben die Druckereien in halben und viertel Jahren unversehens visitiren und auf die unter Händen gehaltenen Drucke inquiriren zu lassen und wann sich etwas Verbotenes gefunden, hinwegzuräumen und wider die Contravenienten und Frevler selbsten mit Geld- und Thurmstrafen zu verfahren, allermaßen, da es nöthig, particular Exempel erzählet und beigebracht werden könnten“. So begab [665] sich denn auf Geheiß des ersten Bürgermeisters Dr. Erasmus Seyfart der genannte Greff am 5. November 1656 zuerst zum Drucker Fivett und von ihm zu allen andern, „so eilend, als nur möglich gewesen, damit ja kein Buchdrucker den andern dieser meiner Commission wegen nit avisiren können“, und nahm von jedem in seiner Gegenwart gedruckten Bogen einen frisch abgezogenen mit, den er sofort auf der Rathskanzlei ablieferte. Es gab damals nur acht Druckereien in Frankfurt, deren Namen und von der Presse genommenen (in Parenthesen genannten) Drucke Greff in folgender Ordnung aufzählt: 1) Daniel Fivett („Repertorium latinum“ und „Comenius“, beide in 8°), 2) Johann Nicolaus Humm („Agricolae Concordanz“, in Fol., „Analysis Dieterici“ und „Roderiguez Exercitations“, in 4°, und ein hebräisch Buch in 8°), 3) Hoffmann („Gottfrieds Chronica“ und „Galliae descriptio“, von Merian-Zeiller, in Fol. und „Analysis Dieterici, in 4°), 4) Matthäus Kempffer („Hortus pastorum“, in 4°, und „De purgatorio“, in 8°), 5) Joh. Philipp Weiß (Ayrers Prozeß, in 8°) Rödell („Zoesius in Libros Decretalium“, 4°, und geistliche Reißkunst), 7) Latomische Erben (Kalender, 16°) und 8) Hans Georg Spoerlin (Diebshistorien, in 8°). Es sei hier der Vollständigkeit wegen erwähnt, daß Greff seine Besuche in den städtischen Druckereien noch neunmal wiederholte, und zwar am 17. März 1660, 22. Januar 1661, 5. August 1661, 3. Januar 1662, 3. Juli 1662, 16. Februar 1663, 7. August 1663, 6. März 1664 und 9. Februar 1665. Die Zahl der Druckereien stieg vom 5. November 1655 bis zum 7. August 1663 von acht auf vierzehn und in den letztern wurden im ganzen 32 ½ Pressen beschäftigt, wie Greff diese Zahl näher nachweist.

Einen schärfern Erlaß, als den spätern vom 27. Januar 1657, hätte übrigens der Rat zur Wahrung der kaiserlichen Rechte nicht veröffentlichen können; allein er mochte thun, was er wollte, es gelang ihm nicht, die Hofburg von seiner Willfährigkeit und Nachgiebigkeit zu überzeugen. Die ängstlichste Überwachung der Pressen, Beschlagnahmen, Geld- und Gefängnisstrafen wurden ihm nur als Abschlagszahlungen und Beweise eines schlechten Gewissens ausgelegt. Hörnigk sorgte für immer neue Reibungen und griff bei jeder Gelegenheit mit immer größerer Willkühr in die Rechte Frankfurts ein. So verhallten denn auch alle Klagen des Rats ungehört. Als er unter Betonung seiner ausschließlichen [666] Gerichtsbarkeit am 28. Februar 1657 dem Kaiser auf dessen Erlaß vom 11. April 1656 antwortete und seine Beschwerde über die Bücherkommissare näher begründete, wurde nicht einmal eine Untersuchung der einzelnen Punkte angeordnet. Und doch ging aus dieser vielfach mit Beispielen belegten Darstellung klar hervor, daß die Bücherkommissarien in den letzten Jahren oft „einseitig und allein zugefahren waren und sich da Eingriffe erlaubt hatten, wo der Rath als ordinarius magistratus loci sich der Buchhändler anzunehmen um so dringender verpflichtet fühlte“, als es ihm mehr und mehr darauf ankommen mußte, den Besuch „dieser alten gefreyeten Messen“ zu sichern, nachdem die Buchhändler schon wiederholt gedroht hatten, „ihn zum unwiderbringlichen Abbruch des boni publici und derer agonisirenden Commercien zu quittiren“.

Aber diese Eingabe war kaum in Wien angekommen, als sich Hörnigk einen neuen Übergriff herausnahm. Er verlangte vom Rate nämlich am 28. März 1657 die Beiordnung eines Richters, um 32 Exemplare der „Meditationes Augustini“ 49 der „Confessiones“ desselben und 9 Thomas a Kempis zu konfiszieren, welche Werke der holländische Buchhändler Janson einem andern nachgedruckt haben sollte. Der Bürgermeister trug in Ermangelung jedes Beweises Bedenken, dem Antrag zu willfahren, schickte aber zum Jansonschen Diener und ließ ihn in Handgelübde nehmen, keins dieser Exemplare bis auf weitern Befehl zu verkaufen. Inzwischen fuhr Hörnigk eigenmächtig dazwischen und ließ die Bücher versiegeln. Damit aber seiner Jurisdiktion kein Eintrag geschehe, beschloß der Rat jedoch nun, was er in ähnlichen Fällen schon längst hätte veranlassen sollen, die Hörnigkschen Siegel, weil ohne seine Genehmigung angelegt, wieder abnehmen, die Bücher im Laden auf den Kornmarkt verzeichnen und es sonst bei dem vom Jansonschen Diener geleisteten Handgelübde bewenden zu lassen. So geschah es denn auch und Hörnigk, als er Ernst sah, fügte sich ohne Widerspruch.

Der neue Kaiser Leopold trat mit sehr weitgehenden Ansprüchen auf und bewies gleich durch seinen ersten Erlaß vom 7. August 1658, daß er auf Wahrung aller angeblich von seinen Vorfahren ererbten Rechte eifrig bedacht war. Wiewohl der Rat sich im März 1659 bereit erklärt hatte, „einen der kais. Maj. und dem erzherzoglichen Hause Österreich schimpflichen und verkleinerlichen Stich“, den König Karl X. Gustav [667] von Schweden vorstellend, bei den Buchhändlern Clemens de Jonghe aus Amsterdam und Hans Hoffmann aus Nürnberg zu konfiszieren, die beiden Missethäter aber mit Geldstrafe und Gefängnis zu belegen, fand sich der Kaiser am 5. April 1659 dennoch wieder veranlaßt, den Rat ausdrücklich aufzufordern, dem Bücherkommissar Hörnigk in seinem Amte hilfreiche Hand zu leisten. Er, der Kaiser habe jetzt erfahren – verfügt er am 20. März 1660 weiter –, daß der Rat wegen Vollziehung dieses Befehls verschiedene Bedenken gehabt hätte und sich „über die causas der Versperrung und Arrestirung eines oder andern Buchladens zu inquiriren angemaßet“. Dadurch würden nur die ungehorsamen Buchhändler bestärkt und die Bücherkommissare in ihren Amtshandlungen gehindert werden. „Er, der Kaiser, befehle deßhalb ein für alle Mal dem Rath, dem Bücher-Kommissar ohne Anmaßung eintziger Cognition alle erfordernde und nothwendige Hülfe und Assistenz zu leisten.“

Hörnigk, der natürlich einseitige Berichte an die Hofburg gesandt hatte, wußte jetzt, daß er sich fortan ungescheut gegen den Rat hervorwagen und damit zugleich in Wien angenehm machen konnte und handelte dieser Erkenntnis entsprechend. Die erste Gelegenheit ergab sich schon auf der Herbstmesse 1660; doch wurde ihm auch diesmal noch der Erfolg durch die ganz ungewöhnliche Energie des Rats vereitelt. Die konfessionellen Fehden der Geistlichen und Professoren der verschiedenen Bekenntnisse wucherten zu jener Zeit ebenso schlimm, wenn nicht noch schlimmer, als vor dem Dreißigjährigen Kriege. Lutheraner und Katholiken wetteiferten miteinander in geschmacklosen und rohen Angriffen und gaben sich in Gehässigkeit und im Schimpfen nichts nach. Auf jeder Messe regnete es förmlich Kontroversschriften. Zur Herbstmesse 1660 erschienen unter anderm eine katholische Schmähschrift: „Das Kohlschwarze Lutherthumb“ von Laubenberger, die in Würzburg veröffentlicht war, und eine lutherische Gegenschrift Christian Kortholts: „Schwarzes Papstthum“, deren Verleger der Buchhändler Johann Ludwig Neuenhahn in Jena war. Während Hörnigk jene unbeachtet ließ, wandte er seine ganze Aufmerksamkeit dieser als „einem gar zu famosen scriptum“ zu, drang in das Gewölbe Neuenhahns ein und nahm ohne vorherige Anzeige an den Rat eigenmächtig 150 dort vorgefundene Exemplare mit sich, ja muthete dem Rate zu, eine nachträgliche Haussuchung vorzunehmen und ihm, Hörnigk, die etwa noch vorgefundenen [668] Exemplare auszuantworten. Der Rat fühlte sich jedoch diesmal so tief verletzt, daß er am 21. September 1660 peremtorisch die sofortige Ablieferung der konfiszierten Bücher an seine Kanzlei verlangte. Hörnigk, vom Stadtschreiber zur Rechtfertigung aufgefordert, stellte natürlich die ganze Sache als reinen Zufall dar. Er sei zufällig in Neuenhahns Laden gekommen, gab er entschuldigend vor, habe zufällig dort vier Exemplare auf dem Tische liegen gesehen, dann zufällig im ganzen 150 Exemplare entdeckt und natürlich mitnehmen lassen. Jetzt aber könne er die durch Zufall in seinen Besitz gelangten Bücher nicht ohne ausdrücklichen kaiserlichen Befehl herausgeben.

Wie sich die Sache aber in Wirklichkeit verhielt, das möge der wahrhafte Bericht erzählen, den Hans Ziegler, Neuenhahns Buchhandlungsbedienter, am 22. September 1660 dem Rate erstattete. „An jüngst verwichenem Dienstag, den 18. huj.“, sagt Ziegler wörtlich, „ist eine kurze Mannsperson, so auch in anderen Buchläden gewesen und herumgegangen, zu mir in meine Bücher-Cammer gekommen, gesagt, Ich sollte zum Herrn Commissario gehen und meine Sachen richtig machen. Hierauf habe ich drei neue Büchlein mitgenommen, als Marvii Anatomiam, Item Kortholtens Erörterung und ejusdem Kohlschwartzes Papstthumb, nicht anders vermeinend dieweil dieses letztere bey uns schon zwei Mal in Meßzeiten verkaufft, es gleich den beiden vorigen, meine Herrschaft vorhin auch in den Catalogum gebracht haben werde, worauf Herr Dr. v. Hörnigk dieses Buchlein gewogen, darvon ich drei Albus geben müssen, Er das erste besehen, beyseits gelegt, darauf die anderen beide auch durchsehen, sobalten zu fluchen angefangen, das Buch habe ein Schelm gemacht, ein Schelm getruckt und ein Schelm anhero geführt. Hierüber bin ich als ein junger Mensch heftig erschrocken. Er weiters gesagt, wo ich ein einziges Exemplar werde verhehlen und es I. K. Maj. werde erfahren, so sollte ich die Tage meines Lebens kein Exemplar von einigem Buch mehr anhero bringen dürfen, auch gefragt, wie viel ich deren Exemplaria hätte, Ich geantwortet, ich hätte über vier nit mehr. Hierauf hat Herr Dr. v. Hoernigk mir einen Notarium, den er bey sich hatte, zugegeben, ihm etwas in die Ohren gesagt, so ich nicht hören können, der sobalden mit mir in die Cammer nach Hauß gehen müssen. Ich als ein junger Mensch ging mit Bestürzung nach Haus, deckte die Exemplaria eilendts zu, so gut ich konnte. Der Notarius [669] stöberte in der Cammer herumb, fand die Exemplaria, sagte wer nun Jemand hätte der sie weg trüge; sie mußten confiscirt seyn. Wenn ich wollte einen Schein darüber haben, daß sie mir wären abgenommen worden, so sollte ich zu dem Herrn Commissario gehen, würde solchen sobalden bekommen. Hat darauff all die Exemplaria auf seinen Arm gefaßt und ist mit darvon gegangen. Des Riese Diener von Leipzig und die allhiesigen Schönwetterschen Diener haben das Fluchen von Herrn Dr. v. Hörnigk auch gehört.“

Als der Rat aber Hörnigk mit Beschlagnahme seiner in Frankfurt stehenden Kapitalien drohte, gab letzterer schon am 22. September klein bei. Nach einem kurzen Scheingefechte lieferte er die mitgenommenen Bücher in der Kanzlei ab. Noch am Mittag wollte er dies nur unter der Bedingung thun, daß der Jenaer Buchführer und sein Diener wegen zu groben Ärgernisses mit ein paar Tagen Gefängnis abgestraft würden, erklärte auch nichts dagegen einwenden zu wollen, wenn der würzburger Buchdrucker wegen des „Kohlschwarzen Lutherthum“ auch in Strafe genommen werde, vorausgesetzt, daß der Rat dies auf seine eigene Verantwortlichkeit hin verfüge, wozu letzterer jedoch keine Veranlassung zu haben erklärte. Aber die Furcht vor dem Verluste seiner Kapitalien und die ganz ungewohnte Energie des Rates wirkten so kräftig auf Hörnigk, daß er, ohne nur eine Antwort abzuwarten, schon am Abend desselben Tages die bei Neuenhahn weggenommenen Bücher einsandte. Er bedauere, erklärte er, daß der Rat sich über ihn alteriert habe und von ihm einen Eingriff in seine Rechte befürchte; das sei niemals seine Absicht gewesen. Er habe nur noch wenige Jahre zu leben und wolle sich gegen den Rat also verhalten, daß derselbe keine Ursache haben solle, sich über ihn zu beschweren. An demselben Tage noch lud der Rat sämtliche in Frankfurt anwesende Buchhändler vor sich, teilte ihnen das eigenmächtige Verfahren Hörnigks mit und forderte sie auf, demselben keinen Gehorsam mehr zu leisten, falls er nochmals so handeln sollte. Unter den 29 erschienenen Firmen waren vertreten: A. Janson, Joh. Blaeuw und Elsevier aus Amsterdam, Joh. Anton Kinck, Michael Demen, Jodocus Kalcovius, Peter Metternich und Wilhelm Frissemius aus Köln, Friedr. Spoor und die Eberhard Zetznerschen Erben aus Straßburg, Samuel Chouet aus Genf, Johann Görlin aus Ulm und Johann Ludwig Neuenhahn aus Jena.

[670] Im Dezember 1660 versicherte dann Hörnigk wiederholt der frankfurter Bücherdeputation, daß ihm alles daran liege, den Verleger von Laubenbergers „Schwarzem Lutherthum“ zur Rechenschaft zu ziehen, und bedauerte nur, daß er ihn nicht finden könne. Vielleicht sei er in der Neuenhahnschen Sache etwas zu weit gegangen, im übrigen wünsche er mit dem Rat gut Freund zu bleiben. Dagegen halte er „firmissime darfür“, daß die Bücherkommission für Einziehung der dem Kaiser gebührenden Pflichtexemplare und in allen Privilegiensachen die einzig zuständige Behörde sei, während der Rat sich auf Ausführung ihrer Beschlüsse zu beschränken habe. Daß diese Auslegung der Reichsgesetze eine ganz willkürliche und nach den frühern Erklärungen der Kaiser selbst durchaus unhaltbare war, bedarf nach der voraufgehenden aktenmäßigen Darstellung keiner nähern Ausführung.

Die Amtsführung Hörnigks neigte sich ihrem Ende zu. Er erhielt am 16. Juli 1661 in Georg Friedrich Sperling einen Adjunkten, mit der Anwartschaft auf die Nachfolge im Amte. Der Kaiser sagte in dem Patente Sperlings, daß „zeithero im Bücher-Kommissariat solche Unordnungen und Nachlässigkeiten verspüret worden“, daß ein kräftigeres Eingreifen nötig geworden; letzteres war die Sperling zugewiesene Aufgabe. Das in ihn gesetzte Vertrauen der Hofburg rechtfertigte er in vollem Maße; er überbot in der Folge alle seine Vorgänger an Rücksichtslosigkeit und Frechheit und verstand es, sich während seiner vierundzwanzigjährigen Amtsführung persönlich dermaßen verhaßt zu machen und die kaiserlichen Eingriffe in alle Interessen so verletzend zuzuspitzen, daß die frankfurter Büchermesse darüber zu Grunde ging. Als Sperling am 16. März 1685 „aus erheblichen Ursachen“ seines Dienstes entlassen und der Dechant am Liebfrauenstift, Kaspar Vollmar, zu seinem Nachfolger ernannt wurde, lag Frankfurts Blüte als Buchhändlermeßplatz schon im Staube; nur wenige Jahre noch – und Leipzig trat auch äußerlich an die Spitze des deutschen Buchhandels. Sperling war ganz der Mann nach dem Herzen der Hofburg. Er scheute vor keiner Gewaltthätigkeit zurück, griff rücksichtslos an und wußte stets Rat, wenn es galt, Frankfurt die letzten Reste seiner Selbständigkeit zu nehmen. Was fortan dem Bücherwesen Nachteiliges geschah, ist entweder unmittelbar auf seine Initiative zurückzuführen oder mittelbar von ihm gefördert worden.

Schon am 6. September 1661 befahl der Kaiser, indem er, die [671] üblichen Themata variirend, auf seine Erlasse vom 7. August 1658, 24. März 1660 und 30. März 1661 verwies, eine sehr bedeutende und folgenschwere Neuerung. Der frankfurter Rat wurde nämlich angewiesen, dem kaiserlichen Bücherkommissar den Meßkatalog vor seinem Druck mitzuteilen, damit der Kommissar „solchen vorher mit allem Fleiß durchsehen und was darinnen etwa für Bücher verzeichnet sein möchten, welche in dem Religion und Prophan (!) auf dem letzten Münsterschen Frieden, der Polizeyordnung und den heylsamen Reichssatzungen verbotten, entweder zu verbessern oder gestalten Sachen nach abzuschaffen“. Es vergeht jetzt kaum eine Messe, welche nicht ein altes Reskript des Kaisers neu einschärfte, oder ein neues weiter als seine Vorgänger gehendes, oder auch beides zusammen brächte. Der passive Widerstand, welchen die Buchhändler der Einlieferung der Pflichtexemplare entgegensetzten, bot ja auch stets einen sehr handgerechten Ausgangspunkt. So erließ Leopold, um „dem bisherigen Unwesen abzuhelfen“, am 4. März 1662 ein neues „Mandat“ an die Buchhändler und erteilte dem Fiskal Emmerich in Speyer, wie Hörnigk und seinen neuen Adjunkten gemessenen Befehl, gegen die Übertreter mit aller Strenge vorzugehen; dem Rat aber gab er auf, „dafür Sorge zu tragen, daß dieses Mandat besser als vorher befolgt werde, indem er (der Rat) dem Büchercommissar sowohl als auch dem Fiscal und dessen Adjuncten jeden Buchdrucker und Author solcher Schriften zur Anzeige bringen und nicht mehr versuchen solle, die Execution unter dem Schein einer anmaßlichen neuen Cognition zu hindern, sondern ..... sich deren allerdings zu enthalten und ihnen vielmehr aufgefordert alle hilfreiche Hand zu bieten habe“. Der kaiserliche Erlaß an sämtliche einheimische und fremde Buchhändler trägt dasselbe Datum und schärft „bei Strafe von sechs Mark löthigen Goldes, nicht weniger Sperrung der Büchergewölbe, Confiscation sämmtlicher Lagervorräte und Ersetzung der verursachten Kosten“ die schon so vielfach, aber fast immer vergeblich ergangenen Befehle ein. Es umfassen dieselben wieder einmal: 1) das Verbot des Nachdruckes, 2) das Verbot des Druckes aller dem jüngsten Reichsfriedensschluß, den Reichsabschieden und Polizeiordnungen zuwiderlaufenden und sonst vom Kaiser verbotenen „Famosschriften, Pasquille, Scartequen und in Religions- und politischen Regimentssachen zu großer Ärgernuß gereichenden Materien“, sowie Unterwerfung unter die Censur, 3) Lieferung der dem Kaiser gebührenden [672] Pflichtexemplare und rechtzeitige Eintragung der neu erscheinenden Bücher in den Meßkatalog und endlich 4) Befolgung der Bücher-Taxordnung vom 7. August 1658, welcher noch erst ausführlich zu gedenken sein wird. Dieses gedruckte Patent wurde am 18. März 1662 von den Bücherkommissarien ohne vorheriges Befragen des Rates an der Dechanei zu St. Leonhard angeschlagen und jedem Buchhändler davon ein Exemplar in seinem Gewölbe eingehändigt. Auch der Rat erhielt nur in dieser Weise Kenntnis davon; die geschriebene Verordnung des Kaisers findet sich nicht im frankfurter Archiv.

„Sämmtliche im heiligen Röm. Reich einheimisch gesessene und theils dieser Stadt mit Bürgerschaft zugethane, theils hierher negotiirende Buchhändler“, deren Namen sich jedoch nicht verzeichnet finden, waren übrigens nicht gewillt, die ihnen schuld gegebenen Übertretungen zuzugeben und sich den zugemuteten Beschränkungen ohne Widerrede zu unterwerfen; sie suchten am 8. April 1662 in einer aussichtslosen Eingabe an den Kaiser seine Beschuldigungen zurückzuweisen. Auch der Rat ließ sich diesmal diese neue Beeinträchtigung seiner Rechte nicht ruhig gefallen und schwieg nicht dazu, daß deren Ausübung in Wien als Anmaßung bezeichnet wurde. Er machte sich in seiner Denkschrift vom 19. August 1662 zugleich zum Fürsprecher der Buchhändler, wurde aber sowenig wie diese einer Antwort seitens des Kaisers gewürdigt.

Da die Einzelheiten der Kontroverse in der frühern Darstellung teils schon berührt sind, teils erst näher erörtert werden müssen, so möge es an dieser Stelle genügen, die Gesichtspunkte hervorzuheben, welche auf die kaiserliche Politik gegen die Famosschriften ein charakteristisches Licht werfen und welche schließlich zum Ruin des frankfurter Buchhandels führten. Sie finden sich in der erstgenannten Denkschrift mit überraschender Offenheit und Klarheit dargelegt.

„Das Mandat gegen die Pasquille und dessen Tragweite“, sagen die Buchhändler, „wird unsers Erachtens von dem Bücher-Kommissariat allzuweit ausgedehnt. Von den unserer, der Augsburgischen Confession Verwandten Büchern sind z. B. Werke wie Widers Postille bei Johann Tauber von Nürnberg und Nuber’s „Lutherus redivivus“ bei Johann Berlin in Ulm unter dem unerfindlichen Vorwand confiscirt und eingezogen worden, daß sie injuriös und famos wären. Ebenso hat man einzelne Titel von den Läden weggerissen, trotzdem daß der Inhalt der [673] Bücher nicht strafbar und sie auch an den Orten, wo sie gedruckt wurden, solchem allergnädigsten Befehl gemäß vorher der ordentlichen Censur unterworfen worden sind. Durch solches mero odio entsprungenes Beginnen werden leider die Verleger unschuldig in Kosten und Schaden gestürzt und ebenso unschuldig in Strafe gezogen. Daraus ergibt sich von selbst, daß wenn solchem Verfahren nicht bei Zeiten gesteuert werden sollte, wir Evangelischen kein Gesang- oder Gebet-Buch, viel weniger eine Disputation oder einen Haupttractat von unserer Religion drucken und verkaufen dürfen. Solcher Gestalt haben die Katholiken gewonnenes Spiel, wann das Arbitrium aus einem oder höchstens zwei der katholischen Religion zugethanen Commissarien bestehen sollte, und es sich um Fragen handelt, ob dieses oder jenes Buch, so etwa die controversias de missa, purgatorio, indulgentiis etc. enthält, für injuriös, famos oder pasquillisch zu erachten, demnach zu unterdrücken und confisciren oder die Titel, noch ehe die Bücher eingesehen oder gelesen, aus dem Katalog zu streichen seien. Es liegt deßhalb am Tage, daß unser Keiner dergleichen Materien zum Druck befördern und zu verlegen oder, falls solches bereits geschehen, im offenen Kauf feil zu halten sich unterstehen dürfte. Wir können darum auch nicht glauben, daß diese allzu weit gesuchte, dem Religionsfrieden und dem allgemeinen Friedensschluß zuwiderlaufende Explication der Famosschriften und Pasquille der kaiserlichen Absicht und dem Mandate gemäß zu erachten sei. Wofern wir uns also der Censur wegen recht gehorsamlich verhalten, hoffen wir aller weiteren Confiscationen und Bestrafungen enthoben zu sein. Da es unseres Thuns und Verstandes nicht ist, über die Bücher und deren Inhalt zu judiciren, sondern uns nur auf die ordentliche Censur jedes Ortes, wo die Bücher gedruckt werden, verlassen, so dürfen wir auch nicht ganz unverdient, unschuldig und unwissend in Schaden und Verderben gesetzt werden, wie das bei Fortsetzung des jetzigen Verfahrens unfehlbar geschieht.“

In derselben überzeugenden Sprache, wie die Buchhändler ihre Sache führen, weist auch der Rat den Vorwurf einer Pflichtversäumnis zurück und vermag sich nicht zu erinnern, daß er sich im Bücherwesen „einige neue Cognition angemaßt und die eine oder andere rechtmäßige Execution ohne rechtmäßige erhebliche Ursache gehindert haben sollte“, behauptet vielmehr, immer dem nachgekommen zu sein, was ihm des [674] heiligen Reiches Satzungen und der vorigen Kaiser Gebot Befehlsbriefe geheißen und die uralten Observanzen mit sich gebracht hätten. In seiner Rechtsausführung der Rat, wie schon bei frühern Gelegenheiten, seine ausschließlichen Befugnisse zur Bücherpolizei mit seiner Reichsstandschaft, den Reichsabschieden und der Reichspolizeiordnung, wie ihn denn auch des Kaisers Vorfahren als ordinarium magistratum loci stets anerkannt und nie seinen Pflichteifer in Zweifel gezogen hätten. „Wenn nun die kaiserlichen Bücher-Commissarii und Fiscales vor sich allein und unbegründet unser als ordinarii magistratus nicht allein auf die in hiesigen Messen befindliche fremde, sondern auch auf hiesige Buchhändler und Bürger inquiriret, cognosciret und theilweise exequiret und die Buchhändler uns als ihre ordentliche Obrigkeit um Hülfe angehen, da wir in Kraft habender ansehnlicher Meßprivilegien schuldig und gehalten sind, nicht allein den Bürgern, sondern auch den Fremden in den Messen Schutz zu halten, damit Niemand wider Recht und Billigkeit und zumal auch gegen die Meßfreiheit beschwert werden möge, so haben wir nicht umhin gekonnt, uns derselben insoweit anzunehmen, ihre Beschwerden anzubringen und darauf mit den Fiscalen und Commissariis zu conferiren und sich zu vergleichen.“ Die Stadt sei weit entfernt davon, heißt es weiter, in die kaiserlichen Rechte eingreifen zu wollen; indessen erscheine die Besorgnis nur zu begründet, daß, wenn den Beschwerden der Buchhändler nicht abgeholfen werde, das Vorgehen der Hofburg nicht allein diesen zum Schaden, Verderben und Untergang dienen, „sondern auch zu noch mehrerer augenscheinlichen Schmälerung und Schwächung hiesiger, zwar so hoch befreiten, aber multis modis abgenommenen Messen, deren nicht geringstes Stück, sondern eins der vornehmsten, der Buchhandel mit den ihm gewidmeten großen Gassen und Straßen sei, ja auch dem bono publico literario selbst zum unwiderbringlichen Präjudicium und Nachtheil gereichen und ausschlagen würde“. Der Rat wendet sich dann an die kaiserliche Gnad und Hulde, „damit sie den Beschwerden der Buchhändler abhelfe und diese sowohl bei ihrer Handlung als auch hiesige Messen in einigem Flor auch wegen gedachten Buchhandels erhalten werden und dessen nebenst hiesiger Bürgerschaft zumal auch das bonum publicum literarium zu genießen und zu erfreuen haben möge“. Die schließliche Bitte an den Kaiser geht nun dahin, „den Zustand, wie er [675] vor dem leidigen Kriege gewesen (vor welchem der Buchhandel allhier im höchsten Flor gestanden) im Einklang mit den Reichssatzungen wiederherzustellen und den Bücherkommissarien zu befehlen, daß was sie bei hiesigen gefreiten Messen vorzunehmen haben, mit Zuziehung unserer Deputirten vornehmen und auch uns die confiscationes und executiones allein verfügen lassen sollen“. Die Einsicht und Energie war leider dem Rat zu spät gekommen und er mußte für die Unterlassungen seiner Vorgänger büßen. Es behielt natürlich bei den alten, oder vielmehr bei den neuerdings getroffenen Bestimmungen sein Bewenden. Die Freie Reichsstadt Frankfurt wurde in ihren eigenen Mauern aus keinem andern Grunde, als um die Herrschaftsgelüste der Jesuiten der Hofburg zu befriedigen, depossediert und mußte froh sein, wenn ihre getreuen Herren ihr nur gestatteten, den äußern Schein zu wahren und untergeordneten Maßregeln gegen die Presse zuzustimmen.

Inzwischen hatte aber die kaiserliche Politik schon um die Mitte der fünfziger Jahre den deutschen Buchhandel, neben den hier geschilderten Plackereien, noch mit einer neuen Belästigung heimzusuchen versucht, welche – wenn wirklich durchgeführt – den Lebensnerv der freien literarischen Bewegung zerschnitten und Frankfurts Bedeutung als Büchermeßplatz unfehlbar schon jetzt zerstört haben würde. Es war dies die sogenannte Büchertaxe. Die Bestrebungen zur Einführung einer solchen tauchten in Frankfurt zuerst im Jahre 1655 auf, wirbelten sehr viel Staub auf und riefen – in Verbindung mit den gleichartigen Kursachsens in Leipzig – zwei Jahrzehnte hindurch große Bestürzung und Befürchtungen hervor, um dann nachdem die hervorgerufene Unruhe und Unsicherheit Schaden genug angerichtet hatten, im Sande zu verlaufen und auf immer vom Schauplatze zu verschwinden.

Man versteht unter der Büchertaxe die obrigkeitliche Festsetzung eines und desselben Preises für Bücher eines bestimmten Formates. Ganz unabhängig von der geistigen Arbeit des Verfassers und dem Inhalt eines Buches, von der größern oder geringern Höhe der Herstellungskosten, sowie von der Absatzfähigkeit desselben also ein bedruckter Oktav- oder Quartbogen nur je zu einer festen Taxe auf dem Meßplatz verkauft werden, einerlei ob Original oder Übersetzung, ob Nachdruck oder Auszug. In ähnlicher Weise sollte auch – wenigstens in Sachsen – die Höhe des Gewinnes festgestellt werden, welchen die Sortimentshändler [676] beim Weiterverkauf auf die frankfurter Meßpreise aufschlugen. Solche Taxordnungen sind von alters her auf den verschiedensten Wirtschaftsgebieten nichts seltenes gewesen. Je größer die geistige Unbildung und wirtschaftliche Verwahrlosung, je schlimmer die Zeiten und je trostloser die Aussichten für die Zukunft, je heftiger der Neid und die Mißgunst sind, desto häufiger treten derartige ökonomische Irrtümer in der Geschichte der verschiedenen Völker auf. Die Jesuiten der Hofburg, mit ihrer oberflächlichen, rein mechanischen Auffassung der Dinge, glaubten vermutlich einen ganz neuen kühnen Griff gethan und das beste Mittel zur Unterdrückung der ihnen unbequemen Thätigkeit der Presse gefunden zu haben, als sie mit dem Plane ihrer Taxe zuerst hervortraten. Aber die frommen Väter folgten doch nur älteren Vorbildern. Schon der westgotische König Chindaswind hatte bestimmt, daß der Verkäufer eines Codex der Lex Visigothorum nicht mehr als 12 Solidos für denselben fordern, der Käufer aber nicht mehr dafür zahlen durfte, wenn sie nicht beide vom Richter zu hundert Peitschenhieben verurteilt werden wollten. Auch die Bestimmungen des kanonischen Rechts gegen den Wucher entspringen ganz derselben Grundanschauung und selbst die heutige Gesetzgebung enthält noch manche Spuren dieser veralteten Auffassung. Vielleicht aber diente gar das ketzerische Sachsen den Jesuiten als Vorbild, denn hier setzte das Münzmandat mit angefügter Taxordnung vom 31. Juli 1623 die Preise für alle damals betriebenen Zweige wirtschaftlicher Thätigkeit, namentlich auch für Buchdruck und Buchhandel, fest.

In der Hofburg kannte man recht gut das Elend und den verkümmerten Zustand, in welchem der deutsche Buchhandel bei Beendigung des Dreißigjährigen Krieges darnieder lag, man kannte ebenso gut die Gründe, aber man fing, um die eigentliche Ursache zu verdecken, schon seit Anfang der fünfziger Jahre an, über die Mißbräuche zu klagen, welche sich in den Buchhandel eingeschlichen hätten, und die Verleger zu beschuldigen, daß sie ihre Verlagsartikel zu wucherischen Preisen verkauften. Also, hieß es, müsse man ihrer Gewinnsucht und Willkür ein Ziel setzen, zu welchem Ende die obrigkeitliche Fixierung der Preise das geeignetste Mittel sei. So entstand denn in den Köpfen der kaiserlichen Ratgeber der Plan einer Büchertaxe, die als Universalmittel zur Befestigung aller Schäden und Herbeiführung besserer Zustände dienen sollte.

[677] Leider sind die Akten der Bücherkommission über diese interessante und wichtige Episode in der Geschichte des deutschen Buchhandels seiner Zeit nach Wien gesandt worden und sind dort bis jetzt nicht wieder aufzufinden gewesen. Was sich aber aus den vorliegenden frankfurter Akten zusammenstellen läßt, ist Folgendes.

Es ist zunächst klar, daß die Buchhändler schon früher von den in der Hofburg geplanten Maßregeln Kenntnis erlangt hatten. Dennoch wurden allem Anschein nach die auf der Herbstmesse 1656 in Frankfurt Versammelten durch die Kunde von dem ihnen nunmehr thatsächlich drohenden Unheil überrascht. In seinem Bericht an den Kaiser, d. d. Speyer 13. Dezember 1656, sagt der mit dem Betriebe der Sache beauftragte Reichsfiskal Philipp Werner von Emmerich über die Umstände bei Publikation der Büchertaxe: Nachdem er „mit etlichen auß den Handlungs verständigen“ über die gemachte Taxe nochmals konferiert und von ihnen selbst vernommen, daß keiner derselben sich füglich darüber zu beschweren habe, habe er die „Vornehmsten von der Buchhandlung“ auf den 13. September vorbeschieden und denselben den kaiserlichen Befehl vom 2. September 1654, die Anordnung einer gewissen Büchertaxe betreffend, dann die am 11. April 1656 gefertigte Taxe vorgelesen, auch ihnen eröffnet, daß auf ihren Vorschlag von 1655 Rücksicht genommen und die Taxe danach gestaltet worden sei. Hierauf habe zwar der Älteste, Gottfried Schönwetter – ein Frankfurter! die frankfurter Buchhändler gehörten später zu den entschiedensten Gegnern jeder Taxe –, für sich und die Übrigen für allergnädigste Sorgfalt Dank gesagt; es seien aber sogleich einige aufgetreten, welche behauptet hätten, bei dieser Taxe nicht bestehen zu können. Er habe ihnen dagegen „mit Bescheidenheit“ eingehalten, es sei ihnen ja nach Abzug des Druckerlohns, des Papiers und aller andern Unkosten auf 100 Fl. Kapital 60 Fl. Gewinn gelassen worden und zwar, weil, wie sie selbst gesagt hätten, die Verlagsartikel nicht gleich an den Mann gebracht und zu Geld gemacht werden könnten, sodaß das angelegte Kapital ruhen müßte. Falls sie sonst noch etwas Erhebliches vorzubringen hätten, sollten sie es thun. Sie hätten sich aber nicht weiter auslassen wollen, bis auf einen Teil der Ausländer, welche auf den Unterschied zwischen ihnen und den Frankfurtern in Ansehung der Kosten für Papier und Druck und der Fracht hingewiesen und gebeten hätten, bis künftige Ostermesse (in dem [678] Schriftenwechsel zwischen Wien und Frankfurt heißt es stets Oster- und nicht Fastenmesse) ihre Gegenvorstellung einbringen zu dürfen. Da indeß die Messe zu Ende gegangen, habe er dieses Petitum unbeantwortet auf sich beruhen lassen, dagegen nochmals ermahnt, der publizierten Taxe künftig nachzuleben. Daneben habe er versprochen, daß, wenn der eine oder der andere unter Umständen bei der publizierten allgemeinen Taxe ohne Nachteil nicht bestehen könnte, dessen Anbringen gehört und ihm „in allweg befindlichen Dingen nachgeholfen werden sollte“. Hierauf seien die Buchhändler abgetreten; es scheine aber, als wenn die Meisten nach wie vor freie Hand behalten und sich ohne anderweite ernstlichere Verordnung der Taxe nicht anbequemen wollten.

Der erste Schritt der in ihren Interessen so schwer Bedrohten war die Anrufung der Intercession des jetzt leider schon einflußlosen frankfurter Rats. In der am 16. September 1656 in letzterm vorgelesenen Bittschrift sämtlicher zur Messe anwesenden in- und ausländischen Buchhändler führten Zacharias Hertel von Hamburg, Wolfgang Endter von Nürnberg, Kaspar Wachtler von Frankfurt, Hermann Mylius von Köln, Christian Gerlach und Simon Beckenstein von Magdeburg und Helmstädt, sowie endlich Johann Joachim Bockenhoffer von Straßburg aus: Der kaiserliche Generalfiskal habe den in- und ausländischen Buchführern (also nicht nur den vornehmsten derselben) vor wenig Tagen ganz unvermutet einen schriftlichen kaiserlichen Befehl vorgelesen, kraft dessen alle Verlags- und Sortimentsbücher („Verlags- und Handelß-Bücher“) dem Ballen nach in einem gewissen Preis taxiert und angeschlagen werden sollten, „mit angehengter scharffer bedrohung, falß wir Vnß deme nicht bequemen, sondern in verkauffen darwieder handeln würden, die Wahren und Bücher zu confisciren und einzuziehen“. Hierdurch fühlten sie sich in hohem Grade beschwert, und wenn es dabei bleiben sollte, würden sie, besonders die Ausländer, gezwungen sein, ihre Handlung in die frankfurter Messe gänzlich einzustellen. Der Preis des Papiers und anderer zum Verlag der Bücher gehörender Materialien variire und steige oft, sodaß die Bücher einer festen Taxe nicht unterworfen werden könnten. Zudem würden die Bücher gemeiniglich auf Kredit gegeben, außerdem bleibe bekanntlich ein guter Teil unverkauft und werde zu Makulatur. Sodann müßten sie, vor allem die Ausländer, ihre Bücher zehn, zwanzig, dreißig, vierzig, fünfzig und mehr Meilen herführen und resp. zu dreißig [679] und mehrmalen, auch wohl doppelt verzollen und verfrachten. Sie könnten sich daher zu einem festen Preise nicht verpflichten, es sei denn, daß man sie ruinieren wolle. Sie bitten deshalb für sie dahin einzutreten, daß der kaiserliche Befehl auf so lange suspendiert werden möge, bis sie sich umständlich darüber geäußert haben würden.

Von besonderm Interesse ist in dieser Beschwerde die Thatsache, daß die fremden Buchhändler hier zum ersten mal offen mit dem Wegbleiben von Frankfurt drohen, während Engelbert Gymnich und Nikolaus Weingarten anderthalb Jahre vorher diese Möglichkeit nur schüchtern hatten durchblicken lassen. Von jetzt an gewinnt aber diese Drohung täglich festere Gestalt. Der Rat weiß recht gut, was sie für Frankfurt bedeutet, kann aber die Sünden der Väter nicht wieder gut machen; in der Hofburg dagegen erkennt man gar nicht die Tragweite der Verwirklichung eines solchen Plans und wirtschaftet ruhig weiter, als ob der Buchhandel gar nicht todt gemacht werden könne oder als ob wenigstens Frankfurt die einzige Meßstadt sei, in welcher er zu gedeihen vermöge.

Obgleich nun der Rat der Erfüllung jener Bitte entsprochen hatte, war Emmerich dennoch dabei geblieben, daß der kaiserliche Befehl unerwartet der in Aussicht gestellten Eingabe alsbald ausgeführt werden müsse. Es lag aber im eigensten Interesse des Rates, daß er sich der Buchhändler in dieser Angelegenheit annahm und ihnen umgehend seine unbedingte Beihilfe zusicherte, wofür ihm am 23. September 1656 dreißig Buchhändler aus allen Teilen Deutschlands ihren Dank aussprachen. Dem Rat kam das Taxmandat selber unerwartet, wie ein Schlag aus heiterm Himmel. Mit ganz ungewohnter Schnelligkeit zu einem Entschluß gelangend – aber immerhin nur zu einem halben –, forderte er, „da ihm sehr viel daran gelegen“, schon am 21. September 1656 seinen wiener Agenten Johann Grooß auf, zu ermitteln, auf wessen Antrag hin das kaiserliche Mandat ausgewirkt worden sei. Grooß konnte aber am 1. November 1656 nichts weiter berichten, als daß weder in der Kanzlei, noch in der Registratur, weder von den beiden Registranten, noch vom Reichshofratssekretär etwas zu erfahren gewesen sei, daß jedoch die Taxe vom Reichsvizekanzler und Geheimen Rat ausgegangen zu sein scheine, daß ein Geh. Sekretär sie ausgefertigt habe und daß er den Entwurf davon nicht zu erlangen vermöge. „Sub rosa ad notitiam“ teilte aber Grooß noch mit, wie ihm ein Herr zu verstehen [680] gegeben habe, daß in Frankfurt in dem Buchhandel je länger desto mehr große Mißstände einrissen, welche die Ortsobrigkeit nicht gestatten sollte, „da sie sonst eine Verantwortung und kaiserliches Einsehen verursachen würden“. Da wir uns dergleichen nicht erinnern, noch wenn es bestände, wissen können“, antwortete der Rat am 11. November 1656, „also würde der Herr uns eine sonderbare, angenehme Freundschaft erweisen, wenn er bei ermeldetem Herrn penetriren und erfahren könnte, was denn dasselbe in specie sei. Es soll der Herr übrigens versichert sein, daß es an Abschaffung auch an anderweiter ernster Animadversion unsers Orts nicht ermangeln werde“. Natürlich lag hier wieder ein Denunziation von Hörnigk vor, über deren Einzelheiten Grooß selbstverständlich nichts ermitteln konnte.

Man erkennt aus der Angst des Rats, wie sehr ihm darum zu thun war, in Wien keinen begründeten Anlaß zur Klage zu geben. Aber in seiner nun einmal herkömmlichen Unterwürfigkeit und Schwächlichkeit fürchtete er ebenso sehr durch Vorstellung Anstoß zu erregen, selbst wenn diese noch so berechtigt waren. Obschon ihm aus der offenen Aussprache der fremden Buchhändler doch klar genug geworden sein mußte, welche Folgen die in Aussicht genommene Maßregel für die frankfurter Büchermesse haben könnte, ließ er dennoch den Winter hingehen, ohne irgend welche weitere Schritte in dieser Angelegenheit zu thun, sodaß sich die zur Fastenmesse 1657 in Frankfurt anwesenden Buchhändler – diesmal fehlen die Unterschriften – von neuem veranlaßt sahen, am 7. April den Rat zu bitten, sich beim Reichshofrat für die Nichteinführung der Büchertaxe zu verwenden. In diesem Schreiben sagen sie – aber jedenfalls irrtümlich – der Generalfiskal habe ihnen in der Ostermesse 1656 eine Taxe vorgelesen, mit dem Hinzufügen, daß, falls sie sich dem nicht anbequemen und ein oder das andere Buch teurer verkaufen würden, er kaiserlichen Spezialbefehl habe, gegen sie zu exequieren, die Bücher zu konfiszieren und die Läden zu verschließen. Nach Wiederholung und teilweiser Erweiterung der schon früher geltend gemachten Gegengründe heißt es dann noch, daß sie auf den unverhofften Beharrungsfall ihre Negotien auf Frankfurt und seine Messe notwendig einstellen müßten. Andere Kaufleute, deren Waren lange nicht einen solchen Unterschied im Einkaufe hätten, und die fast alles baar verkauften, könnten ja auch ihre Preise stellen, wie sie wollten.

[681] Als diese Schrift eingereicht wurde, war Kaiser Ferdinand III. schon einige Tage vorher (2. April 1657) gestorben. Erst nach harten Kämpfen wurde Leopold I. am 18. Juli zum Nachfolger seines Vaters erwählt. Um so erklärlicher ist es, wenn bei dem allgemeinen Widerstande diese Büchertaxe nur wenig, wenn überhaupt irgend welche Beachtung gefunden hatte. Kaum aber hatte Leopold I., ein bigotter Jesuitenzögling, den Thron bestiegen, als er auch schon von Frankfurt, seiner damaligen Residenz, aus mit Verfolgungsmandaten gegen Presse und Buchhandel vorging. Ein Reskript vom 7. August 1658 an den Bücherkommissar Ludwig von Hörnigk – das diesbezügliche Mandat des Reichsfiskals war durch den Akt der Publizierung erledigt – erinnerte an das Bestehen der schon halb vergessenen lästigen Taxverordnung. Gleichwohl scheint sie auch dann noch nur wenig Beachtung gefunden zu haben, denn als vorläufig letzte Spur ihrer Existenz zeigt sich in einem Schreiben des frankfurter Rats an seinen Wiener Agenten Tobias Sebastian Praun vom 23. Februar 1664 die Bemerkung, der Bücherkommissar habe sich darüber beschwert, daß „der Kayserl. Bücher-Tax mit allzu großem Uebersatz vnd gewin violirt“ werde.

Leider findet sich der Wortlaut der Taxe selbst nicht bei den Akten. Aber so belehrend auch ein Einblick in die einzelnen Bestimmungen dieser Urkunde sein würde, so ist ihr Verlust doch aus dem Grunde nicht so sehr zu beklagen, als Material über ein ziemlich gleichzeitiges sächsisches Gegenstück zur kaiserlichen Taxe im dresdener Archiv vorhanden ist. Das Vorgehen der sächsischen Regierung in Preßangelegenheiten bestand ja auch – worauf schon gelegentlich hingewiesen wurde – nur zu oft in einem gewohnheitsmäßigen Nachhinken hinter den Preßmaßregeln der Reichsregierung.

Schon im Jahre 1623, zur Zeit der Kipper und Wipper, war die kursächsische Regierung in ähnlicher Weise vorgegangen, jedoch nicht einseitig und aus Mißgunst gegen das Preßgewerbe, sondern ganz allgemein. Diese alte sächsische Taxordnung vom 31. Juli 1623 hatte in Bezug auf den Buchhandel folgenden Wortlaut:

Buchführer. Sollen schuldig seyn, iedere Meß, den Frankfurter Taxt, ides Orts Obrigkeit zu ediren, nach welchen sie ihnen den Tax der Bücher setzen, und mehr nicht, als auff den Gülden, an dem Außländischen Druck 5. Groschen, von dem Inländischen aber 2. Groschen [682] von Deutscher, 3. in 4. Groschen von Lateinischer Materia, zum Gewinst verstatten sollen.

Die gemeinen Scholasticalia, seynd vor vielen Jahren, der Ballen zu 10. Gülden in 10. Thaler verkaufft.

Die dieses Orts verlegte Bücher, wann sie auff gemein Druckpapier, und gemeiner Druck, der Bogen 3. Heller.

Was aber auff weiß, groß, Cronen oder auch auff Median-Papier, groß format, mit kleinen Schrifften gedruckt, weil die Autorn wegen ihrer Mühe, und angewandten Fleißes recompensation haben müssen, auch auff Erlangung und Erhaltung der Privilegien zimliche Unkosten gehen, der Bogen nach Gelegenheit 2. in 3. Pfennige.

Indessen ist auch diese Taxordnung nur wenig oder gar nicht befolgt worden.

Erst als nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges wieder Ordnung ist die so lange stockende Regierungsmaschinerie gebracht werden sollte, wurde auch diese Frage in Sachsen wieder aufgenommen. Fast gleichzeitig mit den ersten Verhandlungen in der Wiener Hofburg spuken auch im Anfange der fünfziger Jahre in Dresden und Leipzig ähnliche Bestrebungen vor. Die wieder zur Thätigkeit angespornte kursächsische Bücherkommission in Leipzig wurde angewiesen, Erörterungen mit den Buchhändlern über den, der Taxordnung von 1623 widerstreitenden hohen Preis der Bücher, gleichzeitig aber auch über den spekulativ in die Höhe getriebenen Preis des Papiers anzustellen. Aber die Arbeitsunlust der Kommission einerseits, der passive Widerstand der Buchhändler andererseits ließen kein Resultat aus diesen Erörterungen erwachsen; die Regierung kam zunächst selbst nicht weiter darauf zurück. Erst die in Frankfurt zunächst so gut wie im Sande verlaufenden Verhandlungen scheinen der sächsischen Regierung den Gedanken eingegeben zu haben, diese Erörterungen oder Vorbereitungen wieder aufzunehmen. Ohne daß aus den Akten eine spezielle Veranlassung zu ersehen ist, erhält die Bücherkommission in Leipzig plötzlich die Anweisung, in der Michaelismesse 1666 die Buchhändler zu einer Erklärung über die Taxfrage aufzufordern.[5] Infolge davon reichten die leipziger Buchhändler (die fremden, zwölf norddeutsche, drei frankfurter und ein nürnberger, waren vor der Bücherkommission gar nicht erschienen), aber erst am 22. April 1667, ein vom 30. März dieses Jahres datiertes Gutachten ein, worin [683] sie sich dahin aussprechen, daß es unmöglich sei, eine „durchgehende“ Taxe für alle Bücher aufzustellen, indem unter diesen ein so großer Unterschied bestehe, wie bei wenig andern Waren. Bei der Taxe von 1623 könne es überhaupt nicht bleiben, denn es hätten sich die Zeiten seitdem sehr verändert: die frühern Steuern seien erhöht worden, neue hinzugekommen, alle Handwerker und Arbeiter hätten ihren Lohn bedeutend gesteigert. Dagegen sei der Getreidepreis lange Jahre hindurch so niedrig gewesen, daß die landbauende Bevölkerung, der größte Teil der Einwohner Sachsens, derart zurückgegangen sei, daß sie sich keine Bücher anschaffen könnte, außer was die höchste Notdurft erfordere. So sei die Nahrung fast aller Stände gesunken und demnach auch der Absatz der Bücher sehr gehindert worden. Da hätten denn auch die Buchhändler ihre Preise etwas steigern müssen, um bestehen und ihre Abgaben bezahlen zu können. Dazu kämen für den Buchhandel noch besondere Lasten. Die Papiermacher hätten das Papier seit 1623 um mehr als ein Drittel gesteigert und steigerten es immer noch unter dem Vorwande, daß die Hadern nicht mehr in solcher Menge zu beschaffen wären, wie vor dem Kriege. Auch die Drucker seien mit ihren Preisen in die Höhe gegangen und schössen noch dazu oft heimlich eine große Anzahl nach, welchen Zuschuß sie dann billig verkauften, sodaß dem Verleger seine rechtmäßigen Exemplare liegen blieben, wenn er sie nicht zu demselben billigen Preise abgeben wollte. Ebenso wollten Censoren und Autoren sich mit den frühern Verehrungen nicht mehr zufrieden geben. Die Autoren verlangten wohl gar bis zu einem Dukaten für den Bogen und außerdem noch Freiexemplare, während der Verleger stets das Wagnis eingehen müsse, seine Artikel zu Makulatur werden zu sehen. Dazu komme der Nachdruck; besonders die Endter in Nürnberg und die Stern in Lüneburg druckten den sächsischen Buchhändlern die besten Artikel nach; ferner die große Konkurrenz, hauptsächlich seitens der Buchdrucker und der Buchbinder, der Einfluß der Gegenreformation in den österreichischen Landen und der Mißbrauch, den die fremden Buchhändler auf den Messen dadurch trieben, daß sie sich mit ihren Geschäften nicht auf die gesetzlich für den freien Verkehr mit dem Publikum gestattete Zeit beschränkten. Und da endlich die fremden Buchhändler, besonders die Holländer, sich an keine Taxe bänden, sondern oft für einen Bogen deren drei oder vier verlangten, so müßten die Leipziger ebenfalls etwas auf die fremden Bücher schlagen.

[684] Obgleich es somit nicht möglich sei, zu einer bestimmten Taxe zu gelangen, erklärten sie sich doch zur Annahme folgender Punkte bereit: In Zukunft solle „1) der gemeine Truck auf gemein Pappier das Alphabet 4 gr. angeschlagen werden. 2) Was beßer Pappier, auch kleinere oder unterscheidliche Schrifften hette, könnte nach proportion der Kosten, das Alphabet pro 5. 6. oder meher Groschen taxiret werden, der Authoren recompens, privilegien- und Censur-Kosten würden auch dazu gerechnet. 3) Könten ein paar Buchhändler erwehlet oder auch von der Obrigkeit dazu ernennet werden, welche ieder Zeit die Taxa nach proportion der Kosten einrichteten. 4) Die Wiederspenstigen, so etwann in Meßen hieher handelten, könten durch Zwang der Obrigkeit, in bedürffenden Fall, darzu angehalten werden. 5) Könten, oder müsten, vermittelst Dero Keyserl. May: weswegen umb allerunterthenigste Intercessionales an Churf. Durchl. gehorsambst anzusuchen, zu Franckfurt am Meyen die Taxa auf dergleichen Art eingerichtet werden. 6) So dann wolten wir mit dem, In der alten Tax-Ordnung zugelaßenen gewinn, 5 oder 6 gr. auf Jedem ausländ. Gulden wohl und gerne zufrieden seyn.“ Die Kommissare möchten nun bei dem Kurfürsten dahin intervenieren, daß den erwähnten Gravaminibus abgeholfen, „insonderheit aber die Pappiermacher, Trukker, Censores“ auch in den Schranken und bei der Billigkeit gehalten, der Nachdruck gänzlich abgeschafft, ein Jeder bei seinen Privilegien erhalten, und diejenigen Privilegien, welche einer Handlung entfremdet wären, derselben wieder zugewendet würden; daneben müßte der Buchhandel weder Buchdruckern, noch Buchbindern oder andern „die darbey nicht her kommen“, erlaubt, das Hausieren verboten, auch den Fremden fernerhin nur in der ersten Meßwoche mit „vergattirten“ Büchern (Sortiment) zu handeln gestattet und dieselben ebensowohl zu Leipzig, wie zu Frankfurt a. M. zu einer gewissen Taxe angehalten werden.

In einem Berichte an den Kurfürsten vom 11. April 1668 – so lange dauerte es, bis die Bücherkommission zu einem solchen gelangte – spricht sich dieselbe nun dahin aus, daß es trotz der angegebenen Gegengründe bei der Taxordnung von 1623 bleiben könnte, daß auch die Buchhändler dabei zu bestehen vermöchten, nur wäre es nötig, daß der Kaiser um eine gleichmäßige Anordnung für Frankfurt gebeten würde, weil sonst auch in Leipzig kein Erfolg zu erwarten wäre. Übrigens sei [685] nicht einzusehen, wie sich die Buchführer gegen die Buchdrucker, Buchbinder und andere mit Grund ein Verbietungsrecht anmaßen und diese in ihren hergebrachten Gewerbebefugnissen stören dürften.

Hierbei beruhigte sich jedoch die sächsische Regierung noch nicht; auf ihr Verlangen mußten auch die fremden Buchhändler zu einer Meinungsäußerung veranlaßt werden und diese reichten denn auch einen „Vnvorgreifflichen Vorschlag, welcher gestalt die Bücher forthin könten den Formaten und Schrifften nach Taxiert werden“, und zwar direkt nach Dresden, ein. Die Bestimmungen desselben sind folgende:

„1) Doppelt Papier mit der mittelschrifft den Pallen (Ballen) zu fl. 65
  Mit Schiltle Papier mittelschrift den Pallen ,, 70
  Hoch Cron Papier, mit mittelschrift den Pll. ,, 75
  Median und Carre den Pallen mit der mittelschr ,, 80
Mit der Ciceroschrifft.
2) Doppelt den Pallen zu fl. 70
  Schiltle Papier den Pallen zu ,, 75
  Hoch Cron Papier den Pallen zu ,, 80
  Median und Carre Papier den Pallen zu ,, 85
Mit Garmond Schrifft.
3) Doppelt den Pallen zu fl. 75
  Mit schiltle den Pall. zu ,, 80
  Mit hoch Cron den Pallen zu ,, 85
  Mit Median und Carre ,, 90
Mit der petit Schrifft.
4) Doppelt den Pallen à fl. 80
  Mit schiltle den Pall. à ,, 85
  Hoch Cron den Pall. à ,, 90
  Median und Crr. à ,, 100
5) Was aber grobere Schrifften und Scholasticalia seind sollen noch weniger und geringer als fl. 45 den Pallen geschezet werden, hergegen was Griechische, hebreische und andere orientalische Sprachen seind, noch umb etwas höher als der Pallen à 105 oder 110 fl. gestellet werden.
6) Weile aber iziger viel Bücher auf schreibe Papier getruckt werden, ist dieser Vorschlag, daß dem Papier und der schrifft nach der

[686] Pallen umb einer tertz, wo es aber gar auf schön Post Papier oder mit der nonpareille, etwa auf daß Höchste der halbe theil darauf geschlagen werde,

7) Und weilen also die Bücher den Pallen nach wohlfeiler angeschlagen werden, so müste man sich des rabats oder abzugs halber vergleichen, und forthin nicht mehr als 5 rabats gegeben, gegen baare bezahlung aber 6 fl. gelaßen werden.“

Dieser Eingabe war ein Schreiben, datiert Leipzig 15. Oktober 1668, und unterzeichnet „Sämbtliche nacher Leipzigk handelnde Buchführer“ beigefügt gewesen, welches der Bücherkommission durch das Oberkonsistorium mitgeteilt wurde. Die kleine Anzahl der im Jahre 1668 die Leipziger Michaelismesse besuchenden Buchhändler belief sich auf nur 16, nämlich Friedr. Arnt von Bautzen, Christian Bergen von Dresden, Gg. Beuter von Freiberg, Joh. Cundisius von Görlitz, Veit Jak. Drescher und Esaias Felgiebel von Breslau, Joh. Liederwalt von Magdeburg, Mart. Müller von Naumburg, Joh. Michel Pabst und Oelert Schuhmacher von Wittenberg, Christian Saar von Erfurt, Joh. Stern von Lüneburg, die Frankfurter Simon Beckstein, Joh. Beyers Diener und Thom. Mathias Götze und Paulus Fürst von Nürnberg. Es wird in diesem Begleitschreiben ausgesprochen, daß eine Büchertaxe nur dann eingeführt werden könnte, wenn „mit zuziehung des Raths zu Frankfurth am Mayn und der daselbst vorhandenen Buchführer, welche Ew. Churf. Durchl. Jahrmärckte in Leipzigk nicht besuchen, vor allen Dingen denen Ausländischen Buchführern, welche aus frembden Königreichen und Herrschaften ihre Buchwahren Jährlichen nach Frankfurth am Mayn auf die Märckte daselbst zu feihlen Kauffe bringen, und solche auf das theüerste an Uns verhandeln, ein billiger und leidtlicher Preiß, wie sie ihre bücher in dem Heil. Röm. Reich verkauffen sollen, gemacht werde. Denn wo solches nicht geschieht, So ist es nicht möglichen, daß wir die bücher wohlfeiler geben können, alß wir sie selbst von denen Außländischen buchführern erhandeln müßen, daß uns ein oder das andere exemplar liegen bleibet, und zu maculatur wird“.

Nach Empfang dieser Mitteilung richteten dann die Kommissare am 6. November 1668 ein anderweites Schreiben an den Kurfürsten, worin sie sich auf das in ihrer Eingabe vom 11. April dess. Jahres Gesagte bezogen und nochmals hervorhoben, daß es bei der Taxordnung von [687] 1623 wohl verbleiben könne, nur müsse, dem zuletzt gestellten Verlangen der Buchhändler entsprechend, überall im Reiche und besonders in Frankfurt ebenfalls eine entsprechende Taxordnung eingeführt werden.

Hiermit war die Angelegenheit für Sachsen begraben; wenigstens sind keine Spuren von weitern Schritten der sächsischen Regierung zu finden. Aber ihre Experimente in dieser Richtung durchschlingen sich in so merkwürdiger Weise mit denjenigen der Hofburg, die Maßregeln der sächsischen und der Reichsregierung lösen einander derart förmlich ab, daß sich unwillkürlich der Gedanke aufdrängt: beide Regierungen könnten in einer gewissen Übereinstimmung gehandelt, oder eine selbstsüchtige und interessierte Fraktion aus dem Kreise der Buchhändler selbst könnte an beiden Stellen hinter den Coulissen intriguiert haben. Denn unmittelbar nachdem man in Dresden und Leipzig die Angelegenheit dem Anscheine nach fallen gelassen hatte, eigentlich gleichzeitig damit, beginnt auch von neuem wieder von Wien aus die Aktion.

Bereits am 26. November 1668 hatte nämlich Simon Lorenz Leutner, ein Anwalt, – angeblich „im nahmen vnd von wegen meist, wenig außgesondert, deren nach Franckfurt handlender Buchhändler“ – bei dem Reichshofrat ein Memoriale eingereicht, durch welches er daran erinnert, wie der Kaiser sich schon früher habe angelegen sein lassen, nicht nur die so vielfältig bei dem Buchhandel eingeschlichene Unordnung gänzlich abzuschaffen, sondern auch die Bücher in einen gewissen und billigen Preis zu bringen; zu diesem Zweck sei auch eine Kommission an den Fiskal und den Bücherkommissar zu Frankfurt ergangen. „Gleichwie aber alles gutes schwehrlich hergehet, also hat es auch biß dato mit solcher zu einem beständigen guten end nicht mögen gebracht werden.“ In verwichener Ostermesse seien nun die Buchhändler selbst in Frankfurt zusammengetreten und hätten eifrig untersucht, woher doch solche Unordnung entstanden und wie ihr abzuhelfen wäre. Da hätten sie denn gleich im Anfang gefunden, daß solche daher entsprossen, weil in diesen ihren Buchhandel unterschiedliche Leute, als etliche Buchdrucker, Kupferstecher, Kunstführer, Buchbinder und andere, ja gar fremde Handwerksgesellen außer allen diesen Professionen, sich einmischten und Buchhandel trieben. Weil sie diesen aber nicht erlernt hätten, sondern zum Teil bei ihrer Profession verdorben wären, hätten sie allerlei kleine von einem und andern erhaltene und „zusammengeraffelte“ Skarteken drucken lassen, ja manchmal [688] aus den „köstlichen“ Werken den besten Kern herausgezogen und dadurch die kaiserlichen Privilegien expracticiert und solches Alles noch zu hohem Preise ästimiert. Wenn nun ein andrer ehrlicher Buchhändler die Nachfrage nach einer solchen Skarteke befriedigen solle, so sei er gezwungen, solchen Leuten seine Bücher nach altem Preise gegen deren nun gesteigerte Preise zu geben oder neue Tractate drucken zu lassen und ebenfalls so hoch anzusetzen. Daher komme es, daß gar viele von den alten und wertvollen Büchern nicht mehr abzusetzen seien. So hätten auch die Buchdrucker, Kupferstecher und Kunstführer im Gebrauch, sehr viel Jungen zu halten, welche, nachdem sie zwei, drei oder höchstens vier Jahre bei ihnen gewesen, alsbald anfingen, selbst Prinzipale zu werden und mit eben solcher Sudelei zu handeln, wie diejenigen, von denen sie solches erlernt, da doch den Buchhandel vom Fundament aus richtig zu erlernen wohl sieben, acht, ja neun Jahre nötig. Überdies sie es auch sonnenklar, daß „die meist ohnerfahrene Buchhändler aller orten herumb vagiren vnd neben deme, so etwa tauglich, das Land mit Scartequen, pasquillen vnd dergleichen hochschädlichen sachen anfüllen, welches Sie, als ohnerfahrene theils nicht zu unterscheiden wissen, vnd da Sie es Ja wüsten, ohne ehr vnd respect gleich wohl führen“. Dadurch schnitten sie den alten Handlungen das tägliche Brod ab, welches in Versehung der neuen Sachen bestehe, so daß nun auch diese sich nicht mehr mit teurem ausländischem Verlage versehen könnten; denn dieser bliebe zu Zeiten viele Jahre liegen. Weil außerdem bisher unterschiedliche Buchdrucker zwar große Werke zu drucken unternommen, aber das Kapital dazu nicht gehabt – „solche nicht zu verlegen vermocht“ –, so hätten sie das Geld bei andern auf unchristlichen Wucher aufnehmen müssen, wodurch ebenfalls die Bücher verteuert würden. Es sei sogar den Juden nachgesehen worden, sich auf diese Weise in den Buchhandel zu mischen, indem sie den Druckern Geld vorgestreckt und, weil diese dann die Zahlung nicht innehalten konnten, die Bücher an sich genommen und so verkauft hätten, daß nicht allein die Schuldner zu Grunde gingen, sondern auch andere Buchhändler Schaden litten. Daneben hätte auch „theils dieser Leute“ den Gebrauch, schlechtes Papier und schlechte Typen zu nehmen; daher rührten vornämlich die Klagen über einige ausländische Buchhändler, die ihre Bücher etwas teurer verkauften, weil sie auf gute Ausstattung sähen und ihre kostbaren Bücher nicht gegen „verstümpelte und unsaubere“ [689] Werke vertauschen könnten. Ein weiterer Schade sei endlich der Nachdruck. Man bitte nun den Kaiser, „dero Vätterliche sorgfalt für das gemeine Wesen auch hierinn zu bezeugen, vnd solche Verordnung zu thun, damit der täglich ie mehr und mehr zerfallende Bücherhandel restauriret vnd widerumb in vorigen flohr gebracht werde“. Die Buchhändler wären es auch zufrieden, wenn Verordnung erlassen würde, daß durch verständige Buchhändler eine rechte und billige Taxe gemacht würde. Nur wäre aller Verzug zu vermeiden.

Bestimmt formulierte Vorschläge sind mit dieser Supplik wohl nicht verbunden gewesen; man darf aber sicher annehmen, daß ein bei den frankfurter Akten befindliches Schriftstück, welches die Überschrift führt: „Neue Ordnung und Artikel für Buchhändler, Buchdrucker und Buchbinder, welche vom Reichstag zu Regensburg bestätigt werden sollen“, darin seinen Ursprung zu suchen hat, vielleicht auf Veranlassung des Reichshofrats aufgesetzt worden ist. Dieses Aktenstück, auf dessen Adreßseite der Ratsschreiber bemerkt hat: „Dem ansehen nach ist dieses eine ohnmaßgeblich vorgeschriebene Ordnung, so die Commissionen außwurcken vffgesetzt. Lect. in Sen.: den 8. Aprilis 1669“, lautet folgendermaßen.

Buchtrucker. Kein Buchtrucker soll einiges Buch, welches Er für sich trucket und verleget, verstechen, sondern selbige eintzig oder Pallenweise, jedoch in billigem Preiß, an Buchhändler, gegen Gelt, alß gut er kann und mag verkauffen.

Deßgleichen sollen Sie die Zahl der Aufflage, so Buchhandler bey ihnen trucken lassen, völlig lieffern, alle übrige Exemplarien, so auß den Zuschuß Büchern Können oder mögen ergänzet werden, nebenst den defecten gegen einer Discretion gleichermaßen dem Verleger einzuhändigen schuldig seyn und also Kein Exemplar, weder für sich, noch gesellen zurück behalten.

Buchbinder. Die Buchbinder sollen ebenmäßig keine Bücher verlegen, oder trucken lassen, sondern bey ihrem Band bleiben, welche aber nebenst ihrem Handwerck eine Krähmerey haben, und mit Kleinen Büchlein, alß Evangelien, Catechismus, Bet- und Gesangbüchlein handeln, die sollen schuldig seyn, die rohen Materien von den Buchhändlern vnd Buchtruckern zu kauffen und selber zu binden.

Kunsthändler vnd Formschneider. Den Kunsthändlern und Formschneidern mag wohl erlaubet werden, daß sie solche Bücher, welche Kunstsachen oder nothwendige Kupffer, oder Holtz-figuren, erfordern, verlegen vnd trucken lassen, jedoch daß sie solche nach Buchhändler Ordnung taxiren vnd verkauffen.

[690] Kupfferstecher. So viel die Kupfferstecher betrifft, sollen sie bey ihrer Kupffer-Truckerey nicht anderst, alß mit eintzelen Kupfferstücken, oder gantzen Bilder- und figur Büchern handeln, Getruckte Bücher aber zu verlegen und damit zu handeln, ihnen allerdings verwehret sein.

Gelährte Geist- und Weltliche. Was Gelehrte, so wohl Geist- alß weltliche betrifft, und Bücher auff ihre Uncosten, (mehrern Gewins und eigenen Nutzens halben, als dem gemeinen Wesen damit zu dienen) verlegen und trucken lassen, sollen nicht mehr, wie bißhero, wenig oder viel, selbsten oder auch durch andere beym Handel außgeschlossene Personen, ihre Bücher verkauffen, oder verkauffen lassen; doch soll ihnen nicht gewehret oder verbotten sein Ihre eigene Schrifften und Wercke, auff ihren Uncosten trucken zu lassen, wofern Sie dieselbige Bücher eintzel oder Pallenweiß in billigem Preiß wiederumb an Buchhändler verkauffen wollen.

Buchhandlungsverderber. Alle die übrige, so weder vom Buchhandel, Buchtruckern oder Buchbindern herkommen, auch keine Kunsthändler, Kupfferstecher, oder Formenschneyder, sondern von andern Handwerckern sich abthun, und mit Büchern zu handeln sich unterstehen, sollen gäntzlich cassiret werden.

Lehr Jungen, Diener, und Buchhändlers Söhne. Was die Lehr Jungen betreffen thut, so sollen selbige, welche nicht fünff biß sechs Jahr, nach deß annehmenden Knaben auff sich habendem alter, jedoch nicht unter fünff Jahren, bey einem rechten Buchhändler, alß ein Jung seine Zeit und Lehr-Jahr außgestanden, und nachgehend, zum wenigsten 2 Jahr alß ein Diener gedienet, denen solle nicht zugelassen werden den Buch-Handel zuführen;

Was aber Buchhändlers Söhne sind, sollen nicht verbunden sein, nothwendig bey andern die Handlung zu lernen, gleich wohl aber nicht ehe eine Handlung anfangen, sie hetten dann 2 Jahr bey einem frembden Buchhändler sich auffgehalten, er seye gleich ein Lehrjung oder Diener gewesen. Jedoch sollen alle Buchtrucker, Buchbinder und Kunsthändler, die bißhero neben ihrer Kunst und Handwerck ein Sortiment von Büchern haben, verbunden sein, ihre Bücher (sic!), so zur Zeit der erlangten Ordnung und Articul für keine Handlungs Diener können passirt werden, bey einem rechten Buchhändler zum wenigsten für einen Lehr Jungen in Diensten zu thun, wofern derselbe mit der Zeit einen Buchhandel zu führen und fortzusetzen gesinnet, auch nach verflossenen Lehr Jahren ebenmäßig zwey Jahr gleich denen Buchhändlers Söhnen in der frembde bey rechten Buchhändlern sich auffgehalten hette;

Erbschaft und Heurath. Dafern auch ein gelehrter, oder sonst einige Persohn durch Heurath oder Erbschafft, zu dem Buchhandel gelangte, soll derselbe nicht befugt sein, seine Handlung zu führen, sondern wofern er [691] sich solches unterstehen wolte, soll er verbunden sein, einen Buchhandlers Diener, alß einen Handelß provisorem in seiner Handlung zu halten, damit solche nicht in abgang komme, sondern nach denen gemachten Articuln erhalten und geführt werde.

Juden. Weilen die Juden ohne schew mit Büchern, so wohl Geist- alß weltlichen, nicht ohne der Christen höchsten Despect, handeln, auch nach abgang eines und deß andern Buchs dasselbe wieder (doch unter frembden Nahmen) aufflegen lassen, und die nötigste Vncosten, welche die Buchhändler anwenden müßen, erspahren, und sehr viel verfälschte Editiones herfür bringen, also daß dem gemeinen Wesen durch solche übel getruckte Bücher leicht eine Verwirrung veruhrsacht wird, und also ein vnwiederbringlicher Schaden entstehet, der Buchhandel auch an sich selbsten in großen Despect gesetzet wird, alß soll ihnen durch auß, ferner mit Büchern zu handeln nicht vergünstigt, sondern bey willkührlicher Strafe hiemit außtrücklich benommen und verbotten sein.

Nachtrucker. Damit aber auch kein Buchführer künfftiger Zeit dem andern mit dem schändlichen Nachtrucken fernern Schaden zufügen möge, soll keiner kein getrucktes Buch aufs newe verlegen, oder trucken lassen, Er habe sich dann zuvor mit den Jenigen Erben verglichen, so das Buch vorhin verlegt gehabt, und deßwegen auff begebenden fall glaubwürdig zu bescheinen schuldig sein solle, daß Ihme von den rechten Eygenthumbs Herren solches zu verlegen, seye cedirt worden.

Damit nun manniglichen so mit Büchern handeln oder damit umbgehen, Kund möge gethan werden, daß sie sich vor Schaden fürzusehen, und vngelegenheit zu hüten haben, sind vorige Ordnungen und Articul auff bevorstehendem Reichstag zu Regenspurg angenommen, selbige steet und fest zu halten bewilliget und confirmiret worden.“

Ein in derselben Ratssitzung vorgetragenes anderweites ergänzendes Aktenstück lautet:

„Wann vnter denen Buchhändlern, Buchbindern, Buchtruckern vnd vbrigen Bücher verkauffern eine ordnung gemacht sein wird, die ordnungen fest vnd steet bey ansetzung einer nahmhaften straf vnd vermeidung Kaiserlicher Vngnade zu halten, so wird es sich auch gar leicht schicken, daß mann die Bücher inn billigem Preiß wird stellen können, zumahlen, wann die Auctores vermercken, daß man ein ander, wegen wider aufflegung der Zweiten dritten vnd mehrer Edition des abgangenen Buchs nicht versteigern dörffe, dann durch solche versteigerung die Bücher vnmüglich wohlfail können gestellet oder verkaufft werden, sonderlich, da man Bogenweiß vielen Auctoribus die Arbeit allzu hoch vnd vnerträglich bezahlen muß.

Wodurch es dahin gekommen, daß theils vngeschickte und eigennüzige [692] Personen, durch allerhand wiederlich zusammengeflickte Chartequen, Paßquillen vnd Schmähe schrifften ihr Lebens auffenthalt suchen, dardurch die vnbillige vnd gleichsamb vnChristliche hohe taxen ihren vrsprung erlanget, welche nicht wider kann abgeschafft werden, man richte sich dann nach vffgerichteten Ordnungen oder articula.

Da auch Ihro Kaiserl. Maytt. die allerhöchste Kais. Gnad vnß erzeigen, vnd die Privilegia, so von dero Vorfahren am Reich inn vorigen Zeiten dem Buchhandel zum besten feind mitgetheilet worden, daß nemlich die Bücher allerseits im ganzen Heyl. Röm. Reich zollfrey hin vnd her sind passiret worden, allergnädigst zu widerhohlen geruhen wolten, dadurch würde der löbl. Buchhandel mit der hülff Gottes wider inn flor vnd auffnehmen kommen.

Wie aber insgemein bey allem guten vornehmen auch das böse vnd arge sich pfleget zu erzeigen, so ist, laider zu besorgen, daß Sich etliche nicht würden bequemen, einen billigen Preiß zu machen, sonderlich die ienigen, so da gewohnet sind, täglich ihre Bücher zu ersteigern, deßwegen bittet mann allerseits allergndgst zu zulassen, daß etliche Buchhändler von vnterschiedlichen orten, erlaubnus haben mögten, iede Franckfurter vnd Leipziger Messen, alle Bücher, so künfftiger Zeit allhier inn Franckfurt vnd Leipzig möchten verhandelt werden, vnd bey etlichen Jahren hero, von vnterschiedlichen sonderlich new angefangenen Bücher-verkauffern gar zu hoch taxiret worden nach befindlichem Zustand, vnd angewendten nöthigen kosten, ein iedes Buch inn einen gewissen preiß vnpartheyisch zu stellen, auff daß solche Bücher an männiglichen vmb einen billigen Preiß könnten verkauffet werden.

Da auch iemand den Preiß welcher ihnen von vorbemelten vnpartheyischen Buchhändlern gegeben worden, nicht annehmen wolte, daß selbige Deputirte die wiederspänstige der Obrigkeit schrifftlich zu vberlieffern schuldig sein sollen, welche verhoffentlich durch Ihre autorität denenselben bey straf verbieten wird, keine exemplar hoher zu verhandeln, als der Preiß von denen H. deputirten vnpartheyisch gemacht worden.“

Aus einem Protokoll des Reichshofrats vom 8. Januar 1669 geht hervor, daß diese Eingabe durch Alexander Harttung (Teilhaber der wiener Buchhandlung Johann Blaeu und Alexander Harttung) veranlaßt worden, oder – wie man aus den spätern Äußerungen der Buchhändler in Frankfurt zu schließen berechtigt ist – so ziemlich von ihm allein ausgegangen war. Nach der im Verlaufe der Verhandlungen hervortretenden intriguanten Haltung Harttungs, von welcher noch die Rede sein wird, möchte man sogar fast annehmen, daß er nur vorgeschoben worden sei; ob durch die Wiener Hofpartei, oder vielleicht durch [693] die Endter in Nürnberg, die etwa in ihrem eigenen Interesse die Sache angeregt haben könnten und eine eigentümliche Rolle spielen, ist nicht zu entscheiden. Sicher ist daß der „Blauwischer Gemeiner“, über den die frankfurter Buchhändler 1671 sich beklagen, daß er „fast die größte Vngelegenheit des Buchhandels halben am Kays. Hoffe zu wegen gebracht“[6], kein anderer ist, als eben dieser Alexander Harttung; und auffälliger Weise war er gerade ein geborener Holländer.

Von Wien aus wurde denn auch mit sehr freundlicher Bereitwilligkeit eine außerordentliche Kommission, bestehend aus dem Reichshofrat Niklas Christoph von Hünefeld und dem kaiserlichen Generalfiskal Philips Ludwig Arbogast, eingesetzt; sie hatte den Auftrag, in der nächsten Ostermesse die Buchhändler vorzufordern und von ihnen gründliche Information über diesen ihren Vorschlag einzuziehen.

Jedenfalls war die Kunde von dem, was bevorstand, bereits in die beteiligten Kreise gedrungen. Schon vor Beginn der Verhandlungen kamen die Bedrohten bei dem frankfurter Rate um Beistand ein. So die Buchdrucker in einer Eingabe vom 8. April 1669, unterzeichnet von Daniel Fievet jun., Johann Georg Spörlin, Johann Georg Walther, Johann Görlin, Hieronymus Polich, Paulus Humm, Henrich Frieß, Johann Gottfried Kempffer, dem gräflich Hanauischen Buchdrucker Jakob Lasché, Johannes Kuchenbecker, Blasius Ilßner, dem kurf. mainzischen Buchdrucker Christoph Küchler und Markus Gloß von Würzburg. Schon vor einem Jahre, sagen sie, seien verschiedene ausländische und einheimische Buchhändler privatim zusammengetreten, um der ihrer Meinung nach in Frankfurt eingerissenen Unordnung im Drucken und Verlegen zu steuern, und bei dem Rate darum eingekommen, daß den Buchdruckern nicht verstattet sein sollte, Bücher zu verlegen. Sie, die Buchdrucker, hätten schon damals hiergegen protestiert. Jetzt wären aber die Buchhändler von dem Rate abgesprungen und hätten sich direkt an den Kaiser gewendet. Der Rat möge nun für die Buchdrucker eintreten, damit die erschlichene Kommission nicht zu ihrem Schaden und ohne sie zu hören vorgehe. Eine andere Eingabe machten Dan. Fievet und Joh. Bapt. Mayer im Namen der ausländischen Buchführer, Buchdrucker und Buchbinder.

Ihnen folgten am 13. April mit einem kurzen Schriftstück die holländischen Buchhändler Joachim Nosche von Amsterdam, Johann Friedrich Haagen von Arnheim, Andreas Fries von Amsterdam, Peter Hack von [694] Leiden, Cornelis Hack von Leiden, Hendrick van Acken von Amsterdam, Arnold Leers der Jüngere von Rotterdam, Hendrick und Dirk (Theodor) Boom von Amsterdam, Reinier Smetins von Rymwegen, Johann Janßon van Wacsberge, Johannes van Someren und Daniel Elsevier von Amsterdam, Daniel und Abraham van Gaasbeek von Leiden und Peter Elsevier von Utrecht. Sie geben an, gehört zu haben, daß von etlichen Buchhändlern bei dem Kaiser eine Kommission, den Buchhandel betreffend, ausgewirkt worden sei. Da sie nun von allen diesen Sachen keine vollkommene Wissenschaft hätten, ihnen auch mit solchen Weitläufigkeiten keineswegs gedient sei, so bäten sie, sie bei den herkömmlichen Meßprivilegien und Freiheiten zu schützen.

Nun trat auch die Kommission in Thätigkeit. Am 14. April hatte der Fiskal Arbogast den Buchhändler Johann Baptist Schönwetter aufgefordert, andern Tags früh 8 Uhr im Weißen Roß auf der Galgengasse mit den übrigen in- und ausländischen Buchhändlern zu erscheinen. Am andern Tage erschienen auch im Namen der frankfurter und fremden Buchführer Johann Friderici und der genannte Schönwetter als dazu speziell Bevollmächtigte vor der Kommission, als Bevollmächtigte der holländischen Buchhändler aber Nosche und Frieß, beide Parteien mit ihren Beiständen; die Antragsteller selbst blieben aus. Hünefeld machte nun den Erschienenen die befremdliche Mitteilung: sie würden wohl wissen, daß sämtliche nach Frankfurt und Leipzig handelnde Buchführer den Kaiser um Abstellung der Unordnungen im Buchhandel gebeten hätten. Da nun aber dem Vernehmen nach einige Buchhändler abgefallen wären, möchten sie, die Anwesenden, dazu helfen, daß die Absicht des Kaisers erreicht werde.

Sowohl die deutschen als auch die holländischen Buchhändler sprachen sich natürlich sehr reserviert aus; sie ließen sich durch ihre Beistände dahin vernehmen: sie hätten zwar „äußerlich zum Theil vernommen, waß eine- und andere Buchhändler der Röm. Kays. Maytt. vorgetragen, vnd wie darauff eine Kayserl. Commission erkand worden seye, hätten aber der Sachen keine gründliche Nachricht, inmittelst käme Ihnen befremdlich vor, daß Sie solches alles im Nahmen der gesampten Buchhändler gethan hätten, da doch Ihrer Viel in solches Ihrer Meinung nach unpracticirliche Vorhaben niemals consentirt, noch weniger mit ihnen verbunden, sondern vielmehr die Unmöglichkeit und viel daraus entspringendes [695] Unheil remonstrirt hätten“. Sie baten also nur um Abschrift der Supplik und der Gravamina, mit der Zusicherung, das aus diesen Bestrebungen sicher entstehende Unheil klar demonstrieren zu wollen. Nachdem hierauf noch ein von den dissentierenden Buchführern eingereichtes Memoriale verlesen worden war, wurde die Konferenz ohne Verlesung der „Commission“, und ohne daß etwas protokolliert worden wäre, geschlossen. Nachmittags beschickte dann der Fiskal Schönwetter, stellte ihm die Gravamina zur Abschrift zu, verweigerte aber Mitteilung der übrigen Schriftstücke und fügte hinzu, man sollte beiderseits zusammentreten, sich vergleichen, und das, worüber man sich nicht vergleichen könnte, der Kommission vortragen. Da aber schon Viele abreisten, erinnerte Hünefeld nochmals an die verlangte Zusammenkunft; man solle wenigstens andere Expedientia vorschlagen, „dann die Röm. Kayserl. Maytt. wolten einmahlen haben, daß solchem Vbel in dem Buchhandel gesteuert würde; worzu durch vnnötiges disputiren nicht, sondern durch heilsame Berahtschlagung zugelangen seye“.

Die Zwischenzeit bis zur nächsten Messe wurde von den selbstverständlich im höchsten Grade erregten Gegnern der geplanten Maßregeln – und sie bildeten die weitaus überwiegende Mehrzahl unter den Buchhändlern – zu Versuchen benutzt, die Unterstützung und Vertretung des frankfurter Rats zu gewinnen. Im Juni gingen bei letzterm zwei Proteste ein, der eine seitens sieben frankfurter, der zweite seitens der gesamten nach Frankfurt handelnden niederländischen Buchhändler. Diese bitten durch ihre Bevollmächtigten Lic. jur. Johann Christoph Uffenbach und Johann Martin Porß um Intercession bei dem Kaiser, damit alles im vorigen Stande und bei den Meßfreiheiten gelassen werde, sie auch unbeunruhigt bleiben möchten, um so zu verhüten, daß sie, die bisher die Messen in großer Menge gebaut und den Liebhabern der Studien, wie dem gemeinen Nutzen gedient, künftig, wenn dergleichen Unerträgliches ihnen aufgedrungen werden sollte, von ihrer löblichen und männiglich profitabeln Intention nicht abzustehen und die Handlung in die frankfurter Messe einzustellen sich gemüßigt sehen müßten.

In zwei Beilagen besprechen sie dann die wiener Denkschrift von ihrem Standpunkte aus, d. h. mit Übergehung derjenigen Punkte, welche ausschließlich den deutschen Buchhandel betreffen. In erster Linie steht der Protest gegen die Behauptung, daß die Leutner-Harttungsche Eingabe [696] von den meisten Buchhändlern unterschrieben worden sei. Ein am 14. April den Kommissaren übergebenes Memorial habe nur die Namen von Wild in Rostock, Kinckius in Köln, Endters Erben in Nürnberg, Götz in Frankfurt, Fuhrmann in Leipzig, Trescher in Breslau, Hermsdorf in Frankfurt, Mevius’ Erben und Schuhmacher in Wittenberg und Dolhopf in Straßburg getragen, während doch aus Frankreich, aus England, aus Genf, aus Brabant und den Vereinigten Niederlanden, sowie aus andern dem Römischen Reich zugehörigen und angrenzenden Provinzen allezeit eine ansehnliche Zahl von Buchhändlern zur Messe anwesend gewesen wäre. Dann wendet sich die Schrift zunächst gegen die angeregte Taxe. Unter anderm wird ausgeführt: wenn ein holländischer Buchhändler ein bei ihm bestelltes Buch durch einen italienischen Buchhändler aus Italien, wie gebräuchlich auf Maultieren, nach Holland kommen lasse, um es dann auf die frankfurter Messe zu bringen, und es solle ihm dann ein gewisser Tax gesetzt werden, so würde er durch schriftliche und glaubhafte Urkunden darthun müssen, was ihm das Buch eigentlich in Italien gekostet hätte, was für Spesen darauf gegangen, um es nach Holland und von da auf die frankfurter Messe zu bringen; dann erst könnte durch verständige Leute Schätzung erfolgen. Wenn aber die Antragsteller vermeinten, die Ausländer durch die Taxe zu zwingen, ihre Bücher Bogen um Bogen mit ihnen zu verstechen, so wäre das ein unbilliges Verlangen. Ein Holländer nehme nur pures Schreibpapier und wende große Kosten auf den nitorem, damit ein Buch schön sauber und korrekt gedruckt werde; was aber größere Arbeit und Kosten verursache, müsse auch höher bezahlt werden. Außerdem koste der Transport eines Ballens Bücher von Holland nach Frankfurt 20 bis 30 Thaler, abgesehen von der Zehrung für Prinzipal und Personal, wogegen andere keine so hohe Kosten aufzuwenden hätten.

Wenn aber den Buchdruckern, Buchbindern u. s. w. der Buchhandel gar verboten werden sollte, so würde auch dies zur Verteuerung der Bücher führen und, gleich den andern Punkten, nur für wenige ein schädliches Monopol schaffen. Die wenigen dann existierenden Buchhändler könnten z. B. zusammentreten und sich verabreden, einem Ausländer seine guten Bücher nur zu einem gewissen Preise abzunehmen, widrigenfalls er sie gar nicht absetzen würde. Man finde auf Reisen oft zehn Städtlein nach einander, wo kein Buchhändler sei, sondern nur Buchdrucker oder [697] Buchbinder, die dann erst mit großen Kosten die Bücher durch dritte oder vierte Hand müßten kommen lassen. Was dann die Steigerung gegen die alte Taxe (d. h. gegen die früher übliche Preisberechnung) betreffe, so bediene man sich ja unter den Buchhändlern schon der Gegentaxen. Dadurch würden gerade die Preise verringert, in Anbetracht, daß dann, wie die Erfahrung lehre, der Rabatt oder Abzug desto größer und höher gemacht werde. „Und lehret der heut zu tag vbliche gebrauch, daß man auf solche weiß zwar alle von newem aufgelegte Bücher taxirt, hingegen aber eine gleichheit wegen ersteigerung des rabats in acht nimmet, daß also, wofern der Tax steiget, auch der rabat erhöhet wird.“ Über den Vorschlag, durch verständige Leute die Bücher taxieren zu lassen, heißt es schließlich: „Das würden feine Taxatores sein, die Bücher ihrer mitgenossen würden Sie wohl zu ihrem Vortheil taxiren, allein wer Sie ihnen widerumb, wann Sie solche andern verkauffen wollen, taxiren solle, davon schweigen sie ganz stille.“

Gleichzeitig ging der Kommission ein Protest der andern dissentierenden Buchhändler zu, unterzeichnet von Johann Friderici (Friederich) und Johann Baptist Schönwetter als Bevollmächtigten. Es heißt darin: es sei nicht möglich, die aus allen Ländern nach Frankfurt handelnden Buchhändler unter einen Hut zu bringen. Viele würden genötigt werden, die Messen zu quittieren, die Ausgeschlossenen aber ihres Stücklein Brotes, so sie etwa daselbst gewinnen könnten, zum Abbruch ihrer Nahrung und der ihrer Kinder entbehren, während doch Quacksalber, Komödianten, Gaukler, überhaupt Jedermann daselbst frei hantieren und etwas gewinnen möge. Überhaupt gereichten die Vorschläge nicht zum gemeinen Besten, vielmehr leuchte das Streben nach Monopol und nach Förderung von Privatinteressen durch Unterdrückung vieler überall hervor.

Wenn die Bestimmungen, die Buchdrucker betreffend, zur Geltung kämen, dann würden diese den Handel gar bald quittieren müssen; denn wenn sie ein verlegtes Buch nicht verstechen, sondern blos um Geld verkaufen dürften, die wenigsten Bücher aber bekanntlich um Geld verkauft, sondern eben meistens verstochen würden, so müßte ihnen notwendig ihre Bücher liegen bleiben, oder sie wären gezwungen, sie mit Schaden wegzugeben, zumal wenn sie nur an Buchhändler verkaufen dürften, welche gewiß genug dafür zahlen würden. Nach Unterdrückung der Buchdrucker würden aber wegen Verminderung der Zahl der Verkäufer [698] die Bücher im Preise steigen, während die Buchdrucker, nur noch auf den Druck angewiesen, der Gnade der Buchhändler anheim fielen.

Die Buchbinder betreffend, bleibe es sich doch gleich, ob ein Privater das Buch kaufe und einbinden lasse, oder ob ein Buchbinder das von ihm selbst gekaufte Buch gebunden verkaufe. Und warum sollten sie z. B. nicht aus Bibliotheken oder sonst von Leuten, die ihrer Bücher müde wären, kaufen, besonders da hinterlassene (alte) Bücher eher bei den Buchbindern gesucht würden. Dazu komme, daß dann an vielen Orten großer Mangel an Büchern entstehen würde, wie in Westfalen und anderswo, wo wegen geringen Verdienstes keine Buchhändler sich halten könnten, wo vielmehr die Buchbinder die nötigen Bücher von fremden Orten holten und sich damit neben ihrem Handwerk nährten. Andernfalls müßten sich die Leute in solchen Gegenden mit lauter Evangelien, Katechismen, Bet- und Gesangbüchlein behelfen, oder die Bücher durch dritte Personen mit großen Kosten von weiter her verschreiben oder selbst holen.

Wenn dann ferner die Gelehrten ihre auf eigene Kosten gedruckten Bücher nur an Buchhändler zu billigem Preise verkaufen dürften, so müßten sie freilich dafür nehmen, was diese ihnen gäben, oder ihre Sachen würden ihnen liegen bleiben. Infolge dessen dürften die herrlichsten Werke dem Vaterlande zum Schaden ausbleiben und dafür lauter Skarteken geschrieben werden, wozu sich freilich, weil man sie meistenteils ausschriebe (aus andern zusammenstelle), viele Autoren gegen eine geringe Ergötzlichkeit finden würden.

Sollten aber alle Händler, die weder von Buchhandel noch von Buchdruckerei herkämen, auch weder Kunsthändler noch Kupferstecher wären, sondern von andern Handwerkern sich absetzten, sich des Buchhandels begeben und gänzlich cassiert werden, so wäre es doch gegen die Freiheit der Handlung und wider die Natur und Gottes Willen, einem Menschen das verbieten zu wollen, wozu ihn doch sein Schöpfer durch Verleihung von Gaben und Verstand berufen habe. Ein solcher Mensch könne mit Zuziehung gelehrter Leute eben so gut, wie ein alter Buchhändler, ein gutes Buch verlegen.

Die Lehrjungen und Diener betreffend, so sei die vorgeschlagene Maßregel wohl für Handwerker gut, passe aber nicht für die Handlung. Wenn ein Buch dem Inhalte nach gut und im Drucke tadellos sei, kümmere es das Publikum nicht, wie der Verleger solches samt der Materie [699] einhandle, mit Vorteil drucken lasse und verdinge und hernach mit Nutzen in der Geschwindigkeit an seine Korrespondenten verschicke, versteche, verkaufe und verhandle. Nun habe jeder, der guten natürlichen Verstand und die Mittel besitze, die Capacität, ein gutes Buch zu verlegen, und es bedürfe dazu keiner Lehrjahre oder des Dienens. Gar mancher würde sich dann abschrecken lassen, sich, besonders in spätern Jahren, in die Lehre zu begeben, „zumal da mancher verständige Mensch öfter bei einem dergleichen zum Meister geschlagenen Herrn dienen muß, der etwan seine Lehrzeit mit Collationiren, Inventiren, Einpacken, Ordiniren, Ladenkehren und wenn’s hoch kommt in die Bücher eintragen, seine Lehrjahre passirt, hingegen in den Arcanis lucrandi, die man gemeiniglich aus dem Handel selbsten mit Schaden lernen muß, wenig erfahren hat“. Die Bestimmung wegen der Buchhändlerssöhne anlangend, lehre die tägliche Erfahrung, daß Kinder bei ihren Eltern am wenigsten lernten und verständige Kaufleute dieselben nach Belieben anderswohin schickten.

Den Juden aber eine neue Ordnung zu machen, sei nicht nötig, weil ihnen der Buchhandel ohnehin verboten sei. (Über die Stichhaltigkeit dieser Behauptung vergl. Anmerkung 8.) Es wäre besser gewesen, denselben nicht durch Aufnahme wucherischer Gelder die Bücher in die Hände zu stecken, die sie dann heimlich ließen, und zwar besonders in Frankfurt.

Ausführlich läßt sich die Schrift über die „Skarteken“ – in der Bedeutung von Broschüren oder Kleinliteratur im Gegensatz zu großen, schweren Büchern – aus. Der Druck solcher bedeute keine Verderbung des Buchhandels, noch weniger des gemeinen Wesens. Es gebe gute und nützliche Skarteken, wie auch große Bücher, die gut oder schlecht seien. Wie man nun um der schlechten großen Bücher willen den Verlag der guten nicht unterlassen werde, so könne man auch um der geringen Skarteken willen die guten nicht ausmustern. Gerade durch solche Kompendien werde das Studium sehr befördert und viel Zeit erspart, die sonst zur Durchlesung großer Bücher gebraucht würde. Der Verkauf der großen Bücher werde durch die Skarteken befördert, weil durch solche Kompendien dieselben bekannter und dadurch ihrer Güte wegen verkäuflicher würden. Der hohe Preis der Skarteken treffe auch für große Bücher zu. Die alten Buchführer brauchten von ihrer alten Taxe nicht abzugehen, sondern wenn die Verkäufer von Skarteken ihre Preise [700] allzu hoch spannten, müßten sie mit ihnen auch steigern. Daß gute große Bücher schlecht abgingen, läge an der Geldklemme; die Gelehrten könnten nicht viel teuere Bücher kaufen, viele versähen sich auch mit Büchern aus alten Bibliotheken, welche man öfters nach der Gelehrten Tode von den mit Kindern und Büchern beladenen Witwen um ein Geringes haben könne. Auch das sei nicht stichhaltig, daß die großen Opera liegen blieben, weil die Skarteken vagierend hin und wieder getragen würden. Warum sollte denn der kleine Mann nicht ebenso gut etwas verdienen dürfen, wie der Grossist?

Gegen Einführung einer Taxe werden dann die gewöhnlichen Gründe aufgeführt: ungleiche Natur de Bücher, Verschiedenheit des Honorars, der Papier- und Druckpreise, der Auflagen, Kosten der Privilegien, verschiedene Entfernungen, Zölle und Frachten, Unsicherheit des Absatzes, Höhe der Geschäftsspesen u. s. w., wie solches schon die sächsischen Buchhändler vorgebracht hatten. Die Taxe sei eben unmöglich, unbillig und schwer erfindlich und das Ganze gehe darauf hinaus, Wenigen ein Monopol zu schaffen.

Unter dem 6. Juli 1669 intercedierte denn auch der Rat in der That bei dem Kaiser zu Gunsten der Buchdrucker, Buchhändler und Konsorten. Nach der gewöhnlichen Bezugnahme auf die alten Privilegien und Freiheiten wies er auf die Wichtigkeit des Buchdrucks und Buchhandels und der Buchhändlermessen für Frankfurt hin; man habe ihnen deshalb „große sonderbahre gassen zugewießen und selbige die Buchgassen genennet“. Irrungen, die während der Messen vorgekommen wären, habe der Rat stets durch einige aus seiner Mitte Deputierte „in enge“ geschlichtet. Jetzt aber sei einerseits die betreffende Kommission mit Umgehung seiner, des Rats, Gerechtsame und ohne daß er genauere Kenntnis davon erhalten habe, eingesetzt worden, andererseits von den meisten Buchhändlern Beschwerde eingelaufen, daß diese Kommission nur von einigen wenigen Buchhändlern nicht zur Beförderung des öffentlichen Wohles, sondern allein ihres Privatvorteils halber ausgewirkt worden sei, einzig zur Erlangung eines allen Rechten und Reichskonstitutionen zuwiderlaufenden Monopols. Es sei zu besorgen, daß solches Gebaren auch bei andern Kaufleuten Nachahmung finden und dadurch der Gang der Messen in weitere Abnahme kommen würde, sodaß die Stadt in Zukunft die Reichsanlagen und andere Lasten nicht mehr würde tragen können.

[701] Die vom 14. August datierte kaiserliche Antwort suchte den Rat zu beruhigen und erklärt: die Kommission sei auf keine Inquisition oder solche Dinge gerichtet, durch welche der Jurisdiktion des Rats präjudiziert würde; der Zweck sei nur, den zerfallenen Buchhandel durch zulängliche gütliche Mittel zu restaurieren. Da solches zur Beförderung des boni publici gereiche, werde der Rat angewiesen, die Seinigen zur Respizierung der kaiserlichen Kommission mit Nachdruck anzuhalten. Seiner Gewohnheit nach fügte sich denn der Rat auch schleunigst; er ließ die sämtlichen frankfurter Buchhändler durch seine Deputierten alles Ernstes auffordern und ihnen anbefehlen, nicht allein die kaiserliche Kommission zu respizieren, sondern auch zur Beförderung derselben, noch ehe die Messe eintrete und die fremden Buchhändler ankommen würden, zusammenzutreten, die vorgeschlagenen Mittel zu beraten und sich darüber zu vergleichen, welche Punkte sie dann entweder den fremden Buchhändlern vorhalten, oder der Kommission übergeben sollten, damit man ihnen deshalb keine Mora oder Culpa beimessen könnte.

Dieser Befehl war die Veranlassung, daß die frankfurter Buchhändler in der That behufs einer zu erzielenden Einigung zusammentraten. Aber trotz mehrerer Konferenzen vermochten sie, wie sie an den Rat berichteten, nicht zu der Überzeugung zu gelangen, daß der zerfallene Buchhandel durch Setzung gewisser Schranken in eine sonderliche Aufnahme gebracht werden könnte; sie erklärten es vielmehr für zuträglicher, wenn es bei den bisherigen Freiheiten, die alle Handlungen ohne Unterschied genössen, sein Verbleiben behalte. Daneben hätten sie sich aber über einige Punkte geeinigt, welche den Meßfreiheiten nicht widersprächen und die sich auch die Buchdrucker, Buchbinder u. a. gefallen lassen könnten.

Diesem von sämtlichen frankfurter Buchhändlern, mit Ausnahme von Kaspar Wächtler und Gottfried Seyler, unterzeichneten Übereinkommen vom 2. September 1669, den „Vereinigten Punkten“, lag die Hartungsche „Neue Ordnung“ zu Grunde; es enthält jedoch folgende Abweichungen:

Buchtrucker, Absatz 2 hat folgende Fassung erhalten: „Deßgleichen sollen sie die Zahl der Aufflage, so Buchhändler bey Ihnen trucken laßen, völlig lieffern, Kein einziges Exemplar, ohne des Verlegers consens, vor jemant zuschießen, weder vor dem Author selbst oder sonsten vor jemanden, sondern es sollen alle übrige Exemplaria, so aus den Zuschuß Büchern [702] Können und mögen ergänzet werden, nebenst den Defecten gegen einer discretion gleicher maßen dem Verläger einzuhändigen schuldig sein, und also Kein einzig Exemplar weder vor sich noch die Gesellen zurückbehalten, und da einiger darwieder handeln solte, soll Er von Einem Hochl. Magistrat der Statt, alwo Er sich befindet und geseßen, nicht allein hochsträfflich angesehen, sondern auch seines Ehrlichen Nahmens entsezet und Keine truckerey mehr zu führen tüchtig geachtet werden.“

Abschnitt: Buchbinder, lautet: „Die Buchbinder sollen Keine Bücher verlegen oder trucken laßen, sondern bey Ihrem Band bleiben, welche aber nebenst Ihrem Handwerckh einen Laden haben, die sollen schuldig sein, die rohe Materien von den Buchhändlern zu kauffen.“

Abschnitt: Kunsthändler und Formschneider, am Ende lautet dermaßen geändert:“ – – jedoch daß sie solche gleich den Buchtruckern nicht verstechen, sondern in billichem Preiß verkauffen.“

Abschnitt: Gelehrte, Geist- und Weltliche, lautet am Schlusse jetzt so:“ – – in billichem Preis verkauffen, aber mit andern Büchern zu handlen und in frembde Handlungen sich einzumischen, wie bißhero geschehen, soll Ihnen allerdings verbotten und ganz und gar nicht gestattet werden.“

Abschnitt: Buchhandlungsverderber, ist am Schlusse noch beigesetzt: „und zu der Buchhandlung nicht gelassen werden“.

Abschnitt: Lehr Jungen, Diener etc. Absatz 2 hat folgende Zusätze erhalten: „– – die Handlung zu lernen; Ebenmäßig mögen und Können der Buchhändler hinterlaßene Wittiben und Töchter respective Ihre Männer, Successores und Erben, ob sie sich schon an andere dem Buchhandel nicht zugethane Personen verheurathen, wie auch diejenige, auff welche eine Handlung durch Successionem vel universalem vel Singularem zukombt, plenissimo Jure die Handlung fortführen und die Ihrige continuiren. Aber Buchtrucker, Buchbinder und Künstler, welche ins Künfftige neben Ihrer Kunst und Handwerckh ein Sortiment von Büchern haben wollen, sollen verbunden sein, Ihre Söhne, so zur Zeit der erlangten Ordnung vor Keine Handlungsdiener Können passirt werden, bey einem Buchhändler zum wenigsten für einen Lehrjungen in Dienst zu thun, woferne derselbe mit der Zeit einen Buchhandel zu führen gesinnet, auch nach verflossenen Lehr Jahren 2 Jahr in der frembde bey Buchhändlern sich auffhalten.“

(Infolge dieses Zusatzes fällt der nächste Abschnitt weg.)

Abschnitt: Juden, ist am Ende beigefügt: „– – mit Büchern zu handlen und trucken zu laßen“ etc., ferner nach „verbotten sein“; „welche aber nothhalber Bücher an schulden, oder underpfand an Zahlung, annehmen müssen, die sollen den ordentlichen weg des Rechtens brauchen, solche außklagen und öffentlich subhastiren, und im geringsten nicht under der Hand [703] stückweiß verhandeln und verkauffen, auch sollen Sie von denen Büchern, so albereit in Ihren Händen sind, eine ordentliche und auffrichtige Specification uns zustellen“.

Abschnitt: Nachtrucker ist in „Nachtruckung alter Bücher“ geändert und am Schlusse noch Folgendes beigesetzt worden: „Dafern aber ein Buch in 10 biß 20 Jahren gemangelt, die rechtmäßige Erben nicht zur Hand oder bekant, und jemand solches Buch wieder zu trucken und auffzulegen vorhabens, mag es wohl mit dieser condition geschehen, daß, woferne das Buch verfertiget, und die rechtmäßige Erben sich alßdann angeben solten, soll der Verleger schuldig sein, denselben einen billigen recompens davor zu thun, oder Ihnen solches gegen erstattung seiner angewendeten Außlagen und Unkosten nebenst einem Recompens vor seine gehabte mühe und außgelegte gelder zu überlaßen.“

Dann sind noch folgende neue Abschnitte hinzugesetzt: „Nachtrucken neuer Bücher. Nicht weniger solle es einigen Buchhändlern erlaubt sein, einiges Buch, daß Ein, Zwo, oder mehrmahl getruckt worden von dem Authore, ist er noch am leben, abzuhandlen, soferne denen Ersten Verlegern solches versprochen, sondern alle Contracte, so die Ersten Verleger mit denen Authoribus, wegen aufflegung derer Bücher, gemachet und geschlossen, sollen allerseits unverbrüchlich gehalten werden, und niemant befugt sein, denselben zuwieder sich einzumischen oder solche wercke auff art und weiß, wie die auch außgesonnen werden mögten, an sich zu bringen.

Weilen wir auß allerunderthänigsten gehorsamb, so wir Ihrer Kays. Maytt. schuldig, alle Privilegia, so dieselbe an Außländische und außer dem Römischen Reich geseßene, ertheilen, allergebührlichst respectiren und denenselben gehorsambst nachgeleben müßen, hingegen aber sehen und erfahren, daß dergleichen Außländische diejenige Privilegia, so unß von Ihrer Kays. Maytt. ertheilet werden, nicht achten, sondern zu Ihrer Kays. Maytt. alß höchstem Oberhaupt höchsten verunehrung und unserm großen schaden darwieder handlen; Alß ist unsere nothringende Pitt, hierin diese nachtrückliche Verordnung thun und ergehen zu laßen, daß, so Künfftig darwieder gehandelt werden solte, wir Uns unseres schadens halber gegen die thäter so wohl an Person alß Ihrem gutt, wo sie im Römischen Reich zu betretten, erholen mögen, damit jedermann bey seinem erlangten Privilegio sicher sein möge.

Bücher-Auctiones. Nachdeme die Bücher Auctiones zur Meßzeit sehr schädlich und bey den Buchhändlern in Teutschland niemals üblichen gewesen, in dem diejenige, so die andern wegen außgenommener Bücher (Zahlung) zu thun schuldig, solches gelt mehrentheils bey den Auctionen anwenden und außgeben, hingegen Ihren rechtmässigen Creditoren welche Ihre Rechnung darauff gestelt gehabt Ihre schuldforderung einzunehmen, entweder gar nichts [704] oder aber sehr wenig auff abschlag bezahlen, dadurch dann leichtlich eine ohngelegenheit entstehen Kann, alß sollen solche Bücher Auctiones zur Meßzeit nicht allein allerdings gäntzlich abgeschafft, sondern es sollen diejenigen, so umb solcher Auction erlaubnus anhalten, mit einer wilkührlichen straff angesehen und bey andern rechtmäßigen Buchhändlern nicht geduldet werden.

Tax der Bücher. Die Tax der Bücher betreffend, weil von vielen Buchhändlern schon vor etlichen Jahren, neben alhiesigem Löbl. Magistrat ist gründlich deduciret worden, daß ein Tax zu machen nicht practicirlich, der Freyheit der Meß nachtheilig, alß läst mans nochmals darbey bewenden.

Schlüßlichen contestiren wir daß gar nicht unsere meinung durch vorgesetzte puncta diejenige, so bißhero zum Buchhandel Kommen und darinnen albereit würcklich seind, davon zu tringen und außzustoßen, sondern nur dahin zu sehen, wie ins Künfftige die abusus mögten verhindert werden.“

Diese „Vereinigten Punkte“ sind es nun, die allen folgenden Verhandlungen als Grundlage dienen. Auf sie hin bildeten auch die Frankfurter eine innungsartige Vereinigung, eine Art Lokalverein, der längere Zeit bestanden haben muß[7]; wie lange läßt sich schwerlich ermitteln. Noch gegen Ende des Jahrhunderts finden sich gemeinschaftliche Eingaben der frankfurter Buchhändler an den Rat; als ihr Vertreter fungierte später Johann David Zunner.

Gleichzeitig mit dem Reskript an den Rat war aber auch der Befehl an die kaiserliche Kommission ergangen, die Sache in der nächsten Herbstmesse wieder aufzunehmen. Über die daraus erwachsenen Verhandlungen berichtete Hünefeld unter dem 1. Oktober 1669 an den Kaiser. Die erwähnten „Punkte“, die Büchertaxe jedoch völlig ausgeschlossen, wären von den vorherigen Kontradicenten selbst, wie von allen übrigen einmütig „placitirt, eingewilligt und subscribirt“ worden. Die Büchertaxordnung anlangend hätten zwar die erschienenen Buchhändler, mit Ausnahme von Johann Friderici (Friederich), Johann Baptist Schönwetter und deren Beistand L. Uffenbach (als Vertreter der Frankfurter), dafür gehalten, daß „selbige dem gemeinen Wesen nicht allein nutz- und vorträglich, sondern auch zu Verhüetung vieler im Buchhandel vorgehenden betrüeglichkeiten gereiche und wohl practicirlich sein mögte. Doch haben etliche Frankfurter und aus deren Antrieb noch mehr andere im heyl. Reich gesessene solches theils aus angegebener forcht und respect gegen hiesigen Magistrat, theils aber zu ihrem selbsteigenen Nutzen und [705] Vortheil, damit sie noch vorderhin ihre Bücher in eben so hohen Preis als diejenigen, so von weitentlegenen Orten mit schweren Kosten der Fracht und Zölle auch anders halben anher gebracht, verkaufen möchten, das Vorhaben für eine purlautere Unmöglichkeit angegeben und nicht einmal zu Anhörung künftiger Vorschläge sich verbindlich machen wollen!“

So sagt Hünefeld; der Hergang im Kreise der Buchhändler war aber folgender gewesen. Die Frankfurter, vertreten durch Johann Friederich, Thomas Mathias Götz, Simon Beckenstein und Johann Baptist Schönwetter, hatten die „Vereinigten Punkte“ den fremden zur Messe handelnden Geschäftsgenossen vorgelegt, besonders auch Alexander Hartung. Dieser hatte das Schriftstück mehrere Tage an sich behalten – wahrscheinlich um sich mit den Kommissaren darüber zu besprechen. Dann hatte man sich schließlich dahin geeinigt, diese Punkte entweder selbst, oder durch Bevollmächtigte, einschließlich Harttungs, eigenhändig zu unterzeichnen und nach erfolgter Bestätigung durch den Kaiser zu halten. In dem Begleitschreiben, mit welchem die „Punkte“ den Kommissaren übergeben wurden, war gesagt: die Buchhändler schlügen die beifolgenden Satzungen vor, dafern ja die vorige Freiheit nicht zu erhalten wäre, gleichwie sie fänden, daß ohne höchsten Nachteil des Buchhandels nichts (die Büchertaxe) hinzugethan werden möge. Sie bäten, die Eingabe an den „hochvermögenden Ort“ zu befördern, „daß es bey diesen verglichenen vnd wohl erwogenen puncten, dafern Sie jedoch dieser Statt privilegien vnd Meßfreiheiten nicht zuwieder lauffen, vnd wir mit denselben.... nicht verschohnet bleiben können, sein Verbleiben haben, Vnd wir zu einem andern zu des Buchhandels ohnfehlbaren schaden vnd ruin nicht adstringiret werden mögen“.

Die Kommissare erklärten jedoch, der Passus über die Privilegien und Meßfreiheiten dürfte von dem Reichshofrate übel aufgenommen werden, da man denselben ja nicht präjudizieren wolle; sie thaten dies mit solchem Ernst, daß Götz und Beckenstein, ängstlich geworden, ihre Unterschriften zurückgezogen. Es bedurfte einer zweimaligen Änderung, um die Kommissare zufrieden zu stellen. Im dritten Entwurfe lautet die betreffende Stelle, deren Fassung Hünefeld an die Hand gegeben hatte, denn auch dahin: sie (die Buchhändler) hätten der Punkte sich mit einander verglichen und dabei zu bleiben sich einmütig verbunden, der unterthänigen Zuversicht, „nachdem allerhöchstgedachter Röm. Kayserl. Maytt. an den [706] Rath dieser Statt rescribirter maßen intention nicht ist, dieser Statt Juribus in dieser Sache einiger wege zu praejudiciren, daß diese Puncten Bemelten dieser Statt Privilegien und Meßfreyheiten, alß welchen wir zumahl die alhiesige Bürger keines wegs derogiren wollen noch können, zu keinem Nachtheil gereichen werden“.

Nachdem dieses Memorial endlich mühsam zu Stande gekommen, hatten die Unterzeichner dasselbe in Friederichs Laden Harttung zu lesen gegeben, welch letzterer denn auch versprach, es nach erfolgter Mundierung ebenfalls für sich und seine Auftraggeber zu unterschreiben. Der Fiskal, dem das Schriftstück am andern Morgen noch vor seiner Ausfertigung vorgelegt wurde, erklärte sich ebenfalls damit zufrieden gestellt. Als aber Harttung nach erfolgter Mundierung seine Unterschrift geben sollte, machte er Winkelzüge. Zuerst schlug er vor, ihn zum Generalbevollmächtigten der Gesamtheit zu ernennen, und als man hierauf nicht einging, verweigerte er seine Unterschrift zunächst unter dem Vorwand von Geschäften und äußerte, daß er erst hinter den andern unterschreiben werde. Seinem Verlangen wurde gewillfahrt, er aber benutzte diese Nachgiebigkeit dazu, daß er die Schrift an sich nahm und einen Nachsatz hinzufügte, dem zufolge er und seine Genossen (Michael und Friedrich Endter, Ludw. Neuenhahn, Michael Dehme und Johann Fritsch) nicht allein die Punkte halten, sondern auch dahin bedacht sein wollten, zwischen dieser Messe und der Ostermesse 1670 ein Projekt wegen der Taxe auszufertigen. Erst bei der Zusammenkunft am Nachmittag in Hünefelds Wohnung erlangten die andern Buchhändler Kenntnis von der vorgenommenen Änderung. Sie protestierten zwar sofort ernstlich dagegen; aber Harttung und seine Anhänger bestanden auf ihrem Kopf, sodaß die andern ihre Unterschrift zurückzogen. Da jedoch Hünefeld inzwischen Besuch erhalten hatte, gewannen die Buchhändler Zeit, das Memorial noch einmal zu kopieren und durch alle Anwesenden, mit Ausnahme Harttungs und seines Anhanges, unterschreiben zu lassen. Vergeblich versuchte Harttung die Anwesenden durch die Worte: „Ihr Herren, das ist der Frankfurter Memoriale, damit haben wir Nichts zu thun, Ihr Herren, die den Tax desideriren folget mir“, von der Unterzeichnung abzuhalten.

Damit war diese Angelegenheit endlich formell erledigt. Es scheint allerdings die Absicht vorhanden gewesen zu sein, das Übereinkommen [707] der Buchhändler zum Gegenstande der Reichsgesetzgebung zu machen; denn am 26. Februar 1671 verlangte der Kaiser von Hünefeld Bericht darüber, ob nicht durch die vereinbarten Punkte andern hin und wieder im Reiche gesessenen Buchdruckern, Buchbindern, Kunsthändlern und Konsorten, welche darüber nicht vernommen worden, wie auch den Ständen selbst präjudiziert werde und wie solcher Inkonvenienz vorgebeugt werden möge. Die Kommissare waren aber der Ansicht, daß denjenigen, welche über die Punkte nicht vernommen worden, ein besonderes Präjudiz nicht könne zugefügt werden; wegen etwaiger Malkontenten dürfe das für den Buchhandel ersprießliche Werk nicht ersitzen bleiben. Ebensowenig könnten sie einsehen, mit welchem Fug sich ein oder der andere Stand dadurch graviert finden könnte, da ja keinem das Geringste an seinen Privilegien dadurch derogiert werde. Sie hätten auch nicht vernommen, daß irgend ein Stand, außer dem frankfurter Rat, der sich der kaiserlichen Intention in Aufrichtung einer Bücherordnung allein opponiere, viel weniger aber Buchdrucker und andere sich darüber beschwert hätten.

Obgleich nun die Satzungen von allen angenommen und unterzeichnet waren, hatten sich doch Ludwig Neuenhahn, Michael und Friedrich Endter, Johann Fritsch, Michael Dehmen und Alexander Harttung vorbehalten, die Büchertaxe, die in Wien stets als der vornehmste Punkt angesehen wurde, bei der Kommission wieder in Anregung zu bringen. Demgemäß traten im November 1669 die Endter (Johann Andreas, Wolfgang des Jüngern Erben, Michael und Wolfgang Friedrich) noch einmal für sich allein dem Kaiser gegenüber zu Gunsten der Harttungschen Vorschläge ein. Den Vorwand gab der Umstand ab, daß die beiden Erstgenannten Unpäßlichkeit und Geschäfte halber den Verhandlungen in Frankfurt nicht hätten beiwohnen können. Im ganzen wiederholen sie aber nur das in der Harttungschen Eingabe Gesagte; hervorzuheben ist höchstens die Äußerung betreffs des Kunsthandels, daß man nämlich viele theologische, historische und politische Bücher mit unnötigen Kupfern anfülle und denselben dadurch ein scheinbares Ansehen gäbe, einzig zu dem Zwecke, damit die Kunsthändler den Buchführern so ihr Stücklein Brot entziehen und sich in den Buchhandel einschleichen könnten. Das zwinge vielfach die Buchhändler, auf Kupferinventionen zu denken und ein Werk dadurch nolens volens zu verteuern. Dies war ein Argument pro domo, denn die Endter hatten selbst viele illustrierte Verlagsartikel [708] verlegt, darunter z. B. die sogenannte Kurfürstenbibel. Ihre Absicht sei es übrigens nicht, den Kunsthändlern, Kupferstechern u. dgl. den Verkauf solcher Kupferstiche, welche eine Beschreibung erforderten, zu verwehren, nur müßte dieser Text ausschließlich in Kupfer gestochen und dürfte nicht durch Typendruck hergestellt sein. Damit wäre aber geradezu der zu jener Zeit und noch später sehr schwunghafte Verkehr mit Gelegenheitsschriften und zeitgeschichtlichen Einblattdrucken vernichtet worden. Als Hauptsache bezeichnen sie aber wieder die Einführung einer rechten und ordentlichen Taxe. Die vor einigen Jahren vorgeschlagene sei teils durch Diskrepanz, teils durch den Eigennutz Einiger hintertrieben worden; seitdem seien aber die Preise in unverantwortlicher Weise noch weiter in die Höhe getrieben worden, sodaß der gegenwärtige Zustand allen gewissenhaften Buchhändlern unerträglich erscheine. Der Kaiser möge nur allen deutschen Buchhändlern bei Vermeidung kaiserlicher Ungnade und bei Strafe anbefehlen, sich ohne weitere Entschuldigung zu einer billigen Taxe zu verstehen.

Obschon nun dieser Schritt der Endter sich so völlig den bisher von der Reichsregierung vertretenen Anschauungen anschmiegt und ihnen – als von so bedeutenden Verlagsfirmen ausgehend – ein scheinbar größeres Gewicht geben konnte, so scheint die Sache auffälligerweise doch längere Zeit geruht zu haben; wenigstens schweigen die jetzt noch zu Gebote stehenden Akten darüber. Erst am 3. Januar 1671 kommt auf Anregung der frankfurter Buchhändler der dortige Rat bei dem Kaiser dagegen ein. Er betont, daß Harttung und Leutner gar kein allgemeines Mandat gehabt hätten. Wenn aber der einzige Endter dieses Werk in Widerspruch gegen alle Frankfurter und nach Frankfurt handelnde Buchhändler durchtreiben und erzwingen wolle, so geschehe dies nur zu seinem eigenen Vorteile. Zu Nürnberg seien wenig Buchhändler, welche die Mittel zu einem großen Verlage hätten oder die Bücher in Frankfurt in großen Mengen einkaufen und in den bayrischen und österreichischen Kreis, nach Böhmen und in andere kaiserliche Erblande führen könnten, wie Endter dies thäte, der zwar die Bücher nach dem Preise, wie er gern wollte, in Frankfurt in der Messe einkaufe, an abgelegenen Orten aber nach seinem Belieben wieder verkaufe und so Vorteil auf Vorteil häufe, andere aber unterdrücke.

Dieses einseitige Vorgehen der Endter führte – was hier vorweg [709] zu nehmen ist – zu längeren Weiterungen für sie. Die frankfurter Buchhändler, deren Besorgnisse wegen einer etwaigen Schädigung des Meßverkehrs von neuem erregt wurden, gaben jedenfalls den Anstoß dazu, denn auf Veranlassung des frankfurter Rats wurden die Endter von ihrer Obrigkeit zur verantwortlichen Vernehmung gezogen. Der Abgesandte Frankfurts hatte sich auf dem engern Städtekonvent zu Ulm bei dem nürnberger Ratsfreunde über den von den Endtern gethanen Schritt beschwert. Auf Vorhalt behaupten sie, daß ja Harttung bei seinem Vorgehen im Jahre 1668 als Mandatar verschiedener Buchhändler nur das Beste gewollt habe. Die damaligen Motive hätten auch noch jetzt Geltung, Nachdruck und Preissteigerung nähmen immer mehr überhand; es sei dahin gekommen, daß man die guten Bücher erst in Frankfurt unter der Judenschaft suchen müsse. Darum hätten sie sich mit andern Buchhändlern zusammengethan, um vereint die Aufgabe der Kommission zu unterstützen, was ja nur zum Nutzen Frankfurts gereichen könne. Geschickt verwandten hiergegen die Frankfurter in einer langen Auseinandersetzung der alten Gründe gegen die Taxe den Umstand, daß gerade die Endter sich 1657 vor Allen gegen die Taxe ausgesprochen hätten; was sollte auch eine Taxe nützen, wenn sie bloß für Frankfurt, nicht auch für Leipzig, Linz, Hamburg und Köln und andere Orte Geltung habe.

Nach Ansicht des frankfurter Rats war eigentlich, wie er an die Nürnberger schreibt, keine Ursache zu Klagen vorhanden, wenn nur alle Buchhändler an dem geschlossenen Vergleiche festhielten, und wäre daneben zu wünschen, daß nicht allein die Frankfurter, sondern auch gar viele fremde Buchhändler die Judengasse nicht so wohl hätten kennen lernen, daß man auch deren gute Bücher in der gedachten Gasse suchen und er, der Rat, die Fremden ad videndum distrahi pignora citieren müßte.[8] Jetzt handle es sich aber nur darum, daß die Endter und Harttung fast allein die neue kaiserliche Kommission in Thätigkeit zu erhalten suchten, um die Taxe durchzusetzen, obgleich sie den Vergleich mit unterschrieben hätten. Die Endter sollten um so eher gutwillig die Hand von ihrem Vorhaben zurückziehen, weil ihr Vater und sie in den frankfurter Messen ihren Buchhandel mehrenteils erworben und verstärkt hätten.

Auf weitern Vorhalt ihrer Obrigkeit erboten sich endlich die Endter im Februar 1672, für den Fall, daß der frankfurter Rat in der bevorstehenden [710] Fastenmesse sämtliche Buchhändler zusammenberufen, über ihre Beschwerden vernehmen und von ihm selbst Anstalt gemacht würde, dem Buchhandel so aufzuhelfen, daß er auch aufrecht stehen bleibe, dann ihrerseits das Werk auf sich beruhen und die Kommission ferner ungetrieben lassen zu wollen. Dabei konnten sie sich aber nicht enthalten, höhnisch zu bemerken: ob fremde oder frankfurter Bücher in der Judengasse gesucht würden, und wer ad videndum distracta pignora bisher citiert, ließen sie dahingestellt sein; sie hätten stets nur kontante Bücher in der Judengasse gesucht, weil sie in der Buchgasse nicht zu finden gewesen, am allerwenigsten hätten sie selbst Bücher da versetzt. Ihren erworbenen Buchhandel hätten sie und ihre Väter nicht den frankfurter Messen, sondern Gott und ihrer Vaterstadt zu danken. Jenes Versprechen der Endter acceptierten die Frankfurter im April 1672 bestens unter der, nach dem Vorausgegangenen leicht erklärlichen, Voraussetzung, daß die Thaten der Endter auch ihren Worten entsprechen würden.

Inzwischen hatte die einmal angeregte Sache von Wien aus ihren Fortgang genommen. Behufs Betreibung der Aufstellung einer allgemeinen Büchertaxordnung war abermals eine außerordentliche Kommission ernannt worden, deren Mitglieder wieder Hünefeld und Arbogast waren. In der kaiserlichen Antwort an den frankfurter Rat auf seine Eingabe vom 3. Januar 1671, datiert vom 13. April, wurde jener angewiesen, seine Buchhändler anzuhalten, sich auf erfolgte Notifikation hin vor dieser Kommission einzufinden und derselben in allem schuldigst nachzuleben. Sie nahm auch ihre Thätigkeit in der Fastenmesse 1671, die von 155 Firmen (einschließlich der Frankfurter) – darunter 15 Niederländer, 4 Franzosen, 10 Schweizer und 2 Dänen – gebaut wurde, in der That auf.

Nach dem Protokoll vom 14. April (wohl alten Stils) waren die meisten Buchhändler erschienen, die Holländer fehlten aber ganz. Uffenbach, der Rechtsbeistand der Frankfurter, erklärte, seine Kommittenten seien noch immer der Meinung, „daß kein durchgehender Büchertax practicirlich sei“, während von andern Anwesenden, speziell von den kölner und sächsischen Buchhändlern – von diesen für sich und die übrigen Sachsen – dem widersprochen und die Büchertaxe als durchführbar bezeichnet wurde.

Jedenfalls durch Besorgnisse für den Bestand der Messe bewogen, suchte der Rat den weitern Fortgang der Verhandlungen am 17. April [711] durch einen Protest zu hindern. Sich an Formalien klammernd, wollte er erst jetzt, jedoch nicht durch schriftliche Mitteilung, vernommen haben, daß die kaiserlichen Commissarii eine anderweite Kommission erhalten haben sollten: dahin zu sehen, wie bei jetziger Messe von den frankfurter und dahin negociirenden Buchhändlern eine gewisse Taxordnung verglichen und dadurch der Buchhandel möglichst retabliert werde. Bekanntlich aber hätten schon vor zwei Jahren die Buchhändler einmütig dafür gehalten, und mit Gründen ausgeführt, daß ein solches Werk unpraktizierlich sei, wider ihre freie Handlung und die Meßfreiheiten liefe. Sie hätten sich auch bereits vor zwei Jahren über alle Punkte, welche im Buchhandel Konfusion und anderes verursacht haben sollten, verglichen, mit Ausnahme der Frage der Büchertaxe. Diese Sache schwebe bei Kaiser und Reichshofrat und würde der Rat bei dem Kaiser Protest und Beschwerde erheben, falls die Kommission so fortführe. Die Kommissare beantworteten diesen Einspruch sofort durch den Ratsboten: es handle sich um gar keine neue Kommission, sondern um die Fortsetzung der alten; der Rat möge nur seine Buchhändler anhalten, sich dem kaiserlichen Willen zu fügen. Gleichzeitig übergab Zacharias Uffenbach im Namen der frankfurter Buchhändler die abermalige schriftliche Erklärung: sie könnten nun einmal nicht finden, daß in dieser freien Messe unter allen Buchhändlern Europas, welche hier negociierten, eine allgemeine Taxordnung praktikabel sei, „hingegen sie aber wohl dieses seheten, daß hierdurch viel privati nothwendig laedirt, die negotien gesperrt, herrliche Tractatus gehindert“ und die Messe zerstört werden müßte.

Bedeutsamer war die Eingabe der zur Messe anwesenden Niederländer. Sie wollten sich durch dergleichen Vorladung nicht bemühen und sich neuerdings einschränken lassen, sondern begehrten auch ferner den Genuß freier Handlung und freier Messe, widrigenfalls sie ihre Handlung in die frankfurter Messen nicht kontinuieren könnten. Ihnen folgten am 25. April mit einem fast wörtlich gleichlautenden Protest Arnaud und Borde von Lyon, Leonard und Pierre Chouet von Genf, Antoine Lamy von Paris, Laurent Aubin von Lyon, Jean Antoine de Tournes, Samuel de Tournes und Johann Hermann Wiederhold von Genf, Catharina Brassart und Johann Busaei Witwe von Köln. Ebenso protestierten am 27. April 18 frankfurter und 57 fremde deutsche Buchhändler gegen eine Taxe.

[712] Dagegen erschienen an demselben Tage Thomas Henrich Hauenstein von Hannover, Johann Friedrich Endter von Nürnberg, Elert Schumacher von Wittenberg, Johann Eberhard Zetzner von Straßburg, Georg Wolff von Hamburg, Michael Volk von Lübeck und Alexander Harttung von Wien, für sich und im angeblichen Auftrage der in gegenwärtiger Messe sich befindenden fremden Buchhändler, um ein von denselben unterschriebenes Memorial und eine Erklärung des Inhaltes vorzulegen, daß sie eine Taxordnung so gar unmöglich nicht, sondern leicht ins Werk zu setzen erachteten; sie bäten aber um einen Termin von Jahresfrist, um in ihren Orten, Provinzen und Kreisen sich brieflich zu beraten, die ergangenen Gutachten zu konferieren und endlich ihre ausgebrachte einhellige Meinung, wie der Sache abzuhelfen, der Kommission zu notifizieren.

So konnte denn in einem spätern Berichte Hünefeld dem Kaiser einigermaßen glaubhaft mitteilen, daß fast alle in die Messe negociierenden fremden Buchhändler, „yedoch die Holländisch- vnd französische ausgeschlossen, welche ohngezweiffelt auß eingenohmmener übeln information nicht einmahl der Kayserl. Commission sich submittiren oder darbey einfinden wollen“, einverstanden seien und nur um Frist zur Beratung bäten.

Noch einmal, unter dem 21. Mai 1671, machte der Rat den Versuch die Taxe durch seine Vorstellungen abzuwenden. Er berichtete an den Kaiser, die Kommission habe, ohne ihm, dem Rate, Mitteilung zu machen, schon in der ersten Meßwoche fremde und einheimische Buchhändler vor sich beschieden und mit ihnen wegen Anordnung einer gewissen Büchertaxe verhandelt. Der Rat rekapitulierte den Inhalt der eben erwähnten Proteste, wies auf die Tragweite der Erklärung der außerdeutschen Buchhändler hin und betonte namentlich, daß eine gegenteilige Eingabe keinesweges von der Mehrzahl der Buchhändler, vielmehr allein von wenig Personen, dem Alexander Harttung und den beiden Endtern, zur Förderung ihrer Privatvorteile ausgegangen sei. Aber wie gewöhnlich hatte diese Eingabe keinen Erfolg; die Büchertaxe wurde eben in Wien als Steckenpferd geritten. Unter dem 24. August wurde Hünefeld trotz der Intervention des Rates angewiesen, diejenigen Buchhändler, welche sich für die Taxe erklärt hätten, nächste Ostermesse ihre Vorschläge einbringen zu lassen.

[713] Einen letzten Versuch am wiener Hofe machte der Rat am 30. September. Die frankfurter Buchhändler hatten abermals einen summarischen, jedoch gründlichen Bericht eingeschickt, dessen Wortlaut sich leider nicht bei den Akten befindet. Alexander Harttung hätte zwar seine ursprüngliche Eingabe im Namen sämtlicher Buchhändler eingereicht, die Einsichtnahme in seine Vollmacht habe aber ergeben, daß in fine nur von zehn Buchhändlern im eigenen und von zwei andern in anderer Namen unterschrieben gewesen sei. Nach Inhalt des Ratsschreibens hatte man sich namentlich darauf gestützt, „daß der Buchhandel im Reich fast zu Boden gesunken seye und derowegen restablirung bedörffe. Es bezeugen aber die Reichsnotorietät und insonderheit die Leipziger, Straßburger und Franckfurter Messen, daß der Buchhandel bey jetzigen Friedenszeiten in einem weit bessern Zustandt seye, weder er bey vorigen Kriegszeiten gewesen, ja daß er in solchem Flor stehe, daß jedermann von Büchern, was Ihnen beliebt, vmb einen billigen Preiß, wann er sie vmb baar geldt kaufen vnd nit Bücher gegen Bücher tauschen oder stechn will, wie sie Buchhändler unter sich im Brauch haben vnd solcher gestalt ihre meiste Handlung verrichten, bekommen kann“. Den etwa vorhandenen Übelständen sei durch den 1669 abgeschlossenen Vergleich abgeholfen worden. Obschon nun die Sache damit eigentlich abgethan gewesen wäre, so hätte doch die kleine Zahl der Anstifter die kaiserliche Kommission für Aufstellung einer Taxe zu kontinuieren gesucht. Aber Harttung und die Endter hätten kein Mittel vorschlagen können, auf welche Weise eine solche Taxordnung einzurichten sei; trotzdem hätte die Kommission in der letzten Herbstmesse die Buchhändler abermals zusammengefordert und inquietiert, eine Bemerkung für welche sich kein Beleg in den Akten findet. Nach wiederholter Bezugnahme auf die Eingabe der niederländischen, französischen und anderer Buchhändler fährt der Rat dann fort: „Gleichfalß ist leichtlich die Rechnung zu machen, daß die Schweitzer, Italiener, Dähnen, Schweden, Königliche Poln-Preußische Buchhändler sich hinkünftig von den beharrenden Kayserlichen Kommissionen nicht, noch viel weniger einer Anordnung eines allgemeinen Büchertaxes unterwerffen und Ihre Freyheiten dergestalten einschränken lassen, sondern in eventum auch lieber hiesige Messen quittiren werden. Nicht weniger ist zu besorgen, daß auch andere im Reich, vorab in Ober- und Niedersachsen gesessene Buchhändler mit dem vorhabenden Büchertax nit zufrieden [714] sein und derowegen Ihre Handlungen nach Leipzig, allwo sie sowohl mit Kayserlichen Commissionen als auch dem Büchertax etwa verschonet bleiben dörfften, transferiren mögten. Darzu alle obermelte Buchhändler umb so viel mehr angefrischet werden, dieweil ohne dem auch Euer Kayserl. Mt. Bücher-Commissarius Sperling extra et contra limites officii mancherley Irrung im Buchhandel verursacht.“ Dann würden nicht nur die Häuser sehr vieler frankfurter Bürger, die in den dem Buchhandel gewidmeten Gassen gelegen, entwertet, sondern auch der Stadt Renten und Einkünfte derart geschmälert werden, daß – das immer wiederkehrende Argument – der Stadt dann die Reichsanlagen und andere Lasten zu tragen unmöglich fallen würde. Auch wäre zu besorgen, daß andere Handelszweige dem Beispiele folgen und die Messen vollends zu nichte gemacht werden dürften. Ebenso könnte es dem bono literario nicht zuträglich sein, wenn die fremden Buchhändler wegblieben und man ihre Bücher bei ihnen abholen lassen müßte, „und müßte man doch darbey ihr Liedlein singen und die Bücher nach ihrem Anschlag bezahlen.“ Deshalb bittet der Rat dringend, zugleich für die sämtlichen frankfurter Buchhändler, von der Büchertaxe abzusehen „und es bey deme unter ihnen Buchhändlern vormahls unanimo consensu placitirten und verglichenen puncten bewenden zu lassen“.

Sicherlich würde auch diese Eingabe, wie die frühern, ohne Erfolg geblieben sein, wenn die Sache nicht bald von selbst ein klägliches Ende genommen hätte. Am 22. April 1672 mußte Hünefeld dem Kaiser berichten: obgleich in der laufenden Ostermesse sämtliche anwesende Buchhändler auf einen gewissen Tag und Stunde vorbeschieden worden wären, um ihre Vorschläge zu machen, sei einzig und allein Wilhelm Serlin von Frankfurt, und zwar mit einer unbescheinigten Vollmacht der übrigen dortigen Buchhändler, erschienen und habe erklärt, daß sie aus oft erwähnten Ursachen noch der Meinung seien, daß keine durchgehende Büchertaxe praktizierlich, „sondern eine pur lautere Ohnmöglichkeit“ sei. Das war der klägliche, ja heitere Abschluß einer Episode, die jahrelang Beunruhigung und Unbehagen in die Reihen des Buchhandels getragen hatte. Der Ansturm auf den zur Zeit noch führenden Vorort des Buchhandels war abgeschlagen.

Aber nicht für lange Zeit. Denn die ordentliche Bücherkommission hatte auch während des Bestehens der außerordentlichen Kommissionen [715] ihre unheilvolle Thätigkeit fortgesetzt und wenige Jahrzehnte danach waren die frankfurter Büchermessen zu Grunde gerichtet.

Am 16. Juli 1661 war ja, wie schon berichtet, Georg Friedrich Sperling vom Kaiser zum Adjunkten des bisherigen Bücherkommissars Hörnigk ernannt worden, mit der Bestimmung dessen künftiger Nachfolger zu werden, „weil daselbst eine Zeit her solche Unordnungen und Nachlässigkeiten verspürt worden“. Im Jahre 1667 starb Hörnigk und damit begann, wie schon früher angedeutet, die schlimmste Zeit für den Buchhandel. Wiederholter Einbruch in die Gerechtsame des Rats, willkürliche Maßregelungen der Buchhändler, Herabdrückung der evangelisch-theologischen Litteratur fast bis zur Rechtlosigkeit kennzeichnen das gewaltthätige und maßlose Vorgehen Sperlings, aus dessen Amtsthätigkeit nur einzelne Beispiele herausgehoben werden können.

Wie rücksichtslos er die Einlieferung der Pflichtexemplare betrieb, ist schon weiter oben im Zusammenhange mit der Behandlung der ganzen Frage berichtet worden. Wie vexatorisch das Verfahren dabei von nun ab war, dafür sei nachträglich nur noch als Beispiel angeführt, daß in der Herbstmesse 1685 – allerdings schon unter dem Amtsnachfolger Sperlings – der Wacsbergsche Bediente aus Amsterdam befragt wurde, ob er nichts Neues im Druck habe; vergangene Ostermesse sei etwas herausgekommen, aber nicht in den Katalog gebracht worden. Er erhielt einen scharfen Verweis und wurde ermahnt, von allem, was er in diesem Jahre gedruckt und aus dem Meßkataloge ausgelassen, die gehörigen Exemplare zu entrichten. Die Holländer ließen eben schon ihre Bücher meist nicht mehr in den Katalog aufnehmen, um die schuldigen Exemplare nicht liefern zu müssen, sie, „welche doch gemeiniglich die besten Bücher in die Messe bringen“.

Fruchtlos war es natürlich auch jetzt, daß sich der Rat infolge der fortwährenden Beschwerden der Buchhändler gelegentlich zu Vorstellungen ermannte. Schon am 25. Februar 1686 hatte er in seinem Verantwortungsschreiben an den Kaiser – es erging in Veranlassung der ihm gemachten scharfen Vorwürfe, die den neuen Angriff vom 25. Oktober 1685 auf seine Hoheitsrechte bezüglich der Herausgabe und Censur des Meßkataloges und der Gerichtsbarkeit in Preßsachen begründen sollten – besorglich und warnend darauf hingewiesen, daß wenn von seiten der Bücherkommission in dieser und anderer Beziehung „so stricte verfahren werden [716] solte, Sie (die Buchhändler) hiesiger Meß Freyheiten gar nichts, oder wenig genießen könnten, sondern gemüßiget würdten, Ihre Bücher an andern orth zu schicken, allwo Sie selbige wider Ihren willen nicht anzeigen undt in Cathalogum bringen lassen, auch keine Exemplaria und Frachtkosten von selbigen geben dörfften, noch sonderliche Confiscationen zu besorgen hetten“, sie auch keine „ursach haben mügen, von hiesigen Meßen abzubauen und Ihre Handlung anderst wohin zu transferiren, womit E. K. M. interesse und dann unsere befreyte Meße (so ohne dem bey diesen vorgewesenen Kriegszeiten in mercklichen abgang geraten) nachtheil undt Schaden verhüttet werden und bleiben können“. In ganz ähnlicher Weise wies der Rat ferner am 26. Juli 1690 darauf hin, daß die Venezianer schon 1608 und nachher andere Ausländer mehr erklärt hätten, daß sie die von ihren großen und kostbaren Büchern geforderten Exemplare nicht geben könnten und wollten, – daß die Holländer sich alle Messen darüber beschwerten und sich schon seit längerer Zeit dahin vernehmen ließen, wenn darauf beharrt werden sollte, würden sie ebenfalls die Messen gänzlich quittieren, und sich anderswohin wenden, wo sie derartigen Beschwerden und Lasten nicht unterworfen wären. Die Antwort gab gewissermaßen die kaiserliche Verordnung vom 7. Februar 1693: die Bücherkommission solle von allen Buchführern die Quittungen über die Lieferung ihrer seit zehn Jahren gedruckten privilegierten Bücher vorlegen – ein Verlangen, dem natürlich gar nicht mehr nachzukommen war.

Mit dem herannahenden Schluß des 17. Jahrhunderts nehmen, wie sich hieraus deutlich genug ergiebt, diese Andeutungen und Drohungen der fremden Buchhändler eine immer festere Gestalt an; sie sich in seinen Remonstrationen ausprägende gesteigerte Ängstlichkeit des frankfurter Rates zeigt, daß diese Drohungen sich bereits zum Teil verwirklicht hatten und daß seine stolze Zuversichtlichkeit auf die unerschütterbare Stellung seiner Büchermessen stark ins Wanken gekommen war. Es ist dies seinem am 15. Februar 1696 an den Kaiser gerichteten Schreiben zu entnehmen. „Nechstdem“, heißt es darin, „können Ew. Kays. Mayt. Allergehorsambst vorzutragen, wir keinen vmbgang nehmen, welcher gestalten, der vor diesem allhier in höchstem flor gestandene Buchhandel durch eingeführte, verschiedene beschwerde bey demselben (alß daß von denn privilegirten Büchern anstatt der vormahligen drey oder vier [717] Exemplaria iezo Sieben sampt denn Verschickungsohnkosten vnd von denn in den Meßentlichen Cathalogum librorum kommenden Büchern, die doch vor dem Teutschen dreyßigjährigen Krieg ganz frey gewesen, zwey Exemplaria eingefordert werden) fast gänzlich darnieder liege, vnd daß mehr gedachte Herrn Commissarij von denen Jenigen ohnprivilegirten Büchern, welche nicht in den Cathalogum librorum gesetzt werden, nicht der wenigers auch zwey exemplaria annoch abgestattet haben wollen, wozu Sie Buchführer aber als eine ganz neue Beschwerung bis iezo sich nicht verstanden, sondern dabey sich entschuldigt haben; Obwohlen nun solches als eine nicht viel auf sich habende Sach angesehen werden möchte, so wird doch diese fernere Beschwerung denen Buchhändlern zum äußersten schaden, sowohl als zum endlichen ruin des allhier noch vorhandenen wenigen Buchhandels gereichen, wann solche annoch eingeführt werden solte, indeme die große tractaten vnd Bücher hoch in das gelt lauffen, vnd ein Buchhändler offtmahlen von dergleichen tractaten nur zwey oder drey Exemplaria vnd zwar auß fernen vnd wohl gar auß frembden Landen anhero bringet, dahero Sie Buchhändler, vnd zumahlen die außländische, alßdann von hießigen Meßen ehe gänzlich abzubauen, vnd an andern orth vnd nach Leipzig, allwo Sie dieser gifft nicht unterworffen, sich zu ziehen bewogen werden ehe Sie solche vber sich ergehen lassen würden.“

Aber in der Hofburg hatte man taube Ohren für diese immer bedenklicher werdenden Andeutungen, kein Auge für den immer sichtbarer werdenden Verfall der frankfurter und für das steigende Übergewicht der leipziger Messe. Man scheute selbst vor Gewaltmaßregeln nicht zurück. Am 1. Mai 1696 schlug das Bücherkommissariat – damals der kaiserliche Fiskal Franz Erasmus von Emmerich, der Bücherkommissar Kaspar Vollmar und dessen Substitut Herm. Andr. Hohfeldt – dem Kaiser gar vor, die Holländer, die zu Wasser nach Frankfurt zu kommen pflegten und sich zur Lieferungen der schuldigen Exemplare nicht verstehen wollten, mittelst Exekutionsedikts an den Kurfürsten von Mainz daselbst in Person, oder doch ihre Effekten anhalten zu lassen, da sie in Frankfurt so leicht keine Exekution zu befahren hätten.

Das bequemste Hilfsmittel, um behufs Erlangung der gewünschten Pflichtexemplare Kenntnis von allen neuen Erscheinungen zu erlangen, war natürlich der Meßkatalog; auf ihn hatte die Bücherkommission deshalb [718] fortdauernd ein scharfes Augenmerk. Sperling nahm die alten Versuche, dem Rate die Redaktion des Katalogs zu entwinden und der Bücherkommission zuzuwenden, mit seiner ganzen Unverschämtheit wieder auf. Schon am 25. Dezember 1678 beantragt er wieder einmal bei dem Kaiser, daß die Titel für den Meßkatalog wegen Mißbräuchen, Fehlern und Unordnungen, welche bei der frankfurter Gerichtsschreiberei im „Setzen der Bücher, so in den Catalogis herauskommen“, künftig nicht mehr dem Ratsschreiber, sondern ihm eingeliefert werden sollten. Man habe Bücher als erschienen verzeichnet, welche von den Buchführern nicht an die Bücherkommission geliefert worden wären, und als künftig erscheinende solche, die gleichwohl bereits verkauft würden. Dann stehe bei vielen Büchern im Kataloge: apud authorem, ohne Angabe der Verkäufer, wodurch der kaiserlichen Bibliothek kein geringer Abbruch, und zwar vorsätzlich, zugefügt werde. Diese Insinuation trug auch ihre Früchte; am 25. Oktober 1685 wurde von Wien aus neuerdings der Versuch gemacht, der Bücherkommission die Herausgabe des Meßkatalogs und die Censur über denselben zuzuweisen. Kaum vermochte der frankfurter Rat – und nur mit Unterstützung des Corpus Evangelicorum – dem herrischen Andringen durch eine Verordnung an die Buchhändler, die ein schnelleres Erscheinen des Meßkatalogs herbeiführen sollte, auszuweichen.

Und dabei umkleideten sich diese meist in rein fiskalischem Interesse ergehenden Maßnahmen mit dem scheinheiligen Deckmantel väterlicher Fürsorge für das Wohl des Buchhandels! So wurde am 2. Mai 1685 dem versammelten Ausschusse der Buchhändler vom Reichsfiskal u. a. vorgetragen, sie möchten zusammentreten, ihre Einwendungen (gegen frühere kaiserliche Mandate), „befindende Gravamina und Nothdurften“ eingeben, um denselben so viel als möglich abhelfen und den Buchhandel dermaleinst „in beßer Ordnung und erwünschte Aufnahme“ bringen zu können. Die in dem Buchhandel eingerissenen Unordnungen und Betrügereien kämen daher, daß der Meßkatalog nicht zu rechter Zeit verfertigt, die Buchhändler die Bücher dem Rate oder Stadtschreiber und nicht, wie es doch „mutmaßlich“ sein sollte, bei dem kaiserlichen Bücherkommissariatsamt angäben, und dann die Execution vom Rate verzögert würde. Der Rat dagegen wurde bedeutet, wegen des Katalogs künftig besser Aufsicht zu führen, denselben zeitiger zu expedieren, keins der Bücher ohne des Buchführers, Verlegers oder Verkäufers Offizin- und Hausesnamen [719] in selbigen setzen zu lassen, wie nicht weniger Schmäh-, Famos- und skandalöse Schriften nicht hineinzubringen.

Ebenso kann man es kaum anders als ein scheinheiliges Gebaren nennen, wenn in dem kaiserlichen Patent vom 25. Oktober 1685, das sich an „All und jede in und außer des Heyl. Röm. Reichs geseßene Buchführer, welche die Frankfurter Messen besuchen, oder sonst Ihre Bücher auf des Heyl. Röm. Reichs Boden verhandeln, wie auch alle die, so sich zum Buchtruck und Handeln in eigene Weis oder weg geprauchen laßen“ wendet, gegen den Nachdruck überhaupt, nicht bloß gegen den Nachdruck privilegierter Bücher, geeifert wird, nämlich gegen die Übelthäter, welche „einer dem andern sein von (Vns) Privilegirt oder aber vom Authore mit Kösten erhandeltes Buch, zu deßen äußersten schaden und verderben, frevelmüthig nachzutrucken“ sich unterständen. Diese offene Verdammung des Nachdrucks im allgemeinen war zwar nur eine leere Phrase, denn gehandelt wurde ihr entsprechend nicht, ebenso wenig wie seitens der kursächsischen Regierung, die in ihrem Generale vom 27. Februar 1686 natürlich mit einer gleichartigen Verdammung des Nachdrucks hinterdrein hinkte; aber sie wurde geschickt, gleichsam als Reklame für die doch väterliche Fürsorge der Reichsregierung, zu verwerten gesucht, wie z. B. in einem Interzessionsschreiben Vollmars an die leipziger Bücherkommission bei Gelegenheit eines Nachdruckstreites.

Gegen die Neuerung wenigstens, wonach selbst das Geschäftslokal im Meßkataloge angegeben werden sollte, machte der schwache Rat übrigens doch eine Einwendung. „Daß ein Jeder Verleger“, läßt er sich vernehmen, „seinen Nahmen bey zusetzen gehalten werde, läst sich wohl thun, allein wann die officin und behausung sollte darbey benahmt werden, wo ein Jeder Buchhändler anzutreffen, würde der Catalogus nicht allein zu weithläuffig fallen, sondern sich auch schwerlich practiciren lassen, dann die meisten Buchhändler kommen erstlich zu Außgang der Ersten Meßwochen allhier an, Theils haben Zwahr ihre beständige Läden, Theils Kammern in die Häußer, allein Changiren selbige zum öffteren, auch noch wohl in der Meß, Theils frembde, so wohl gar noch nicht hier geweßen, wißen noch Kein logiment, und müßen sich erstlich nach einer gelegenheit umbsehen, Können also unmöglich vorher sagen, wenn der Catalogus so zeitlich verfertiget wird, wo sie Ihre officinen haben und [720] anzutreffen. Wann auch“, fährt das Ratsschreiben fort, „so gar Stricte auff dergleichen gehalten würde, so werden die wenigste Bücher künftig in den hiesigen Catalogum kommen, sondern die meisten und Zwahr Kostbahrsten gar darauß pleiben, und in den Leipziger Catalogum gebracht werden, umb so viel desto mehr, weillen daselbsten kein Exemplar und unkosten dörffen gegeben werden, dahingegen allhier zwey, nehmlichen eins an Kays. Hoff mitt erlegung drey Batzen vom Fracht, und eins an Chur Mayntz, Jedoch dieses ohne Bezahlung der Fracht (Verstehe von unprivilegierten Büchern) müßen geben und Zahlt werden.“

Mit Eigenmächtigkeiten und kleinlichen Chikanen war Sperling gleich vom Beginn seiner Amtsführung an vorgegangen. So nahm er 1668 vom Rate konfiszierte und unter Verschluß gelegte Bücher, trotz Protestes des Rats an sich; den Titelbogen des Herbstmeßkataloges von 1669 befahl er umzudrucken, weil darin die Überschrift: „Libri Pontificiorum“ und nicht, wie das bisher gewöhnlich: „Libri Catholicorum“ lautete. Übergriffe Sperlings, Störungen des Geschäftsbetriebs durch ihn und Proteste des Rats, die natürlich immer erfolglos blieben, stehen von da ab auf der Tagesordnung. Im Jahre 1669 nimmt Sperling, wie bereits oben berichtet, dem straßburger Buchhändler Andreas Dolhopf die Tafel weg, welche dieser „üblichem Gebrauch nach“ mit den Titeln seiner Bücher vor seinem Laden aufgehängt hatte, angeblich wegen eines skandalösen und ärgerlichen, d. h. protestantischen Buchs. So inquiriert er ferner in der Fastenmesse 1677 nach Ursprungsort und Bezugsquelle des Traktätleins: „Alt- und neuer treuherziger und tiefgesinnter franzmannischer Politicus“. Von einigen vorgeforderten Buchhändlern brachte er heraus, sie hätten es von Georg Sonleitner (von Bern?) gekauft. Da aber Hermbstorff, „der die Commission über Sonleitners Handlung hat“, Autor und Drucker nicht angeben konnte und Sonleitner nicht zur damaligen Messe gekommen war, so machte Sperling kurzen Prozeß und ließ Hermbstorff in eigenmächtigster Weise scharf anbefehlen, „daß er diese Messe des Sonleitners Laden nit öffnen oder etwas von seinen Büchern verhandeln soll, biß Ihro Röm. Kays. Mt. in der Sachen ferner allergnädigst resolvirt haben und er künftig selbst anhero kommen würde“. Von einem freien Meßverkehr konnte da nicht mehr die Rede sein!

Der frankfurter Rat war ja längst zur Ohnmacht herabgedrückt; [721] über papierne Proteste ging er nicht mehr hinaus. Nur einmal kam es zwischen ihm und Sperling zu einem schärfern Konflikt, als endlich das protestantische Gewissen des Rats gegen des letztern systematische Unterdrückung der protestantischen polemischen Litteratur, als angeblicher Schmähschriften, und gegen seine Beschützung der entsprechenden katholischen aufbäumte. In der Herbstmesse 1678 hatte der Rat 300 Exemplare einer bei Johann Wiedenfeldts Erben in Köln erschienenen katholischen Schmähschrift: „Ephemerides oder kurtze Jahr- und Taggeschichte von Auff- und Untergang des Lutherischen Ersten Evangelii von G. W. Philo-Germano“ konfisziert und den weiteren Vertrieb untersagt. Sperling war dreist und unverschämt genug, die Herausgabe der Exemplare zu verlangen; sie wurde verweigert, weil der Traktat lauter anzügliche Schmähschriften und Sachen enthalte, es auch nach Reichskapitulation und Abschied jeder Ortsobrigkeit gebühre, dergleichen Scharteken zu verbieten und einzuziehen. Übrigens aber, und weil dem Herrn Commissario mit Weitläufigkeit gedient sei, werde der Rat solches nicht allein dem kaiserlichen Reichshofrat, sondern auch den sämtlichen Ständen des Reichs zu Regensburg hinterbringen. Obgleich das Pamphlet anonym erschienen und schon deshalb der Reichspreßordnung gemäß strafbar war, nahm Sperling doch keinen Anstand, bei dem Kaiser unter dem 26. Februar 1679 bitter Beschwerde zu führen. Der Rat habe entgegen der kaiserlichen Bücherkommission „ganz vermessentlich und höchst strafbarlichst“ das Buch konfisziert. Wenn nun die Konfiskation der Bücher dem kaiserlichen Bücheramt immediate allzeit gebührt habe – reichsgesetzlich aber war sie Sache des Rats! – auch der Rat vor vielen Jahren und bis in die neueste Zeit antikatholische Schriften habe öffentlich und unbeanstandet verkaufen lassen, so rufe er, Sperling, des Kaisers Hilfe „knieend und in tiefster Demuth“ an und bitte inständigst, den Rat wegen begangenen höchst unverantwortlichen, freventlichsten Excesses abzustrafen und daß der Magistrat die konfiszierten Bücher alsbald in das Bücherkommissariat einliefere, dem Buchführer den erlittenen Schaden vergüte und sich dergleichen „Exorbitanzen und freventlichster Attentate, so ihrer Gewohnheit nach sie sich gebrauchen, zu ewigen Zeiten enthalte und das kaiserliche Bücher-Commissariat unbeschimpft und unmolestirt lasse, per mandatum poenale anzubefehlen, und more consueto [722] sich contumax erzeigen sollte, die Execution dem Churfürsten von Maintz an die Hand zu geben“.

Sperling hatte eigentlich nur im Geiste seiner Instruktionen gehandelt; er wußte sehr wohl, daß er sich durch Herbeiführung derartiger Konflikte in Wien zu einer Persona gratissima machte. Man hatte dann Gelegenheit, den frankfurter Rat – ohne den konkreten Fall überhaupt näher zu erörtern – in hohem und strengem Tone abzukanzeln und ihn noch weiter in seinen Gerechtsamen zu beschränken. Der Versuch wurde auch diesmal gemacht. Der Kaiser erließ unter dem 6. März 1679 ein geharnischtes Reskript an den Rat; bei Vermeidung schärferer Anordnung wird ihm fernerhin jede Konfiskation ernstlich untersagt.

Aber diesmal entwickelte sich die Sache denn doch etwas anders. Der Rat wandte sich in der That an den Konvent der Evangelischen Reichsstände zu Regensburg; es war auch nicht das erste mal, daß dies geschah. Schon einmal, am 6. Dezember 1669, hatte das Corpus Evangelicorum gegen das gewaltsame Einschreiten Sperlings remonstriert, doch nur in ziemlich zaghafter Weise: man hatte sich nicht beschwert über das gewaltthätige Auftreten Sperlings überhaupt und über seine Eingriffe in die Rechte eines selbständigen Reichstandes, – nein, nur dagegen remonstrierte man, daß er einseitig vorgehe und zielte zur Lahmlegung dieses einseitigen Vorgehens äußerstenfalls nur auf eine paritätische Organisation der kaiserlichen Bücherkommission ab; von einer eigentlichen Vertretung der Rechte des Reichsstandes Frankfurt war gar nicht die Rede gewesen. Die Evangelischen Stände hatten sich nämlich dahin ausgedrückt, daß es „eine sehr weit aussehende unleidentliche Beschwerlichkeit nach sich ziehen dörffte, wann solche Bücher-Inspection allein von etwa unzeitigen Affecten und Privat-Religions-Eifer eines Bücher-Commissarii dependiren müßte, auch solchen Falls, da gleichwohl unter Catholischen und Evangelischen über gewisse ins Religions-Wesen lauffenden Angelegenheiten, wil cognosciret und erkannt werden, unsern hohen Herren Principalen auch Committenten und Obern nicht zu verdencken noch zu versagen seyn würde, wann sie gebührend ansuchten und darauf bestünden, daß, nach ausdrücklicher Disposition des Instrumenti Pacis“ – nämlich des Westfälischen Friedens – „bey Bestellung dergleichen Aemter die Religions-Parität hinführo möchte [723] conserviret- und dadurch dem höchstbeschwehrlichen Mißtrauen und Partheylichkeit möglichst vorgekommen werden“. Derartige zahme Remonstrationen hatten natürlich keinen Eindruck zu machen vermocht.

Diesmal ging das Corpus Evangelicorum energischer und vor allen Dingen wunderbar schnell vor. Vielleicht bot dazu der Umstand den Anlaß, daß um dieselbe Zeit verschiedene protestantische Reichsstände seitens des kaiserlichen Hofes mit mehr oder weniger scharf gehaltenen Beschwerden über mangelhaft gehandhabte Censur und Anschwellen der Famos-Litteratur direkt behelligt wurden; im Jahre 1681 geschah dies förmlich systematisch. Genug, schon am 22. April 1679 ging die Beschwerde nach Wien ab; es wurde darin ein energisches Vorgehen des kaiserlichen Fiskals gegen Johann Wiedenfeldts Erben auf Grund der Reichskonstitutionen verlangt: neben empfindlicher Strafe, Untersagung des Betriebs der Buchdruckerei und des Buchhandels, und zwar um so mehr, als es verlaute, daß ein Neudruck des betreffenden Werkes beabsichtigt werde. Und noch mehr; jedenfalls gewitzigt durch die schon gedachten Behelligungen, erhoffen die Evangelischen Stände diesmal vom Kaiser, er werde auch an seinen „Bücher-Commissarium zu Franckfurt ernstlich rescribiren, daß er weder die Stadt Franckfurt, noch einigen Reichs-Stand und Obrigkeit an Vollziehung dessen, was ihr jure Status et territoriali gebühret, und die Reichs-Constitutionen, wie auch Policey-Ordnung wegen dergleichen Confiscirung erfordern, nicht hindern, sondern vielmehr der Reichs-Ständen ihre disfalls habenden jura unangefochten lassen werde“.

Bei den Verhandlungen innerhalb des Corpus Evangelicorum scheint leider Kursachsen eine etwas zweideutige, jedenfalls ebenso wie in den Jahren 1608 und 1609 eine schwächliche Rolle gespielt zu haben. War es Deferenz gegen den kaiserlichen Hof, oder war es Ausfluß einer Politik, die vielleicht die Schädigung der frankfurter Büchermesse im Interesse der leipziger gern sah, genug, Kursachsen hätte allem Anschein nach das Zustandekommen der gemeinsamen Beschwerde gar zu gern verhindert, wenigstens seine Unterschrift versagt. Interessante Andeutungen gibt hierüber ein an den Kaiser gerichteter Brief eines Abtes Otto – wer er war und was er in Dresden zu suchen hatte, ist nicht ersichtlich –, datiert von da am 6. Juni 1679. Otto berichtet, daß die sämtlichen protestierenden Stände beschlossen hätten, durch „Gemeinschreiben [724] und Supplik“ bei dem Kaiser einzukommen, sich über die Sache zu beschweren und um Remedierung und Einhalt solcher Bücher zu bitten. Doch sei wegen der Subskription, sonderlich zwischen Mecklenburg, Baden und andern, einiger Disput entstanden. Nun habe Otto sich zwar sotto mano bemüht, wo nicht das ganze Werk ins Stocken zu bringen, so doch dazu zu helfen, daß Kursachsen die Subskription deklinieren oder davon abstrahieren möchte; der Kurfürst sei auch dazu geneigt gewesen, doch sei ihm, dem Briefschreiber, von einem und andern vertrauten dresdener Minister so viel eröffnet worden, daß man zwar dieses Werk so sehr an sich selber nicht apprehendieren thäte, weil wahr und unleugbar wäre, daß seitens der Protestanten ebenfalls genugsam gegen die katholische Religion geschrieben und gedruckt würde; aber es könnte sich Kursachsen in diesem Falle der Mitunterschrift nicht entziehen, damit es nicht den Anschein hätte, als ob es mehr mit der katholischen, als mit der protestantischen Seite halten wollte, dann aber auch das Directorium inter Protestantes bei dergleichen Fällen verlieren würde, was sich Kurbrandenburg bald zu Nutzen machen würde.

Jedenfalls scheint dieses Eintreten der Evangelischen Reichsstände für Frankfurt den Erfolg gehabt zu haben, daß in diesem Falle die Rechte des dortigen Rates nicht weiter beeinträchtigt wurde, das Konfiskationsrecht ihm verblieb. Aber nur scheinbar. Jede Gelegenheit wurde von der Bücherkommission ergriffen, neue Eingriffe zu versuchen; und stets bröckelte etwas von den Rechten und von dem Ansehen des Rates ab. So von neuem in der Herbstmesse 1685. Der Rat hatte auf Verlangen des Bücherkommissars Vollmar und des Reichsfiskals den bei Johann Philipp Richter in Basel erscheinenden Traktat Johann Zwingers „De festo corporis Christi“, ein angeblich ärgerliches, lästerliches, famos und scommatisches Buch, konfisziert. Die Schöffen erkannten jedoch, daß das Buch nicht konfiskabel sei und gaben es zurück. Sofort beschwerte sich Vollmar am 12. November 1685 bei dem Kaiser, und dieser befiehlt schon unter dem 28. dem Rate ernstlich, „daß, wann hinfüro der Bücher-Commissarius ein oder anderes Buch wieder eure Meinung für confiscabel halten sollte, ihr solchenfalls die Sache zu unserer gnädigen Entscheidung allher an den kaiserliche Hofrath berichten und inmittelst solche Bücher bis zu dem Austrag in sichere Verwahrung aufbehalten [725] oder aber gewärtig sein sollt, daß man sich wiedrigenfalls dessen unfehlbar gegen euch erheben werde.“

Aber dieser erneute Angriff war im Grunde genommen kein isoliert dastehendes Faktum; er bildete vielmehr nur das Probeglied in einer zusammenhängenden Kette von Maßregeln, welche alle bisher errungenen Erfolge und bis dahin gescheiterten Versuche in der Bedrückung des frankfurter Meßverkehrs zusammenzufassen und durchzudrücken strebten. Er hängt zusammen mit dem Erlaß des schon angeführten kaiserlichen Patents vom 25. Oktober 1685 (n. St.), welches dem frankfurter Rat, samt dem Begleitschreiben von gleichem Datum, merkwürdiger Weise erst am 5. Februar 1686 (15. n. St.) behändigt wurde. Glücklicherweise waren auf Anregung des frankfurter Reichstagsgesandten bereits in Veranlassung des Falls mit dem Werke Zwingers im Schoße des Corpus Evangelicorum Beratungen über Schritte am kaiserlichen Hofe im Gange, die nun ein beschleunigteres Tempo annahmen und dem frankfurter Rat Zeit gaben, das Drängen des kaiserlichen Hofes durch eine Scheinkonzession in Sachen des Meßkatalogs vorläufig in etwas zu befriedigen.

Der kursächsische Gesandte, Otto Heinrich von Friesen, hatte zwar von vornherein das „Anmuthen“ des frankfurter Abgeordneten ostentiös abgelehnt, da es die Schrift eines reformierten Theologen war, welche den Anlaß zu dem Intercessionsgesuch gegeben hatte. Er wollte zunächst erst die andern lutherischen Reichsstände sondieren, berichtete aber doch vorläufig am 17. Dezember 1685 über die Sache nach Dresden. Obschon er nur die von seiten Frankfurts hervorgehobenen bedenklichen Konsequenzen für die Gerechtsame der Reichsstände, für die Protestanten und den „außer der Stadt Leipzig, zu Frankfurt fast allein florirenden Bücherhandel“ referierte, ließ er doch schon seine eigene günstige Auffassung des Gesuchs durchblicken. Dennoch bedurfte es zweier weiterer Berichte Friesens (vom 4. und 15. Februar 1686), bis Kurfürst Johann Georg III. sich so weit aufraffte, um sein Oberkonsistorium zu einer Begutachtung der Frage aufzufordern. Der kaiserliche Hof war von vornherein darauf bedacht gewesen, etwa bei ihm aufsteigende Besorgnisse durch sofortige höfliche Mitteilung des Patents vom 25. Oktober 1685 unter besonderer, ja alleiniger Betonung seiner angeblich nur gegen politische Schmähschriften und verbitterte Polemik gerichteten [726] Tendenz, einzuschläfern. Johann Georg hatte auch nichts Eiligeres zu thun gehabt, als in gewohnter sächsischer Weise mit seinem Generale vom 27. Februar 1686, mutatis mutandis, einen förmlichen Abklatsch jenes Patentes für Sachsen zu publizieren.

Glücklicherweise überging der Bericht des sächsischen Oberkonsistoriums vom 25. Februar 1686 – vielleicht unter dem Eindruck, welchen der erst kurz zuvor erfolgte Widerruf des Edikts von Nantes selbst auf den verbissensten Lutheraner machen mußte – den Zwischenfall mit dem Werke Zwingers, faßte nur die große Gefährdung der protestantischen Litteratur und des sächsischen Buchhandels ins Auge und befürwortete deshalb die Unterstützung des frankfurter Rats.

Dem entsprechend fand denn endlich unter dem 31. März 1686 die Intercession der Evangelischen Reichsstände statt. Sie tritt energischer auf, als in frühern Jahren, ja geht zu Anklagen über und zeigt, daß die Reklamanten infolge des immer erneuerten Andringens des kaiserlichen Hofes bedenklich geworden waren. Das Reklamationsschreiben zeichnet sich der Zaghaftigkeit gegenüber, welche in der Führung Kursachsens und in den Vorschlägen seiner Räte unverkennbar ist, vorteilhaft aus. Diese hätten am liebsten den kaiserlichen Hof durch die Zusicherung energischer Handhabung der Censur im eigenen Lande und des Erlasses neuer Censurverordnungen – durch eben jenes Generale vom 27. Februar 1686 allein – begütigt und Frankfurt seinem Schicksal überlassen.

Das Schreiben der Evangelischen Stände ist für den Abschluß der hier zu schildernden Periode bedeutsam genug, um es in seinen wesentlichen Teilen in extenso einzufügen:

„Alldieweilen doch aber sonsten insgemein die Cognition und Confiscation der Bücher, vermög der Reichs-Constitutionen.... denen Ständen des Reichs und jedes Orts hoher Obrigkeit zustehet, auch in specie der zu Franckfurt bis daher guten theils alleine noch in Röm. Reich florirende Bücher-Handel einen nicht geringen Anstoß leiden würde, wenn auf bloßes Begehren des Bücher-Commissarii ein Buch zu confisciren, der Magistrat sofort darein condescendiren, oder doch, da er widriger Meynung, ab executione anfangen, die Bücher verarrestiren und in Verwahrung nehmen, und die Sache sodann an Ew. Kays. May. Reichs-Hof-Rath zu desselben Entscheidung berichten solte, indeme solchen falls wohl kein Buchführer es mit seinen und zumalen denen Evangelischen Büchern auf eines [727] Römisch-Catholischen und sonderlich Geistlichen Bücher-Commissarii (dessen Approbation besorglich kein Evangelisches scriptum finden wird) verdächtige Censur, oder auf einen ungewissen Ausgang und decisum hazardiren, wagen und auf mehr vorseyenden Verlust und beschwerliche distrahirung, als ehrliche Losung, selbe mehr zu freiem Kauff bringen dörffte? So würde demnach zuvorderist dem gantzen Evangelischen Wesen damit am allerwehesten geschehen.... wenn über Polemica et Religionis Evangelicae Fundamenta ex sacro Codice darthuende scripta ein eintziger und zwar der andern Religion zugethaner Mann zu cognosciren Macht haben, und ob ein oder anders solcher Bücher zu verkauffen oder zu confisciren, oder auch mit den Bücher-Catalogum, als bey welchem sich biß daher noch von keinem der vorigen Bücher-Commissariorum etwas angemasset worden, zu bringen von seinem ob diversitatem Religionis nicht wenig suspecten deciso dependiren solte. Weilen nun gleichwohl die Reichs-Constitutiones und in specie die Religions-Verträge sambt den Westphälischen Friedens-Schlüssen ein anders erheischen... Als leben unsere... Herren Principalen, Obern und Committenten der allerunterthänigsten Zuversicht... Ew. K. M. werden... obangeführte Ungleichheit nicht allein nicht zulassen... sondern vielmehr die Stände des Reichs, und in specie auch den Magistrat zu Franckfurt bey denen hergebrachten juribus, und Befugnussen in Cognition und Confiscirung aller und jeder und sonderlich der Evangelischen Bücher, auch Verfertigung des Catalogi nundinalis, und was demselben allen mehr anhängig, geruhiglich zu lassen, und Dero Bücher-Commissario sich weder zugleich in obbesagtem sich einzutringen, am wenigsten aber einseitigen und alleinigen Gewalt dabey anzumassen, ernst- und nachdrücklich zu inhibiren allergnädigst geruhen...“

„Alldieweilen aber auch, allergnädigster Kayser und Herr, öffters erwehnte unsere Herren Principalen.... ein Zeithero wahrgenommen, welcher gestalt von theils Scriptoribus bis daher die geziemende modestia calami in ihren Schrifften nicht gehalten, sondern sich vielmehr von denenselben, und insonderheit von denen Römisch-Catholischen, einer solchen harten Schreibens-Art und allerley invectiven gegen die Evangelische Lehr und Lehrer dabey bedienet werden, wodurch die Gemüther nur mehr erbittert.... wie dann der von vielbesagter Stadt Franckfurt Ew. K. M. Camer-Fiscal unterm 6./16. Octobr. jüngsthin beygelegte Extractus allerhand hefftiger und sehr ehrenrühriger von unterschiedlichen gar neuen Catholischen Scribenten ausgestossener Schmähungen und Calumnien, nach der Copia sub A. solches klärlich bezeugen kan, mehrers vor jetzo nicht anzuführen, Als ersuchen Ew. K. M. sie auch dessenthalben allerunterthänigst und gerhorsamst, Dero Kayserl. Amt und höchste Autorität dahin allergnädigst zu interponiren, daß solchem ungebührlichen Unternehmen mit Nachdruck gesteuret, [728] und die denen Sanctionibus publicis schnur-stracks zuwider lauffende Vehemenz unterlassen werden möge.... also zweifflen unsere gnädigste und gnädige Herren Principalen.... um desto weniger, Ew K. M. werden, Dero zur Gerechtigkeit höchst-geneigtesten Gemüth nach, auf diese allerunterthänigste Vorstellung zu reflectiren, und die in tieffstem Gehorsam gebettene allergnädigste Anordnung zu verfügen geruhen.“

Ob diese allergnädigste Anordnung erfolgt ist, daran dürfte zu zweifeln sein; die in der Instruktion von 1685 für den Bücherkommissar enthaltene hatte sich ja schon als eine leere Phrase erwiesen.

Alles dies geschah jedoch schon unter dem Amtsnachfolger Sperlings, denn dieser war am 16. März 1685 seines Amtes entsetzt worden. Kriechend seinen Obern gegenüber, brutal in seiner Amtsführung, unehrenhaft in seinem Privatleben, hatte er sich so verhaßt gemacht, daß ihn selbst seine Gönner in Wien nicht mehr zu halten vermochten.

Sperlings Nachfolger war der schon genannte Kaspar Vollmar, Dechant des Stiftes bei Unserer Lieben Frauen in Frankfurt, geworden. Wie sich bei dessen Ernennung die Pflichten und Befugnisse des Bücherkommissars gestaltet hatten und gestalten sollten, erhellt aus seiner am 22. Februar 1685 ausgefertigten provisorischen Instruktion.

Die Absätze 1. bis 4. derselben handeln von der Übernahme des amtlichen Inventars aus den Händen Sperlings. Dann wird dem neuen Bücherkommissar ferner aufgetragen:

5. bey ieder Meß die bisheriger obseruantz gemäß gewohnliche exemplaria von allen priuilegirt vnd vnpriuilegirten Büchern neben der vectur bey denen Kauffleuthen einzufordern, vndt ohne deren lieferung von Franckforth nit zu erlassen, mit deren vberschickhung er mit einer ordentlichen zweyfachen specification derselben (dauon eine zur ReichsCanzley die andere aber zur Kays. bibliothec gehörig) die beschaidenheit zu gebrauchen, daß waß zur Kays. Bibliothec vndt Reichs Cantzley gehörig, indeß abgesondert einballirt vndt seines orths eingesendet werden solle, vmb dadurch alle vnrichtigkeit vndt confusion zuuerhüten. Sollten aber wider verhoffen einige Kauffleuthe bey einer oder andern meß auß billichen vrsachen zum thaill in aufstand verbleiben, sollen hieruon ebenmessig erstgedachter massen zwey gleich lauthende verzaichnußen zur Reichs Canzley vndt Bibliothec eingesendet werden, vnd gleich bey negst darauf erfolgenden Meß die Rückstände allen Fleises eingebracht vndt obbefohlener maßen hiehero bestellt werden, vndt damit von denen schuldigen exemplarien nichts möge verhallten vndt vnnterschlagen werden, so solle er sich befleissenn von iedem Buchhändler einen [729] getruckhten oder geschriebenen Catalogum seiner in Verlag habender Bücher zur handt zu bringen, darauf die Buchladen vndt andere haimbliche Gewölber vndt behalltnusen allen fleises zu visitiren vnd darob zu sein, daß aller betrug verhütet, vnd die Verbrecher der gebühr abgestraffet werden mögen.

6. Erstgedachte visitation solle auch vndt vornemblich dahin dienen, daß wieder die Reichs constitutiones insonderheit dem Religions friden vnd daß gemaine wesen keine verpothene vndt andere vnzulässige famosschrifften getruckhet vndt verkauffet werden mögen, gegen deren authores, Typographos vnd Bibliopolas neben confiscirung der Bücher, dem herkommen gemäß mit anderweither Rechtsstraffe vnnachlässig verfahren werden solle, gestallten auch zwischen vndt ausser denen Messen vmb solchen schädlichen misbrauch gänzlich einzustellen, er Volmar bey denen Buchtruckher vndt händlern zu Franckforth sothane vnuersehene visitaiones oder haimbliche vnuermerckte nachforschungen fürzunemben, vndt daß dergleichen bey andern Reichs- vndt handlsStätten beschehn, vertraute zuuerlässige correspondenz zu bestellen, vndt daß befinden iederzeuth fleissig zu berichten.

7. Erfordert die notturfft in alle wege, daß er mit Ihro Mayt. Cammergerichts Fiscalen zu Speyer in- vndt ausser der messen erhaischender notturfft nach vertrawlich concurrire vndt correspondenz pflege vndt seiner assistenz vndt ambtshilff sich auf alle weis bediene.

8. Solle er hinfüro nach einer ieden Meß nit allein einen generalem, sondern auch von jedem Buchhändler specialem Catalogum derer dahin gebrachten Bücher nebenst einem ordentlichen protocoll vndt Bericht alles dessen, waß bey ieder Meß in dem Bücher Commissariat vorgeloffen vnd abgehandlet worden zue Reichshofrath einschickhen, damit dieses dem gemainen wesen so hoch nuzliche werckh einst in seine beständige ordtnung vndt richtigkeit gesezet, vndt fürohin dabey erhallten werden möge. Waß aber außer vndt zwischen denen Messen passiret, dauon hat er iedesmahlen absonderlich Bericht zu erstatten.

9. Mit dem Kays. Cammergerichtsfiscalen hat er sich zu vnterreden vnd nebenst ihme gesambten Bericht zu erstatten, wie die bisherige patenten vndt verordtnungen gehalten worden, oder sonsten zu aufnembung deß Bücher Commissariats vnd gemainen wesens füglich zuuerbessern; wie auch welchergestalten.

10. der catalogus generalis hinfüro besser eingerichtet, ingleichen ob

11. eine Büchertax vnd waß für eine gehallten, auch wie vndt welcher gestalten selbige etwahe mit guten nuzen vndt bestand zu melioriren vndt festzustellen, wie nit weniger wie weith

12. der Magistrat zu Franckforth in visitirung auch sperrung der Buchläden, confiscirung der Bücher, bestraffung der delinquenten, aiustirung [730] deren zwischen denen Buchhändlern entstehenden differentien, cumulativam vel privatam iurisdictionem hergebracht habe vndt behaupten wolle, vnd waß dergleichen in daß Bücher Commissariat influirende Sachen mehr sein möchten, worüber allerhöchstged. Ihre Kays. Maytt. hernegst förterlichen vollständigen Bericht erwarthen, vndt sich allergnedigst versehen, er Volmar werde allem diesen mit vnderthänigster schuldigster trewe fleissigst nachkommen, vndt benebenst darob sein, daß er der religion halber wieder die constitutiones Imperii et Instrumentum Pacis keinen vnzeutigen eyfer werde vortringen lassen oder denen Augspurgischen confessions Verwandten zu beschwerungen Vrsach geben, dauor er sich in alle weeg zu hüten.

Schon am 3. Mai 1685 leitete Vollmar seine, im allgemeinen nicht so schroff, wie die Sperlings, auftretende Thätigkeit in Gemäßheit der Instruktion damit ein, daß er in Gemeinschaft mit dem kaiserlichen Fiskal Emmerich – der Bücherkommissar konnte ja nun nicht mehr allein vorgehen – einen Erlaß an sämtliche Buchhändler veröffentlichte. Es hätten sich verschiedene Gebrechen und Mängel eingeschlichen; vor allem sollten die Buchhändler sich erklären, ob die schon vor mehr als zwanzig Jahren verfaßte und publizierte Taxordnung nicht zur Observanz zu bringen oder aber eine neue mit Nutzen und Bestand einzurichten und festzustellen sei. Auch hierüber ist weiteres in den Akten nicht zu finden. Jedenfalls ist die galvanisierte Leiche ohne Hinterlassung von Spuren wieder in ihrem Aktengrabe beigesetzt worden.

Zum Abschluß der Darstellung der unheilvollen Wirksamkeit der Bücherkommission bis zum Schluß der hier zu behandelnden Periode mögen nur noch einige Notizen über den Einfluß der Geistlichkeit auf jene Behörde Platz finden. Sehr bald nach dem Antritte Vollmars erhielt dieser ein von Wien, 11. Mai datiertes Schreiben der Societas Jesu. Es sei in Salzburg eine von Peter Fischer verfaßte Schrift, betitelt: Jesuiticum Nihil, erschienen, die auch in Frankfurt verkauft werde und sehr nachteilig von den Jesuiten spreche. Es werde ihm nun hierdurch befohlen („benigne serioque jubemus“), seiner Pflicht gemäß das genannte Buch genau zu prüfen und wenn er etwas darin finde, was die Ehre der alma Societas beeinträchtige, alle aufzufindenen Exemplare einzuziehen und eins davon an den kaiserlichen Reichshofrat behufs weiterer Weisung einzuschicken. Daß eine derartige Schrift zu jener Zeit bereits in Salzburg erscheinen konnte, ist eine Thatsache von hohem Interesse. Sie zeigt, daß sich schon zu jener Zeit eine Opposition [731] gegen die Preßbevormundung seitens der Jesuiten zu regen begann, eine Opposition, welche im Jahre 1720 in Graz zu einem sehr scharfen Kampf zwischen den weltlichen und den Jesuitencensoren führte.

Inwieweit die Bücherkommission im stillen nicht gar direkt von Rom aus beeinflußt worden sein dürfte, läßt sich nicht klar übersehen; nur Andeutungen treten darüber hervor. So nahm Vollmar am 19. April 1695 Veranlassung, infolge einer Anfrage von Wien, dem Kaiser zu berichten: Der Titel eines „päpstlichen Büchercommissars“ sei dem kaiserlichen Bücherkommissar zu zeiten von einem oder andern von Rom aus beigelegt worden, ursprünglich deswegen, weil dem Papste nach jeder Messe eine gedruckte Designation aller erschienenen katholischen Bücher auf seine Kosten und gegen einen freiwilligen Recompens verfertigt und zugeschickt werde, um ihn von der betreffenden Litteratur in Kenntnis zu setzen, wie nicht weniger, damit, wenn etwa „Romanische“ Bücher, wie zu zeiten geschehe, dem frankfurter Bücherkataloge einzuverleiben wären oder aber von hier aus etwelche neue Bücher dahin verlangt würden, man wüßte, an wen dergleichen Wünsche zu adressieren.

So hatte die kaiserliche Bücherkommission ihr Werk so ziemlich vollbracht: sie hatte kräftig und unentwegt daran mitgearbeitet, die Blüte der frankfurter Büchermesse zu untergraben. Der langsame Verfall derselben hatte, wie schon früher gesagt, dem kaiserlichen Hofe nicht die Augen zu öffnen vermocht, die Warnungen und halben, immer deutlicher sprechenden Drohungen der fremden Buchhändler: bei Fortdauer der Vexationen „abzubauen“, die ängstlichen, gegen Ende des 17. Jahrhunderts aus voller Überzeugung entspringenden Andeutungen des frankfurter Rates über seine Besorgnisse nach dieser Richtung hin, hatten taube Ohren gefunden. Daß der frankfurter Meßkatalog immer mehr zusammenschrumpfte und zu Bedeutungslosigkeit herabsank, wurde in seinen Ursachen verkannt; für die Bücherkommission war dies nur ein neuer Beweis für die Schliche und Ränke der bösen Buchführer, denen alle Mittel gerecht wären, sich der behördlichen Kontrolle betreffs ihrer Verpflichtung zu Bücherlieferungen nach Wien zu entziehen, – nicht ein Mene-Tekel, kein augenscheinlicher Beleg dafür, daß die frankfurter Messe in ihrer Bedeutung für die mehr und mehr erstarkende und selbst quantitativ das Übergewicht erlangende Produktion Nord- und Mitteldeutschlands schwere Einbuße erlitten hatte, daß ein großer Teil dieser [732] Produktion gar nicht mehr nach Frankfurt, nur noch auf die leipziger Messe gebracht wurde. Die Venezianer waren schon lange in Frankfurt ausgeblieben. Die Holländer folgten ihnen darin mehr und mehr und selbst die Nord- und Mitteldeutschen fingen an, sich zurückzuziehen. Im zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts kamen nur noch fünf, dann nur noch zwei leipziger Firmen zur Messe. Die Verschiebung der frankfurter Fastenmesse um vierzehn Tage drängte diese so nahe an die leipziger Ostermesse heran, daß die norddeutschen Buchhändler es nun nicht nur ihrem Interesse, sondern auch ihrer Bequemlichkeit zuträglicher fanden, sich auf den Besuch von Leipzig zu beschränken.

Zwar hatte die kursächsische Regierung den Buchhandel auch nicht immer mit gerade väterlicher Fürsorge behandelt und mit Sammethandschuhen angegriffen, der Vexationen kamen auch in Leipzig genug vor – das 9. Kapitel ist darüber einfach zu vergleichen – die geschäftlichen Lasten waren hier, wenigstens was die Pflichtexemplare für erlangte Privilegien anbetrifft, sogar höher als in Frankfurt, konfessionelle Engherzigkeit und Bedrückung, namentlich in Rücksicht der reformierten, mystischen und pietistischen Litteratur, trat auch in Leipzig nur zu sehr zu Tage. Aber beides wurde nicht mit der Schwere empfunden, wie die systematisch angestrebte Unterdrückung der gesamten protestantischen polemischen Litteratur überhaupt; hierbei wurde der sich in diesem Falle Eins fühlende Protestantismus in seiner Gesamtheit getroffen, in Leipzig nur eine verhältnismäßig kleine Fraktion desselben. Zudem legte auch gegen Ende des 17. Jahrhunderts der 1697 erfolgende Übertritt Kurfürst Augusts des Starken zum Katholizismus eine nie wieder ausgefüllte Bresche in die Festung des engherzigsten lutherischen Konfessionalismus. Die von diesem angehenden preßpolizeilichen Vexationen waren damit lahmgelegt, nur die pietistische Litteratur, und später die der Herrnhuter, verblieb zunächst noch vogelfrei.

Aber es kann auch nicht bestimmt genug betont werden, daß die Bücherkommission doch nur, wennschon in hervorragender Weise, mitgearbeitet hat an dem Niedergang der frankfurter Büchermesse; es war auch schließlich nicht die Verschiebung des Schwerpunktes der litterarischen Produktion allein, welche der leipziger zum Übergewicht und endlich zur Alleinherrschaft verhalf: es war zugleich eine sich langsam vorbereitende Wandlung in der Betriebsform des Buchhandels, eine sich [733] vorbereitende Wandlung in der Art des geschäftlichen Verkehrs der Buchhändler untereinander, welche dabei schwer ins Gewicht fällt. Es mehren sich nämlich die Anzeichen, daß sich dieser letztere von seiner Gebundenheit an die Messen, d. h. an diese allein, zu lösen anfängt. Langsam und allmählich beginnen die Meßplätze sich aus Kauf- und Zahlungsstätten, die den gesamten internen Verkehr des deutschen Buchhandels in sich selbst beschließen, zu Kommissions- und Abrechnungsplätzen umzugestalten, beginnt der Changeverkehr seine sonst ausschließliche Herrschaft zu verlieren und in den Hintergrund zu treten. Das Bedürfnis eines schnelleren Vertriebs, namentlich auch der wieder in ungemessener Weise anschwellenden ephemeren Litteratur läßt die nur zweimalige Geschäftsvermittelung im Jahre als ungenügend erkennen: die „Verschickung“ der Bücher, die Versendung pro Novitate beginnt sich zu entwickeln und sich neben festen Rechnungs- und Changeverkehr herauszubilden.

Aber für solche Zeichen der Zeit hatte die kaiserliche Bücherkommission kein Auge; sie hatte ebenso wenig ein Verständnis für das sich steigernde Mißbehagen im Gesamtbuchhandel, das ja schon in den langjährigen Verhandlungen über die Büchertaxe immer deutlicher und schärfer hervortritt. Es ist nicht mehr allein der Nachdruck, der den Gesamtinhalt der Klagen der Buchhändler ausmacht, es sind die Klagen über innere Schäden und Gewerbeeinträchtigungen, welche sich in den Vordergrund zu drängen beginnen. Zur Beseitigung dieser innern Schäden sind die Buchhändler bereit ein Abkommen zu treffen, eine Vereinigung zu bilden, ein Abkommen, dessen Grundzüge ja auch, wie gezeigt, wenigstens den Anstoß zu einer Art von frankfurter Lokalverein gaben. Und diese Verhandlungen der sechziger und siebziger Jahre hatten Samenkörner gesteckt, Gedanken an Selbsthilfe und Association geweckt und Erinnerungen zurückgelassen, die langsam aufkeimten, wenn auch späte Früchte zeitigten. Die Akten der sächsischen Bücherkommission in Leipzig enthalten den Hinweis auf das Faktum, daß im Jahre 1696 die Gründung eines Buchhändlervereins geplant worden ist, leider aber auch nur den nackten Hinweis darauf; die darüber sprechenden Akten aufzufinden, ist bis jetzt noch nicht gelungen. Zur Förderung derartiger Bestrebung die Hand zu bieten, war die kaiserliche Bücherkommission natürlich nicht die geeignete Behörde: für sie waren nur Preßpolizei, Pflichtexemplare und Büchertaxe [734] geeignete Mittel, den deutschen Buchhandel „in Aufnahme und Flor“ zu bringen.

Diese sich vorbereitende Wandlung in den Betriebsformen des deutschen Buchhandels inauguriert gleichsam die „neue Geschichte“ desselben. Den natürlichen Mittelpunkt dieser bildet Leipzig und die leipziger Messe, und dies um so mehr, als jene Andeutungen – wenigstens soweit die Forschung sie bis jetzt zu erfassen vermochte – fast ausnahmslos von Norddeutschland ausgehen. Die Darstellung wird daher im zweiten Bande ihren Ausgangspunkt von einer ausführlichen geschichtlichen Schilderung der Entwickelung der leipziger Messe nehmen und retrospektiv alles das damit zu verbinden haben, was sich als Keime jener Wandlung erkennen läßt und geeignet ist, die Grundsteine und Vorbedingungen der neuen Betriebsformen zu bilden.

Mit dem Schluß der hier dargestellten Periode beginnt aber auch jenes bisher nur in Akten und im Kreise der Geschäftsgenossen sich äußernde Mißbehagen über die zur Zeit herrschenden Zustände, beginnen jene zunächst noch verunglückten Bestrebungen an die Öffentlichkeit zu treten. Die letzten Jahre des 17. und der Anfang des 18. Jahrhunderts zeitigen eine buchhändlerische Jeremiadenlitteratur, die zwar inhaltlich wenig Thatsächliches und Greifbares bietet, sich vielmehr phrasenhaft mit allen möglichen Kümmernissen, wie Pfuscher- und Bönhasentum, Nachdruck, Bücherauktionen und Bücherlotterien u. dergl., beschäftigt, die aber auch eine Signatura temporis ist.

Den Löwenanteil an dieser Jeremiadenlitteratur nimmt die Frage des Nachdrucks in Anspruch; letztere beherrscht fortan gewissermaßen die Geschicke des deutschen Buchhandels, ist von dem einschneidensten Einfluß auf die Neugestaltung seiner Betriebsformen und auf die Versuche zu seiner äußern und innern Organisation. Hat doch auch noch im laufenden 19. Jahrhundert der Börsenverein der Deutschen Buchhändler auf jenem Gebiete seine erste und erfolgreichste Thätigkeit entwickelt! Lange Zeit wogte der Streit der Ansichten verschwommen hin und her. Bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts hinein klammern sich die Anschauungen und Vorschläge noch krampfhaft an das Rechtsinstitut der Privilegien an und nur mühsam ringt sich aus den Verhandlungen über die nachgesuchte staatliche Anerkennung des „Grundgesetzes der neuerrichteten Buchhandlungs-Gesellschaft für Deutschland“ von 1765, aus [735] denen sich das sächsische Mandat den Buchhandel betreffend vom 18. Dezember 1773 entwickelt, der Begriff des „Verlagsrechts“ heraus. Die Vorgeschichte diese Streites, die geschichtliche Schilderung der verworrenen Verhältnisse der frühern Zeit bringt das nächste und letzte Kapitel, welches so den geeignetsten Übergang zur Geschichte der Neuzeit des deutschen Buchhandels bildet.

Fußnoten

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  1. Häußer, L., Geschichte des Zeitalters der Reformation. Berlin 1868. S. 478.
  2. Die ganze Darstellung in diesem Kapitel beruht fast ausschließlich auf den Akten des frankfurter, wiener und zum Teil des dresdener Archivs.
  3. Auch bei Kirchhoff im Archiv IV, 105 fg.
  4. Stintzing a. a. O. I, 333.
  5. Vergl. Kirchhoff, Ein Reformversuch aus dem Jahre 1668. (Archiv I, 78 fg. und Archiv VIII, 76–78.)
  6. Archiv IV, 161.
  7. Vergl. auch: Kirchhoff, Ein „Localverein“ im 17. Jahrhundert. Frankfurt am Main 1669. (Archiv IV, 151–161.)
  8. Verboten war den Juden der Handel mit Büchern nicht. Sie hatten die neu aufkommende Waare ebenso in ihren Geschäftskreis gezogen, wie die christlichen Kaufleute, und wie aus diesen, entwickelten sich nach und nach aus den mit Büchern handelnden Juden auch jüdische Buchhändler. Gab es doch sogar jüdische Buchdruckereien; eine in Öls bestehende wurde 1536 durch Sturm verwüstet. Speziell in Frankfurt, von dem hier hauptsächlich die Rede ist, finden sich mehrfach jüdische Buchhändler. So ließ der Jude Simon zum Gembs in den Jahren 1578 fg. bei Ambrosius Froben in Basel den Talmud drucken, wie es scheint sogar als Vertreter einer jüdischen Verlagsgenossenschaft. (Vergl. H. Pallmann, Ambrosius Froben von Basel als Drucker des Talmud. Im Archiv VIII, 44–61.) – In der Natur der Sache lag es, daß die jüdischen Buchhändler sich auf Verlag und Vertrieb jüdischer Litteratur legten, für die sie ja bei ihren Glaubensgenossen ein fruchtbares Feld der Thätigkeit fanden. Erst nach längerer Zeit scheinen sie sich auch mit andern Zweigen der Litteratur befaßt zu haben. In Frankfurt war es 1614 den Juden ausdrücklich verboten worden, mit eingebundenen Büchern zu handeln – implicite ein Beweis, daß ihnen der Buchhandel an sich nicht verboten sein konnte. Aber mit der Zeit scheint diese Bestimmung, jedenfalls auch wegen Geldbedürftigkeit mancher christlichen Buchhändler, in Vergessenheit geraten zu sein, und auch die im Texte erwähnten Klagen dürften vorläufig keinen Erfolg gehabt haben. Erst lange nachher, am 19. September 1686, richteten die frankfurter Buchhändler eine Eingabe an das Bücherkommissariat, worin sie die Ursachen der eingerissenen Übelstände folgendermaßen darstellen. „Die Practiquen aber Vnd verbotten Weg“, heißt es darin, „durch welche die Juden so hoch gestiegen, bestehen vornemlich darinn, daß Sie dürfftige Druckgesellen vnnd Jungen dahin bereden und verführen, daß Sie verbottenerweiß Ihnen bey auflegung der Bücher einen sehr großen nachschuß auff 200 biß 300 Exemplaria Thuen lassen, und weil Sie solche wohlfeil haben und weith geringer geben können alß der Verleger, so wird solcher in sehr großen Schaden gesezet, ia wohl gar ruiniret. 2) so wissen Sie der Buchhändler Gesinde zu verleithen, daß Sie viel Bücher Ihren Herrn entwenden, und Ihnen den Juden vmb ein geringes zu bringen, und weil Sie solche wieder verkauffen, so wächset dehnen Buchhändlern gedoppelter Schaden Zue. 3) verleithen Sie verarmbte Buchführer, daß Sie auf credit ziembliche anzahl Bücher bey andern Buchhändlern nehmen, so sie den Juden sehr wohlfeil wieder zuschlagen, Jene aber betrügen, 4) weilen sehr Viel von denen Buchhändlern Vnnd Druckhern, bey schlechten Mitteln seind, Vnnd geld bedürffen, so müßen Sie den Juden 40 biß 50 pro Cento geben, wie Sie dann dergleichen Interesse abzuführen nicht vermögen, so bekommen Sie noch Vber dißes dero Bücher vor ein spott, oder obligiren Sie dahin, daß Sie Sie unter der Spedition Ihres Nahmens Ihr ohn und Privilegirte Bücher Druckhen laßen müßen, wordurch Sie zu gleich Kayserliche Privilegia mißbrauchen, dero genuß Ihnen also Verbottener weiß zu wächst. Ja Sie vnterstehen sich heimblich große und importante Bücher mit fälschlich auftruckung des Kayßerlichen Adlers und Privilegien nach zu Truckhen und auf Zulegen, welche über diß Sich sehr vitios befinden, der gestalt daß mehrmahlen der ganze Sensus turbiret und corrumpiret ist, und Zwar solche Bücher, woran dem ganzen Römischen Reich viel gelegen, daß solche wohl und recht corrigiret werden mögen. Bey andern nach Truckhen aber, behalten Sie je zu weihlen die alten Jahr Zahlen und sezen daß auf solche Zeit ertheilte Privilegium mit bey, wie mit etlichen Topographieen, Hornaei Ethica, Josaei Medulla und andern mehr beschehn wodurch das Kays. Commissariat nicht wenig defraudirt und die Kays. Privilegia mißbraucht werden.“ Veranlassung zu dieser Eingabe gaben die damals wieder einmal auftauchenden Klagen über den Verfall des Buchhandels, die nächste vielleicht eine Bittschrift der Frankfurter Bücher-Juden, wie sie sich einmal unterzeichnen, an den Kaiser. Am 28. Mai 1685 waren nämlich die Kinder und Erben des Anselm (Ambsel, Amselleß) zur Meysen und David zum Schiff bei dem Kaiser darum eingekommen, daß ihnen das dem Amsel und David erteilte Buchhandelsprivilegium nach dem Tode des Erstern bestätigt werden möchte. Die Bücherkommissare waren jedenfalls beauftragt gewesen, über diese Angelegenheit Bericht zu erstatten. Unter dem 14. Juli 1685 schreiben sie nach Wien, die Buchführer (natürlich die Frankfurter) beklagten sich fast allgemein, daß ihnen von den Juden großer Eintrag im Handel geschehe, indem diese es durch einen großen Vorrat von Büchern, die sie mittels allerhand Praktiken an sich brächten, folglich wohlfeiler verkaufen könnten, dahin brächten, daß den Buchführern ihre Bücher liegen bleiben. Aber, fügen die Bücherkommissare hinzu, die Buchführer seien selbst daran schuld; Mancher unternehme den Verlag kostspieliger Werke, ohne die Mittel dazu zu haben, und suche diese dann bei den Juden; wenn dann, wie es oft geschehe, der Buchführer nicht solvent sei, so müsse der Jude, um zu seinem Gelde zu gelangen, nolens volens Bücher anstatt Geld annehmen, deren Verkauf ihm dann nicht wohl zu verbieten sein würde. Es sollte, meinen sie, den Juden verboten werden, Buchführern ferner Geld vorzuschießen, diesen aber, bei jenen Geld aufzunehmen oder selbige heimlich zu sich in den Buchhandel zu ziehen, und zwar bei namhafter Strafe. Im folgenden Jahre erstatteten dann die frankfurter Buchhändler den oben angezogenen Bericht an die Bücherkommission. Wenn nun auch hier, wie in den meisten solchen Schriftstücken, die Farben ziemlich stark aufgetragen sein mögen, so war doch gewiß die Konkurrenz der Juden so drückend geworden – vielleicht wirkte auch hier und da der Wunsch mit, sich der den Juden gegenüber eingegangenen Verbindlichkeiten möglichst leicht zu entledigen – daß die frankfurter Buchhändler sich erboten, den Juden die bereits in ihren Händen befindlichen Bücher ballenweise gegen den üblichen Preis abzunehmen. Wenn ihnen dies nicht anstünde, möchten sie dieselben in ein besonderes Magazin stellen, darüber ein Inventar aufnehmen und sie in einen gewissen Preis setzen und durch dasige Buchhändler verkaufen lassen. Wollten sie aber selbige selbst verkaufen, so müßten sie ein gerichtliches Inventar der Vorräte aufstellen lassen und dann Buch und Rechnung darüber führen, an wen und wann sie ein jedes Stück verkauft hätten. Verkauften sie dagegen irgend ein in dem Inventar nicht enthaltenes Buch, so müßten sie jedesmal eine hohe Strafe verwirkt haben. Übrigens sollte den Juden der Buchhandel dergestalt verboten werden, daß ihnen nicht erlaubt sei, mit jemand öffentlich oder heimlich einen Handel betreffend Bücher zu schließen, solche zu verlegen, Geld darauf oder auf Druckereien vorzuschießen, und wann sie in Verlust gerieten, sollten sie mit dem Erlöse der etwa zu verkaufenden Bücher zufrieden sein. Den Buchhändlern sekundierte durch einen Bericht an den Kaiser vom 10. Januar 1687 der Kurfürst von Mainz – ob durch Gewissensbedenken dazu gedrängt, oder durch die Buchhändler veranlaßt, muß dahingestellt bleiben. Die frankfurter Juden, schreibt er, hätten sich seit einiger Zeit unterstanden, sich den Handel mit allerhand weltlichen und geistlichen Büchern anzumaßen. Hierdurch hätten sie nur mehr Gelegenheit die christliche Religion zu lästern und derselben zu spotten, auch schädigten sie dadurch des Kaisers Interesse und Rechte. Er bitte daher, denselben den Bücherhandel allerdings und völlig zu verbieten und niederzulegen. Vorläufig aber blieb es beim alten. Nach einem Bericht des Ratsschreibers vom 14. Juni 1688 hatten sich die Buchhändler deshalb abermals beschwert, „dieweil die Juden in der buchgaßen läden und gewölben bestanden, mit büchern angefüllet, und die leut in dieselbe in jetzo angegangener Meß rufeten und schleiffeten“. Es möchte denselben vorläufig wenigstens anbefohlen werden, „daß Sie obgedachte Ihre läden und gewölber räumen, deß bücher schleppens und außstellung der schildwachten, an sich zieh: und verführung der kaufleut gäntzlich enthalten sollen“. Trotz einem Gesuche der Juden Beyfuß zum Hinterhecht und Löser zum Strauß beschloß der Rat am 15. Juni 1688, daß den Juden bei 300 Thaler Strafe auferlegt werden solle, die Läden und Gewölbe, welche sie um und in der Buchgasse hätten, innerhalb 14 Tagen zu räumen, die Bücher in ihre Gasse zu transferiren, weder für sich selbst noch für andere hausieren zu gehen, keine Bücher mehr, sie seien gebunden oder ungebunden, und was dem Buchhandel angehörig an sich zu bringen oder Geld darauf zu leihen, im Gegenteil aber die verpfändeten Bücher ohne Entschädigung herauszugeben. Wie gewöhnlich, wurde diese Vorschrift natürlich entweder nicht befolgt, oder umgangen. Ein neuer Streit entbrannte im Jahre 1695. Unter dem 7. Januar kamen Nathan zum güldenen Strauß (der Sohn von Anselm zur Meisen) und David zum Schiff abermals mit der Bitte bei dem Kaiser ein, sie bei dem ihnen erteilten Buchhandelsprivilegium zu schützen, da die Buchhändler von neuem gegen sie vorgegangen wären oder vorgehen wollten. Sie ließen kein Buch drucken, hätten also keinen andern Verlag als, was die Buchführer bei ihnen versetzt und weil sie es nicht wieder eingelöst, als Zahlung anheim gegeben hätten, oder auch gar verkauften, und wenn sie ja etwas Neues druckten, geschähe es nur, um alte ihnen versetzte und anheim gegebene Bücher an den Mann zu bringen. Nach einem Bericht an den Kaiser vom 23. März 1695 hatte aber der Rat den Juden anbefohlen von dato an keine Bücher mehr zu kaufen oder sonst an sich zu bringen, auch des Buchhandels außerhalb ihrer Gasse sich zu enthalten und zu dem Ende ihre „Kammern“ und Gewölbe, die sie sonst in der Stadt hätten zu räumen oder doch, so viel sie zum Vertriebe an Büchern nötig hätten, in ihre Häuser zu bringen. Hierauf sollten erwähnte Niederlagen und Gewölbe geschlossen werden, doch so, daß so oft sie etwa eines Buches bedürftig, solches ihnen verabfolgt werden sollte. Mitten in der Zahlwoche war dieser Beschluß auch unter Assistenz mehrerer Buchhändler ausgeführt worden. Nach Vorschlag der christlichen Buchführer sollten dann die Juden innerhalb Jahresfrist sich der in ihren Händen befindlichen Bücher entledigen, die dann noch übrigen aber durch Auktion verkaufen. In einer abermaligen Eingabe an den Kaiser, vom 29. April 1695, sagen die Juden, sie hätten für mehr als 10000 Gulden Bücher annehmen müssen; sie seien aber nochmals erbötig, wenn die Buchführer ihnen alle ihre Bücher zu dem Preise, wie sie solche an dieselben verhandelten, gegen bare Zahlung Zug um Zug abnehmen, auch was sie schuldig mit barem Gelde bezahlen würden, alsdann des Buchhandels sich gänzlich zu enthalten. Diesen Vorschlag acceptierte man in Wien. Am 20. September erhielt endlich der kurpfälzische Kammerpräsident Freiherr von Sickingen den Auftrag, in Gemeinschaft mit dem Reichsfiskal, der Bücherkommission und dem frankfurter Rate einen gütlichen Vergleich zu versuchen, falls dieser aber nicht zu Stande komme, den Buchführern und Konsorten aufzugeben, daß sie den Juden ihre vorhandenen Bücher gegen billigen Preis auf einmal abkaufen, wenn sie sich aber dazu nicht verstehen wollten, denselben den freien Verkauf während der Messe und bis auf weitere Verordnung verstatten sollten. Die Verhandlungen scheiterten aber an der Renitenz des Rates und an dem Kostenpunkte. Der Reichsfiskal verlangte nämlich für Reise und Aufenthalt in Frankfurt 200 Thaler Entschädigung, und diese sollten die Juden vorschießen. Diese erklärten sich endlich zu Hergabe der Hälfte bereit, während die christlichen Buchführer, die die andere Hälfte tragen sollten, sich dessen weigerten. So blieb die Sache auch diesmal ohne Resultat.