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natürlich keine Kenntnis, weshalb sie sich mit Recht dem Vorwurf der Willkür und Ungerechtigkeit aussetzten.

Übrigens ließen sich auch trotz aller Strenge die Schmähschriften gar nicht mehr unterdrücken. Gestern verboten, wurden sie heute wieder öffentlich oder heimlich in den Gassen herumgetragen und tauchten morgen in verdoppelter Zahl wieder auf. Am 21. Januar 1615 ging Leucht wieder den Bürgermeister an, eine Anzahl von Pasquillen und Famosschriften zu verbieten und zu vernichten, in deren einer die kaiserliche Majestät, das Haus Österreich, besonders aber der Erzherzog Leopold schmählich verunglimpft und angetastet werde. An der Fahrgasse hingen die Händler gar ein sehr ärgerliches Patent und Kupferstücke öffentlich zum Verkaufe aus, „worin der ganze geistliche Stand hochlästerlich depingiret und angetastet werde“. Ohne Zweifel fürchteten sich die städtischen Behörden – es war die Zeit des Fettmilchschen Aufstandes und der Macht seines Führers –, die Aufregung der in ihrer Mehrzahl protestantischen Bevölkerung noch mehr zu steigern, denn sonst ließe sich die Wirkungslosigkeit der polizeilichen Maßregeln kaum erklären.

Es scheint, daß die revolutionäre Bewegung in der Stadt dem frankfurter Rat schon 1613 und 1614 eine tiefere Einsicht in den eigentlichen Charakter der kaiserlichen Politik verschafft gehabt hätte, als ihm bisher eigen gewesen war. Jedenfalls zeigte er sich den Bücherkommissaren gegenüber nicht mehr so zuvorkommend als in frühern Jahren. Der Kaiser Mathias hatte am 4. März 1613 die Bestallung Leuchts und Seiblins, der hier Seublein, genannt Böll, angeredet wird, erneuert, ihnen am 2. September 1615 Johann Ludwig von Hagen beigeordnet und sie zugleich bevollmächtigt, sich auf der nächsten und allen folgenden Messen eine oder mehr taugliche Personen zu substituieren. Wie sein Vorgänger, suchte auch Mathias die dem Papste und Kaiser feindliche Litteratur durch die Bücherkommission ohne viele Umstände aus der Welt zu schaffen. Im Sommer 1613 waren einige derartige Schriften erschienen. Die eine hieß: „Supplicatio ad Imperatorem, Regem et Principes super causis convocandi concilii generalis contra Paulum V. Pontificem“, die beiden andern behandelten die donauwörther Angelegenheit in einem der wiener Politik feindseligen Sinne und führten den Titel: „Informatio facti et juris wider die Relation Donauwerthischer Sachen“ und „Traktat in gleicher Materia Donauwerthischer Handlung“

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Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 637. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_10.djvu/030&oldid=- (Version vom 1.8.2018)