deshalb auch von Wien aus bis dahin mittelbar beizukommen gesucht und bis zum Kriege höchstens zugemutet, daß er den Bücherkommissarien zur Vollziehung ihrer Aufträge seinen Arm lieh, oder auch im eigenen Namen verkündigte, was jene von ihm verlangten. Sie brauchten also nur auf diesem Wege fortzugehen, um zum Ziele zu gelangen. Die politische Lage Frankfurts war für sie zu jener Zeit so günstig, als sie nur sein konnte. Der 1616 nur mit kaiserlicher Hilfe bewältigte Fettmilchsche Aufstand steckte dem wieder ans Ruder gelangten Stadtadel noch in allen Gliedern. Ohne Wurzeln im Volke und ohne jede innere Kraft konnte er auf keine andere Hilfe als die kaiserliche rechnen und mußte sich zum Dank für dieselbe manche Zumutung gefallen lassen, welche unter günstigern Verhältnissen selbst ein so verrottetes Patriciat, wie das frankfurter, entrüstet zurückgewiesen hätte. Natürlich ließen die übeln Folgen, welche eine solche selbstverschuldete Hilflosigkeit nach sich ziehen mußte, nicht lange auf sich warten. Obwohl durch die seitherige kaiserliche Politik durchaus nicht verwöhnt, blickte der Rat doch schon nach den ersten zehn Jahren des Krieges auf den Zustand vor demselben mit wehmütiger Sehnsucht als auf eine goldene Zeit zurück und verstieg sich seitdem zu keiner höhern Bitte mehr, als um die Wiederherstellung der frühern Lage der Dinge.
Natürlich wußte man in Wien sehr gut, mit wem man es zu thun hatte und handelte dem entsprechend. Die Kommissarien mußten sich bei jeder Gelegenheit in die Handhabung der Censur und die Zulassung von Büchern einmischen, unerfüllbare Forderungen stellen, Drohungen ausstoßen und selbst widerrechtliche Eingriffe veranlassen, um den Rat immer mehr einzuschüchtern und zum schrittweisen Nachgeben zu zwingen. So gewann denn die kaiserliche Politik kaum zehn Jahre nach Ausbruch des Krieges eine feste Grundlage, auf welcher sie bequem weiter bauen und sich befestigen konnte. Schon 1629 war es ganz klar, daß die Tage der frankfurter Buchhändlermesse gezählt waren; man konnte sich höchstens über das Jahr ihres völligen Absterbens irren. Fortan tritt jeder Kommissar strenger und anmaßender auf als sein Vorgänger. Je größer seine Rücksichtslosigkeit gegen Frankfurt ist, desto besser steht er in Wien angeschrieben. Hier schreibt man ihm seine Politik vor und belohnt man seine Dienste durch Titel und Adelsverleihungen, selbst durch pekuniäre Erleichterungen und Zuwendungen.
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 642. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_10.djvu/035&oldid=- (Version vom 1.8.2018)