Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/4. Der Kampf mit Oesterreich/9. Das Konzil

König Sigmund und das Reich Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/4. Der Kampf mit Oesterreich
von Rudolf Wackernagel
Der St. Jakober Krieg
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Neuntes Kapitel.
Das Konzil.




Das Konzil von Konstanz war im Jahre 1418 auseinander gegangen, nachdem es der Welt in Martin V. einen neuen Papst gegeben hatte. Nach seinen Beschlüssen sollte aber fortan alle fünf oder zehn Jahre eine allgemeine Kirchenversammlung abgehalten werden zur Beratung kirchlicher Dinge und insbesondere zur Durchführung einer Reform der Kirche; dieser Anordnung konnte auch Papst Martin V. nicht offen entgegentreten. Im April 1423 fand sich demnach in Pavia ein Konzil zusammen, mußte aber bald wegen Pestgefahr nach Siena übersiedeln. Hier wurde es, angeblich wegen schwachen Besuches, schon im Mai 1424 durch den Papst wieder aufgelöst, jedoch nicht ohne daß die Konzilspräsidenten die Abhaltung einer neuen Synode beschlossen und als deren Ort Basel bestimmt hatten.

Welche Gründe empfahlen Basel als Konzilsstadt? Hierüber erfahren wir aus der Zeit der ersten Verhandlungen nichts. Denn was Papst Martin 1424 den Baslern selbst ins Gesicht sagte, wenn er als ihre Vorzüge die Integrität des Glaubens, das reife Urteil, die Würde, die besondere Devotion für Kirche und Papst pries, waren Redensarten. Bezeichnender sind spätere Aeußerungen aus der Mitte des Konzils selbst.

Als geeignet galt Basel zunächst vermöge seiner unvergleichlichen Verkehrslage. Die nach Burgund und Frankreich, ins Rheinland und an die Nordsee, nach Schwaben und Oesterreich führenden Straßen trafen hier mit der Straße zum Gotthardpasse zusammen; die Straße nach dem Rhonetal und ins mittägliche Frankreich ging nahe vorbei. Und mit diesem System größter Verkehrswege war in unmittelbarer Weise eine mächtige Wasserstraße kombiniert, die von Osten her und nach Norden weiter führte und sogar, wie das Konzil bei den Verhandlungen mit den Byzantinern zu rühmen wagte, eine Zufahrt von Süden her, vom Mittelmeer durch die Rhone möglich machte, sodaß alte Herren sozusagen im Bette liegend von [477] Konstantinopel bis an die Basler Schifflände fahren könnten. Nur eine in idealerer Weise gefaßte Bezeichnung für die geographisch wichtige und vorteilhafte Situation Basels war es, wenn die Stadt wiederholt das Zentrum der Christenheit genannt wurde: der Ungar habe vor dem Spanier, der Gethe vor dem Siculer nichts voraus, wenn er nach Basel gehen wolle; nirgends so leicht wie hier könne die ganze Kirche versammelt werden.

Von nicht geringerer Bedeutung war aber, daß Basel auch an einer Grenze lag, auf einer Stelle, die einst zu Gallien, jetzt aber zu Germanien gerechnet wurde, daß es der wälschen Kirchenprovinz Besançon angehörte und doch zur gleichen Zeit deutsch war. Diese Konstellation ist für die ganze Kultur Basels unerschöpflich wirksam gewesen. Sie war es auch, die jetzt, da der Konzilsort gefunden werden mußte und die Frage deutschen oder französischen Einflusses eine der Hauptfragen war, die Eignung Basels als eine außergewöhnliche und einzigartige erscheinen ließ.

Endlich mögen die Einzelheiten, die z. B. 1437 in der Instruktion an die Konzilsgesandtschaft zum Lobe Basels aufgezählt werden, auch hier Erwähnung finden: die Stadt ist schön gebaut und besitzt zahlreiche passende Räume für große wie kleine Versammlungen; die Bevölkerung ist ruhig und friedlich; es wird Recht geübt; an Lebensmitteln ist Ueberfluß; bei allen Fürsten der Erde ist die Stadt beliebt.

Was in solcher Art für Basel sprach, hatte durch Manchen bei Anlaß der Konstanzer Synode wahrgenommen werden können, und die Absicht, für die nächste Versammlung Basel zu wählen, war schon in Pavia erwogen worden. Wir finden im Mai 1423 eine päpstliche Gesandtschaft in Basel, die kaum von andern Dingen zu reden hatte. In Siena sodann kam es zum Beschluß; am 10. April 1424 erging von Rom aus die förmliche Ankündigung durch den Papst. Er teilte „den Prokonsuln und der Gemeinde“ Basels mit, daß ihre Stadt zum Ort des nächsten Konzils bestimmt worden sei. Als ergebene Söhne der Kirche mögen sie nun ihr Bestes tun, damit sich die Wahl als gut erweise.

Als Termin für dieses nächste Konzil war in Siena das Jahr 1431 festgesetzt worden, und Papst Martin hielt hieran fest, dem Drängen der Konzilsfreunde entgegen, die eine frühere Einberufung verlangten. Den Unterhandlungen hierüber galten wohl die Botschaften, die im Jahre 1427 zwischen dem Basler Rat und der Curie hin und hergingen; der Gesandtschaft Martins begegnen wir im Mai 1427 in Basel; als Führer der Basler Gesandtschaft nach Rom funktionierte Henman Offenburg.

[478] Es blieb beim Jahr 1431. Martin freilich war zu alt, um selbst nach Basel zu gehen; er bezeichnete daher als seinen Stellvertreter im Präsidium den Kardinal Cesarini.

Aber Cesarini befand sich beim Kreuzheer in Böhmen. Es war ihm unmöglich, jetzt das Konzil zu eröffnen.

So kam es, daß das Konzil kümmerlich und mit Mühe zu leben begann. Ein burgundischer Prälat machte den Anfang, Abt Alexander von Vezelay, der schon die Versammlungen von Konstanz und Siena mitgemacht hatte. Auch jetzt wieder von lebendigstem Eifer für die Konzilssache erfüllt, traf er am letzten Februar 1431 in Basel ein und war erstaunt, sich als Ersten auf dem Platze zu sehen. Er suchte daher Anschluß in Basel selbst und fand ihn beim Offizial Heinrich von Beinheim, dann beim Domscholaster Johann Wiler und dem Prior des Predigerklosters Nider. Der Bischof war abwesend.

Das Konzilsprotokoll zeigt in lebendiger Weise, wie sich dieser Abt aufs Warten angewiesen sieht, wie er wochenlang in Basel der einzige Repräsentant des Konzils ist, von Aerger, Ekel und Schmerz erfaßt wird, Briefe über Briefe schreibt und zum Kommen auffordert und spöttische Antworten erhält. Dazwischen kam ihm aber auch die schwerwiegende Nachricht zu, daß am 20. Februar Papst Martin gestorben, am 3. März ein neuer Papst, Eugen IV., gewählt worden sei.

Endlich erhielt er die ersten Gefährten; es waren die Vertreter der Universität Paris. Diese waren es nun auch, die sofort, am 12. April, die Beziehungen zur Stadt eröffneten. Sie erschienen in der Sitzung des Rates, kündigten ihm auf förmliche Weise das Konzil an und ersuchten ihn, durch Sorge für Quartiere und Lebensmittel sich hilfreich zu zeigen. Der Rat wies seinerseits das Schreiben des Papstes Martin von 1424 vor und versprach alles Gute.

Indes diese wenigen Konzilsherren nun geschäftig Alles vorbereiteten, fanden sie von außen her Unterstützung durch zwei wichtige Akte: am 7. Juli verhieß König Sigmund allen Konzilsbesuchern Sicherheit, stellte sie unter seinen Schirm und regelte die Obliegenheiten der Stadt dem Konzil gegenüber; Kardinal Cesarini sodann, im Husitenkrieg festgehalten, ermächtigte zwei Subdelegierte zur Präsidierung des Konzils. Diese Vertreter, Johann von Palomar und Johann von Ragusa, trafen am 19. Juli in Basel ein, und am 23. Juli konnte endlich im Kapitelsaale die förmliche Eröffnung des Konzils stattfinden. Die Zahl der Anwesenden war freilich noch immer eine kleine; aber die getroste Zuversicht, nunmehr das Konzil zu „stabilieren“, [479] erfüllte sie, und Johann von Palomar hielt ihnen eine weihevolle Rede über den Text des Propheten Maleachi: „Bald wird kommen zu seinem Tempel der Herr, den ihr suchet, und der Engel des Bundes, des ihr begehret“.

So begann das Konzil. Auf unvollkommene Weise und zögernd. Aber die Ueberzeugung von seiner Notwendigkeit wurde, kurz nachdem es begonnen hatte, aufs mächtigste gestärkt durch den Verlauf der Dinge in Böhmen. Dort versagte der Krieg völlig; und was an seine Stelle treten mußte, das Verfahren der Unterhandlungen und des Ausgleichs, konnte nur Sache des Konzils sein. So wuchs dessen Beruf in wenigen Wochen schon. Am 14. August hatten bei Taus die Husiten einen gewaltigen Sieg erfochten, das Kreuzheer war geflohen und mit ihm Cesarini, Legatenkreuz und Kreuzzugsbulle hinter sich in den Händen der Ketzer lassend.

Nichts ist sprechender als der schroffe Gegensatz, mit dem unmittelbar auf die Schmach dieser Flucht der stolze Einzug des Cesarini in Basel folgte. Am 9. September. Ritter Arnold von Rotberg und Henman Offenburg begrüßten den Legaten Namens der Stadt schon in Laufenburg. Vor den Mauern Basels traf er dann auf die paar Konzilsherren, die ihn ehrfurchtsvoll und sehnsüchtig erwarteten; bei ihnen war der gesamte Klerus und viel Volk aus der Stadt, Alle in Festgewändern. Unter einem von Adligen getragenen seidenen Baldachin, indes alle Glocken der Stadt läuteten, zog Cesarini zum Münster hinauf. Sein Quartier nahm er vorerst im Hause des deutschen Ordens beim St. Albanschwibogen.

Die Akten zeigen, wie kräftig der Konzilspräsident sofort eingriff: zwischen Burgund und Oesterreich bewirkte er einen Waffenstillstand und sicherte damit den Weg der von Westen und Norden zum Konzil Kommenden; die Husiten lud er durch Briefe und Botschafter vor das Konzil; mit den Reformplänen machte er unverweilt Ernst, indem er die Geistlichkeit Basels, beim Domkapitel anhebend, visitieren ließ.

Dieser Aktivität entsprach, daß nun das Konzil selbst Leben zeigte, zu wachsen begann, in immer weiteren Kreisen Anerkennung und Anhang fand. Am 8. September hatte der Rat von Basel Sicherheit und Geleite zugesagt, und von allen Seiten begann es nun zu strömen. Das erstaunliche Bild einer Kirchenversammlung entwickelte sich immer mächtiger.

Eine völlig deutliche Anschauung hievon geben schon allein die Listen der frühesten Konzilsteilnehmer Jedem, der auch hinter Nomenklaturen das Leben zu hören und zu sehen vermag. Wie rasch fand sich das Häuflein der enthusiastischen Ersten von Genossen umgeben. Der Bischof von [480] Coutance, der Offizial von Paris, die Bischöfe von Regensburg und Lausanne, der Dekan von Utrecht, die Aebte der nahen Klöster Lützel, Murbach, St. Blasien waren unter den ersten jetzt Ankommenden. Als Gesandter des Papstes trifft der Bischof von Parenzo in Dalmatien ein, als Vertreter des Königs und Schirmherr des Konzils Herzog Wilhelm von Baiern; neben Paris schicken nun auch andere Universitäten, wie Erfurt und Heidelberg, ihre Deputierten. Aber vor allem sind es Geistliche, die zu allen Toren einziehen: der Erzbischof von Trier, die Bischöfe von Périgord, Genf, Lodi, Parma, der Abt von Citeaux, der Propst von Zürich, ein Doktor von Halberstadt, ein deutscher Provinzial der Minoriten, die Offiziale von Lausanne und Autun; Repräsentanten schicken die Erzbischöfe von Mainz, Salzburg, Bremen, die Bischöfe von Merseburg, Freiburg, Verdun, Worms, Arras, die Herzoge von Savoyen und Mailand. Diese Namenreihen offenbaren uns die Universalität der Versammlung und das rasche Wachstum ihrer Macht. Ueberdenken wir Zahl und Art der künftig noch Herzukommenden, so wächst unsre Vorstellung von dem, was das Konzil allein schon in seiner äußern Erscheinung war, ins Gewaltige. Hiezu trat seine innere Bedeutung. Die Zeit begann, während deren die beiden Pole der kirchlichen Welt Rom und Basel hießen.


Wie stellte sich Basel seinen Gästen dar?

Auffallend und beschwerlich war den Südländern vor allem das Klima der Konzilsstadt; die Kälte und die Schneemassen des Winters werden von ihnen mit unverhülltem Abscheu erwähnt. Das Konzil konnte allerdings gleich zu Beginn einen Basler Winter kennen lernen, als schon im November 1431 eine so furchtbare Kälte eintrat und bis Lichtmeß 1432 anhielt, daß auf dem offenen Lande Menschen und Tiere erfroren und in der Stadt der Rhein vom Eise geschlossen wurde. Dafür erschien der Sommer als zu kurz; und wenn auch Wein und Getreide in Fülle wuchs, so entschädigten unter den Früchten die überreichlich gedeihenden Aepfel nicht für den Mangel von Feigen und Kastanien. Auch das häufige Regnen war unwillkommen.

Für das damalige Aussehen der Stadt waren in der Hauptsache zwei Katastrophen maßgebend gewesen: das Erdbeben von 1356 und der große Brand von 1417. Der letztere hatte die Behörde zum Erlaß strenger Bauvorschriften, zu einer methodischen Regelung des Bauwesens veranlaßt, die nun nicht nur den Neubauten in den vom Feuer verheerten Straßen, sondern allen Quartieren zugute kam. Die hölzerne Stadt wurde allmählich [481] zu einer steinernen. So konnte es kommen, daß dem Enea Silvio Basel in einem Zuge gebaut zu sein schien, durchweg neu, nirgends durch Alter oder Hinfälligkeit entstellt. Womit er die ihm auffallende Wahrnehmung verband, daß in ihr auch keinerlei Spuren oder Baureste des römischen Altertums zu sehen waren. Aehnlich wurde sie auch durch Andre gepriesen. „La noble çibdat“, „une ville puissante et plantureuse“ wird sie genannt, „königlich“, „überaus schön und prächtig.“ Das saubere und stattliche Aussehen, die Lage, die Größe, dann das Behagen des Lebens, die Ordnung, der Reichtum ihrer Bewohner, — Alles machte den besten Eindruck, und die Vorstellung von ihr steigerte sich jetzt noch dadurch, daß sie viel mehr als bisher in aller Welt bekannt wurde, daß ihr Name in jedem Munde war. Das schöne Epitheton der Renaissance „inclyta Basilea“ ist ihr in diesen Jahren des Konzils gegeben worden; wir vernehmen es von Enea Silvio wie von Niccolo Piccinino.

Dem mächtigsten Element im Basler Stadtbilde, dem Rheine, widmen die Schilderer die erste Erwähnung. Für Enea Silvio ist der Rhein überhaupt der edelste der Flüsse. Wie er noch in späten Jahren davon spricht, daß in den vom Rhein durchströmten Gegenden die Blüte Deutschlands zu sehen sei, so macht er ihn auch jetzt, da er doch nur von Basel reden will, zum Gegenstand der eingehendsten Betrachtung; er begleitet seinen Lauf von den Quellen an, und von Schönheit erfüllt, mit merkwürdig sicherm und freiem Gefühl für das Charakteristische der Landschaft gegeben ist das Bild, das er vom Rheinland unterhalb Mainz entwirft. Was insbesondere am Basler Rheine den Fremden allen, nicht nur dem an die Lagunen gewöhnten Gatari, auffiel, war die Verbindung von Größe mit wilder Strömung. Der Fluß war mächtig genug für einen Weltverkehr, aber so reißend, daß keine Schiffahrt aufwärts möglich war.

Nun aber die Stadt selbst. Sie ist durch den Strom in zwei Städte zerlegt, deren kleinere an den fruchtbaren Breisgau grenzt, völlig in der Ebene liegt, von vielen Bächen durchströmt und rein gehalten, auch leidlich schmuck gebaut ist. Glänzender und großartiger stellt sich Großbasel dar, reich an schönen Gebäuden, zu Seiten eines Wildbaches, der allen Unrat fortführt, über zwei Höhen gelagert; mit wunderbarem Geschick sind hier die Unterschiede von Hügel und Tiefe ausgeglichen.

Die Straßen sind auch für italienische Begriffe nicht zu breit, dabei weder durch die häufigen Regengüsse ausgewaschen, noch durch die Wagenräder verdorben. Gerühmt wird ihr stattlicher Steinbelag.

Auch die Plätze werden gerühmt, die teils für die Märkte dienen, [482] teils mit Grasflächen und Baumschatten die herrlichste Gelegenheit zu Erholung, Tanz, Spiel, Wettkampf, Zureiten der Pferde bieten. Turniere werden auf dem Platze beim Münster abgehalten.

Auf diesen Plätzen stehen schöne Brunnen; derjenige des Fischmarkts ist mit den Bildern der Madonna und zweier Heiligen geschmückt. Auch in allen Gassen und in vielen Häusern findet man Brunnen; allenthalben rauscht und sprudelt das klare süße Wasser; selbst das brunnenreiche Viterbo kennt nicht solche Fülle.

Bei der Schilderung der Häuser weiß der Venezianer nur von den Kaufläden zu reden. Enea Silvio dagegen trägt alle die Reize zusammen, die er an den Wohnungen der Bürger entdeckt: den buntschillernden Glanz der in farbigen Ziegeln gedeckten Dächer, die strahlendweißen, meist mit Malerei gezierten Fassaden, die Lust der Gärten und Brunnen, im Innern sodann die warmen Stuben, wo verwunderlicherweise auch der Fußboden, neben Decke und Wänden, mit Holz belegt ist, die Fenster mit Glas geschlossen sind, Teppiche hängen, Singvögel lärmen. Das Ganze, bis zu den Störchen, die auf der First des Daches nisten, das Bild einer wenn auch kleinen und engen, doch sicher begründeten Behaglichkeit. Das Rathaus, das Zeughaus, das Gesellschaftshaus zur Mücke und die Zunfthäuser werden nur kurz erwähnt. Etwas mehr Worte schenken die Schilderer den Kirchen. Freilich vermissen sie hier die edle Herrlichkeit des Marmors, den Schmuck der Altäre und Priestergewänder, den Reichtum an Bildwerk, Zierraten, Gemälden, den die Kirchen der Heimat bergen. Hier ist Alles viel schlichter. Dafür finden sich Eigentümlichkeiten wie die Totenschilde der Adelsgeschlechter und namentlich die gleich Zellen in die Mitte der Kirche hineingebauten Betstühle, in denen die Frauen mit ihren Mägden eingeschlossen dem Gottesdienste beiwohnen, und die je nach der Vornehmheit der Besitzer höher oder niedriger sind. Hervorgehoben werden der prächtige Aufsatz des Hochaltars im Münster mit der in Stein gehauenen Darstellung des Gekreuzigten und der Apostel, die Münsterorgel, Glocken und Uhrwerk in den Münstertürmen. Die Augustinerkirche ist sehr schön; die Barfüßerkirche imponiert durch ihre Größe; die Martinskirche trägt das Ratsgeläute; in der Peterskirche sind die steinerne Altartafel und die Orgel zu rühmen. Alle diese Kirchen sind reich an Heiltum; der vom heimatlichen Reliquiensinn erfüllte Gatari ergeht sich bei Aufzählung dieser Schätze in einer ungewohnten breiten Ausführlichkeit.

Auch die Befestigungen werden erwähnt. Der innere Mauerring, dessen Graben mit alten Steinen von Judengräbern eingefaßt ist, scheint [483] der stärkere zu sein; die äußere Ummauerung würde einer harten Belagerung kaum widerstehen können.

Draußen aber, rings um die Stadt zwischen Hügeln und dunkeln Wäldern, zieht sich die Ebene, zum Teil reich bebaut mit Gärten, Rebgeländen. Wiesen, Saatfeldern, zum Teil Weideland und Wildnis. Noch sah man hier alle die Hecken und Gartenhäuslein sich erheben, die nach wenigen Jahren schon, bei der Armagnakengefahr, geopfert werden mußten. Hier prangten auch in den sonnigeren Lagen die Safranfelder, für Spanier und Italiener eine schöne Erinnerung an die Heimat.

Diese Stadt, inmitten der Weite ein scharf abgegrenzter Häuserhaufen, viel kleiner als heute, war nun der Ort einer seitdem nie mehr in solchem Maße gewesenen Verkehrssteigerung. Das Zusammenströmen dieser Menschen aus allen Teilen der Welt, ihr fremdartiges Treiben, ihre Behandlung der höchsten Fragen, alles dies auf dem einen kleinen Punkte, gibt ein Bild von ergreifender Art. Der Kontrast zwischen dem normalen städtischen Leben, das diese Räume sich geschaffen hatte und erfüllte, und dem jetzt sich hier zusammendrängenden neuen, völlig internationalen Leben ist nicht groß genug zu denken.

Denn dieses Konzil war eine Versammlung, die ihres Gleichen nicht hatte. Sie stand unter der erhabenen Idee unmittelbarer Leitung durch den heiligen Geist. Und wie groß und kühn lautete nicht ihr Programm: die Häresie auszurotten, die Sitten des kirchlichen Standes zu erneuern, dem christlichen Volke wieder den Frieden zu geben. Ein Konzil war in der Tat dazu angetan, „die ganze Kirche zu erschüttern.“


Die Geschäfte und Pflichten, die nun dem Rat erwuchsen, waren meist neuer Art, und an Hemmungen wird es wenigstens zu Beginn nicht gefehlt haben. Das Ganze war eine Sache schwerer Verantwortung und überdies eine außerordentliche Belastung der städtischen Finanzen. Hiezu kam das Unzählbare, wodurch auch der Einzelne in Anspruch genommen wurde.

Aber die Stadt war seit 1424 von dem Plane des Konzils verständigt und konnte sich vorbereiten. Sie konnte insbesondere in Konstanz alle nötige Information holen; daß sie dies tat, zeigt die im Konzilienbuch des Rates eingetragene Darlegung über den Betrieb jenes Konzils.

Den Obliegenheiten gegenüber standen die gewaltigen Vorteile wirtschaftlicher Natur, die der Stadt aus der Anwesenheit des Konzils erwuchsen, und an die man in Basel natürlich sofort, und vielleicht mit Ueberschätzung, dachte, sowie die zur Zeit gar nicht zu ermessenden geistigen [484] Einwirkungen. Abgesehen von dem einzigartigen gegenwärtigen Ruhme: das Konzil trug den Namen Basel in alle Welt.

Die Stadt war dem Konzil gegenüber zu einer Art von Neutralität verpflichtet. Sie sollte die Versammlung ihre Angelegenheiten frei und selbständig erledigen lassen und sich in keiner Weise einmischen. Dies war der Grundsatz. Aber die Verhältnisse brachten den Rat wiederholt zu aktivem Eingreifen. So schon bald nach Eröffnung des Konzils, als der Beschluß Eugens, dasselbe aufzulösen, ruchbar wurde; sofort sandte der Rat eine stattliche Gesandtschaft an die zu St. Leonhard Kongregation haltenden Konzilsväter mit dem Auftrag, „die Prälaten zu stärken und zu animieren, daß sie um solch Mähre nicht erschrecken noch weichen möchten.“ Andrerseits war das Konzil selbst nicht selten in der Lage, seinerseits die Hilfe des Rates zu rufen, wenn es in den Versammlungen allzuwild und heftig herzugehen drohte; da mußten die Bewaffneten des Rates ins Münster kommen oder doch in der Nähe bereit stehen, um Ordnung zu schaffen. Endlich hat auch Sigmund wiederholt den Rat zur Intervention aufgefordert, um dies oder jenes beim Konzil zu bewirken.

Nun die gleich zu Beginn nötig werdenden Maßregeln der Stadt. Vor allem hatte sie dem Verkehr Wege zu bereiten. Diesem Bedürfnisse dienten schon die nach dem großen Brande von 1417 getroffenen Anordnungen über Legen eines guten Straßenpflasters und Beseitigen hinderlicher Anbauten. Hieher gehören auch die Beschlüsse über Oeffnung einiger Nebenstraßen und Durchgänge, über Landfestenunterhalt am Birsig, über die Breite der Bänke und Tische von Krämern, sowie das Verbot des Liegenlassens von Mist, Steinen, Holz, Fässern in den Straßen, das Aberkennen der offenen Ausläufe von Brunnen und Wassersteinen.

Auch außerhalb der Stadt mußte der Rat auf gute Zufahrten bedacht sein, soweit er da überhaupt etwas bewirken konnte. Hiefür half ihm das durch Offenburgs Vermittlung am 28. Oktober 1431 erlangte Privileg des Königs Sigmund, welches das Recht gab, eine Meile weit um die Stadt her Brücken und Wege machen zu dürfen. Demzufolge kam im Februar 1432 mit dem Markgrafen Wilhelm von Hochberg ein Vertrag über den Bau einer Wiesenbrücke zu Stande. Auch die Erneuerung der Brücke zu Augst, die der Rat dem Maurer Konrad Labahurlin übertrug, gehört hieher, sowie die bessere Oeffnung der Birs für Flöße durch Sprengung der Felsen bei Grellingen. Auch der Bau einer festen Brücke bei Birsfelden 1425 geschah wohl schon im Gedanken an das Konzil.

[485] Sodann die Frage der Einquartierung so zahlreicher und so verschiedenartiger Gäste. Die großen Herren fanden Unterkunft in den Klöstern oder in den Palästen der Adligen und Patrizier. Cesarini z. B. wohnte anfangs im Deutschen Hause, wo in der Folge auch sein Nachfolger als Führer des Konzils, Kardinal Ludwig von Arles, residierte; später wohnte Cesarini im St. Leonhardsstift, Capranica im Barfüßerkloster; Kaiser Sigmund kehrte bei den Johannitern ein. Aber die Masse mußte sonst, in den Wirtshäusern und vor allem bei den Privaten, untergebracht werden. Da es sich außer den Menschen um zahlreiche Reit- und Zugtiere handelte, so war auch für Stallungen zu sorgen. Im November 1431, als der Zufluß der Fremden stärker zu werden begann, ließ der Rat durch öffentlichen Ruf die Einwohner auffordern, sich gerüstet zu halten, um Herberge und Stallung bieten zu können. Das Einzelne wurde der Abrede in jedem Fall überlassen, was natürlich zu Streitigkeiten führte. Im März 1432 ist ein beständiges Unterhandeln über diese Dinge zwischen Rat und Konzil. Zu einer Einigung kam es dabei nicht sofort, und das erzürnte Konzil führte Klage beim König und drohte mit dem Wegzug von Basel. Die Beschwerden scheinen sich namentlich dagegen gerichtet zu haben, daß die Basler außer dem Bettzins auch noch Vergütung für die Benützung von Hausgerät, Küchengeschirr usw. verlangten; auch die Preise der Stallmiete wurden als zu hoch befunden. Der König verwendete sich von Parma aus ernstlich für Beilegung dieses Streites und trug seinem Vertreter beim Konzil auf, den Prätensionen der Basler möglichst entgegenzutreten. Er sollte auch dem Rat vorstellen, wie sehr eine Verlegung des Konzils ihnen zu Schande und Schaden gereichen würde. Der Rat ließ in der Tat mit sich reden; er bestellte eine Dreierkommission zur Beratung der Sache, und diese erstattete dann Bericht. Hienach sollten Mietverträge überhaupt auf nicht länger als einen Monat abgeschlossen werden und verpflichten, Streitigkeiten aber durch ein Sechserkollegium entschieden werden, das halb vom Konzil, halb vom Rate bestellt würde. Dieser Vorschlag scheint beiderseits gutgeheißen worden zu sein; eine Differenz ergab sich nur noch darüber, daß das Konzil eine vorgängige Generaltaxation sämtlicher Mietwohnungen in der Stadt empfahl, während die Stadt die Taxation den Parteien überlassen und erst bei Streitigkeiten die Sechser funktionieren lassen wollte. Diese Meinung drang durch. Die Kommission erhielt die Weisung, bei Zwistigkeiten das betreffende Haus besehen und nach des Hauses und Gerätes „Begrifflichkeit“ schätzen zu lassen und sodann ihren Entscheid zu treffen.

Weiterhin die Beschaffung der Lebensmittel. Wohl preisen Enea [486] Silvio u. A. die Fruchtbarkeit der Basler Gegend, die Fülle der Weinberge, in denen das Land prange, den Reichtum des Rheins an Fischen; die Verproviantierung einer so gewaltigen, wählerischen, zum Teil an andre Kost und Küche gewöhnten Menge war eine schwere Aufgabe. Auch deswegen, weil die ganze städtische Gesetzgebung über Pfundzoll, Weinzoll, Mühleungeld u. dgl., unmittelbar berührt wurde. Die Durchführung dieser Vorschriften bei den großen Quantitäten der hereingebrachten Viktualien, des hier gemahlenen Kornes usw. rief sofort dem Widerspruch der Konzilsherren und der mit ihnen in die Stadt strömenden Lieferanten. Das Konzil verlangte, daß Lebensmittel in genügendem Maße vorhanden und deren Preise nicht höher als vor Eröffnung des Konzils sein sollten. Hierauf erwiderte der Rat, daß er nichts tun und versprechen könne; in der Stadt wachse nichts und die umliegenden Lande seien ihm nicht untertan. Die Konzilsleute seien beim Kaufen in derselben Lage wie die Einwohner der Stadt selbst. Das Konzil verlangte fernerhin gänzliche Steuerbefreiung des Handels mit Lebensmitteln. Der Rat erwiderte, daß die Basler Abgaben und Zölle niedriger seien als in Lamparten und Siena; er könne sie nicht entbehren angesichts der großen Sorgen, Ausgaben und Arbeiten, die ihm das Konzil verursache; von den dem Konzil angehörenden Käufern wolle er nichts nehmen, aber die Verkäufer seien zur Abgabe verpflichtet. Endlich kam 1433 eine Einigung zu Stande. Für das Brot wurde die Aufstellung einer Taxe vorgesehen, der Vorkauf von Getreide und andern Lebensmitteln untersagt; Weinungeld sollte nur von den in den Wirtshäusern abgegebenen Weinen entrichtet werden, von den im Großen und auf dem Markte verkauften Weinen aber der Pfundzoll, wie bisher üblich war; fremde Weine wie Malvasier usw. wurden aller Steuer enthoben. Beim Verkauf von Fleisch und Fischen sollten die bisherigen Ordnungen unverändert gelten, für die Fremden so gut wie für die Basler.

Damit war der Streit beigelegt, aber die Schwierigkeiten konnten nicht beseitigt werden. In den untern Schichten der Konzilswelt wurde bitter geklagt. Ein Mönch aus Cluny schrieb im Frühjahr 1434 seinem Abt nach Hause: „Die Häuser sind teuer und steigen immer noch im Preise. Das Geld wird immer geringer. Die Viktualien mangeln. Das Fleisch reicht kaum für die Hälfte der Anwesenden und täglich kommen Neue an, sowohl Fürsten als Prälaten. Alles ist teuer: das Fleisch, die Eier, das Brot, der Wein, für die Armen gibt es keine Fische. Es besteht weder Maß noch Vorschrift, und die Bürger halten nicht was sie versprechen. Daher ist aufs neue von einer Verlegung des Konzils die Rede; man hat [487] Boten nach Konstanz und nach Straßburg geschickt, um zu sehen, ob man dort nicht besser Unterkommen könnte als hier.“ So klagte man bei den Konzilsleuten. Auf der andern Seite aber, im Volke, ging die gemeine Rede, als wieder einmal der Hagel alle Reben um Basel verwüstet hatte, daß seit Beginn des Konzils kein Gedeihen mehr in den Früchten gewesen und das Konzil hieran Schuld sei.

Der Rat hatte mit unaufhörlichem Widerstand zu kämpfen, auch bei seinen eigenen Leuten, denen insbesondere das für die Dauer des Konzils und für die ganze Bannmeile Basels erlassene Verbot des Vorkaufs lästig sein mußte. Auf heftige Opposition, die dem Rat bereitet wurde, deutet auch sein Vorgehen 1434, als er den Bäckermeister Erhard Lindwurm von Neuenburg a/Rh. nach Basel kommen ließ, ihm ein Haus in der St. Johannvorstadt einräumte und das Backen von Roggenbrot auftrug, um „gemeine Leute damit am besten und ehrbarsten zu versorgen.“

Aber auch außerhalb Basels ergaben sich Schwierigkeiten. Schon 1431 befürchtete man in der innern Schweiz eine Teurung infolge der Ankäufe der Basler für das Konzil und beriet Gegenmaßregeln; was wenige Jahre später im Elsaß geschah, wird noch zu erwähnen sein.

Auch andre Dinge gaben zu reden; so beschwerte sich im Januar 1433 das Konzil über den Preis der Wachskerzen, deren man für Lichtmeß bedurfte. Sodann das Hereinkommen fremder Handwerker und Händler. Sie konnten zum Gefolge eines einzelnen Fürsten oder Prälaten gehören; in der Regel waren es Solche, die dem Konzil folgten wie einem Jahrmarkt: Schneider und Schuhmacher, Kürschner, Gewandleute, Apotheker und Spezierer, Krämer aller Art, aber auch Goldschmiede und Juweliere, Seidenhändler, Wechsler. Sie stellten ihre Verkaufsbuden und Tische auf die Gassen, hauptsächlich in der untern Stadt bei Kornmarkt und Kaufhaus; die Safranzunft vermietete die ganze breite Fassade ihres Hauses für Buden; der Rat selbst ließ solche im Rathaushof aufschlagen und zog Zins davon. Andere mieteten sich Gaden in den Häusern zum Betrieb ihres Geschäftes, wie z. B. im Schlüsselzunfthaus geschah.

Das Vorhandensein dieser Fremden war natürlich den Angesessenen ein Aergernis, ließ sich aber nicht verhindern; die Schneiderzunft erkundigte sich bei ihren Kollegen in Konstanz, wie man dort zur Zeit des Konzils mit den fremden Schneidern verfahren sei. Ein Weg mußte gefunden werden; und so unwillkommen diese Konkurrenz im Momente sein mochte, so notwendig war sie angesichts des plötzlich vorhandenen ungeheuren Konsums. Daß diese Fremden mit dem Konzil kamen und wieder verschwanden, [488] half zur Ausgleichung; ohne sie wäre nach Schluß des Konzils die wirtschaftliche Krisis noch viel schwerer gewesen.

Bedenklich aber war die Frage der Besteuerung dieser Leute. Das Konzil machte geltend, daß die stets im Gefolge der Curie wie der Konzilien sich einfindenden Händler und Handwerker seit alters überall von jeglicher Abgabe befreit seien, und verlangte Anerkennung dieses Brauches auch in Basel. Der Rat lehnte dies ab und gab am 7. April 1433 dem Kaufhausschreiber die Weisung, daß alle fremden Kaufleute und Handwerksleute, so in Zeiten des Konzils nach Basel kommen und hier Gewerb und Handwerk treiben, den Pfundzoll geben sollten. Nur sechs namentlich erwähnte Personen sollten „dem Konzil zu Ehren“ befreit sein; es waren dies die Wechsler Guilielmus de Guarentis und Johannes Bencii Aymerici, die Apotheker Conradus Magliochus de Vignono und Johannes Servionis von Genf, der Tuchhändler Bartholomäus Famucii aus Lucca und der Kürschner Guilielmus Frement aus Paris.

Weiter die Münzverhältnisse. In Betracht kam vorerst die Vielheit der nun in Basel zirkulierenden Münzen. Venediger Dukaten, ungarische Gulden, besonders zahlreich das Savoyer Geld, dann französische, deutsche, spanische, italienische Münzen aller Art gingen durch die Hände. Diesen allen mußte notwendig ein Kurs gegeben werden, um Handel und Wandel überhaupt möglich zu machen; die Stadt erhob freilich Bedenken, aber im November 1433 kam man nach längeren Verhandlungen zum Schlusse, daß dies sämtliche fremde Geld in Basel Währung nach einem besonderen Tarif haben sollte, der auf Grund einer Prüfung der einzelnen Sorten nach deren Wert aufzustellen sei. Ein weiteres Bedürfnis aber war die Sorge für die Münze des Konzilsortes selbst. Im August 1433 fand in Breisach eine Konferenz des Rappenmünzbundes statt, an der auf ausdrücklichen Wunsch des Basler Rates auch das Konzil sich durch Gesandte vertreten ließ. Man einigte sich hier über eine Reduktion des Geldwertes sowie über eine spezielle Silberprägung der Stadt Basel, und am 18. November wurden diese Gegenstände zwischen Stadt und Konzil vertraglich festgestellt. Der Gulden erhielt einen Wechselsatz von dreiundzwanzig Schillingen; ferner wurde eine starke Neuausgabe der Basler Silbermünzen abgeredet, wobei die Mark fein Silber zu sieben Gulden rheinisch gerechnet war. Im Zusammenhang hiemit standen Vorschriften über Verkauf von Silber an die Münze und das strenge Verbot der Silberausfuhr. Ueber dieses Prägegeschäft traf der Rat besondere Vereinbarung mit seinen Münzmeistern Peter Gatz und Heinrich von Rumersheim.

[489] Von Wichtigkeit für die Gestaltung dieser Verhältnisse war, daß seit 1429 eine Reichsguldenmünzstätte in Basel bestand. Sie war ohne Zweifel mit Rücksicht auf das Konzil hierherversetzt worden.

Welche Unsicherheit aber, zumal vor Erlaß dieser Bestimmungen, waltete und wie leicht infolge hievon die Versuchungen zu Fälschen oder Verderben der Münzen sich einstellten, zeigt die Tatsache, daß im Frühjahr 1433 zweimal solche Uebeltäter erwischt und verurteilt wurden; die Strafe war jeweilen die übliche des Todsiedens in einem mit Oel gefüllten Kessel.

Endlich bestand die Notwendigkeit von Ordonnanzen polizeilicher Art. Eine solche war der gleich nach Eröffnung des Konzils gefaßte Beschluß, daß an die nach dem Kornmarkt führenden Gassen Ketten gemacht und die Ratsglockenseile angeschlossen werden sollen. Im Falle von Auflauf und Tumult sind die Ketten vorzuziehen und haben sich die Bürger mit Harnisch und Wehren auf dem Markte zu versammeln.

In Zusammenhang hiemit stand die Einrichtung einer außerordentlichen berittenen Wache, der „Roßwacht“, für die Dauer des Konzils.

Ebenso das Verbot, Bogen, Kolben, Mordäxtlein, Schwerter, Knüttel, lange Messer und andere Waffen zu tragen. Dieses Verbot galt den Baslern wie den Konzilsleuten; es wurde am Rathaus, am Kaufhaus und am Münster angeschlagen.

Weiterhin: alle Wirte sollen um elf Uhr nachts ihre Türen schließen, und nach dem Glöcklein darf Niemand ohne Licht über die Straße gehen. In der ganzen Stadt und ihrer Bannmeile ist alles Spielen mit Würfeln und Karten untersagt, ebenso das „Bochseln“ vor Weihnacht und das Tanzen, „da das heil. Concilium bei uns ist wegen großer Sache der Christenheit, deswegen jederman desto züchtiger und ernsthafter sein soll.“ Die Durchführung gerade dieser Verbote war freilich nicht leicht. Als Herzog Wilhelm von Baiern, der Protektor, auf Verlangen des Konzils das Tanzen zur Fastnachtzeit untersagte, erhoben die Basler Frauen, obwohl sie das Tanzen heimlich gar nicht ließen, doch ein großes Geschrei und sprachen: „wäre unser Herr der Kaiser selbst hier und sein lieber Caspar Schlick, sie hätten uns unsere Freude nicht verdorben; aber weil der Herzog selbst keine Freude hat und nicht zu uns gehen mag, so will er sie uns auch nicht gönnen.“

Eine Verfügung des Konzils sodann hob das Asylrecht der Kirchen in der Stadt für alle die Fälle auf, in denen ein Konzilsangehöriger mißhandelt worden war; der Uebeltäter sollte nirgends eine Freistatt finden.

[490] Die Stadt hinwiederum verlangte vom Konzil, seine Leute anzuhalten, daß sie mit ihren Pferden und Mauleseln nicht durch die Straßen sprengen, auch daß sie nicht vor der Stadt sich in den Gärten und Pflanzgeländen herumtreiben, sie verwüsten und schädigen. Den Italienern insbesondere galt das durch öffentlichen Ruf verkündete Verbot, kleine Vögel auszunehmen; nur Sperlinge und „Agristen“ wurden preisgegeben.

Auch die Verhältnisse der Badstuben wurden durch das Konzil berührt. Das Zusammenbaden von Männern und Weibern, das in Oberbaden auch dem Spanier Tafur verwunderlich vorkam, erregte gleich zu Beginn bei Cesarini Anstoß, und er vermochte den Rat dazu, diese Gewohnheit „die nit vast lobelich und an menigen enden eine unerhörte sache sei“, 1431 aufzuheben; der Rat bestimmte, welche der bestehenden Badstuben den Männern, welche den Weibern dienen sollten.

Eine Maßnahme polizeilicher Art endlich, die ebenfalls durch das Konzil veranlaßt wurde, war der Ankauf zweier Häuser an der Ringmauer bei der Spalenvorstadt durch den Rat, im Herbst 1432, und ihre Einrichtung als Bordelle. Daß die gemeinen Frauen an bestimmten Orten abseits wohnen und zu finden sein sollten, war eine wiederholte Forderung des Konzils, und der Rat verfuhr danach. Diese Weiber hatten tagsüber in ihren Häusern in den Vorstädten zu bleiben; wurde nach Betzeit Eine von ihnen verlangt, so sollte sie züchtiglich hereinkommen und an den Ort gehen, wohin sie bestellt war.

Aber über alle diese allgemeinen Verfügungen erwuchsen dem Rate natürlich aus dem Vorhandensein des Konzils stetsfort neue und einzelne Geschäfte der allerverschiedensten Art. Er war außer Stande, sich mit diesen Dingen, die oft unerheblich waren und meist raschen Entscheid verlangten, selbst in seiner Gesamtheit zu befassen. Er bestellte daher schon im Februar 1432 eine Siebnerkommission mit dem Auftrage, die Konzilsangelegenheiten der Stadt zu besorgen und, mit Ausnahme schwieriger vor den Rat zu bringender Fälle, zu erledigen. Die Mitglieder dieser Kommission waren die Ritter Burchard zu Rhein und Hans Reich, Hans Sürlin, Henman Offenburg, Henman von Thunsel, Andres Ospernell und Ulman Imhoff. Dreie von ihnen, Reich, Offenburg und Thunsel, hatten außerdem noch das besondere Mandat, die städtischen Interessen beim Protektor des Konzils, Herzog Wilhelm von Baiern, zu vertreten.


Zu diesen Leistungen der Stadt trat als Gegenstand von besonderm Gewicht die Sorge für die persönliche Sicherheit der Konzilsleute.

[491] Innerhalb der Stadtmauern hatte der Rat Mittel und Wege genug, Polizei zu üben und allen Schutz zu gewähren. Um so übler sah es draußen aus, an den Straßen, die von allen Seiten nach Basel führten.

Schon in unmittelbarer Nähe der Stadt, im Sundgau, herrschten die schlimmsten Zustände.

Wir erinnern an das früher Mitgeteilte über die Zwistigkeiten zwischen Burgund und Oesterreich. Gerade jetzt war dieser Streit aufs neue entbrannt. Am 10. April 1431 sandte Herzog Friedrich dem burgundischen Herzog seinen Fehdebrief; Verhandlungen blieben ohne Erfolg, und am 20. Juli sagten zweihundertachtundvierzig Vasallen Oesterreichs dem Burgunder ab und begannen die Feindseligkeiten.

In denselben Tagen wurde das Konzil zu Basel eröffnet. Die Lage war bedenklich. Ein in Konzilsgeschäften von Basel nach Burgund reisender Geistlicher war auf dem Rückweg durch Peter von Mörsberg aufgegriffen und ins Gefängnis gelegt worden. Bischof und Rat von Basel bewirkten freilich seine Freilassung: aber der Vorfall konnte sich täglich wiederholen, und das Konzil war in der Tat gefährdet. Wenn Eugen jetzt unter den Gründen für Verlegung des Basler Konzils diese Unsicherheit geltend machte, so hatte er alles Recht dazu.

Der Rat hatte Geleit und Sicherheit schon in den mündlichen Verhandlungen mit den ersten Ankommenden zugesagt. In der Folge kamen spezielle Geleitszusicherungen für die Husiten, die Burgunder und die Griechen hinzu.

Neben diese Maßregeln des Rates traten die viel weitergreifenden des Königs. Zuerst der allgemeine Erlaß vom 7. Juli 1431, durch den er alle Konzilsbesucher in seinen und des Reiches Schutz nahm. Dann die speziellen Befehle an den Bischof von Straßburg, den Pfalzgraf, die Markgrafen, die elsässischen und breisgauischen Städte, die Orte der Eidgenossenschaft, den vom und zum Konzil Reisenden Schutz zu gewähren.

Das städtische Geleit reichte nicht weit, konnte nur für das Gebiet der Stadt gelten. Innerhalb dieser Beschränkung wurde es freilich gut gehandhabt; im Jahr 1433 rühmte der Abt von Bonneval dem König von Kastilien, daß die Basler ihre Geleitszusagen unverbrüchlich usque ad mortem festhielten und nie dawider gehandelt hätten. Aber auch das königliche Geleit war in seiner Wirkung bedingt. Wenngleich dem König für Handhabung des Schirmes der Protektor des Konzils zur Verfügung stand, der nötigenfalls das Reichsbanner aufzurollen befugt war, so bot dies doch keine ausreichende Hilfe.

[492] Das Konzil als solches tat schon im Sommer 1431 das Mögliche, um vor allem zwischen Burgund und Oesterreich Friede zu machen. König Sigmund half seinerseits dazu und auch Frankreich konnte dafür interessiert werden. So kam es im Oktober 1431 zu einem Waffenstillstand, der in Basel, ausdrücklich aus Rücksicht auf das Konzil, abgeschlossen wurde. 1432 folgte eine Erneuerung, zunächst auf sechs Jahre; Herzog Philipp gab urkundlich seinen Willen hiezu am 8. Mai in Dijon, Herzog Friedrich am 24. Mai in Innsbruck. Am 5. Juni befahl Friedrich seinem Landvogt, dies im ganzen Lande auszurufen und über die Wahrung des Friedens zu wachen. Aber Ruhe und Sicherheit waren auch hiemit nicht erzielt; Burgund hatte sich im August 1433 darüber zu beschweren, daß einige seiner Kaufleute, von Genua heimreisend, in der Gegend von Breisach überfallen worden seien; Ritterschaft und Landschaft von Oberelsaß hingegen bat zur gleichen Zeit ihren Herzog Friedrich um Hilfe, da Burgund sich anschicke, die österreichischen Schlösser, Länder und Leute im Elsaß zu bekriegen; sie selbst seien zu schwach, um Widerstand zu leisten. Die Lage war derart, daß der Protektor des Konzils sich ins Mittel legen mußte; Konferenzen österreichischer und burgundischer Vertreter fanden statt; im September kam es zu einer erneuten Bekräftigung des Waffenstillstandes.

Aber alle diese Abreden banden nur die Mächte als solche. Wenn auch im Großen die Waffen ruhen sollten, so blieb doch den einzelnen Herren Freiheit genug, Gelüste oder Bedürfnis zu befriedigen. Das Konzil bereitete den Adligen, die der Hunger plagte oder die etwas zu tun begehrten, unaufhörliche Versuchungen. Die Prälaten und die Handelsleute, die zum Konzil zogen, kamen oft aus weiter Ferne. Wer vertrat sie? Wer hatte ein Interesse daran, sie zu schützen? Und zu alledem kamen nun noch die Fehden Einzelner, deren jede die Straßen unsicher machte.

So häufen sich Klagen und Berichte in den Akten des Konzils wie seines Protektors. Dem Abt von Lure wurde durch die Oesterreicher eine aus der Schweiz kommende Weinfuhre weggenommen. Einige, die aus Niederland und Flandern zum Konzil zogen, wurden durch den Grafen Hans von Lupfen 1433 bei Markolsheim gefangen genommen; die Beger von Straßburg beraubten einen Bischof und einen Kaufmann von Toul. Der Protektor bemühte sich, einen allgemeinen Landfriedensbund zu Stande zu bringen; er schritt in einzelnen Fällen ein. Aber selbst die Macht des Reichsbanners versagte.

Diese Zustände wurden noch erschwert, als Kaiser Sigmund im Juni 1434 sich mit Frankreich verbündete und im Dezember 1434 dem Herzog [493] Philipp von Burgund Fehde ansagte. Das Konzil hatte sofort die Wirkung hievon zu spüren; schon im Oktober kam ihm zu Ohren, daß der bestehende Waffenstillstand Burgund-Oesterreich gestört würde; auch der Rat der Stadt besprach sich hierüber mit den Konzilsherren und bat sie um ihre Verwendung; ein großer nach Basel bestimmter holländischer Fischtransport zur Fastenzeit 1435 wurde unterwegs abgefangen. Das Konzil wurde beim Kaiser vorstellig, und seine Bemühungen, von Frankfurt unterstützt, hatten Erfolg. Im Mai 1435 versprach Sigmund, mit dem Herzog solange Frieden zu halten als das Konzil bestehe, und erneuerte überdies ausdrücklich das Geleit für alle Konzilsbesucher. Der Rat von Basel hatte schon im März, jedenfalls mit Rücksicht auf diese Verhältnisse, den Untertanen des Herzogs Philipp Geleit und Schutz für den Besuch des Konzils in spezieller Weise zugesichert.

Damit war die größere Gefahr beseitigt. Aber die Störungen im Einzelnen dauerten fort. Seit August 1435 war im Konzil wiederholt die Rede von den Fehden zwischen sundgauischen Adligen, von einzelnen Ueberfällen und Beraubungen. An der Breisacher Tagsatzung im Oktober 1435 nahm auch eine Konzilsbotschaft teil; auf Grund der hier gefaßten Beschlüsse ernannte dann das Konzil den Bischof Wilhelm von Straßburg und den Smasman von Rappoltstein zu seinen Hauptleuten, um die Sicherheit der Straßen zu schützen. Im Zusammenhang hiemit stand die Ernennung des Rappoltsteiners durch Sigmund zum Beschirmer des Konzils im Januar 1436. Es begannen auch wieder Verhandlungen über Erneuerung des Waffenstillstandes, und im April 1437 kam sie zustande.


Von den äußern Formen der Organisation und Geschäftsbesorgung des Konzils ist hier nicht zu reden, nur zur Orientierung einiges Hauptsächliche kurz zu erwähnen.

Als erster Präsident des Konzils, kraft päpstlicher Vollmacht und Autorität, funktionierte der Kardinal Julian Cesarini, zeitweise ersetzt durch den Bischof Philipp von Coutance. Als Cesarini 1438 Basel verließ, erwählte das Konzil zum Präsidenten den Kardinal Ludwig von Arles.

Gegliedert war das Konzil in die vier Deputationen pro fide, pro reformatorio, pro pace und pro communibus. Die Gesamtheit vereinigte sich in den Generalkongregationen und faßte hier, auf Grund der in den Deputationen gemachten Vorarbeiten, die Beschlüsse, deren feierliche und förmliche Verkündung, Gutheißung und Erwahrung dann in den Sessionen stattfand.

[494] Als Vertreter des Königs befand sich beim Konzil der Protektor, der Schirmvogt, dessen Aufgabe die des vom König zugesagten Schutzes und im allgemeinen die Repräsentanz königlicher Macht gegenüber Kirche und Papst war.

Zu dieser Würde war durch Sigmund im Oktober 1431 Herzog Wilhelm von Baiern-München ernannt worden; er traf am 3. Februar 1432 in Basel ein. Wir finden ihn in den nächsten Jahren beinahe unausgesetzt hier anwesend; als er im Juni 1432 rheinabwärts verreiste, ernannte er zu seinem Vertreter den Markgrafen Wilhelm von Hochberg. Im August 1433 sodann, als Herzog Wilhelm den Kaiser zu begleiten hatte, überließ dieser den Schutz des Konzils dem Rate der Stadt. Im September 1435 starb Herzog Wilhelm; schon ein Jahr vorher hatte Sigmund mit seiner Vertretung beim Konzil den Markgrafen Friedrich von Brandenburg betraut, im Januar 1436 den Markgrafen Wilhelm von Hochberg und den Smasman von Rappoltstein. Nach Sigmunds Tode wurde Schirmherr zu Basel der vielgenannte Konrad von Weinsberg, als dessen Stellvertreter gelegentlich Graf Hans von Tierstein erscheint.

Es ist von Interesse zu wissen, an welchen Orten der Stadt die Versammlungen stattfanden.

Der über der St. Nikolauskapelle beim Münster gelegene Sitzungssaal des Domkapitels sah die ersten Anfänge des Konzils. Hier hatte der Abt von Vezelay schon am 4. März 1431 den Basler Klerus zusammengerufen und ihm das Konzil angekündigt; hier fand sodann am 23. Juli, durch wenige Teilnehmer, die Eröffnung und Stabilierung des Konzils statt. Die Erinnerung an jene Zeit lebt noch heute im Namen des Raumes, des „Konziliensaales“, fort. Nach jenen ersten denkwürdigen Versammlungen haben in diesem Saale wiederholt Sitzungen von Ausschüssen und Konferenzen aller Art stattgefunden. Hier sind die Dekrete des Konzils aufbewahrt gewesen; hier hat am 2. November 1433 Gregor Heimburg im Namen des Kaisers und der deutschen Fürsten über die Einigung zwischen Papst und Konzil geredet; hier sind nach der Absetzung des Papstes Eugen am 25. Juni 1439 die Führer des Konzils beisammen gesessen und haben, während draußen die Pest wütete, darüber beraten, ob die Wahl eines neuen Papstes sofort vorzunehmen oder zu verschieben sei.

Im Münster selbst fanden die Sessionen des Konzils statt, und zwar im Chor. Nur ausnahmsweise scheinen einzelne Sessionen im Schiff abgehalten worden zu sein. Die Sitze, aus je drei Bankreihen auf jeder Seite des Chores gebildet, wurden auf Kosten der Stadt angefertigt; am [495] 8. Juli 1432 saßen die Konzilsherren zum erstenmal auf diesen Bänken. Vor dem Hochaltar stand der erhöhte Stuhl des Präsidenten, zu seiner Rechten bei der in den Chorumgang hinabführenden Treppe eine Kanzel, auf der die Reden gehalten, die Dekrete verkündigt wurden, und die groß genug war, daß neben dem Redner noch die Notare Raum hatten, denen die Beurkundung der Dekrete oblag. Bei großen Kirchenfesten konnte es geschehen, daß, während das Konzil hier im Chore saß, Einer aus seiner Mitte, etwa ein Dominikaner, auf den Lettner stieg und von diesem aus nach dem Schiffe gewendet dem dort versammelten Volke deutsch predigte.

Die Generalkongregationen tagten anfangs im Refektorium der Prediger. Das Wachstum des Konzils machte dann aber nötig, diesen Raum aufzugeben und auch die Generalkongregationen im Münster abzuhalten; wir finden sie hier seit dem Juni 1433.

Das Predigerkloster war auch im übrigen, zumal während der ersten Zeiten, der bevorzugte Ort; sein Prior Nider erscheint als einer der frühesten Anhänger und Förderer des Konzils in Basel. In der Predigerkirche wurde am 8. April 1431 die erste feierliche Konzilsmesse begangen, und die Stuben dienten beständig zu Konferenzen und Besprechungen; hier auch tagte der Zwölferausschuß, der die Inkorporation und die Verteilung in die Deputationen beraten und die Geschäfte vorzubereiten hatte. Vornehmlich seit Ankunft des Kaisers häuften sich hier die Zusammenkünfte. Das Johanniterhaus, wo der Kaiser Quartier genommen hatte, lag abseits; um so passender für Kaiser und Konzil war das Predigerkloster gelegen. Zwar finden wir Sigmund allenthalben in der Stadt, wo das Konzil noch Lokalitäten hatte, aber mit Vorliebe besorgte er seine Geschäfte beiden Dominikanern. Hier gab er Kardinälen und Deputierten Audienz; die germanische Nation lud er hier vor sich; der deutsche Reichstag, den er nach Basel berufen hatte, versammelte sich hier mit Fürsten, Herren und Städteboten. Hier auch war der Schauplatz der feierlichen Szene vom 8. Mai 1434, da Sigmund sich vom Konzil verabschiedete, in Gegenwart der Kardinäle und zahlreicher Väter, auch der englischen Gesandten, er selbst auf seinem Tragstuhl inmitten dieser Menge sitzend und seine letzte große Rede über Pflichten und Geschäfte des Konzils haltend.

Neben dem Predigerkloster dienten dem Konzil für Beratungen, große und kleine Versammlungen, Kanzleigeschäfte usw. auch andere Männerklöster der Stadt. Hauptsächlich diejenigen der Barfüßer und der Augustiner. Von St. Alban wird gar nichts vernommen. Auch die Karthaus ist durch die Konzilsgeschäfte nicht berührt worden, während persönliche Beziehungen [496] der lebhaftesten Art zwischen ihr und der Konzilswelt bestanden. Das St. Leonhardsstift hinwiederum kam als Wohnung des Präsidenten Cesarini sehr in Betracht; wiederholt fanden dort oben Besprechungen kleinerer Gruppen statt. Das Stiftsgebäude von St. Peter endlich wird genannt zumeist als Ort der Deputation pro communibus.

Diese kam aber gelegentlich auch bei den Predigern zusammen, und schon im Herbst 1432 war dann von einer Verlegung in die Nähe des Münsters die Rede. Zuerst kam das Augustinerkloster in Vorschlag, dann aber der Festsaal im Hause zur Mücke, und seit Frühjahr 1433 finden wir die Deputation in diesem Hause residierend.

Von den übrigen Deputationen ist zu sagen, daß die deputatio pro reformatorio ihren Ort anfangs im Predigerkloster hatte; später aber, als die verschiedenen Organe des Konzils sich immer mehr in das Zentrum der Stadt zogen, wechselte auch diese Deputation ihren Ort und begab sich in den Kapitelsaal des Münsters.

Die deputatio pacis saß im Augustinerkloster, die deputatio fidei zu Barfüßern.

Dieser ganze Apparat einer ausgedehnten und eigenartigen Geschäftsbesorgung war für die Basler Bevölkerung ein Gegenstand nicht geringen Erstaunens, wenn sie sich des einförmigen Lebens erinnerte, das sonst in diesen Klöstern waltete. Jetzt war hier ein unaufhörliches Kommen und Gehen von Fremden, ein Reden und oft Schreien in allen Zungen. Die Portale der Kirchen wurden nie leer von Anschlägen, in denen Sitzungen angesagt wurden, sowie von Zitationen und Monitorien; bei Plakaten letzterer Art standen oft Bewaffnete, durch die zitierende Partei zur Bewachung des Anschlags aufgestellt.

Auch der Gang der Versammlungen selbst bot des Verwunderlichen und Ungewohnten die Fülle. Ein einzigartiges Schauspiel schon dieses Debattieren beinahe zwei Jahrzehnte lang, ohne Aufhören, in Kommissionen, Deputationen, Generalkongregationen, Sessionen. Auch abgesehen von Ungeheuerlichkeiten, wie die Reden in der Diskussion mit den Böhmen waren, — Palomars Rede dauerte drei Tage, die Replik des Johann Rokyzan vier Tage, und Johann von Ragusa setzte seine Widerlegung durch acht Tage hindurch fort — war diese alle Sitzungen erfüllende Weitschweifigkeit, diese Freude am Wort, an der Theorie etwas Erstaunliches.

Der Gegensatz hiezu dann in denselben Versammlungen der wilderregte Streit. Die Zwietracht der Nationen vor allem trat zu Tage in den endlosen Rang- und Sitzstreitigkeiten zwischen Engländern und Franzosen, [497] Burgund und Bretagne, Burgund und Deutschland. Diese Händel waren es, die das Weihnachtsfest 1433 störten, ohne Rücksicht auf die Anwesenheit des Kaisers, die am Palmsonntag 1435 die Prozession unmöglich machten; als im November 1435, wieder um eines Rangstreites willen, zwei spanische Bischöfe einen englischen Prälaten im Münster von seinem Stuhle warfen, kam es zwischen den Anhängern und Dienern der Streitenden zu einer Prügelei; der skandalöse Vorfall hatte zur Folge, daß drei Tage lang in allen Kirchen Basels Interdikt war.

Die Ergänzung zu diesem Bilde, das die Versammlungen boten, waren die zahlreichen Schauspiele und Veranstaltungen, die immerfort die Geschäfte des Konzils begleiteten und unterbrachen, und durch die ein eigentlich festliches Element zu dem sonst schon vorhandenen Reichtum des Konzilslebens hinzutrat. Es waren Akte und Ceremonien aller Art, die sich im buntesten Wechsel ablösten; ihre Begleitung, das Glockengeläute, scheint unausgesetzt feierlichen Klanges über der Konzilsstadt zu schweben.

Vor allem sind die rein kirchlichen Funktionen zu erwähnen, die freilich an sich nichts Neues waren, hier aber vermöge der Macht und Universalität der Konzilsversammlung zu Ceremonien gewaltiger Art wurden. Alljährlich bis dahin hatte Basel die Feste begangen, die Heiligen seiner Kirchen und Orden gefeiert. Mit welcher Steigerung geschah das aber jetzt! Wie prunkvoll jetzt die Frohnleichnamsprozessionen, bei denen Kardinäle, Patriarchen, zahlreiche Bischöfe, Fürsten und ihre Botschafter durch die geschmückten Straßen schritten. Den gewohnten Festen der Münsterkirchweih, des Kaisers Heinrich, der Lichtmeß usw. gab die Teilnahme des Konzils erhöhten Glanz. Dasselbe widerfuhr den Stiftern und den Klöstern, die an den großen Tagen ihrer Heiligen nun die Scharen dieser fremden Prälaten ihre Kirchen füllen sahen, Messe und Predigt durch die hohen Gäste besorgen lassen konnten. Vor Aller Augen stand die Einheit dieser Kirche und ihre Beherrschung der ganzen Welt, wenn die Verschiedenartigsten, Einer um den Andern, vor den Altären und auf den Kanzeln Basels funktionierten: ein Spanier aus dem Predigerorden, der Bischof von Gurk, der Erzbischof von Rouen, Einer aus dem Humiliatenorden, die Bischöfe von Burgos, von Lausanne, von Aarhus usw.; wenn in der Barfüßerkirche der Elect von Albi durch den Bischof von Leictour konsekriert wurde; wenn am Weihnachtsfeste 1434 die Messe im Münster durch den Kardinal von Cypern gehalten, das Evangelium in griechischer Sprache durch den bärtigen Bischof von Suda (auf Kreta) gelesen wurde.

[498] Neben dieses Kirchliche trat, durch das Konzil geweckt und herbeigezogen, auch noch eine Fülle von sonstigem Staunenswerten.

Einmal die Versammlungen neben der Versammlung. So war von Abhaltung des Cistercienserkapitels in Basel im August 1432 die Rede; und im Juni 1435 kamen hier die Benediktiner der ganzen Mainzer Provinz zusammen, freilich nicht in dem zur Provinz gehörigen Kleinbasel, wie anfangs beabsichtigt gewesen war, sondern im Predigerkloster.

Zu beachten ist auch, wie Ereignisse, die draußen in der Welt geschahen, hier Widerhall fanden. Die Krönung Sigmunds zum Kaiser wurde durch Geläute, Feuer, eine große Prozession des Konzils, an der alle Zünfte mit ihren Kerzen teilnahmen, gefeiert; in ähnlicher Weise die Niederlage Prokops vor Pilsen im Mai 1434. Die Friedensbotschaft von Arras begrüßte das Konzil mit Geläute aller Glocken; die Franzosen zündeten Freudenfeuer an, und am Sonntage darauf, dem Tag ihres Patrons St. Denys, nach der Messe im Münster, bezeugte in ihrem Namen der Erzbischof von Lyon auf feierlichste Weise dem Konzil den Dank für seine Bemühung um den Frieden; Alle waren voll Freude, nur die Engländer blieben diesen Akten ferne. Mit festlichem Glockenklang nahm die Stadt des Konzils auch die Nachricht auf, daß Papst Eugen wieder Herr seiner Stadt Rom geworden sei, im November 1434, und als die Meldung von einem Siege des Herzogs von Mailand über die Venezianer kam, ließen der Erzbischof von Mailand, der Bischof von Como und andere lombardische Prälaten Nachts auf der Gasse vor ihren Wohnungen Feuer lodern und die Musikanten aufspielen.

Von der breiten Pracht und der Würde der Formen, in denen dies ganze Wesen sich bewegte, machen wir uns kaum genügende Vorstellung. Nur gelegentlich erhalten wir einen Einblick. So etwa durch die für die Sessionen geltende Ordnung, oder durch die Vorschrift, wie viele Diener einem jeden Prälaten voranschreiten dürfen: einem Kardinal höchstens zehn, einem Patriarchen acht, einem Erzbischof sechs usw. Anlaß zur Entfaltung von Pomp boten vor allem die Einritte hoher Konzilsteilnehmer und Botschafter; unter diesen der schönste und größte war wohl der in fremdartigem Prunk geschehende Einzug des kastilianischen Gesandten, mit den aufs kostbarste gerüsteten zahlreichen Dienern und Lanzenträgern und Pagen, mit Maultieren, die silberne Hauben trugen, mit einem auf maurische Art gekleideten Herold, mit vierzehnhundert Pferden usw. Auch an einzelne Szenen ist zu erinnern, wie die Exequien des Königs Wladislaw von Polen, der Herzogin von Bretagne, des Königs von Portugal; an die [499] feierliche Exkommunikation der Bürgerschaft von Besançon, am 20. August 1434 aller Welt verkündet durch den Kardinal Johann von Rouen auf einem Gerüst neben dem Münsterportal u. dgl. m.

Die Berichte über diese Vorgänge, so protokollarisch unbelebt sie sein mögen, geben doch zum mindesten eine Ahnung nicht nur von der Massenhaftigkeit, sondern insbesondere auch von einer wunderbaren Farbigkeit der gesamten Erscheinung. Schon das Bild einer Versammlung in Weiß und Gold, wie es durch die Geschäftsordnung der Sessionen gezeigt wird, ist von hohem Reiz; jeder Einritt, jeder Aufzug funkelt in Farben. In Rot sind die Leute des Erzbischofs von Trier, in Blau und Grün diejenigen des Bischofs von Metz gekleidet; das Gefolge des Großmeisters von Rhodus trägt Himmelblau mit roten und weißen Streifen; aber die Gesandtschaft der Stadt Neapel geht ganz in Schwarz, zum Zeichen der offiziellen Trauer um die vor kurzem gestorbene Königin Johanna.

Neben diesen Veranstaltungen, die vergehend und wiederkehrend die reichgefüllte Welt des Konzils in feierlichem Rhythmus bewegen, finden wir vereinzelte Vorfälle besonderer Art, die unsre Aufmerksamkeit fesseln. So das am Epiphaniastag 1435 speziell durch die Spanier arrangierte Turnier- und Tanzvergnügen, von dem Gatari redet. Ob die Florentiner auch hier ihren San Giovanni feierten, wie einst in Konstanz, erfahren wir nicht. Aber eine von eigener Weihe umgebene Szene muß das Requiem für Kaiser Sigmund gewesen sein, durch das Konzil am 27. Januar 1438 im Münster begangen. Und etwas für Basel Neues jedenfalls die Feier der Vermählung des Herzogs Wilhelm von Baiern mit Margaretha, Tochter des Herzogs Adolf von Cleve, im Mai 1433. Seinem Protektor zu Ehren versammelte sich das Konzil am 11. Mai im Münster; vor dem Portal geschah die Desponsation des Paares durch den Kardinal von Bologna, dann wurden sie in den Chor hinauf geleitet, hier inthronisiert und gesegnet. Sieben Kardinäle, zwei Patriarchen, zahlreiche Konzilsväter wohnten der Zeremonie bei. Acht Tage darauf waren die Prälaten des Konzils bei den Neuvermählten zu Tisch geladen.


Das Konzil war sofort in einen Gegensatz zum Papste getreten. Sein Ziel war Ausführung der in Konstanz aufgestellten Sätze, die darauf ausgingen, die absolutistische Kirchenverfassung in eine konstitutionelle umzuwandeln. Es vertrat eine Anschauung von Superiorität des Konzils, die durch den Papst unmöglich anerkannt werden konnte.

[500] Am 14. Dezember 1431 hielt das Konzil seine erste Session; gleichzeitig beschloß Papst Eugen seine Auflösung und verkündete dies am 18. Dezember in öffentlichem Konsistorium zu Rom. Sogleich ging der Gesandte des Papstes ab, um diesen Beschluß den in Basel Versammelten kund zu tun. Am 13. Januar 1432, im Predigerkloster, sollte die Verkündung stattfinden; aber die Konzilsväter gingen ihr aus dem Wege, hörten den Gesandten gar nicht an und antworteten wenige Tage darauf durch Gegenerklärung und Rundschreiben an alle Welt. Der Kampf hatte begonnen.

In kurzen Intervallen folgten sich von da an die Konzilssessionen, und deren Beschlüsse zeigen deutlich, daß in der Basler Versammlung das Bewußtsein dessen, was sie vermochte, in starkem Maße zunahm. Sie erneuerte ausdrücklich die Konstanzer Dekrete; sie lud den Papst vor ihre Schranken zur Verantwortung; sie beschloß, daß bei Erledigung des Heiligen Stuhles das Konklave in Basel stattzufinden habe; sie proklamierte ihre eigene Jurisdiktion in Konkurrenz mit derjenigen der Curie.

Das Konzil konnte so vorgehen, weil es sich stark fühlte. Neue Teilnehmer strömten beständig herzu; eine weltliche Macht nach der andern erklärte ihre Zustimmung. Insbesondere der gute Fortgang der Verhandlung mit den Husiten hob das Ansehen des Konzils. Man war mit diesen soweit gekommen, daß ihre Gesandtschaft das Konzil besuchen sollte. Am 9. Oktober 1432 trafen die Vorläufer und Unterhändler der seltsamen Gäste in Basel ein, am 4. Januar 1433 diese selbst, von den zahlreichen Botschaften, die in diesen Jahren Basel besuchten, die angestaunteste. Mit Neugier und nicht ohne Unbehagen waren die husitischen Gesandten hier erwartet worden. Um Vesperzeit geschah ihre Ankunft. Sie kamen in Schiffen den Rhein herab, unter lautem Gesang von Hymnen; in Kleinbasel stiegen sie ans Ufer: der furchtbare Prokop, Johann Rokyzana, Herr Wilhelm Würfel, Prager, Taboriten, Zizkas Waisen, Priester und Weltliche; sie wurden durch den Rat ehrerbietig empfangen, über die Brücke durch eine gewaltige Volksmenge hindurch nach Großbasel geleitet. Hier fanden sie Quartier in den Herbergen zur Blume, zum Schiff und zum Rosengarten. Ihre Dienerschaft mit über hundert Pferden war zur gleichen Zeit auf dem Landwege in Basel eingetroffen. Die sofort beginnenden Verhandlungen des Konzils mit den Böhmen sind hier nicht zu schildern. Diese blieben bis anfangs Septembers in Basel und kehrten dann in Gesellschaft der Gesandten des Konzils in ihre Heimat zurück, womit der schließliche Ausgleich eingeleitet war.

[501] Am 18. Dezember 1432, dem Jahrestage der von Papst Eugen verkündeten Auflösung des Konzils, hatte dieses den Papst aufgefordert, seine Auflösungsbulle zurückzunehmen, den Kardinalen und andern Geistlichen der Curie befohlen, sich beim Konzil einzufinden; alle von Eugen zum Nachteil des Konzils vorgenommenen Ernennungen nichtig erkannt; dem Papste verboten, irgend ein Eigentum der römischen Kirche zu veräußern oder neue Auflagen im Kirchenstaate auszuschreiben.

Diese Beschlüsse zeigten aufs deutlichste, welche Stellung das Konzil gegenüber dem Papst in Anspruch nahm. Dennoch schien Eugen sich fügen zu wollen. Von seinen Feinden im Kirchenstaate bedrängt, andrerseits durch die Gesandten der Kurfürsten beeinflußt, sprach er am 14. Februar 1433 die Anerkennung des Konzils aus, mit gewissen Einschränkungen. Aber das Konzil verlangte unbedingte Anerkennung.

Hier nun setzten die Bemühungen Sigmunds für den Frieden ein. In Rom, wo er am 31. Mai die Kaiserkrone empfing, unterhandelte er mit dem Papst und sandte Botschafter um Botschafter nach Basel. Aber das Konzil schritt auf seiner Bahn vorwärts; am 19. Juni forderte es den Papst unter Androhung der Suspension auf, binnen zwei Monaten das Konzil unumwunden anzuerkennen. Die Publikation dieses Dekretes sollte in einer Session am 13. Juli geschehen. Die Tags vorher nach eiliger Reise angekommenen Gesandten des Kaisers, ferner der Protektor sowie die von Sigmund dazu aufgeforderten Ratsherren von Basel selbst, verwendeten sich dringend für nochmalige Verschiebung; aber ihr Begehren wurde abgelehnt, jeder Protest stürmisch zu Boden geschrieen, das Dekret durch den Bischof von Leictour mit seiner gewaltigen, alles Getöse übertönenden Stimme verlesen und publiziert. Die Gesandten des Papstes verließen Basel sofort. Zum Kaiser eilten mit der Nachricht Bischof Johann von Chur und im Auftrage des Konzils selbst sowie des Protektors Henman Offenburg.

In Rom hatte Offenburg nicht nur mit dem Kaiser, sondern auch mit Papst Eugen zu tun. Er selbst erzählt, wie der durch das Vorgehen des Konzils aufs höchste gereizte Papst ohne weiteres entschlossen war, die Stadt Basel, den Sitz dieser Versammlung von Rebellen, bis ins vierte Glied zu verfluchen; aber Offenburg, die Sache des Konzils von derjenigen der Stadt scheidend, wußte Basel beim Papste in einer Weise zu vertreten, daß sich dieser daran genügen ließ „und mir gar gnädig ward und gnädigklichen tett.“ [502] Auch bei Sigmund sorgte Offenburg in diesen Tagen für die Interessen seiner Stadt, durch Erwirkung mehrerer Privilegien, am 12. August; tags darauf wurde er selbst auf der Engelsbrücke zum Ritter geschlagen. Am 15. August, bei Monte Rotondo in der Campagna, erteilte Sigmund dem Ritter Offenburg und dem Bischof Johann von Chur ihre Kreditive als Gesandte. Am 6. September trafen sie in Basel ein; ihr Auftrag ging dahin, beim Konzil einen nochmaligen Aufschub des Verfahrens gegen den Papst zu erwirken. Das Konzil gab nach; als Termin wurde der 11. Oktober bestimmt.

Man vergegenwärtige sich, wie alle die Monate hindurch, die diesen letzten Verhandlungen vorangingen, das Konzil immer zahlreicher wurde, wie in Allen die Spannung herrschte, ob der Papst den Termin einhalten, ob es zu seiner Suspension kommen werde. Der erwartete 11. Oktober, ein Sonntag, brach an; das Konzil versammelte sich im Münster zur Feier der Basler Kirchweih und ließ sich nach Schluß des Gottesdienstes dazu bewegen, sitzen zu bleiben und die Gesandten von Papst und Kaiser anzuhören; aber es gab ihnen keinen Bescheid. Man wußte freilich, daß der Kaiser sich unterwegs befand; dennoch war es eine Ueberraschung, als kurz nach Mittag die Kunde durch die Stadt lief, der Kaiser sei soeben angekommen und auf dem Wege zum Münster.

Ueber den Arlberg, den Walensee, Zürich, dann den Rhein herab war Sigmund gereist. Aufs eiligste und mit kleinem Gefolge. Als seine Schiffe sich Basel näherten, ließ er die Trompeter blasen, sodaß Alles an die Fenster und auf die Brücke lief. Bei der Schifflände legte er an, und das Erste, was er tat, war, daß er Schuhe verlangte, da seine Reiseschuhe nicht brauchbar und andre nicht zur Hand waren. Der Rat ließ ihm drei Paare bringen, von denen er eines anlegte; dann, von Rat und dem Protektor geleitet, vom Volk und den hastig herbeilaufenden, meist noch in ihren Hausröcken steckenden Konzilsvätern umgeben, schritt er zu Fuß, seiner Gichtschmerzen nicht achtend, die Freiestraße hinauf zum Münster. Alle Glocken begannen zu läuten; ein Baldachin aus Goldstoff wurde herbeigebracht; auch die Prälaten fanden sich allmählich in Gala ein, so daß der Kaiser auf dem Münsterplatz mit aller möglichen Würde empfangen wurde und nun in die Kathedrale einzog, wohin das Konzil rasch entboten worden war. Sofort begannen hier die Verhandlungen.

Nichts bezeichnender für Sigmund, als diese Ankunft in Basel. Energisch, nicht durch Schwäche noch Schmerzen, aber auch durch keinerlei Rücksicht auf Formen gehemmt, ungeduldig seinem Ziele zustrebend, [503] so tritt er uns auch hier entgegen. Was ihm am Herzen lag, war, sobald als möglich mit dem Konzil reden zu können. Er vertraute auf die Gewalt und Kunst seiner Rede, und wie er schon einmal, vor zwanzig Jahren, das Schisma beseitigt hatte, so hoffte er auch jetzt den Papst und die Basler Versammlung wieder zusammenzubringen, ehe der Termin ablief. Daher die Hast der Reise; daher nach der Ankunft in Basel nicht ins ruhige Quartier, sondern sofort in die Sitzung und zu den Geschäften.

Die Geschichte des Konzils erzählt den überaus bewegten Gang dieser Verhandlungen. Sie galten zunächst wiederholten Terminverlängerungen; in der Sache selbst suchte der Kaiser dem Konzil begreiflich zu machen, daß es für Nachgeben des Papstes ein Entgegenkommen schulde. Endlich am 7. November erlangte er ein Dekret mit der Erklärung des Konzils, dem Papst untertan sein zu wollen, soweit dies mit Gott möglich sei und unter der Voraussetzung, daß Eugen seine Auflösungsbulle förmlich zurücknehme, alle Maßregelungen von Mitgliedern und Anhängern des Konzils ausdrücklich widerrufe, das Konzil in seiner Rechtmäßigkeit unumwunden anerkenne. Am 8. November ging der Gesandte des Kaisers mit dem Dekret nach Rom, und schon am 15. Dezember erklärte Papst Eugen die Annahme der Basler Forderungen.

Es war ein Erfolg der Bemühungen Sigmunds, aber wohl noch mehr ein durch die sonstige schwer bedrängte Lage des Papstes erzwungenes Resultat. Immerhin konnte es in Basel als ein Sieg des Konzils gelten, und diesem Gefühl entsprach auch der imposante Empfang, der hier am 31. Januar 1434 den päpstlichen Gesandten bereitet wurde; der Kaiser mit allen Fürsten und zahlreichen Prälaten, eine Schar von wohl tausend Reitern, zog ihnen vor die Stadt entgegen; groß war die Freude Sigmunds; er soll die Bulle des Papstes den Gesandten abgenommen und an seinem Scepter befestigt in die Stadt hinein getragen haben. Am 2. Februar in der Barfüßerkirche, am 4. im Münster fanden Generalkongregationen statt, bei denen die Gesandten Bericht erstatteten und die Unterwerfung des Papstes verkündeten; am 5. Februar folgte im Münster eine triumphierende Session mit der feierlichen Dezernierung dieses Ergebnisses. Das vom ganzen Konzil gesungene Tedeum, das Glockengeläute von allen Türmen, eine Prozession mit unerhörtem Pompe, bei der Kaiser Sigmund im vollen kaiserlichen Schmucke einherging, verherrlichten den denkwürdigen Tag.


Wie hiebei, so liegt auch bei allem Uebrigen, was in diesen Monaten vom Oktober 1433 zum Mai 1434 hier geschah, das Charakteristische im [504] Zusammentreffen von Konzil und Kaiser. Das Schauspiel war schon bisher ein mächtiges gewesen, jetzt wurde es noch umfassender. Zahlreiche neue Beziehungen und Erscheinungen traten zu der Fülle, die schon da war. Neben der Welt der Kirche tat sich die Welt des Reiches auf.

Das Wichtigste in dieser Beziehung war, daß Sigmund in Basel den Reichstag um sich versammelte. Am 25. Oktober hatte er ihn auf den 30. November einberufen; da nur Wenige dem Rufe folgten, erging am 8. Dezember eine neue Ladung auf 6. Januar 1434, und zu diesem Termin trafen Fürsten, Räte und Städteboten in großer Zahl hier ein.

Auf die Arbeiten dieses Reichstages, die hauptsächlich den Husitenangelegenheiten und dem schwäbischen Landfrieden galten, ist hier nicht einzugehen. Sie waren umfassend genug; aber neben ihnen nahmen noch andere Dinge den Kaiser in Anspruch. Mit dem Konzil hatte er zu verhandeln über die Frage der Präsidentschaft, über Rangstreitigkeiten, über die Uebergriffe des Konzils in den Bereich staatlicher Gewalt u. a. m. Hiezu kam eine gehäufte Menge sonstiger Geschäfte aller Art, weltlicher und geistlicher, politischer und administrativer, die Erledigung finden sollten. Vergegenwärtigen wir uns den Umfang und den steten Wechsel dieser Verrichtungen, dazu die Alles erfüllende Persönlichkeit Sigmunds selbst, so erhalten wir in der Tat das Bild einer erstaunlich bewegten Zeit. Im Johanniterhause und zu Predigern und wo sonst sich der Kaiser in Geschäften betreten ließ, ging es unruhig zu, und dabei klagten Viele, daß sie zu keinem Ziele kämen. „Wer hie zu Basel nit sin muß und nit fast ernstlich hie zu tun hat, der bleibe im Frieden daheim“ schrieb der Frankfurter Gesandte nach Hause.

Neben die Geschäfte traten große und kleine Szenen und Ceremonien in Fülle. Auch an diesen wird offenbar, wie sehr sich der Schauplatz erweitert hatte.

Die Anwesenheit des Kaisers in den Konzilsdeputationen wurde freilich außen kaum bemerklich; um so mehr sein feierliches Thronen in den allgemeinen Versammlungen im Münster, wo er Krone und kaiserliches Gewand trug, Reichsapfel, Szepter und Schwert von seinen Fürsten neben ihm gehalten wurde. So insbesondere in der Session vom 26. April 1434, in der die Zulassung der päpstlichen Präsidenten verkündet und damit auch der letzte Streit zwischen Papst und Konzil beglichen wurde. Es war dies die glänzendste aller Sessionen; hundertfünf Mitren tragende Prälaten, darunter elf Kardinäle und drei Patriarchen, waren neben einigen Hundert sonstigen Konzilsvätern, Fürsten und Herren in ihr anwesend.

[505] Jetzt sah man auch am Weihnachtstage, früh um ein Uhr, den Kaiser vor dem Altar des Münsters stehen, das blanke Schwert in der Hand, und den Gesang des Weihnachtsevangeliums anstimmen; ebenso eindrücklich war der Anblick, da er am Gründonnerstag 1434 bei den Johannitern öffentlich kommunicierte; „Gott gebe, das im und aller kristenheit nütze sie,“ meinte Einer der Anwesenden.

Den fröhlichen Sigmund hinwiederum, den Freund der Frauen und der Feste, finden wir bei den Turnieren, die Ende Dezembers 1433 und in der Fastnacht 1434 auf dem Münsterplatz abgehalten wurden; an sie schloß sich gewöhnlich Bankett und Ball im Hause zur Mücke; da sah man die schönen Frauen Basels, die einen mit weiten goldenen Halsketten oder mit Perlenschnüren geschmückt, die andern in goldgezierten Hauben, deren lange Zacken bis auf die Brust herabreichten. Die Herren waren gekleidet in Goldtuch und Seide und trugen an den Gürteln Glöcklein, die beim Tanze so laut klangen, daß man daneben die Instrumente kaum hörte. „Und immer war der Kaiser dabei.“

Weiterhin die Ceremonien voll kaiserlicher Würde, wie die Belehnungen des Markgrafen von Baden und des Herzogs René von Anjou, auf einer Estrade vor dem Münster, oder die ebenda vollzogene Investitur des Bischofs von Bamberg. Natürlich schlug der Kaiser in Basel auch Ritter: den Venezianer Gesandten Giovanni Francesco Capodilista am 3. Februar unmittelbar nach der Session, in der die Adhärenz Eugens verkündet worden war; bei ändern Anlässen „den Hofmeister von Bern, den Stüssi von Zürich und ander vil buren, das dem adel nit wol geviel.“

Die Gesandtschaft Sultan Murads, die dieser, nachdem er in Ungarn eingebrochen, zur Wiederherstellung des Friedens an Sigmund abgeordnet hatte und die vor ihm in Basel erschien, war jedenfalls das ungewöhnlichste dieser Schauspiele; sie überbrachten dem Kaiser als Geschenke zwölf Pferde von schönster grauer Farbe, zwölf goldgewirkte Tücher, zwölf Wurfmaschinen, zwölf reichgekleidete Jünglinge, zwölf silberne Krüge usw.

Für uns von Wichtigkeit ist die Wirkung aller dieser Dinge auf die Stadt. Es handelte sich um Vorgänge, die für den einzelnen Bürger wie für die Gesamtheit und die Behörden unvergeßbar sein mußten, abgesehen von der großen Arbeit und den sehr erheblichen Kosten, die sie verursachten.

Die tausend Gulden, „Rheinblümlein“, die der Rat in einem vergoldeten Becher dem Kaiser überreichte, konnten als Gastgeschenk oder als besondere Ehrung wegen der Kaiserkrone gelten. Außerdem aber hatte die Stadt noch zu schenken dem Erbmarschalk Haupt von Pappenheim, der unersättlichen [506] Kanzlei, dem Kämmerling und dem Hofmeister und den Trompetern; dazu kamen die großen Auslagen für Herberge und Stallung sowie die Gebühren für die Freiheitsbriefe. Das Flaumfedernbett, das man dem Kaiser aufstellte, lieferte Henman Offenburg, Leintücher besonderer Güte auf dieses Bett Hans Sürlin. Auch die Schuhe und „Sockeln“, welche die Stadt dem Kaiser geliefert, stehen in ihrer Rechnung.

Der Rat sah sich auch, da außer dem Kaiser zahlreiche Fürsten, Herren und Gesandte beständig ab- und zugingen und die Stadt übervölkerter als je war, zur Erneuerung der Vorschriften veranlaßt, die er schon einmal, in den ersten Zeiten des Konzils, erlassen hatte: über Herberggeben und Mietpreise, Marktordnung, Feilhalten auf Straßen und Plätzen, Sauberkeit, Feuerpolizei u. dgl. m.

Ueberdies aber handelte es sich noch um spezielle Beziehungen zwischen Kaiser und Stadt.

Basel war als Freistadt verpflichtet gewesen, dem König bei seiner Reise nach Rom einen bewaffneten Zuzug mit zehn Spießen zu leisten. Schon hatte Sigmund den Herzog von Mailand ersucht, diesem Basler Zuzug freien Durchpaß durch das Mailänder Gebiet zu gewähren, am 1. April 1432. Aber Basel zog vor, auch jetzt wieder sich loszukaufen, und Henman Offenburg brachte dies leicht zu Stande. Von Lucca aus sprach Sigmund am 29. Juni Basel der Pflicht frei gegen Zahlung von siebzehnhundert Gulden.

Aber hiebei blieb es nicht. Schon im Spätherbst 1431 war der königliche Rat Baptista Cigala in Basel gewesen und hatte von der Stadt zweihundertfünfzig Gulden für Sigmund entliehen; im Mai 1434, als der Kaiser wegzog, machte ihm die Stadt ein weiteres Darlehen von tausend Gulden. Hiezu mochten frühere Guthaben kommen. Seine gesamte Schuld an die Stadt war um diese Zeit so groß, daß er ihr die Krönungssteuer der Judenschaft in den rheinischen drei Erzbistümern sowie in Oesterreich, Savoyen und Regensburg bis zum Betrage von siebentausendfünfhundert Gulden verschreiben mußte.

Die übliche Gegenleistung des Kaisers war auch jetzt wieder die Erteilung von Privilegien. Dem Vorschuß vom Herbst 1431 hatte eine Urkunde Sigmunds vom 28. Oktober 1431 entsprochen, durch die dem Rat das Besteuerungsrecht bestätigt und das Recht, eine Meile Weges um die Stadt Brücken und Straßen zu bauen und auf diesen Brücken- und Weggelder zu erheben, verliehen wurde, nebst Gewährung der Steuerfreiheit für seine und der Seinen Güter im Ausland. Jetzt, 1433, folgten drei [507] weitere Privilegien, enthaltend die Bestätigung aller Rechte und Freiheiten der Stadt überhaupt und des Rechts insbesondere, daß kein Basler vor ein auswärtiges Gericht geladen werden könne, zugleich mit Bestellung eines Schirmers dieses privilegierten Gerichtsstandes in der Person des Markgrafen Wilhelm von Hochberg. Diese schönen Freiheitsbriefe, deren zwei erstgenannte mit dem goldenen Majestätssiegel des Kaisers versehen wurden, tragen das Datum der Ewigen Stadt und des 12. August; aber ausgefertigt wurden sie erst in Basel.

Von den Geldgeschäften, die Sigmund in den frühern Jahren mit einzelnen Basler Bürgern getrieben, war schon gebührend die Rede. Wir begegnen Aehnlichem auch jetzt wieder. Diesmal ist es das Konsortium Eberhard von Hiltalingen, Peter Hans Wentikum, Hans Bischof und Haner, das an den Kaiser fünftausendeinhundertvierzig Gulden zu fordern hat. Es erhält dafür einen reichen Schatz von Gold- und Silbergerät als Pfand: zahlreiche Trinkgefäße („Staufe und Köpfe“), Schalen, Kannen, Platten u. dgl. und als Hauptstück eine mit Edelsteinen gezierte goldene Krone. Als Sigmund sich im Mai 1434 anschickte, Basel zu verlassen, gab er diesen Kreditoren ausdrücklich die Freiheit der Verfügung über die Pfandstücke vom 25. Juli an, sofern sie nicht bis dahin eingelöst würden. Die Einlösung fand zwar nicht statt, aber der in solchen Dingen um Hilfe nie verlegene Konrad von Weinsberg hatte durch eigene Verschreibung die Pfänder in Basel festhalten können, und im August war dann Sigmund so weit, den Basler Kreditoren kundzutun, daß sie ihre Zahlung von der Stadt Donauwörth erhalten und dieser dafür die Kleinodien einhändigen sollten. Donauwörth kam zu dieser Rolle, weil es seine verlorene Reichsfreiheit dadurch wieder gewann, daß es dem Kaiser die Kosten seines Ulmer Aufenthaltes bestritt und die in Basel verpfändeten Stücke einlöste. Ende Augusts war dieser Handel perfekt und das Guthaben getilgt; Zahlung hatten freilich nicht die Donauwörther selbst, sondern auf deren Rechnung die Basler Peter Gatz, Heinrich Halbisen und Werlin von Kilchen geleistet.

Im Mai 1434 verließ der Kaiser Basel. Er schied in Unzufriedenheit. Die Tendenz des Konzils, auch rein weltliche Dinge zu behandeln und zu entscheiden, verdroß ihn; wiederholt hatte er protestiert und seine Rechte gewahrt. „Profane“ Streitigkeiten sollten nicht vor die Schranken des Konzils gebracht werden können; „es sei unziemlich, die Sichel an eine fremde Ernte zu legen.“ Als deutliche Manifestation dieser Nichtachtung kaiserlicher Würde und Gerechtsame empfand er es, als sofort [508] nach seinem Wegzug der Kardinal Johann das Throngerüste vor dem Münster, auf dem Sigmund die Fürsten beliehen hatte, auseinanderreißen und mit den Hölzern sich eine Estrade bauen ließ, von der herab er die widerspenstigen Bürger von Besançon anathematisierte; in erregtester Weise beschwerte sich Sigmund hierüber; es sei zu seiner und des Reiches Schmach und Schande geschehen.

Aber das Streben des Konzils zur höchsten Macht, seine Neigung, Alles an sich zu ziehen und zu erledigen, führte nicht nur zu Uebergriffen in weltliches Regiment. In der Hauptsache galt diese Tendenz dem Papsttum, ging auf Einschränkung der Befugnisse des heiligen Stuhles.

Papst Eugen hatte sich im Dezember 1433 allerdings gefügt; aber er war nachgiebig gewesen unter dem Zwang äußerer Drangsal. Im Herbst 1433 waren Sforza und Fortebraccio in den Kirchenstaat eingefallen, im Mai 1434 brach in Rom die Revolution aus. Kurz nachdem Sigmund Basel verlassen hatte, floh Eugen nach Florenz. Von hier aus leitete er beinahe zehn Jahre lang die Kirche; von hier aus führte er auch seinen Kampf mit dem Konzil in Basel.

Der durch Sigmund vermittelte Friede hatte die Gegensätze natürlich nicht ausgeglichen. Prinzip stand gegen Prinzip. Schon am 26. Juni 1434 erneuerte das Konzil ausdrücklich den Beschluß, daß das Konzil dem Papst übergeordnet sei. Diese Anschauung auf der einen, ihre Bekämpfung auf der andern Seite führte zu Maßregeln, die den kaum beigelegten Konflikt wieder aufleben ließen. Zur Krisis kam es dann durch die Verhandlungen über eine Union mit der griechischen Kirche.

Solche Verhandlungen schwebten seit dem Jahre 1433. Im Juli 1434 erschienen Gesandte des griechischen Kaisers in Basel, im Juni 1435 wiederum solche. Aber auch der Papst verhandelte; seine Vertreter traktierten wiederholt in Byzanz neben den Boten des Konzils.

Die Verwickelung wurde noch arger dadurch, daß bei den Beratungen über den Ort des künftigen Unionskonzils nationale und politische Interessen im höchsten Grade mitwirkten. Am 7. Mai 1437 kam unter tumultuarischen Szenen der Beschluß zu Stande, der als Ort des Unionskonzils Basel, in zweiter Linie Avignon oder eine savoyische Stadt bestimmte. Die Minderheit entschied für Florenz oder Udine, und auf Seite dieser stand Papst Eugen.

Zwei Gesandtschaften fuhren nach Byzanz, die eine vom Konzil, die andere vom Papst abgeordnet. Im Gefolge der Konzilsgesandten waren auch Henman Offenburg und Dietrich Murer von Basel.

[509] Das Konzil war in zwei Parteien getrennt, und jede derselben behauptete, das legitime Konzil zu sein. In die bis dahin so bewußt und so imponierend auftretende Versammlung war das Zerwürfnis getragen, das zum Siege des Papsttums führen mußte. Und zuletzt fiel der Entscheid in Byzanz. Hier erwiesen die Päpstlichen, wie sehr sie den Theoretikern des Konzils auf dem Felde diplomatischen Kampfes überlegen waren. Umsichtig, praktisch, rücksichtslos, keine Mittel scheuend gelangten sie zu ihrem Ziele. Sie verstanden es, die Griechen vom Konzil ab und auf ihre Seite zu ziehen, für Abhaltung des Unionskonzils nicht in Basel, sondern in Ferrara zu gewinnen. Damit hatte Papst Eugen gesiegt.

Wie sich nunmehr die Dinge entwickelten, zeigen die folgenden Daten:

Am 31. Juli 1437 zitiert das Basler Konzil den Papst; am 18. September 1437 verkündigt der Papst die Auflösung des Basler Konzils und die Berufung des Unionskonzils nach Ferrara. Am 8. Januar 1438 wird das Konzil zu Ferrara eröffnet, am 24. gleichen Monats die Suspension Eugens vom Amte durch das Basler Konzil erklärt. Am 25. Juni 1439 spricht das Basler Konzil die Absetzung des Papstes Eugen aus; am 5. Juli kommt in Florenz die Union mit den Griechen zustande.

Die einfache Gegenüberstellung dieser Beschlüsse sagt genug.


Die Physiognomie einer Konzilsstadt wird durch Ulrich von Richental in seinem Buche über das Konstanzer Konzil geschildert; wir dürfen annehmen, daß Manches hievon auch für Basel zutreffe.

Vor allem fällt in die Augen das Ueberfüllte und Gedrängte. Die Gassen erscheinen stets als zu eng für die sich stauenden Mengen; des Nachlaufens in Masse „durch wunders willen“ ist kein Ende; aber auch wenn nichts Auffallendes geschieht, ist die Stadt übervoll von Menschen.

Die Händler und Handwerker haben sich nur zum kleinsten Teil in Häusern eingemietet; ihre Tische stehen überall in den Gassen. Die innere Stadt bietet dauernd das Bild eines großen Jahrmarktes.

Zwischen diesem Treiben erblicken wir die Konzilsmenschen aller Grade und Würden. Sie gehen ihren eigenen Geschäften nach. Hinter den Arbeiten der Kommissionen und Versammlungen regt sich eine ruhelose Geschäftigkeit, die mit ihrem oft lauten Wesen die ganze Stadt erfüllt, auch auf der Straße sich zeigt. Ueberall kann man die Väter stehen sehen, debattierend und gestikulierend, vor dem Münster, vor dem Predigerkloster, unter den Türen ihrer Wohnungen. Und in diesen selbst gehen dann die Verhandlungen weiter. Was Fillastre vom Treiben in Konstanz zu sagen [510] weiß, gilt auch hier: man trifft sich im Geheimen, oft bei Dunkelheit, sogar erst nach Mitternacht; die Parteien suchen und finden sich zusammen, und was dann in den Sitzungen zur Behandlung kommt, ist meist schon vorher im Stillen abgeredet worden.

Gerne vernimmt man daher, wie diese geschäftigen und geplagten Männer sich Erholung gönnen. Der Konzilsnotar Bruneti erzählt von sich, daß er mit dem Bischof von Nevers zusammen nach St. Chrischona hinaufgestiegen sei, wobei ihm unterwegs im Walde sein Maultier entlief. Und ein Basler Chronist berichtet das Geschichtlein von den Konzilsherren, die „Lusts halber“ im Bruderholz spazieren und dort ein Vöglein wunderbar singen hören; Einer von ihnen beschwört den Vogel, worauf dieser antwortet, daß er ein verlorner und verdammter Geist sei. „Darüber sind selbige Herren so heftig erschrocken, daß sie krank worden und bald gestorben.“ Auch hier gibt Richental lebensvolle Bilder aus Konstanz: wie die Konzilsherren Ruhe suchen und vor die Stadt ins Grüne gehen; da nehmen sie in den Wiesen unter schattigen Bäumen ihren Imbis; oder in einem Walde schenken Wirte Wein aus, da findet man auch gebratene Hühner und Fische und was man sonst begehrt, und dazu hübsche Frauen. Als Gegenstück hiezu die armen zum Konzil gehörenden Priester, die verdienen müssen und am Mauerwerk und in den Feldern um Taglohn arbeiten.

Zu dem Letztern stimmt, daß auch in Basel über Mangel geklagt wird, daß Vielen schwer fällt, am Konzil auszuharren. Selbst Prälaten wie der Bischof von Leon wollen der Kosten wegen das Konzil verlassen; die Universitäten Wien und Köln rufen aus demselben Grunde ihre Gesandten frühzeitig ab. Ein Mönch von Cluny klagt seinem Abt in beweglichen Worten den Mangel, den er leide; er hat für den Winter Holz gekauft und einen neuen Ofen aufsetzen lassen und hat nun kein Geld mehr. Der Tegernseer Mönch Stöckel redet in jedem seiner Briefe von Entbehrungen, von Geldklemme, von Schuldenmachen; er ist noch nie in solcher Armut und Trübsal gewesen; seinen Mantel und eine Handschrift mit Predigten hat er verkauft, um sich Zehrung zu schaffen. Auch hohe Herren müssen sich einschränken. Die Pferde, die sie mitgebracht, suchen sie zu verkaufen, weil das Futter hier teuer ist; das Gefolge, mit dem sie eingezogen, schicken sie oft wieder nach Hause und behalten nur einen Kaplan und einen Knecht bei sich, zuweilen gar nur den Letztern.

Um den Bestand dieser Konzilsgesellschaft zu zeichnen, müßten eingehendere Angaben gemacht werden, als hier möglich ist. Sie war überaus [511] vielgestaltig. Neben den Prälaten, die von den höchsten Rangstufen an vorhanden waren, neben der niedern Geistlichkeit, den „cortisani aus allen Landen“, den Gelehrten und „Schulpfaffen“, dem Schwarm von Schreibern kamen für die Stadt in besonderer Weise die Anhängsel des Konzils in Betracht. Zunächst die Zahllosen, die Niemandem verpflichtet waren, die Gaukler, Spielleute, gemeinen Weiber. Sodann die Gefolge Einzelner, die Schildträger, Reitknechte, Köche usw.; zu ihnen gehörten auch jene Familiaren, von denen Palomar sagt, daß sie zu gewöhnlichen Zeiten kurze Röcke trugen und ihren Herren bei Tisch aufwarteten, bei wichtigen Geschäften aber durch Anlegung langer Gewänder zu Klerikern gemacht wurden, in die Sitzung gingen und an den Abstimmungen teilnahmen. Namentlich aber waren für die Stadt von Bedeutung die zahlreichen dem Konzil folgenden Händler und Manufakturisten, von denen schon die Rede gewesen ist.

Dies sind Massen und Kategorien. Eine persönliche Vorstellung wird uns erst zuteil beim Gedanken an die einzelnen hervortretenden Gestalten, deren Namen mit der Geschichte der Kirche, des Geistes, der Gelehrsamkeit dauernd verbunden sind. Wie das Konzil in seiner Gesamtheit denkwürdig ist, so hat die persönliche Anwesenheit, das Zusammentreffen zahlreicher bedeutender Männer an diesem einen Orte einzigartigen Reiz. Wir müssen darauf verzichten, die lange Reihe dieser Namen hier zu geben, und nennen aus ihr nur den in Basel bekanntesten, Enea Silvio Piccolomini.

Er kam am 15. April 1432 nach Basel, im Gefolge des Kardinals Capranica. Zum Schreiber des Konzils ernannt, begleitete er im Oktober 1432 den Bischof Nikodemus von Freising zum Frankfurter Kurfürstentag, kehrte von diesem bald wieder nach Basel zurück und blieb hier, bis er im September 1433 mit dem Bischof Bartholomäus von Novara die Stadt verließ. Abgesehen von der raschen Durchreise im Juni 1435, auf dem Wege zum Kongreß in Arras, betrat er Basel erst wieder im Frühjahr 1436 und blieb nun hier, mit Ausnahme einer Reise nach Wien im Sommer 1438; im November 1442 verließ er Basel und das Konzil endgültig, um in die Dienste König Friedrichs zu treten.

Beim Konzil arbeitete Enea als Skriptor, dann als Abbreviator; er gehörte der deputatio fidei an und war Mitglied des Zwölferausschusses. Aeneas von Siena ist der Name, mit dem er in den Akten genannt wird.

Dies seine amtliche Stellung. Daneben finden wir ihn mitten im muntern und ausgelassenen Treiben des Schreibervolkes, keinen Genuß meidend, Haupt eines Freundeskreises, der ihm Basel zu Athen machte, [512] den er als seine Akademie pries. Nicolaus Amidanus, Pivani, Pietro da Noceto, Julianus Romanus waren diese Genossen, die meisten gleich ihm Sekretäre; auch Ludovicus Pontanus trat ihm nahe; neben diesen Italienern erscheinen auch Deutsche, ein Johann Steinhof und ein Arnold, in der Gesellschaft. Zuerst in diesem Zirkel glänzten Geist und Kunst des Enea, wurde seine Poesie, seine Beredsamkeit, der elegante Reiz seines Lateins bewundert. Hier in Basel begegnen wir den Anfängen der Wirkungen, die sich dann gewaltig steigerten, und kraft deren er als Apostel des Humanismus in Deutschland gilt.

Die Ergänzung hiezu war sein Studium des ihn umgebenden Landes und Volkes. Er scheint in Basel deutsch gelernt zu haben; hier und auf den Reisen dieser Jahre gewann er eine Vorstellung des Landes und ein Bild der Landschaft, ging er den Stämmen, der Verschiedenheit ihrer Dialekte nach. In diesen Studien und Beobachtungen, in der Rechenschaft, die er sich selbst darüber ablegte, erwuchs ihm die Anschauung von Deutschland, die dann so oft in seinen spätern Werken durchbricht. Aber nicht deutsches Wesen allein wollte er kennen lernen. Als der Camaldulenser Hieronymus, der Bekehrer der Lithauer zum Christentum, in Basel sich aufhielt, suchte ihn Enea in seiner Zelle bei den Karthäusern auf, um genauen Bericht über jenes Land und Volk zu erhalten; die Bekanntschaft mit einigen Franzosen, an die er beim Konzil geraten, veranlaßte ihn, sich die Geschichte der Franken anzusehen. Mit uneingeschränktem Interesse nahm er jede neue Erscheinung auf, und sein künstlerisches Bedürfnis ließ die Beobachtung sofort zur Darstellung werden. In dieser Weise ist er auch dazu gelangt, die Konzilsstadt Basel selbst zu schildern. Zu zweien Malen, 1433 und 1438, und diese beiden Beschreibungen gehören zu den schätzbarsten Quellen unsrer Geschichte. Hier liegt ihre Bedeutung darin, daß sie die persönlichen Beziehungen des Enea zum Konzilsort und dessen Bewohnern vergegenwärtigen. Hinter der Schilderung so vieler Einzelheiten steht sichtbar der Verkehr des Autors mit den Menschen, und daß einige tadelnde Bemerkungen über Basler Eigentümlichkeiten, die Enea in der ersten Beschreibung anbrachte, ihm in der Bürgerschaft übel vermerkt wurden, ja seinen Weggang nötig machten, scheint aus einer Stelle des spätern Werkchens sich zu ergeben.

Wir würden gerne Mehreres von solchen persönlichen Berührungen erfahren. Aber die Zeugnisse sind selten. So ist auf die Beziehungen des Johann von Ragusa zu den Predigern zu verweisen. Namentlich aber kommt die Karthause in Betracht.

[513] Dieses abseits liegende, vom Lärm des Konzils nicht berührte Kloster eignete sich in hohem Grade dazu, Einzelnen einen Verkehr höherer Art zu ermöglichen. Die Karthause war zu jener Zeit das jüngste, zugleich das innerlich vornehmste Kloster in Basel. Sein Prior Albert Bur von Utrecht vertrat die Gemeinschaft in vorzüglicher Weise. Die Gebäulichkeiten waren noch unfertig und boten die mannigfaltigste Gelegenheit zur Munificenz.

Man hat den Eindruck, daß einzelne Konzilsherren sich wie verpflichtet fühlten, an der gastlichen Konzilsstadt Vergeltung zu üben, und dies am schönsten hier in der Karthause tun zu können glaubten. Wir finden eine so eifrige Betätigung dieser Art, daß später in der Erinnerung der Mönche die Jahre des Konzils als eine glänzende, unvergleichliche Zeit lebten.

Als Kardinal Cesarini im Februar 1435 mit der Entwerfung umfassender Reformvorschläge beschäftigt war, suchte er für diese Arbeit die Stille der Karthause auf. Der Kardinal Otto von Catalonien verfaßte für die Karthäuser einen Mondkalender und erklärte seinen Gebrauch dem ganzen Konvente. Alljährlich am Gründonnerstag fand sich Bischof Aymo von Grenoble drüben ein und wusch den Brüdern die Füße. In so ansprechender Weise tritt uns dieser Verkehr entgegen; seine äußern Dokumente waren die reichen Leistungen für Bau und Ausstattung des Klosters. An der Sakristei, den Kreuzgängen, einzelnen Zellen, an Altardecken, Bildern, Kandelabern, Büchern haftete das Gedächtnis dieser Benefaktoren, der Kardinäle Cervantes, von Arles, Albergati, von St. Eustach, der Bischöfe von Worcester, von Vich usw. Das Schönste waren die Glasgemälde in den Kreuzgängen; durch eine Scheibe sich hier ein Denkmal zu sichern, scheint unter den Prälaten zum guten Ton gehört zu haben, und es entstanden jene in reichster Bilderpracht glühenden Fensterreihen, die als Schmuck der ernsten Kirchhöfe und Wandelgänge das Andenken einer großen Zeit noch lange festhielten. Auch als Ort der Bestattung war die Karthause bevorzugt; sie wurde zur Hüterin der Gräber der Bischöfe von Rochester, Worcester, Utrecht, Como, des Kardinals von St. Eustach und vieler Anderer, deren stille Anwesenheit von nun an die Welt der Mönche bereicherte.


Wie hier die persönlichen Beziehungen einzelner Konzilsglieder, so sind ihnen gegenüber als Vertreter des städtischen Wesens zwei Männer zu erwähnen: Heinrich von Beinheim und Henman Offenburg.

Beinheim, Offizial des bischöflichen Hofgerichts, schon im März 1431 [514] einer der ersten Helfer des Abtes von Vezelay bei der Vorbereitung des Konzils, wurde in der zweiten Session, am 15. Februar 1432, zum Promotor ernannt. Als solchen finden wir ihn, bis zu seinem Rücktritt im Herbst 1436, also während der schönsten Jahre des Konzils, unaufhörlich und in eingreifender Weise bei allen Verhandlungen beteiligt. Sein Ansehen war ein großes; es kam im Jahre 1439 zum Ausdruck durch die ihm vom Konzil verliehene Doktorwürde geistlichen Rechts. Kein anderer Basler hat so intensiv beim Konzil mitgewirkt wie er; aber in diesen Leistungen tritt doch mehr sein Promotorenamt, als seine Person uns entgegen.

Viel individueller gibt sich Offenburg. Die 1430er Jahre zeigen ihn auf der Höhe des Lebens, reich an Gut und Ehren, inmitten der mannigfaltigsten Tätigkeit. Er ist beständig als Gesandter auf Reisen; er besorgt auch Privaten ihre Geschäfte; außer seinen reichen Pfandschaften machen sich die Lehen bemerklich, die er inne hat; auch Beziehungen zum französischen Hofe treten jetzt hinzu. Neben alledem seine älteste und stets noch fortdauernde Obliegenheit, die Mitgliedschaft im Basler Rate.

Merkwürdig ist an Offenburg die Mischung privater Betriebsamkeit und Erwerbskunst mit der Arbeit für das gemeine Wesen. Seine Geschäfte mit den Großen verliehen ihm ein Ansehen, das bewirken konnte, daß neben seinem persönlichen Gewinn auch ein Vorteil für die Stadt sich ergab, und daß er bei Gesandtschaften immer Erfolg hatte. Dies stärkte dann wieder seine Stelle daheim. Er war überall der Unentbehrliche. Daß er keineswegs auch der Geliebte war, beweisen die Ereignisse der 1440er Jahre; und eine merkwürdige Aeußerung des Enea Silvio zeigt, wie die Zeitgenossen des Offenburg diesen gelegentlich darum zu tadeln hatten, daß er in öffentlichen Angelegenheiten sich lässig zeige, während er in seinen Privatgeschäften der Beflissenste sei.

Seine seltene Schmiegsamkeit und Gelenkigkeit erprobte sich in diesen Jahren, da er im Verkehre der Stadt mit dem Konzil wie mit dem Kaiser den Mittelsmann zu machen hatte, zur gleichen Zeit aber auch dem Kaiser beim Konzil und dem Konzil beim Kaiser diente.


Welchen Ansprüchen des Konzils Basel zu genügen hatte, ist gezeigt worden. Die Gegenfrage gilt den Wirkungen des Konzils auf die Stadt.

Diese Frage kann nur zum Teil beantwortet werden. Der Einfluß, den all das Neue auf die Art Basels und seiner Bürger ausübte, ist nicht zu ermessen. Deutlich vor uns stehen nur die Schwierigkeiten, die sich täglich [515] ergeben mußten durch das Ungewohnte und zum Teil Anstößige im Wesen dieser Fremden, durch ihre große Zahl, die lange Dauer ihres Daseins, namentlich aber dadurch, daß sie als Ausländer, als Geistliche, als Glieder des Konzils Ausnahmerechte geltend machten.

Zunächst verlangten[WS 1] die Fragen der Jurisdiktion eine Regelung. Der Grundsatz war ausgesprochen im königlichen Schirmbrief vom 7. Juli 1431: die Angehörigen des Konzils sollen einzig unter der Gerichtsbarkeit und Gewalt des Papstes, sofern er in Basel anwesend ist, oder seines Stellvertreters daselbst und des Konzils stehen und auf Geheiß keiner weltlichen Macht gefangen genommen oder behelligt[WS 2] werden können. Der Rat gab am 1. September 1431 dieselbe Zusicherung, jedoch mit Einschränkung dieser Exemtion auf die „Prälaten[WS 3], Kleriker und deren Diener“, wobei noch vorbehalten wurde, daß Streit über Geldschulden durch Deputierte des Konzils und der Stadt gemeinsam abgeurteilt werden sollten. Trotz diesen Bestimmungen erhielt das Stadtgericht stark vermehrte Arbeit, am meisten durch die fremden Gewerbsleute. Diese Ueberlastung mit Prozessen gab schon 1433 Anlaß zur Bestellung eines Ausschusses für Bagatellfälle.

Das Gegenstück zur Exemtion der Konzilsleute war aber, daß nun auch das Privilegium der Basler, vor keinem auswärtigen Richter Rede stehen zu müssen, ihnen ausdrücklich mit Beziehung auf Jene bestätigt wurde. Das Konzil faßte einen Beschluß dieses Inhaltes schon im Januar 1434, und am 7. Mai verfügte es durch besondere Urkunde, daß keiner seiner Angehörigen, auch der Höchste nicht, während der Dauer der Versammlung und vier Monate lang nach ihrem Schlusse einen Basler vor einem Gericht außerhalb Basels belangen solle, sofern diese in der Stadt selbst vor ihrem kompetenten Richter sich finden lassen. Einige Tage später bekräftigte dies Kaiser Sigmund.

Soviel von den Anordnungen. Wie die tatsächlichen Verhältnisse waren, wissen wir nicht mit Bestimmtheit. Die Exemtion hat zur Folge, daß wir von den Excessen der Konzilsleute nichts erfahren. Wir vermögen nur eine außergewöhnliche Belastung von Urfehdenbuch und Gerichtsprotokollen zu konstatieren, herrührend von Vergehen, die jedoch im einzelnen nicht bezeichnet werden, und von civilrechtlichen Streitigkeiten.

Als eine Wirkung des Konzils sind jedenfalls die Reformen anzusehen, die Cesarini im Basler Klerus vornahm.

Reform der Kirche galt als eine der Aufgaben des Konzils, und sofort nach Beginn nahm daher Cesarini den Basler Klerus unter Visitation; vielleicht mit etwas Ironie geschah es, wenn er in der Rede, die [516] er am 6. Oktober 1431 hierüber an den Basler Klerus hielt, „als Entgelt für die ihm dargebrachten reichen Geschenke eine geistliche Gabe, nämlich die Visitation“ ankündigte; er verhieß, nicht wie ein Richter, sondern wie ein Vater das Geschäft zu vollziehen. Die Weltgeistlichen wurden hierauf dem Bischof von Coutance und dem Pariser Official, die Klöster drei Religiösen zur Visitation übergeben. Auf Grund der hierüber erstatteten Berichte lud der Kardinal die schuldig Befundenen, worunter mehrere Concubinarier, vor sich und ermahnte sie. Im Sommer 1434 ist von solchen Reformen neuerdings die Rede, namentlich beim Domkapitel; ein Diebold, der eine Nonne geschändet hatte, ward des Kanonikats entsetzt. Auch in der Folge gab der Basler Klerus dem Konzil noch wiederholt zu schaffen. 1437 wurde geklagt, daß viele Stiftsherren sich nicht scheuten, Turnieren und Tänzen beizuwohnen; über den Verkehr mit den Basler Weiberklöstern erließ Cesarini Vorschriften, die dann durch den Rat publiziert wurden; auch versuchte er eine Reformation des Leonhardsstiftes durchzuführen.

„Ein Konzil ist die stärkste Konjunktur, die sich für das gesamte Wirtschaftswesen einer mittelalterlichen Stadt denken läßt.“ Nicht die Lage des Einzelnen nur, sondern die städtische Wirtschaft als solche, der Stadthaushalt, hob sich in erstaunlichem Maße. Der Ertrag der Aufwandsteuern vermehrte sich gewaltig; und trotz der außerordentlichen Ausgaben, die der Stadt erwuchsen, am stärksten während des Kaiserbesuches 1433/1434, war sie im Stande, einen beträchtlichen Teil der öffentlichen Schuld zu tilgen.

Es war dies ein Ergebnis der großen Belebung, die über das gesamte wirtschaftliche Wesen gekommen war. Das plötzliche Wachstum der Bevölkerung, die Steigerung des Verkehrs in allen Formen und Richtungen, das Bekanntwerden neuer Bedürfnisse, alles dies übte die mächtigste Wirkung. Sie weckte auch bei den Einheimischen neue Ansprüche, hob ihre Kräfte. Doch ist bezeichnend, daß die eingebornen Kaufleute sich die Chancen des Warenimportes meist entgehen ließen und den Fremden gegenüber, die den Großhandel übernahmen, sich mehr nur auf den lokalen Betrieb beschränkten. „Nur im Detailverkehr machte sich der heimische Kaufmann und Krämer die Vorteile des Konzils zu nutze.“

Wichtiger und auch nachhaltiger war die Stärkung, die das Konzil dem Handwerker brachte. Hier vermittelten die Fremden Fortschritte der Technik und auch ganz neue Arten der Produktion. Doch darf die qualitative Förderung des Handwerks durch das Konzil nicht allzu hoch angeschlagen werden. Schon vor dem Konzil standen hier die Kunsthandwerke in Blüte; Zeugnisse hievon sind die Schilderungen der Kirchenzierden, der [517] Tischgeräte, der Zimmereinrichtungen durch Enea und Gatari, die Ausschmückung der Karthause mit reichster Glasmalerei. Wohl aber ist an die Neuerungen zu erinnern, die um diese Zeit auf dem Gebiete der Weberei sich bemerkbar machen, ferner an die Einführung der Papierindustrie, endlich an das Auftreten eines neuen mächtigen Stiles in der einheimischen Malerei.

Der Natur der Sache nach ging diese Influenz durch zahllose Kanäle in allen Richtungen, auf den verschiedensten Stufen, vom großen Bankier des Hauses Medici bis herab zum kleinsten Bildweber.

Was aber auf diesem Gebiete geschah, geschah zur selben Zeit und in ähnlicher Weise auf allen andern Gebieten. Nicht allein als Wirken einzelner Menschen, sondern zugleich und durch sie hindurch als Wirken dessen, das hinter ihnen stand. Man sah und hörte in Basel täglich alle Welt.

Vergegenwärtigen wir uns die Beziehungen, die Anregungen, die so jahrzehntelang und durch die ganze Stadt hindurch stattfanden. Nicht aus der Kraft einzelner Großer heraus nur, schon in dem alltäglichen Zusammenleben der Fremden mit ihren Gastgebern und Mietsherren vollzog sich eine allmächtige Wirkung. Was hiebei die Basler an Kenntnis und Beurteilung andrer Länder mit ihrem Leben und Können, neuer Menschen, fremder Vorgänge erwerben konnten, ist nicht zu ermessen. Und daneben trat nun die Wirkung der in nächster Nähe geschehenden Konzilsereignisse selbst, des Schauspiels dieser Weltversammlung, dieses leidenschaftlichen Bemühens um Rechte und Lehren der Kirche, dieses Kampfes der großen Gewalten. In den Kundmachungen des Rates wie in den wenigen chronikalischen Aeußerungen jener Zeit tritt zutage, wie bewußt der Stadt das Universale, Einzigartige dieser ganzen Veranstaltung war. Es ist bemerkenswert, daß die Geschichte Basels in diesem Jahrzehnt außer dem Konzil nichts von politischer Bedeutung aufzuweisen hat. Das Konzil absorbierte tatsächlich die stärksten Kräfte und Interessen. Um so mächtiger mußte das Bildende, Erziehende dieser Zeit sein.

In solcher Weise entstand dasjenige, was wir als geistiges Ergebnis, als Gewinn Basels anzusehen berechtigt sind. Zu beweisen ist hier nichts; es handelt sich darum, an solche Einflüsse zu glauben.

Am nächsten liegt die Annahme, daß das am Konzil Erlebte auf die Behandlung kirchlicher und religiöser Fragen eingewirkt habe; ein Ergriffenwerden, ein erneutes Nachdenken über die irdische Form der Offenbarung göttlicher Dinge muß bei Manchem die Folge gewesen sein.

Andrer Art waren die Kräfte, die von den beim Konzil weilenden Humanisten ausgingen. Wir erinnern an Cesarini, an den Mailänder [518] Erzbischof Bartolommeo Capra, an den Camaldulenser Ambrogio Traversari, an Correr, Aurispa, Landriano, Enea Silvio; auch Tommaso Parentucelli, der spätere Papst Nikolaus V., hat sich damals in Basel aufgehalten. Mag nun die Anwesenheit dieser Männer eine länger dauernde oder nur vorübergehende gewesen sein, so kam doch mit Jedem der ihm eigene Reichtum von persönlichem Wert, Kenntnis, Einfluß, Neigungen und Beziehungen, und, was wichtiger war, mit Jedem kam die neue Anschauung und Bildung, das Gefühl einer erweiterten und umgestalteten Welt. Sie erscheinen in Basel wie Gesandte, wie Eroberer, jedenfalls wie Fremdlinge. Ihre offizielle Tätigkeit ist aber diejenige des Geistlichen oder des Diplomaten, und wir erfahren nichts von ihrer sonstigen Wirksamkeit. Handschriftenfunde z. B., wie die berühmten des Poggio und seiner Freunde am Konstanzer Konzil, kommen jetzt kaum zu unserer Kenntnis. Wir vernehmen nur, daß Parentucelli einen Tertulliankodex, Correr einen Salvianus von Basel in die italienische Heimat sandten.

Wir sind ganz auf Vermutungen angewiesen, wenn wir aus der Anwesenheit dieser Männer in Basel etwas Bleibendes für die Stadt ableiten wollen. Vielleicht dürfen wir an die griechische Bibliothek erinnern, die Johann von Ragusa hier hinterließ; oder wir weisen auf einen Mann wie Beinheim, der mitten im Konzilsverkehr stand und zwanzig Jahre später bei Einrichtung der Universität in wichtiger Weise mithalf. Endlich Enea Silvio. Wie er über den Stand der Studien in Basel, die geistige Richtung der Basler dachte, blieb jedenfalls nicht unbekannt. Was er über diese Dinge schrieb, mögen er und Andre oft genug und laut genug auch gesagt haben. Er mußte vielleicht dafür büßen. Aber da und dort blieb wohl ein Stachel zurück oder auch eine Sehnsucht, ein Keim zum Leben. Und mit allgemeinen Bewegungen der Zeit konnte sich dann, als die Stunde gekommen war, eine ganz bestimmte, hier schon bestehende Anregung verbinden. Der Zusammenhang zwischen Konzil und Universität drängt sich der Betrachtung auf wie etwas Notwendiges.


Wir haben uns nur noch mit dem Schluß des Konzils zu beschäftigen, mit der auf die Beschlüsse von 1437 und 1438 folgenden Periode.

Was diese kennzeichnet, ist der Kampf des Konzils mit dem Papste, und dieser Kampf war aussichtslos, schon deswegen, weil der Papst den bessern Schein für sich hatte. Eugen hatte einen großen Frieden zu Stande gebracht, die beiden Kirchen geeinigt; die Basler stritten mit ihm über die Autorität, und ihr Werk war ein neues Schisma.

[519] Auch die Physiognomie des Konzils selbst erscheint als eine veränderte. Eine Reihe markanter Gestalten der frühern Jahre fehlt jetzt; sie waren gestorben, hatten unter den Grabplatten des Münsters und der Karthause Ruhe gefunden nach dem Lärm der Sitzungssäle; oder sie hatten das Konzil verlassen, weil sie nicht mehr seine Wege gehen mochten; unter ihnen Männer wie Palomar, Simon de Valle, Nicolaus von Cusa, und vor allem Cesarini. Dieser war der Erste des Konzils gewesen; jetzt tritt als Haupt der Basler Opposition der Kardinal Ludwig von Arles hervor.

Das Konzil war Zunächst noch stark besucht; seine höchste Präsenzzahl wird aus dem Jahre 1439 gemeldet. Aber der großen Herren wurden neben den Uebrigen immer weniger.

Die Hauptdaten dieser Periode sind folgende. Am 31. Juli 1437 lud das Konzil den Papst binnen sechzig Tagen vor Gericht; dessen Erwiderung hierauf war am 18. September die Berufung eines Unionskonzils nach Ferrara, unter Auflösung der Basler Versammlung; am 1. Oktober, nach Ablauf der Frist, erfolgte seitens des Konzils die Contumazerklärung gegen den Papst, nachdem er, wie die Form verlangte, nochmals von den Stufen des Hochaltars und vor dem Portale des Münsters durch lauten Ruf zum Erscheinen aufgefordert worden war. Das Nächste, am 24. Januar 1438, war die Suspension des Papstes durch das Konzil; nachdem es sodann, um auch gar nichts zu versäumen, drei genau formulierte Sätze von der Autorität des Konzils über den Papst als Dogmen verkündet hatte, erklärte es den Papst Eugen, weil er diesen Wahrheiten hartnäckig widerstrebte, für einen Ketzer und beschloß seine Absetzung. Dieser Beschluß und seine Verkündung geschah im Basler Münster am 25. Juni 1439; die Versammlung bestand zum größten Teil aus Priestern und Doktoren; auf den Prälatenbänken saßen nur wenige Bischöfe. Da ließ, ehe die Sitzung begann, der Präsident Kardinal Ludwig auf die leeren Sitze der ausgebliebenen Bischöfe Reliquien niederlegen, die er aus dem reichen Heiltümerschatz Basels erhoben hatte, damit solchergestalt die Heiligen selbst an der Versammlung und an dem wichtigen Akte teilnähmen. Unter den Anwesenden bemerkte man den Grafen Hans von Tierstein als Vertreter des Protektors, den Bürgermeister Arnold von Rotberg, den Oberstzunftmeister Hans Sürlin und sonstige Herren des Rates.


Die Absetzung Eugens geschah unter den allerschwierigsten Umständen. Das Konzil handelte, wie einer seiner damaligen Führer meinte, sozusagen [520] in articulo mortis. Hungersnot, Kriegsgefahr, Pest bedrängte zu gleicher Zeit die Stadt.

Das Unglück begann damit, daß die 1437er Ernte mißriet. Wie wichtig für Basel die Kornfrage war, erfuhr die Stadt jetzt aufs neue; sie sah sich für ihren Bedarf größtenteils auf fremden Boden angewiesen, sodaß die Angelegenheit jeweilen auch ihre politische Bedeutung hatte. In diesem Moment starker Uebervölkerung der Stadt war die Lage eine kritische. Schon im September 1437 hatten sich die Stadt, das Konzil, der Markgraf von Röteln und die Herrschaft Oesterreich darüber beraten, wie einer Teurung zu begegnen sei, und ein Ausfuhrverbot erlassen. Seit Frühjahr 1438 wurde nun aber in Basel die Teurung spürbar, und da überdies die Witterung sehr schlecht war, mit unaufhörlichen Regengüssen, mußte auch für das laufende Jahr eine Mißernte befürchtet werden. Der Rat tat Alles, um eine Katastrophe zu verhüten. Er bestellte eine Spezialkommission für die Versorgung; er ließ bei den Klöstern und großen Grundbesitzern Umfrage nach ihren Kornvorräten halten; er begann den Bau eines Kornhauses. Die Ausfuhr von Korn wurde untersagt; als Mathis Grünenzwig Einem Geld lieh, um hier Korn zu kaufen und hinwegzuführen, war eine halbjährige Verbannung seine Strafe. Wohl aber behielt sich der Rat vor, Befreundeten und Angehörigen je nach Umständen auch Korn hinauszugeben; solche Begehren liefen häufig und bald immer häufiger und dringender bei ihm ein: von der Stadt Waldshut, von der jungen Frau von Pfirt für ihre armen Leute, von Hans von Ramstein für die Seinen, vom Knecht auf der Wasserfalle usw.

Andrerseits nahmen die Fruchtankäufe der Stadt stets zu, und da sie das Korn unter ihren eigenen Kosten wieder verkaufte, erlitt sie starken Verlust. Aber die Ankäufe im Ausland stießen auf Schwierigkeiten. Straßburg untersagte den Baslern, in seinem Gebiete Korn zu kaufen. Auch Oesterreich hatte schon am 4. September 1438 ein Ausfuhrverbot erlassen und als Basel um guter Nachbarschaft willen dennoch Korn zu erhandeln wünschte, antworteten ihm die Amtleute, daß Solches, auch wenn sie wollten, gar nicht geschehen könnte, indem alle Kornkästen im Lande leer stünden. Diese Unwahrheit, die sich nach kurzem herausstellte, wurde in Basel bitter empfunden und durch den Rat im Buche der Stadt ausdrücklich angemerkt, damit man sich bei Gelegenheit daran erinnere. So mußte Basel seine Nahrung in der Ferne suchen, in Nürnberg, in Ulm, in Speier und Worms. Aber dann war noch der weite Transport eine schwere Sache; allenthalben fand man Uebelwollen; Herren [521] wie Städte suchten die Durchfuhr zu hemmen. Schlettstadt ließ die Basler Kornwagen umwerfen und zurückbehalten; Aehnliches tat Neuenburg.

Und nun die außerordentlichen Schwierigkeiten in der Stadt selbst: die Anordnungen für die Müller und Bäcker, die Regelung des Mahllohns, des Brotgewichts, des Brotpreises; der unaufhörliche Kampf mit Widerspenstigkeit oder Unterschleif. Im Frühjahr 1438 ließen die Müller sämtliche Mühlen auf einen Schlag stille stehen, um damit die Aenderung einer ihnen nicht genehmen Vorschrift zu erzwingen; aber es gelang ihnen nicht, sie wurden mit Verbannung bestraft. Unter solchen Verhältnissen herrschte die Teurung; im Sommer 1439 erreichte sie ihren Höhepunkt.

Die zweite der schweren Nöte dieses Jahres war der Einfall der Armagnaken ins Elsaß. Vom Wesen dieser Banden wird später zu reden sein; hier erwähnen wir nur rasch ihr erstes Auftreten.

Seit 1435 nahmen die Gerüchte von kriegerischen Ansammlungen im Westen festere Form an. Wiederholt kamen Warnungen von Straßburg nach Basel, man redete von dem Auftreten des „öden“ Volkes im Lothringischen, man redete immer ängstlicher von ihrem Näherkommen. Sie kamen in der Tat; sie brachen am 25. Februar 1439 in das Elsaß ein, etwa zwölftausend Mann zählend, alle beritten. Ein panischer Schreck ergriff die Bewohner; „es wurde ein großes Fliehen am Rheinstrom von Basel bis gen Mainz, wie man noch nie zuvor erfahren hatte.“ Die Feinde breiteten sich im Lichtenbergischen aus, dann rückten sie gegen Straßburg, und vor ihnen her ging die Kunde von ihrer Grausamkeit, ihrem Brennen und Morden, ihren Schandtaten. Sie zogen landaufwärts, in einem blitzschnellen Ritt bis Ensisheim. Niemand hier hatte sich eines so raschen Ueberfalles versehen. Ungestört zogen die wilden Scharen durch den Sundgau. Um Dammerkirch und Altkirch legten sie sich in den Dörfern fest, mahlten und buken. Denn das Korn, das Oesterreich den Baslern verleugnet hatte, fand sich in Fülle vor und kam dem Feinde zu gut.

In Basel rüstete man sich sofort. Man erwartete nichts Anderes, als daß die Fremden sich vor die Stadt legen und sie berennen würden; das Gerücht ging, daß sie vom Papst beauftragt seien, das Konzil zu sprengen. Auf allen Zünften wurden die Harnische gemustert. Die Türme erhielten Geschütze und Besatzungen, jedes der Haupttore einen Büchsenmeister; beim Spalentor ward ein Bollwerk aufgeführt. Dann sah sich Basel nach Helfern um. Aber dem Landvogt und den Herren mochte man nicht trauen, und auch den Städten im Elsaß nicht. In dieser Not, zum ersten Male der wahren Lage der Dinge völlig bewußt, den Wert [522] und die Dauerhaftigkeit einst hoch gehaltener Beziehungen ermessend, sandte Basel sein Hilfegesuch über den Jura. Es schrieb an Bern, an Zürich, an Luzern, an Solothurn und Freiburg, an Schwyz, und verlangte Beistand für den Fall, daß das fremde Volk Basel angreifen würde. Als im höchsten Grade bezeichnend erscheint dies Vorgehen und nicht minder seine offizielle Erwähnung im Ratsbuch. Am 7. März antwortete Bern mit dem Versprechen von Hilfe. Es meldete zugleich, daß die Boten aller Eidgenossen nächster Tage sich in Zofingen versammeln wollten, für Besprechung gemeinsamer Maßregeln zum Schutze Basels. Am 16. März schrieb Bern aufs neue und bat um Nachricht; es sei gerüstet.

Aber Hilfe war nicht mehr nötig. Am 25. März verließen die Fremden das Elsaß; der Landvogt und die Gräfin von Mömpelgard hatten ihr Fortgehen mit einer Summe Geldes erkauft; sie zogen an Belfort vorbei und wieder nach Hause.

Kaum war diese Gefahr vorüber, so meldete sich ein neues Unheil, größer als die bisherigen Plagen und dazu bestimmt, die Stadt bis zur Verzweiflung zu treiben.

Schon im Jahre zuvor hatten sich warnende Anzeichen vernehmen lassen, Nachrichten von einem großen Sterben draußen in der Welt. Jetzt kam die Seuche unheimlich den Rhein herauf, und um Ostern 1439 war sie in Basel.

Sie bemächtigte sich zuerst des niedern Volkes, dann überfiel sie auch die Reichen. Sie schonte kein Alter. Sie griff schnell um sich, und in kürzester Zeit stand die ganze Stadt unter ihrem Banne. Alles Lachen war verstummt, man hörte überall nur Stöhnen und Wehklagen. Und wie die Sommerhitze zunahm, sodaß alles Laub verdorrte, wuchs auch die Gewalt der Krankheit. Man sah die Priester mit dem Allerheiligsten und der letzten Oelung beständig auf den Gassen, man sah zu jeder Stunde Leichen hinaustragen. So rasch folgten sich Erkranken und Sterben, daß, wer jetzt seinen Freund noch gesund sah, nach zehn Stunden hören konnte, er sei gestorben und liege schon unter der Erde. Man wich sich aus, man wagte nicht mehr miteinander zu reden. Viele schlossen sich in ihren Häusern ein und mieden die Straßen. Von der üblichen Ordnung der Begräbnisse konnte natürlich keine Rede mehr sein. Der Rat mußte anordnen, wie es jetzt mit den Klagefrauen, mit Sarg und Grab, mit dem Geleite, mit dem Gottesdienst gehalten werden solle. Dabei nahm die Seuche immerfort zu, und ihre Wirkung wurde zur eigentlichen Verheerung der Stadt. „Wie beim ersten Herbstfrost in den Wäldern die Blätter fallen“, so sank das [523] Volk dahin. Es gab Tage, an denen gegen Dreihundert starben. Alle Kirchhöfe waren angefüllt; man tat große Gruben auf und schichtete in diesen die Leichen aufeinander. Das Ratsbuch sagt, der Meinung nach seien während dieser Seuche in Basel bei fünftausend Menschen aus der Welt geschieden; die Chronik redet von achttausend.

Mit der größten Sterblichkeit, zur Zeit der Hundstage, erreichten auch Teurung und Hungersnot ihre Höhe. Dazu lastete eine schier unerträgliche Hitze über der Stadt.

Und gerade um diese Zeit war das Konzil mit dem Allerwichtigsten beschäftigt. Wie furchtbar die Väter durch die Pest erschreckt wurden, sagt uns Einer aus ihrer Mitte selbst, Enea Silvio, der diese durch den Tod gepeinigte Stadt auf ergreifende Weise schildert. Die Väter waren alle bleich geworden, keine Farbe mehr auf ihren Wangen. Die Kleinmütigsten flohen hinweg; die Bleibenden führten ihr Werk bis zur Absetzung Eugens, rings vom Tod umgeben, entschlossen durch. Dann aber scheint die Angst allmächtig über sie gekommen zu sein. Man beriet, ob man nicht jetzt das Konzil auflösen oder doch an einen gesunden Ort verlegen wolle. Die gerne geschlossen hätten, drangen auf sofortige Wahl des neuen Papstes, die Mutigen mahnten, damit noch zuzuwarten. Im gewohnten Saale beim Münster stritten die Führer über diese Entscheidung, am Tage nach der Absetzung Eugens. Die Einen verwiesen auf die unerhörte Gewalt der Seuche, ihr stetes Anwachsen; die Andern erwiderten, daß starke Männer und die im Kampfe für Christum stünden, den Tod nicht zu fürchten hätten; die Pest habe zugenommen, weil das Konzil so lange zögerte, Recht zu üben; jetzt sei der Gerichtsspruch ergangen, und die Krankheit werde nachlassen. Man entschied sich dafür, zu bleiben und die Wahl zu verschieben.

Während mir von den Verwüstungen, welche die Pest in der Stadt anrichtete, nichts Anderes erfahren, als allgemeine Angaben und große abgerundete Zahlen, wird uns beim Konzil der ganze Vorgang erkennbarer; die Erzählung des Enea Silvio läßt uns die weitern Lücken sehen, die der Tod in die Reihen der Konzilsleute brach. Von den Bullenschreibern starben acht, von den Schreibern der Pönitentiarie ebensoviele oder noch mehr; viele der Doktoren fehlten; von den Erkrankenden kamen die wenigsten wieder zum Leben. Enea Silvio selbst freilich, den die Seuche heftig angriff, genas wieder. Aber die Grabschriften und das Memorienbuch der Karthaus nennen die zahlreichen Herren des Konzils, die in diesen furchtbaren Wochen starben, als die Bekanntesten unter ihnen den großen Juristen Lodovico Pontano, der am 11. Juli rasch hinweg starb, [524] und den Patriarchen Ludwig von Aquileja, den letzten der Herzoge von Teck; dieser starb am 19. August, ohne den von ihm ersehnten Tag der Wahl eines neuen Papstes gesehen zu haben; aber ihn tröstete, daß er wenigstens die Absetzung Eugens noch erlebt habe, und freute sich, eine solche Botschaft ins Jenseits zu bringen.

Nur eine so starke Ueberzeugung, wie die in diesen Worten sich zeigende, vermochte die Führer des Konzils aufrecht zu erhalten. Sie gedachten an das Wort des Judas Maccabaeus: „uns ist leidlicher zu sterben, denn daß wir solchen Jammer an unserem Volke und Heiligtum sehen.“ Sie waren entschlossen, für die Autorität der Kirche auch jetzt einzustehen, das heilige Werk ihrer Reform trotz Todesgefahr nicht zu verlassen. Noch die späte ruhige Erzählung des Segovia läßt den heroischen Idealismus erkennen, der während dieser Zeit die Basler Versammlung beseelte.

Aber welche Stimmung umgab sie in der Stadt? Schon vor Jahren einmal, als um Basel die Früchte mißrieten, hatte das Volk dem Konzil die Schuld gegeben. Was die Väter seitdem geleistet, zuletzt mit der Absetzung des Papstes, gab jedenfalls Manchem zu denken. Die Frage lag nahe, ob nicht diese unerhörte Häufung von Unglück eine Strafe des Himmels sei. Als bei der Bestattung des Patriarchen von Aquileja ein Murren unter den Zuschauern sich erhob und das Volk dem exkommunizierten Prälaten, den man hier mit solchen Ehren zu Grabe trug, die Schuld gab an der Dürre, war dies wohl nur Aeußerung einer allgemeinen Ansicht.

Daß in den Massen eine furchtbare Aufregung herrschte, ist nicht zu bezweifeln. Sie suchten nach Mitteln, um den Zorn Gottes zu besänftigen. Daher vor allem die Bittgänge, die jetzt in einem sonst nicht gewöhnlichen Maße veranstaltet wurden. Zunächst die Fahrt zu dem wundertätigen Marienbild Totmoos. Am 12. Juni zogen etwa tausend Wallfahrer dorthin, zwanzig Priester gingen auf der Stadt Kosten mit. Am 21. Juni machte eine Sonderprozession der Kleinbasler denselben Weg. Aber die Seuche ließ keineswegs nach, sondern wuchs, und der ersehnte Regen blieb aus. Da veranstalteten die Münsterkapläne einen zweiten, noch größern Bittgang, diesmal zu U. L. F. nach Einsiedeln. Das Domkapitel gab seinen Willen dazu; von St. Peter und aus den Klöstern schlossen sich Viele an; aus dem Volke kamen an die Tausend. Ueber Säckingen, Brugg, Zürich ging die Wallfahrt; kein Geschwätz wurde unterwegs geduldet, sondern unter unaufhörlichem Weheklagen, unausgesetzten Bittgesängen die vier Tage lang zog die Schar zu dem Gnadenorte.

Auch das Konzil tat das Seine, namentlich durch Verheißung von [525] Ablaß, und zwar auf mancherlei Weise: für alle an der Pest reuig Sterbenden, für die Wallfahrer, für die beim Konzil Ausharrenden usw.

Wir finden noch andere Zeugnisse dieser Erschütterung der Gemüter. Die Pilgerfahrt des Hans Rot nach Jerusalem im Frühjahr 1440, die große Stiftung des Konrad zum Haupt für die Kranken im Spital, September 1439, gehören jedenfalls hieher. Ebenso, daß am 22. Juni 1439 die Safranzunft in ihrer Andreaskapelle ein Salve Regina stiftete; ein Zusammenhang dieser Fundation mit dem, was damals am Konzil zur Verherrlichung U. L. F. geredet und im Beschluß über ihre unbefleckte Empfängnis verkündet wurde, wird kaum zu leugnen sein.

Ganz unmittelbar aber lebt der Geist dieses vom Tod und seinen Schrecken beherrschten Jahres weiter in den weltberühmten Bilderreihen des Totentanzes, die damals an den Wänden der Kirchhöfe zu Predigern und im Klingental gemalt wurden. Durch die Ueberlebenden einer furchtbaren Zeit als deren Denkmal und zugleich als Memento hingestellt, wirken diese Szenen des „Todes von Basel“ noch heute mit Gewalt.


Im November endlich ging die Prüfung ihrem Ende zu. Die Seuche erlosch. Man atmete wieder auf. Und sofort schritt das Konzil zur Wahl des neuen Papstes.

Die erste Vorbereitung war die Bezeichnung der Papstwähler; sie wurde einem Dreierausschuß übertragen. Sodann, während diese Triumvirn an der Liste arbeiteten, rüstete man dem Konklave den Ort, in dem Gesellschaftshaus zur Mücke, das durch die Sitzungen einer Deputation den Konzilsvätern wohl bekannt war. Früher hatte es zu Tänzen, Banketten, Festen aller Art gedient, aber diese weltliche Verwendung konnte nun gesühnt werden; „wo die Laster triumphiert hatten, sollte jetzt Sitte herrschen, der Ort der Ausgelassenheit zu einer Stätte des Gebets werden.“

Deutlich empfinden wir das merkwürdig frisch belebte, gesteigerte Wesen dieser Tage. Auf die Kunde, daß in Basel die Pest erloschen, die Wahl eines neuen Papstes im Tun sei, strömte es von allen Seiten. Das Konzil ward voller als je. In der Versammlung selbst und durch die Stadt waltete das frohe Gefühl der Erlösung aus langer Pein, das Bewußtsein zugleich, daß nun auch in kirchlichen Dingen ein völlig Neues beginne, Ordnung und Friede wiederkehren werden. Wie sehr diese Empfindung auch schlichte Menschen aufrüttelte, zeigt das Beispiel des Kaplans Appenwiler, der darüber zum Chronisten wurde. Jeder war sich bewußt, wie Großes bei der Papstwahl auf dem Spiele stand. Zu den ungewöhnlichen [526] Erlebnissen, die Basel dem Konzil verdankte, kam nun noch dieses. Die Tat der Absetzung war inmitten der Schrecken der Pestzeit wenig hervorgetreten; um so mehr wendete sich jetzt alle Frische des gleichsam verjüngten Lebens dem neuen Vorgange zu. Die Erregung, die Alle erfüllte, lebt in den Schriften jener Tage und kann auch uns noch ergreifen.

Meisterhaft schildert Enea Silvio die Sitzung, in welcher der Ausschuß sein Wählerverzeichnis vorlegte: die Unruhe durch die ganze außerordentlich zahlreiche Versammlung; das Flüstern in allen Bänken; das auffallende Benehmen Einzelner, die nicht zweifelten, erkoren zu sein, schon Festkleider angetan und ihre Wohnung für die Dauer des Konklave Freunden übergeben hatten; vor allem die tiefe Erregung des Arelatensis, sein Zuspätkommen, sein Zittern und Erbleichen; dann die lang ausgesponnenen Einleitungs- und Besänftigungsreden der Triumvirn; endlich unter allgemeiner Stille die Verlesung der Liste durch Johann von Segovia. Der Arelatensis war von allen Sorgen befreit, war zufrieden, sein heiter gewordenes Antlitz erheiterte die ganze Versammlung, unter lautem fröhlichem Geräusch wurde die Sitzung aufgehoben.

Tags darauf, am 30. Oktober, begann die eigentliche Wahlhandlung, mit einem Hochamt im Münster. Wer diesem von Anfang bis zu Ende beiwohnte und zu Gott um einen glücklichen Fortgang der Wahl betete, dem war Ablaß verheißen. Die ganze Geistlichkeit der Stadt war anwesend, ebenso Graf Hans von Tierstein an Statt des Protektors, Bürgermeister und Rat, viele Ritter und Bürger. Oben zwischen den Säulen der Emporen standen die edeln Frauen. In der Kirche drängte sich und füllte draußen den Platz eine gewaltige Menschenmenge. An die Messe schlossen sich die Geschäfte, die Verkündung und Gutheißung von Dekreten, die Beeidigung der Wähler. Dann unter den Klängen des Tedeum formierte sich die Prozession zum Konklave. Knaben in weißen Kleidern eröffneten den Zug, es folgten der Basler Klerus, das Konzil, eine Schar von Priestern aus der Stadt mit hochgetragenen Reliquien, dann die Wähler, als ihr erster der Kardinal von Arles in der Pracht der Mitra und des goldenen Gewandes. So zog man über den Platz zur Mücke. Die Wähler traten ein und bezogen ihre Kammern. Die letzten Zurüstungen wurden getroffen, dann um neun Uhr abends das Tor geschlossen, mit Riegeln und Ketten gesichert.

Das Haus enthielt zwei große Säle: zu ebener Erde den Sommersaal, im ersten Stock den heizbaren Wintersaal. Durch Vorhänge hatte man in diesen Sälen Kammern für die Konklavisten und einen gemeinsamen [527] Raum hergestellt; jede Kammer war groß genug, um ein Bett und einen kleinen Tisch aufnehmen zu können. Die Fenster waren beinahe ganz zugemauert, sodaß nur wenig Licht noch einfiel. Um Rauch und Brandgefahr zu verhüten, wurde kein Feuer angezündet. So lebte man hier in Dunkel, Kälte und Feuchtigkeit. Kein Wunder, daß die alten Herren sofort von Rheumatismen befallen wurden, daß das Husten des Einen dem des Andern antwortete. Auch die Nahrung war kärglich.

Der Tag der Konklavisten begann mit Gebet und Messelesen. Es folgte die Beratung, an die sich das Scrutinium schloß, dann Frühstück und Rekreationszeit. Um drei Uhr traten die Wähler wieder zusammen, zur Besprechung der im Scrutinium Bezeichneten; um sieben Uhr wurde eine Mahlzeit genommen, um zehn Uhr der Tag geschlossen. Dieses ganze stillverschlossene Treiben war bewacht durch die Bewaffneten der Stadt und eine doppelte Umschrankung; aber auch umgeben von den Prozessionen und Gebeten der Gläubigen.

Am siebenten Tage der Einschließung, am 5. November, morgens, gerade als die gewohnte Prozession in der Stunde des Scrutinierens mit dem Gesange des Veni creator spiritus das Konklavehaus umschritt, himmlische Erleuchtung auf die Wähler herabflehend, kam drinnen die Wahl zu Stande. Sie fiel auf den Herzog Amadeus von Savoyen. Alle Fenster wurden aufgebrochen, ein großes silbernes Kreuz hinausgehalten. Die Kunde verbreitete sich rasch durch die Stadt, und binnem kurzem war der ganze Platz vor dem Hause mit Menschen gefüllt. Der Arelatensis trat an ein Fenster, mit dem üblichen „ich verkündige Euch große Freude“ seine Rede beginnend. Er nannte den Namen des Erwählten, pries seine Tugenden, bezeugte, daß die Wahl geschehen sei zur Ehre Gottes und zum Heil der Kirche. Der Domdekan Wiler stand neben ihm und übersetzte seine Rede ins Deutsche. Drinnen im Hause sangen die Konklavisten dankbar das Tedeum, von allen Türmen der Stadt erhob sich Geläute.

Bald waren die Väter des Konzils und die Klerisei der Stadt vor dem Hause versammelt; sie nahmen die Wähler in Empfang, die als bleiche fröstelnde Gestalten heraustraten, und geleiteten sie ins Münster, wo mit Gebeten und Lobgesängen die Wahlhandlung schloß.

Zunächst steht nun der Erwählte allein im Vordergrunde; das vor allem Wichtige ist, daß er die Wahl acceptiert, daß er vom Throne Besitz nimmt, daß er in die Konzilsstadt kommt.

Am 18. November bestellte das Konzil die Gesandtschaft, die alles dieses bewirken sollte. An ihrer Spitze war wie natürlich der Arelatensis; [528] Bischof Friedrich von Basel und der Domdekan Wiler gehörten ihr an. Graf Hans von Tierstein und Wilhelm von Grünenberg begleiteten sie, als Vertreter der Stadt die Bürgermeister Rotberg und Bärenfels, Hans von Laufen, und der Ratschreiber Konrad. Edle und Bürger schlossen sich an; mit der Dienerschaft war es eine Schar von zweihundertsiebzig Berittenen. Am 3. Dezember verließen sie Basel. In Genf, dann in Thonon ehrenvoll empfangen, trafen sie am 15. Dezember in Ripaille ein.

Amadeus, seit 1398 Graf, seit 1416 Herzog von Savoyen, hatte in sorgfältiger Verwaltung, mit größter Klugheit jede Zeitlage nützend sein Land zu glänzendem Gedeihen gehoben. 1434 verließ er die Welt und zog nach Ripaille. Hier lebte er mit sechs seiner vornehmsten Herren in einer ritterlich-klösterlichen Gemeinschaft, deren Dekan er selbst war. Aber der Regierung hatte er damit nicht entsagt, seinem Sohne nur eine Vertretung eingeräumt; er selbst besorgte auch in Ripaille die wichtigsten Regierungsgeschäfte, und seine Ordensherren dienten ihm als geheimer Rat.

Wir übergehen die Verhandlungen, die man nun in Ripaille führte. Amadeus wollte gebeten sein. Endlich — auch der Ratschreiber Konrad im Namen Basels redete auf ihn ein — erklärte er die Annahme der Wahl. Er gab sich den Papstnamen Felix, und am 17. Dezember geschah in der Kirche zu Ripaille seine feierliche Inthronisation.

Noch trug er den Einsiedlerbart; erst am Weihnachtsabend ließ er ihn wegnehmen. Er hatte Ripaille gleich nach seiner Erhebung verlassen und weilte jetzt in Thonon; hier vollzog er nun vollständig die förmliche Abdikation vom Herzogtum in die Hände seiner Söhne.

Die bevorstehende Residenz des Papstes in Basel machte hier erneute Maßregeln der Stadt notwendig. Man hatte ein starkes Zuströmen von Menschen zu erwarten und mußte bei Zeiten für Quartiere und Lebensmittel besorgt sein. Wie zu Beginn des Konzils, so vereinbarte man sich auch jetzt wieder über Häusermiete, Preise der Lebensmittel, über Marktordnung, Steuern, Münzkurs usw.

Am 28. April verkündete Papst Felix V., nun von Lausanne aus, wohin er seinen Hof verlegt hatte, der Stadt Basel seine baldige Ankunft und beglaubigte beim Rat die Gesandten, die alles Einzelne zu verabreden hatten. Hiezu gehörte vor allem das durch die Stadt dem Papst zu erteilende Geleit; ferner die Anweisung eines passenden Hauses; auch mußte Platz für zweitausend Pferde beschafft werden, u. dgl. m. Endlich, am Johannistage, 24. Juni, traf der Langersehnte in der Konzilsstadt ein.

Schon Tags zuvor hatten ihm Gesandte des Rates an der Grenze [529] Basels bei Balstal die ersten Ehren erwiesen; in Liestal verbrachte er die Nacht. Bei der Katharinenkapelle vor dem Aeschentor empfingen ihn Konzil und Rat, vor dem Tore selbst Bischof Friedrich mit dem Klerus; in der Sonne strahlend waren die Reliquienbehälter aller Kirchen hier beisammen; daneben standen die Zünfte geordnet mit brennenden Kerzen und Fackeln. Und nun erfolgte der Einzug unter dem Geläute aller Glocken, auf vielmal gewendetem Wege durch die buntgeschmückten, von Menschen vollgedrängten Gassen. Schweres Gewölk hatte während des langen Marsches immer dunkler den Himmel gefüllt, und kaum war der Papst in das Münster getreten, so brach das Wetter los; Regengüsse strömten hernieder, scheuchten die Menge auseinander, löschten die Freudenfeuer, die allenthalben der Tageshelle zum Trotze loderten.

Das Quartier für Papst Felix stand im Hause des Heinrich von Ramstein hinter dem Münster bereit; der Rat hatte das Haus gemietet.

Was nun noch fehlte, war die Krönung. Die Kardinäle von Arles und von Varembon hatten mit dem Rat sachkundiger Prälaten die Vorbereitungen[WS 4] für diese Feier getroffen; sie wurde auf den 24. Juli, einen Sonntag, anberaumt. Am Tage zuvor kam Herzog Ludwig von Savoyen, des Papstes älterer Sohn, nach Basel; Jeder sah gerne seine angenehme Erscheinung, an der besonders die hellen Augen auffielen.

Da das Münster für die Veranstaltung zu klein war, verlegte man diese ins Freie auf den Platz. Hier erhob sich längs der Front des Münsters ein gewaltiges Gerüste, mit Tüchern überspannt zum Schutze gegen Sonne und Regen. Eine noch höhere Estrade am Ende dieses Gerüstes, neben der Statue des heiligen Georg, trug einen Altaraufbau.

Von allen Seiten war das Volk nach Basel geströmt, dem seltenen Schauspiel beizuwohnen. Man schätzte die Versammelten auf fünfzigtausend Menschen. Dem Münster gegenüber standen die Männer, zwischen Münster und Johanniskapelle die Frauen; alle Fenster waren besetzt, die Linden und Dächer saßen voll. Auf dem Gerüste vor dem Münster standen das Konzil, der Klerus, die Adligen, die Räte der Stadt, die Boten von Bern, Freiburg, Solothurn, Straßburg usw., viele hundert Menschen.

Endlich erschien der Papst. Er stieg zum Altar empor und beging hier die Messe, die erste seines Lebens, so weihevoll, ohne Zaudern und Irrtum, daß Alle ihn bewunderten. Seine beiden Söhne ministrierten ihm. Bei den Responsorien freilich sangen die Advokaten, die einen Chor zu bilden hatten und unter denen sich auch Enea Silvio befand, in so falschen Tönen, daß alle Zuhörer bis zu Tränen lachen mußten; aber im [530] übrigen vollzog sich die ganze Meßhandlung in vollkommener Ordnung und Weihe. Und nun folgte das Größte, die Krönung. Das Kyrie Eleison erklang; hoch vor dem Altare, im Angesichte des unermeßlichen Volkes, setzte Kardinal Ludwig von Arles dem Papste die kostbare Tiara aufs Haupt, in diesem mächtigsten Augenblicke seines Lebens die Frucht langer Mühen genießend. Alle Welt schrie Vivat papa und erhielt Ablaß.

Damit war die Handlung zu Ende, und der Festzug durch die Stadt geschah, ein Zug, wie Basel noch keinen gesehen hatte, keinen mehr sehen sollte. Er war so weit als möglich mit dem Ceremoniell ausgestattet, das in Rom jeweilen nach der Krönung die feierliche Besitznahme des Laterans durch den Papst umgab. Nach den in dichten Scharen den Zug eröffnenden Kriegsleuten und Dienern ritten die Edeln Basels, unter denen Graf Hans von Tierstein Alle an Größe überragte. Es folgte Herzog Ludwig von Savoyen mit dem Adel seines Reiches; er war in lang herabwallenden Goldstoff gekleidet; seine Räte und die unzähligen Herren in Gewändern von Gold und Purpur und im Schmucke von Edelsteinen miteinander wetteifernd; Trompeter, Pfeifer, Gaukler begleiteten die funkelnde Pracht dieser Gruppe. Ernst schritt hinter ihr der Basler Klerus mit den Reliquien. Es folgten zwölf schneeweiße Pferde unter roten Decken, dann der große Sonnenschirm in den römischen Farben rot und gelb, und hinter ihm, statt der an dieser Stelle vorgeschriebenen, nun aber fehlenden Seepräfekten der Kirche, die edeln Eremiten von Ripaille, des Papstes einstige Gefährten. An sie schloß sich das Konzil selbst, und an dieses das Allerheiligste, durch Johann von Ragusa zwischen zwei großen brennenden Leuchtern getragen, endlich den Aller Augen suchten, der Papst selbst, in der Tiara, unter goldenem Baldachin würdevoll einherreitend; sein Pferd führten zur einen Seite der junge Markgraf von Röteln, dem die reichen blonden Haare im Winde flatterten, zur andern der alte Konrad von Weinsberg. Sein Hofstaat folgte; hier ward Geld unter das Volk geworfen, die Gesandten der Fürsten und Städte und eine buntgemischte Menge schlossen den Zug.

Auf langem Wege durchzog diese Herrlichkeit die Stadt, und damit das römische Krönungsceremoniell sich in Basel völlig wiederhole, hatte auch hier eine Deputation von Juden sich dem Papste zu nahen und ihr Gesetz ihm zu überreichen. Beim Predigerkloster endigte der Zug; in ihm verbrachte der Papst die Nacht.


Basel besaß nun Konzil und Papst in seinen Mauern. Aber diese Vollständigkeit der Gewalt war nur eine scheinbare. Durch die Papstwahl [531] hatte das Konzil seine geistige Macht unzweifelhaft schwer geschädigt. Ohne einen solchen eigenen Papst würde es der Vertreter allgemeinen Protestes gegen Eugen geblieben sein; mit der Wahl schuf es ein Schisma, und in dem vergeblichen Ringen, die zufolge hievon versagenden Sympathien der weltlichen Mächte zu festigen oder neu zu gewinnen, sank es selbst immer tiefer.

Dem entspricht, daß diese letzten Jahre des Konzils auch für die Stadt nicht mehr viel bedeuten.

Nur wenige Einzelheiten können noch erwähnt werden, wie die Reformation des Barfüßerklosters und des Gnadentals, die das Konzil durchführte, und die fortdauernden Beziehungen zur Karthaus, die sich in verschiedenen Spenden des Papstes sowie seiner Kardinäle Otto von Catalonien und Georg von Vich äußerten. Auch das schöne und feierliche Gastgeschenk des Felix ist hier zu nennen: die Papstglocke des Münsters.

Das Wichtigste war aber der Besuch König Friedrichs im November 1442. Er kam auf Umwegen von Zürich, wo er „mit überschwenglichem Jubel der Bürgerschaft“ empfangen worden war und von ihr den Reichseid sowie den Schwur auf den österreichischen Bund entgegengenommen hatte. In Basel, dessen Krieg mit Oesterreich vor der Türe stand, begegnete er einer andern Stimmung, wenn auch der Rat ihm alle schuldige Höflichkeit erwies. Sein Besuch galt überhaupt weder der Stadt noch dem Konzil, sondern dem Papste, und auch diesem nur unter Vorbehalten. Jede offizielle Berührung mit dem Konzil vermied Friedrich, und den Felix besuchte er nur spät abends. In welcher Weise hier die Fragen des Konzils und der deutschen Neutralität verhandelt wurden, blieb geheim; der König soll ein Anleihen gemacht haben, und nach Enea Silvio war der Hauptgegenstand der Unterhaltung das Projekt einer Vermählung Friedrichs mit der Tochter des Papstes. Sofort nachher aber, am 16. November, verreiste der König. Tags darauf schied auch Papst Felix von der Stadt. Der König wendete sich nach Konstanz, der Papst nach Lausanne, wo er nun fürs erste seinen Hof einrichtete.

Aber mehr als diese Abreise des Papstes besagte der Weggang des Enea Silvio, der gleichfalls in diesen Tagen Basel verließ. Enea folgte dem König Friedrich. In dessen Diensten vollzog er den Uebergang von der Konzilspartei zum Anhang Eugens; er hauptsächlich hat dann auch den Ausgleich zwischen Eugen und Deutschland zu Stande gebracht, infolge dessen das Konzil vollends zu Grunde ging.

Uns beschäftigt hier noch dieser Ausgang.

Das Konzil ward immer schwächer, namentlich seit bald nach dem Weggange [532] des Enea auch die Aragonesen und Neapolitaner, unter ihnen der mächtige Tudeschi, Basel verlassen hatten. Die Tätigkeit des Konzils verlor fast alle höhere Bedeutung; sie ging auf in Pfründenangelegenheiten und ähnlicher Kleinarbeit. Aus der matten Unbelebtheit dieser letzten Jahre tritt nur Weniges kräftiger hervor, wie die Gefährdung des Konzils durch den Dauphin und seine wiederholte Bemühung um den Frieden; ferner die Sache des ketzerischen Nicolaus von Buldestorf, den das Konzil am 8. Juli 1446 verdammte, worauf er hier den Feuertod erlitt.

Im August 1446, als wieder Friede im Land war, stellte sich auch Papst Felix wieder beim Konzil ein und nahm diesmal seine Wohnung im Bischofshofe. Doch war seines Bleibens nicht mehr. Er fühlte, daß es in Basel zu Ende ging. Noch schenkte er zu Weihnachten dem Bürgermeister Hans Rot nach römischer Gewohnheit Hut und Ehrenschwert; wofür bei der Christmesse im Münster der Bürgermeister mitsang; und Tags darauf zogen die Bürger mit den beiden Geschenken in der Stadt herum. Aber schon am 9. Januar 1447 verließ Papst Felix Basel wiederum, und diesmal für immer.

Vergegenwärtigen wir uns die dunkle Stimmung dieser Zeit. Die Gräuel und Erregungen des Krieges, der Jahrelang um die Stadt gewütet, hatten freilich in der Hauptsache aufgehört; aber furchtbar litt alles Land unter den Folgen; die Edeln waren arm geworden, die Felder verwüstet und die Dörfer verbrannt; an Geld war unerhörter Mangel. Dies Alles wirkte unmittelbar auf die Stadt und traf hier zusammen mit den besondern Schädigungen, die Gemeinwesen wie Einzelne nun als Ergebnis der Konzilszeit zu spüren hatten. Die Jahre der Blüte waren seit langem dahin. Zwischen ihnen und heute lagen die Teurung und die Pest, der Kampf, das stäte Sinken des Konzils. Schon 1441 sorgte sich der Rat um die beginnende Verödung der Stadt. Das Aufhören einer so gewaltigen Konjunktur konnte nicht ohne den empfindlichsten wirtschaftlichen Rückschlag geschehen.

Dazu die Sorge um das Konzil selbst. Die Klage Beinheims, daß die Sache gemeiner Christenheit übel stehe, weil nur wenige Fürsten noch zum Konzil halten, gibt die allgemeine Anschauung der Führer Basels wieder. Noch erhoffte man eine Unterstützung der Konzilssache durch die deutschen Fürsten; aber auf dem Reichstag zu Frankfurt im September 1446 gingen auch diese letzten Hoffnungen unter; und als auf dem Heimritt von diesem Tage unweit Straßburgs der Kardinal Ludwig von Arles einem Anschlage der Grafen Hans von Eberstein und Wilhelm von Lützelstein kaum [533] entging, wurde man in Basel aufs neue inne, wessen man sich von dem römischen Gegner zu versehen hatte. In manchem Basler mochte sich auch die Frage regen, ob das Recht wirklich auf Seite des Konzils sei.

Was Ahnungsvolles und Schweres in der Zeit lag, schien in einer die damaligen Menschen erschreckenden Weise seine Beleuchtung zu finden durch den am Fronleichnamstag 1447 geschehenen Raub des Sakramentes vom Hochaltar im Münster.


König Friedrich hatte dem Basler Rat schon durch Schreiben vom 22. November 1446 seine ernstliche Unzufriedenheit mit dem Treiben der „Väter zu Basel“ bezeugt und ihn aufgefordert, dagegen einzuschreiten. Der Rat war dem nicht gefolgt. Durchaus höflich erinnerte er den König an die von ihm selbst, von Albrecht und Sigmund dem Konzil gewährten Schirmbriefe und an sein eigenes Geleit; er wahrte die Freiheit des Konzils.

Eine Erwiderung vom Hofe erfolgte nicht. Aber in Basel vernahm man sehr wohl, wie die Dinge draußen in der Welt sich gestalteten; man hörte von den in Rom durch den König und einige Fürsten dem Papst Eugen abgegebenen Obedienzerklärungen, vom Tod Eugens, von der Wahl Nikolaus V., endlich von den wichtigen Abmachungen am Fürstentag zu Aschaffenburg im Juli 1447.

Die Wirkung dieser letztern ließ nicht lange auf sich warten. Ein vom 18. August datiertes Mandat König Friedrichs wurde Ende Septembers durch einen königlichen Boten dem Basler Rate präsentiert, gleich hernach auch an Münster und Rathaus angeschlagen. In diesem Erlaß teilte der König dem Rate mit, daß das von ihm dem Konzil erteilte Geleit widerrufen worden sei; er befahl, daß der Rat der Versammlung auch sein Geleit aufsage, bei Verlust aller der Stadt vom Reiche gewährten Gnaden; bis Martinstag müßten die Väter Basel geräumt haben.

Beim Konzil brachte dies Schreiben zuwege, daß eine Anzahl Deutsche sich fortbegaben. Der Rat stand in Ungewißheit, was zu tun sei. Es schien schwer, dem König nicht zu gehorchen, und nicht ehrlich, die dem Konzil gegebene Zusage zu widerrufen. Man saß nachdenklich über der Sache, auch im Großen Rate wurde sie verhandelt; zuletzt entschloß man sich zu einem Brief an den König, am 10. Oktober. In der Hauptsache war dieser der früheren Erwiderung gleich; durch eine Gesandtschaft wollte der Rat seine Sache noch mündlich vertreten lassen.

Er hoffte Zeit zu gewinnen und erwartete, daß sich inzwischen das Konzil selbst dazu verstehen werde, Basel zu räumen. An Aufforderderungen [534] hiezu ließ er es nicht fehlen. Ueberdies aber hatte er schon einige Tage vor Abgang des Briefes, zur Wahrung des Rechts, feierlich und förmlich gegen das Mandat an den besser unterrichteten König, den Papst, das Konzil und die Kurfürsten appelliert.

Aber die Boten ritten nicht, und Alles blieb stille. Bis um Weihnachten herum ein zweites Mandat Friedrichs, vom 12. Dezember datiert, in Basel eintraf. Der König wiederholte sein Begehren, das Konzil auszuweisen, und verhieß ernste Maßregeln für den Fall längeren Ungehorsams.

Der Rat wiederholte seine Appellation, unternahm aber nichts. Er erwartete Hilfe von anderer Seite. An der Ende 1447 in Genf stattfindenden Konferenz von Gesandten des Papstes Nikolaus mit solchen Frankreichs über die Konzilsfrage, an welcher Konferenz außer Vertretern des Konzils auch Gesandte der Stadt und des Bischofs anwesend waren, hatte der Erzbischof von Rheims es übernommen, die Fürsprache seines Königs Karl bei Friedrich für Basel zu veranlassen; der Rat wollte zunächst den Erfolg dieser Verwendung abwarten.

Aber am 17. Februar 1448, gerade an dem Tage, da zu Wien die letzten Vereinbarungen zwischen Deutschland und Rom zu Stande kamen, traf ein drittes Mandat des Königs in Basel ein, aufs strengste formuliert und mit schweren Drohungen. Zur gleichen Zeit hatte Friedrich Herzog Albrecht aufgefordert, die nach Basel führenden Straßen zu schließen und der Stadt nichts an Lebensmitteln u. dgl. zuführen zu lassen.

Der Rat ließ auch jetzt wieder seine Appellation erklären. Dann aber ging die Gesandtschaft nach Wien ab. Gesandter des Rates war Henman Offenburg, Gesandter des Bischofs sein Offizial Johann Gemminger. Wir erfahren nicht, in welcher Weise sie die Sache Basels in Wien vertraten, sondern nur, wie der Kanzler Kaspar Schlick sie am 10. März abfertigte. Er sagte ihnen, daß das, was sie vorgebracht, den König ernstlich befremdet habe. Das Konzil lasse Schriften ausgehen, die des Königs Ehre beleidigen, und daß die Basler solches in ihrer Stadt geschehen lassen, mache sie zu Majestätsverbrechern. „Wenn ihr, Herr Henman, von dem Geleite redet, das eure Stadt soll gegeben haben, so wisset, daß der König auch Geleit gegeben hat; er achtet aber sein Geleit nicht minder als die Stadt Basel das ihre, und hat doch das seine widerrufen.“

Die Gesandten waren entlassen und konnten verreisen. Aber noch ehe sie heimkamen, war hier ein Brief des Königs eingetroffen, in dem der Stadt aufgegeben wurde, vor Ablauf von fünfundvierzig Tagen vor dem [535] König oder seinen Kommissarien sich zu stellen, damit sie dort aller Privilegien, Lehen und Freiheiten beraubt und in die Acht erkannt werde.

Der Vorladung lag ein Drohbrief des Legaten Carvajal aus Wien bei; der Legat verhieß Basel, da es die Rebellen noch immer beherberge, den Vollzug all der schweren von Eugen und Nikolaus verhängten Strafen.

Und zur gleichen Zeit brachte der Rat in Erfahrung, daß der Erzbischof von Rheims die versprochenen Schritte beim König nicht getan habe.

Wir müssen annehmen, daß der Rat sich ununterbrochen mit dem Konzil über alle diese Angelegenheiten verständigte. Sein Wunsch war natürlich, daß das Konzil weiche, und er verhehlte ihm dies auch durchaus nicht. Aber die Väter antworteten wiederholt, daß sie dies nicht tun könnten, und beriefen sich stets auf ihre Geleitsbriefe.

Der Rat sah, daß er nachgeben mußte; aber es sollte in allen Formen und so geschehen, daß die Ehre der Stadt ohne Makel blieb.

Daher zunächst wieder eine Appellation, am 18. April 1448, und dann die Entsendung einer zweiten Botschaft zum König. Der Bischof delegierte wiederum den Offizial Gemminger, der Rat gab dem Henman Offenburg noch den Burchard Besserer und den Unterschreiber Gerhard Mecking bei. Die Instruktion dieser Gesandten nennt als Hauptmotiv, die Stadt habe nie ersehen, daß das Konzil ein Ende genommen habe. Sie habe vielmehr dafür halten müssen, daß es noch immer zu Recht bestehe, und habe daher ihr Geleite nicht aufsagen dürfen, das ausdrücklich bis zum Schluß des Konzils und vier Monate darüber hinaus gegeben worden sei. Daher möge der König sie wegen dieser Geleitsaufsagung nicht weiter ansprechen. Lasse er aber dieses Begehren nicht fallen, so wolle die Stadt durch Rechtsspruch darüber belehrt sein, ob sie das Geleit aufzusagen habe oder nicht, und um solchen Rechtsspruch wolle sie sich wenden an die Kurfürsten, die nach dem König die obersten Richter der Weltlichkeit im Reiche seien, oder, wenn diese das Recht versagen, an den Pfalzgrafen bei Rhein als den Vikar des Reiches. Am 21. Mai hatten die Gesandten ihre erste Audienz beim König, in Graz. In wiederholten Vorträgen entwickelten sie ihre Sache; mit den königlichen Räten, namentlich mit dem Bischof von Chiemsee, fanden Besprechungen statt. Endlich ließ sich Friedrich dazu herbei, die Strafen fallen zu lassen, und bewilligte den Baslern das angerufene Recht. Doch verwarf er ihr Rechtgebot und erinnerte an seine Ladung vom 15. März, durch die ihnen schon ein Richter gesetzt sei.

So kam es zum Spruch des Kammergerichts, am 31. Mai 1448. Er lautete dahin, daß die von Basel, nachdem der König sein Geleit widerrufen [536] und ihnen geboten habe, auch ihr Geleit abzusagen, dies „wol und zimlich“ tun mögen und von Ehren und Rechtes wegen zu tun schuldig seien.


Am 15. Juni 1448 versammelte sich das Konzil zu seiner letzten feierlichen Session im Münster. In dieser beschloß es, daß das nächste Konzil längstens in drei Jahren zu Lyon abgehalten werden solle; zugleich wurde der Entschluß ausgesprochen, das jetzige Konzil keineswegs aufzulösen, sondern hier am Orte weiterzuführen; sollten sich dem Hindernisse entgegenstellen, so sei das Konzil nach Lausanne zu verlegen.

Es folgte noch die große bewegliche Schlußszene, im Refektorium des Barfüßerklosters, am 28. Juni gegen Abend. Von Seiten des Konzils waren gegen hundert Väter erschienen, aber der Arelatensis fehlte; Bischof Friedrich war zugegen mit einigen Herren des Domkapitels, vom Rate der Bürgermeister Rot, Offenburg, Besserer, Ospernell und Hans Sürlin, sowie die beiden Schreiber Künlin und Mecking. Als Sprecher der Stadt funktionierte Doktor Heinrich von Beinheim. Vor siebzehn Jahren hatte dieser an der Eröffnung des Konzils mitgearbeitet, jetzt fiel ihm namens der Stadt das letzte Wort zu. Er redete ausführlich, in sorgfältiger Darlegung der zwischen König und Stadt geführten Verhandlungen, unter wörtlicher Mitteilung der Schreiben und Erlasse, zuletzt mit Erwähnung des von den Räten gefaßten Beschlusses, sich zu fügen. Und „mit großem Unwillen“, „cum gravi animi dolore“ sagte er namens der Stadt dem Konzil das Geleit auf. Zwei Notare wohnten der Handlung bei und fertigten darüber ein Instrument. Nur als Zeugnis dessen, was seitens der Stadt geschehen war, hatte dies Instrument zu dienen; ein Protokoll würde auch die Antwort des Konzils enthalten, die jedenfalls an diesem denkwürdigen Abend nicht ausgeblieben ist.

Am 4. Juli sodann geschah der große Auszug des Konzils, mit sieben Wagen, zu Roß und zu Fuß. Sie begaben sich nach Lausanne; die Basler geleiteten sie mit bewaffneter Mannschaft bis Waldenburg. Am gleichen Tage noch, sofort nachdem sie die Stadt verlassen, befahl der Bischof die Konzilsbänke im Chor abzubrechen. Die Siegelform für die Bullen des Konzils war noch in Anwesenheit der Väter vernichtet worden.

Mit dem Beschlusse des Rates, sich zu unterwerfen, und mit dem feierlichen Akte zu Barfüßern war die Sache zwar formell geordnet, und das Konzil hatte auch tatsächlich sein Ende in Basel gefunden. Aber die Trennung der Geister dauerte fort. Priesterschaft wie Bürgerschaft parteiten sich zwischen Felix und Nikolaus.

[537] Mitten in diese Zustände hinein führt uns die Angelegenheit des Offizials Johann Gemminger. Dieser war dem Konzil durchaus zugetan gewesen und hatte dessen Sache gegen die Streitschriften des Bischofs Otto von Konstanz mit Entschiedenheit verfochten; dann finden wir ihn bei den Verhandlungen über Widerruf des Geleits als Gesandten tätig.

Von der zweiten Gesandtschaft scheint er nicht mit den übrigen Boten zurückgekehrt, sondern direkt von Graz nach Rom gereist zu sein, wohl im Auftrag und mit Instruktion des Bischofs Friedrich. Am 25. Juni, in Rom, erklärte er dem Papst Nikolaus in öffentlichem Konsistorium die Obedienz seines Bischofs sowie der Priesterschaft und der Bürger von Basel und der ganzen Diözese. Die Antwort des Papstes auf diese Botschaft, die er als „ein besonderes Geschenk der göttlichen Gnade, als eine vollkommene Gabe des Vaters alles Lichtes“ begrüßte, war eine Bulle vom 29. Juni; er nahm die Obedienz entgegen, empfing Bischof, Klerus und das Volk von Basel aufs neue in die Gnade des Heiligen Stuhles und hob alle über sie verhängten Sentenzen und Strafen auf.

Als Gemminger diese Bulle in Basel produzierte, brach der Lärm los. Deutlich zeigte sich, daß die Unterwerfung unter den Befehl des Königs keineswegs die Anerkennung des neuen Papstes bedeutet hatte. Weder beim Domkapitel noch insbesondere bei der Stadt. Vor den Domherren und dann wieder vor dem Rate mußte Gemminger eingestehen, ohne ihren Auftrag in Rom gehandelt und eine Obedienz erklärt zu haben, die sie niemals ausgesprochen hatten. Ob Gemminger in Rom als Intrigant oder nur vorlaut gehandelt, wissen wir nicht. Der Bischof, der ihm seinerzeit allerdings Aufträge für Rom gegeben hatte, wurde jetzt doch zum Einschreiten gegen ihn genötigt. Gemminger kam in Haft im Schürhof, auf Birseck, in Kunostor. Nachdem er frei geworden, ging er nach Rom und erhielt dort zur Tröstung das Amt eines Bullenschreibers.


Mit dem weiland Basler, nun Lausanner Konzil ging es übrigens rasch dem Ende zu. Es erklärte am 25. April 1449 seine Auflösung, nachdem Papst Felix schon am 7. April den Rücktritt erklärt hatte. Damit kam auch das Verhältnis Basels zum Papste von selbst ins Reine.

Wenn Basel jetzt die Bilanz der Konzilszeit zog, so mochte die momentane Empfindung eine trübe sein. Die wir das Ganze zu überblicken und auch die Wirkungen des Konzils auf die Stadt zu erkennen vermögen, urteilen günstiger. Der Gesamteindruck aber, den das Konzil hier hinterließ, war ein freundlicher, wenn auch elegischer. „Item das concilium [538] was zu Basel gesin siebzehn jor und hat sich so erlichen und fromelichen gehalten, das kein clage nie von inen kam“ schrieb der städtische Chronist. Aber am tiefsten wirkte das treue Ausharren, die Beständigkeit und Unerschütterlichkeit dieser Konzilsväter durch Teurung, Pestzeit, Krieg und Anfeindungen aller Art hindurch. Sie hätten deshalb einen besseren Schluß verdient. „Diß concilium hatt ein schönen anfang, aber ein ublen ußgang.“ Das Ende war in der Tat dürftig, ja erbärmlich.

Als dann wenig später die Ströme der Rompilger durch Basel zu fluten begannen, zum großen Jubiläum von 1450, konnten sie Jedem zum Bewußtsein bringen, wo auf Erden das Heil zu suchen sei. Das Konzil war vergangen und Roma die triumphierende.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: verlaegten
  2. Vorlage: dehelligt
  3. Vorlage: Präluten
  4. Vorlage: Vorbeitungen