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weiß, gilt auch hier: man trifft sich im Geheimen, oft bei Dunkelheit, sogar erst nach Mitternacht; die Parteien suchen und finden sich zusammen, und was dann in den Sitzungen zur Behandlung kommt, ist meist schon vorher im Stillen abgeredet worden.

Gerne vernimmt man daher, wie diese geschäftigen und geplagten Männer sich Erholung gönnen. Der Konzilsnotar Bruneti erzählt von sich, daß er mit dem Bischof von Nevers zusammen nach St. Chrischona hinaufgestiegen sei, wobei ihm unterwegs im Walde sein Maultier entlief. Und ein Basler Chronist berichtet das Geschichtlein von den Konzilsherren, die „Lusts halber“ im Bruderholz spazieren und dort ein Vöglein wunderbar singen hören; Einer von ihnen beschwört den Vogel, worauf dieser antwortet, daß er ein verlorner und verdammter Geist sei. „Darüber sind selbige Herren so heftig erschrocken, daß sie krank worden und bald gestorben.“ Auch hier gibt Richental lebensvolle Bilder aus Konstanz: wie die Konzilsherren Ruhe suchen und vor die Stadt ins Grüne gehen; da nehmen sie in den Wiesen unter schattigen Bäumen ihren Imbis; oder in einem Walde schenken Wirte Wein aus, da findet man auch gebratene Hühner und Fische und was man sonst begehrt, und dazu hübsche Frauen. Als Gegenstück hiezu die armen zum Konzil gehörenden Priester, die verdienen müssen und am Mauerwerk und in den Feldern um Taglohn arbeiten.

Zu dem Letztern stimmt, daß auch in Basel über Mangel geklagt wird, daß Vielen schwer fällt, am Konzil auszuharren. Selbst Prälaten wie der Bischof von Leon wollen der Kosten wegen das Konzil verlassen; die Universitäten Wien und Köln rufen aus demselben Grunde ihre Gesandten frühzeitig ab. Ein Mönch von Cluny klagt seinem Abt in beweglichen Worten den Mangel, den er leide; er hat für den Winter Holz gekauft und einen neuen Ofen aufsetzen lassen und hat nun kein Geld mehr. Der Tegernseer Mönch Stöckel redet in jedem seiner Briefe von Entbehrungen, von Geldklemme, von Schuldenmachen; er ist noch nie in solcher Armut und Trübsal gewesen; seinen Mantel und eine Handschrift mit Predigten hat er verkauft, um sich Zehrung zu schaffen. Auch hohe Herren müssen sich einschränken. Die Pferde, die sie mitgebracht, suchen sie zu verkaufen, weil das Futter hier teuer ist; das Gefolge, mit dem sie eingezogen, schicken sie oft wieder nach Hause und behalten nur einen Kaplan und einen Knecht bei sich, zuweilen gar nur den Letztern.

Um den Bestand dieser Konzilsgesellschaft zu zeichnen, müßten eingehendere Angaben gemacht werden, als hier möglich ist. Sie war überaus

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Erster Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1907, Seite 510. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_1.pdf/529&oldid=- (Version vom 1.8.2018)